Stenographisches Protokoll

681. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 8. November 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

681. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 8. November 2001

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 8. November 2001: 9.04 – 22.46 Uhr

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Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Datenschutzgesetz 2000, das Parteiengesetz, das Mediengesetz, das Privatradiogesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Bundesstatistikgesetz 2000, das Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz für den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes); mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz, das Forschungsorganisationsgesetz, das Studienberechtigungsgesetz und das Tierversuchsgesetz geändert werden; mit dem das Bundes-Jugendförderungsgesetz, das Bundes-Jugendvertretungsgesetz und das Krankenanstaltengesetz geändert werden; mit dem das Außenhandelsgesetz 1995, das Handelsstatistische Gesetz 1995, das Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz, das Sicherheitskontrollgesetz 1991, das Akkreditierungsgesetz, das Bauproduktegesetz, das Beschussgesetz, das Dampfkesselbetriebsgesetz, das Elektrotechnikgesetz 1992, das ERP-Fonds-Gesetz, das Kesselgesetz, das Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, das Maß- und Eichgesetz, das Normengesetz 1971, das Vermessungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, das Ziviltechnikergesetz 1993, das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Ingenieurgesetz 1990, die Gewerbeordnung 1994, das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, das EU-Wettbewerbsgesetz, das Euro-Währungsangabengesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, das Stadterneuerungsgesetz, das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz, das Gaswirtschaftsgesetz, das Starkstromwegegesetz 1968, das Preistransparenzgesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Bundesgesetz über das Grubenwehrehrenzeichen, das Lagerstättengesetz, und das Allgemeine österreichische Berggesetz geändert werden (2. Euro-Umstellungsgesetz – Bund)

2. Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden

3. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen


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681. Sitzung / Seite 2

4. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

5. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Libanesischen Republik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll

6. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über die Förderung und den Schutz von Investitionen

7. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung von Belize über die Förderung und den Schutz von Investitionen

8. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen

9. Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit

Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit

10. Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz geändert wird

11. Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird

12. Bundesgesetz, mit dem ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet und das Wehrgesetz 1990 geändert wird

13. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik und das Kriegsmaterialgesetz geändert werden

14. Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza

15. Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

16. Bundesgesetz, mit dem das Zustellgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert werden sowie das Verwaltungsentlastungsgesetz aufgehoben wird (Verwaltungsverfahrensnovelle 2001)

17. Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen

18. Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz)

19. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert wird

20. Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2000

21. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz), BGBl. Nr. 108/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/1998, geändert wird


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22. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

23. Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/1997, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozessordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, sowie das Strafvollzugsgesetz, das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz, das Militärstrafgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Mediengesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2001)

24. Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Außerstreitgesetz, das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972 und das Wohnbauförderungsgesetz 1984 geändert werden (Euro-Gerichtsgebühren-Novelle – EGN)

25. Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird (Euro-Rechtsanwaltstarif-Novelle) und Anpassungen im Gerichtskommissionstarifgesetz und im Notariatstarifgesetz vorgenommen werden

26. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975, geändert wird

27. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf die Insel Man

28. Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts Brasiliens, Chiles, Georgiens, Islands, Maltas, Moldaus, Südafrikas und Zyperns zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung

29. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen erlassen wird und das Telekommunikationsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Oberösterreichischen Landtagsdirektion betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 14

Angelobung des Bundesrates Mag. Gerhard Tusek 14

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung

Albrecht Konecny 15, 34, 35, 35, 39

Stefan Schennach 36 und 40


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681. Sitzung / Seite 4

Dr. Peter Böhm 37 und 41

Ludwig Bieringer 40

Sitzungsunterbrechungen 35, 35, 42 und 92

Personalien

Krankmeldungen 14

Entschuldigungen 14

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 36

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 34 und 41

Ausschüsse

Zuweisungen 36

Fragestunde

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 15

Ilse Giesinger (1202/M-BR/01); Mag. Melitta Trunk, Dr. Robert Aspöck, Stefan Schennach

Günther Kaltenbacher (1199/M-BR/01); Engelbert Weilharter, Mag. Gerhard Tusek

Uta Barbara Pühringer (1203/M-BR/01); Karl Boden, Mag. John Gudenus

Dr. Peter Böhm (1206/M-BR/01); Dipl.-Ing. Hannes Missethon

Herbert Würschl (1200/M-BR/01); Ing. Gerd Klamt, Uta Barbara Pühringer

Günther Köberl (1204/M-BR/01); Reinhard Todt, Thomas Ram

Horst Freiberger (1201/M-BR/01); Engelbert Weilharter, Dr. Vincenz Liechtenstein

Josef Saller (1205/M-BR/01); Anna Schlaffer, Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (1207/M-BR/01); Ing. Walter Grasberger, Herbert Würschl

Stefan Schennach (1208/M-BR/01); Uta Barbara Pühringer, Johanna Schicker, Dr. Renate Kanovsky-Wintermann

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an den Bundeskanzler betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen (1879/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Verunsicherung der öster


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681. Sitzung / Seite 5

reichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen (1880/J-BR/01)

Begründung: Albrecht Konecny 93

Beantwortung: Staatssekretär Franz Morak 99

B>Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 104

Redner:

Johann Kraml 109

Mag. Harald Himmer 112

Ferdinand Gstöttner 114

Dr. Peter Böhm 116

Stefan Schennach 119

Dr. Ferdinand Maier 120

Peter Marizzi 123

Engelbert Weilharter 124

Ernst Winter 126 und 134

Mag. Melitta Trunk 127

Dr. Robert Aspöck 129

Reinhard Todt 130

Albrecht Konecny 131

Ulrike Haunschmid 133

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Datenschutzgesetz 2000, das Parteiengesetz, das Mediengesetz, das Privatradiogesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Bundesstatistikgesetz 2000, das Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz für den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes); mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz, das Forschungsorganisationsgesetz, das Studienberechtigungsgesetz und das Tierversuchsgesetz geändert werden; mit dem das Bundes-Jugendförderungsgesetz, das Bundes-Jugendvertretungsgesetz und das Krankenanstaltengesetz geändert werden; mit dem das Außenhandelsgesetz 1995, das Handelsstatistische Gesetz 1995, das Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz, das Sicherheitskontrollgesetz 1991, das Akkreditierungsgesetz, das Bauproduktegesetz, das Beschussgesetz, das Dampfkesselbetriebsgesetz, das Elektrotechnikgesetz 1992, das ERP-Fonds-Gesetz, das Kesselgesetz, das Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, das Maß- und Eichgesetz, das Normengesetz 1971, das Vermessungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, das Ziviltechnikergesetz 1993, das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Ingenieurgesetz 1990, die Gewerbeordnung 1994, das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, das EU-Wettbewerbsgesetz, das Euro-Währungsangabengesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, das Stadterneuerungsgesetz, das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz, das Gaswirtschaftsgesetz, das Starkstromwegegesetz


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681. Sitzung / Seite 6

1968, das Preistransparenzgesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Bundesgesetz über das Grubenwehrehrenzeichen, das Lagerstättengesetz, und das Allgemeine österreichische Berggesetz geändert werden (2. Euro-Umstellungsgesetz – Bund) (742 und 824/NR sowie 6458 und 6459/BR d. B.)

(2) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden (825/NR sowie 6460/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Würschl 43

[Antrag, zu (1) keinen Einspruch zu erheben und zu (2) dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (1) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 44

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (598 und 818/NR sowie 6461/BR d. B.)

(4) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (695 und 819/NR sowie 6462/BR d. B.)

(5) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Libanesischen Republik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll (682 und 820/NR sowie 6463/BR d. B.)

(6) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über die Förderung und den Schutz von Investitionen (688 und 821/NR sowie 6464/BR d. B.)

(7) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung von Belize über die Förderung und den Schutz von Investitionen (751 und 822/NR sowie 6465/BR d. B.)

(8) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen (747 und 823/NR sowie 6466/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Würschl 45


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 7

[Antrag, zu (3), (4), (5), (6), (7), und (8) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3), (4), (5), (6), (7) und (8) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 46

(9) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit

Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (601 und 773/NR sowie 6467/BR d. B.)

Berichterstatter: Thomas Ram 48

(Antrag, 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates betreffend ein Übereinkommen (Nr. 182) gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, 3. die Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Margarete Aburumieh 48

Herbert Würschl 50

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 51

Mag. Melitta Trunk 52

Ing. Gerd Klamt 53

Stefan Schennach 54

Staatssekretärin Mares Rossmann 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates betreffend ein Übereinkommen (Nr. 182) gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, 3. die Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 56

(10) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz geändert wird (519/A und 794/NR sowie 6468/BR d. B.)

Berichterstatter: Thomas Ram 57

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Hans Ager 57

Günther Kaltenbacher 58

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 59


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681. Sitzung / Seite 8

Leopold Steinbichler 61

Manfred Gruber 63

Hedda Kainz 66

Ilse Giesinger 68

Staatssekretärin Mares Rossmann 69


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681. Sitzung / Seite 9

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 71

(11) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird (500/A und 793/NR sowie 6469/BR d. B.)

Berichterstatter: Thomas Ram 71

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 71

Gemeinsame Beratung über

(12) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet und das Wehrgesetz 1990 geändert wird (505/A und 809/NR sowie 6470/BR d. B.)

(13) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik und das Kriegsmaterialgesetz geändert werden (810/NR sowie 6471/BR d. B.)

(14) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza (565 und 807/NR sowie 6472/BR d. B.)

(15) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (622 und 808/NR sowie 6473/BR d. B.)

Berichterstatterin: Maria Grander 72

[Antrag, zu (12), (13) keinen Einspruch zu erheben, zu (14) und (15) dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Stefan Schennach 73

Herwig Hösele 75

Albrecht Konecny 77

Mag. John Gudenus 79

Dr. Ferdinand Maier 81

Reinhard Todt 83

Christoph Hagen 84

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 84

Ing. Gerd Klamt 86

Jürgen Weiss 87

Mag. Gerhard Tusek 89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 91

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (14) und (15) dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 91

(16) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zustellgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert werden sowie das Verwaltungsentlastungsgesetz aufgehoben wird (Verwaltungsverfahrensnovelle 2001) (723 und 813/NR sowie 6474/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 135

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Gerhard Tusek 135

Mag. Melitta Trunk 136

Dr. Peter Böhm 137

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 138

(17) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend das Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen (670 und 814/NR sowie 6475/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 138

(Antrag, 1. keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Manfred Gruber 139

Staatssekretär Franz Morak 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 140

Gemeinsame Beratung über

(18) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) (513/A und 811/NR sowie 6476/BR d. B.)

(19) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert wird (812/NR sowie 6477/BR d. B.)


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 10

Berichterstatter: Herwig Hösele 141

[Antrag, zu (18) und (19) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Horst Freiberger 141

Uta Barbara Pühringer 143

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (18) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (19) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 144

(20) Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2000 (III-221-BR/01 sowie 6478/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 144

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Josef Saller 144

Johann Kraml 145

Dr. Peter Böhm 147

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 148

Volksanwalt Mag. Johann Ewald Stadler 149

Volksanwältin Rosemarie Bauer 153

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 155

(21) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz), BGBl. Nr. 108/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/1998, geändert wird (745 und 804/NR sowie 6456 und 6479/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 155

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Margarete Aburumieh 156

Anna Schlaffer 157

Ulrike Haunschmid 158

Mag. Melitta Trunk 159

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 162

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 164

(22) Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (549 und 826/NR sowie 6480/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 164


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 11

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates, dessen Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 9 Abs. 1 und 2 verfassungsändernd sind, gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Jürgen Weiss 165

Karl Boden 165

Christoph Hagen 166

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates, dessen Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 9 Abs. 1 und 2 verfassungsändernd sind, gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 166

(23) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/1997, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozessordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, sowie das Strafvollzugsgesetz, das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz, das Militärstrafgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Mediengesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2001) (754, 487, 755, 257/A und 787/NR sowie 6457 und 6481/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen 167

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Anna Schlaffer 167

Günther Köberl 168

Dr. Robert Aspöck 170

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 172

Johanna Auer 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 173

Gemeinsame Beratung über

(24) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Außerstreitgesetz, das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972 und das Wohnbauförderungsgesetz 1984 geändert werden (Euro-Gerichtsgebühren-Novelle – EGN) (759 und 788/NR sowie 6482/BR d. B.)


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681. Sitzung / Seite 12

(25) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird (Euro-Rechtsanwaltstarif-Novelle) und Anpassungen im Gerichtskommissionstarifgesetz und im Notariatstarifgesetz vorgenommen werden (760 und 789/NR sowie 6483/BR d. B.)

(26) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975, geändert wird (790/NR sowie 6484/BR d. B.)

(27) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf die Insel Man (518 und 791/NR sowie 6485/BR d. B.)

(28) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts Brasiliens, Chiles, Georgiens, Islands, Maltas, Moldaus, Südafrikas und Zyperns zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (743 und 792/NR sowie 6486/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen 175

[Antrag, zu (24), (25), (26), (27) und (28) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Peter Marizzi 175

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 176

Jürgen Weiss 177

Ing. Peter Polleruhs 178

Ilse Giesinger 180

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (24) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 180

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (25), (26), (27) und (28) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 180

(29) Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen erlassen wird und das Telekommunikationsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden (483 und 795/NR sowie 6487/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 181

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 181

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 183


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681. Sitzung / Seite 13

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verantwortlichkeit der Bundesministerin für die Schließung von Postämtern (1874/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Justiz betreffend Entschließung des Vorarlberger Landtages zur aktiven Lebenshilfe (1875/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Entschließung des Vorarlberger Landtages zur aktiven Lebenshilfe (1876/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Böhmdorfers Spione im EU-Ministerrat" (1877/J-BR/01)

der Bundesräte Herwig Hösele, Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Dr. Vincenz Liechtenstein, Ing. Peter Polleruhs und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Entschließung des Steiermärkischen Landtages zur Ökoenergie (1878/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an den Bundeskanzler betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen (1879/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen (1880/J-BR/01)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erhöhung der Feuerschutzsteuer (1881/J-BR/01)

der Bundesräte Ilse Giesinger, Jürgen Weiss, Uta Barbara Pühringer, Mag. Gerhard Tusek und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Umsetzung der Universitätsmilliarde (1882/J-BR/01)


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Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Präsident Alfred Schöls: Ich eröffne die 681. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 680. Sitzung des Bundesrates vom 11. Oktober 2001 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Germana Fösleitner und Harald Reisenberger.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Dietmar Hoscher, Gottfried Kneifel und Herbert Thumpser.

Angelobung

Präsident Alfred Schöls: Eingelangt ist ein Schreiben der Oberösterreichischen Landtagsdirektion betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "An das Büro des Präsidenten des Bundesrates Herrn Alfred Schöls, Dr. Karl-Renner-Ring 3, 1017 Wien

Mag. Michael Strugl; Zurücklegung des Mandats als Mitglied des Bundesrates

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir teilen mit, dass Bundesrat Mag. Michael Strugl mit Ablauf des 7. November 2001 auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrats verzichtet. Eine Kopie der Verzichtserklärung ist in der Anlage angeschlossen. Ersatzmann Prof. Mag. Gerhard Tusek wird ex lege nachrücken.

Die erforderliche Nachwahl (Wahl eines Ersatzmannes) erfolgt im Rahmen der Landtagssitzung am 8. November 2001.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Landtagsdirektor:

Doris Lengauer"

Präsident Alfred Schöls: Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Herr Mag. Tusek! "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Ich gelobe.

Präsident Alfred Schöls: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Konecny: Zur Geschäftsbehandlung!)


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Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Präsident Alfred Schöls: Herr Professor Konecny hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

9.08

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Wenn ich mich richtig erinnere, ist der Arbeitsplan des Bundesrates am 13. Oktober 2000 verteilt worden, auch an die Mitglieder der Bundesregierung. Dieser könnte doch bei der Planung von Auslandsreisen maßgeblich sein. Nach meinen Informationen – ich habe allerdings keine Ahnung, ob diese vollständig sind – stehen aus verschiedenen Gründen der Bundeskanzler, die Vizekanzlerin, die Außenministerin, der Minister für Wirtschaft und Arbeit und der Minister für Land- und Forstwirtschaft, aber vielleicht auch weitere, diesem Haus heute nicht zur Verfügung.

Ich frage den Herrn Präsidenten, ob er einen gewissen Überblick darüber hat, wer wen in dieser Bundesregierung und warum vertritt. Es ist für die parlamentarische Arbeit verhältnismäßig behindernd, vor allem auch für jene der Opposition, wenn beispielsweise das Fragerecht dadurch ausgehöhlt wird, dass zu bestimmten Fragen von anderen Regierungsmitgliedern, die zur Sache persönlich das zu sagen haben, was jeder Politiker zu sagen hat, von Beamten vorbereitete Texte verlesen werden. Das ist nicht der Sinn parlamentarischer Verhandlungen. (Beifall bei der SPÖ und dem Grünen.)

9.08

Präsident Alfred Schöls: Zu den Ausführungen des Kollegen Konecny darf ich festhalten, dass entsprechende Vertretungsschreiben in der heutigen Sitzung vorliegen, die entsprechend der Geschäftsordnung nach der Fragestunde behandelt werden. (Bundesrat Konecny: Sie haben einen Überblick, gut!)

Fragestunde

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen zur Fragestunde, die jetzt – um 9.09 Uhr – beginnt.

Bundesministerium für Bildung, Wisenschaft und Kultur

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 1202/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Ilse Giesinger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Anfrage lautet:

1202/M-BR/01

Welche Eckpunkte sind aus Ihrer Sicht für die Weiterentwicklung der Universitäten hin zur Selbständigkeit wesentlich?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Damit die Universitäten im Wettbewerb der europäischen Welt auch bestehen können, ist es notwendig, dass sie sich den neuen Herausforderungen stellen. Dazu gehört zum ersten ein modernes und neues Dienstrecht. Dieses moderne und neue Dienstrecht wurde vom Nationalrat und vom Bundesrat bereits beschlossen. Es bringt den Universitäten die Möglichkeit, das Personal nach ihren Notwendigkeiten ohne fix vom Ministerium vorgegebenen Stellenplan anzustellen.

Das Zweite ist Profilentwicklung. An der Profilentwicklung, Schwerpunktsetzung, den neuen Zusammenarbeitsmodellen wird derzeit in einer Arbeitsgruppe gearbeitet.


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Das Dritte ist die Autonomie der Universitäten, damit die Verantwortung und die Entscheidungskompetenz zusammengeführt werden, damit mit schlank strukturierten Verwaltungseinheiten ein Optimum für die Studierenden erreicht wird.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Welchen Zeitplan für die Realisierung haben Sie dabei ins Auge gefasst, und wie soll dieser Prozess, der eine vielschichtige Diskussion und Meinungsbildung beinhaltet, erfolgen?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Das Dienstrecht ist bereits beschlossen. Die Arbeitsgruppe betreffend Schwerpunktsetzung, Profilentwicklung arbeitet in Zusammenarbeit mit den einzelnen Universitäten. Für ein neues Universitätsrecht mit mehr Selbständigkeit arbeite ich in Form der offenen Planung, wo ein erster Entwurf bis Ende November zur Diskussion gestellt wird. Alle sind beteiligt und eingeladen, an der Weiterentwicklung dieses Entwurfes zu arbeiten. Der Gesetzentwurf soll im Februar fertig sein. Eine breite Begutachtung und die Beschlussfassung sollen im Frühjahr erfolgen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Trunk gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Frau Ministerin! Welche Antwort geben Sie auf Expertenmeinungen und Gutachten, die Ihre Vorschläge zur Verselbständigung der österreichischen Universitäten – ich zitiere – als Entmündigungsvorschlag und als demotivierenden Rückschritt auf Kosten von Studierenden und engagierten Universitätsmitarbeitern bezeichnen, wobei seitens der Universitäten die Aufforderung an Sie ergeht: Wir lassen uns von der Ministerin nicht entmündigen!?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Der Vorschlag wurde auf Grundlage des von der Rektorenkonferenz ausgearbeiteten Konzepts zur Weiterentwicklung der Universitäten erarbeitet. Es hat auch beim Dienstrecht diese Diskussionen gegeben. Es ist natürlich so, wenn etwas verändert wird, dann steht die ganze innovationsresistente Blockadeelite da und will diese Veränderung so gut wie möglich verhindern.

Wir brauchen diese Weiterentwicklung, denn es wird bis zum Jahr 2010 der europäische Hochschulraum verwirklicht, wo die einzelnen Universitäten mit Benchmarking, mit Offenlegung der Qualität gemessen werden. Das heißt, die Bewahrung des Alten kann nicht die Herausforderungen des europäischen Hochschulraumes bewältigen.

Wir begeben uns in ernsthafte Diskussionen. Es wird jedem die Möglichkeit gegeben, Vorschläge für Weiterentwicklungen einzubringen. Wir sind dankbar für konkrete Vorschläge. Wir nehmen es aber nicht zur Kenntnis, wenn nur ein Abmauern der alten Situation erfolgt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Aspöck gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Bundesministerin! Ist für die Studenteninnen und Studenten mit Einführung der Studiengebühr bereits in nächster Zeit eine spürbare Verbesserung der Studienbedingungen zu erwarten? (Ironische Heiterkeit.)

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Bereits mit dem UOG 1993 wurde die Vollrechtsfähigkeit in gewissen Bereichen vorweggenommen. Das heißt,


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für die Studienpläne, für die Studienbedingungen hat innerhalb des Budgets die Universität zu sorgen. Eine Universität hat genauso wie verantwortliche Politikerinnen und Politikern langfristige Planungen zu machen. Sie hat Mängellisten zu erstellen und diese Mängel zum Wohle der Studierenden zu beheben.

Damit diese Behebung möglich ist, haben die Universitäten in diesem Jahr 500 Millionen Schilling erhalten, um die Studienangebote zu verbessern. Es liegt in der Kompetenz der Universitäten, die Schwerpunkte zu setzen, dort anzusetzen, wo die tatsächlichen Mängel sind.

Im Jahr 2001 erhalten die Universitäten eine Milliarde Schilling. Die Universität Wien erhält zusätzlich zum Budget 243 Millionen Schilling zur Umsetzung von Anträgen zur Verbesserung des Studienangebotes, die sie gestellt hat. Dieses Geld muss die Universität zur Verbesserung des Angebotes einsetzen.

Ich will Ihnen das gern an einem Beispiel erläutern. Wenn der Professor für Anglistik jammert, er hat zu wenig Laborplätze – er hat 350 Laborplätze, am Anfang sind 500 Leute da –, dann ist es seine Aufgabe, in einer Langfristplanung erstens festzustellen, wie die Auslastung der Laborplätze während des gesamten Studienjahres aussieht. Ist die Auslastung so, dass diese während des gesamten Studienjahres überbelegt sind, dann muss er in einem Projekt beantragen, dass er zusätzliche Laborplätze bekommt. Ist es aber so, dass die Laborplätze ab dem zweiten Semester leer stehen, dann muss er sich überlegen, wie er den Studienanfang besser staffelt und besser organisiert. Die Universität muss sich auch die Belegungspläne anschauen. Denn wer heute ins alte AKH fährt und am Vormittag jemanden sucht, der dort ein Veranstaltung macht, der wird sehen, dass dort gähnende Leere ist, weil am Nachmittag die Kunststudenten kommen und ihre Vorlesungen dort haben.

Das heißt, es ist Aufgabe der Universität, für eine bessere Nutzung der Gebäude, für gestaffelte Angebote, für eine bessere Aufteilung und für einen besseren Studienbeginn zu sorgen. Dafür erhält allein die Universität Wien 240 Millionen Schilling im Jahr 2001.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! An den Universitäten ist es ein besonderes Ärgernis – dies führt auch immer wieder zu Verzögerungen –, dass der Rat für Forschung und Entwicklung seine verbindlichen Vergabekriterien für die Forschungsmilliarde nicht veröffentlicht hat. Warum ist dies so?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung ist ein unabhängiges Expertengremium. Er entwirft eine Strategie für die Entwicklung in Österreich, die in einem großen Reformdialog vorgestellt und von jedermann gelesen werden kann. Darin stehen die Schwerpunkte, wo der Rat für Forschung und Technologieentwicklung die Forschungsentwicklung in Österreich sieht. Darin stehen die wichtigen Ziele, die der Rat erreichen will, nämlich eine Positionierung innerhalb des europäischen Forschungsraumes. Darin steht ganz genau festgeschrieben, dass die Hebelwirkung der einzelnen Forschungsprojekte ein wichtiges Kriterium ist. Auch die Förderung des Forschernachwuchses ist darin nachzulesen.

Nach diesen Zielen und nach einer eingehenden Evaluierung vergibt der Rat seine Mittel. Die Universitäten müssen sich nur mit diesen Zielsetzungen beschäftigen. Ich stelle sie gerne zur Verfügung. Ich habe sie aus diesem Reformdialog, der in der Hofburg öffentlich stattfand, mitgenommen. Jedermann kann darin Einsicht nehmen.

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 2. Anfrage, 1199/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.


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Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Günther Kaltenbacher, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1199/M-BR/01

Wie begründen Sie die Umschichtung von 259 Millionen Schilling vom AMS Budget in das Bildungsressort?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: In der Gesamtdiskussion um die Studienbeiträge ist von allen Seiten gefordert worden, dass eine Erhöhung der Studienförderung nicht aus den in Form von Studienbeiträgen eingegangenen Mitteln erfolgen dürfe, was heißt, dass die Mittel aus anderen Budgetteilen kommen müssen.

Es hat daher die Bundesregierung im Zuge der Budgeterstellung mit dem Finanzministerium vereinbart, dass 250 Millionen Schilling für den Ansatz Studienbeihilfe aus den Mitteln des AMS gegeben werden, und zwar wird das als Förderung der Studierenden gesehen, was eine wichtige Unterstützungsmaßnahme für den raschen Übertritt in ein Beschäftigungsverhältnis darstellt. Das ist, so glaube ich, eine wichtige und richtige Begründung. Im Verhältnis zu den Rücklagen des AMS sind die 250 Millionen Schilling sehr gut angelegt.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wo sind Ihrer Meinung nach die Gelder sinnvoller oder effizienter investiert, im AMS oder im Bildungsressort? (Ironische Heiterkeit.)

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich glaube ganz ernsthaft, da gibt es kein Entweder-oder. Es hat jeder seine Zielsetzung und seine Aufgabe zu erfüllen. Die Aufgabe von Politik ist es, mit den Steuergeldern den jungen Menschen die bestmögliche Ausbildung, aber auch die bestmöglichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Deswegen glaube ich, dass im Zeitalter des lebensbegeleitenden Lernens, des ständigen Weiterbildens eine Zusammenarbeit zwischen diesen Institutionen notwendig ist.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! In welchem Ausmaß werden die umgeschichteten zusätzlichen Mittel von den Studierenden als Studienbeihilfen tatsächlich in Anspruch genommen?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben derzeit Mittel in Höhe von 2 Milliarden Schilling für Studienförderungen. Das heißt, 25 Prozent der Studierenden können in den Genuss von Studienbeihilfen kommen. Wir haben die Höhe der Studienbeihilfen angehoben. Wir haben die Höhe des Einkommens angehoben. Wir haben den Studierenden die Möglichkeit gegeben, im Jahr 120 000 S dazuzuverdienen. Wir haben die Grenze für das Einkommen der Eltern angehoben.

Ich bedaure es, dass die Österreichische Hochschülerschaft die Studierenden nicht eingehend über ihre Möglichkeiten informiert. Ich bedaure das außerordentlich, und ich rufe alle Studieren


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681. Sitzung / Seite 19

den auf, Anträge zu stellen, damit sie ihre Studienförderungen bekommen und dieses Geld auch wirklich genutzt wird.

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 3. Anfrage, 1203/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1203/M-BR/01

Wie wird sich die Verwaltungsreform auf die Leistungen des österreichischen Bildungssystems auswirken?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Verwaltungsreform hat das Ziel, die Overhead-Kosten, das heißt die Verwaltungskosten, zu dezimieren, die Verwaltungswege zu vereinfachen und für die Menschen eine Ansprechstelle zu schaffen. Bereits seit fünf Jahren sind zwischen Ministerium, Landesschulräten und Schulen Verwaltungswege abgeschafft worden. Wir haben Zustimmungsnotwendigkeiten abgeschafft worden. Wir haben die schulautonomen Tage eingeführt, damit es nicht ständig Bewilligungsverfahren gibt. Wir haben Kompetenzen zu den Landesschulräten, zu den Schulen verlagert. Wir sind also dabei, die Verwaltungswege zu vereinfachen.

Was mir noch ein Anliegen ist, ist, dass man auch in den Ländern für die Lehrerinnen und Lehrer eine Stelle schafft. In Oberösterreich ist es so, dass der Landesschulrat sowohl für die Pflichtschulen als auch für die weiterführenden Schulen zuständig ist. In vier Bundesländern ist es noch nicht so. Ich meine, dass wir gerade durch die Verwaltungsreform die Bildungsressourcen für die einzelnen Schülerinnen und Schüler stabil halten können, aber in der Verwaltung die notwendigen Einsparungen erzielen müssen.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Werden sich durch diese Maßnahmen im Bildungsbereich auch die Entscheidungsfreiräume der Länder verbessern oder erweitern?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist mir ein großes Anliegen, dass die Entscheidungskompetenz der Landesschulräte und der einzelnen Schulen vergrößert wird. Man muss diese Entscheidungskompetenz dann aber auch selbst wahrnehmen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Karl Boden gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Wie wird sich die Verwaltungsreform auf die Gemeinden auswirken?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Auch für die Gemeinden wird es notwendig sein, dass sie in ihrem Bereich überlegen, welche Zusammenführungen im Verwaltungsbereich, in den Verwaltungsabläufen gemacht werden können. Ich meine, dass es auch für die Gemeinden ein Vorteil ist, wenn sie in der BH einen Ansprech


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partner haben und nicht bei verschiedenen Anliegen zu verschiedenen Stellen laufen müssen. Ich glaube, dass wir in dem Gesamtsystem EU, Bundesregierung, Länderregierungen, Bezirke, Gemeinden die Strukturen straffen und klarer darstellen müssen. Eine vernünftige Verwaltungsreform kann auch für die Gemeinden nur von Vorteil sein.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Welche Unterscheidung treffen Sie zwischen Bildungssystem und Ausbildungssystem?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Das Bildungssystem ist das System, das den jungen Menschen in seiner gesamthaften Persönlichkeit bildet, entwickelt, alle Facetten seiner Persönlichkeit fördert. In der Aus- und Weiterbildung sehen wir die Notwendigkeit, die Menschen speziell für das berufliche Leben zu qualifizieren. Es gibt immer diese Unterscheidungen zwischen Ausbildung, Weiterbildung, Fortbildung, Schulbildung. Ich glaube, dass das sehr fließende Prozesse sind. In der Ausbildung sehen wir die Notwendigkeit, die Menschen, die auch schon im Arbeitsprozess stehen, ständig weiterzuqualifizieren. Das heißt, Bildung und Ausbildung werden zu einem lebensbegleitenden Prozess.

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 4. Anfrage, 1206/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm, um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat
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Bundesrat Dr. Peter Böhm
(Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1206/M-BR/01

Welche Konsequenzen beabsichtigen Sie aus der Tatsache zu ziehen, dass laut Umfragen eine große Mehrheit der Österreicher die Rechtschreibreform ignoriert?


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Präsident Alfred Schöls:
Bitte, Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Die Rechtschreibreform als Dauerbrenner für Erwachsene und Senioren ist an und für sich etwas, was nichts mit der Realität der Schule, auch nicht der Behörden zu tun hat. Eine Rechtschreibreform ist etwas, was ungefähr 30 Jahre braucht, bis es sich umgesetzt hat. Es ist kein Gesetz. Es kann niemand dafür eingesperrt werden, dass er falsch schreibt oder einen Beistrich vergisst. Wir können auch keine Geldstrafen dafür vergeben. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der Freiheitlichen und dem Grünen.)

Das heißt also, eine Rechtschreibreform ist eine gesellschaftliche Norm. Ich habe es schon oft gesagt, meine Großmutter hat, als ich noch ein Kind war, immer noch Foto mit "Ph" geschrieben, hat Tür und Tor mit "Th" geschrieben. Das ist kein Gesetz und keine Norm.

Die Rechtschreibreform wird auch nicht ignoriert, weil immerhin 120 000 Lehrerinnen und Lehrer nach dieser Rechtschreibreform unterrichten und somit 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler nach dieser unterrichtet werden und weil die meisten Zeitungen Österreichs auf diese neue Schreibweise umgestellt haben, auch die meisten Zeitungen Deutschlands. Es ist auch überhaupt kein Unglück, wenn bereits gedruckte Bücher in der alten Rechtschreibung und neu herauskommende Bücher in der neuen Rechtschreibung verfasst sind. Das sind fließende Übergänge. Deswegen macht man eine Rechtschreibreform so selten, nämlich alle 100 Jahre, weil es so lange dauert, bis sie sich durchsetzt.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ihre Ausführungen sind für mich völlig plausibel. Dennoch stellt sich für mich eine weitere Frage: Wie kann der so unbestreitbaren wie unerfreulichen Tatsache begegnet werden, dass wir noch auf längere Zeit – Sie haben von zirka 30 Jahren gesprochen – drei praktizierte Schreibweisen, und zwar die derzeit von zirka 56 Prozent beibehaltene alte Rechtschreibung, die erst von zirka 8 Prozent geübte neue Rechtschreibung und zudem die von 29 Prozent oder mehr verwendeten Mischformen, nebeneinander zu erwarten haben, wenn wir Vereinheitlichung wie auch Vereinfachung anstreben, ohne jenen 50 Prozent zu folgen, die es überhaupt jedem selbst überlassen wollen, wie er schreiben möchte?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.


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681. Sitzung / Seite 24

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Ich bezweifle erstens einmal Ihre Prozentrechnung. Denn wenn wir 8 Millionen Einwohner haben, dann sind 1,2 Millionen Schüler und 120 000 Lehrerinnen und Lehrer nicht 8 Prozent, sondern das sind mindestens 15 Prozent. Das heißt, diese Rechtschreibreform wird sich im Laufe der Zeit, im Laufe einer Generation durchsetzen.

Ich verstehe überhaupt nicht dieses Bestreben, jeden Menschen, also auch jeden älteren Menschen, dazu zu zwingen, nach der neuen Rechtschreibung zu schreiben. Ich verstehe auch nicht, wo die Schwierigkeit dabei ist. Sie können alles lesen, was geschrieben wird. Ich kann alles lesen, was geschrieben wird. Die Kinder können es auch lesen. Also ich glaube einfach, dass es da keine besondere Schwierigkeit gibt und dass es auch überhaupt kein Unglück ist, wenn verschiedene Möglichkeiten nebeneinander existieren.

Jahrzehntelang hat man Frisör mit "eu" schreiben können, inzwischen kann man es auch mit "ö" schreiben, manche schreiben es aber immer noch mit "eu". Ich glaube, dass da die gesellschaftliche Norm von jenen, die verantwortlich sind, in den Behörden, in der Schule übernommen wird und dass sich das beim Bürger im Laufe einer Generation auch durchsetzen wird.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Wie hat sich die Rechtschreibreform auf die Leistungen der österreichischen Schülerinnen und Schüler ausgewirkt?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben eine Erhebung machen lassen, bei der herausgekommen ist, dass die Schüler jetzt weniger Rechtschreibfehler und weniger Beistrichfehler machen als davor, weil die Rechtschreibung logischer ist.

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 5. Anfrage, 1200/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Herbert Würschl, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1200/M-BR/2001

Werden Sie eine Bestellung von Kärntner Parteifunktionären für die Funktion von Bezirksschul- und Landesschulinspektoren (u.a. Haider-Sekretär Karl Maier, BR Kanovsky-Wintermann) ohne Objektivierung durchführen?

Hinzu kommt noch der Cousin des ÖVP-Landesparteiobmannes Wurmitzer.

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich bin eine Anhängerin des Föderalismus, und deswegen werde ich meine regionalen Schulmanagementstellen, also die regionalen Schulmanager, die Landesschulräte, nicht auflösen.

Ich meine, dass wir in jedem Bundesland verantwortliche Menschen brauchen, die nach Objektivierungsverfahren für die Bildungsentwicklung, für die Bildungsplanung, für die Auswahl der Führungspositionen zuständig sind.

Es ist erstens festzustellen, dass die Aufgaben von Landesschulinspektoren wahrzunehmen sind.

Es ist zweitens festzustellen, dass es in ganz Österreich üblich ist, dass Personen mit der Erfüllung dieser Aufgabe – weil es für den Schulbetrieb unerlässlich ist – vorübergehend betraut werden.

Für diese Betrauung gibt es kein Objektivierungsverfahren, sondern erst für die Bestellung. Ich werde bei jeder Bestellung das Objektivierungsverfahren sehr genau überprüfen.

Derzeit werden Betrauungen vorgenommen, die nicht von mir erfolgen, sondern die von meinem Haus bestätigt werden. Diese Betrauungen werden gemacht, damit die Aufgaben erfüllt werden. Es liegt jetzt am Landesschulrat für Kärnten, ein Objektivierungsverfahren durchzuführen und das Ergebnis dieses Objektivierungsverfahrens dem Ministerium mitzuteilen, und erst dann werden die Bestellungen, die Ernennungen erfolgen.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wann werden die gesetzlichen Grundlagen für eine bundeseinheitliche Objektivierung realisiert?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es wurde von der Frau Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ein Entwurf für ein Objektivierungsgesetz eingebracht. Dieses wird derzeit beraten, und es liegt am BMöLS, diese Gesetzwerdung voranzutreiben und auch dafür zu sorgen, dass eine Beschlussfassung erfolgt.

Ich glaube, dass ein derartiges Gesetz ein Rahmengesetz sein muss, bei welchem nach den jeweiligen Gegebenheiten – gerade im Schulbereich – auch noch spezielle Erfordernisse in die Ausschreibung aufgenommen werden müssen, damit nämlich den spezifischen Umständen an den einzelnen Schulen in den Regionen Rechnung getragen werden kann. Ich denke da etwa an die Frage der Minderheiten und auch an andere Frage, die in einer Ausschreibung auch Berücksichtigung finden müssen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Es war von der Schulaufsicht die Rede. Daran knüpft meine Frage: Die Schulen haben sich durch die Reformen der vergangenen Jahre, insbesondere durch die Autonomie, stark verändert und auch verbessert. Inwieweit hat sich dadurch auch die Aufgabe der Schulaufsichtsbeamten geändert, beziehungsweise welche neuen Aufgabenstellungen haben sich daraus für die Schulaufsicht ergeben?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Schulaufsicht hat ein neues Berufsbild. Die Schulaufsichtspersonen sind regionale Schulmanager. Sie sind nicht mehr, wie in der ursprünglichen Form, nur dazu da, um Genehmigungen zu erteilen, Überprüfungen zu machen, Verwaltungsabläufe zu organisieren, sondern sie haben folgende zusätzliche Aufgaben: Betreuung von Schulentwicklungen in der Region, der Weiterentwicklung, der Lehrerweiterbildung, der Außenevaluierung, der Qualitätssicherung. Das heißt, die Aufgabe der Schulinspektoren hat sich zu einer Aufgabe von Schulmanagern weiterentwickelt. So werden im Rahmen der Autonomie für die Schulen mehr Kompetenzen an die Schulen gegeben. Die Inspektoren haben dadurch ein neues Rollenbild.

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 6. Anfrage, 1204/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Günther Köberl, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1204/M-BR/01

Welche Unterstützung können Sie sich für die Eltern bei der Bildungswahlentscheidung vorstellen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich bin für diese Frage sehr dankbar, denn ich möchte wirklich einmal ganz klar Folgendes feststellen: In der ganzen Diskussion darüber geht es nicht um punktuelle Aufnahmeprüfungen, sondern um Hilfestellungen, um Verfahrensschritte, damit den Eltern bessere Entscheidungsgrundlagen gegeben werden können.

Ich möchte durch zusätzliche Beratung verhindern, dass Kinder in der falschen Schule sitzen und durch schlechte Noten, durch Misserfolgserlebnisse die Lernfreude verlieren.

Wir arbeiten derzeit an der Erstellung von Leistungsstandards für die dritte und für die vierte Klasse Volksschule, damit die Lehrerinnen und die Lehrer bei der Notengebung mehr in der Hand haben, um ihre Notengebung begründen zu können. Es geht dabei vor allem um Leistungsstandards in Deutsch, in Rechnen, in Lesen. Man soll sagen können, auf welchem Standard das jeweilige Kind in diesen Fächern ist.

Weiters arbeiten wir mit Versuchsschulen, um den derzeitigen Stand der Entwicklung des Kindes feststellen und Entwicklungsprognosen für das Kind den Eltern geben zu können. Es geht dabei um folgende Fragen: Wie weit ist das Kind im kognitiven Bereich? Hat es seine Begabungen mehr auf der kognitiven Seite oder mehr in anderen Bereichen?

Eines stelle ich auch klar fest: Was die Politik tun soll, ist, viel Information zu geben, viel Information anzubieten – aber nicht flächendeckend, sondern die Eltern müssen sagen: Wir möchten diese Information haben! Aber die letztendliche Entscheidung bleibt immer noch bei den Eltern, die mit ihrem Kind beraten müssen, in welche Schule ihr Kind gehen soll. Ich will den Eltern diese Entscheidung nicht abnehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sie haben gesagt, Frau Ministerin, dass es bereits Versuchsschulen gibt. Wie schätzen Sie auf Grund der bereits bestehenden Pilotprojekte die Akzeptanz durch die Eltern ein?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es gibt ein Pilotprojekt im privaten Gymnasium in Wolkersdorf und verschiedene andere Verfahrensmöglichkeiten. Die Eltern akzeptieren diese Hilfestellungen nach einer Eingewöhnungsphase, nach einer guten Informationsphase sehr gut. Ich werde auch mit den Elternvereinen eine große Informationsschiene aufbauen. Wir wollen anbieten, aber nicht flächendeckend verordnen. Wir wollen Hilfestellung geben, aber die Entscheidung bleibt immer noch bei den Eltern.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Todt zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie diese Fragen angesprochen haben, dass Sie zugesagt haben, Eltern zu unterstützen.

Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür, dass Sie ein starkes Bekenntnis zum Föderalismus abgelegt haben. In Wien wurde mit den Stimmen aller Landtagsparteien in der vergangenen Legislaturperiode der Beschluss gefasst, die Kooperative Mittelschule, den Hauptschul- und Gymnasiumverbund, flächendeckend in allen Wiener Bezirken einzuführen.

Frau Bundesministerin! Wann werden Sie die Kooperative Mittelschule verordnen beziehungsweise eine Gesetzesinitiative diesbezüglich setzen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ihre Frage hat mit Föderalismus herzlich wenig zu tun, denn Föderalismus kann nicht heißen, dass ein Bundesland etwas beschließt, wofür es nicht zuständig ist, und dem Bund damit vorgibt, dass er das auch zu tun hat. (Bundesrat Todt: Die Situation in Wien ist eine andere als in den anderen Bundesländern! Das wissen Sie, Frau Bundesministerin!) Deswegen ist es so unsinnig, das flächendeckend zu verordnen, weil eben die Situation in Wien anders ist. Es muss immer noch derjenige, der die Zuständigkeit hat, politisch abwägen, was richtig ist.

Es wurde das Modell einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen den Hauptschulen und den weiterführenden Schulen bereits an etlichen Wiener Standorten verwirklicht. Dieses Modell scheint mir ein vernünftiges Modell zu sein, während das alte Modell der Gesamtschule europaweit und auch in Wien gescheitert ist.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ram gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Ministerin! Sie haben die Hilfe für Eltern bei der Wahlentscheidung, und zwar vor allem in der Volksschule, angesprochen. Meine Frage dazu lautet: Können Sie sich zur Unterstützung der Eltern bei der Wahlentscheidung, speziell nach der achten Schulstufe, die Einführung eines standardisierten Tests vorstellen, der den Eltern und den Schülern dazu dienen soll, die Talente der Schüler zu erforschen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Berufsorientierung ist ein ganz wichtiger Punkt. Es gibt diese Tests bereits, und zwar werden sie vom AMS, vom BIZ, vom Berufsinformationszentrum angeboten. Es wird zwar nicht genau gesagt, welchen Beruf man erlernen soll, aber es werden die Fähigkeiten und Kompetenzen getestet. Ich selbst habe so einen Test einmal gemacht, und dabei ist herausgekommen, dass ich als Buchhalter nicht geeignet wäre.

Im Testergebnis werden bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen als Richtschnur gegeben. Mein ganz großer Wunsch und mein Appell an alle Eltern ist: Bitte gehen Sie mit Ihrem Kind zu


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 25

solchen Beratungen, denn es ist ganz wichtig, dass die Eltern eingebunden werden. Wir wissen aus Untersuchungen, dass die Eltern zu 80 Prozent die Berufswahl ihres Kindes vorgeben, bestimmen, ihrem Kind vorschreiben. Es ist daher ganz wichtig, die Eltern in diese Beratung mit einzubinden. Daher ist es, so glaube ich, auch sehr wichtig, verstärkte Öffentlichkeitsarbeit für die Berufsinformationszentren, für alle Angebote zu machen.

Noch einmal: Diese Tests gibt es bereits!


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 26

Präsident Alfred Schöls:
Wir kommen nunmehr zur 7. Anfrage,1201/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Horst Freiberger, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1201/M-BR/01

Wann werden Sie die seit September 1999 ausgeschriebene und damit vakante Stelle des Bezirksschulinspektors für den Bezirk Fürstenfeld besetzen?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.


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681. Sitzung / Seite 27

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Herr Bundesrat! Der Ernennungsakt wurde bereits von mir unterschrieben, und die formelle Ernennung erfolgt zum nächstmöglichen Zeitpunkt; das ist immer der Erste eines Monats nach der Ausfertigung des Dekrets. Das Ganze ist bereits auf dem Weg der Erledigung.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Da Sie in vorherigen Beantwortungen den Föderalismus oder die Wertigkeit der Landesschulräte hervorgehoben haben, frage ich Sie: Kann ich davon ausgehen, dass Sie dem Vorschlag des steirischen Landesschulrates, der mit vierzehn zu einer Gegenstimme beschlossen wurde, nämlich Direktor Helmut Wagner als Bezirksschulinspektor zu bestellen, der als Erstgereihter dieses Vorschlages hervorgeht, zugestimmt haben?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.


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681. Sitzung / Seite 28

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Herr Bundesrat! Ich glaube, dass hier nicht der richtige Ort und die richtige Stelle ist, um über Einzelpersonen Detailauskünfte zu geben.

Es wird jedes Verfahren eingehend geprüft. Es wird geschaut, ob eine Frau nicht benachteiligt worden ist. Wenn Frauen benachteiligt werden und das klar nachweisbar ist, ist es meine Aufgabe, diese Frauenbenachteiligung zu beheben. Es wird auch genau geprüft, ob das Objektivierungsverfahren in dem notwendigen objektiven Ausmaß und Umfang durchgeführt wurde.

Ich habe diese Bestellung unterschrieben. Aber noch einmal: Ich glaube nicht, dass hier der richtige Ort und jetzt die richtige Zeit ist, um über einzelne Personen zu reden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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681. Sitzung / Seite 29

Präsident Alfred Schöls:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Warum hat es von der Entscheidung der Landesschulbehörde bis zu Ihrer Entscheidung zwei Jahre gedauert?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 30

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer:
Herr Bundesrat! Das ist etwas, was mich auch sehr stört, und ich bin auch der Meinung, dass all diese Abläufe schneller gehen müssen. Sie wissen sicher auch, dass es auf Grund von Verwaltungsgerichtshoferkenntnissen derzeit bei der Entscheidungsfindung Verunsicherungen gibt. Wir haben mit dem Präsidenten ein Gespräch darüber geführt, wie diese Bescheide zu machen sind, damit es nicht zu Verzögerungen durch den Verwaltungsgerichtshof kommt. Wir sind nun zu einem völlig neuen Verfahrensablauf gekommen. Dabei müssen wir von den Landesschulräten eine andere Art der Begründung verlangen, nicht eine solche, die 20 Seiten umfasst und in welcher eigentlich jedem bescheinigt wird, dass er relativ gut, und in welcher man an so kleinen Bemerkungen, dass er gut oder besonders gut ist, ermessen kann, wer der Bessere ist. Die Landesschulräte müssen nun in ihren Ausfertigungen nach dem Objektivierungsverfahren ganz klar herausarbeiten, nach welchen Kriterien sie geprüft haben, und warum der Zweite oder der Dritte diesen Kriterien nicht entsprochen hat.

Wir haben jetzt die dafür notwendigen Schulungen mit den Landesschulräten gemacht, und wir hoffen, dass wir damit die Abläufe verkürzen können. Ich bin guten Mutes, dass wir bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode das Verfahren so verbessert haben, dass erstens keine Unsicherheiten mehr bestehen und dass zweitens eine tatsächliche Verkürzung des Verfahrensablaufs erfolgt.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Sie haben meine Frage teilweise schon beantwortet. Sie lautet: Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um in Zukunft die Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die erforderlichen Verfahrensschritte, zu beschleunigen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Bundesrat! Es wurde mit den Landesschulräten die Ablaufplanung besprochen. Es wurden die Formalitäten so gestaltet, dass die Landesschulräte nun wissen, wie die Begründungen gemacht werden müssen und wie die Vergleichbarkeit gegeben sein muss. Es muss im besonderen Maße auch darauf hingewiesen werden, ob keine Frauenbenachteiligung erfolgt ist. All das sind wichtige Kriterien.

Die Landesschulratsmitarbeiter sind jetzt geschult. Ich werde in meinem Haus die Verfahrensabläufe dadurch beschleunigen, indem wir durch Umschichtungen das dafür notwendige Personal der betreffenden Abteilung zur Verfügung stellen. Damit wird uns die Beschleunigung gelingen.

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 8. Anfrage, 1205/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Josef Saller, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1205/M-BR/01

Wie stehen Sie zu den in einzelnen Gymnasien kursierenden Gerüchten über angebliche Einsparungen im Bildungsbereich?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Bundesrat! Ich möchte dazu Folgendes feststellen: Es gab keine Kürzungen im Stundenplan. Es gab keine Kürzungen bei den Ressourcen für die Schülerinnen und Schüler. Die Ressourcenzuteilung ist für die Schülerinnen und Schüler gleich geblieben, das heißt, die Gymnasien können all die guten Angebote, die sie bisher gemacht haben, auch weiterhin machen.

Es gibt auch keine Kürzung im Schulbudget. Ich habe den Schulen mitgeteilt, dass sie auch im nächsten Jahr mit denselben Budgetmitteln rechnen können. All das, was da an Propaganda gemacht wird, ist böswillige Unterstellung. Wir haben die Möglichkeit, Wahlpflichtfächer schon mit fünf Schülern zu eröffnen. So etwas gibt es in ganz Europa in diesem Bereich nicht.

Wenn Schulen sagen, sie hätten zu wenig Budgetmittel, um auf Projektwochen zu fahren, dann muss ich sagen: Das ist eine glatte Unwahrheit! Von den Schulen sind nur die Reisekosten zu tragen, die im Schulbudget enthalten sind. Von den Schulen ist die Extrabezahlung der Lehrerinnen und Lehrer nicht zu tragen. Sie werden für die Vorbereitung extra bezahlt, sie werden für die Durchführung extra bezahlt, und sie erhalten alle Unkosten ersetzt. All das wird aus dem Personalbudget von Bundesseite getragen.

Nach meinen Berechnungen muss den Schulen in Wien, die sagen, sie machen keine Projekte mehr, 5 Millionen Schilling übrig bleiben, denn diese 5 Millionen Schilling sind in ihren Budgets enthalten. Wir werden natürlich sehr genau prüfen, was mit diesem Geld gemacht wurde, wenn es nicht zum Wohle der Schülerinnen und Schüler ausgegeben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Frau Bundesministerin! Wenn man sich schon auf Grund der Erstfrage mit Gerüchten beschäftigen musste, möchte auch ich mich in meiner Frage mit einem Gerücht beschäftigen.

Ich frage Sie: Können Sie dezidiert ausschließen, dass das Gerücht, es gäbe ich Ihrem Ressort bereits Pläne beziehungsweise Überlegungen, analog zu den Studiengebühren auch Gebühren für den Besuch höherbildender Schulen einzuführen, nicht der Wahrheit entspricht und daher mit einer Einführung von derartigen Gebühren nicht zu rechnen ist?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Frau Bundesrätin! Ich weise aufs Schärfste diese bösartige Unterstellung zurück! Ich finde es auch unglaublich ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Das war eine Frage! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich weise aufs Schärfste dieses Gerücht zurück!

Ich finde es auch unglaublich, dass in Wiener Schulen Zettel aufgetaucht sind, auf welchen die Eltern der Schülerinnen und Schüler aufgerufen werden, das Bildungsvolksbegehren zu unterschreiben, weil angeblich – angeblich! – die Einführung von Schulgeld im Ministerium geplant sei. Ich stelle dazu klipp und klar fest: Das ist ein bösartiges Gerücht! Das ist unwahr! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Gibt es Überlegungen, Kurs- und Seminarbesuche des Lehrpersonals in die Ferienzeit zu verlegen, um durch längere Abwesenheit den Lehrbetrieb nicht auszudünnen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist mir ein ganz großes Anliegen, dass die Schultage, die wir haben, auch wirkliche Schultage zum Lernen sind. Das gilt für die ganze Diskussion um die neue Ferienordnung. Es dürfen nicht weniger Schultage sein!

Das gilt genauso für die Weiterbildung. Von den fünf schulautonom zu bestimmenden Tagen waren mindestens zwei dafür gedacht, dass schulinterne Lehrerfortbildungen stattfinden, und zwar unter dem Kürzel "SchiLF". Ich finde es sehr wichtig, dass wir weiter daran arbeiten, dass die Angebote zur Weiterbildung in der unterrichtsfreien, aber Dienstzeit gemacht werden, und zwar auch in den Ferien.

Ich darf Ihnen auch mitteilen, dass es auf Grund dieser Bemühungen in den letzten Jahren bereits gelungen ist, dass viele Lehrerinnen und Lehrer – über 60 Prozent – in der ersten, zweiten und in der vorletzten und letzten Ferienwoche Weiterbildungsangebote in Anspruch nehmen. Das ist eine wichtige Entwicklung, und die wir auch vorantreiben werden.

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 9. Anfrage, 1207/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1207/M-BR/01

Was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um sicherzustellen, dass das Bildungsniveau der Maturanten wieder tatsächlich den problemlosen Übergang an die Hochschulen ermöglicht, was derzeit immer öfter nicht der Fall ist?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich glaube, dass für einen problemlosen Übergang an einer Nahtstelle beide Partner verantwortlich sind: auf der einen Seite diejenigen, die die Jugendlichen zur Matura führen, auf der anderen Seite diejenigen, die die Jugendlichen an der Hochschule, an der Universität in Empfang nehmen.

Mir ist es wichtig, dass wir immer wieder hervorkehren, dass eine gute Wissensgrundlage, Fähigkeiten und Kompetenzen das Wichtige sind, das junge Menschen brauchen. Eine gute Wissensgrundlage bedeutet eben auch Lernen. Das kann man sich nicht alles nur im Vorbeigehen oder nur mit dem Computer erwerben.

Wir sind daher dabei, in einer Art Oberstufenreform eine Schwerpunktsetzung vorzunehmen, indem wir die Jugendlichen, wenn möglich, mit einer gewissen Kursform, mit einer Neugestaltung der Oberstufe schon auf die Universität vorbereiten. Auf der anderen Seite müssen die Universitäten durch eine verbesserte Eingangsphase die jungen Menschen zum Studium hinführen. Es wäre eine große Aufgabe, auch der Hochschülerschaft, die Beratung der jungen Studierenden wahrzunehmen, ein Tutoringsystem mit der Universität auf die Beine zu stellen. Ich halte es für äußerst wichtig, dass wir in diesen Bereichen tätig werden, damit die jungen Menschen keine Misserfolgserlebnisse bei ihrem Studium haben.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Gibt es eine Aufstellung der Zahl der Studienabbrecher in Abhängigkeit zu den Bundesländern? Zum Zweiten: Gibt es Aufzeichnungen über die Zahl der Studienabbrecher an wissenschaftlichen Hochschulen, die vor Studienbeginn von Fachhochschulen nicht angenommen worden sind?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich halte diese Diskussion, nämlich zu sagen, die Fachhochschulen können Aufnahmeverfahren machen, die Universitäten nicht, für etwas schwierig. Die Fachhochschulen überprüfen, ob die jungen Menschen speziell für das Fachgebiet, das die Fachhochschule anbietet, geeignet sind.

Die Universitäten bekommen dann die jungen Menschen, die keine Eignung für ein schmales spezielles Fachgebiet haben, sondern die durch die Matura eigentlich die Möglichkeit zu einem Eintritt in einen großen wissenschaftlichen Studienbereich haben.

Diese Diskussion ist daher meiner Meinung nach nicht sehr logisch, denn eine Fachhochschule hat einen ganz anderen Auftrag zu erfüllen als eine Universität. Eine Fachhochschule hat den Auftrag, in einem speziellen Bereich eine praxisorientierte Ausbildung zu bieten, während die Universität auf breitem Feld wissenschaftlich ausbildet.

Die Fachhochschulen suchen junge Menschen mit einem schmäleren Begabungssegment, und die Hochschule bekommt Menschen, die allseitig begabt sind und die praktisch für wissenschaftliche Arbeit prädestiniert sind, was auch die Matura an und für sich beweisen sollte. Da könnte man aber sicherlich noch manche Dinge verbessern.

Ich halte es aber für ganz wichtig, dass die Studieneingangsphase besser, neu konzipiert wird. Das geschieht jetzt durch die neuen Studienpläne. Da wird den jungen Menschen eine besondere Hilfestellung gegeben.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger ... (Bundesrat Dr. Lindinger: Den ersten Teil meiner Frage haben Sie noch nicht beantwortet!)

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Diese Statistik würde ich auf Grundlage der letzten Zahlen der Studierenden gerne neu machen. Derzeit sind in den Abbrecherquoten auch die Zahlen jener Studierenden enthalten, die praktisch gar nicht mehr auf die Universität gegangen sind. Das heißt, um wirklich aussagekräftige, richtige Zahlen zu erhalten, müssen wir dieses Studienjahr verstreichen lassen und dann schauen, wie viele danach aussteigen.

Zurzeit verfügen wir über Zahlen, die meiner Meinung nach nicht den Tatsachen entsprechen. Es gibt sicherlich nicht über 50 oder 60 Prozent Studienabbrecher – so wie es von einzelnen Universitäten veröffentlicht worden ist. In dieser Zahl sind nämlich auch jene Studienabbrecher enthalten, die irgendwann einmal zu studieren aufgehört haben, vielleicht ohnehin nie studiert haben oder ihr Studium nicht fertig gemacht haben. Dieses ganze Zahlengerüst müssen wir also neu aufbauen. Dabei sind wir jetzt.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die bei einzelnen Studienanfängern auftretenden Startschwierigkeiten sind oft nicht auf ein mangelndes Bildungsniveau, sondern auf Unsicherheiten bei der Entscheidung über den weiteren Bildungsweg zurückzuführen.

Ich frage Sie: Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um den angehenden oder gerade be-ginnenden Studierenden Hilfestellung bei dieser wichtigen Bildungswahlentscheidung anbieten zu können?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist erstens eine Aufgabe der Österreichischen Hochschülerschaft, Maturantinnen und Maturanten eingehend zu informieren.

Zweitens schreibe ich einmal jährlich einen Maturantenbrief, in welchem eine Grundinformation über Studien enthalten ist, die in etwa folgendermaßen lautet: Wenn man das studiert, dann muss man damit rechnen, dass man einige Zeit auf einen Arbeitsplatz warten muss, und bei dem Studium kann man aus heutiger Sicht sagen, dass man sofort einen Arbeitsplatz bekommen wird.

Drittens muss eine bessere Information vor Ort, an den Universitäten erfolgen, und zwar durch Tutoring, durch die Möglichkeit, auch im Studieneingangsbereich diese Auskünfte zu erhalten.

Wir haben derzeit beim Lehramtsstudium in Innsbruck Versuche laufen, wo den jungen Menschen in der Eingangsphase vor Augen geführt wird, ob sie als Lehrer geeignet sind oder nicht. Damit haben wir sehr gute Erfolge erzielt. Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres, als einen Wissensbereich zu studieren, in dem man dann eigentlich nicht sein Lebensglück findet.

Auf der anderen Seite muss aber, so glaube ich, die Studienwahlentscheidung vom jungen Menschen selbst erfolgen. Die sollte ihm niemand vorgeben, denn das ist eine Lebensentscheidung, die man dem jungen Menschen nicht abnehmen kann. Aber wir brauchen Information am Gymnasium, an den berufsbildenden Schulen, Information durch die Hochschülerschaft, Information an der Universität und Erprobungen im ersten Studienabschnitt. Das sind die wichtigsten Hilfsmittel!

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Herbert Würschl zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Kollege Dr. Lindinger meinte, dass ein teilweise fehlendes Maturaniveau zu beklagen wäre. Es gibt einige Volksschullehrer, die sich über Kindergärtnerinnen beschweren, und zwar darüber, dass die Kinder unvorbereitet in die Volksschule kämen. Es gibt des weiteren bei der nächsten Nahtstelle, die die Frau Bundesministerin bereits angesprochen hat, bei den AHS-Lehrern und den Hauptschullehrern Lehrer, die beklagen, dass das Niveau der Kinder, die in die AHS oder in die Hauptschule einsteigen, mangelhaft ist. Dann gibt es Universitätsprofessoren – wie heute in einer Fragestellung zum Ausdruck gebracht wurde – , die sagen, dass fehlendes Maturaniveau zu beklagen wäre.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nach meiner Information gibt es keine Fakten und kein Kennzahlenmaterial, das diese Kritik belegt. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Die Fragestellung des Herrn Dr. Lindinger ...

Präsident Alfred Schöls: Ich verweise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung, wie Zusatzfragen zu lauten haben! – Herr Bundesrat, bitte.

Bundesrat Herbert Würschl (fortsetzend): Die Fragestellung des Dr. Lindinger diffamiert Maturanten und in Wirklichkeit auch die Maturakommission. (Ruf bei den Freiheitlichen: Frage!) Ich stelle jetzt die Frage an die Frau Bundesministerin: Warum sagen Sie nicht klipp und klar, dass das Verleumdungen sind?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass wir an den Nahtstellen Verbesserungen machen wollen. Das ist eine Nahtstellenproblematik. Da geht es um die Fragen: Welche Anforderungen werden beim weiteren Bildungsweg gestellt? Wie kommunizieren wir miteinander? Wie verbessern wir unser Angebot?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
681. Sitzung / Seite 31

Ich glaube, es ist gut und richtig, wenn in allen Bereichen des Bildungswesens immer nach einer Weiterqualifizierung, nach einer Besserqualifizierung gestrebt wird. Solche Dinge müssen gemeinsam geschehen. Und an den Nahtstellen die Zusammenarbeit zu verbessern ist sogar ein Punkt, der im Regierungsprogramm steht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen nunmehr zur 10. Anfrage, 1208/M, an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Stefan Schennach, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie lautet:

1208/M-BR/01

Wie viele Planstellen wurden im Schuljahr 2001/02 im Vergleich zum Schuljahr 2000/01 bei den Landeslehrern und -lehrerinnen gekürzt?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Erstellung der Stellenpläne für die Landeslehrerinnen und Landeslehrer geschieht auf Grund des von den Ländern mit dem Herrn Finanzminister vereinbarten Finanzausgleiches. Darin sind die Kennzahlen festgeschrieben.

Die Länder haben sich mit dem Finanzminister auf folgende Kennzahlen geeinigt: für einen Dienstposten im Volksschulbereich 14,5 Schüler, für einen Dienstposten im Hauptschulbereich 10 Schüler, für einen Dienstposten in der Polytechnischen Schule 9 Schülerinnen und Schüler, für einen Dienstposten im sonderpädagogischen Bereich 3,2 Schülerinnen und Schüler.

Das heißt, die Länder haben mit dem Finanzminister vereinbart, bis zum Ende des Finanzausgleichs als ihren Beitrag zu einer Straffung der Personalkosten diese Maßzahlen zu erreichen. Dahinter steckt natürlich auch, dass wir derzeit in den Eingangsbereichen in den ersten, zweiten Klassen besonders in ländlichen Gegenden einen Rückgang der Schülerzahlen haben. Das kommt noch dazu.

Das heißt, von mir wurden keine Kürzungen vorgenommen, sondern auf Grund dieser neuen Maßzahlen, auf Grund der geringen Zahl der Schüler ergibt sich ein geringerer Bedarf an Dienstposten. Das ist zwischen den Ländern und dem Herrn Finanzminister vereinbart worden. Aus den Stellenplänen, die uns von den Ländern übermittelt worden sind, ergibt sich, dass es gesamtösterreichisch voraussichtlich 2 000 Planstellen weniger sein werden und die Länder auf Grund dieser Vereinbarung mit dieser verminderten Zahl der Planstellen das Auslangen finden werden.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Bundesministerin! Mir liegen diese Zahlen auch vor. Es sind genau 2 207 Planstellen. Ihre Aussage war, dass nicht weniger Köpfe im Lehrbereich tätig sein sollen. Wenn man 2 207 Planstellen im Pflichtschulbereich einspart, dann heißt das aber, dass es doch zu einer geringeren Beschäftigung vorhandener Lehrerinnen und Lehrer kommen muss.

Die Frage ist: Ist dann Lehrberuf noch existenzsichernd?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wie in allen Bereichen der Wirtschaft und des täglichen Lebens orientiert sich alles am Bedarf. Wie groß ist der Bedarf? – Wenn ich weniger Schüler habe, kann ich nicht ad infinitum eine Existenzsi


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681. Sitzung / Seite 32

cherung für jeden, der einen Lehrberuf ergreift, geben. Ich muss mich an der tatsächlichen Zahl der Schülerinnen und Schüler orientieren.

Wir haben nur ganz klar gesagt, dass es zu keinen Entlassungen kommen wird. Aber ich kann auch nicht in einem Betrieb oder irgendwo sonst Leuten, die ich vorübergehend eingestellt habe, die ich mit einer Teilzeitbeschäftigung eingestellt habe, dann, wenn die Spitze weg ist, ad infinitum die Sicherheit geben, dass sie mit ihrem provisorischen Verhältnis immer und ewig weiter beschäftigt werden. Es hat nicht geheißen, dass es gleich viel Köpfe sein werden, sondern es hat geheißen, dass es keine Entlassungen geben wird. Und da haben wir uns sehr bemüht, mit Maßnahmen, die wir den Ländern in die Hand gegeben haben – etwa mit dem Vorruhestand –, zu ermöglichen, denen, die fix im System sind, auch ihre Existenz weiterhin zu sichern.

Ich glaube, es sollte gerade für den Schulbereich wirklich für alle ein gemeinsames Anliegen sein, Verunsicherungen so gut wie möglich nicht zuzulassen, sondern vielmehr den jungen Menschen die Sicherheit zu geben, dass sie das beste Bildungsangebot bekommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
681. Sitzung / Seite 33

Präsident Alfred Schöls:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage ist teilweise bereits beantwortet, ich darf Sie aber trotzdem stellen, weil ich insbesondere darauf hinweisen möchte, dass wir aus der Statistik bereits wissen, wie sich die Schülerzahlen in den nächsten Jahren entwickeln werden. Wir haben im Volksschulbereich bereits heuer einen Rückgang der Schülerzahlen zu spüren bekommen, was natürlich auch zu einer Abnahme des Bedarfs an Lehrerinnen und Lehrern führt.

Meine Frage lautet: Wie stellt sich die Anstellungssituation für Pflichtschullehrer dar? Welche Unterstützungsmaßnahmen wurden dazu von allen Beteiligten ergriffen?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
681. Sitzung / Seite 34

Präsident Alfred Schöls:
Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist richtig, dass der Schülerrückgang in den nächsten Jahren noch stärker werden wird. Wir werden uns darauf einstellen müssen und bei der Stellenplanbewirtschaftung sehr vorsichtig sein.

Trotz allen Schlechtredens ergeben sich in den verschiedenen Ländern interessanterweise ganz unterschiedliche Situationen. Nach meiner Information wurden jetzt in Vorarlberg die Mehrdienstleistungen von sechs auf acht erhöht, weil man dort keine Lehrerinnen und Lehrer bekommt.

Das heißt, wenn man wirklich Lehrerin oder Lehrer werden will, muss man auch Flexibilität haben, muss man auch vorübergehend woanders in Österreich unterrichten. Wenn ein junger Mensch neu anfängt, glaube ich nicht, dass das eine allzu große Zumutung ist.

Wir haben aber mit dem Vorruhestand Maßnahmen geschaffen, dass jemand, der es möchte, dessen Partner schon in Pension ist, früher in Pension gehen kann. Wir haben mit dem neuen Sozialplan, der jetzt vom BMöLS ausgearbeitet wurde, die zusätzliche Möglichkeit, auch die Jubiläumszuwendung aliquotieren zu können, was einen zusätzlichen Anreiz darstellt.

Da immer wieder gesagt wird, der Sozialplan widerspreche eigentlich der Entwicklung, dass man später in Pension gehen soll, möchte ich zu diesem Sozialplan schon eines sagen: Meine Damen und Herren! Jeder Betrieb, der aus seinem übervollen Personalplan etwas reduzieren möchte, macht ein so genanntes golden Shakehands auf eine gewisse Zeit, auf eine gewisse kurze Zeit. Das ist man seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schuldig. Dass sich allgemein die Frühpensionsantrittszeiten so nicht halten lassen werden können, spricht dem nicht entgegen. Ein Betrieb mit Verantwortung muss für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann, wenn er abbauen muss, golden Shakehands machen, einen Sozialplan ausarbeiten. Das ist Verantwortung gegenüber der Mitarbeiterin und dem Mitarbeiter.


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681. Sitzung / Seite 35

Präsident Alfred Schöls:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In der Beantwortung der Anfrage von Herrn Bundesrat Schennach haben Sie gemeint, Entlassungen von Landeslehrern waren nie vorgesehen. Ich glaube, Sie haben Kündigungen von Landeslehrern gemeint. (Bundesministerin Gehrer: Kündigungen!) Ja.

Trotzdem – ich spreche von der Steiermark – muss man sagen, dass in der Steiermark 280 Verträge nicht mehr verlängert wurden. Ich glaube, so kann man es sagen.

Jetzt frage ich Sie, Frau Bundesministerin: Wie können Sie sicherstellen, dass durch die Kürzung von Planstellen bei den Landeslehrern die Qualität des Unterrichts nicht negativ beeinflusst wird?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: In vielen Bundesländern, in denen es eine hohe Schulqualität gibt, sind diese Zahlen fast schon verwirklicht. Es hat einige Bundesländer gegeben, in denen in größerem Ausmaß auch Lehrer in der Lehrerreserve fix angestellt worden sind, in denen Lehrer, die eigentlich nur für Vertretungen gebraucht wurden, fix angestellt worden sind. Die haben jetzt Schwierigkeiten.

Ich bin dafür, dass wir eine Gleichbehandlung der Bundesländer haben, dass wir die Zuteilung gerecht und transparent machen. Das kann jeder einsehen, das kann jeder nachrechnen. Ich habe ganz klar gesagt, dass es keine Kündigungen gibt. Einen Vertrag für jemanden zu verlängern, den ich nicht mehr brauche oder wo die Schüler nicht mehr da sind, das kann wohl nicht das Ziel von Bildungspolitik sein.

Auch in den Ländern, in denen bisher sparsam gewirtschaftet wurde, ist die Schulqualität eine hohe. Die Landeshauptleute haben sich mit ihren Fachleuten genau beraten und gesagt: Mit diesen Verhältniszahlen können wir eine hohe Schulqualität anbieten. Deswegen wird auch in Zukunft die Qualität an unseren Pflichtschulen mit all den engagierten Lehrerinnen und Lehrern sehr hoch sein.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben die Frage der geringeren Anzahl der Kinder und der Sozialpläne angesprochen. Jetzt gibt es in Kärnten eine Lehrerstiftung, die um etwa 10 Millionen Schilling aus Landes- und auch aus Bundesgeldern gegründet wurde, um arbeitslosen Lehrern eine neue berufliche Orientierung zu ermöglichen.

Ich zitiere jetzt aus einer Kärntner Zeitung. In der "Kleinen Zeitung" vom 6. November 2001 steht unter Anführungszeichen – ich zitiere –: "Land zahlt für Schulung, aber Lehrer schwänzen. 10,2 Millionen Schilling kostet Stiftung, die arbeitslose Lehrer umschulen soll, 50 Plätze sind zu vergeben, 16 Lehrer sind angemeldet." – Zitatende.

Ich frage Sie nun, sehr geehrte Frau Ministerin: Wie werden Sie reagieren oder wie gehen Sie damit um (Zwischenrufe bei der SPÖ), dass Arbeitsstiftungen aus Landes- und Bundesmitteln ...

Präsident Alfred Schöls: Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zur Fragestunde einzuhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (fortsetzend): ... nur in geringem Maße in Anspruch genommen werden?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich begrüße es sehr, wenn in den Ländern Angebote gemacht werden. Ich weiß, dass das auch in der Steiermark geschieht, dass das in verschiedenen Bundesländern passiert. Ich meine aber, jeder Mensch muss selbst darüber entscheiden, ob er eine Weiterbildung annimmt oder nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Lehrer, die bereits einen anderen Beruf ergriffen haben, auf Wartelisten stehen.

Ich glaube, dass man niemanden dazu zwingen kann, ich bedanke mich aber, wenn Angebote gemacht werden. Dann gibt es aber meiner Meinung nach auch keinen Grund zu sagen, es wird nicht das Bestmögliche getan. Wenn jemand aber schon eine andere Beschäftigung gefunden hat, dann muss man das auch akzeptieren.

Präsident Alfred Schöls: Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf

Präsident Alfred Schöls: Eingelangt sind Mitteilungen des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger:

"An den Präsidenten des Bundesrates

Der Herr Bundespräsident hat am 18. Oktober 2001, Zl. 300.100/68-BEV/01, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein innerhalb des Zeitraumes vom 8. bis 14. November 2001 die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer mit der Vertretung." (Beifall bei der SPÖ.)

"Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

"Der Herr Bundespräsident hat am 31. Oktober 2001, Zl. 300.100/74-BEV/2001, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner am 8. und 9. November den Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner und innerhalb des Zeitraumes vom 10. bis 14. November 2001 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung." (Beifall bei der SPÖ.)

"Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Alfred Schöls: Dies dient zur Kenntnis.

Bitte, Herr Professor Konecny.

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

10.14

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung) : Nach meinen Informationen befinden sich weitere Regierungsmitglieder im Ausland. Ich darf höflich fragen, wie hier die Vertretungsregelung, die uns mitgeteilt wurde, ist.

10.14

Präsident Alfred Schöls: Auf die Frage des Herrn Professors Konecny, wer sich im Ausland befindet, kann ich nicht antworten. Ich kann nur auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung verweisen und teile mit, dass keine weiteren Vertretungsmitteilungen gemäß Artikel 73 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 69 B-VG vorliegen.

10.15

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Darf ich davon ausgehen, dass der Herr Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin daher im Lande sind?

10.15

Präsident Alfred Schöls: Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich kann Ihnen das nur hinsichtlich Tagesordnungspunkte, die wir zu behandeln haben, beantworten.

10.15

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Dann darf ich den Präsidenten bitten, dass wir zu einer kurzen Präsidialkonferenz zusammentreten.

10.15

Präsident Alfred Schöls: Ich unterbreche die Plenarsitzung zu einer Präsidialberatung auf unbestimmte Zeit.

(Die Sitzung des Bundesrates wird um 10.16 Uhr unterbrochen und um 10.45 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Alfred Schöls: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und teile mit, dass wir uns in der Präsidialkonferenz darauf verständigt haben, dass jenes Schreiben der Präsidentschaftskanzlei, das am 6. November als Information an den Präsidenten des Bundesrates gerichtet wurde, im Sinne der Verfassungsbestimmungen in das Haus unterwegs ist. Wir können davon ausgehen, dass noch verfassungskonforme Vertretungsmeldungen für weitere Mitglieder der Bundesregierung einlangen werden. Dies ist die Mitteilung, die ich von der Präsidialkonferenzsitzung zu machen habe.

Ich bitte nun Frau Präsidentin Haselbach, den Vorsitz zu übernehmen, und darf gleich vorankündigen, dass es eine Information ihrerseits zu einer weiteren Unterbrechung gibt, weil wir die Gelegenheit wahrnehmen wollen, die Freiwilligenverbände entsprechend zu begrüßen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Danke, Herr Präsident!

Ich kann das noch etwas deutlicher ausführen: Da der Herr Präsident den Informationstag der Freiwilligen eröffnen wird und in allen Fraktionen jeder bemüht ist, den Freiwilligen die Reverenz zu erweisen, haben wir uns darauf geeinigt, die Sitzung für zirka 20 Minuten zu unterbrechen, damit jeder an dieser Eröffnung teilnehmen kann. (Allgemeiner Beifall.)

(Die Sitzung wird um 10.47 Uhr unterbrochen und um 11.19 Uhr wieder aufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass wir uns alle Augenblick zu irgendeiner Unterbrechung entschließen, um Public Relations zu pflegen. Ich glaube trotzdem, dass es richtig war, dass wir bei den "Freiwilligen" waren. Aber es ruft nun, wie gesagt, die Pflicht, und wir müssen weitermachen.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Sechste Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft für den Berichtszeitraum 1997 bis 2000 ist eingelangt und wurde vom Herrn Präsidenten dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Vorberatung zugewiesen.


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681. Sitzung / Seite 36

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits früher eingelangten und zugewiesenen Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2000 aufgenommen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Alle diese Vorlagen hat der Herr Präsident auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es ist beabsichtigt, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 3 bis 8, 12 bis 15, 18 und 19 sowie 24 bis 28 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Gibt es dagegen Einwände? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

11.21

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Nachdem der Herr Präsident einen kurzen Bericht von der Sonderpräsidiale gemacht hat, der im Wesentlichen zum Inhalt hat, dass der Bundespräsident die Vertretungen nachreichen wird, ersuche ich darum, dass die Präsidialkonferenz zu einem anderen Zeitpunkt einen Beschluss dahin gehend fasst, dass sich die drei Präsidenten im Hinblick darauf an die Bundesregierung wenden, damit es während der Sitzungen des Bundesrates nicht mehr zu einer so weitgehenden Abwesenheit von Regierungsmitgliedern kommt.

Das ist auch im Sinne der Achtung vor diesem Hause vonnöten. Denn es entspricht nicht dem Respekt gegenüber dem Parlamentarismus, wenn dermaßen viele Regierungsmitglieder zu einem Zeitpunkt fehlen, der eigentlich seit Monaten bekannt ist. Ich ersuche daher, dass im Rahmen der Präsidiale eine solche Vorgangsweise besprochen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

11.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Das wird in Form eines gemeinsamen Schreibens der Präsidenten selbstverständlich so geschehen. Ich glaube, es bedarf keines weiteren Kommentars, dass eine gesetzgebende Körperschaft den Respekt der Bundesregierung verdient, denn es hat die gesetzgebende Körperschaft durch ihre Tätigkeit, sei es in Anfragen oder ähnlichem, ein Mitwirkungssrecht an der Verwaltung.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen vorliegt.

Weiters liegt ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 37

widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen vor.

Ich sehe, dass zur Geschäftsordnung das Wort gewünscht wird, und bitte Herrn Professor Böhm, das Wort zu nehmen.

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung

11.24

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wie wir gehört haben und wie es uns auch schon schriftlich vorliegt, hat die sozialdemokratische Fraktion zwei dringliche Anfragen eingebracht – ich zitiere: – "betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen".

Ich möchte zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung Stellung nehmen, möchte aber, um nicht missverstanden zu werden, vorweg die Bemerkung machen, dass sich meine Fraktion nicht hinter formalen Vorwänden verschanzen will, weil sie die inhaltliche Auseinandersetzung in dieser politischen Diskussion scheuen würde. Das sei vorweg klargestellt.

Ich habe mich vielmehr deswegen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung gemeldet, weil ich doch meine, wir müssen Spielregeln – und dies ist hier nun einmal die Geschäftsordnung – auch ernst nehmen. Dringliche Anfragen haben sich auf den Vollzugsbereich der betreffenden Bundesminister zu beziehen, wozu natürlich auch Regierungsakte gehören.

Nur am Rande habe ich Stellung zu nehmen zur dringlichen Anfrage, die sich an den Herrn Bundeskanzler richtet. Ich nehme an, es wird dazu ebenfalls noch Stellung bezogen werden. Primär möchte ich mich auf die Zulässigkeit der dringlichen Anfrage an die Frau Vizekanzlerin in ihrer Eigenschaft als Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport beziehen. Im Gegensatz zum Bundeskanzler kommt der Vizekanzlerin auch in dieser Funktion keine Koordinierungskompetenz zu.

Wenn man die einzelnen Fragen in der dringlichen Anfrage an die Frau Vizekanzlerin näher betrachtet, dann muss ich sagen, halte ich die überwiegende Anzahl der an sie gestellten Fragen in dem dargestellten Sinne für unzulässig.

"Frage 1: Finden Sie als Mitglied der Bundesregierung den von Bundeskanzler Dr. Schüssel gewählten Vergleich der Neutralität der österreichischen Republik mit Mozartkugeln und Lippizanern für passend?" – Hier geht es um die Kommentierung einer politischen Aussage eines Ministerkollegen; auch der Bundeskanzler ist ja nur primus inter pares. Mit der Ressortzuständigkeit der Frau Vizekanzlerin und ihrer Eigenschaft als Ministerin für öffentliche Leistung und Sport hat das schlechthin nichts zu tun.

"Frage 2: Werden Sie als Mitglied der Bundesregierung im Ministerrat in dieser Gesetzgebungsperiode für eine Regierungsvorlage stimmen, mit welcher das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs aufgehoben oder in seinen Grundsätzen verändert wird?" – Da räume ich, dass eine solche Abstimmung im Ministerrat ein Regierungsakt wäre. Es ist allerdings eine völlige Unbestimmtheit in dieser Fragestellung zu verzeichnen, weil überhaupt nicht angegeben ist, um welche Gesetzesvorlage es da gehen sollte, die dann mit dem Neutralitätsgesetz gegebenenfalls unvereinbar wäre.

"Frage 3: Teilen Sie die Einschätzung des EU-Kommissars Günter Verheugen, wonach das Thema Temelin und insbesondere der Melker Prozess sowohl sachlich als auch politisch zum Abschluss reif sind?" – Ich frage mich, wieso die Einschätzung eines EU-Kommissars in die Ressortzuständigkeit der österreichischen Frau Vizekanzlerin fallen sollte (Bundesrat Gasteiger: ... die Republik nach außen vertreten, oder?), abgesehen davon, dass es sich dabei um Energiefragen handelt, was erneut nicht im Geringsten in ihren Kompetenzbereich fällt.


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681. Sitzung / Seite 38

"Frage 4: Teilen Sie als Mitglied der Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer, wonach ein Ausstieg von Tschechien aus Temelín nicht mehr realistisch und ein Veto von Österreich gegen den Beitritt der Tschechischen Republik zur EU ausgeschlossen sei?" – Es geht wieder um die Kommentierung einer politischen Äußerung eines anderen Ressortministers. (Bundesrat Gasteiger: Aber sie ist Vizekanzlerin und Regierungsmitglied!) – Das ist nicht Gegenstand eines Ministerratsbeschlusses, sondern die Kommentierung politischer Äußerungen, und sie hat keine Koordinierungskompetenz.

Frage 5 würde ich akzeptieren. (Bundesrat Marizzi: Danke! – Beifall bei der SPÖ.) Überlassen Sie das mir selbst – was ich akzeptiere, werden Sie schon noch mir selbst überlassen müssen. (Ruf bei der SPÖ: Arrogant!)

"Frage 5: Beabsichtigen Sie den EU-Beitritt Tschechiens durch Ihr Veto im Ministerrat zu verhindern?" (Bundesrat Manfred Gruber: Sie reden nicht zur Geschäftsordnung, Sie reden von etwas anderem!)  – Das wäre ein Regierungsakt. Diese Frage scheint mir zulässig zu sein. (Bundesrat Gasteiger: Danke!)

"Frage 6: Welche Beitrittstermine schätzen Sie als Mitglied der Bundesregierung der Republik Österreich für welche Beitrittskandidaten als realistisch ein?" – Das ist eine Frage nach einer reinen Prognose und wiederum außerhalb jeder Sachkompetenz der Ressortchefin. (Bundesrat Gasteiger:  Sie sind nicht die Vizekanzlerin, Herr Dr. Böhm!)

"Frage 7: Vertreten Sie die Auffassung des Bundeskanzlers und der Außenministerin, wonach die erste Beitrittsrunde zur EU 2004 erfolgen wird oder vertreten Sie die Auffassung des Finanzministeriums, wonach die ersten Beitritte erst 2006 stattfinden werden?" (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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681. Sitzung / Seite 39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Am Wort ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich bitte, ihn seine Ausführungen vortragen zu lassen.

Ich habe auch schon die nächste Wortmeldung vorliegen. Wir werden in aller Form über die Dinge, die jetzt zur Debatte stehen, diskutieren. – Bitte, Herr Professor Böhm.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (fortsetzend): Es geht dabei wieder um die Kommentierung der Auffassung des Bundeskanzlers und der Außenministerin oder des Finanzministers. Das hat nichts mit der Ressortzuständigkeit und der Vollzugskompetenz der Ressortchefin zu tun.

"Frage 8: Wie beurteilen Sie als Mitglied der Bundesregierung die Vor- und Nachteile der EU-Osterweiterung für die Republik Österreich?" – Dies ist als allgemeinpolitische Frage meines Erachtens gerade noch zulässig; sie liegt nicht Vollzugsbereich im engeren Sinn, ist aber gewiss eine allgemeinpolitische Frage. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: ... für nichts verantwortlich!)

"Frage 9: Werden Sie als Mitglied der Bundesregierung dafür eintreten, dass über die EU-Osterweiterung in Österreich eine Volksabstimmung abgehalten wird?" – Dazu ist aus verfassungsrechtlicher Sicht festzuhalten, dass die Frage der Abhaltung einer Volksabstimmung nicht Gegenstand eines Regierungsbeschlusses sein kann.

Daher denke ich, dass mit Ausnahme der Fragen 5 und 8 die gesamte dringliche Anfrage inhaltlich unzulässig ist, nicht der Verfassung und der Geschäftsordnung entspricht (Bundesrat Gasteiger: ... nicht von Ihnen entschieden!) und von allgemeiner Unbestimmtheit und Vagheit, also ohne auf ein konkretes legistisches Vorhaben Bezug zu nehmen, ist.

Ich appelliere daher an die sozialdemokratische Fraktion, diese dringlichen Anfragen nochmals inhaltlich zu überdenken oder gegebenenfalls zu präzisieren. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

11.33

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung) : Frau Vizepräsidentin! Hohes Haus! Zunächst einmal möchte ich mich bei Herrn Bundesrat Böhm herzlich dafür bedanken, dass er durch die Verlesung des Textes unserer Anfrage unseren politischen Auffassungen nicht erst um 16 Uhr, sondern bereits Stunden früher entsprechende Öffentlichkeit verschafft hat. (Beifall bei der SPÖ.) Herzlichen Dank, lieber Kollege!

Ich kann nur seine Meinung, dass Frau Riess-Passer – um das jetzt einmal so zu nennen – für nichts zuständig sei, nicht wirklich teilen. Dieser Missachtung der Vorsitzenden der größeren der beiden Regierungsparteien und Vizekanzlerin dieser Regierung möchte ich mich nicht schuldig machen.

Wir haben die jahrelange sehr liberale Praxis dieses Hauses – Herrn Kollegen Böhm, der damals noch nicht bei uns war, empfehle ich die Lektüre der Protokolle, auch wenn das nicht immer eine sehr befriedigende Tätigkeit ist – hinsichtlich Absichtserklärungen und Vorstellungen, bei dringlichen Anfragen Minister oder Regierungsmitglieder Stellung nehmen zu lassen, als selbstverständlich gehalten.

Natürlich ist die Geschäftsordnung ein Regelungsmechanismus unserer politischen Auseinandersetzung, aber primär ist es eben eine politische Auseinandersetzung. Wenn die Frau Bundesministerin oder wer auch immer sie heute vertritt, meint, keine Meinung zu Mozartkugeln haben zu sollen, so ist das eine politische Aussage, die in der Öffentlichkeit entsprechend bewertet werden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn sie meint, keine Meinung zu den Aussagen des Herrn Molterer haben zu sollen – die hat er ja sogar selbst gemacht und nicht durch Vertreter! –, dann ist das auch eine politische Aussage, über die sich Menschen in diesem Land Gedanken machen werden, warum die Frau Vizekanzlerin oder ihr Vertreter keine Meinung dazu hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist der normale politische Prozess, ohne jede Aufgeregtheit: Wer etwas nicht beantwortet oder nicht beantworten will, sollte sich gut überlegen, ob und warum er das tut. Er setzt sich einem Urteil aus. Dieses treffen nicht wir – auch wenn wir vielleicht mit Bei- und Missfallenskundgebungen reagieren –, sondern die österreichische Öffentlichkeit. Und wenn sich jemand diesem Urteil nicht stellen will, dann ist das mir als Oppositionsabgeordnetem durchaus recht. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Riess-Passer hat die Funktion eines Vizekanzlers dieser Bundesregierung – ohne Koordinierungsfunktion, Kollege Böhm, das ist völlig richtig! Nun könnten Sie uns vorschlagen, wir sollten diese Anfrage so formulieren, dass sie zum Ressort passt, also etwa fragen, ob, sportlich betrachtet, diese Regierung unter Konditionsschwächen leidet (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie dem Grünen), oder die Frage stellen, ob ihr die Puste ausgegangen ist oder ob das Zusammenspiel zwischen Verteidigung und Angriff – wer auch immer da jetzt was übernimmt – nicht so richtig funktioniert, vielleicht sollten wir auch die Frage stellen, ob der Trainer aus Kärnten einmal ausgetauscht werden sollte. (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Marizzi: Oder ob die Regierung schwimmt?) Wenn Sie meinen, dass das die adäquate Formulierung einer Frage an die Sportministerin wäre, dann bin ich durchaus bereit, die Anfrage umzuschreiben, allerdings ergibt sich dann das Problem, dass nicht die Sportministerin, sondern ein Vertreter diese Anfrage beantworten wird. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist das zur Geschäftsordnung?)  – Die Geschäftsordnung, Herr Kollege, legt uns nahe, unsere Standpunkte zu vertreten. Ich bin aber ohnehin schon fertig.

Sie haben gemeint, wir sollten es uns noch einmal überdenken. Diese Debatte hat einen Vorlauf: Wir haben es bedacht. Wir bringen die Anfrage in dieser Form ein. Wir sind gespannt darauf, in welchem Sinne und auf welche Fragen wir von wem Antworten bekommen werden.


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 40

(Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) Ob sie auch der Meinung der Frau Vizekanzlerin entsprechen, können wir nicht wirklich überprüfen, aber vielleicht läuft sie uns einmal im Bundesrat über den Weg – unwahrscheinlich, aber vorstellbar –, dann könnten wir ihr ein paar dieser Fragen mit höherem Aktualitätswert – weil es ja weitere Entwicklungen geben wird – gerne noch einmal stellen. (Beifall bei der SPÖ sowie dem Grünen.)

11.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

11.38

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was Geschäftsordnung mit Polemik zu tun hat, weiß ich nicht. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass Wortmeldungen zur Geschäftsordnung die Sache betreffen sollten. Ich werde daher zur Sache und nur zur Sache sprechen.

Ob man diese dringliche Anfrage zulassen soll oder nicht, entscheidet der Präsident. Der Präsident hat nicht dem Inhalt nach zu entscheiden, sondern lediglich dem Formalen nach. Der Präsident wird die richtige Entscheidung treffen. Wir haben überhaupt keine Angst, über diese Anfrage eine Debatte durchzuführen.

Damit derartige Diskussionen in Zukunft vermieden werden, mache ich folgenden Vorschlag: Ich würde bitten, dass sich die Klubdirektoren zusammensetzen und einen Vorschlag ausarbeiten, der bis zur nächsten ordentlichen Präsidiale am 4. Dezember dieses Jahres vorliegt. Die Präsidiale möge dann über die weitere Vorgangsweise beraten und auch definitiv beschließen, wie dringliche Anfragen abgehalten werden sollen, damit solch eine Diskussion in Zukunft überflüssig wird. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

11.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt mir noch eine Wortmeldung von Bundesrat Schennach vor, und auch Professor Böhm hat sich noch einmal gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

11.40

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nehme zunächst einmal zur Kenntnis, dass wir bereits bei der Behandlung der dringlichen Anfrage angelangt sind – das ist eine Konsequenz dieser Geschäftsordnungsdebatte. Zum anderen stelle ich fest, dass ein Teil der Regierung diese heutige Sitzung des Bundesrates mit Abwesenheit straft.

Nun folgt eine Debatte über die Zulässigkeit einer dringlichen Anfrage, die in allen Punkten politische Fragen enthält, die man an ein Regierungsmitglied, das noch dazu im Kanzleramt sitzt, doch wohl stellen darf. Diese Debatte, die hier in eine Diskussion über die Geschäftsordnung verpackt wird, riecht nach Zensur! (Ja-Rufe bei der SPÖ.) Ob eine dringliche Anfrage zulässig ist oder nicht, kann meiner Meinung nach nicht in dieser Form diskutiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Böhm! Ich kenne die Frau Vizekanzlerin lange genug. Ich kann Ihnen versichern, dass sie Frau genug ist, die Fragen, die an sie gestellt werden, zu beantworten. Sie kann es aber nicht, da sie nicht da ist. Ich frage Sie also, ob diese Geschäftsordnungsdebatte nicht ein Vorwand ist, um zu verschleiern, dass die Frau Vizekanzlerin gar nicht im Lande ist und deshalb die Fragen, die an sie gestellt werden, nicht beantworten kann.

Es wäre eine Spur ehrlicher, offen zu sagen, dass die Frau Vizekanzlerin nicht im Lande ist, anstatt sich in eine juristische Geschäftsordnungsdebatte zu flüchten, die nicht ehrlich ist und so auch nicht hingenommen werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 41

Einlauf

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich habe zwar Professor Böhm schon als nächsten Redner angekündigt, da nun aber die Frage nach der Anwesenheit von Mitgliedern der Bundesregierung in Österreich releviert wurde, darf ich Sie darüber informieren, dass Mitteilungen über die Ministervertretungen eingelangt sind.

Ich ersuche den Herrn Schriftführer, diese Mitteilungen jetzt zu verlesen. – Herr Professor Böhm, Sie erhalten danach das Wort.

Schriftführer Christoph Hagen:

" Der Herr Bundespräsident hat am 8. November 2001, Zl. 300.100/77-BEV/2001, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag der Bundesregierung betraue ich gemäß Artikel 69 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers am 8. November 2001 den Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser mit der Vertretung des Bundeskanzlers.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen." (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Winter: Jetzt wissen wir wenigstens, was los ist!)

"Der Herr Bundespräsident hat am 8. November 2001, Zl. 300.100/78-BEV/2001, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Frau Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer am 8. November 2001 den Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser mit der Vertretung." (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

"Der Herr Bundespräsident hat am 8. November 2001, Zl. 300.100/79-BEV/2001, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer am 7. November die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer, am 8. November den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt und am 9. November 2001 den Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser mit der Vertretung." (Neuerlicher demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieser Mitteilungen und bitte nun Herrn Professor Böhm um seinen Redebeitrag.

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich bitte nun Herrn Professor Böhm um seinen Redebeitrag.

11.44

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr verehrte Frau Vizepräsidentin! Hohes Haus! Ich nütze meine Wortmeldung zunächst einmal dazu, eine Berichtigung vorzunehmen.

Entgegen meinen beiden Vorrednern, Herrn Kollegen Konecny und Herrn Kollegen Schennach, habe ich, obwohl ich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet war, einleitend betont, dass wir eine sachliche Auseinandersetzung über diese allgemeinpolitischen Fragen überhaupt nicht


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
681. Sitzung / Seite 42

scheuen. Sofern die dringlichen Anfragen zugelassen werden, werden wir die Diskussion darüber führen.

Herr Kollege Schennach! Ich verwahre mich auf das Schärfste gegen die Unterstellung, dass ich Formalia wie die Geschäftsordnung zum Vorwand genommen hätte. Würden Sie mich gut genug kennen, dann wüssten Sie, dass ich das nicht nötig habe. Sicherlich gehört es zur politischen Auseinandersetzung, in der Defensive bisweilen Derartiges zu tun. Ich habe aber ausdrücklich das Gegenteil erklärt, und ich lasse mir von Ihnen derartige Dinge nicht unterstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sowohl wegen der Frage nach der Zulässigkeit der dringlichen Anfragen gemäß der Geschäftsordnung und der Verfassung als auch wegen des Stils dieser vorangegangenen Wortmeldungen, die mit einer Auseinandersetzung um die Frage der Zulässigkeit der dringlichen Anfragen nichts mehr zu tun hatten, sondern finsterste Polemik waren und mit Unterstellungen operiert haben, ersuche ich um eine Meinungsbildung im Rahmen einer Sonderpräsidialsitzung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Da wir, soweit ich mich erinnern kann, einem Verlangen auf Abhaltung einer Sonderpräsidiale immer nachgekommen sind, werde ich jetzt die Sitzung unterbrechen, schlage aber vor, dass wir uns ein zeitliches Limit setzen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir diese Frage in höchstens 20 Minuten in der Präsidiale ausreichend erörtert haben werden. Der Präsident wird Ihnen dann Mitteilung über das Ergebnis machen.

Ich unterbreche nun für 20 Minuten die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 11.47 Uhr unterbrochen und um 12.20 Uhr wieder aufgenommen. )

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich darf bekannt geben, dass Einvernehmen darüber hergestellt wurde, dass die beiden eingebrachten dringlichen Anfragen einen Verhandlungsgegenstand bilden, und dass auch die Anregung aufgegriffen werden soll, die weitere Handhabung in solchen Fällen gründlich zu beraten und einen Vorschlag dazu auszuarbeiten.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Datenschutzgesetz 2000, das Parteiengesetz, das Mediengesetz, das Privatradiogesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Bundesstatistikgesetz 2000, das Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz für den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes); mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz, das Forschungsorganisationsgesetz, das Studienberechtigungsgesetz und das Tierversuchsgesetz geändert werden; mit dem das Bundes-Jugendförderungsgesetz, das Bundes-Jugendvertretungsgesetz und das Krankenanstaltengesetz geändert werden; mit dem das Außenhandelsgesetz 1995, das Handelsstatistische Gesetz 1995, das Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz, das Sicherheitskontrollgesetz 1991, das Akkreditierungsgesetz, das Bauproduktegesetz, das Beschussgesetz, das Dampfkesselbetriebsgesetz, das Elektrotechnikgesetz 1992, das ERP-Fonds-Gesetz, das Kesselgesetz, das Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, das Maß- und Eichgesetz, das Normengesetz 1971, das Vermessungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, das Ziviltechnikergesetz 1993, das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Ingenieurgesetz 1990, die Gewerbeordnung 1994, das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nah


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versorgung und der Wettbewerbsbedingungen, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, das EU-Wettbewerbsgesetz, das Euro-Währungsangabengesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, das Stadterneuerungsgesetz, das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz, das Gaswirtschaftsgesetz, das Starkstromwegegesetz 1968, das Preistransparenzgesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Bundesgesetz über das Grubenwehrehrenzeichen, das Lagerstättengesetz, und das Allgemeine österreichische Berggesetz geändert werden (2. Euro-Umstellungsgesetz – Bund) (742 und 824/NR sowie 6458 und 6459/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden (825/NR sowie 6460/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

das 2. Euro-Umstellungsgesetz – Bund und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 und 2 hat Herr Bundesrat Herbert Würschl übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Herbert Würschl: Sehr geehrte Damen und Herren! Der Text zu Tagesordnungspunkt 1 liegt Ihnen vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Auch zu Tagesordnungspunkt 2 liegt Ihnen der schriftliche Text vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend das 2. Euro-Umstellungsgesetz – Bund.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.


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Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden.

Da der gegenständliche Beschluss in Artikel 1 eine Verfassungsbestimmung enthält, bedarf dieser gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (598 und 818/NR sowie 6461/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (695 und 819/NR sowie 6462/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Libanesischen Republik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll (682 und 820/NR sowie 6463/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über die Förderung und den Schutz von Investitionen (688 und 821/NR sowie 6464/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Belize über die Förderung und den Schutz von Investitionen (751 und 822/NR sowie 6465/BR der Beilagen)


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8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen (747 und 823/NR sowie 6466/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 3 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Libanesischen Republik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Belize über die Förderung und den Schutz von Investitionen und

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Würschl übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Herbert Würschl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Tagesordnungspunkt 3 liegt Ihnen der schriftliche Bericht vor.


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681. Sitzung / Seite 46

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Auch zu Tagesordnungspunkt 4 liegt ein schriftlicher Bericht vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 5 liegt ebenfalls der schriftliche Bericht auf.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ebenso liegt zu Tagesordnungspunkt 6 der schriftliche Bericht vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 7 liegt ebenfalls der schriftliche Bericht vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 8:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich für die Berichte.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der vorliegende Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, somit bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der vorliegende Beschluss regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, sodass er der Zustimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die verfassungsmäßig Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die Zustimmung zu erteilen, ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Libanesischen Republik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll.

Der vorliegende Beschluss regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches, sodass er der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.


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681. Sitzung / Seite 47

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Dieser Beschluss regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder und bedarf daher der verfassungsmäßigen Zustimmung des Bundesrates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Belize über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der vorliegende Beschluss regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder. Er bedarf daher der Zustimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Forderung und den Schutz von Investitionen.

Der vorliegende Beschluss regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder und bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Ich stelle zu allen diesen Abstimmungen ausdrücklich fest, dass das verfassungsmäßige Erfordernis der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und das der Zweidrittelmehrheit erfüllt sind.

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit

Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (601 und 773/NR sowie 6467/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit

Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Thomas Ram übernommen. Ich bitte ihn darum.


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681. Sitzung / Seite 48

Berichterstatter Thomas Ram:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates betreffend Übereinkommen (Nr. 182) gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben,

3. die Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Margarethe Aburumieh das Wort. – Bitte.

12.32

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation müssen weltweit rund 250 Millionen Kinder zwischen fünf und 14 Jahren unter zum Teil lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten. "Nach Schätzungen" sage ich deshalb, weil die Dunkelziffer sehr hoch ist und daher seriöses statistisches Material nicht vorhanden ist und vor allem Vergleichszahlen fehlen.

Betrachten wir nur Asien: Dort leben 153 Millionen Kinder, deren Arbeitswoche oft bis zu sieben Tage beträgt. Sie schuften in Bergwerken, in Fabriken, auf Feldern, Baustellen, als Prostituierte und dienen häufig auch als Soldaten. Allein in Pakistan – und das sind Angaben der dortigen Regierung – leben rund 3,7 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren in Schuldknechtschaft. In mehr als 30 Konflikten weltweit kämpfen rund 300 000 Kinder und Jugendliche – und da vor allem in Afrikas vergessenen Kriegen, wo ganze Bataillone von Kindern "verheizt" werden.

Allein anhand dieser Zahlen sehen wir, dass Handlungsbedarf besteht. Das Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit sowie die Empfehlung betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit wurden – Sie haben es in der Berichterstattung gehört – von der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation 1999 in Genf als Zeichen der weltweiten Einigkeit und Solidarität, Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu treffen, einstimmig angenommen. Angesichts der dreigliedrigen Struktur der IAO ist Einstimmigkeit äußerst selten und unterstreicht im konkreten Fall die Bedeutung dieses Abkommens.

Das gegenständliche Abkommen zählt zu den acht Kernübereinkommen der IAO, von denen die anderen sieben bereits von Österreich ratifiziert wurden.

Die Internationale Arbeitsorganisation verweist auf die Notwendigkeit, eine neue völkerrechtliche Urkunde zur Bekämpfung dieser schlimmsten Formen der Kinderarbeit als vorrangiges Ziel nationaler und internationaler Maßnahmen, einschließlich der internationalen Zusammenarbeit und Unterstützung, anzunehmen und das Übereinkommen über die Empfehlung zum Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung – Sie erinnern sich, wir haben dieses im Juni diskutiert, und es wurde im September von Österreich ratifiziert – zu ergänzen.

Diese völkerrechtliche Norm enthält die grundsätzliche Verpflichtung, für die sofortige Abschaffung aller extremen Formen der Kinderarbeit zu sorgen, und sie wird ergänzt durch die


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Empfehlung, die weitere Anhaltspunkte sowohl für die nationale Gesetzgebung der ratifizierenden Staaten als auch für die Praxis gibt.

Im Sinne des Übereinkommens gilt der Ausdruck "Kind" für alle Personen unter 18 Jahren. Der Ausdruck "schlimmste Formen der Kinderarbeit" umfasst – und da gestatten Sie mir, den Staatsvertrag zu zitieren –:

a) alle Formen der Sklaverei oder alle sklavereiähnlichen Praktiken, wie den Verkauf von Kindern, den Kinderhandel, Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft sowie Zwangs- oder Pflichtarbeit, einschließlich der Zwangs- oder Pflichtrekrutierung von Kindern für den Einsatz in bewaffneten Konflikten,

b) das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zur Prostitution, zur Herstellung von Pornographie und zu pornographischen Darbietungen,

c) das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zu unerlaubten Tätigkeiten, insbesondere zur Gewinnung von und zum Handel mit Drogen, wie diese in den einschlägigen internationalen Übereinkünften definiert sind, und

d) das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zur Arbeit, die ihrer Natur nach oder auf Grund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist.

Kinder dürfen unter keinen Umständen für solche Tätigkeiten herangezogen werden!

Das Übereinkommen verlangt Maßnahmen, um die extremen Formen der Arbeit von Kindern unter 18 Jahren zu beseitigen, um die effektive Umsetzung zu sichern, einschließlich strafrechtlicher und präventiver Regelungen, und die Verpflichtung zur Wiedereingliederung betroffener Kinder.

Die ratifizierenden Mitgliedstaaten werden zur Einleitung von Schritten aufgefordert, die es ihnen erlauben, sich gegenseitig durch internationale Zusammenarbeit und Unterstützung zu helfen.

Zu den völkerrechtlichen Neuerungen des Abkommens zählt weiters, dass auch die Länder mit beschränkten finanziellen Mitteln aufgefordert werden, das Problem sofort anzugehen und dabei ihre Bemühungen in Zusammenarbeit und mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft auf die Bekämpfung der extremen Formen der Kinderarbeit zu konzentrieren. Es sind die Mitgliedstaaten der IAO aufgefordert, nach Artikel 8 verstärkt zusammenzuarbeiten und sich auch gegenseitig zu unterstützen – einschließlich der Unterstützung für die soziale und die wirtschaftliche Entwicklung –, Programme zur Beseitigung von Armut zu schaffen und für universielle Bildung zu sorgen.

Kinderarbeit ist eine Folge von Armut. Je schlechter die Situation der Familie ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder zur Arbeit gezwungen, zum Arbeiten verkauft werden. Die Mehrheit dieser Kinder besucht daher keine Schule. Ohne schulische Ausbildung und ohne soziale Akzeptanz ist ihre Zukunft hoffnungslos.

Im Kampf gegen die Kinderarbeit wird deshalb auch nachhaltiges Wirtschaftswachstum benötigt – daher die Aufforderung nach internationaler Unterstützung.

Innerstaatlich ist dieses Übereinkommen durch bestehende Gesetze und bestehende Verordnungen erfüllt, aber Österreich hat sich in außenpolitischer Sicht immer aktiv für die Kinder eingesetzt, immer aktiv für die Rechte der Kinder eingesetzt, denn es genügt nicht, zu verlangen, dass Kinder nicht mehr arbeiten dürfen. Es bedarf vielmehr der verstärkten internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Mittelaufbringung, aber auch der Umsetzung, der Beteiligung an Programmen und an Projekten.


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Bis zur vollständigen Beseitigung der Kinderarbeit, einer schlimmen Ausbeutungsform im Lebensalltag, ist es für uns alle noch ein weiter Weg, aber mit dem Übereinkommen der IAO hat die weltweite Bewegung zur Bekämpfung der Kinderarbeit ein erfolgreiches Etappenziel erreicht. In Zukunft wird aber eine viel größere Entschlossenheit als bisher und eine bessere Verzahnung von Entwicklungshilfe und Umsetzung des Übereinkommens Nr. 182 erforderlich sein, um den schlimmsten Formen der Kinderarbeit tatsächlich ein Ende zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.42


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681. Sitzung / Seite 51

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herbert Würschl. Ich erteile ihm das Wort.

12.42

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schön, dass bei dieser Thematik heute auch Jugendliche als Besucher hier sitzen, um mitzudenken, mitzureden und auch in ihren Schulklassen, so nehme ich an, Diskussionen darüber zu führen.

Meine Vorrednerin hat Fakten und Zahlen auf den Tisch gelegt, die nicht ergänzt oder neuerlich zitiert werden müssen. Es ist einfach unfassbar, sehr geehrte Damen und Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, dass im 21. Jahrhundert, dass in einer Zeit, in der ein Teil der Menschen sehr reich ist, Kinder ab dem sechsten, siebten oder achten Lebensjahr gezwungen werden, erwerbsmäßig Arbeit zu leisten. Ich glaube, dass es richtig ist, wenn wir hier nicht belehrend auftreten, sondern nachdenken, wie wir dieser Situation am besten begegnen können, damit Kinder nicht arbeiten müssen.

Ich gehe davon aus, dass wir an dieser Situation mit schuld sind. Wenn ein Teil der Menschheit ein relativ großes Einkommen beziehungsweise Besitzungen hat, dann bin ich der Meinung, müsste es so etwas wie Solidarität geben, um anderen Teilen der Welt entsprechend zu helfen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Es ist unfassbar, dass man heute Sechs-, Sieben-, Achtjährige zwingt, diese Arbeiten zu tun, dass man ihnen so ihre Kindheit nimmt, ihnen keine Möglichkeit gibt, schulische Ausbildung oder Bildung insgesamt erfahren zu dürfen. Da sind wir aufgefordert, unseren Beitrag zu leisten, damit es keine Kinderarbeit mehr gibt.

Ich habe gesehen, dass heute fünf Redner zu dieser Thematik Stellung nehmen werden, und ich bin mir sicher, dass alle der Meinung sind, dass Kinderarbeit nicht akzeptiert werden kann. Natürlich wird die Analyse oder die Bewertung unterschiedlich ausfallen. Ich glaube aber, dass wir verpflichtet sind, die Situation zu analysieren, daraus Schlüsse zu ziehen, auch Konsequenzen anzudenken, zu überlegen, welchen Beitrag wir zu leisten haben, Strategien zu überlegen, wie wir diesen armen Ländern, den armen Menschen in diesen Regionen helfen können. Man wird uns auch daran messen können, welches Engagement wir hier einbringen und wie wir da politisch handeln.

Sonntagsreden in Wien oder woanders zu halten, das wird den armen Menschen, das wird den Kindern nicht helfen. Wir werden sehr bald nachvollziehen können, welche Beiträge wir Österreicher in diesem Bereich eingebracht haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch das soll nicht belehrend wirken: Kinderarbeit hat es in der Geschichte bereits überall gegeben, auch bei uns. Es ist immer nur die Frage: Wie funktioniert ein Sozialsystem, wie funktioniert das wirtschaftliche Leben, wie ist ein Staat organisiert? Ist er sozial? Ist er human? Bringt er eine demokratische Kultur ein? – Wenn dem nicht so ist, haben wir es leider Gottes auch mit Kinderarbeit zu tun, denn es gibt einen elementaren Zusammenhang zwischen der Armut einer Gesellschaft und der "Notwendigkeit" – unter Anführungszeichen – von Kinderarbeit.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass wir alle aufgefordert sind, da in solidarischer Weise unsere Beiträge einzubringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

12.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Dr. Renate Kanovsky-Wintermann das Wort. – Bitte.

12.46

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind schon einige Zahlen genannt worden, und ich möchte diese nicht unbedingt wiederholen. Es ist das Horror-Szenario von meiner Vorvorrednerin angesprochen worden. Sie hat geschildert, welche erschreckenden Formen von Kinderarbeit es tatsächlich in der Welt, vor allem im asiatischen Bereich, aber auch in Südamerika zum Beispiel noch gibt. Wenn man sich überlegt, dass allein 60 Millionen Kinder unter 15 Jahren in Südamerika und zirka 45 Millionen in Indien unter furchtbarsten Bedingungen tagtäglich arbeiten müssen, dann kann man schon sagen, dass dieser Akt der Solidarität, der jetzt auf internationalem Niveau geschlossen wird, absolut richtig ist.

Eines ist richtig, Herr Kollege Würschl: Wir sollten keine Sonntagsreden halten. Man muss aber doch auch feststellen, dass Österreich grundsätzlich von diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, diesen Verbrechen gegenüber Kindern nicht betroffen ist. Das ist auch in den Erläuternden Bemerkungen dargelegt worden. Dass es natürlich in der Geschichte auch in unserem Raum furchtbare Auswirkungen von Kinderarbeit gegeben hat, muss man aber auch bestätigen. Ja, das hat es gegeben, und das war eine Auswirkung des Manchester-Liberalismus, den es eigentlich im ganzen europäischen Raum und natürlich auch in Österreich beziehungsweise im damaligen Habsburger-Raum gegeben hat. Das war eine Folge eines übertriebenen Liberalismus, dessen Auswirkungen nicht nur auf Österreich beschränkt waren.

Jetzt aber zurück zur Resolution: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir hier ein Zeichen gesetzt haben und setzen. Solidarität und eine aktive Menschenrechtspolitik haben Österreich immer ausgezeichnet und sollen es auch in Zukunft auszeichnen.

Die genauen Definitionen möchte ich jetzt gar nicht mehr wiederholen. Meine Kollegin von der ÖVP hat bereits ausgeführt, dass bei diesen Formen der Kinderarbeit Sklaverei, Kinderhandel, Drogenhandel mit erfasst sind, aber auch zum Beispiel – das ist absolut aktuell gerade in der zukünftigen Sicherheitsdebatte, die auch noch folgen wird – die Zwangsrekrutierung für den Einsatz in bewaffneten Konflikten. Natürlich sind auch Pornographie oder das Heranführen eines Kindes zur Prostitution sowie alle Arbeiten, die wirklich gefährlich sind und das Leben und die Sicherheit von Kindern beeinträchtigen können, mit umfasst. Diese Resolution, dieses Übereinkommen wird von uns heute auch noch beschlossen werden.

Die Empfehlung Nr. 190 beinhaltet insbesondere Aktionsprogramme. Auch diese sind teilweise schon erwähnt worden. Sie beinhaltet Schulungsprogramme, die Definition selbst, was man unter einer gefährlichen Arbeit versteht, aber auch die Strafen, die im Hinblick auf das Tätigwerden in gefährlichen Bereichen zu setzen sind.

Wichtig erscheint mir aber vor allem die Sensibilisierung des Themas in allen Bereichen. Das wird in Schulen notwendig sein, das wird in der Politik in allen Gremien notwendig sein, und es wird auch untereinander notwendig sein auf den verschiedensten sozialpolitischen Ebenen.

Ich möchte aber zuletzt noch darauf hinweisen, dass Österreich – das ist auch schon angedeutet worden – bereits viele internationale Verträge unterzeichnet hat. Ich möchte da etwa nur im Hinblick auf den Schutz von Kindern die Kinderrechtskonvention von 1989 erwähnen. Es wurden von Österreich auch die Zusatzprotokolle unterfertigt, die die Einbindung von Kindern in bewaffnete Konflikte oder etwa den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie beinhalten.

All das waren Verträge im Rahmen der Vereinten Nationen. Natürlich ist auch noch zu erwähnen, dass Österreich mit diesem IAO-Abkommen nicht das erste IAO-Abkommen unterzeichnet, sondern auch schon die sieben weiteren Kernabkommen – wie man sie bezeichnet – unterschrieben hat.


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Zuletzt möchte ich noch eine Frage aufwerfen: Ich konnte den Unterlagen nicht wirklich entnehmen, ob auch alle Beitrittskandidaten zur EU diese Resolution unterschrieben haben. Es erscheint mir aber notwendig im Hinblick auf eine Partnerschaft in einer offenen demokratischen Gesellschaft, im Hinblick auf eine gemeinsame Europäische Union, dass unsere zukünftigen Mitgliedstaaten, aber auch die Staaten, mit denen wir einen starken Wirtschaftsverkehr haben, diese Formen der Menschenrechtsstatuierungen unterzeichnen müssen. Letztlich haben auch die Kopenhagener Dekrete Kriterien erstellt, die besagen, dass Beitrittskandidaten in den Europäischen Raum selbstverständlich Menschenrechte schützen müssen. Und ich verstehe den Schutz eines Kindes als ein sehr wichtiges und in höchstem Maße zu schützendes Menschenrecht.

Das konnte ich den Unterlagen nicht entnehmen, aber ich bin zuversichtlich, dass unsere Verhandler auf der EU-Ebene die entsprechenden Maßnahmen setzen werden, um auch zu veranlassen, dass nicht nur wir die Vorreiter in Richtung Menschenrechtsschutz sind, sondern auch unsere Partner oder unsere zukünftigen Freunde innerhalb einer großen Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile ihr das Wort.

12.53

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Beschluss, der in einigen Minuten fallen wird – einstimmig, so nehme ich, nach den wohlgesetzten Reden, die hier gehalten werden, an –, Kinderarbeit in den Dritte- und Vierte-Welt-Ländern, den Ländern der Armut zu verbieten, ist ein guter Beschluss.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem richtigen Beschluss aber muss verbunden sein die Beantwortung der Frage: Was trägt die Republik Österreich dazu bei, was trägt die reiche Welt dazu bei, dass die Eltern dieser Kinder überleben können? – Denn Kinderarbeit zu verbieten – in wohlgesetzten Worten und Beschlüssen – und gleichzeitig zu schweigen und zuzuschauen, wie Millionen von Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsene verhungern, das ist Zynismus. Ich denke, Politik bedeutet, verantwortungsbewusst zu handeln, Verantwortung zu tragen und mehr zu tun, als Erschütterung und Mitleid aufkommen zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie werden verstehen, dass ich der Meinung bin, dass unsere Zahlen, unsere Fakten, unsere Reden – auch meine eigene – über diese Menschen, die hungern, die frieren, deren Eltern und Großeltern in derselben Situation sind, eigentlich sehr kalt wirken.

Gestern wurde ein ungeheuer wichtiger – für die tägliche politische Arbeit auch in Österreich – Bericht in New York vorgestellt: der neueste UN-Weltbevölkerungsbericht. Dieser Bericht, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wurde sogar in der "Kronen Zeitung" erwähnt, und dafür möchte ich explizit diese Zeitung loben. Denn Schlagzeilen macht Armut, die brutale Armut dieser Welt nicht oft. Dieser Bericht ist eine ganz dramatische Dokumentation des rapiden Anstiegs der Armut in dieser Welt. Und die Armut in dieser Welt wird nicht von den Armen geschaffen, sondern von anderen, die die Macht und das Kapital haben.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Einstimmigkeit und Solidarität im Kampf gegen Kinderarbeit sind gut. Mir sind aber die Stimmen – bis auf eineinhalb Redner –, die sich dafür ausgesprochen haben, solidarisch zu sein, auch als kleines Österreich Vorreiter und Vorreiterin zu sein im Kampf gegen die Armut dieser Welt, auch in Österreich zu leisen; ich habe sie kaum gehört.

Ich kann Kinderarbeit und das Verbot von Kinderarbeit nur in dem Kontext folgender Frage sehen: Wie geht die Welt, wie geht die Republik Österreich mit einem wild gewordenen, ungeregelten Kapitalmarkt auf dieser Welt um? – Kinderarbeit und Arbeit haben mit den Kapitalmärkten und den Regelungen und Nicht-Regelungen direkt zu tun.


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Was tut Österreich in dieser Frage? – Sie werden mir erlauben festzustellen, dass Armutsbekämpfung eine andere Form der Handlungsqualität und der politischen Verantwortung braucht wie dies – und ich sage es sehr bewusst – die Politik auch in demokratischen Ländern, die einer Form des zeitgenössischen Kolonialismus das Wort redet und Vorschub leistet, praktiziert.

Sie werden mir erlauben zu fragen: Was tut Österreich jetzt und hier, um Kinderarbeit zu minimieren, um Armut zu bekämpfen? Ich frage Sie: Was tut die Regierung in Österreich, wenn jene Kinder – von denen wir heute reden, deren Arbeit wir richtigerweise verbieten wollen – und deren Eltern beschließen, ihr Land zu verlassen, weil sie dort keine Existenzmöglichkeit finden – ihr Land verlassen, das heißt flüchten – und an die Türen Österreichs klopfen?

Seit voriger Woche hat Herr Westenthaler gewonnen – ich nenne den Namen deshalb, weil damit auch eine Form der Politik gewonnen hat –, und Herr Strasser hat verloren. Seit voriger Woche ist es nicht mehr möglich, dass Asylantinnen und Asylanten, Flüchtlinge, Erwachsene und Kinder bei der Botschaft in ihren Heimatländern den Asylantrag einbringen, sondern sie müssen es irgendwie schaffen, direkt zu uns zu kommen.

Wie geht Österreich mit aus Armut flüchtenden Menschen um? – Die Türen sind verschlossen und verriegelt, und das ist verantwortungslose Politik, auch in der Frage der Kinderarbeit! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Grissemann: Was machen die anderen EU-Länder? – Bundesrätin Haunschmid: Was macht Schröder? Was machen Ihre sozialistischen Partner in den anderen Ländern?)

Was können wir ganz konkret machen, was hätte diese Regierung tun können? – Sicherlich wäre das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn wir von notwendigen Maßnahmen, um Kinderarbeit und Armut zu bekämpfen, sprechen. Was macht diese Regierung? – Die wenigen Mittel – auch der Vergangenheit – für Entwicklungsarbeit, Entwicklungshilfe, Entwicklungszusammenarbeit werden von dieser Bundesregierung gekürzt, und das ist zynisch! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Grissemann: Was macht der Sozialist Schröder? – Bundesrat Winter: Ihr wisst ja nicht einmal, in was für einem Parlament ihr redet, wenn ihr solche Aussagen trefft! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ihre Zwischenrufe sind die Bestätigung dafür: Es trifft nur, was selbst betroffen macht. Denn wären Sie gegen die Armut solidarisch, müssten Sie nicht unqualifizierte Zwischenrufe machen, sondern könnten vielleicht einmal applaudieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die sozialdemokratische Fraktion wird der Bekämpfung der Kinderarbeit natürlich zustimmen, aber die sozialdemokratische Fraktion wird von der Regierung – sehr vehement einfordern und es unterstützen und Initiativen setzen, dass wir Kinderarbeit nicht nur verbieten und gleichzeitig zuschauen, wie Kinder verhungern, sondern dass wir wirklich die Armut dieser Welt bekämpfen und den Reichtum und die Täter beim Namen nennen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Kärntner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Gerd Klamt das Wort. – Bitte.

13.00

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu meiner Vorrednerin kann ich Folgendes festhalten: Kinderarbeit kann nur durch Bekämpfung von Armut und kann nur vor Ort und nicht durch vermehrte Einwanderung bekämpft werden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Der Applaus war sehr mager! – Bundesrätin Mag. Trunk: Es gab auch Österreicher seinerzeit, die auf der Flucht waren und offene Tore fanden! – Bundesrat Dr. Böhm: Vertriebene, richtig, ja!)

Ich kann auch meinen Kollegen Würschl beruhigen: Alle Fraktionen in diesem Hohen Hause haben zu diesem Thema einen sehr ähnlichen Zugang. Die Kinder, die Jugend sind das höchste Gut einer Gesellschaft. (Bundesrat Gasteiger: Wenn Sie das höchste Gut sind, dann darf es kein Lippenbekenntnis sein! – Bundesrätin Mag. Trunk: Warum schaut dann die Fami


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lienzusammenführung so aus, wenn die Kinder das Wichtigste sind?) Der sorgfältige und behutsame Umgang mit der Jugend, die natürlich auch an die Arbeitswelt herangeführt werden muss, ist die wohl wesentlichste Herausforderung in einem auf Zukunft bedachten Gemeinwesen.

Die Tatsache, dass Kinder in Arbeitsprozesse und Abhängigkeiten gezwungen werden, die unsere Vorstellungskraft übersteigen, ist eine Schande für unsere Welt. Der Grund für diese Auswüchse liegt in der bitteren Armut, mit der viele Regionen nach wie vor konfrontiert sind. Da müssen wir alle gemeinsam ansetzen.

Ein Vorteil der Globalisierung ist, dass auch weit entfernte Problemstellungen für uns sichtbar werden. Ein Nachteil der Globalisierung ist, dass viele Produzenten, viele Hersteller von Produkten unseren hohen Standards und damit hohen Herstellungskosten durch Abwanderung in Billiglohnländer ausweichen und sogar Kinderarbeit in Kauf nehmen, um Gewinne zu maximieren. Auch hier werden wir alle in Zukunft gemeinsam ansetzen müssen.

Das gegenständliche Übereinkommen ist ganz eindeutig zu begrüßen. Es muss aber klar sein, dass wir damit nur einen sehr kleinen, wenn auch wichtigen Mosaikstein in einem Gesamtmosaik setzen, welches uns noch lange beschäftigen wird. Aus meiner Sicht ist es für alle Fraktionen in diesem Hause verpflichtend, diesem Übereinkommen zuzustimmen und dieses Thema niemals aus den Augen zu verlieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

13.04

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ursprünglich wollte ich mich zu diesem Punkt nicht zu Wort melden, aber die vielen Rufe an Frau Bundesrätin Trunk haben mich dann doch bewogen, mich hier zu Wort zu melden, aber ich habe mich auch aus dem Grund gemeldet, da ich zehn Jahre in der Entwicklungspolitik tätig war, die mir doch einen Einblick gegeben haben. Ich kann Ihnen sagen, es ist gut und wichtig, dass wir heute diesem Abkommen hier unsere Zustimmung geben und es unterzeichnen. Aber durch diese heutige Zustimmung wird kein Kind auf der Welt weniger als Kindersklave arbeiten müssen oder zur Kinderarbeit gezwungen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben Frau Trunk gefragt: Was sollen wir tun? – Ich habe mich spontan hier gemeldet und will Ihnen zwei Dinge sagen: Im letzten Monat wurde etwas in Washington gemacht, was ich in dieser Richtung beispielhaft finde. Es wurde nämlich im Bereich der Schokoladenindustrie ein Abkommen unterzeichnet, in dem die Vereinigten Staaten und die Elfenbeinküste, die Entwicklungsorganisation und die Internationale Arbeitsorganisation übereingekommen sind, die Kinderarbeit dadurch auszumerzen – und immerhin kommen von der Elfenbeinküste 43 Prozent der Kakaoproduktion –, indem künftig alle Produkte ein Siegel bekommen: keine Kinderarbeit. Diese Schokoladen werden künftig durch solche Siegel ausgezeichnet werden, und dann haben wir es, jeder hier von uns, in der Hand, tagtäglich eine Entscheidung zu treffen.

Da solch ein Abkommen die Verwirklichung sozialer Maßnahmen im Land selbst erforderlich macht, hat sich die amerikanische Entwicklungshilfebehörde bereit erklärt, genau in diesem Bereich Programme in der Elfenbeinküste zu machen, damit es nicht bei einem inhaltsleeren Siegel bleibt.

Auch wir in Österreich haben bereits ein Siegel. Wir können im Bereich des Kaffees, des Tees und des Kakaos jeden Tag bereits eine Abstimmung treffen, die genau auf diese Produktionsverhältnisse Bezug nimmt, wenn Sie nämlich die Produkte beispielsweise von "TransFair", fairer Handel mit der Dritten Welt, mit den Produzenten ... (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Entschuldigen Sie, aber wir alle haben hier ein Hohes Lied auf die Missstände im Bereich der Kinderausbeutung gesungen. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Haben


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Sie Ihrer Kollegin nicht zugehört, als sie zu Beginn ihrer Rede mit erschütternden Zahlen aufgewartet hat? – Ich glaube, Sie haben applaudiert.

Ich kann nur noch einmal sagen: Diese Initiativen, ob "Keine Kinderarbeit"-Siegel, wie es jetzt die Amerikaner ausverhandelt haben, oder die "TransFair"-Initiativen, sind Maßnahmen, die dann solchen Abkommen, wie wir sie heute unterstützen, auch reales Leben einhauchen.

Dazu kommt noch, meine Damen und Herren, dass Österreich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in Westeuropa über Jahre Schlusslicht war. Wir haben heute den "Tag der Freiwilligen" begangen, und in diesem Zusammenhang möchte ich noch ergänzend sagen, dass in diesem Land die Menschen privat mehr Entwicklungszusammenarbeit finanziert haben als der Staat. Österreich war immer europäisches Schlusslicht. Und jetzt sind diese Mittel, die dafür notwendig sind, um Kinderarbeit vor Ort zu bekämpfen, weiter gekürzt worden. Machen Sie sich darauf selbst einen Reim! Aber – und da appelliere ich an Sie – Sie haben es durch solche Initiativen wie "TransFair" oder "Keine Kinderarbeit" in der Hand, die Dinge zu verändern. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Frau Staatssekretärin Mares Rossmann das Wort. – Bitte.

13.09

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist viel gesagt worden, und ich glaube, der Bundesrat war sich selten so einig wie bei diesem Thema, bei diesem traurigen Thema der Kinderarbeit.

Es wurde konkret angesprochen: Was kann Österreich machen, was kann jeder Einzelne von uns dazu beitragen, dass Kinderarbeit in ihrer schlimmsten Form nicht mehr vorkommt? – Eine der schlimmsten Formen von Kinderarbeit ist meiner Meinung nach die Kinderprostitution. Ich möchte in diesem Zusammenhang den Kindersextourismus ansprechen, den es vehementest zu bekämpfen gilt.

Wir haben uns dieser Problematik wirklich ernsthaftest angenommen und einen Film dazu in Auftrag gegeben. Es ist übrigens ein fantastischer Film geworden, der von Dolezal und Rossacher produziert worden ist. Dieser Film wurde nicht nur innerhalb der Europäischen Union bei einem eigens einberufenen "Kinderarbeits-Ministerrat" lobend und als gutes Beispiel, wie man Kindersextourismus entgegenwirken kann, erwähnt, sondern dieser Film wurde auch als einer der besten Filme in einem Großangebot von touristischen Filmen auf der vorjährigen ITB in Berlin ausgezeichnet.

Dieser Film wird in den Flugzeugen, die nach gewissen Destinationen unterwegs sind, gespielt. Er ist erschütternd, er geht unter die Haut und regt zum Nachdenken an.

Wir sind aber noch einen Schritt weiter gegangen. Ich habe die Reisebürowirtschaft gebeten, nachzudenken, wie man es erreichen könnte, dass sich österreichische Sextouristen, die in diese Länder fliegen, von Kindern fern halten. Die Reisebürowirtschaft hat, gemeinsam mit der Frau Außenministerin, mit dem Herrn Sozialminister und mit mir einen Ehrenkodex unterschrieben. Sie haben sich damit eine Selbstbeschränkung auferlegt: Erstens werden sie ihre Mitarbeiter ganz gezielt darauf schulen, was Mitarbeiter unternehmen können, um Kindersextouristen von ihrem Vorhaben abhalten zu können, und zweitens haben sie unterschrieben – und das ist das Schönste daran –, dass sie solche Geschäfte in Zukunft gar nicht mehr abwickeln werden. Das heißt: klare Geschäftsverweigerung für österreichische Kindersextouristen, die in diese Staaten wollen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich bedanke mich für diesen Applaus im Namen der Reisebürowirtschaft, ich werde ihn weitergeben, denn das Ganze ist nicht so einfach und selbstverständlich. Die Mitarbeiter werden geschult, und wenn sie erkennen, dass der Wunsch des Kunden in diese Richtung geht, wird das Geschäft nicht abgewickelt. Diese Schulung der Mitarbeiter geht bis hin zu den


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Reiseführern vor Ort, denen klargemacht wird: Wer wegschaut, macht sich auch strafbar. Die österreichische Rechtsordnung ermöglicht es seit einigen Jahren, dass österreichische Kindersextouristen, die im Ausland derartige Handlungen setzen, in Österreich nach unserem Strafrecht zu bestrafen sind. Es geht nur darum, dass man auch den Mut hat, als Passagier, als Mitreisender oder als Reiseleiter diesen anzuzeigen.

All das steht in dieser Vereinbarung, in diesem Ehrenkodex. Mir war aber auch das noch zu wenig, und ich habe gesagt: Wir haben das jetzt festgeschrieben, wir beobachten das jetzt, aber wir müssen das Ergebnis dann auch evaluieren. Ich habe deshalb eine Evaluierung in Auftrag gegeben, damit klar ersichtlich wird – im Wege von Befragungen des Reisebüro-personals, der Unternehmer selbst und der Reiseveranstalter –, was man mit dieser Vereinbarung bewirkt hat und was man in weiterer Folge zu einer weiteren Verbesserung der Situation beitragen kann. Aber wir sind – und darauf können wir stolz sein – in der EU das einzige Land, das das so restriktiv handhabt.

Ich sage noch etwas dazu: Mir machen auch unsere östlichen Nachbarn Sorgen. Ich will jetzt nicht explizit anführen, um welche es dabei geht, aber es gibt natürlich auch dort Armut in den Familien, Kinderarmut, und auch dort werden Kinder zur Prostitution gezwungen. Wenn man mit der Polizei spricht, erfährt man einige wirklich sehr erschütternde Dinge, die auch an unseren Grenzen, im so genannten kleinen Grenzverkehr, passieren. Auch da sind wir gefordert, dieses Thema bei den Verhandlungen mit zukünftigen Beitrittskandidaten dementsprechend anzusprechen und auch zu enttabuisieren. Deutschland hat das bereits gemacht. Meine Kollegin in Deutschland, eine Staatssekretärin, die im Außenamt tätig ist, hat dieses Thema bereits enttabuisiert. Und es liegt jetzt auch an uns, dieses Thema deutlicher anzusprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht, Herr Kollege Ram? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Schließlich bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die Empfehlung (Nr. 190) betreffend das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.


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10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz geändert wird (519/A und 794/NR sowie 6468/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Thomas Ram übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Thomas Ram: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Hans Ager das Wort. – Bitte.

13.16

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz geändert wird, bringt eine wesentliche Verbesserung der Chancen für Jugendliche am Arbeitsmarkt. Im Sinne und zum Wohle der jungen Menschen und Auszubildenden ist es notwendig, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer – und auch deren Vertreter, möchte ich hinzufügen – näher zusammenrücken und gemeinsam die Arbeitswelt der Zukunft gestalten. Denn eines ist klar: Wenn die Wirtschaft heute keine Lehrlinge ausbildet, wird es morgen keine Facharbeiter geben. Und dies wird dem Wirtschaftsstandort Österreich nicht gerecht werden.

Ich glaube, dass es aber auch wichtig ist, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen denen, die ein Studium absolvieren, und jenen, die eine Lehre machen, zu haben, denn, wie wir aus der Praxis wissen, es können nicht alle studieren, wir brauchen auch Facharbeiter. Deshalb müssen wir, ob wir wollen oder nicht, die Lehre aufwerten.

100 Millionen Schilling in diesem Fall für zusätzliche Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit sind eine Menge Geld, doch ich glaube, dass wir hier die normalen "Trampelpfade" verlassen müssen und zusätzlich in den Ländern und Bezirken spezielle Veranstaltungen mit dem AMS, mit den Kammern, mit den Schulen und mit den Betrieben organisieren müssen. Das Thema ist zu wichtig.

Lassen Sie mich ein klares Bekenntnis zum dualen Ausbildungssystem, wie wir es in Österreich haben, abgeben. Einem in Österreich ausgebildeten Facharbeiter steht so wie früher die ganze Welt offen.

Aufräumen muss man aber mit einer Fehleinschätzung und mit ungerechtfertigten Angriffen auf die Unternehmerschaft, die immer wieder passieren. Es wird behauptet, die Unternehmer zögen einen wirtschaftlichen Nutzen daraus, wenn sie einen Lehrling ausbilden. Dazu darf ich sagen –die Praktiker unter Ihnen wissen das –: Zum normalen Urlaub kommen berechtigte acht bis zehn Wochen für den Besuch der Berufsschule hinzu. Vielleicht gibt es da und dort bei den in der Entwicklung stehenden jungen Menschen höhere Krankenstandszahlen. Ab und zu kommt uns auch noch ein etwas unerträgliches Maß an Vorschriften unter, die noch von früher stammen. Der Nutzen kommt aber später. Wenn man eine gut ausgebildete Fachkraft in den Betrieb integrieren kann, ist der Nutzen beidseitig.


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Auch wenn wir einen großen Hang zu Statistiken haben, sollten wir immer bedenken, dass hinter diesem nüchternen Zahlenmaterial Menschen und Schicksale stehen und dass schon ein arbeitsloser Jugendlicher, der auf der Straße steht und keine Zukunftsperspektive hat, einer zu viel ist.

Als einer, der schon einige Lehrlinge ausgebildet hat, weiß ich, dass es eines großen und beiderseitigen Vertrauens bedarf, wenn Eltern ihren Sohn oder ihre Tochter einem Lehrherrn oder einer Lehrfrau anvertrauen. Schaffen wir dieses gegenseitige Vertrauen auch mit allen Gremien, die mit Lehrlingsausbildung und mit der Ausbildung junger Menschen generell zu tun haben! Es ist ein wichtiges Thema, und ich bitte alle darum, dass wir das so machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Günther Kaltenbacher das Wort. – Bitte.

13.20

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die berufliche Zukunft der Jugend zu sichern ist, so glaube ich, oberstes Gebot und gleichzeitig, wie mein Vorredner bereits gesagt hat, eine Investition in den Wirtschaftsstandort Österreich.

Die Basisausbildung oder berufliche Erstausbildung spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, und der Wunsch der Jugendlichen, in diesen Bereich einzusteigen, ist stärker im Steigen begriffen. Erwerbsarbeit hat fast für alle Jugendlichen eine sehr große Bedeutung. Sie erwarten sich dadurch finanzielle Unabhängigkeit. Die Arbeit soll Spaß machen, das Selbstbewusstsein stärken und dem Leben einen Sinn geben. Das gilt sowohl für Burschen als auch für Mädchen.

Die Arbeitsmarkt- und Lehrstellensituation wird teilweise von den Jugendlichen als sehr prekär erlebt. Eine Studie vom Institut für Höhere Studien belegt, dass Jugendliche vor allem aus ländlichen Regionen sehr pessimistisch sind, was die Lehrlingsausbildung betrifft.

Obwohl die Konjunktur nachlässt, die Arbeitslosenzahlen wieder im Steigen begriffen sind, haben wir in der Steiermark ein teilweise schizophrenes Bild am Arbeitsmarkt. Ich möchte anhand von statistischen Zahlen belegen, welche Problematik dahinter steckt, und hier wiederum primär bei Mädchen.

In der Steiermark gab es im Jahr 2000 3 925 Mädchen, die eine Lehrstelle suchten. Lediglich 2 064 Mädchen konnten eine Lehrstelle bekommen – obwohl in der Steiermark ein extremer Facharbeitermangel herrscht! Gender-Mainstreaming lautet die Devise. Das heißt, nicht nach dem Geschlecht zu fragen, sondern nach den Ausgangs- und Zugangsqualifikationen. Es gibt viele Bereiche, in denen Mädchen Gleiches leisten können wie Burschen. Dass das nicht in allen Bereichen möglich ist, ist uns völlig klar.

Hingegen schaut die Situation bei den Burschen wesentlich anders aus. Sie haben eine viel größere Anzahl an Möglichkeiten, die sie wahrnehmen können.

Jene Jugendlichen – hier wieder überwiegend Mädchen –, die keine Lehrstelle finden, gehen in weiterführende Schulen, obwohl sie teilweise weder den Wunsch noch die Zugangsvoraussetzungen haben. Die Konsequenz ist, dass das Niveau in den weiterführenden Schulen sinkt und das Problem auf Jahre verschleppt wird.

Mit dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz habe ich als jener, der in der Arbeitsmarktpolitik tätig ist, schon immer, seit 1999, meine Freude gehabt, weil es ein Auffangbecken für Jugendliche darstellt. Leider, so muss ich sagen, werden Stiftungen nicht berücksichtigt. Die Evaluierung durch das Wirtschaftsministerium hat ergeben, dass diese nicht effizient und effektiv sind. – Warum? – Gerade im Bereich der Stiftungen hat man auf die neuen Lehrberufe gesetzt – EDV-, Kommunikationstechniker und so weiter und so fort –, aber diese wurden von der


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Wirtschaft, vor allem bei uns in der Obersteiermark, nicht angenommen. Daher kann die Evaluierung auch nicht positiv ausfallen, ohne Kritik an diesen Lehrberufen auszusprechen.

Bedenklich war für mich die Entwicklung vor allem in der Obersteiermark in den neunziger Jahren. Wir hatten einige Lehrwerkstätten, in denen qualifizierte Ausbildung sowohl für Burschen als auch für Mädchen betrieben worden ist. Aus Kostengründen, so wurde immer wieder argumentiert, wurden sie nach und nach geschlossen, bis 1999 auch die Schließung der letzten Lehrwerkstätte sanktioniert wurde, nämlich von Minister Farnleitner und dem steirischen Wirtschaftskammerpräsidenten Peter Mühlbacher, den ich persönlich sehr gut kenne, weil wir aus dem gleichen Bezirk kommen und viele Diskussionen gemeinsam geführt haben. Und jetzt sagt er: Wir können uns unseren Wohlstand nur erhalten, wenn wir alles tun, um die Qualifizierung der Jugendlichen und Kinder zu verbessern.

Er hat Recht, aber die Kostenargumentation, dass die Ausbildung in Lehrwerkstätten zu teuer ist, war unrichtig! Die Ausbildung in Lehrwerkstätten hat für drei Jahre pro Lehrling 8 000 S gekostet. Rechnet man das jetzt über das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das für die Steiermark zirka 20 Millionen Schilling bedeutet, plus 10 Millionen Schilling – Gott sei Dank haben wir uns da mit Landesrat Paierl einigen können –, dann sind das 30 Millionen, für 300 Ausbildungsplätze 10 000 S. Das heißt, die Kosten sind ziemlich gleich. Wir haben jetzt keine Lehrwerkstätten mehr, aber der Bedarf an qualifizierten FacharbeiterInnen ist nach wie vor vorhanden.

Ein weiteres Beispiel: In Fohnsdorf, Bezirk Judenburg, wurde kürzlich ein Einkaufszentrum eröffnet – Gott sei Dank, sage ich, arbeitsmarktpolitisch gesehen. 50 Betriebe bieten 120 Frauen Arbeitsplätze. Was mich traurig stimmt, ist, dass kein einziger dieser Betriebe einen Lehrling aufnimmt. Das stimmt mich bedenklich. Und hier hätten gerade wieder Mädchen ... (Bundesrat Steinbichler: Du musst auch hinterfragen, warum!)

Wie gesagt: Bedenklich ist es, dass diese Betriebe keine Lehrlinge aufnehmen, aber auf der anderen Seite qualifiziertes Personal vom AMS fordern. Ich frage mich, wie das gehen soll.

Mein Vorredner hat bereits angesprochen – auch ich bin dankbar und froh darüber –, dass die Landesprojektgruppe nicht mehr einschreitet und die im JASG vorgesehenen Maßnahmen vom Land und AMS durchgeführt werden. Warum? – Erstens: Die Landesprojektgruppe war zu bürokratisch und ging auf den regionalen Bedarf nicht ein. Das Land Steiermark wie die vier anderen Bundesländer, die mit Mitteln aus dem JASG betraut werden, und die regionalen Geschäftsstellen des AMS werden auf den jeweiligen Bedarf der Betriebe in der Region eingehen und die entsprechenden Maßnahmen setzen, werden jene Berufe fördern, in denen Kräfte tatsächlich gebraucht werden und für die auch entsprechend viele Jugendliche vorhanden sind.

Ich glaube, mit diesem Gesetz wurde ein weiterer Schritt gesetzt, um Jugendarbeitslosigkeit zu verhindern, wobei gesamt gesehen die Palette der Maßnahmen um Stiftungen hätte ergänzt werden müssen. Die 100 Millionen Schilling klingen momentan viel, sind aber trotzdem zu wenig. – Wir werden diesem Gesetz gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.29

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger das Wort. – Bitte.

13.29

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir sprechen jetzt über ein Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und haben vorher gerade über ein Gesetz, das die Kinderarbeit betrifft, abgestimmt. Man sieht hier die Korrelanz von arbeiten, arbeiten können bis zu arbeiten müssen in Abhängigkeit des Lebensalters. Der Jugendliche, von dem wir hier sprechen, der eine Lehrstelle sucht, aber keine findet, befindet sich gerade dazwischen. Er ist in einem Alter, in dem man noch nicht arbeiten soll und, wie wir meinen, auch nicht arbeiten darf, weil dieses Alter allein der Ausbildung vorbehalten ist. Wir sprechen hier von einem Ju


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gendlichen, der langsam beginnen sollte, sich in einen Arbeitsprozess zu integrieren. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

So weit die Theorie – aber da liegt auch die Crux begraben. Denn um sich in einen Arbeitsprozess einzufügen, braucht man auch eine Lehrstelle, eine Arbeitsstelle, wo man das erlernen und auch Praxis erwerben kann.

Es sind bei diesem Gesetz, über das wir hier sprechen und bald abstimmen werden, 100 Millionen Schilling vorgesehen. Ich weiß, dass das vielen zu wenig ist und man weitere 400 Millionen gefordert hat. Dabei liegen die Zahlen darüber noch gar nicht vor, in welchem Umfang sich die Bundesländer, die dieses Projekt mitfinanzieren sollen, bereit erklärt haben, zu zahlen.

Aber fehlende Lehrstellen, meine Damen und Herren, sind keineswegs eine neue Erscheinung in dieser recht gut funktionierenden Koalitionsregierung, sondern sind sozusagen – und ich muss sagen, leider! – ein Dauerbrenner der österreichischen Wirtschaft. Die Forderung nach mehr Lehrstellen, Ausbildungsstellen ist genauso alt wie die Forderung nach weiteren Millionen, um diese Misere zu beheben – diese Misere, die eigentlich nur auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen wird.

Ich glaube, in diesen ambivalenten Forderungen steckt sehr viel an gesellschaftspolitischen Utopien marxistischer Provenienz. Den Jugendlichen ist zwar vielleicht direkt geholfen, wenn wir die Mittel höher dotieren, wenn wir mehr ausgeben, um Lehrstellen zu schaffen, aber auf lange Sicht verlängern wir gerade mit einer höheren Dotierung nur das Problem, weil es eben nicht an der Wurzel, nicht radikal genug angegangen wird. Das hat man noch nicht gemacht, aber genau das würde auf die Dauer wesentlich mehr zur Beseitigung der Lehrstellendefizite beitragen als die ewige Forderung nach mehr Geld.

Zu viele Verordnungen und Gesetze regeln derzeit die Ausbildung. Derjenige, der wirklich vor Ort ausbildet, der Meister oder der Geselle, ist durch die Verordnungen eigentlich zu einem Demonstrator von Arbeit geworden. Das heißt, er zeigt dem Auszubildenden, er zeigt dem Lehrling, wie man arbeiten soll, ohne dass er in die Verlegenheit kommt, dass der Lehrling auch wirklich mit arbeiten soll. Ihn nämlich wirklich mitarbeiten zu lassen, ist das, was ich eigentlich unter einer dualen Ausbildung verstehe. Wenn das nicht geschieht, dann verdient es auch nicht die Bezeichnung "duale Ausbildung".

Im Englischen gibt es den Ausdruck "Learning by Doing". Ich weiß, dass damit im Angelsächsischen sicher nicht die Lehrlingsausbildung gemeint ist, sondern etwas völlig anderes, aber es trifft hier inhaltlich zu, denn es geht um das Lernen durch die Tätigkeit selbst. Dass die angelsächsischen Länder dieses duale Ausbildungssystem, wie wir es hier in Österreich haben, gar nicht kennen, ist ein Schaden für diese Länder, nicht für uns, denn unser duales Ausbildungssystem ist, wenn es wahrgenommen werden kann, ausgezeichnet und sehr gut.

Wenn der Ausbildner die Arbeit aber nur mehr vorzeigen darf, und der Lehrling bei der tatsächlichen Arbeit im Unternehmen nicht mehr Hand anlegen darf, dann ist die Motivation dafür, Lehrlinge einzustellen, auch nicht mehr sehr groß, und zwar deshalb nicht – ich weiß das aus eigener Praxis, aus meiner Tätigkeit in einer sehr großen Firma –, weil man sehr viel "manpower", also Ausbildner zur Verfügung stellen muss, um die Auszubildenden wirklich an die Arbeit heranzuführen. Und das können sich viele Gewerbebetriebe – ich glaube, österreichweit sind das in der Mehrzahl Klein- und Mittelbetriebe – einfach nicht mehr leisten.

Ich weiß, dass es früher in diesem Bereich viele Missstände gegeben hat. Aber Gott sei Dank ist die Zeit vorbei, in der es üblich war, dass der Lehrling im ersten Ausbildungsjahr zur Reinigung von Werkstatt und Maschinen benützt wurde und nebenbei zum Bierholen für die Gesellen und für den Meister. Das ist keine duale Ausbildung, aber das ist vorbei. Duale Ausbildung heißt: Mitarbeit an der konkreten Arbeit, und nicht Anfertigung von Lehrstücken, denn das wäre Schulausbildung pur.


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Viele Unternehmer stellen dann lieber gleich Fachschüler ein, wenn es solche in der entsprechenden Branche überhaupt gibt. Es gibt keine Fachschulen, die alle Branchen abdecken. Aber auch dann ist keine duale Ausbildung gegeben, und das Ausbildungsziel, das wir unseren Lehrlingen bieten wollen, ist dadurch keineswegs erreichbar. Was nämlich viele Lehrherren bewegt, doch Lehrlinge einzustellen, ist das Erlernen des typischen Firmen-Know-hows, sei es in einem größeren Konzern oder auch in einer kleinen Firma, weil man eben nur so den Lehrling als zukünftigen Gesellen oder Nachfolger in einem Gewerbebetrieb oder in welchem Betrieb auch immer vermitteln kann.

Es gibt auch viele Berufsgruppen, für die es offene Lehrstellen gibt, zum Beispiel für den Beruf des Friseurs. Man hat sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie man das eigentlich regeln will. Mit Geld kann man das sicher nicht regeln. Das Problem ist, dass beim Friseurberuf Samstagarbeit gefordert wird und viele Lehrlinge mit dem freien Montag nicht viel anfangen können.

Einerseits gibt es für viele Berufsgruppen gute Gründe, warum keine Lehrstellen zur Verfügung gestellt werden, und auf der anderen Seite: Wenn Lehrstellen zur Verfügung gestellt werden, dann werden diese oft nicht angenommen.

Die wirkliche Lösung muss, wie ich meine, eine Änderung sein. Wir müssen diesbezüglich umdenken. Nicht die Dotierung mit mehr Geld wird das Problem lösen, sondern wir müssen es von der Sache her lösen. Bis dahin ist noch ein sehr weiter Weg, aber der von der Regierung vorgeschlagene Gesetzentwurf ist eine effiziente Hilfe für die Betroffenen. – Meine Fraktion wird die Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.37

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. Ich erteile es ihm.

13.37

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zum vorhin beschlossenen Gesetz.

Wir müssen uns glücklich schätzen, wenn unsere Hauptprobleme bei der Thematik Verbot von Kinderarbeit jene sind, die Kollege Schennach erwähnt hat, nämlich dass wir uns mit der Produktion von Schokolade beschäftigen. Frau Staatssekretärin! Ich bin der Reisewirtschaft wirklich dankbar, wenn von ihr jetzt endlich den Auswüchsen der heutigen Wohlstandsgesellschaft Einhalt geboten wird. Ich spreche davon, dass sich diverse Herren mit Kindern in asiatischen Ländern vergnügen und das dann noch am Stammtisch erzählen! Das ist wirklich verabscheuungswürdig!

Ich füge noch einen Punkt hinzu. Es ist ein erster Ansatz, wenn die Reisewirtschaft, die Reisebüros, ermitteln und erheben. Ich denke aber, es gibt da einen sehr großen Graubereich. Alle äußern sich vehement gegen die Ostöffnung. Wir wissen, was an jedem Wochenende an den Grenzübergängen Klingenbach, Nickelsdorf und so weiter los ist. Ich weiß nicht, warum wir diese Staus haben. Anscheinend gibt es sehr viele Menschen, die innerlich die Ostöffnung bereits leben.

Aber die Berichte, die ich aus Ungarn erhalten habe, all das, was in diesem Bereich läuft – ich erinnere an die dortigen Probleme der Arbeitslosigkeit, die Familie hat kein Geld et cetera –, was dort mit den Jugendlichen passiert und wie gerne diese Angebote von manchen Touristen aus den westlichen Ländern angenommen werden, das ist beschämend! Ich möchte nicht als Vertreter eines westlichen Landes dort stehen, der für die Osterweiterung eintritt, für die Osterweiterung verhandelt, wenn dann gefragt wird: Was seid ihr für Partner?!

Ich finde, auch aus diesem Blickwinkel sollte man diese Thematik einmal sehen, und wir hätten viel tiefer gehende Problematiken zu diskutieren, als jenen Umstand, wie glücklich wir sind, wenn wir bei der Produktion von Schokolade angelangt sind.


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Zurück zum Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz: Mit den zusätzlich zur Verfügung stehenden 100 Millionen Schilling wird es gelingen, den herkömmlichen, den klassischen Bereich der Ausbildung verstärkt in Richtung neue Technologien zu unterstützen.

Kollege Kaltenbacher hat gefragt, warum man eigentlich die Stiftungen abgeschafft hat und jetzt verstärkt in Richtung Lehrgänge arbeitet. Ich denke, das hat den Hintergrund, dass bei den Gewerbetreibenden, bei den Industriebetrieben Leute, die aus Lehrgängen kommen, einfach den besseren "Touch" haben oder eine bessere Vorausbewertung erfahren, als wenn sie aus so genannten Stiftungen kommen. Dies mag ein Ansatz, eine Erklärung dafür sein. – Ich hoffe, dass sich das positiv auswirkt.

Kolleginnen und Kollegen! Wir alle kennen den Spruch, das Schlagwort der letzten Jahre: "Karriere mit Lehre". Wir müssen uns die Rahmenbedingungen dafür genau anschauen. Kollege Lindinger hat bereits einiges angesprochen, und ich möchte es ergänzen.

Sehen wir uns einmal den Kostenvergleich an! Vergleichen wir doch die Kosten eines Studienplatzes und die Kosten eines Lehrlings, der in die Lehre geht und die Berufsschule absolviert! Wie viel an Mitteln fließt da von der öffentlichen Hand in die Ausbildungssysteme?

Ich habe es satt, ich habe diese billige, oberflächliche Diskussion über die Studiengebühren schlichtweg satt, weil niemand dazu sagt, dass all jene, die stipendienbezugsberechtigt sind, diese Gebühren ohnehin rückerstattet bekommen, und weil wir uns zum Bereich Lehrlingsausbildung überhaupt nicht äußern und überhaupt nicht Stellung dazu beziehen.

Wie viel an Mitteln würden wir in diesem Bereich brauchen? – Frau Kollegin Kainz! Wie glaubwürdig ist die sozialistische Partei, die sich angeblich so sehr um den ländlichen Raum sorgt? Uns werden etwa beim Finanzausgleich die Mittel genommen, um im Bereich der Lehrlingsausbildung und der Stärkung der Infrastruktur im ländlichen Raum gezielt Maßnahmen setzen zu können.

Ich bitte um jede Unterstützung! Ich möchte wirklich, dass wir alle, alle Fraktionen, die Regierungsparteien und die Opposition gemeinsam, an diesem Problem arbeiten und gemeinsam Erfolge im Sinn einer funktionierenden Wirtschaft, im Sinne eines funktionierenden Arbeitsmarktes und im Sinne von zufriedenen Lehrlingen und Lehrherren erzielen! Ich glaube, das ist ganz wesentlich.

Schauen wir uns doch den gesetzlichen Rahmen an! Herr Kollege Lindinger! Ich bin dir dankbar dafür, dass du angesprochen hast, warum viele Betriebe nicht mehr bereit sind, Lehrlinge einzustellen, warum sie lieber gleich einen Facharbeiter wollen. Auch Herr Kollege Kaltenbacher hat es angesprochen.

Schauen wir uns doch die gesetzlichen Bestimmungen an! Wie geht es zum Beispiel einem Tischler mit einem Lehrling – der übrigens locker bis 5 Uhr früh in der Disco sein darf; da gilt kein Jugendschutzgesetz; wir lockern ja die Rahmenbedingungen ständig; unsere Prinzessinnen und Prinzen dürfen ja alles!  –, der um 7 Uhr früh zur Arbeit kommt und um 7.05 Uhr einen Arbeitsunfall hat? Vom Gesetz her wird dieser Tischler fast als Krimineller abgestempelt, weil – trotz "Learning by Doing" – der Lehrling im Betrieb ja fast nichts mehr tun darf! Er darf nicht an der Kreissäge arbeiten. Wofür braucht man ihn dann? Damit er die Bretter trägt? Und was ist mit dem Dachdecker- oder dem Spenglerlehrling, der bis 18 Jahren nicht auf das Dach steigen darf, mit keiner "Flex" arbeiten darf? Wann soll er denn ein Spengler werden?

Herr Kollege! Ich bringe noch einen Zusatz an. (Bundesrätin Kainz: Sie wissen schon, dass Sie vom Kirchendach herunter reden ...! – Weitere Zwischenrufe.)  – Frau Kollegin! Ich bin gerne zu einer Berufsdiskussion bereit, und ich glaube, dass ich zum "Runden Tisch" in Vöcklabruck, mit den Kollegen vom AMS, mit den Kollegen von der Gewerkschaft und mit unserem Vertreter von der Wirtschaftskammer beste Kontakte habe. Wir diskutieren die Thematik sehr ernst, weil gerade der Bezirk Vöcklabruck mit den Arbeitsmarktdaten im Augenblick nicht so gut dasteht, wie wir es gewohnt sind. Wir gehen der Sache auf den Grund, wir diskutieren nicht oberflächlich!


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Ich sage dazu: Die Rahmenbedingungen müssen passen. Herr Kollege! Wir können zum Beispiel über Kinderarbeit reden, aber ein großes Problem und eine große Klage der Gewerbetreibenden ist, dass die Jungen heute handwerklich überhaupt nichts mehr können, weil sie zum Beispiel bis 16 Jahren keine Schraube in der Hand gehabt haben, weil sie zu Hause kein einziges Mal mitarbeiten konnten, keine praktische Erfahrung gemacht haben, sodass man bei ihnen praktisch bei der Stunde null anfangen muss, also bei all den Dingen, die früher eine Selbstverständlichkeit waren. (Beifall des Bundesrates Ing. Klamt. ) Und wie heißt der Spruch? – "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!"

Wie hält man es in der Landwirtschaft? – Die besten Traktorfahrer sind die Buben, die mit zehn Jahren schon gefahren sind, und nicht erst, wenn sie ins Führerscheinalter gekommen sind. Aber gnade Gott jenem Bauern, in dessen Familie etwas dabei passiert, denn das Gesetz bringt ihn um sein Haus.

Da müssen wir halt die Kirche im Dorf lassen, Frau Kollegin Kainz! Wir dürfen uns nicht überregulieren und nur Paragraphen und immer neue Paragraphen schaffen! Da helfen uns nämlich auch die zusätzlichen finanziellen Mittel nichts, wenn die praktischen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. Aber Sie sind eh zu Wort gemeldet, Sie werden mich sicherlich berichtigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte das für diesen Bereich so stehen lassen. Ich mache mir allerdings Sorgen, weil, wie gesagt, die finanziellen Mittel im ländlichen Raum, im Gewerbebereich wesentlich besser sein könnten, wenn wir dort zu einer faireren Aufteilung bereit wären.

Ich mache auch auf folgende Entwicklung aufmerksam, die mir große Sorge bereitet: Die sinkenden Schülerzahlen bewirken in Zukunft natürlich auch sinkende Lehrlingszahlen. Wir haben das Problem, dass wir in manchen Gewerbebereichen die nötigen Facharbeiter nicht mehr ausbilden können, weil das Potenzial, sprich die erforderliche Schülerzahl gar nicht mehr vorhanden ist.

Die kommenden Geburtenjahrgänge sind schwach. Was wird die nächste Folge sein? – Vielleicht ist es in Linz ganz anders als in Vöcklabruck, aber wir müssen leider verstärkt feststellen: Im praktischen Bereich kommen immer mehr Ausländer zum Zug, weil sie noch einigermaßen handwerkliches Geschick haben, und für manche spartenspezifische Berufsgruppen stehen fast nur mehr Ausländer zur Verfügung. Wir geben dieses Feld sozusagen völlig frei und werden später vielleicht einmal über den großen Anteil an Ausländern jammern, denn wir werden den Einfluss und letztlich auch das Können verloren haben.

Ich glaube, das muss uns zu einer gewissen Bereitschaft führen, über diese Dinge nachzudenken, und wenn wir solche Thematiken diskutieren, dann muss das gesagt werden dürfen. Daher bitte ich alle Parteien, gemeinsam alles zu unternehmen, um in dieser Thematik glaubwürdig und zielstrebig für alle Beteiligten – schon ein einziger Lehrling, der arbeitslos ist, ist zu viel! – jene Rahmenbedingungen zu schaffen, durch die diese Situation in Zukunft kontinuierlich verbessert wird.

Ich meine, wir sollten die Situation positiv angehen, denn die Aussichten sind grandios. Wir haben eine gute Wirtschaftslage, wir haben gute Schüler und Lehrlinge, die zur Ausbildung bereit sind, sodass wir entsprechende Rahmenbedingungen schaffen können. Wir werden der vorliegenden Novelle, dem vorliegenden Gesetz unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.45

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

13.46

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Beim Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz


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ist mir völlig klar, warum es im Nationalrat Einstimmigkeit gab, und auch hier im Bundesrat wird es Einstimmigkeit dazu geben. Trotzdem gibt es zu diesem Gesetz verschiedene Zugänge. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Steinbichler habe ich ihn in erster Linie so verstanden, dass es ihm um die Inhalte der Ausbildung, über das Ausbildungsniveau und über die rechtliche Situation des Lehrherren im Umgang mit den Lehrlingen geht.

Ich sehe die Situation etwas anders, und zwar etwas dramatischer. Wenn man in letzter Zeit die Meldungen bezüglich einer abflachenden Konjunktur und einer Zunahme der Arbeitslosenzahlen gehört hat, dann weiß man, wir sind da in einem Bereich, in dem in erster Linie Jugendliche betroffen sind.

Ich bin vertrete hier die Auffassung – ich sage das ganz deutlich –, dass von der Bundesregierung, und in diesem Fall von Herrn Minister Bartenstein – liebe gnädige Frau, Sie können nichts dafür, dass Sie für ihn heute da sitzen –, der Ernst der Situation nicht erkannt wird und dass die Situation auf dem Lehrlingssektor heruntergespielt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Kainz: So ist es!)

Minister Bartenstein hat dann in Interviews Zeitungen gegenüber auch noch zugegeben, dass es ein Mehr an Lehrstellensuchenden gibt, dass man dem zwar entgegenwirken wird, aber die erwähnten 100 Millionen Schilling werden wahrscheinlich zu wenig sein. Dabei sind wir uns, so glaube ich, einig, dass die 100 Millionen sehr viel Geld sind, aber ich betone, das Problem wird wahrscheinlich in der nächsten Zeit – oder ich glaube, wir sind schon mitten drinnen – verstärkt auf uns zukommen.

Sie alle wissen, dass die neuesten Wirtschaftdaten Anlass zur Sorge geben, und Sie wissen, dass sich Arbeitslosigkeit in erster Linie bei den Jugendlichen auswirkt. Wenn man jetzt in einer gewissen Euphorie das Nulldefizit feiert – es ist ein Ziel, das man erreicht hat –, dann weiß ich nicht, ob es nicht besser wäre oder ob die Mittel nicht besser angelegt wären, wenn man sie in die Jugend investierte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Herr Kollege Steinbichler! (Bundesrat Steinbichler: Sie haben ja die Schulden gemacht in den letzten 30 Jahren! Das haben Sie zu verantworten, Herr Kollege!)

Herr Kollege! Sie waren 13 Jahre lang mit in der Regierung, und Sie tun heute noch immer so, als ob Sie nicht dabei gewesen wären, Sie betreiben noch immer Kindesweglegung! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.) Herr Kollege! Ich würde, wenn ich 13 Jahre lang diese Politik mitgemacht hätte, nicht so tun, als hätte ich meine Hände in Unschuld gewaschen. Das war auch Ihre Politik, und die haben Sie mitgetragen, und Sie haben sie auch mit zu verantworten, Herr Kollege – damit hier einmal Klartext geredet wird. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass es laut Statistiken in etwa 3 000 Lehrstellensuchende österreichweit geben wird, die unter Umständen auf der Straße stehen werden. Dazu soll es nicht kommen! Ich glaube, darüber sind wir uns doch einig.

Sie wissen auch, dass Jugendliche ein Recht auf einen Lehrplatz, auf eine Ausbildungsstätte haben und dass dieses Recht auch von dieser Regierung und von diesem Parlament ernst genommen werden muss. Seit Wochen wissen wir, dass sich die Konjunktur etwas abschwächt und dass die Jugend besonders damit konfrontiert ist. Es wird – und damit verrate ich kein Geheimnis – zu einer Lehrstellenknappheit kommen.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haigermoser hat am 23. Oktober im Nationalrat behauptet – ich zitiere –: "In Salzburg gibt es zum Beispiel ganz andere Verhältnisse: Da sucht man Lehrlinge wie einen Bissen Brot."

Frau Staatssekretärin! Wie erklären Sie sich dann die Überschrift in den "Salzburger Nachrichten" vom 2. November – diese Zahl ist sechs Tage alt –: "2 000 Jugendliche suchen in Salzburg einen Job!"? – Wenn ich mir die Situation dann noch genauer anschaue, Frau Staatssekretärin, ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Es kommt vielleicht auf die Qualifikationen an!)


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Herr Kollege! Nur zur Information: In Salzburg war die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen im Oktober 2001 um 14,2 Prozent höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Besonders betroffen sind Pflichtschulabgänger mit plus 45 Prozent, HTL-Abgänger mit plus 40 Prozent, Universitätsabgänger mit plus 29,6 Prozent und Lehrstellensuchende mit plus 25 Prozent. Bei den Abgängern von berufsbildenden und mittleren kaufmännischen Schulen beträgt die Steigerung 17 Prozent.

Das sind die jüngsten Zahlen, aber am 23. Oktober hat Herr Kollege Haigermoser behauptet, in Salzburg suche man Lehrlinge. Mittlerweile schreiben die "Salzburger Nachrichten" am 2. November: 2 000 suchen einen Job. Diese Zahlen sind die letzten Zahlen aus Salzburg, mit Zuwächsen von 40, 45, 25 Prozent in diesem Bereich. Wenn da bei den Verantwortlichen nicht die Alarmglocken läuten, dann weiß ich nicht, was noch passieren muss, bis sie es tun. (Bundesrat Bieringer: Wenn ich das zusammenzähle, dann komme ich auf 150 Prozent!)

Ich kann nur aus den Aussendungen zitieren, und ich stelle dir die Unterlagen aus den "Salzburger Nachrichten", die, wie ich meine, eine Zeitung ist, die Akzeptanz hat, gerne zur Verfügung, lieber Ludwig!

Meine Damen und Herren! Da also Salzburg, was den Arbeitsmarkt anlangt, auch keine Insel der Seligen ist, obwohl man versucht hat, es am 23. Oktober so darzustellen, möchte ich betonen, dass wir Salzburger aber sicher auch nicht schlechter sind als alle anderen Bundesländer. Ich gehe davon aus, dass es österreichweit einen diesbezüglichen Handlungsbedarf gibt, und dafür ist meiner Meinung nach der zuständige Bundesminister gefordert und letzten Endes auch verantwortlich.

Man weiß seit Februar 2001 von der Arbeiterkammer, von den verschiedenen Institutionen, dass diese Situation eintreten wird, aber man hat leider in den folgenden Monaten nichts getan. Die Reaktion mit den 100 Millionen Schilling kommt sehr spät. Ich bin der Meinung, dass diese 100 Millionen Schilling um einiges zu wenig sind. Man sollte für unsere Jugend mehr Bundesmittel einsetzen.

Sie wissen auch ganz genau – heute war die Frau Bildungsministerin hier –, dass die Bundesmittel für die Bildung an den höheren Schulen und für das duale Ausbildungssystem auf dem Stand von 1999 eingefroren wurden und dass es bei den Fachhochschulen und bei den Fachschulen zu massiven Problemen kommt, weil Tausende Interessierte an diesen Schulen abgewiesen werden müssen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Mir kannst du das nicht vorwerfen, und auch der arme blaue Finanzminister kann nichts dafür, dass ihm die Roten ein Milliardenloch hinterlassen haben, oder dass er Vorschriften aus Brüssel hat, die ihm überhaupt keinen Spielraum lassen!)

Herr Kollege Aspöck! Der Spielraum für Abfertigungen von unerwünschten Managern zum Beispiel der ÖIAG oder anderer staatlicher Institutionen macht mittlerweile schon 200 Millionen Schilling aus, und 50 Millionen Schilling hat zum Beispiel die Eigenwerbung der Ressorts gekostet. Dafür sind Mittel vorhanden, Herr Kollege, auch bei einem sehr sparsamen Finanzminister!

Mit dieser Masche, Herr Kollege Aspöck, brauchst du mir nicht zu kommen! Wenn ich mir die Ausgaben dieser Bundesregierung anschaue, dann stelle ich fest, für bestimmte Dinge – etwa, wenn man gute Manager aus der Wirtschaft loswerden will, weil sie nicht ins "Farbenspiel" passen – ist Geld vorhanden, da hat man bis zu 200 Millionen an Abfertigungen über. Herr Kollege Aspöck! Da brauchen wir den "armen" Finanzminister nicht zu strapazieren. (Bundesrat Weilharter: Wer waren denn die Architekten dieser Verträge?!)

Ich muss Ihnen sagen, ich wäre froh, wir hätten die 200 Millionen Schilling noch, die anscheinend ausgegeben wurden, um unliebsame Manager mit einer hohen Abfertigung nach Hause schicken zu können, und auch noch jene 50 Millionen Schilling, die für die Werbung für die Regierung ausgegeben wurden. Diese 250 Millionen Schilling plus die 100 vorhandenen Millionen, das wären 350 Millionen Schilling. Diese wären im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit


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sehr gut angelegt. (Beifall bei der SPÖ.) Ich kann nur in diese Richtung appellieren. (Bundesrat Weilharter: Wer hat diese Verträge für die Manager gemacht?!)

Ja, aber da waren Sie mitbeteiligt, Herr Kollege! Sie machen den gleichen Fehler wie Herr Kollege Maier. Ich habe noch nie so viele Kindesweglegungen erlebt, seit ich hier bin, und das sind jetzt knapp acht Monate! Ich habe gar nicht geglaubt, dass es so viele Kindesweglegungen überhaupt geben kann! So ist es. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Ich glaube, unsere Jugendlichen sollten es uns wert sein, dass wir politisch Verantwortlichen – und damit meine ich alle politisch Verantwortlichen – Sorge dafür tragen und uns darum bemühen, dass diese Jugendlichen nicht auf der Straße stehen, dass sie einen Ausbildungsplatz bekommen, ganz gleich, wo. Ich meine, dass das sehr gut investiertes Geld ist. Das ist kein Geld, das man beim Fenster hinauswirft, wie zum Beispiel unter Umständen bei der Arbeitslosenversicherung, wofür es keine Gegenleistung gibt, sondern das sind gut investierte Gelder.

Ich glaube, diesen Weg sollte man beschreiten, und darüber wird es, wie ich meine, in diesem Gremium keine Unstimmigkeit geben. – In diesem Sinne: Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile ihr dieses.

13.57

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Vieles von dem, was hier gesagt wurde, ist einerseits richtig, andererseits scheint dies oft nur so zu sein. Dieses Thema gibt sachlich eine ganz Menge her, aber natürlich rührt es auch Emotionen auf.

Da wir beim vorherigen Tagesordnungspunkt das Verbot der Kinderarbeit und all deren grauslichen Aspekte diskutiert haben, möchte ich eine Aussage von Julius Tandler als Übergang zur jetzigen Thematik benützen. Er hat nämlich sinngemäß einmal gesagt: Wer Kindern Paläste baut, reißt Gefängnismauern ein.

Ich möchte damit ausdrücken, dass alles, was wir in unsere Jugend investieren, Investitionen in unsere Zukunft sind, und zwar auch in unsere wirtschaftliche Zukunft.

Meine Damen und Herren! Damit bin ich bei denjenigen von Ihnen, die die Wirtschaft vertreten. Wir haben als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter immer heftigste Kritik an dem Umstand geübt, dass nach unserer Einschätzung, trotz gelockerter Schutzbestimmungen – vieles von dem, was gesagt wird, stimmt in der Zwischenzeit gar nicht mehr –, ... (Bundesrat Steinbichler: Frau Kollegin, gehen Sie einmal einen Tag lang mit einem Arbeitsinspektor mit! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Auf Ihr Betreiben! Wir waren nicht damit einverstanden, Schutzbestimmungen zu lockern.

Meine Damen und Herren! Wir haben Sie kritisiert. Wir haben die Oberösterreichische Wirtschaftskammer massiv angegriffen, deren Präsident Kaun übrigens selbst behauptet hat, dass sich ein Lehrling bereits im zweiten Lehrjahr als kostenneutral erweist und man im dritten Lehrjahr bereits ins Verdienen kommt. Das sei nur als Bemerkung am Rande gesagt.

Das, was mich so wundert, ist, dass Sie nicht aufheulen. Wenn Sie nämlich behaupten, dass Sie die Verantwortung für die Ausbildung nicht übernehmen können, weil das Ihre Wirtschaftskraft überfordert, dann frage ich Sie, warum Sie uns nicht wenigstens bei dem unterstützen, was wir auch bei einer Vorgänger-Regierung gemacht haben, die noch ganz anders zusammengesetzt war. Wir haben als Gewerkschafter auch diese Regierung aufgefordert, ihre Verant


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wortung zu tragen und staatliche Lenkungsmaßnahmen einzuleiten. Warum unterstützen Sie uns nicht in dieser Vorgangsweise? (Bundesrat Ager: "Euroteam"!)

Es tut mir sehr Leid, wenn Herr Kollege Ager hier zwar Argumente liefert und Behauptungen aufstellt, bei denen ich ihm vollen Herzens folgen kann, aber offensichtlich die notwendigen Zusammenhänge zur vorliegenden Novelle übersehen hat. Denn all das, Herr Kollege Ager, womit Sie mir wirklich aus der Seele sprechen, wird mit dieser Novelle nicht erfüllt!

Ich bin fair genug, die Kritik in diesem Zusammenhang auch an meine eigene Fraktion zu richten: Ich bin, was die Situation des AMS betrifft, nicht einverstanden mit dem, was Kollege Kaltenbacher sagt. Da bin ich auf Ihrer Seite.

Wir wünschen uns die Einbindung der Sozialpartner, die in Oberösterreich in diesen Landesprojektgruppen die Plattform bilden, auf der politische Differenzen rechtzeitig ausgeräumt werden können, sodass dann geeint an die Bundesregierung herangetreten werden kann, damit diese ihre Verantwortung wahrnehme und die nötigen Mittel zur Verfügung stelle, damit Jugendliche einen geordneten Berufseinstieg finden. Wie aus den jüngsten Berichten in den Medien hervorgeht, sind es vor allem junge Männer ohne Lehrabschluss, die jetzt von der steigenden Arbeitslosigkeit betroffen sein werden. Das untermauert doch unsere Argumente! Ich habe Probleme damit – um nicht zu sagen, großes Unverständnis dafür –, dass wir uns – mit "uns" meine ich den Staat Österreich, vertreten durch diese Regierung – auf der einen Seite für ein Nulldefizit feiern lassen und andererseits feststellen müssen, dass dieses Nulldefizit auch von jenen finanziert wird, deren Chancen nicht unterstützt werden, nämlich insofern als wir in einer Novelle trotz steigenden Bedarfs lediglich 100 Millionen Schilling beschließen. Wir werden sie als Akt und Ausdruck dessen, was wir wollen, mit beschließen, wissen aber, dass wir 400 Millionen brauchen würden.

Ich muss noch etwas sagen: Ich habe es heute beachtlich gefunden, dass sich Frau Bundesministerin Gehrer hier herstellt und in ihrem Zuständigkeitsbereich darauf eingeht, dass statistische Zahlen nicht unbesehen übernommen werden können, sondern auf ihre Plausibilität geprüft werden müssen. Genau das geschieht nämlich in dieser Novelle nicht! Ich kann mich nicht damit abfinden, dass man, weil es die einfachste Lösung ist, einen Stichtag nimmt, für diesen Stichtag nackte Zahlen als Grundlage eines Finanzierungsbedarfs heranzieht und nicht hinterfragt, wie diese Zahlen zu Stande kommen. Wenn ich weiß, dass ich zu diesem Zeitpunkt Hunderte junge Menschen in einer Berufsfindungsphase habe, die nach acht Wochen zu Ende ist, und dass sie dann wieder auf dem Arbeitsmarkt wirksam werden – nämlich in der Form, dass sie keinen Lehrplatz und keine Perspektive haben –, dann kann ich mich damit nicht abfinden. Dann ist die Politik gefordert, die sagen muss: Statistiken, Zahlen einer Einrichtung, die sie zu liefern hat, sind eines, und die Bewertung, das Darauf-Eingehen und das Wahrnehmen der politischen Verantwortung sind das andere.

Daher, meine Damen und Herren, ist diese Novelle – die wir zwar mit beschließen, weil wir auch die 100 Millionen Schilling zumindest als den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein goutieren wollen – als absolut unzureichend zu betrachten, wenn das nicht gewährleistet werden kann, was auch die Wirtschaft haben will: einen gesicherten Standort Österreich.

Anstatt uns mit Argumenten plagen zu müssen, mit denen nach Fachleuten aus dem Ausland gerufen wird – auf die in dieser Regierungskoalition ohnedies sofort der Einspruch des anderen Partners folgt –, wäre es doch das Einfachste, Schönste, Menschlichste und, so glaube ich, auch das politisch Klügste, die Kapazität der Zukunft hier im eigenen Land aufzubauen und Fachleute auszubilden, von denen wir alle – auch Sie – dann profitieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Bravo, aber das habt ihr 20 Jahre lang verabsäumt!)

Liebe Frau Kollegin! Sie haben mir nicht zugehört. Wir haben die gleiche Kritik und das gleiche Ansinnen auch an frühere Regierungen gerichtet. Das, was im NAP damals als Grundsatz beschlossen wurde und wofür dann auch die erforderlichen Mittel zur Verfügung standen, war unter den damaligen Zahlenverhältnissen etwas ganz anderes als die heutige Situation, in der Jugendliche für ihr Leben lang benachteiligt werden, während wir ein Nulldefizit feiern, das


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darauf begründet ist, dass Ambulanzgebühren und Studiengebühren eingeführt werden und dass die nötigen Mittel für die Berufssicherung nicht zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

14.05

Präsident Alfred Schöls: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Giesinger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

14.05

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Die Aussagen meines Vorvorredners Bundesrat Gruber, wonach Bundesminister Bartenstein den Ernst der Situation in Bezug auf die Arbeit der Jugendlichen nicht erkennen würde, weise ich entschieden zurück. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Das ändert trotzdem nichts an meiner Aussage!)

Das ist eine grobe Unterstellung, das stimmt überhaupt nicht – ein Beweis dafür ist zum Beispiel das heutige Gesetz. Außerdem möchte ich erwähnen, dass nicht nur der Bund (Bundesrat Manfred Gruber: Frau Kollegin, das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein!)  – darf ich bitte ausreden?, ich habe Sie auch ausreden lassen – für die Wirtschaftspolitik zuständig ist, sondern dass auch die Länder für eine gute Wirtschaftspolitik zuständig sind. Ich kann nicht immer alles auf den Bund schieben, und ich kann auch nicht immer nur Förderungen verlangen und selbst nichts dazu beitragen wollen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Haunschmid. )

Ich denke, dass hier etwa das Land Vorarlberg als beispielhaft gelten kann: Mit viel kreativem Tun der Vorarlberger Landesregierung und der Wirtschaft ist es gelungen, die Lehrstellensituation zu verbessern. Es stünden heute an und für sich mehr Lehrstellen zur Verfügung, als Lehrlinge da sind. Wir haben schon vor Jahren in Zusammenarbeit mit der Landesregierung kreative Maßnahmen gesetzt und Lehrlinge eingestellt, damit diese Situation verbessert wird, weil wir der Meinung sind, dass Arbeit zu haben immer noch besser ist, als keine Arbeit zu haben. Aber da sind alle gefordert, nicht nur der Bund, und da kann es nicht nur um Förderungen gehen, sondern da müssen alle mittun: die Lehrlinge, die Eltern und die Betriebe. (Bundesrat Manfred Gruber: Das stellt niemand in Abrede, bitte!)

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen wichtigen Aspekt anführen, der meiner Meinung nach bis jetzt nicht erwähnt wurde: Für die Ausbildung der Lehrlinge ist die Zusammenarbeit zwischen Lehrling, Lehrbetrieb beziehungsweise Lernbetrieb, Elternhaus und Schule wichtig. Hier sollten alle an einem Strick ziehen und alle auch versuchen, miteinander Lösungen zu finden. Wir führen in Vorarlberg auch gerade solche Projekte durch, in denen wir dies zu verwirklichen versuchen. Eine Lehre ist keine Einbahnstraße, sondern in der Lehre lernen wir auch fürs Leben. Wir müssen erkennen, wie wichtig es ist, dass jemand einen guten Lehrbetrieb hat, und wie wichtig es auch ist, dass wir als Wirtschaft die Jugendlichen gut ausbilden. Das ist ein wechselseitiges Geben und Nehmen und ein Miteinander.

Wie schon gesagt, die Lehre bietet auch Karrierechancen. Gerade in den letzten Jahren ist diesbezüglich sehr viel getan worden. Es wird im Rahmen der Lehre Theorie und Praxis vermittelt, und als Lehrling hat man auch die Chance, nach Beendigung der Lehre zum Beispiel auf eine Fachhochschule zu gehen oder sich auch an der Uni weiterzubilden – je nachdem. Dieses Bewusstsein muss meiner Meinung nach auch in der Bevölkerung verstärkt werden. (Bundesrat Manfred Gruber: Wenn in der Fachhochschule Platz ist, wenn Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit man in der Fachhochschule einen Platz bekommt, dann können die Lehrlinge dort hingehen! Wenn keine Mittel zur Verfügung gestellt werden, können sie nicht hingehen!)

Es gibt Fachhochschulen, in denen man etwas lernen kann, das dürfen Sie nicht vergessen. (Ruf bei der SPÖ: Wo? Wo gibt es diese?) Ich kann nicht immer nur in eine Richtung Mittel zur Verfügung stellen, sondern ich muss das auch gesamthaft sehen. Ich kann zum Beispiel nicht nur – was vorher auch schon gesagt wurde – den Universitäten Mittel zur Verfügung stellen, sondern auch die außerschulische Weiterbildung braucht Mittel. Wenn ein Lehrling die Meisterprüfung machen will, bezahlt er teilweise zwischen 40 000 S und 100 000 S aus eigenen Mitteln – das muss man auch erwähnen –, während man an der Universität praktisch um


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10 000 S pro Jahr lernen kann. (Bundesrat Manfred Gruber: Frau Kollegin, wo sind diese Fachhochschulen für Lehrlinge? Können Sie uns das sagen? Wo sind die?)

Ich habe gesagt, nach der Lehre können sie in eine Fachhochschule gehen. In Vorarlberg zum Beispiel gibt es eine Fachhochschule mit verschiedenen Lehrgängen, und auch im Tourismus gibt es diese Möglichkeit. Sie müssen sich nur besser erkundigen, damit Sie das wissen. (Bundesrat Manfred Gruber: Frau Kollegin, ich komme aus einem Tourismusort! Ich kenne die Probleme der Lehrlinge im Fremdenverkehr sehr gut!)

Ich glaube, es gibt überall schwarze Schafe, bei den Betrieben ebenso wie bei den Lehrlingen, aber es gibt in Österreich auch sehr viele gute Betriebe und sehr viele gute Lehrlingsausbildungen. Man sollte nicht immer die schwarzen Schafe als Maßstab heranziehen, und man sollte auch nicht eine Gruppe gegen die andere ausspielen. Letzten Endes können wir nur miteinander etwas erreichen, wenn es uns darum geht, den Jugendlichen gute Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten. (Beifall bei der ÖVP.)

14.11

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste ist Frau Staatssekretärin Rossmann zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

14.11

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Frau Kollegin Kainz schon den Unterschied zwischen einem Nulldefizit und einem schuldenfreien Staat erläutern – das wird nämlich oft verwechselt, auch in der allgemeinen Debatte –: Was wir zurzeit erreicht haben, ist lediglich ein Nulldefizit, das heißt, null Neuverschuldung. Wir sind aber noch weit davon entfernt, dass Österreich schuldenfrei ist. Ich darf Ihnen und auch den im Bundesrats-Sitzungssaal derzeit anwesenden Gästen – die ich herzlich willkommen heiße – dazu eine plakative Zahl nennen: Wir haben noch immer 2 200 Milliarden Schilling Schulden – Schulden vergangener Finanzminister. Hätten wir diese Schulden nicht, könnte jeder Österreicher ein Sparbuch mit 250 000 S haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Winter: So eine billige Aussage, Frau Staatssekretärin! Begeben Sie sich nicht auf so ein Niveau! Das ist das Lächerlichste überhaupt, das man hört! So eine billige Aussage als Staatssekretärin – Entschuldigung!)

Ich weiß nicht, wieso Sie sich so aufregen! Auch Sie wären ein Österreicher, der 250 000 S am Sparbuch hätte. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hätten wir diese 2 200 Milliarden Schilling Schulden nicht, dann hätten wir natürlich vielseitigen Spielraum, vor allem Spielraum für eine allumfassende Steuersenkung. Letzten Endes hindern uns all die Ausgaben, all die Schulden der vergangenen Jahre auch daran, in Österreich ein modernes Steuersystem zu etablieren. Aber wir werden alles unternehmen, damit uns auch das gelingt. (Bundesrat Manfred Gruber: Das sieht man eh, was euch gelingt: alles verkaufen! Das ist das, was euch gelingt!)

Zurück zum Thema Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung in Österreich. – Herr Kollege Gruber! Sie haben – vielleicht nicht absichtlich, vielleicht eher polemisch – eine Krise herbeireden wollen. Wir kennen das, dass es immer wieder Ansätze gibt, Krisen herbeizureden. (Bundesrat Manfred Gruber: Die kommt leider auf uns zu, Frau Kollegin!) Man will einfach nicht zur Kenntnis nehmen – und deshalb sage ich es Ihnen noch einmal –, dass Österreich im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit im EU-Vergleich an zweiter Stelle liegt. Das heißt, wir liegen mit an der Spitze, unsere Zahlen sind vorbildlich niedrig! (Ruf bei der SPÖ: Noch!) Das liegt auch daran – und ich stehe durchaus nicht an, das zu sagen –, dass der Nationale Beschäftigungsplan der letzten Jahre vieles dazu beigetragen hat. Was heute hier beschlossen wird, ist einfach die Fortführung dessen. Es stimmt nicht ganz, dass nur 100 Millionen zur Verfügung stehen, sondern es stehen insgesamt 500 Millionen zur Verfügung, denn 400 Millionen sind noch in laufenden Projekten angesiedelt (Bundesrat Manfred Gruber: Da sage ich "danke", denn dann ist meine Forderung schon erfüllt!), und diese sind auch vorhanden, die sind nicht verschwunden.

Ich möchte aber noch generell etwas zur Lehrlingsausbildung sagen, weil auch viele Jugendliche zu uns gefunden haben. – Ich möchte Sie auch sehr herzlich hier im Bundesrat begrüßen.


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Es findet gerade eine Debatte zur Jugendbeschäftigung statt, die Sie alle betrifft – das ist Ihre Zukunft –, aber vor allem geht es hier um die Lehrlingsausbildung und die Lehrlings... (Bundesrat Winter: Das steht aber dem Präsidenten zu und nicht der Staatssekretärin! Wir haben einen Präsidenten!)

Zurzeit bin ich am Wort, und der Herr Präsident ist so höflich und unterbricht mich nicht, aber er wird die Gäste hier sicher auch noch begrüßen. (Bundesrat Winter: Wir wollten Sie nur daran erinnern, dass wir einen Präsidenten haben! – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich möchte darauf hinweisen, dass das duale Ausbildungssystem in Österreich wirklich vorbildlich ist. Das ist einzigartig. Es ist unser Gesamtanliegen, und es muss uns allen ein Anliegen sein, an diesem Ausbildungssystem festzuhalten, aber es darf nicht sein, dass es erstarrt und wir das Ausbildungssystem gerade bei Lehrberufen nicht weiterentwickeln.

Was meine ich damit? – Was die Lehrlingszahlen betrifft, so zeigen die Zahlen in Salzburg – ich muss Herrn Kollegen Haigermoser Recht geben – ganz deutlich, dass es gleich viele offene Stellen (Rufe bei der SPÖ: Gruber! Gruber!) wie Lehrstellensuchende gibt. Das ist leider nicht in ganz Österreich so, aber es bestehen auch große Unterschiede innerhalb der Lehrberufe.

Wir haben Lehrberufe, in denen es viel mehr Lehrstellensuchende, viel mehr Jugendliche, die diesen Lehrberuf ergreifen wollen, gibt, und keine oder viel zu wenige Ausbildungsstätten. Ich war selbst davon betroffen: Es ist heute bereits das Stichwort Steiermark gefallen. Ich habe dort zwei Jahre lang für einen jungen Menschen einen EDV-Techniker-Lehrplatz gesucht. Es war in der Steiermark nicht möglich, einen solchen zu finden. (Bundesrat Winter: Bei der Politik, die Sie betreiben, ist das ja kein Wunder!) Ich habe alles unternommen, was möglich war. In Kärnten habe ich dann einen Ausbildungsplatz gefunden. Der junge Mann lernt jetzt in Kärnten.

Wir haben aber auch Lehrberufe, in denen es viel mehr offene Lehrstellen, das heißt Betriebe, die gerne Lehrlinge aufnehmen möchten, gibt, und wir finden die Lehrlinge dazu nicht. Das betrifft allen voran zwei Berufe: einerseits die Friseurlehre, andererseits aber auch den Tourismusbereich. Im Tourismus ist die Zahl so eklatant, dass wir zurzeit weit über 1 000 offene Lehrstellen haben, aber nur knapp 300 Lehrlinge, die bereit sind, diesen Beruf zu ergreifen. (Bundesrat Manfred Gruber: Dann muss man eben die Voraussetzungen verbessern ...! – Bundesrat Winter: Fahren Sie einmal ins Waldviertel!)

Hier besteht Handlungsbedarf – da gebe ich Ihnen völlig Recht –, erstens einmal im Bereich der Bewusstseinsbildung hinsichtlich dessen, was es heißt, heute einen jungen Menschen auszubilden. Ich habe selbst über viele Jahre hinweg Lehrlinge ausgebildet. Man ist in dieser Funktion sozusagen gleichzeitig auch Vater, Mutter, Elternersatz, man ist teilweise quasi Kummerstelle für alles, was Jugendliche bewegt. Das muss man meiner Ansicht nach auch sein, und ich verurteile alle Unternehmer – das möchte ich auch an dieser Stelle sagen –, die in der Ausbildung eines jungen Menschen eine Möglichkeit sehen, daran zu verdienen.

Das darf nicht sein, sondern das kann höchstens eine Investition in die Zukunft sein. Es muss eine Gesamtinvestition sein: eine Investition in die nationale Volkswirtschaft insofern, als man sagt, wir bilden unsere eigenen Fachkräfte in unserem Land selbst aus. Das ist der Punkt! Wenn wir genügend eigene gut ausgebildete Fachkräfte haben, dann fällt auch der Ruf nach ausländischen Fachkräften weg.

Hier gab es – das muss ich ganz dezidiert sagen – in den letzten Jahren Versäumnisse, allein schon in den neuen Berufen. Man hat es einfach verabsäumt, rechtzeitig zu reagieren, um junge Menschen an neue Berufe heranzuführen. Wir arbeiten aber jetzt massiv daran, in verschiedensten Bereichen neue Berufsbilder zu entwickeln und vor allem – dies darf ich in meiner Funktion als Staatssekretärin für Tourismus hervorheben – auch daran, moderne Tourismuslehrberufe zu erarbeiten.

Einer davon ist ganz konkret der Wellness-Lehrberuf. Österreich erlebt einen Boom im Gesundheitstourismus, und es gibt diesen Lehrberuf noch nicht. Da besteht also Handlungsbedarf. Wir


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arbeiten daran, und es wird uns gemeinsam hoffentlich gelingen, diesen Lehrberuf möglichst rasch zu ermöglichen.

Insgesamt sage ich auch von dieser Stelle aus allen Unternehmern, allen Lehrherren, aber auch allen Eltern, die viele Entbehrungen auf sich nehmen, um Jugendlichen die Ausbildung zu ermöglichen, herzlichen Dank, und ich wünsche vor allem den jungen Menschen, die hier im Saal anwesend sind, eine gute Zukunft und viel Erfolg! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.18

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Bevor ich zum nächsten Tagesordnungspunkt komme, darf ich die Schülerinnen und Schüler, die unserer Debatte beiwohnen, sehr herzlich begrüßen. Es soll noch einmal jemand sagen, das Interesse an der Arbeit des Bundesrates sei nicht gegeben. – Ich begrüße euch recht herzlich hier bei uns und hoffe, dass ihr heute hier im österreichischen Parlament einen informativen Tag gehabt habt! (Allgemeiner Beifall.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird (500/A und 793/NR sowie 6469/BR der Beilagen

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Thomas Ram übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Thomas Ram: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet und das Wehrgesetz 1990 geändert wird (505/A und 809/NR sowie 6470/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik und das Kriegsmaterialgesetz geändert werden (810/NR sowie 6471/BR der Beilagen)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza (565 und 807/NR sowie 6472/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (622 und 808/NR sowie 6473/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem angeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet und das Wehrgesetz 1990 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik und das Kriegsmaterialgesetz geändert werden,

ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza und

ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 12 bis 15 hat Frau Bundesrätin Maria Grander übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Maria Grander: Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus zu Tagesordnungspunkt 12 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus zu Tagesordnungspunkt 13 liegt in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus zu Tagesordnungspunkt 14 liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 15 liegt Ihnen gleichfalls in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Präsident Alfred Schöls: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.

14.23

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich spreche hier als Kontra-Redner nur zu einem der vier Punkte, über die die Debatte laut Tagesordnung in einem durchgeführt wird, nämlich zum Begleitgesetz.

Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat sich bereits ausführlich damit befasst, dass der 11. September die Welt verändert hat. Selbst ein Land wie die USA mit ihren Dutzenden Geheimdiensten konnte sich vor diesem unvorstellbaren Terroranschlag nicht schützen. Wir stehen heute vor einer neuen Dimension des Terrors, der sich nicht nur gegen einen Staat, gegen Menschen richtet, sondern gegen eine Rechtsordnung an sich und auch gegen die Demokratie.

Gegen diese neue Dimension des Terrors hilft weder der Lauschangriff noch die Einschränkung der so mühsam und so hart erkämpften bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte. Aber auch die Reaktion der USA, über Afghanistan nun monatelang einen Bombenteppich zu legen, trifft nicht die Täter, sondern in erster Linie die ohnedies leidgeprüfte Zivilbevölkerung. Man muss konzedieren, dass es mit Minister Powell zu einer doch gravierenden Änderung der Außenpolitik der Vereinigten Staaten gekommen ist, dass man sich hier Zeit gelassen hat und dass man sehr wohl auch zweimal den Sicherheitsrat damit befasst hat. Das ist für amerikanische Verhältnisse eine wahrscheinlich erst aus einer gewissen zeitlichen Perspektive noch zu bewertende Änderung ihrer Außenpolitik. Es war auch wichtig, dass die NATO die Anwendbarkeit des Artikels 5 festgestellt hat, um mit den USA in eine andere, in eine gemeinsame Sicherheitsdebatte einzutreten, die zumindest seinerzeit eine sofortige Reaktion verhindert hat.

Meine Damen und Herren! Unschuldige Menschen starben zu Tausenden in den Trümmern des World Trade Centers. Auch heute sterben unschuldige Menschen durch Splitterbomben in Afghanistan. Aber die wirklichen Drahtzieher des internationalen Terrorismus spekulieren an den internationalen Börsen. Sie spekulierten an den internationalen Börsen gerade rund um den 11. September, wie das jetzt bereits in Berichten nachzulesen ist – eines der auffälligsten Dinge rund um den 11. September.

Bundeskanzler Schüssel hat vor wenigen Tagen erklärt, es ist Krieg. Es ist Krieg um Afghanistan. – Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die innerösterreichische Debatte: Polizeiaktion oder Krieg? – Schüssel hat jetzt klar erklärt, es ist Krieg. Doch die Kriegsziele, meine Damen und Herren, sind nicht klar. Ist es ein Kriegsziel, das Taliban-Regime zu stürzen? – Es wäre wünschenswert. Aber ein erklärtes Kriegsziel ist es derzeit nicht. – Weiters: die Sorge um die Region. – Aber das ist jetzt schon eine außenpolitische Debatte, in die ich mich nicht weiter vertiefen will, denn es geht in dieser Debatte um die Gründung des Nationalen Sicherheitsrates.


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Vor diesem Hintergrund – ich will das auch in dieser Härte sagen – gibt es auch Glücksritter von Katastrophen und Krisen, wie etwa jenen Autor, der mit seinem "Kampf der Kulturen" – Islam kontra Christentum – Bestseller produziert und dabei übersieht, dass der erste Einsatz der NATO außerhalb ihres eigenen Territoriums dem Schutz der vorwiegend islamischen Bevölkerung in Bosnien und im Kosovo galt. So kurz ist das Gedächtnis.

Aber es gibt auch innenpolitische Glücksritter, nämlich Trittbrettfahrer von Krisen, die internationale Krisen und Ereignisse dazu benützen, um innenpolitische Weichenstellungen zu vollziehen, Bürgerrechte auszuhöhlen und den Überwachungsstaat auszubauen; es gibt selbst ernannte Anti-Terror-Kämpfer, die jetzt von 8 Millionen Österreichern Fingerabdrücke abnehmen wollen (Ruf bei den Freiheitlichen: Ist das schlecht?); und im Windschatten dieses 11. Septembers werden auch noch Ausländergesetze verschärft.

Das ist verfassungs- und menschenrechtswidrig. Das ist auch eine Schikane der Bevölkerung, denn die Fingerabdrücke des Herrn bin Laden werden Sie nicht unter den 8 Millionen Österreichern finden. (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Dazu müssten Sie ihn vorher einbürgern, aber das haben Sie jetzt gerade mit der Verschärfung der Ausländergesetze verhindert. Das ist absurd, und innerhalb einer solchen Politik zeigt sich dann auch revanchistische Politik.

Unter dem Eindruck dieser Ereignisse kam es zur Bildung des Nationalen Sicherheitsrates. Einmal ist die Regierung in dieser Frage nicht über die Opposition drübergefahren, und alle Seiten – das will ich hier wirklich betonen – waren um einen Konsens bemüht. Ein positives Produkt dieses Konsenses ist, dass man Außenpolitik auch künftig noch als Außenpolitik sehen wird und dass der Rat für Außenpolitik nicht nur auf die Frage der nationalen Sicherheit ausgerichtet sein wird, sondern ein eigenständiger Rat für Außenpolitik bleiben wird.

Mit dem heutigen Beschluss – es wird ein einstimmiger Beschluss werden –, wird der Nationale Sicherheitsrat Realität, aber er bleibt vorerst noch eine Institution, der man erst politisches Leben einhauchen wird müssen. Das wären zum Beispiel Initiativen aus Österreich gegen Biowaffen – wir haben jetzt die große Debatte über Anthrax-Bakterien. Derartige Initiativen wären wesentlich wichtiger, meine Damen und Herren, als über den Ankauf von Abfangjägern zu diskutieren, auf die man getrost verzichten kann.

Es ist auch bedauerlich, dass es anlässlich der Schaffung des Nationalen Sicherheitsrates im Vorfeld wieder einmal das übliche operettenhafte Gezänk am Ballhausplatz über die Frage gab, wer darüber den Vorsitz führen dürfe und wer nicht.

Ich möchte ausdrücklich festhalten: Österreich war in den letzten Wochen kein einziges Mal bedroht oder in der Nähe eines Gefahrenfeldes. Deshalb sind Debatten darüber, 8 Millionen Österreichern Fingerprints abzunehmen, völlig überzogen. Ich bedauere auch die politische Niederlage des Innenministers im Windschatten dieser Gesetze.

Daher muss auch das vorrangige Ziel die Verwirklichung des zentralen Friedensprojektes in Europa sein, und das ist die EU-Erweiterung in Richtung Norden, Osten und Süden.

Damit, meine Damen und Herren, komme ich zum Nizza-Vertrag, einem weiteren Tagesordnungspunkt.

In einer Bundesratsenquete, veranstaltet unter Präsident Klamt, wurden bereits sehr kritische Worte über das Vertragswerk von Nizza gesprochen. Da wir eine sehr ausführliche Debatte haben, möchte ich gar nicht mehr lange auf diesen Nizza-Vertrag eingehen. Es war ein Basar – wir alle wissen das –, wo Stimmen gegen andere Rechte getauscht wurden; es war noch einmal eine ganz schlechte Reichsfürstenversammlung. Nicht von oben kann man Demokratie in Europa geben, sondern Demokratie kann nur aus der Bevölkerung selbst kommen. Und so schlecht, wie diese Verhandlungen dort gelaufen sind, so schlecht ist das Vertragswerk in seiner Ausformung. Das ist nicht der richtige Weg der Demokratisierung, und dafür gibt es auch keine Akzeptanz.


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Das hat Irland gezeigt. Es sind in Irland zwar nur wenige Hunderttausend gewesen, die diesen Vertrag abgelehnt haben, aber diese wenigen Hunderttausend haben doch Europa gezeigt: Wenn ihr diesen Vertrag irgendwelchen Bevölkerungen in Europa vorlegt, so wird er überall eine Niederlage finden.

Der Konvent ist daher eine Notmaßnahme. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Worte des erst kürzlich verstorbenen Landtagspräsidenten Schreiner aus Salzburg erinnern, der hier an diesem Rednerpult den Bundesrat aufgefordert hat, den Nizza-Vertrag nicht zu ratifizieren. Sie alle haben noch knapp vor seinem Tod einen Brief erhalten, in dem er an alle Mitglieder des Bundesrates folgenden Appell gerichtet hat: Ratifizieren Sie Nizza nicht! Verweigern Sie die Zustimmung, solange nicht die Rechte der Regionen und die Mitbestimmungsrechte verwirklicht werden!

Heute stimmen wir nicht über die Ratifizierung ab, es ist ein Ermächtigungsgesetz. Dieses Gesetz ist wichtig, denn es fördert den Prozess der EU-Erweiterung, und es fördert auch diesen Prozess des Konventes, der eine Art Reparatur des Unfugs von Nizza ist.

Der Grund dafür, warum ich hier als Erstredner stehe, ist das Nein zu diesen Begleitgesetzen zum Nizza-Vertrag.

Meine Damen und Herren! Der Nizza-Vertrag ist noch nicht ratifiziert. Warum müssen wir nun bereits vorausschauend – wir wissen nicht einmal, wie der Vertrag aussieht –ein Begleitgesetz verabschieden? Wir wissen nicht, wie dieser Vertrag ausschauen wird, aber wir ermächtigen in einem Begleitgesetz, die österreichische Bundesverfassung zu verändern.

Die Irland-Volksabstimmung ist noch nicht eingebaut, sie ist nämlich neutralitätsrelevant. Und wir geben heute hier mit Zweidrittelmehrheit diese Ermächtigung.

Vor allem, meine Damen und Herren – und da stelle ich auch eine Frage an die Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie –, ermächtigen Sie das In-Kraft-Treten von Artikel 23f der Bundesverfassung. Dieser behandelt das Thema EU-Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung.

Wenn Sie, die Sie sich auch immer wieder hinter die Neutralität stellen, ein Zeichen setzen hätten wollen, dass Sie die Neutralität mit dem UNO-Mandat verankern wollen, dann hätten Sie jetzt dazu die Möglichkeit gehabt. Das ist keine Erfindung, das ist der Weg Finnlands. Finnland hat das ganz genauso gemacht bei diesem Punkt, nämlich alle Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen nur mit UN-Mandat. Das sagt das neutrale Finnland, aber Österreich sagt es nicht. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sagen es auch nicht, und Sie verschaffen dem Beschluss eine Zweidrittelmehrheit.

Damit muss man sagen, mit dieser heutigen Beschlussfassung nimmt das österreichische Neutralitätsgesetz einen weiteren, aber doch sehr ernst zu nehmenden Schaden. Ich appelliere noch einmal heute hier an Sie, diesem Begleitgesetz nicht die Zweidrittelmehrheit zu geben. – Danke. (Beifall bei Bundesrat Mag. Gudenus. )

14.34

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herwig Hösele. Ich erteile es ihm.

14.35

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade angesichts der Ausführungen von Kollegen Schennach beginne ich sehr gerne mit einem Zitat, das da lautet: "Es ist richtig, alle Parteien suchen Gemeinsamkeiten und versuchen, Provokationen zu vermeiden." – Diese Aussage hat SPÖ-Vorsitzender Dr. Gusenbauer in einem Interview in der "Presse" vom 3. November dieses Jahres gemacht.

Ähnlich hat sich der Führer der großen Oppositionspartei auch anlässlich der Beschlussfassung über die Nizza-Gesetze und die Einrichtung des Sicherheitsrates im Nationalrat geäußert. (Bun


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desrätin Mag. Trunk: Er heißt Vorsitzender, nicht Führer!) – Also der Vorsitzende der SPÖ. (Bundesrätin Mag. Trunk: Danke!) Er sagte: Bei allen kritischen Kontroversen ist es notwendig, in einer internationalen Krisensituation für einen möglichst weitgehenden Konsens in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik zu sorgen.

Herr Dr. Gusenbauer – ich glaube, auf diese Bezeichnung können wir uns am ehesten einigen – hat weiters betont, dass es diesen Konsens in den Grundzügen der Politik gibt. – Das ist sehr erfreulich und notwendig. Das Verantwortungsbewusstsein der derzeit großen Oppositionspartei im Nationalrat ist, so glaube ich, in dieser Situation besonders wichtig und dankenswert.

Genauso wichtig und dankenswert ist es, dass die österreichische Bundesregierung, angeführt vom Herrn Bundeskanzler und der Frau Außenministerin und darüber hinaus alle anderen Mitglieder der Bundesregierung, aber auch der höchste Repräsentant der Republik, unser Herr Bundespräsident, für eine verantwortungsbewusste Linie sorgen und wichtige internationale friedenssichernde Aktivitäten setzen. Höhepunkt dessen war der Besuch des Herrn Bundeskanzlers bei Präsidenten Bush.

Ich bin froh, dass auch innerhalb der österreichischen Verwaltung die befassten Ministerien mit höchster Professionalität ihre Arbeit leisten. Das ist für die Erfüllung der existenziell notwendigen Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung in dieser Situation von höchster Bedeutung.

Nun zum Nizza-Vertrag: Damit zusammenhängend, würde ich sagen, ist das auch ein klares Ja zum Erweiterungsprozess der EU und zur Vollendung des Projektes Europa.

Bei aller kritischen Betrachtung des Nizza-Vertrages bringt er aus Sicht Österreichs doch wesentliche Fortschritte. Ich verweise nur auf Artikel 7, der sicherstellt, dass es nie mehr so ungerechtfertigte Sanktionen in Europa geben kann, wie sie gegen Österreich im ersten Halbjahr 2000 verhängt wurden.

Die EU wird künftig ein faires und qualifiziertes Verfahren durchführen müssen. Eine europäische Politjustiz mit Nacht- und Nebelaktionen kann und darf es nicht mehr geben.

Es soll auch sichergestellt werden, dass die kleineren und mittleren Staaten nicht von einem Direktorium der Großen überstimmt und bevormundet werden können. Die Ereignisse von London der letzten Tage haben uns auch gezeigt, wie wichtig das ist. Ich finde es außerordentlich positiv, dass der Herr Bundeskanzler heute in Brüssel mit dem EU-Ratspräsidenten und dem EU-Kommissionspräsidenten darüber spricht.

Mit dem Vertrag von Nizza und der Betonung der fundamentalen Menschenrechte schafft die EU Fundamente für kosmopolitische Staaten, wie sie auch Ulrich Beck im Zusammenhang mit dem 11. September fordert. Ich zitiere: "Kosmopolitische Staaten kämpfen nicht nur gegen den Terror, sondern auch gegen die Ursachen des Terrors in der Welt. Sie gewinnen und erneuern die Gestaltungs- und Überzeugungskraft des Politischen aus der Lösung globaler Probleme, die im nationalen Alleingang unlösbar erscheinen."

Uns ist bewusst, wie schwierig das Projekt Europa gerade unter den Bedingungen der europäischen Irrwege und Diskussionen auch im Zusammenhang mit dem Vertrag von Nizza ist und wie groß und tief auch die Skepsis – teilweise berechtigterweise – ist. Die EU-Kommission hat im Juli ein Weißbuch "Europäisches Regieren der EU-Kommission" veröffentlicht, in dem auf das nachhaltig hingewiesen worden ist und als fünf zentrale Grundsätze für gutes europäisches Regieren Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz genannt wurden.

Ich meine, alle Ebenen sind aufgerufen, in ihren Bereichen diesen Grundsätzen zu entsprechen und wirksame Initiativen für einen ständigen Dialog mit dem Bürger zu ergreifen. Sonst wird es noch – und da bin ich mit Kollegen Schennach einer Meinung – mehrere solcher Volksabstimmungen wie in Irland – oder früher in Dänemark – geben. Sonst werden Erweiterungsskeptiker und Globalisierungsgegner, aber auch schlichte Demagogen und fundamentalistische Extremisten Zulauf haben.


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Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Bürger klüger und verantwortungsbewusster sind, als mancher Demagoge es wahrhaben will. Es muss nur dieser mühsame Prozess des Erklärens und Diskutierens wahrgenommen werden. Das ist, so glaube ich, Aufgabe einer verantwortungsbewussten Politik, und zwar auch bei Darstellung aller Gegensätze.

In diesem Sinn darf ich auf einen von den drei Fraktionen getragenen Selbständigen Antrag, eingebracht von den Fraktionsführern Bieringer, Prof. Konecny, Dr. Böhm und Kolleginnen und Kollegen, betreffend Einrichtung eines Konvents für den Post-Nizza-Prozess verweisen. Besonders wichtig für das notwendige Vertrauen in die Politik ist die Überschaubarkeit, das ist eine Binsenweisheit. Ein Europa der Bürger kann nur ein Europa der Regionen sein. Daher ist in sehr vielen EU-Mitgliedstaaten der Dezentralisierungsprozess erfreulicherweise weiter vorangeschritten, zuletzt mit dem Referendum in Italien.

Damit komme ich auch zum österreichischen Bundesstaat und zu der von Kollegem Schennach angesprochenen Bundesratsenquete im Juni mit vielen bemerkenswerten, richtigen und wichtigen Anregungen, auf die es in den nächsten Monaten auch noch zurückzukommen gilt. Wenn nun der Bundesrat heute dem Ermächtigungsgesetz und allen anderen Beschlüssen des Nationalrates im Zusammenhang mit dem Vertrag von Nizza ausdrücklich zustimmt, so ist das ein Signal seiner staatspolitischen Verantwortung. Ich hoffe, dass auch die anderen Organe der Republik ihre staatspolitische Verantwortung in föderalistischen Fragen wahrnehmen. Ich nenne nur – das ist ein für mich nahe liegendes Beispiel – das im Vorjahr vom Bundesrat einstimmig geforderte Stellungnahmerecht des Bundesrates.

Als positiv aus der Sicht der Länderkammer möchte ich im Zusammenhang mit dem Nationalen Sicherheitsrat die Möglichkeit hervorheben, dass in diesen auch Mitglieder des Bundesrates entsandt werden können.

Daher abschließend ein Ja zum Sicherheitsrat, ein Ja zu den Gesetzen im Zusammenhang mit dem Nizza-Vertrag, ein Ja zu einer gemeinsamen rot-weiß-roten Sicherheits-, Außen- und Staatspolitik mit dem Föderalismus als integrierenden Bestandteil. (Beifall bei der ÖVP.)

14.42

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prof. Albrecht Konecny. Ich erteile es ihm.

14.43

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist von großer Bedeutung, dass wir in dieser Sitzung unsere Zustimmung geben zu einer der staatspolitisch bedeutsamsten Reaktionen, die als Ergebnis der Attacken des 11. September in einem für diese Regierung ungewöhnlichen Stil vorgeschlagen, beschlossen und schließlich im Nationalrat verabschiedet wurden.

Ich glaube, es ist eine gute Gelegenheit, sich daran zu erinnern, dass die Diskussion über die Rolle der Opposition oder von Oppositionsparteien in diesem Land in vielen Fällen von einer falschen Position aus geführt wird. Es ist naturgemäß die Aufgabe der Opposition, die Regierung mit alternativen Vorschlägen implizit zu kritisieren, Fehler dieser Regierung explizit anzuprangern und sich auch darauf vorzubereiten, Verantwortung zu übernehmen, falls dies die Wähler wollen. Aber es gibt natürlich zentrale staatspolitische Entscheidungen, die nicht die Entscheidungen einer Regierung, sondern die Entscheidungen für die Nation sind und die folgerichtig von allen politischen Kräften des Landes getragen werden sollten.

Wir haben uns vom ersten Augenblick an, in dem deutlich wurde, dass die Regierung bereit ist, sich einem solchen Konsensprozess zu stellen – der natürlich auch bedeutet, Anregungen und Meinungen der Opposition nicht nur zu hören, sondern auch tatsächlich zu berücksichtigen –, für unsere aktive Teilnahme an diesem Prozess entschieden. Das Ergebnis – also beispielsweise das Bestehenlassen des Außenpolitischen Rates trotz der Schaffung des Nationalen Sicherheitsrates, weil es eine Menge außenpolitischer Fragen gibt, die man nur mit gewissen Vergewaltigungen unter Sicherheitspolitik subsumieren kann – ist das Ergebnis einer solchen Zusammenarbeit und daher in höchstem Maße zu begrüßen.


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Wenn wir dem unsere Zustimmung geben, so bedeutet das, dass wir es vorbehaltlos zu honorieren bereit sind, wenn die Regierung solche Konsensinitiativen startet und sich nicht darauf beschränkt, die Opposition zu Zusammenkünften als zusätzliches Element auf den Stehplätzen dieser Versammlungssäle einzuladen, sondern wirklich ehrliche Verhandlungen führt, die eben auch einschließen, dass sie Argumenten der Opposition nachgibt und Vorschläge der Opposition einbaut.

Ich möchte in dieser sehr kurzen Stellungnahme ein Zweites tun, anschließend an die Ausführungen von Kollegen Hösele, weil wir – ohne es heute zu beschließen; ich werde dann ein paar Worte dazu sagen – uns hier auch ein erstes Mal mit einem Entschließungsantrag, wenn man das geschäftsordnungswidrig sagen kann, aus Anlass der erforderlichen Gesetzes-, Verfassungsgesetzesbeschlüsse im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Nizza-Vertrages beschäftigen.

Es ist gar keine Frage: Das Ergebnis von Nizza war in höchstem Maße unbefriedigend. Wenn man schon ein Nizza gebraucht hat, um Leftovers abzuarbeiten, dann kann man fairerweise sagen, die Leftovers sind durch Nizza in Wirklichkeit nicht kleiner geworden, obwohl natürlich eine Reihe von Entscheidungen in Nizza getroffen wurde. Nicht nur die Resultate, sondern vor allem das Procedere von Nizza waren in einem derart hohen Maße unbefriedigend, dass für die Vorbereitung der nächsten Regierungskonferenz für viele ganz generell ein anderes Instrument nahe liegend war.

Wir haben bei der Vorbereitung zu Nizza außerordentlich anregende Erfahrungen mit jenem Konvent gemacht, in dem Regierungsvertreter und Parlamentarier aus den Mitgliedstaaten und Mitglieder des Europäischen Parlaments zusammengewirkt haben, um jene Charta der Europäischen Menschenrechte zu erarbeiten, der nur ein Makel anhaftet, nämlich der, dass sie kein individuell einklagbares Anspruchsrecht des europäischen Bürgers beinhaltet, die aber in ihrem Inhalt den wesentlichen Standard der europäischen Bürger- und Menschenrechtsdiskussion sehr gut zusammenfasst.

Es war kein leichter Prozess, aber einer, von dem man hoffnungsvoll sagen kann, dass er jetzt gewonnen ist, wenn in den Monaten nach Nizza darüber diskutiert werden sollte, wie jene Reformgedanken für die Europäische Union aufbereitet werden sollen, die einen neuen europäischen Vertrag, einen vereinfachten europäischen Vertrag, eine Definition dessen, was denn eigentlich unter dieser viel gerühmten Subsidiarität zu verstehen ist, eine Vereinfachung der Institutionen und all das, vorbereiten sollen.

All jene, die als Mitglieder dabei waren, all jene, die diesen Prozess aufmerksam beobachtet haben, haben ganz klar gesehen, dass die Konventlösung mit Abstand die besten Voraussetzungen bietet, um zu einer Diskussion zu kommen, die auf der einen Seite einen breiten Input und auf der anderen Seite auch eine klare Entscheidungsstruktur ermöglicht. Es war dabei klar: Das ist den Staatschefs einmal passiert und nie wieder, dass das Ergebnis eines solchen Konvents nicht auf der Basis von "take it or leave it" dem Europäischen Rat übermittelt werden konnte. Dazu steht zugegebenermaßen zu viel auf dem Spiel.

Aber man kann es als einen wirklichen Erfolg betrachten, dass die Stimmen jener, die die Konventlösung unter den verschiedenen Vorwänden verwässern wollten, immer leiser geworden sind.

Ich halte es für eine wichtige Aussage des österreichischen Parlaments, und zwar in seinen beiden Kammern, wenn ein Text wie dieser beschlossen sein wird, wovon auszugehen ist, nachdem es sich um eine Vier-Parteien-Einigung handelt, die diesem zu Grunde liegt.

Das Konventmodell ist beispielgebend dafür, dass nationale Parlamente nicht nur gewissermaßen künftige Landtage im einem europäischen Bundesstaat sind, sondern auch eine legitime Aufgabe haben, bei der Regelung gemeinschaftlicher Anliegen in einer zu definierenden Form mitzuwirken. Sie sollen das nicht allein tun, sondern sie sollen das in kollegialer Zusammen


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arbeit mit den direkt gewählten Vertretern des europäischen Volkes, der europäischen Bürger, nämlich den Mitgliedern des Europäischen Parlaments tun.

Wie gesagt, so klar war das nicht. Ich erinnere mich an die COSAC in Stockholm, an der teilzunehmen ich das Vergnügen hatte, wo die deutsche und die österreichische Delegation in Wirklichkeit mit der Drohung, die Tagung zu sprengen, nämlich, kein Schlussdokument zu verabschieden – es ist manchmal der Segen europäischer Beschlussfassungen, dass sie nur mit Einstimmigkeit erfolgen können –, dafür gesorgt haben, dass dort nicht – auf Grund der Opposition einiger weniger Mitgliedsparlamente – der Konventlösung eine Absage erteilt wurde. Ich habe mit einer gewissen Befriedigung gehört, dass das in dem Diskussionsprozess einen gewissen Eindruck gemacht hat, dass sich nämlich die europäischen Parlamente in ihrem einzigen Koordinationsgremium für die Konventlösung ausgesprochen haben.

Lassen Sie mich am Schluss meiner Ausführungen noch eine Bemerkung, die nur am Rande dazugehört, die mir aber, bitte, gestattet wird, Herr Präsident, unterbringen: Die nächste Regierungskonferenz wird aller Wahrscheinlichkeit nach in den Prozess der Erweiterung fallen, wie immer das im Einzelfall terminlich ablaufen wird. Der Konvent wird die Weichen dafür stellen, auch wenn es einen weiteren Diskussionsprozess über seine Arbeitsergebnisse geben wird. Es ist eine Frage der Fairness, dass wir jenen Staaten, die als künftige Mitglieder der Europäischen Union in Aussicht genommen sind, bei der Diskussion – nicht bei der Beschlussfassung! – eine gleichberechtigte Stimme einräumen. Es kann nicht so sein, dass diejenigen, die drinnen sind, sich jetzt ausmachen – und auch das gehört zu den Makeln von Nizza –, wie viele Europarlamentariersitze und wie viele Stimmen im Rat sie nicht nur selbst haben werden, sondern auch jenen Staaten, die vielleicht neue Mitglieder sein werden, bekommen werden.

Wir sollten bei so grundlegenden, wahrscheinlich auf Jahrzehnte tragenden Entscheidungen für die Struktur der Europäischen Union dafür sorgen, dass sich auch die künftigen Mitgliedstaaten bei der Entscheidungsfindung vertreten fühlen. Tun sie das nicht, dann bauen wir diesem fragilen Gebilde "Europäische Union" ein weiteres Loch im Fundament ein, und Löcher im Fundament pflegen sich nicht sehr förderlich auf die Stabilität auszuwirken! (Beifall bei der SPÖ.)

14.54

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

14.54

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich will der Tagesordnung gemäß der Reihe nach vorgehen und sagen, dass die Errichtung eines Nationalen Sicherheitsrates in Österreich sicherlich eine Notwendigkeit ist, die, wie wir gehört haben, von allen im Parlament vertretenen Parteien unterstützt wird. Wenn ich mir den Koalitionsantrag zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates ansehe und dann das diesbezügliche Stenographische Protokoll des Nationalrates damit vergleiche, dann stelle ich fest, dass darin ein Punkt enthalten ist, der meiner Meinung nach zu kritisieren ist.

Bislang war es so, Kolleginnen und Kollegen, dass sowohl im Außenpolitischen Rat als auch im Wehrpolitischen Rat und auch in anderen Räten die Bundesräte stets mit Sitz und Stimme vertreten waren.

Es heißt im Antrag der Koalition, dass im Sicherheitsrat – und ich gehe davon aus, dass das ursprünglich beim Integrationsrat ähnlich war – ein Vertreter des Bundesrates der jeweiligen Parteiengruppierung, soferne sie in diesem Rat vertreten ist, zugezogen zu werden hat.

Im Gesetzestext lautet dies folgendermaßen: Es "kann" ein Vertreter des Bundesrates beigezogen werden. – Ich halte das, gesetzlich gesehen, für eine Amputation des Bundesrates.

Ich weiß, dass die Freiheitliche Partei von sich aus für die Sitzungen, zumindest für jede zweite Sitzung, die Bundesräte in respektabler Zahl nominieren wird, das heißt, nicht einen Vertreter, so wie jetzt bei jeder einzelnen Sitzung, sondern bei jeder zweiten Sitzung dafür zwei. Das


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beruhigt mich etwas und erleichtert mir, zu diesem sehr vernünftigen Gesetzesvorhaben meine Zustimmung zu geben. Es erleichtert mir auch, meine Zustimmung zur Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik zu geben.

Im Zusammenhang mit dem Nationalen Sicherheitsrat möchte ich festhalten, dass ich sowohl die Neutralität als auch die Mozartkugeln als auch die Spanische Hofreitschule sehr schätze und dass ich weder das Eine noch das Andere noch das Dritte durch ein Verfassungsgesetz abgeschafft zu haben wünsche.

Ich hoffe, ich halte mich damit auf dem Höhepunkt. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Hört, hört! – Bundesrat Gasteiger: Es geschehen noch Zeichen und Wunder!)

Was das Ermächtigungsgesetz zum Abschluss des Vertrages von Nizza anlangt, freut es mich, dass keine Auswirkungen auf die Beschäftigung, auf den Wirtschaftsstandort Österreichs und auch keine finanziellen Auswirkungen zu gewärtigen sind. Die Frage ist für mich nur: Wenn wir das Gesetz als solches in näherer oder ferner Zukunft hier beschließen sollten, wie wird es dann ausschauen, wird dann auch so wie jetzt im Gesetz stehen: keine Auswirkungen!?

In weiten Bereichen stimme ich den Ausführungen des Kollegen Schennach zu und auch den Aussagen des Landtagspräsidenten Schreiner, der hier gemeint hat: nicht abstimmen!

Ich glaube auch, dass die Finnen sehr klug beraten sind, Kampfeinsätze nur an ein UNO-Mandat zu binden und nicht an das Mandat, das wir uns hier geben sollen.

Wenn Kollege Hösele meint, die Zustimmung sei ein Signal der Verantwortung, dann möchte ich dazu sagen: Ich stimme zu als loyaler Koalitionspartner, aber nicht aus Verantwortung! Dies würde wahrscheinlich etwas anders aussehen. (Beifall des Bundesrates Gasteiger. )

Man konnte vor wenigen Tagen in der Zeitung "Die Presse" einen Gastkommentar eines Europäers der ersten Stunde lesen, nämlich von Otto Molden, der da schreibt – ich zitiere –:

"Die jüngsten Aussagen ... lassen aufhorchen: Wenn sich die Europäische Union nicht erweitern könne, sagen Sie, werde das ,Projekt Europa’ scheitern. Dies ist ein neues, an Erpressung grenzendes Argument der Erweiterungs-Befürworter und ist ein Eingeständnis einer gefährdeten EU."

Ich zitiere weiter Otto Molden, einen großen Österreicher, der die Frage aufwirft, die auch ich stelle: "Warum werden Fragen nach dem Stand der Demokratie und Rechtsordnungen, nach der Wirtschaftsleistung der Beitrittskandidaten oder nach den Erweiterungskosten für die Union ..." – das ist das, was ich einleitend zu diesem Thema gesagt habe, nämlich: derzeit keine Auswirkungen, aber was wird es sein?! – "nicht offen diskutiert, sondern vom Tisch gewischt?"

Otto Molden sagt weiter sinngemäß: Während man bei uns in Österreich so tut, als sei die EU-Erweiterung ein Schritt in eine leuchtende Zukunft – die allfälligen Probleme habe man ja im Griff, wird immer wieder behauptet –, verschweigt man gleichzeitig, wie die Probleme der Schengen-Grenze oder andere Dinge bewältigt werden sollen. Es ist zum Beispiel die europäische Krise eine Folge des einsetzenden Kampfes zwischen der Zentrale in Brüssel und den nationalen Souveränitäten. – Darauf hat auch Professor Konecny hingewiesen.

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass dieser Tage der Abgeordnete des Europäischen Parlaments Hannes Swoboda, ein Mitglied der Sozialdemokraten, gesagt hat, dass er es für inakzeptabel hält, dass in London eine Sonderkonferenz der Teilnehmer der Europäischen Union stattgefunden hat.

Was die Iren anlangt, bezüglich welcher wir alle hoffen, dass sie endlich vernünftig sind und bei der nächsten Abstimmung dem Nizza-Vertrag zustimmen – ich weiß nicht, ob sie wirklich zustimmen wollen, vielleicht stimmen sie nur deswegen zu, damit sie nicht ein drittes Mal abstim


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men müssen, denn dazu würden sie genötigt werden –, so hat eine Umfrage, die schon vor geraumer Zeit durchgeführt wurde, ergeben, dass 54 Prozent der irischen Wahlbevölkerung vor allem mit der Brüsseler Politik und mit den gemeinschaftlichen Entscheidungsverfahren unzufrieden sind, insbesondere, was den Nizza-Vertrag anlangt, und dass die restlichen 46 Prozent, davon ungefähr die Hälfte, meinungslos oder dafür sind.

Es ist doch eigentlich sehr ausdrucksstark, dass wir hier ein Tempo vorlegen, das von einem Teil der Mitglieder nicht gutgeheißen wird und bei dem ich mich frage: Was nötigt uns dieses hohe Tempo auf! Es muss natürlich zusammenwachsen, was natürlich zusammengehört – aber nicht mit einem Schnellzugstempo, welches uns, auch uns in Österreich, gar nicht zu eigen ist. Das ist Technokratie, aber nicht menschenwürdige Politik!

Nun komme ich auf die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die auch in den Nizza-Vertrag hineinspielen, zu sprechen. Natürlich ist auch die Glaubwürdigkeit der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Spiel. Die EU muss gegenüber der Türkei die Verlässlichkeit einer Zusage beweisen, von deren Weisheit viele in der Europäischen Union selbst nicht überzeugt sind.

Noch immer hallt der Donnerknall des türkischen Außenministers Ismail Cem nach, der im Sommer bei einem Besuch in Nordzypern drohte, die türkische Reaktion auf einen EU-Beitritt Zyperns werde keine Grenzen kennen. Falls Zypern, das von Griechenland repräsentiert wird, in der nächsten Erweiterungsrunde Mitglied der EU werden sollte, sei man gezwungen, den Norden zu annektieren.

Ich halte das für eine bedenkliche Drohung, und ich halte es für eine Notwendigkeit, über diesen Zypern-Vertrag zu sprechen. Wir ratifizieren heute nur ein Ermächtigungsgesetz, aber wenn es zum Gesetz kommen sollte, dann müssen wir uns diesen Einwendungen stellen und auch den Einwendungen, die Herr Professor Molden in der Zeitung "Die Presse" vorgebracht hat. Das sind Äußerungen, die zum Teil meine Gemütslage wiedergeben und zum Teil darüber hinausgehen. Das will ich schon sagen. Wir müssen sie beachten, wir müssen darüber sprechen.

Zum Schluss möchte ich kurz auf ein Thema zu sprechen kommen, das für mich als Österreicher, der Verwandte und Freunde hat, die sowohl südlich als auch nördlich unserer kleinen Republik leben und die nach 1945 Leben und Gut verloren haben, wichtig ist, und sagen: Ohne Aufhebung, ohne Entschuldigung, ohne Wiedergutmachung für Verbrechen im Namen von Beneš oder AVNOJ werde ich meine Zustimmung zu EU-Erweiterungen nicht geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Ferdinand Maier das Wort. – Bitte.

15.05

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es haben meine Vorredner schon erwähnt: Wir hatten Gelegenheit, uns im Rahmen einer Enquete mit der europäischen Politik, mit dem Vertrag von Nizza, mit der EU-Erweiterung auseinander zu setzen. Ich halte das für ganz wichtig. Auch im Rahmen des EU-Ausschusses sind wir sehr bemüht, uns ständig mit diesen Fragen zu befassen und die Fragen zu hinterfragen und sich damit auch auseinander zu setzen. Erst unlängst, nämlich vorgestern, war wieder Gelegenheit, darüber zu diskutieren.

Dieser Diskussionsprozess zeigt zwei Dinge auf: erstens, wie wichtig es ist, dass sich die Länderkammer mit den Fragen des Europa auseinander setzt. Ich habe manchmal den Eindruck, dass in den Ländern geglaubt wird, dass wir noch nicht so richtig in Europa sind. Daher ist es ganz wichtig, sich mit der europäischen Entwicklung auseinander zu setzen.

Das Zweite, das man sieht, ist, dass das ein ständiger Prozess ist. Die Diskussionen im EU-Ausschuss verlaufen sehr unterschiedlich. Man kann erkennen, wie sich die Dinge weiterentwickeln. So sehe ich natürlich auch den Vertrag von Nizza als einen Vertrag, der einiges aus


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löst. Das Post-Nizza-Verfahren zeigt auch, dass man sich weiterhin den Dingen annähert. Es ist auch Vieles von dem behandelt worden, was der Rat von Nizza angesprochen hat.

Ich möchte noch ein paar Dinge ergänzend erwähnen, und zwar die Frage des freien Personenverkehrs, der im Rat von Nizza angesprochen und wozu auch eine siebenjährige Übergangsfrist gefordert wurde. Das war nicht zuletzt eine Initiative der österreichischen, aber auch der deutschen Bundesregierung.

Den Willen zur Vereinfachung der Gesetze, kundgetan durch Kenntnisnahme, dass es bereits keine Unübersichtlichkeit gibt, dass es eine diffizile Aktenlage gibt und dass das Ganze nicht mehr überschaubar ist, halte ich für enorm wichtig im Interesse Europas, der europäischen Bürger und im Sinne der Transparenz.

Das Wichtigste für uns als Österreichische Volkspartei ist natürlich die Beschleunigung des Verfahrens der EU-Erweiterung. Darin hat die Österreichische Volkspartei immer ein zentrales politisches Anliegen gesehen und wird es sehen.

Der Grund dafür ist, auf den Punkt gebracht, darin zu sehen, dass Wohlstand und Frieden in unserem Land sichergestellt werden und dass dieser Friede und dieser Wohlstand, die wir kennen und erhalten wollen, natürlich auch in unsere Nachbarländer kommen beziehungsweise auf diese quasi ausgedehnt werden sollen.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Bemühungen, die die österreichische Bundesregierung bezüglich der Sorgen, die seitens der Bevölkerung in der Diskussion um die EU-Erweiterung geäußert werden, unternimmt, würdigen. Ich glaube, dass es enorm wichtig ist, dass die Sorgen um die Erhaltung des Arbeitsplatzes, die Sorgen bezüglich AKWs, die Sorgen wegen unklarer Umweltbedingungen, aber auch die Sorgen betreffend die Landwirtschaft ernst genommen und auch dementsprechende Antworten gegeben werden. Der Hinweis auf die siebenjährige Übergangsfrist, was die Frage des freien Personenverkehrs anlangt, habe ich schon gemacht.

Ich glaube, dass wir durchaus auch die Chancen sehen sollten, die durch die EU-Erweiterung entstehen werden, und nicht nur immer von Gefahren in deren Zusammenhang sprechen sollten.

Ich habe mir angeschaut, was eigentlich die Ostöffnung für die österreichische Wirtschaft zur Folge hatte, und zwar in der Zeit zwischen 1989 und 1999. Wir können feststellen – und dafür gibt es eine sehr gute Aktenlage –, dass in diesem Zeitraum österreichische Firmen 76 Milliarden Schilling in Mittel- und Osteuropa investiert haben. Das macht geschätzte 85 000 bis 90 000 Arbeitsplätze aus, die dadurch ausgelöst werden.

Die österreichische Wirtschaft liegt als Investor an der ersten Stelle in Slowenien, an der zweiten Stelle in der Slowakei und an der dritten Stelle in Ungarn, und die heimische Wirtschaft hat jährlich durchschnittlich 13 Prozent Exportzuwächse gehabt und daraus profitiert. Was die Investoren, die dort investiert haben, ausgelöst haben, zeigt die Quote, dass die Importe, sprich die Lieferungen vom Osten nach Österreich, was Industriewaren anlangt, um mehr als 300 Prozent gestiegen sind. Das sind Fakten, die uns hoffen lassen können und uns die Chancen aufzeigen, die in dieser Osterweiterung liegen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die Österreichplattform zu sprechen kommen. Es ist dies eine Initiative der Bundesregierung, um – gleichgelagert wie die Euro-Information – eine Informationsplattform zu schaffen, um über die Erweiterung zu sprechen. Diese Dialogplattform ist wahrscheinlich auch ein Schlüssel zum Erfolg, und wir sind bisher, soweit ich informiert bin, das erste EU-Mitgliedsland, das eine derartige Plattform eingerichtet hat.

Ich möchte all jene, die an dieser Erweiterung interessiert sind – und ich bin sehr froh, dass es auch, was das Ermächtigungsgesetz anlangt, einen sehr breiten Konsens gibt –, ermutigen, gerade an diesem Dialog und an dieser Plattform, die seitens der österreichischen Bundesregierung eingerichtet wurde, sehr aktiv und tatenfreudig mitzutun, damit auch kommende Rats


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beschlüsse und künftige Verträge, die zur Ratifizierung anstehen werden, stimmeneinhellig im österreichischen Parlament verabschiedet werden können. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Reinhard Todt. Ich erteile ihm das Wort.

15.12

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg mitteilen, dass die sozialdemokratische Fraktion den Vorlagen zustimmen wird, habe aber trotz alledem einige Anmerkungen.

Ich beginne beim Nationalen Sicherheitsrat. Die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates war nach den Ereignissen des 11. September ein Gebot der Stunde. Diese gemeinsame Plattform über die Parteigrenzen hinweg zeigt das Bemühen, alle Fragen von außenpolitischem und sicherheitspolitischem Interesse gemeinsam zu diskutieren und gemeinsam zu erarbeiten.

Ich möchte Ihnen aber ein Beispiel bringen, bei dem diese Gemeinsamkeit schon gefragt gewesen wäre. Der Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers, einen Marshallplan für den Nahen und Mittleren Osten zu initiieren, wäre eine gute Idee gewesen, wäre diese Idee in einem solchen Nationalen Sicherheitsrat diskutiert worden. Ich habe aber nirgends gehört oder habe es nicht vernommen, dass bei den Reisen der Regierungsmitglieder in den Nahen und Mittleren Osten diese Idee überhaupt zur Sprache gekommen wäre. Weder die Frau Außenministerin noch der Herr Bundeskanzler noch der Herr Verteidigungsminister, der auch in Libyen war, haben diese Idee dort vorgebracht. Das wäre genau eine Maßnahme, die aktiv zur Friedensgestaltung in diesem Raum beitragen könnte.

Ich weiß nicht, ob es überhaupt ein gemeinsames außenpolitisches Konzept für den Nahen und Mittleren Osten gibt, wenn der Herr Bundespräsident über die Aktivitäten der Bundesregierung aus der Zeitung erfahren muss. Ich glaube, dass es gerade jetzt an der Zeit ist, eine gemeinsame österreichische Außenpolitik sichtbar zu machen. Professionelles, abgestimmtes internationales Auftreten statt persönlicher Animositäten ist gefragt. Dies gilt insbesondere auch innerhalb der EU und natürlich auch innerhalb der Vereinten Nationen.

Einige Anmerkungen zur Frage der EU-Osterweiterung möchte ich ebenfalls noch machen. Die Frage der EU-Osterweiterung ist für uns ein wesentlicher Beitrag für Frieden und Stabilität in Europa. Aber in dieser Bundesregierung gibt es auch keinen einheitlichen Standpunkt zur EU-Osterweiterung. Die FPÖ versucht nach wie vor, die Erweiterung zu torpedieren. – Das ist wieder ein Punkt, bei dem Politik gefragt wäre.

Österreichs Wirtschaft – mein Vorredner hat das auch angesprochen – wird durch die EU-Osterweiterung zu jenen Ländern gehören, die am meisten davon profitieren. So zeigt zum Beispiel eine Studie eines internationalen Forschungsprojektes unter Federführung des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes auf, dass unser Bruttoinlandsprodukt, wenn es die Erweiterung gibt, entsprechend wachsen wird. – Sie können einen Teil dieser Studie, in dem das aufgezeigt wird, auf Seite 25 im "Standard" nachlesen.

Die Studie besagt aber auch, dass die Chancen und die Risken dieses Jahrhundertprojekts auf Branchen und Regionen unterschiedliche Auswirkungen haben werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade hier ist die Politik gefordert, in den einzelnen Problemlagen Unterstützung zu bieten. Aber die Bundesregierung beschäftigt sich gerade bei der Osterweiterung mehr mit der Frage: Volksabstimmung – ja oder nein? Riess-Passer ist für ja, Schüssel ist für nein und so weiter.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe schon eingangs gesagt, dass wir Sozialdemokraten diesen Punkten zustimmen werden, weil wir meinen, dass Österreich gerade im Ausland mit einer Stimme sprechen soll. Aber diese Fragen sollten vorher gemeinsam diskutiert werden,


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und zwar auch unter Einbeziehung der Opposition. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

15.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Christoph Hagen das Wort. – Bitte.

15.18

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der 11. September 2001 hat gezeigt, wie wichtig es ist, bereit zu sein, eine Institution zu haben, welche auch unter schwierigsten Bedingungen und unter unvorstellbaren Anlässen die nötigen und richtigen Schritte setzt. Eine solche Institution, welche auch in schwierigen Zeiten kühlen Kopf bewahrt und die richtigen Schritte setzt, ist nun dieser Nationale Sicherheitsrat, welchen wir heute beschließen werden.

Sicherheit geht uns alle an, und es darf nicht sein, dass es mit diesem Beschluss über den Nationalen Sicherheitsrat getan ist. Nein, da muss mehr folgen. Auch in Österreich haben wir einige der so genannten Schläfer, welche, wenn sie vom so genannten Propheten gerufen werden, aktiv werden und unheimliches Leid und Schaden anrichten können. Fanatismus, Fundamentalismus sind äußerst gefährliche Vorstufen zum Terrorismus. Sicherheit und Schutz vor Terrorismus können leider nicht allein durch diesen Nationalen Sicherheitsrat erwirkt werden.

Die FPÖ hat sich darüber Gedanken gemacht und dieses FPÖ-Antiterrorpaket zur Ergänzung des Nationalen Sicherheitsrates ins Leben gerufen. In einem 13 Punkte umfassenden Programm wird aufgezeigt, wie mit einfachsten Mitteln das Maximum an Sicherheit erreicht werden kann. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn diese Vorschläge europaweit eingeführt würden. Der deutsche Innenminister Schilly ist auch mit diesem Problem befasst und auf dem besten Weg dahin; und ich glaube, einige dieser Punkte aus dem Antiterrorpaket der FPÖ sind bereits in Umsetzung.

Herr Kollege Schennach hat die Fingerprints angesprochen. Ich muss Ihnen sagen, Herr Kollege, mit den Fingerprints kriminalisieren wir nicht 8 Millionen Österreicher, sondern Fingerprints – das kann ich Ihnen als Exekutivbeamter sagen – sind eine sichere, einmalige und 100-prozentige Identifizierungsmethode. Das heißt, das kann mir auch helfen. Ich sehe darin auch kein Problem. Wer nichts zu verbergen hat, der braucht sich auch nicht zu fürchten.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben mit dem Gesichts-Scan bei unserem Parlamentsausweis im Prinzip auch eine Visitenkarte hinterlassen, die dem Fingerprint sehr nahe kommt. Ich sehe auch daran nichts Schlimmes, und ich glaube, auch Sie nicht.

Verschärfte Strafen gegen so genannte Trittbrettfahrer – eine Forderung, die wir, so glaube ich, alle unterschreiben können und die bereits umgesetzt wird – stehen ebenfalls in diesem FPÖ-Antiterrorpaket. Auch der Kampf gegen Asylmissbrauch, die sofortige Ausweisung ausländischer Straftäter bei Gewalt oder Aufruf zur Gewalt und noch viele weitere Punkte zur Verbesserung der Sicherheit sind in diesem Antiterrorpaket der FPÖ beinhaltet.

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass durch den heutigen Beschluss, einen Nationalen Sicherheitsrat in Österreich einzuführen, ein Sicherheitsgewinn erwirkt wird, jedoch müssen weitere Schritte – wie bereits gesagt – folgen. Es darf nicht sein, dass die Welt von Terroristen und fanatischen Irren regiert wird. Arbeiten wir gemeinsam für ein sicheres und freies Österreich, auch wenn das bedeutet, dass mancher eine geistige Hürde, was die Interpretation der persönlichen Freiheit angeht, überspringen muss! (Beifall bei den Freiheitlichen und des Bundesrates Hensler. )

15.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon. Ich erteile ihm das Wort.

15.22

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte ein paar Ergänzungen zu den Debattenbeiträgen machen, vor allem in Bezug


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auf das Thema Nizza. Ich glaube auch, dass es ein wichtiges Signal des Parlaments ist, wenn wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. Ich gebe aber diese Zustimmung nicht aus dem Grund, dass ich meinem Koalitionspartner gegenüber loyal bin, sondern ich gebe sie aus tiefster Überzeugung.

Das Ergebnis von Nizza, das heute mehrmals kritisiert worden ist, ist, so glaube ich, auch das Ergebnis eines mutlosen Handelns von europäischen Regierungen. Wenn nationale Interessen überhand nehmen, dann kommt genau solch ein Ergebnis heraus und dann muss mit viel Mühe nachjustiert werden.

Ich möchte das vielleicht an einem Beispiel noch deutlicher darstellen, und zwar an einem Gegenpol. Wenn Helmut Kohl damals lange gefragt hätte: Sollen wir die Mauer jetzt niederreißen oder nicht?, dann wäre das wahrscheinlich nie passiert. Er hat es getan und damit in Wirklichkeit die Osterweiterung eingeleitet. Damit meine ich, dass ich mir von den Regierenden wünschen würde, dass wir wieder ein Stück mehr Verantwortung für Europa übernehmen und nicht nur für Österreich – auch, aber nicht nur.

Das Votum in Irland ist heute auch angesprochen worden. Nur ein Drittel der Bevölkerung hat gewählt, zwei Drittel haben nicht gewählt. Ich glaube, das sollte uns nachdenklich machen. Das Ergebnis ist zu respektieren, das haben wir als Demokraten zu respektieren, aber dass zwei Drittel nicht zur Wahl gegangen sind, sollte uns eigentlich nachdenklich machen.

Was mir auch in der Diskussion auffällt, ist, dass die Europäische Union eine eigene Sprache entwickelt hat. Mir kommt es so ähnlich vor wie die EDV, die ebenfalls eine eigene Sprache entwickelt hat. Da gibt es eigene Begriffe mit Begriffswelten darunter, und wenn man diese Begriffe nicht versteht, dann ist man außerhalb dieses Systems, außerhalb des Verstehens.

Ich glaube, dass wir hier sehr vorsichtig sein, sehr sensibel hinschauen müssen und dass wir – da haben wir als Abgeordnete auch Verantwortung – übersetzen müssen. Es hat bei uns im Bezirk eine Stelle gegeben, die EU-Regionalmanagement geheißen hat. Mittlerweile haben wir das "EU" leider gestrichen, jetzt heißt es nur mehr Regionalmanagement. Aber ich glaube, dass wir solche "Übersetzungsbüros" brauchen, die quasi die europäische Sprache in die regionale Sprache übersetzen. Das wäre mir persönlich sehr wichtig.

Ich glaube auch  – ich habe das das letzte Mal schon gesagt, Herr Kollege Gudenus –, dass wir mit dem Begriff "Zentrale in Brüssel" vorsichtiger sein sollten, weil wir alle die Zentrale sind. Auch die Freiheitliche Partei ist in dieser Zentrale. Europa ist auch freiheitlich. Das, was in Brüssel bestimmt wird, was in Brüssel an Regelungen entwickelt wird, hat in Wirklichkeit auch eine freiheitliche Handschrift. Ich glaube, dass wir, wenn wir auf die Zentrale schimpfen, uns auch ein wenig selbst schimpfen, und da sollten wir vorsichtig sein. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Was vielleicht noch wichtig zu erwähnen ist, weil es ein Beispiel dafür ist, wie es auch anders geht, ist: Wir haben mit der Zukunftsregion "Alte Nachbarn – neue Partner" ein wirklich bemerkenswertes Modell im Land Steiermark in Partnerschaft mit Slowenien entwickelt. Wenn man heute in der Steiermark die Menschen fragt: Wollt ihr, dass Slowenien dazukommt?, dann wird man wahrscheinlich eine sehr hohe Zustimmung bekommen. Diese Zusammenarbeit hat sich über mehrere Ebenen entwickelt. Das reicht von der Zusammenarbeit zwischen den Ländern bis hin zu Gemeindepartnerschaften, die in den letzten Jahren ganz intensiv entwickelt wurden. Ich glaube, wir als Steirer freuen uns, dass Slowenien und auch Ungarn dazukommen und dass auch sie gleichberechtigte und gleichwertige Partner in einem erweiterten Europa sein werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch etwas zum Thema Kompetenzverlagerung und zu dem, was uns Herr Landtagspräsident Schreiner gesagt hat: Das Ergebnis der Landtagspräsidentenkonferenz nehme ich als Abgeordneter und als Bundesrat zur Kenntnis. Das dient mir persönlich als Teil meiner Meinungsbildung. Die Entscheidung treffe ich noch immer selbst und lasse sie mir auch von


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keinem Landtagspräsidenten vorschreiben. Ich sage das sehr bewusst dazu. Nichtsdestotrotz sollten wir schon über die Aufteilung von Kompetenzen nachdenken.

Mein Eindruck ist derzeit so, dass viele Kompetenzen nach Brüssel wandern, und ich glaube, dass in so einem Prozess auch die Fragen berechtigt sein müssen: Gibt es auch ein Recht auf Kompetenzrückfluss? Wie kann das organisiert werden? – Da glaube ich doch, dass zum Beispiel der Ausschuss der Regionen ein wertvolles Instrument sein kann, wenn er den entsprechenden Status bekommt und mit einem entsprechenden Klagsrecht ausgestattet wird. Ich glaube weiters, dass der Europäische Gerichtshof mit einem Senat, der sich um Fragen der Subsidiarität kümmert, ein wesentliches Element werden kann. Das sollten wir, so glaube ich, auch nachhaltig einfordern, aber die grundsätzlich positive Linie zu dieser EU-Osterweiterung ist innerhalb der ÖVP unbestritten. (Beifall bei der ÖVP.)

15.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Gerd Klamt das Wort. – Bitte.

15.30

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den Ereignissen des 11. Septembers dieses Jahres hat sich die Welt verändert. Die Vereinigten Staaten von Amerika sowie die freien Demokratien Europas und der ganzen Welt haben erkennen müssen, dass es ein neues Bedrohungsbild gibt, dem wir nur mit zusätzlichen neuen Strategien erfolgreich entgegentreten können. Der Kampf gegen den Terrorismus geht uns alle an. Wir erkennen auch, dass der Wert der Europäischen Union am effizienten Vorgehen gegen diese neue Bedrohung und damit auch an der Umsetzung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gemessen werden wird.

Einige Fraktionen in diesem Hohen Hause werden angesichts der neuen Situation auch ihr gespaltenes Verhältnis zum Berufsbild des Soldaten überdenken müssen. Ich bin sehr froh und glücklich darüber, dass ich einer Generation angehören darf, der kriegerische Auseinandersetzungen erspart geblieben sind. Mir ist aber immer klar gewesen, dass Bedrohungsszenarien auftreten können, die den vollen Einsatz aller Staatsbürger erfordern und die ohne gut ausgebildete, motivierte Berufssoldaten nicht bewältigbar sind.

Die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates war ein Gebot der Stunde und ist eindeutig zu begrüßen. Umfassende Sicherheit erfordert klare Strukturen und kurze Entscheidungswege. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Republik wünschen sich mehr Sicherheit, und diese Sicherheit kann nur gewährleistet werden, wenn wir bereit sind, Bestehendes bewusst in Frage zu stellen und neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fingerprints gebe ich – und mit mir, so nehme ich an, die Mehrzahl der Österreicherinnen und Österreicher – gerne ab, wenn unsere Ausweise durch den Einsatz moderner Technologien fälschungssicherer werden und wir damit die Reiseaktivitäten von Terroristen einschränken können.

Im Zusammenhang mit dem Streben nach mehr Sicherheit kommt auch dem Erweiterungsprozess nach Nizza immer mehr Bedeutung zu. Der Weg ist richtig, es muss nur klar ausverhandelte Bedingungen nach festgelegten Regeln geben. Menschenrechtswidrige Bestimmungen wie die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Bestimmungen müssen von den Beitrittswerbern vor Annäherung an die Europäische Union als Ballast abgeworfen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Das Thema des Ausstiegs aus der Atomenergie muss unter Wahrnehmung der Interessen unserer Bevölkerung abgehandelt werden. In diesem Sinne wird die freiheitliche Fraktion die Tagesordnungspunkte 12 bis 15 mittragen.

Sehr froh bin ich auch darüber, dass ich mit dem, was ich jetzt sagen werde, in diesem Hohen Hause nicht alleine bin. Auch ich darf an den Salzburger Landtagspräsidenten, Universitätspro


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fessor Dr. Schreiner, erinnern. Er ist als überzeugter Föderalist im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Vertrages von Nizza für eine Stärkung der Länderrechte im Rahmen der Europäischen Union eingetreten. Ich meine, dass er es verdient hat, dass wir uns als Bundesrat mit seinen Anliegen ernsthaft auseinander setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

15.35

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Da die sicherheitspolitische Dimension des Nationalen Sicherheitsrates bereits ausführlich beleuchtet wurde, möchte ich auf die Frage zurückkommen, wie dabei die Interessen der Länder und des Bundesrates selbst berücksichtigt sind.

Zunächst zum Bundesrat: Nach § 3 Abs. 3 kann eine Partei, die mehr als einen Vertreter im Nationalen Sicherheitsrat hat, auch einen Bundesrat entsenden. – Das sieht auf den ersten Blick tatsächlich wie ein Erfolg aus, zumal von den Antragstellern Derartiges nicht vorgesehen war. Beim genaueren Hinsehen sieht das allerdings etwas anders aus. Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat tritt an die Stelle des bisherigen Landesverteidigungsrates – den es nicht mehr geben wird –, für den bisher folgende Regelung galt: Kann eine Partei mehr als einen Vertreter entsenden, so hat ein Vertreter dem Bundesrat anzugehören. – Herr Kollege Gudenus hat bereits auf diesen Unterschied hingewiesen – zwischen "kann" und "hat" ist er tatsächlich beträchtlich, und zwar zum Nachteil des Bundesrates beträchtlich. Eine bisher zwingende Berücksichtigung wird in eine beliebige und von Wohlwollen abhängige umgewandelt.

Nun ist richtig, dass im Rat für Auswärtige Angelegenheiten, der ebenfalls im Nationalen Sicherheitsrat aufgeht, eine solche Bestimmung anders formuliert war. Aber von zwei möglichen Varianten wurde jedenfalls die für den Bundesrat schlechtere gewählt. Es ist erstaunlich, dass das bis auf Herrn Kollegen Gudenus mehr oder weniger kommentarlos zur Kenntnis genommen wurde, aber das ist immerhin konsequent. (Bundesrat Mag. Gudenus:  ...! Ich habe es wenigstens vorgebracht!)

Politisch wesentlicher ist allerdings die Frage, wie die Interessen der Länder berücksichtigt sind, da der Selbständige Antrag zwangsläufig auf massiven Widerstand der Länder stoßen musste. Nicht nur dass Länder als Mitglieder des Rates überhaupt nicht vorgekommen sind – lediglich bei besonderer Betroffenheit eines Landes hätte man dieses beigezogen –, wäre ihre Einflussnahme auf die EU-Politik durch Wegfall des Rates für Integrationsangelegenheiten sogar noch erheblich zurückgedrängt worden.

Das ist insbesondere im Zusammenhang damit zu sehen, dass nach Auffassung der Bundesregierung unter informationspflichtige Vorhaben der EU im Sinne des Länderbeteiligungsverfahrens nur Initiativen der EU, nicht aber Initiativen Österreichs in der EU fallen. Für solche Angelegenheiten wurden die Länder bisher an den Rat für Integrationsangelegenheiten verwiesen. Nun bleibt dieser Rat bestehen und damit auch eine angemessene Einbindung der Länder in die Erarbeitung österreichischer Vorhaben für die EU-Politik, nämlich durch zwei Vertreter der Landeshauptleutekonferenz und zwei Vertreter der Landtage. Für diese Änderung des Antrages möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

In dem nun mit engeren und präziseren Zuständigkeiten als im Antrag ausgestatteten Nationalen Sicherheitsrat sind die Länder zwar nicht mit einem Vollmitglied vertreten, aber immerhin kann der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz ebenso wie der Herr Bundespräsident einen Vertreter mit beratender Stimme entsenden. Damit wird übrigens – Herr Kollege Schennach, den das üblicherweise interessiert, ist gerade nicht anwesend – in einem weiteren Bundesgesetz die Landeshauptleutekonferenz als Entsendungsorgan ausdrücklich verankert und sogar erstmals gesetzlich ausgesprochen, dass sie einen Vorsitzenden hat, der gegenüber dem Bund tätig wird.


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Wenngleich die nun gefundene Regelung hinter einer den Ländern – mit Zuständigkeiten für die innere Sicherheit und vor allem für den Katastrophenschutz – entsprechenden Lösung zurückbleibt, bindet sie die Länder doch in einem Maße ein, das eine Zustimmung aus der Sicht meines Landes geboten macht. Es wird aber interessant sein zu sehen, in welcher Weise in Deutschland die Länder eingebunden werden und ob sich aus einem wesentlichen Unterschied ein Anlass zu einem parlamentarischen Vorstoß zur Nachbesserung für die Länder ergeben wird.

Nun zum Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza. Es wurde schon erwähnt: Die Landtagspräsidentenkonferenz hat am 3. Mai dieses Jahres eine Verbesserung des Länderbeteiligungsverfahrens in EU-Angelegenheiten gefordert und den Bundesrat ersucht, die Zustimmung zum vorliegenden BVG – nicht erst zum Vertrag von Nizza – von der vorherigen Erfüllung der angeführten Forderungen abhängig zu machen. Weiters wurde der Bundesrat ersucht, zur Umsetzung dieser Anliegen eine entsprechende Gesetzesinitiative zu ergreifen. Dieses Thema war auch wesentlicher Inhalt der vom Bundesrat am 27. Juni veranstalteten Enquete und eines leidenschaftlichen Appells des inzwischen verstorbenen Salzburger Landtagspräsidenten.

Auf die Notwendigkeit einer Nachbesserung des 1992 für den EWR eingeführten und 1994 geringfügig geänderten Länderbeteiligungsverfahrens war auch schon im Begutachtungsverfahren von mehreren Ländern hingewiesen worden, ohne dass es dazu eine Reaktion von Bundesseite gegeben hätte.

Unabhängig davon, dass die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines förmlichen Junktims von den deutschen Ländern bei ähnlichen Gelegenheiten bejaht wurde, stellt sie sich für uns heute allein schon aus dem Grund nicht, weil es zu dem von den Landtagspräsidenten erwarteten Gesetzesantrag des Bundesrates gar nicht gekommen ist – ungeachtet dessen, dass wir von den Landtagspräsidenten einen konkreten Entwurf erbeten und auch erhalten hatten.

Übernächsten Montag steht dieses Thema neuerlich auf der Tagesordnung der Landtagspräsidentenkonferenz. Ich hätte es nicht von vornherein für unmöglich angesehen, vor der endgültigen Zustimmung zum heute behandelten Bundesverfassungsgesetz die Ergebnisse der Beratungen der Landtagspräsidentenkonferenz zu dieser nicht einfachen Situation abzuwarten, zumal wir bei der Ratifizierung des Vertrages von Nizza keineswegs zu den Nachzüglern zählen. Andererseits ist deshalb nichts zum Nachteil für das Anliegen der Länder präjudiziert, weil die Genehmigung des Vertrages von Nizza selbst auch noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf und es dem Bundesrat zudem auch völlig unabhängig davon freisteht, Gesetzesanträge einzubringen oder wenigstens in Entschließungen Wünsche an die Bundesregierung zu äußern. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir das tun sollten.

Dass die im Begutachtungsverfahren vorgebrachten und von den Landtagspräsidenten aller Länder bekräftigten Anliegen keineswegs aus der Luft gegriffen sind, möchte ich an zwei aktuellen Beispielen erläutern:

Es kommt immer wieder vor, dass den Ländern für die Prüfung von EU-Vorhaben und Stellungnahmen dazu Fristen von 24 Stunden eingeräumt werden. Im jüngsten konkreten Fall – Änderung der UVP- und der IPPC-Richtlinie – wurde zudem eine am 22. Oktober doch noch eingelangte Stellungnahme für eine erst am übernächsten Tag stattfindende Sitzung als verspätet zurückgewiesen und inhaltlich negiert.

Nun weiß ich natürlich, dass die Bundesregierung den Zeitdruck nicht selbst verursacht, sondern weitergibt, aber bei einer Häufung solcher kurzen Entscheidungs- und Stellungnahmefristen stellt sich schon die Frage, ob die Entscheidungsfindung noch ausreichend demokratisch legitimiert ist.

Hinsichtlich des Vorschlags einer Richtlinie für den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen haben die Länder am 31. Oktober des Vorjahres mit einer gemeinsamen Stellungnahme aus ihrer Vollzugspraxis heraus Bedenken wegen eines überschießenden Verwaltungsaufwan


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des geltend gemacht – ein durchaus aktuelles Thema. In den abschließenden Verhandlungen dazu gab es zwar zahlreiche Vorbringen von österreichischer Seite, es ist aber nicht nachvollziehbar, dass darunter auch jene der Länder gewesen wären. Beim Umweltministerrat im Juni wurde dann auch tatsächlich ein gemeinsamer Standpunkt zum Vorschlag der Kommission beschlossen, der den Länderanliegen in keiner Weise Rechnung trug.

Mit Schreiben vom 17. Juli wurde der Bund schließlich von den Ländern um Mitteilung ersucht, wie denn ihre Stellungnahme in den Tagungen der Ratsarbeitsgruppe und des Rates vertreten worden sei. Sie erhielten zwar nach einem Monat eine Antwort, die verfassungsrechtlich interessante Frage nach der außen- und integrationspolitischen Gebotenheit der Nichtberücksichtigung der Länderstellungnahme blieb aber völlig offen, obwohl der Bund zu einer solchen Begründung verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen wäre. Zwischenzeitige Nachfragen blieben ebenfalls ergebnislos.

Meine Damen und Herren! Dies möge beispielhaft erläutern, warum aus Sicht der Länder ihre Berücksichtigung in der österreichischen EU-Politik keineswegs so zufrieden stellend und vorbildhaft ist, wie das gerne dargestellt wird und wünschenswert wäre.

In dem bekannten Perchtoldsdorfer Paktum aus der Zeit vor dem EU-Beitritt war seinerzeit den Ländern zugesagt worden, dass ihre Mitwirkung am Entscheidungsprozess der EU nach Maßgabe künftiger Entwicklungen ausgebaut werden soll. Von Bundesseite wird nun die Auffassung vertreten, diese Weiterentwicklung des 1992 für den EWR konzipierten Verfahrens sei mit der anlässlich des EU-Beitritts vorgenommenen Übertragung der Regelungen auf die EU und der Einfügung eines neuen Artikels in das B-VG erledigt.

In diesem Hinweis wird aber völlig übersehen, dass mit diesem rein gesetzestechnischen Vorgang keine inhaltliche Weiterentwicklung und kein Ausbau verbunden waren. Sehr wohl hat eine Weiterentwicklung in den anderen Bundesstaaten der EU und sogar in Großbritannien stattgefunden. Es liegt bei einem Rechtsvergleich auf der Hand, dass wir inzwischen hinsichtlich der Mitwirkungsrechte der Gliedstaaten zum Schlusslicht geworden sind.

Dies ist aber eine Frage, die sozusagen bilateral zwischen dem Bund und den Ländern zu verhandeln ist und die über den Bundesrat hinaus auch eines entsprechenden Einsatzes der Länder selbst bedarf. Ich möchte damit ebenso wenig die Genehmigung des Vertrages von Nizza verknüpfen, wie ich es nicht für zweckmäßig halte, die Erweiterung der EU von der Lösung aller bilateralen Konflikte abhängig zu machen.

Ich verbinde die Zustimmung zu diesem Bundesverfassungsgesetz mit der Erwartung und Hoffnung, dass der Bundesrat die dazu geäußerten Anliegen in geeigneter Weise doch noch aufgreift und dem so häufig strapazierten Begriff der Länderkammer wieder einmal ein bisschen Inhalt gibt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Tusek. – Bitte.

15.46

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor ziemlich genau vier Jahren stand ich das letzte Mal an diesem Rednerpult, und ich habe damals, genau am 23. Oktober 1997, schweren Herzens meine Abschiedsrede gehalten.

Ich sagte damals wörtlich: "Erlauben Sie mir noch, einige persönliche Sätze anzuschließen. Höchstwahrscheinlich war das meine letzte Rede im Bundesrat, da ich mit 31. Oktober 1997 in den Oberösterreichischen Landtag wechseln werde. Ich habe diese Funktion nie angestrebt – zu gerne war ich und bin ich Bundesrat –, aber es ist der ausdrückliche Wunsch meines Landeshauptmannes." – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Kainz: So kann man sich täuschen! Bundesrätin Schicker: Sag niemals nie!)


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Ich sagte dies und habe in der Zwischenzeit stets wiederholt, dass meine eigentliche politische Heimat die Länderkammer des österreichischen Parlaments ist. Umso mehr freue ich mich, dass ich heute nach vierjähriger Pause hier im Bundesrat wieder angelobt wurde. Es ist für mich persönlich ein besonderes Vorzeichen, dass Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach gerade den Vorsitz führt, die mich als Präsidentin am 12. April 1991 in diesem Hause zum ersten Mal angelobt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich bemühen, meine gesamte Arbeitskraft zum Wohl dieses Hauses einzusetzen und verspreche Ihnen allen, dass ich über die Fraktionsgrenzen hinweg ein kooperativer Partner sein will.

Trotz aller inhaltlicher Unterschiede, die es zwischen den einzelnen Fraktionen gibt und in der Demokratie auch geben muss, steht für mich die Person im Vordergrund. Ich verspreche Ihnen, dass ich mich im Sinne meines christlichen Menschenbildes daran halten werde, Sie alle als Personen zu achten.

Nun aber zum eigentlichen Thema. Es geht bei diesen Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates um Sicherheit, und Sicherheit ist einer der wesentlichsten und entscheidendsten Werte für die Bürger unseres Landes. Österreich ist ein sicheres Land, doch ist Sicherheit keine Selbstverständlichkeit. Das müssen wir alle stets bedenken, und gerade wir, die wir politische Verantwortung tragen, haben eine besondere Aufgabe und Verpflichtung. Wir müssen den Menschen ein höchstmögliches Maß an Sicherheit garantieren.

Wie die Ereignisse des 11. Septembers in den Vereinigten Staaten gezeigt haben – das wurde hier schon einige Male zitiert –, ist Sicherheit heute ein sehr komplexes System. Die schlichte und lineare Einteilung in innere Sicherheit auf der einen Seite und äußere Sicherheit auf der anderen Seite gilt heute nicht mehr. Die neuen Bedrohungen, mit denen wir rechnen müssen – obwohl wir alle insgeheim hoffen, dass wir davon verschont bleiben –, kennen solche Grenzen nicht mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gilt, für alle nur denkmöglichen Bedrohungen gerüstet zu sein. Wir in Österreich sind im Großen und Ganzen gerüstet. Doch wie die Presseberichte dieser und der letzten Woche gezeigt haben – ich denke hier vor allem an die Presseberichte des Roten Kreuzes –, ist auch auf diesem Gebiet noch einiges zu verbessern.

Ich möchte die Gelegenheit nützen, mich in diesem Zusammenhang bei all denjenigen zu bedanken, die tagtäglich mit den Gefahren des Alltags zu tun haben. Ich denke in erster Linie an Beamte der Exekutive und des Bundesheeres, aber auch an alle Mitarbeiter der Einsatzorganisationen, seien sie es hauptberuflich oder ehrenamtlich. Diese Mitmenschen leisten Gewaltiges – wir haben es erst heute Vormittag wieder gehört –, und sie haben es sich tatsächlich verdient, auch von dieser Stelle aus wieder einmal ein ehrlich gemeintes Dankeschön für ihren Einsatz zu bekommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe betont, dass die Politik die Aufgabe hat, den Bürgern unseres Landes größtmögliche Sicherheit zu gewähren. Daher halte ich die Schaffung des Nationalen Sicherheitsrates für unumgänglich. Diese Maßnahme ist zukunftsweisend. Ich bin froh, dass sich Österreich sehr rasch den neuen Gefahren gestellt hat. Mit diesem Nationalen Sicherheitsrat haben wir ein parlamentarisches Gremium, in dem aber auch die Exekutive – die zuständigen Vertreter der Bundesregierung, aber auch höchste Beamte wie der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, der Sicherheitsdirektor und der Generaltruppeninspektor – vertreten sein wird.

Das hat Vizepräsident Jürgen Weiss bereits sehr deutlich ausgeführt: Für Vertreter der Länderkammer ist es erwähnenswert, dass auch ein Vertreter der Landeshauptleutekonferenz dabei sein kann. Kollege Gudenus! Ich kann Ihnen durchaus Recht geben: Dass es nur eine Kann-Bestimmung ist, dass Bundesräte teilnehmen können, ist – wie auch du gesagt hast, Jürgen – ein kleiner Wermutstropfen in dieser Sache.

Trotz allem finde ich, dass die Schaffung des Nationalen Sicherheitsrates eine richtige Antwort auf die neue Art der Bedrohungen unserer Sicherheit ist. Aus diesem Grund erlaube ich mir, Sie


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zu bitten, gegen diesen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates, die getrennt erfolgt. – Ich nehme an, wir schaffen es noch vor 16 Uhr, diese zusammengefassten Punkte abzuschließen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet und das Wehrgesetz 1990 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik und das Kriegsmaterialgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza.

Bei dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates handelt es sich um ein Bundesverfassungsgesetz, das nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


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Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Bei dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates handelt es sich ebenfalls um ein Bundesverfassungsgesetz, das nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jetzt jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es ist jetzt zwei Minuten vor 16 Uhr. Ich schlage eine Sitzungsunterbrechung vor, da es nicht mehr viel Sinn macht, den nächsten Tagesordnungspunkt in Verhandlung zu nehmen. Ich sehe schon den Herr Staatssekretär; er vertritt offensichtlich den Herrn Bundeskanzler.

Ich bitte Sie, wirklich um 16 Uhr wieder im Saal zu sein, damit wir die Sitzung zur Behandlung der dringlichen Anfragen wieder aufnehmen können, und unterbreche jetzt die Sitzung für zwei Minuten.

(Die Sitzung wird um 15.59 Uhr unterbrochen und um 16.02 Uhr wieder aufgenommen. )

Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend und das Glockenzeichen gebend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und GenossInnen an den Bundeskanzler betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen (1879/J-BR/01)

der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung durch widersprüchliche Aussagen der Mitglieder der Bundesregierung zu brisanten politischen Themen (1880/J-BR/01)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und GenossInnen an den Herrn Bundeskanzler sowie an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Da diese dringlichen Anfragen inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte. (Bundesrat Bieringer: Ein Reisender, schau! – Bundesrat Konecny  – eine Tasche unter das Rednerpult stellend –: Ja, man muss immer mit Gepäck antreten!)


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681. Sitzung / Seite 93

16.03

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe leere Bank! Ich habe keine Ahnung, wer hier eintreffen wird. Überraschungsmomente sind immer das, was dem parlamentarischen Diskurs Pfeffer gibt. Irgendjemand wird sich hier niedersetzen und irgendetwas über die Meinung der Frau Vizekanzlerin sagen – oder auch nicht. Aber das ist bei dieser Bundesregierung nicht so problematisch. Wenn nicht einmal die Außenministerin weiß, wie die Haltung der österreichischen Bundesregierung zu einem allfälligen Bombenstopp in Afghanistan ist, und ihr der Herr Bundeskanzler dies quer über den halben Erdball mitteilen muss, dann wird das sicherlich auch hier funktionieren.

Ich möchte nur ganz ehrlich feststellen, ich würde gewissen Wert darauf legen, meine Begründung der Anfrage in Anwesenheit desjenigen, der die Antworten geben wird, halten zu dürfen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Kollege Böhm!) Die stille Post ist zwar – was nicht persönlich gemeint ist – in weiten Bereichen ein durchaus zulässiges Informationsmittel, aber nicht wirklich in der Geschäftsordnung vorgesehen. (Bundesminister Mag. Grasser betritt den Saal. – Bravo-Rufe und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Finanzminister! Das interessante Spiel um die Vertretungen hat ein durchaus interessantes Ende gefunden. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das war aber nicht vorgesehen!) Das war dramaturgisch nicht vorgesehen. (Heiterkeit.)

Der Schulterschluss der Regierung wird hier offensichtlich behauptet, wenn auch kaum bewiesen werden. Das ist ein Problem der Opposition, die wir sind. Normale Oppositionen mit normalen Regierungen – das Verhalten der Opposition richtet sich immer nach der Regierung – pflegen zu sagen: Diese Regierung muss weg! Ich will nicht sagen, dass wir das nicht behaupten, aber der primäre Affekt ist, zu sagen: Wir wollen doch um Himmels willen eine Regierung haben, nicht aber ein merkwürdig kakophonisches Konzert, in dem eine Anzahl von Akteuren, die einander – in unserem Fall noch dazu in einer kaum mehr feststellbaren Art und Weise – gegenseitig vertreten, irgendetwas sagen! Da nimmt nämlich nicht nur das Ansehen der Regierung – und das ist nicht meine primäre Sorge –, sondern auch das Ansehen des Landes Schaden.

Wir haben bei der Vorbereitung dieser dringlichen Anfrage tatsächlich in einer geradezu schmerzhaften Art und Weise Selbstbeschränkung geübt (Bundesrat Bieringer: Na geh!), vor allem bei dieser wahrhaften Fülle von Themen, die in Wirklichkeit alle dasselbe illustrieren. Auch wenn wir davon optisch nicht überzeugt werden können: Die Behauptung, dass es einen Bundeskanzler gibt, ist unwidersprochen. Was er tut, ist nicht ganz klar, vor allem nicht, was er in dieser Regierung tut.

Wir wären daher schon sehr glücklich, würde nicht pausenlos den Interessen dieses Landes dadurch geschadet werden, dass – je nachdem – der Bundeskanzler, die Außenministerin, die Vizekanzlerin, der Landeshauptmann von Kärnten (demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus ) oder andere Mandatsträger Meinungen von sich geben, die beim besten Willen nicht unter einen einheitlichen Hut zu bringen sind. Der Sidestep, den die Bundesregierung dann allemal macht – das war ja nicht so gemeint, das war eine persönliche Meinung, darüber müssen wir noch reden, darüber führen wir eine breite Diskussion –, ist wirklich nicht das, was von einer Bundesregierung zu erwarten ist.

Wir haben uns also, wie gesagt, bei diesem schmerzhaften Prozess der Selbstbeschränkung die Diskussion über das außenpolitische Vertretungsmandat erspart, weil wir tatsächlich die Interessen der Republik wahren wollen. Der Schaden, den die Vertreter dieser Bundesregierung oder einzelne ihrer Vertreter – weil andere wieder gesagt haben, dass das gar nicht notwendig ist – in ihrer Auseinandersetzung mit dem Bundespräsidenten unserer gemeinsamen Außenpolitik zugefügt haben, ist wahrlich schon genug, und wir wollten nicht dazu beitragen. Wir wollten eben auch nicht – ich habe das schon kurz angeschnitten – die Koordinierung in einer so "unbedeutenden" Frage wie jener der Einstellung zum Bombenstopp durch eine Frage noch vertiefen. In dieser zentralen Frage ist schon genügend Porzellan zerschlagen worden, daher haben wir nicht die Absicht, mit den Scherben Politik zu machen.


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Wir haben uns auf drei Fragen konzentriert, die für die Geschicke dieses Landes und seine Zukunft zur Entscheidung anstehen und bei denen das Interesse der Bevölkerung sowie das Bedürfnis der Bevölkerung nach klarer Orientierung überwältigend sind.

Sie haben mich auf mein "Reisegepäck" angesprochen. Ja, das Erste dieser Themen ist die Neutralität. Wir haben in den letzen Tagen – so lese ich in der Wirtschaftspresse – eine bemerkenswerte Umsatzsteigerung bei einem bekannten österreichischen Exportartikel erlebt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Qualität!) Ich meine jetzt die Mozartkugeln, Herr Kollege! Die Erzeuger derselben haben mitgeteilt, es hat noch niemals derartige Umsatzzuwächse gegeben, seitdem der Herr Bundeskanzler – im übertragenen Sinn des Wortes – die Mozartkugeln in den Mund genommen hat. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir kennen aus der politischen Auseinandersetzung den Begriff der "Abstimmung mit den Füßen". Der Herr Bundeskanzler hat da etwas Neues ausgelöst, nämlich die "Abstimmung durch das Naschen", indem er die Mozartkugeln auf dieselbe Stufe wie die Neutralität gestellt hat. Es versteht sich von selbst, dass ich mir natürlich zur Erläuterung dieses Punktes eine Packung davon mitgenommen habe. (Der Redner stellt eine Schachtel Mozartkugeln links vor sich auf das Rednerpult. – Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )  – Nein, Kollege Gudenus, nicht zur allgemeinen Verteilung (Bundesrat Gasteiger: Sind die für Kollegen Bieringer?), aber Sie haben sich mit Ihrem in der Diskussion zum vorigen Tagesordnungspunkt abgegebenen klaren Bekenntnis zur Neutralität eine Mozartkugel verdient, die ich Ihnen hiemit überreiche. (Der Redner nimmt eine Mozartkugel aus der Schachtel und überreicht sie Bundesrat Mag. Gudenus. – Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat in diesem Zusammenhang ein weiteres nationales Heiligtum genannt, nämlich unsere Lipizzaner. (Der Redner stellt ein Stofftier in Gestalt eines Lipizzaner-Pferdes vor sich in die Mitte des Rednerpultes. – Beifall bei der SPÖ.) – Kolleginnen und Kollegen! Sie haben Recht mit Ihrem Applaus. Das sind nun tatsächlich Ikonen unseres Nationalbewusstseins. Welche Bewusstseinslücke der Herr Bundeskanzler gehabt hat, dass er nicht die Sängerknaben dazugezählt hat (Heiterkeit bei der SPÖ)  – was für mich jetzt ein gewisses Problem gebracht hätte –, weiß ich nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs. )

Aber natürlich hat der Herr Bundeskanzler bei der Aufzählung unserer nationalen Ikonen auch die Neutralität genannt – allerdings, wenn ich das Zitat richtig verstehe, nicht in guter Absicht. Er hat – und dieses Zitat ist zu bekannt, um es hier noch einmal wiederzugeben – diese drei Merkmale im gleichen Atemzug genannt, aber nicht, um zu sagen, dass wir uns damit auf unterschiedlichen Ebenen definieren – nein! –, sondern dass sie nicht mehr greifen, dass sie alte Schablonen seien.

Nur zur Erinnerung: Ich bin gerne bereit, das (der Redner stellt eine Tafel rechts neben sich auf das Rednerpult, auf dem, auf drei Zeilen mit abwechselnd rotem, weißen und wieder rotem Hintergrund aufgeteilt der Satz "Die Neutralität ist dauernde Basis unserer Außenpolitik" steht und darunter: "Julius Raab 26. Oktober 1955") nachher für die Wanddekoration im ÖVP-Klub zur Verfügung zu stellen. Darauf finden Sie ein Zitat eines der Großen der ÖVP, nämlich von Julius Raab, der, wie ich meine, zu Recht festgestellt hat, dass die Neutralität die dauernde Basis unserer Außenpolitik ist. Das ist ein Satz, der nicht nur in dem Augenblick, als ihn Julius Raab aussprach, Bedeutung hatte, sondern auch für die Jahre seither und ebenso für die Zukunft – von heute aus betrachtet.

Ich will kein Bekenntnis zu den Mozartkugeln ablegen, aber es ist schon richtig, und die Österreicher haben es ganz anders verstanden, als es der Herr Bundeskanzler erwartet hat. Jawohl! Es gibt Merkmale dieses Landes – drei davon hat er aufgezählt, keines davon lassen sich die Österreicher herausschießen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Grünen.)

Keine Frage – und das ziehen wir in dieser Anfrage nicht im Geringsten in Zweifel –: Die Neutralität ist ein völkerrechtliches Instrument, das dynamisch weiterzuentwickeln ist. Wir haben keine Scheu davor, das auch und gerade angesichts des Vertrages von Nizza, den wir soeben debattiert haben, zum Ausdruck zu bringen. Wir haben uns, durchaus initiativ, freigeschwommen


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von einer passiven Neutralität nach dem Muster der Schweiz zu einer aktiven Neutralität, die Engagement, deutlich hervorgekehrtes Verantwortungsbewusstsein und auch Solidarität beinhaltet. Und niemand behauptet, dass die Neutralität am Ende ihrer möglichen Entwicklung angelangt sei. Aber klar ist: So lange es kein besseres Instrument zur Verwirklichung dieser unserer Ziele einer aktiven und solidarischen Mitgestaltung auch durch einen Kleinstaat in einer wahrhaft schwierigen, konfliktreichen Welt gibt, solange werden wir diese Neutralität verteidigen und darauf bestehen, dass die verfassungsgesetzliche Festlegung, die auch diese Regierung nicht so einfach aus der Welt schaffen kann, nicht ausgehöhlt und zur leeren Floskel reduziert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin daher ausdrücklich nicht der Meinung des Herrn Landeshauptmannes Haider – nicht über die Fußballschiedsrichter –, dass die Neutralität schon nicht mehr existiere (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es aber!), weil wir schon mehr bei der NATO seien. Nein, das sind wir nicht! (Bundesrat Dr. Böhm: Weder – noch!) Wir haben, und das durchaus in Interpretation ... (Bundesrat Ing. Gruber: Wenn wir das Rednerpult anschauen, sind wir auf einem Jahrmarkt! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Winter: Schüssels Jahrmarkt!)  – Herr Kollege! Einmal im Jahr ist es angebracht, auch das zu Wort und zu Sicht kommen zu lassen, was in diesem Land vielen Menschen viel bedeutet. Ich habe kein Problem damit, hinter diesen Symbolen dreier wichtiger Elemente zu stehen und zu sprechen. Wenn es Sie stört, Herr Kollege, dann hören Sie nur zu und schauen Sie nicht her! Ästhetik ist nicht meine stärkste Seite. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Aber natürlich kann es – ich bin wegen des Zwischenrufes des Kollegen Böhm nicht beleidigt oder böse – die Meinung geben, dass die Neutralität nicht mehr zeitgemäß sei. Es kann auch die Meinung geben, dass wir die Neutralität über ihren eigentlichen Charakter hinaus weiterentwickelt haben. Darüber ist ein Diskussionsprozess zu führen. Aber Bundeskanzler, die diese Republik nicht nur repräsentieren, sondern auch politisch zu führen und den Menschen klare Hinweise zu geben haben, gehören nicht zu jenen, von denen wir einen, noch dazu sehr unfundierten – die Beispiele, die Sie so stören, stammen ja nicht von mir – Exkurs über deren verfassungsrechtliche Bedeutung erwarten dürfen. Nein: Wir dürfen gar nichts. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, sollten von diesem Bundeskanzler nicht ein Herummäkeln im dritten Rang, sondern klare Ansagen erwarten.

Nun werde ich mir mit dem folgenden Zitat hoffentlich keinen Zwischenruf einhandeln, aber Dr. Taus wird schon gewusst haben, warum er sich selbst und seinen damaligen "Mitgespons" Schüssel als "kalte Knackwürste" bezeichnet hat. (Bundesrat Ledolter: Das war der Busek!)  – Gut! Es stimmt nicht. Wir werden die Quellenforschung gemeinsam betreiben. (Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Tatsache ist, dass dieser Bundeskanzler immer dann seine Sidesteps macht, wenn es Ernst wird, dass er die Führung der Regierung, zu der er politisch – wenn auch nicht verfassungsrechtlich – berufen ist, nicht wahrnimmt und dass er in Wirklichkeit entscheidend dafür verantwortlich ist, dass wir diese auseinander driftenden Elemente der Regierungspolitik, durch die das Land Schaden nimmt, beständig vor uns haben.

Ich habe kein Problem damit, dass eine Regierung eine Politik betreibt, die mir nicht gefällt. Diese österreichische Republik ist auf Grund eines demokratischen Votums von einer anderen Koalition regiert, und die Sozialdemokraten befinden sich wie auch die Grünen in Opposition. Wir werden diese Regierung ... (Bundesrat Mag. Himmer: ... Stellungnahme! Das ist auch ein Lernprozess gewesen, nicht?)  – Ich fürchte, den Lernprozess hat uns die etwas eigenartige Regierungsverhandlung abgenommen. (Bundesrat Gasteiger: So etwas Unqualifiziertes! – Ruf bei der ÖVP: ... Auweh!)

Es tut uns weh, natürlich! Herr Kollege! Wir sind nicht angetreten, um Wahlen zu verlieren. Das würde dem Wesen einer politischen Partei widersprechen. Wir haben es nicht gerade als besonders glanzvoll empfunden, dass die größte, die stimmenstärkste Partei des Landes an der Regierung nicht beteiligt wird. Natürlich hat uns das nicht gefreut! Aber die Demokratie hat auch Bestandteile und Elemente, die nichtsdestoweniger zu respektieren sind, auch wenn sie einen


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nicht freuen. Aber eine Regierung zu kritisieren, weil sie unserer Überzeugung nach eine falsche Politik macht, ist die eine Sache, eine Regierung kritisieren zu müssen, weil sie keine Politik macht, das bereitet nicht einmal der Opposition wirklich Freude! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Neutralität – ich sage das noch einmal – ist ein verfassungsrechtlich abgesicherter Grundsatz unseres Staatsgefüges. Sie wissen so gut wie ich, dass es für die Änderung dieser Verfassungsbestimmung in keinem der beiden Kammern dieses Parlaments die erforderliche Verfassungsmehrheit gibt. Die scheibchenweise Demontage der Neutralität, zu der die Worte des Herrn Bundeskanzlers ein weiterer Schritt sind, ist nichts, was mit uns machbar ist. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es wird, wenn die Bundesregierung glaubt, mit einer solchen Politik fortsetzen zu müssen, notfalls auch der Hüter der Verfassung seine Meinung zu sagen haben.

Nun hat der Hüter der Verfassung, nämlich der Verfassungsgerichtshof, keine Meinung zu Aussagen, sondern zu konkreten Maßnahmen zu haben, aber parlamentarische Körperschaften haben sehr wohl das Recht und die Pflicht, auf Aussagen eines Regierungschefs, wenn sie in so unpassender Weise an einem Staatsfeiertag gemacht werden, zu reagieren, und das ist einer der Gründe dafür, warum wir heute diese dringliche Anfrage stellen.

Wir haben uns einen zweiten Themenbereich, der die Österreicherinnen und Österreicher in gleicher Weise bewegt, herausgegriffen, das ist die Frage des Atomkraftwerkes Temelín. Es ist, so glaube ich, kein Problem – auch nicht in diesem Hause –, in der Sache einen Konsens herzustellen und klar zu sagen: Es wäre uns allen um ein Vielfaches lieber, die tschechischen Behörden und die tschechische Politik würden nicht die Politik der Fertigstellung und Inbetriebnahme dieses Kernkraftwerkes vertreten und hätten sich bei Fortsetzung der Politik der alten Bundesregierung – was ja nicht der Fall war – auf Angebote für eine Energiepartnerschaft, einer Umrüstung des Kernkraftwerkes eingelassen. – Darüber gibt es zwischen uns keinen Dissens.

Worüber es jedoch Dissens gibt, ist, welche Optionen uns im Rahmen der Auseinandersetzung zur Verfügung stehen. Und das ist, gerade weil es um ein solch zentrales Thema geht, nicht irgendeine taktische Nebenfrage, sondern das ist die Kernfrage.

Einmal mehr gibt es da eine Bundesregierung, die in sich zutiefst gespalten ist; es gibt zwei Regierungsparteien, die einander ausschließende Formen der Politik betreiben, und das Ergebnis ist – wie zu erwarten –: nichts! Denn zwei unterschiedliche Strategien bedeuten, dass man die bescheidenen Kräfte dieses Landes zersplittert und natürlich nichts erreicht.

Da gibt es auf der einen Seite ein Volksbegehren, das drei Landesparteiorganisationen der FPÖ initiiert haben, über das sich die Frau Vizekanzlerin zeitweilig außerordentlich freundlich geäußert hat und das zum Ziel hat, dass für den Fall, dass das Atomkraftwerk Temelin zum Zeitpunkt der Beitrittsentscheidung nicht abgeschaltet ist – um es vereinfacht zu sagen –, von österreichischer Seite ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens eingelegt wird.

Das ist aber auch wieder nicht so klar, so höre ich. Kollege Schweitzer aus dem Nationalrat, der gerade dabei ist, die Agenden des Generalsekretärs zu übernehmen, hat gesagt, ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens wegen des AKW Temelín sei nicht Parteilinie der FPÖ. – Soll sein! Die Parteilinie der FPÖ hat viele Windungen durchgemacht, diese fällt auch nicht weiter auf. Allerdings hat Herr Landeshauptmann Haider dann erklärt, er erwarte sich nicht nur, dass die Frau Vizekanzlerin dieses Volksbegehren unterschreibt, sondern dass sie auch ein Veto im Ministerrat einlegt, sollte die Regierung dem Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien zustimmen – was zwar nicht ganz dasselbe ist, aber das muss man ja nicht wissen.

Auf der anderen Seite gibt es die ÖVP. Die ÖVP in Person des Herrn Landeshauptmannes von Oberösterreich war gestern auf einer Regatta zu beobachten, allerdings auf einer Regatta in umgekehrter Richtung: "Zurückrudern" nennt man das in der politischen Umgangssprache! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Der Herr Landeshauptmann hat sich redlich bemüht, mit starken Worten zu sagen: Das tut mir alles entsetzlich Leid, aber da kann man leider nichts machen. – Das ist auch nicht wirklich eine überzeugende Strategie, zumal hier schon starke Worte und starke Drohungen zu hören waren.


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Es gibt natürlich auch Herrn Minister Molterer – heute ebenfalls nicht im Lande und daher nicht befragbar –, der etwas klar festgestellt hat, was an sich niemand in Zweifel gezogen hat, nämlich dass das souveräne Recht jedes Staates bestünde, über seine Energieträger selbst zu entscheiden. Dieses Recht habe auch die Tschechische Republik für sich in Anspruch genommen, und sie könne es – nach Meinung Molterers – in Anspruch nehmen.

Innerhalb von eineinhalb Stunden hat es dazu zwei Presseerklärungen gegeben: eine von Herrn Klubobmann Khol: "Khol unterstützt Politik Molterers zu Temelin" – obwohl dieser Satz ja nicht wirklich eine Politik beschrieben hat (neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ)  –, und eine von Herrn Westenthaler: "FPÖ-Klubobmann über Aussagen Molterers befremdet", und weiter: "dies sei nicht Regierungslinie ..."

Sie werden verstehen, dass wir gerne wüssten, was Regierungslinie ist: das achselzuckende "Tut uns Leid, die Tschechen machen eben, was sie wollen, und daran können wir sie nicht hindern!", oder das Befremden des Herrn Westenthaler, der behauptet, das sei nicht Regierungslinie? Was ist Regierungslinie?

Ich gestatte mir einen kleinen Schlenker: Das, was Regierungslinie sein sollte, hat nun nicht wirklich stattgefunden, nämlich der Versuch, Verbündete in Europa zu suchen. Denn es ist keine Frage, dass die Pression gegenüber einem Nachbarn nicht wirklich eine Erfolg versprechende Strategie ist, vor allem aus folgendem Grund: Wenn man ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens einlegt, dann ist Tschechien nicht EU-Mitglied, aber Temelin ist trotzdem in Betrieb. – Es ist mir jedenfalls nicht bekannt geworden, dass der Betrieb Temelins von der EU-Mitgliedschaft Tschechiens abhängt.

Wenn das FPÖ-Volksbegehren erfolgreich ist, sind die Tschechen nicht in der EU, es gibt keine Kompetenz der Europäischen Union, auf Sicherheitsstandards zu achten, das Klima mit Tschechien ist ordentlich "im Brunnen", und Temelin läuft, läuft und läuft. Und wenn wir Pech haben, strahlt es, strahlt es und strahlt es! – Also eine zielgerichtete Strategie, die besagt: Wir haben die Interessen der Bevölkerung im Auge!, kann ich darin nicht erkennen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben ... (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Was hat Herr Gusenbauer ... Außenpolitik betrieben, weil er pendelt ja jetzt auch ... israelischer Botschafter!?)  – Der strahlt aber nicht, wenn er kommt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Merken Sie sich Ihren Zwischenruf! Reden Sie mit der Frau Außenministerin darüber, was das wesentliche Ziel dieser Bundesregierung im Nahen Osten ist, und wenn Sie dann immer noch meinen, den Zwischenruf machen zu dürfen, dann machen Sie ihn Anfang Dezember! Informieren Sie sich zuerst darüber, welche gemeinsamen Ziele Regierung und Opposition gegenüber Israel verfolgen, bevor Sie mit einem solchen Zwischenruf noch einmal – das ist zwar nur ein kleines Häferl, aber trotzdem – Porzellan zerschlagen! (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) Lassen Sie es bitte! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage noch einmal: Die erfolgversprechende Strategie ist nicht einfach. Diese Illusion kann vis-a-vis von zwei ganz großen europäischen Mitgliedstaaten, also EU-Mitgliedstaaten, die ihre Energieversorgung im Wesentlichen auf Kernkraft abgestellt haben, niemand erwecken. Aber wir waren nicht ganz erfolglos – ich sage hier bewusst "wir", weil ich nicht mit Jänner 2000 differenzieren will – in dem Versuch, verbindliche europäische Sicherheitsstandards zu schaffen und sie auch gegenüber den Kernkraftwerken der Beitrittswerber zur Anwendung zu bringen. Wir hätten erfolgreicher sein können, aber diese Schiene ist nicht weiter verfolgt worden, diese Schiene ist in Feindseligkeit verstummt, und sie wird weiter in Feindseligkeit verstummen, wenn das Veto Realität wird, weil dann werden nicht nur die neuen Mitglieder, die keine geworden sind, Retorsionen anwenden, sondern es werden auch jene anderen 14 Mitgliedstaaten, die Hoffnungen und Erwartungen in das Projekt der Erweiterung stecken, auf den, der sie in einem Fall oder mehreren Fällen vermasselt hat, sehr böse sein und dementsprechend reagieren.


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Dieses Problem können wir nicht durch Trotzköpfigkeit, aber auch nicht durch pure Nachgiebigkeit lösen, sondern nur durch das Gewinnen europäischer Verbündeter. Verbündete hat man aber nicht nur dadurch, dass sie zufällig ähnlicher Meinung sind, sondern dadurch, dass man mit ihnen spricht oder mit ihnen Strategien berät.

Von den beiden eher zufällig anwesenden Regierungsmitgliedern erwarte ich mir, dass sie dazu Aussagen treffen, an denen nicht nur die Opposition – wir sind die Steller, aber nicht die alleinigen Adressaten dieser Antworten –, sondern auch die österreichische Bevölkerung eine klare Orientierung erkennen können.

Es gibt ein Drittes, das eng in Verbindung mit dem, was wir ausgewählt haben, steht: Das ist die EU-Osterweiterung. Keine Frage: Das ist ein großer und bedeutender Prozess zur Wiederzusammenführung dieses Kontinents, und ich halte fest, dass sich die österreichische Bundesregierung gemäß der Präambel der Regierungserklärung zu diesem Friedensprojekt Europa bekennt und feststellt, dass in der Vertiefung der Integration und der Erweiterung der Union auch Österreichs Zukunft liegt.

Da gibt es aber wieder jenes in der Bundesverfassung nicht vorgesehene einfache Parteimitglied, das seit allem Anfang sagt: Ohne Volksabstimmung wird das nicht gehen. Die Österreicher sollen also darüber abstimmen – nicht auf Grund sachlicher Kriterien, die sie zu erfüllen haben, das ist ein ganz anderes Thema –, ob wir sie mögen, ob wir sie wollen, ob sie hineindürfen.

Die Europäische Union hat jeden Beitrittswerber, auch seinerzeit den Beitrittswerber Österreich, den Acquis vorgelegt, den Rechtsbestand, den jedes Mitglied der Europäischen Union erfüllen muss und den allenfalls gewisse Übergangsbestimmungen sowohl hinsichtlich der Rechte als auch der Pflichten zeitweilig verzögern können.

Auch wir haben solche Ausnahmebestimmungen für uns verlangt und bekommen, sie wurden von uns gefordert, und wir haben sie gewährt. Wir sind weit fortgeschritten, wenn auch nicht bei allen Beitrittswerbern, beispielsweise bei der für uns sehr wichtigen Frage der Freizügigkeit von Arbeitskräften. Wir werden aller Voraussicht nach bei allen mit einer siebenjährigen Übergangsfrist operieren, auch wenn sich noch einzelne verhandlungsführende Staaten zieren, aber das ist wohl der mögliche gemeinsame Nenner. Es gibt individuelle Ausnahmen in beiden Richtungen, die gewährt werden müssen, um einen gleitenden und friedlichen Übergang dieser Staaten zu ermöglichen. Es gibt Forderungen, die aus dem Kreis der EU gestellt werden, um uns einen gleitenden Übergang zu ermöglichen. Es ist keine Frage – aber das sage ich nur am Rande –, dass Österreich seine Hausaufgaben bei der Osterweiterung machen muss, die Grenzregionen stärken muss, um sie im Wettbewerb mit Betrieben, die billiger produzieren können, weil sie niedrigere Arbeitskosten haben, zu stärken, und infrastrukturell bestimmte Region mit eigenen Mitteln zu stärken hat.

All das ist unbestritten, und auch wenn wir hier graduelle Unterschiede haben mögen, so ist über diese zu diskutieren.

Der Herr Bundeskanzler – da lobe ich ihn nun – hat auf die Forderung nach einer Volksabstimmung – ich meine zu Recht – geantwortet: Das ist nicht fair! Auch Österreich hätte es sich verbeten, dass über seinen Beitritt in einem anderen Land abgestimmt wird. Richtig, dieser Meinung sind wir auch. Aber eine Bundesregierung, in der der eine Teil eine Volksabstimmung als unverzichtbar fordert und der andere Teil sagt, nein, das ist nicht fair, das machen wir nicht, ist nicht das, was die Politik eines Landes einigermaßen ausrichten kann.

Daher ist es ein zwar nicht parteipolitisch, aber ressortmäßig glücklicher Zufall, dass der Herr Finanzminister zu uns gefunden hat. Ich bin – der Herr Botschafter ist anwesend – vorgestern in der Sitzung des EU-Ausschusses zurechtgewiesen worden – sachlich völlig zu Recht –, als ich zur Frage des EU-Beitritts gemeint habe: Die Zusage, dass die neuen Mitgliedstaaten 2004 bei der Wahl des Europäischen Parlaments mitwählen können, könnte man auch im Sinne einer Vorratswahl interpretieren, sodass die Abgeordneten vielleicht ein halbes Jahr später ihr Amt


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antreten können. Er hat mit Recht darauf verwiesen, dass in den Beschlüssen von Göteborg steht: als Mitglieder. Das ist ein klarer, wenn ich mich richtig entsinne, vom österreichischen Bundeskanzler und der österreichischen Außenministerin in Göteborg mitgetragener Zeitplan. Das würde heißen: Abschluss der Verhandlungen bis Ende 2002, 2003 ist die Ratifizierungsperiode, und der Beitritt erfolgt voraussichtlich, wenn nicht irgendwelche Beitrittsurkunden in Verstoß geraten, was es angeblich schon einmal gegeben hat, mit 1. 1. 2004.

Mich gerügt fühlend greife ich zu den Abendzeitungen und lese mit Interesse, was Ihr Staatssekretär, Herr Minister, sagt: Wir rechnen mit der Erweiterung erst 2006. Alle internen Planungen des Finanzministeriums, etwa bei der Umstellung der Zollabfertigung, gehen von einer ersten Erweiterungsrunde im Jahr 2006 aus, beharrte Finz. – Jetzt weiß ich nicht, ob das mit Ihnen abgestimmt ist. Nachdem wir nicht damit rechnen konnten, Sie hier vorzufinden, findet sich das auch nicht in unserem Fragenkatalog, es ist also eine rein persönliche Bitte an Sie, vielleicht dazu auch ein paar Worte zu sagen. Jedenfalls ist das ein weiterer Beweis dafür, mit welchem Schrotgewehr die Bundesregierung durch die politische Thematik unterwegs ist. Das Gewehr streut sehr breit, in diesem Fall zwischen 2004 und 2006. Ich hoffe nicht, dass die Verletzten dabei jene österreichischen Beamten sind, die dann etwas verblüfft feststellen müssen, dass sich die Zollabfertigung doch schon 2004 ändert.

Meine Damen und Herren! Die Beispiele und die Zitate ließen sich lange fortsetzen. Wir haben sie in knappest möglicher Form in ein paar Fragen gekleidet. Ich habe mir gestattet, Herr Finanzminister, jetzt eine zusätzliche Frage außerhalb allem, was mir die Geschäftsordnung gewährleistet, zu stellen, aber wenn Sie hier sind, dann muss man die Gelegenheit ergreifen.

Uns geht es darum, dass dieses Land eine klare Politik hat. Ich habe vor einer Stunde betont, dass wir dort, wo es um zentrale Fragen unserer nationalen Politik geht – Temelin, Osterweiterung und Neutralität sind solche zentralen Fragen –, sehr gerne bereit sind, politische Konzepte mitzutragen, wenn man uns nicht als lästiges Beiwerk, sondern als echte Partner betrachtet, wie das anerkanntermaßen bei der Gestaltung des Nationalen Sicherheitsrates der Fall war.

Bei diesen Fragen warten wir auf solche Angebote, allerdings gebe ich zu, wir sind hier zweitklassig, weil die erstklassige Entscheidung ist zunächst einmal zwischen den Regierungsparteien zu treffen. Ich schlage daher vor – nicht notwendigerweise in der heutigen Anfragebeantwortung –, Sie schauen dazu, dass das Match zwischen Ihnen einigermaßen entschieden wird, notfalls mit einem Unentschieden, und dann laden wir Sie herzlich ein, sich wieder bei uns einzufinden, vielleicht können wir dann einen diesbezüglichen Kompromiss mittragen.

Damit, dass es in den zentralsten Fragen zwei Politiken gibt, kann dieses Land nicht leben und unter uns gesagt, mit der Regierung auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies sei nur als Nachsatz gesagt: Das Plakat überreiche ich Kollegen Bieringer. Vielleicht gibt es eine Wand im ÖVP-Klub, auf die man das noch nageln kann. Das Bild von Julius Raab hängt wohl auch dort. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny überreicht Bundesrat Bieringer seine Tafel mit dem Zitat von Julius Raab.)

16.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich zunächst der Herr Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Franz Morak, zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

16.41

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundeskanzler, der seit gestern in Brüssel weilt und wesentliche Gespräche mit Premierminister Verhofstadt, Kommissionspräsidenten Prodi und Generalsekretär Solana führt, hat mich gebeten, die an ihn gerichtete dringliche Anfrage der Bundesräte Professor Konecny und Genossen für ihn zu beantworten.


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Ich danke von dieser Stelle aus Bundesrat Konecny, dass er sich für die knappe Form der Fragen entschieden hat. Ich bin allerdings dazu bereit und befu
gt, besonders ausführlich darauf zu antworten.

Lassen Sie mich zunächst ganz allgemein zu den Fragen 1 und 2 Stellung beziehen.

Die historische Bedeutung der österreichischen Neutralität steht für uns außer Frage. Sie war nicht nur die politische Voraussetzung für die Wiedererlangung der vollen Unabhängigkeit Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern sie hat Österreich auch eine eigenständige aktive Rolle in der Zeit der bipolaren Weltordnung ermöglicht.

Seit dem Wegfall des Ost-West-Konflikts haben sich jedoch die Rahmenbedingungen der österreichischen Sicherheitspolitik grundlegend geändert. Wir sind heute Mitglied der Europäischen Union und arbeiten solidarisch an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union mit. Die heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen bestehen darin, im Rahmen der Europäischen Union Frieden und Stabilität in umfassender Weise sicherzustellen.

Alle Erfahrungen des letzten Jahrzehnts haben gezeigt, dass Sicherheit nicht mehr im Alleingang, sondern nur noch im Verbund mit anderen gewährleistet werden kann. Die aktuellen Bedrohungen, ob es sich nun um transnationalen Terrorismus, organisierte Kriminalität, ethnische Konflikte, Drogen und Menschenhandel oder Flüchtlingsströme handelt, können nur durch gemeinsames Handeln der Staatengemeinschaft bewältigt werden.

Die gegenständliche Problematik hat durch die schrecklichen Attentate des 11. September eine neue Dimension bekommen. Und in aller Deutlichkeit sei gesagt: Gegenüber dem Terror kann und darf es keine Neutralität geben. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wie der Herr Bundeskanzler in der "Pressestunde" vom 4. November ausführte, heißt neutral sein allein sein. In diesem Sinne unterstützt die Bundesregierung das internationale Vorgehen gegen die Urheber dieser Anschläge und gegen jene, die sie unterstützen. Die diesbezüglichen Resolutionen des Sicherheitsrates geben uns im Übrigen dafür auch eine solide und sichere Grundlage.

In diesem Zusammenhang ist es nur logisch, die österreichische Sicherheitspolitik im Rahmen einer Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin neu zu definieren und an die geänderten Rahmenbedingungen in Europa und der Welt anzupassen. Es geht dabei nicht darum, aus opportunistischen Gründen die Neutralität über Bord zu werfen, es geht vielmehr darum, die Rolle Österreichs im europäischen Sicherheitsgefüge neu zu definieren, damit wir auch in Zukunft so wie in Zeiten des Kalten Krieges einen entsprechenden Beitrag zu Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent leisten können.

Konkret zu den Fragen 1 und 2:

Dass die Neutralität geltendes Recht ist, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, dies ist jedoch nicht die ganze Wahrheit. So bestand anlässlich des Golfkrieges 2 ein nationaler Konsens darüber, dass internationale Zwangsmaßnahmen auf der Basis eines Beschlusses des Sicherheitsrates im Rahmen des Kapitels 7 der Satzungen der Vereinten Nationen das Neutralitätsrecht nicht aktualisieren. Daran hat sich nichts geändert.

Weiters ist Österreich 1995 der Europäischen Union ohne jeden Vorbehalt beigetreten. Wir haben dabei insbesondere auch alle Verpflichtungen aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik übernommen. Damit wir diese Verpflichtungen auch uneingeschränkt einhalten können, hat der Bundesverfassungsgesetzgeber 1995 den Artikel 23 f B-VG geschaffen. Er hat dabei betont, dass diese neue Rechtslage den Kernbestand der Neutralität unberührt lässt. Dieser Artikel 23 f wurde anlässlich des Vertrages von Amsterdam den aktuellen Erfordernissen in Bezug auf die so genannten Petersberg-Aufgaben, also friedenserhaltende und friedensschaffende Maßnahmen, angepasst. Es war also immer unser Ziel, unsere Verfassungsrechtslage so


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auszugestalten, dass wir unsere völkerrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen uneingeschränkt erfüllen können, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Was Ihre Frage 2 betrifft, so kann ich Ihnen sagen, dass aus heutiger Sicht in der laufenden Gesetzgebungsperiode über die heute im Bundesrat vorliegende Novellierung des Artikels 23 f B-VG hinaus keine weitere verfassungsrechtliche Initiative in diesem Zusammenhang ins Auge gefasst ist. Im Übrigen nehmen wir natürlich die derzeitigen parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse betreffend diese Frage zur Kenntnis.

Der Herr Bundeskanzler hat dazu auch immer wieder betont, dass eine allfällige zukünftige Aufgabe der Neutralität nur nach Maßgabe einer Volksabstimmung erfolgen kann. Dies ist übrigens auch im Regierungsprogramm genau so festgehalten.

Zur Frage 3:

Zunächst sei daran erinnert, dass Österreich bereits lange Zeit vor der Aufnahme des Probebetriebes des KKW Temelin sowohl auf bilateraler als auch europäischer Ebene seine Bedenken zur Sprache gebracht und sowohl auf die offenen Fragen hinsichtlich der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit dieses Kernkraftwerkes als auch auf die ökonomische Problematik dieses Projektes hingewiesen hat.

Die Bundesregierung verurteilt auch mit aller Deutlichkeit die Entscheidung der tschechischen Behörden, den Probebetrieb im KKW Temelin ohne Nachdenkpause, vor Durchführung einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung sowie vor Abschluss der bereits laufenden Teil-UVP und ohne Bereitstellung der von der EU, von Deutschland und von Österreich zu wiederholten Malen eingeforderten umfassenden Information zu den Bereichen Sicherheit und Stand der Technik einzuleiten.

Die konsequente Haltung der Bundesregierung hat beim Gipfeltreffen von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel mit dem tschechischen Premierminister Zeman am 12. Dezember 2000 in Melk zu ersten Ergebnissen geführt. Die Tschechische Republik hat sowohl einer Ausdehnung des laufenden UVP-Verfahrens zu den baulichen Änderungen auf eine umfassende Unverträglichkeitsprüfung der gesamten Anlage nach europäischen Verfahrensregeln als auch einer von der Europäischen Kommission zu moderierenden Sicherheitsprüfung zugestimmt.

Weiters konnte eine Vereinbarung zur frühzeitigen und umfassenden Information über alle relevanten Ereignisse im KKW Temelin erzielt werden.

Schließlich räumte die Tschechische Republik Österreich die Möglichkeit ein, eine Messstation in unmittelbarer Nähe des KKW Temelin zu errichten und zu betreiben. Darüber hinaus bekräftigten die Parteien, dass sie der Verstärkung der Zusammenarbeit im Rahmen der bereits bestehenden Energiepartnerschaft mit den Schwerpunkten Steigerung der Effizienz der Energienutzung und erneuerbarer Energieträger, dem ungehinderten Verkehr von Personen und Waren sowie der Erweiterung der Europäischen Union als entscheidenden Beitrag zur Europäischen Integration große Bedeutung beimessen.

Auf der Basis dieses Melker Protokolls werden nunmehr von Österreich intensive und schwierige Verhandlungen mit den Vertretern der Tschechischen Republik geführt, um die Frage der Umweltverträglichkeit und der Sicherheit des Kernkraftwerks Temelin einer konsequenten und genauen Prüfung zu unterziehen, aus der sich dann die weiteren Schlussfolgerungen und Maßnahmen zu ergeben haben. Dazu ist zu betonen, dass diese Verhandlungen überhaupt erst auf Basis des Melker Protokolls möglich waren. Es ist im Übrigen auch zu betonen, dass das Melker Protokoll den Intentionen der Entschließung des Bundesrates vom 12. Oktober 2000 Rechnung trägt, in der der Nachweis über die aktuellen Sicherheitsstandards entsprechend dem aktuellen Stand der Technik auf EU-Ebene und der Umweltverträglichkeit des AKW Temelin gefordert wird.

In den Verhandlungen, die im Rahmen des Melker Prozesses von uns geführt werden, haben wir den Vertretern der Tschechischen Republik einerseits dargelegt, welche wichtigen Sicher


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heitsfragen aus österreichischer Sicht zu diskutieren sein werden und dass sie in geeigneter Weise zu lösen sind. Wir haben andererseits dargelegt, dass die Schlussfolgerungen der im Rahmen des Melker Prozesses vereinbarten Umweltverträglichkeitsprüfung präzise umzusetzen sind, wobei wir uns hier insbesondere auch auf die Empfehlung der tschechischen UVP-Kommission stützen. Wir haben der tschechischen Seite ferner dargelegt, dass allfällige Schlussfolgerungen aus dem Melker Prozess mit einem Höchstmaß an Verbindlichkeit für die tschechischen Behörden ausgestattet werden müssen.

Über diese Themen laufen derzeit Verhandlungen mit Vertretern der Tschechischen Republik. Die weitere Vorgangsweise im Rahmen des Melker Prozesses wird von den Ergebnissen dieser Verhandlungen abhängen. Herrn Kommissar Verheugen wurde diese Position Österreichs, der zufolge die Klärung der inhaltlichen Fragen vor Terminüberlegungen Vorrang besitzt, wiederholt – zuletzt anlässlich seines jüngsten Schreibens – zur Kenntnis gebracht.

Darüber hinaus ist zu betonen, dass den Klubobmännern der im Nationalrat vertretenen Parteien vereinbarungsgemäß am 5. November 2001 im Rahmen eines Berichtes des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eine ausführliche Darstellung der bisherigen Ergebnisse des Melker Prozesses übergeben wurde. Dieser Bericht enthält darüber hinaus detaillierte Informationen zum Stand der Beitrittsverhandlungen, zur überaus bedeutenden Frage der Definition europäischer Sicherheitsstandards im Nuklearbereich sowie zu Chancen von Ausstiegsszenarien in der Europäischen Union und in den Kandidatenländern.

Zur Frage 4:

In dem bereits erwähnten Bericht des Umweltministers an die Klubobleute heißt es wörtlich: Entscheidungen über Bau und Betrieb von kerntechnischen Anlagen unterliegen sowohl nach Gemeinschafts- wie Völkerrecht weiterhin der nationalen Souveränität. Dieser Umstand ist nicht zuletzt im Lichte der souveränen österreichischen Entscheidung gegen die Nutzung der Kernenergie zu bewerten.

Diese Feststellung entspricht der geltenden Rechtslage. Unbeschadet dessen setzt sich Österreich weiterhin massiv für die Definition europäischer Sicherheitsstandards im Nuklearbereich ein und begrüßt darüber hinaus mit Nachdruck alle Initiativen zum Ausstieg aus der Kernenergie. Dies manifestiert sich beispielsweise in der österreichischen Beteiligung an den Schließungsfonds für Nuklearanlagen in Ignalina, Kosloduj und Bohunice, die am 12. Juni 2000 auf Initiative der Europäischen Kommission eingerichtet wurden.

Ergänzend ist auf die zahlreichen konkreten Initiativen Österreichs zur Definition von nuklearen Sicherheitsstandards auf EU-Ebene hinzuweisen, die unter anderem ganz wesentlich zum Bericht der "working party on nuclear safety" beigetragen haben, dessen Ergebnisse ebenfalls in unsere Verhandlungen mit der Tschechischen Republik über die Anlage in Temelin eingeflossen sind.

Was die Frage des Ausstiegs der Tschechischen Republik beziehungsweise des Betreibers aus der Inbetriebnahme der Anlage in Temelin betrifft, so wurde dieses Thema seitens der österreichischen Bundesregierung selbstverständlich in die Verhandlungen mit der Tschechischen Republik eingebracht. Dies lässt sich insbesondere an den österreichischen Beiträgen im Rahmen der gesamten UVP zum Projekt Temelin nachvollziehen. Insbesondere ist hier auf die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft am 20. Juni 2001 an die tschechischen Behörden übermittelte Stellungnahme Österreichs im Rahmen der Gesamt-UVP gemäß Kapitel V des Melker Protokolls hinzuweisen, die sich bezüglich der so genannten Null-Variante auf eine vom Umweltministerium in Auftrag gegebene Expertise der österreichischen Energieverwertungsagentur stützt.

Selbstverständlich wurde die Frage des Ausstiegs in den Gesprächen mit Vertretern der Tschechischen Republik von österreichischer Seite immer wieder thematisiert. Zuletzt erfolgten derartige Initiativen im Herbst dieses Jahres zur Unterstützung einer vom Europäischen Parlament


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angeregten Ausstiegskonferenz für Temelin. Entsprechende Schreiben ergingen an Ministerpräsidenten Zeman, Kommissionspräsidenten Prodi und den gegenwärtigen Ratsvorsitzenden Ministerpräsidenten Verhofstadt.

Alle diese Initiativen ergaben, dass die Tschechische Republik zwar einerseits bereit ist, im Rahmen des Melker Prozesses mit Österreich über Fragen der Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Anlage in Temelin zu verhandeln, dass aber andererseits keinerlei Bereitschaft der tschechischen Seite besteht, in irgendeiner Weise den von österreichischer Seite immer wieder eingebrachten Ausstiegsüberlegungen näher zu treten. Diese Haltung zahlreicher maßgeblicher Vertreter der Tschechischen Republik ist durch vielfache öffentliche und auch persönliche Aussagen bekräftigt worden.

Zusammenfassend ist zu den Fragen 3 und 4 also festzustellen, dass es wie schon bisher auch jetzt immer noch um konkrete Verhandlungen und Ergebnisse bezüglich Sicherheit und Umweltverträglichkeit von Temelin geht und dass alle anderen Überlegungen angesichts dieser übergeordneten Ziele zurückzustellen sind. Wir befinden uns also im Stadium bilateraler Verhandlungen mit der Tschechischen Republik. Die Frage eines Vetos gegen den Beitritt der Tschechischen Republik zur EU stellt sich damit derzeit nicht.

Zu den Fragen 5 bis 7:

Die Erweiterung der EU um neue Mitgliedstaaten wird den Friedens- und Stabilitätsraum auf dem europäischen Kontinent ausweiten und sich durch eine engere, wirksamere Zusammenarbeit und eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auch international für Frieden und Konfliktlösungen fühlbar auswirken. Sie liegt daher vor allem wegen dieses Friedens- und Stabilitätszuwachses im Interesse Österreichs, das schon bisher wirtschaftliche Vorteile aus der Entstehung und Öffnung neuer Marktwirtschaften in seiner Nachbarschaft gezogen hat. Österreich steht mit den mittel- und osteuropäischen Kandidatenländern auch durch Geschichte und Kultur in einem besondern Naheverhältnis.

Mit den beim Europäischen Rat in Kopenhagen beschlossenen Beitrittskriterien konnten den Kandidaten die für den Beitritt notwendigen Voraussetzungen objektiv, transparent und nachvollziehbar dargelegt werden.

Die Europäischen Räte von Luxemburg und von Helsinki gaben die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen vor, wobei klargestellt wurde, dass die Fortschritte jedes Beitrittskandidaten in den Verhandlungen von den Vorbereitungsarbeiten des jeweiligen Landes auf den Beitritt abhängig gemacht würden.

Bei den Europäischen Räten von Berlin und von Nizza wurde sichergestellt, dass die Union selbst sowohl finanziell als auch institutionell in der Lage ist, die Beitrittskandidaten als neue Mitglieder aufzunehmen. Überdies wurde die Wegskizze für den weiteren Verhandlungsverlauf beschlossen, der einen Abschluss der Verhandlungen mit den am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten bis Ende 2002 und nach den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates in Göteborg deren Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2004 als Mitglieder vorsieht.

Gerade um den größtmöglichen Nutzen aus der Erweiterung für beide Seiten zu ziehen, hat sich Österreich von Beginn der Verhandlungen an stets an den Grundsatz "Gleichgewicht von Qualität und Geschwindigkeit" gehalten. Österreich verfolgt die Beitrittsverhandlungen seit Beginn mit großer Aufmerksamkeit und hat seine Vorstellungen und Interessen darin aktiv vertreten. Unter der österreichischen Präsidentschaft erhielt die Erweiterung einen entscheidenden Impuls, als konkrete Beitrittsverhandlungen zu sieben Verhandlungskapiteln eröffnet wurden.

Auf Grund seiner engen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen mit den Kandidatenländern folgt Österreich schon seit Anbeginn der Verhandlungen dem Grundsatz, dass jedes einzelne Verhandlungskapitel für Österreich von Bedeutung ist. Denn der Grundsatz, die Erweiterung möglichst sorgfältig vorzubereiten, impliziert, mögliche Effekte der Erweiterung möglichst frühzeitig auch in den Beitrittsverhandlungen zu thematisieren.


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Österreich brachte daher in stets sachlich-konstruktiver Weise im Rahmen der Erstellung von gemeinsamen Standpunkten der EU zu den einzelnen Verhandlungskapiteln seine Interessen ein. Ebenso nahm Österreich darauf Bedacht, die Kandidatenländer im Wege der Beitrittsverhandlungen frühzeitig auf die besonderen Herausforderungen bei der Übernahme und tatsächlichen Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes hinzuweisen. Seit mehr als drei Jahren laufen die Beitrittsverhandlungen mit fünf mittel- und osteuropäischen Ländern sowie mit Zypern, der so genannten Luxemburger-Gruppe. Ebenso sind am 15. Februar letzten Jahres die Beitrittsverhandlungen mit den restlichen fünf mittel- und osteuropäischen Ländern sowie mit Malta eröffnet worden. In der Zwischenzeit sind je nach Kandidatenland, außer Rumänien und Bulgarien, die Hälfte oder zwei Drittel der Verhandlungskapitel vorübergehend abgeschlossen worden.

Lassen Sie mich abschließend zur Beantwortung der Fragen 8 und 9 kommen.

Dazu haben wir eine ganz klare Position. Die Erweiterung der Europäischen Union ist aus wirtschaftlichen, aber auch aus politischen Gründen ein wichtiges Projekt. Gerade Österreich wird davon wirtschaftlich profitieren. Selbstverständlich werden wir alles daran setzen, dass das Ergebnis der Beitrittsverhandlungen allen österreichischen Interessen entspricht.

Der Verfassungsdienst hat die Frage einer verpflichtenden Volkabstimmung geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, dass kein rechtliches Erfordernis für eine Volksabstimmung über die kommenden Beitritte besteht. Dieses Gutachten ist im Übrigen allen parlamentarischen Fraktionen zur Kenntnis gebracht worden.

Aus meiner persönlichen Sicht möchte ich abschließend erwähnen, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, den Beitritt dieser Länder von einer Volksabstimmung bei uns abhängig zu machen. Das ist eine ganz grundsätzliche Position. Wir wollen nicht über das Schicksal anderer Länder abstimmen. Auch wir wären nicht einverstanden gewesen, wenn 1994 die damaligen EU-Mitgliedstaaten über uns abgestimmt hätten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Hört!-Hört!-Rufe bei der SPÖ.)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie bitte mit mir einen Gast, über den wir uns ganz besonders freuen. Es ist der Präsident des slowenischen Staatsrates, Herr Tone Hrovat, zu uns gekommen, in Begleitung des Vizepräsidenten Dr. Majeric und einer großen Delegation der Slowenisch-Österreichischen Gesellschaft.

Wir freuen uns, dass Sie hier sind, denn die Beziehungen zu unserem Nachbarland Slowenien sind gut und werden immer besser. Wir hoffen, dass sich das so weiter entwickelt, wie es unter guten Nachbarn üblich ist.

Sie haben jetzt vom Herrn Staatssekretär auch die Haltung des österreichischen Bundeskanzlers zur Erweiterung der Europäischen Union gehört. Ich freue mich ganz besonders, dass Sie, Herr Präsident, gerade in diesem Moment hier bei uns sind und das gehört haben.

Ich wünsche Ihnen und den Mitgliedern Ihrer Delegation einen guten Aufenthalt in Österreich und hoffe, dass die freundschaftlichen Beziehungen vertieft werden können. Herzlich willkommen und alles Gute für die weitere Entwicklung unserer freundschaftlichen Beziehungen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf nunmehr den Herrn Bundesminister für Finanzen zur weiteren Beantwortung bitten, das Wort zu ergreifen. – Bitte.

17.03

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Werter Kollege Staatssekretär! Sehr geehrte


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Vertreter der slowenischen Delegation! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können sich vorstellen, dass es mir ein besonderes Vergnügen ist, heute die Vizekanzlerin, Frau Dr. Susanne Riess-Passer, hier im Bundesrat vertreten zu dürfen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich darf Sie darüber informieren, dass die Vizekanzlerin, und zwar ganz im Sinne des gemeinsamen Bekenntnisses dieser österreichischen Bundesregierung, Gespräche mit einem Beitrittskandidaten, nämlich mit Ungarn, führt. Sie ist zu Besuch in Ungarn und trifft dort Sportminister Deutsch, Justizministerin David, Innenminister Pintér, der gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident ist, Kanzleramtsminister Stumpf und trifft schließlich bei einem Abendessen, das von Staatspräsident Mádl gegeben wird, mit demselben zusammen und übernimmt damit eine ganz wichtige Funktion für Österreich, nämlich mit Ungarn als unserem Nachbarn, mit dem uns viel in der Geschichte und in der Tradition unserer Länder verbindet, auch sehr konstruktive Gespräche in Bezug auf die Erweiterung der Union zu führen.

Meine Damen und Herren! Es wird in dieser Anfrage behauptet, dass die österreichische Bundesregierung die österreichische Bevölkerung verunsichern würde. Ich darf dem entgegenhalten, dass diese österreichische Bundesregierung gerade auch nach den tragischen Ereignissen des 11. September sehr professionell und sehr kompetent bewiesen hat – mit dem Management vor allem des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemeinsam (Bundesrat Marizzi: Vor allem bei der Reisediplomatie!) –, dass wir alles für die Sicherheit in diesem Land tun, dass in Österreich 60 Milliarden Schilling für die Sicherheit ausgegeben werden und wir damit eines der sichersten Länder der Welt sind. Ich darf Ihnen versichern, das wird mit dieser Bundesregierung so bleiben. Wir sind ein Garant dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wird in der Anfrage behauptet, es gebe keine einhellige Regierungsmeinung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung kann eine Leistungsbilanz der letzten 22 Monate präsentieren, wie sie keine Bundesregierung vor uns zu Stande gebracht hat, weil es eine einhellige Meinung dieser Bundesregierung gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sie fragen: Was ist die Regierungslinie? – Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat sich ein gemeinsames Regierungsprogramm gegeben, und dieses gemeinsame Regierungsprogramm ist auch die Linie dieser Bundesregierung.

Meine Damen und Herren! Wir können stolz darauf sein, dass in Österreich gemeinsam eine Finanzpolitik in einer neuen Qualität betrieben wird, weil man erkannt hat, dass 30 Jahre lang immer wieder erfolgte Griffe in die Staatskasse – man hat gedacht, damit wirtschaftliche und soziale Probleme lösen zu können – eine Gefährdung des Generationenvertrages und damit der Zukunft unseres Landes sind. (Bundesrat Marizzi: Jetzt wird’s fad!) Wenn wir daher mit einer gemeinsamen, einhelligen Linie dieser österreichischen Bundesregierung erreicht haben, dass wir bereits heuer erstmals keine neuen Schulden mehr machen, dann ist das Zukunftspolitik für Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Bundesregierung hat gemeinsam (Bundesrat Marizzi: In Kärnten seid ihr sehr gemeinsam!) eine der größten Privatisierungsinitiativen des Landes beschlossen und setzt sie sehr erfolgreich um. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Marizzi: Das werden die Postangestellten anders sehen!)

Wir haben in der ÖIAG Schulden in der Höhe von 86 Milliarden Schilling von Ihnen übernehmen dürfen. Wir haben es geschafft, diese Schulden auf 27 Milliarden Schilling abzubauen (Zwischenrufe bei der SPÖ) und damit einen wichtigen Beitrag für den österreichischen Steuerzahler zu leisten.

Wir haben gemeinsam die Liberalisierung des Strom- und Gassektors in Österreich beschlossen, damit die Bevölkerung über niedrigere Preise mehr Kaufkraft bekommen kann.

Wir haben gemeinsam für dieses Land eine familienpolitische Weichenstellung gesetzt. Wir haben das Kinderbetreuungsgeld beschlossen und werden der Bevölkerung damit 6 Milliarden Schilling mehr Kaufkraft bringen (Bundesrätin Schicker: Fragen Sie die Frauen!), weil wir


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wissen, dass Kinder zwar nur 18 Prozent der österreichischen Bevölkerung ausmachen, aber 100 Prozent der Zukunft unseres Landes sind. (Bundesrat Winter: Dafür haben wir 200 000 Arbeitslose ...!) Wir sind stolz darauf, dass wir in der Familienpolitik Europameister sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Herr Finanzminister! Wir haben die höchsten Abgaben!)

Wir haben gemeinsam einen Schwerpunkt in Forschung und Entwicklung mit einem außerordentlichen Programm von 7 Milliarden Schilling gesetzt, weil Zukunftspolitik, Innovation und neue Produkte (Bundesrat Winter: Postämter schließen – das ist Zukunftspolitik!) für uns die Linie diese Landes ist, genauso wie Schwerpunkte in der Bildung und Ausbildung und Schwerpunkte in der Infrastruktur dominieren. (Bundesrat Konecny: Frage 1!)

Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ich Ihnen versichern, dass ich kürzer sein werde als Herr Bundesrat Konecny, außer Sie wünschen eine längere Diskussion. (Bundesrat Konecny: Wenn es zum Thema ist, haben wir nichts dagegen!) Das ist kein Problem. Nachdem ich auf Grund der dringlichen Anfrage des Bundesrates in der Steiermark 500 Leute warten und mich vertreten lassen musste, habe ich heute sehr viel Zeit. Insofern diskutiere ich sehr gern mit Ihnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat gemeinsam, und zwar nach vielen Jahren des Nicht-Handelns, eine Einigung in der Frage der Restitution, eine Einigung für ehemalige Zwangsarbeiter und eine Einigung, was die Kriegsheimkehrer betrifft, zu Stande gebracht und damit mehr für die Glaubwürdigkeit und die Reputation Österreichs getan als alle Regierungen vor uns. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung hat ein Regierungsprogramm, in dem ganz konkrete Ziele vorgegeben sind, und sie tut alles, um konsequent auf diese Ziele hinzuarbeiten und sie umzusetzen. Das ist gut und wichtig für Österreich, und nicht zuletzt deshalb wird uns in drei internationalen Untersuchungen ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Wir waren vom "Institutional Investor" her im letzten September die Nummer 16 in der Welt, wir sind jetzt die Nummer 9 in der Welt. Wir waren im "World Competitiveness Report" im letzten Jahr die Nummer 14, wir sind jetzt die Nummer 13. Wir waren in einer Untersuchung im "Economic Freedom in the World" die Nummer 25, wir sind jetzt die Nummer 15. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir mehr Wohlstand, mehr Beschäftigung und mehr Einkommen für unsere Bevölkerung sichern – mehr, als das jede Bundesregierung vor uns tat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn Sie es besonders ungern hören, es sind heute drei Fragen aufgeworfen worden (Rufe bei der SPÖ: 9! 9!): die Frage der Neutralität, die Frage Temelins und die Frage der Osterweiterung der Europäischen Union. Ich darf Ihnen sagen, diese Bundesregierung wird in einer gemeinsamen Linie einen Weg in diesen drei Fragen für Österreich gehen: rotweißrot für unsere Bevölkerung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Was heißt das jetzt? Heißt das, für die Osterweiterung?)

Ich habe gesagt, das Regierungsprogramm ist die Regierungslinie, und wenn Sie das Regierungsprogramm kennen würden, dann wüssten Sie, dass diese Bundesregierung für die Osterweiterung eintritt. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Nicht alle! Nicht alle! – Bundesrat Gasteiger: Was sagt der "Schiedsrichter" dazu?)

Meine Damen und Herren! Ich darf in Ergänzung des Staatssekretärs – und ich betone: in Ergänzung, denn wir beide vertreten eine österreichische Bundesregierung und eine Linie der österreichischen Bundesregierung – Ihre Fragen wie folgt beantworten.

Zur Frage Nummer 1:

Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundes im Bereich des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport. Darüber hinaus möchte ich feststellen, dass die


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Kommentierung von Meinungen kein Gegenstand der Vollziehung ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage Nummer 2:

Mangels einer diesbezüglichen Regierungsvorlage stellt sich diese Frage derzeit im Ministerrat nicht. Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass die Frage der Neutralität von der österreichischen Bevölkerung im Rahmen einer Volksabstimmung zu entscheiden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage Nummer 3:

Eine Antwort auf den von den Anfragestellern zitierten Brief war nicht Gegenstand der Beschlussfassung im Ministerrat.

Zu den Fragen 4 und 5:

Bereits im Aktionsplan "Österreichische Kernenergiepolitik im europäischen Zusammenhang" – Sie wissen, das war ein Ministerratsbeschluss vom 6. 7. 1999 – hielt die damalige österreichische Bundesregierung unter anderem explizit fest, dass, sollte nicht nachgewiesen werden können, dass Temelin diesem Stand der Technik entspricht, Österreich unverzüglich bilateral und auch im Rahmen der Europäischen Union die tschechische Regierung darauf hinweisen wird, dass der Stand der Technik eine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft zur Europäischen Union ist.

Die derzeitige Bundesregierung hat bereits Ende August 2000 festgehalten, dass einem Abschluss des Verhandlungskapitels "Energie" ohne ausreichenden Nachweis über die aktuellen Sicherheitsstandards entsprechend dem aktuellen Stand der Technik auf EU-Ebene und der Umweltverträglichkeit des Kernkraftwerks Temelin aus österreichischer Sicht nicht zugestimmt werden kann.

Sowohl der Nationalrat, in seiner Entschließung vom 5. September 2000, als auch der Bundesrat, in seiner Entschließung vom 12. Oktober 2000, haben mit den beiden genannten Entschließungen ihre Unterstützung für diese Haltung der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht.

Am 12. Dezember 2000 fand ein Gipfeltreffen zwischen Bundeskanzler Schüssel und Premierminister Zeman statt. Dabei hat die Tschechische Republik unter anderem sowohl einer Ausdehnung des laufenden UVP-Verfahrens zu den baulichen Änderungen auf eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung der gesamten Anlage nach europäischen Verfahrensregeln als auch einer von der Europäischen Kommission zu moderierenden Sicherheitsüberprüfung zugestimmt.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach Artikel V der Melker Vereinbarung ergab inklusive der Stellungnahme von tschechischer Seite, dass 21 Empfehlungen zur Reduzierung der Umweltauswirkungen des Kernkraftwerks Temelin zu berücksichtigen wären. Bezüglich der von Österreich in Diskussion gestellten so genannten Nullvariante äußerte sich die Tschechische Republik jedoch eindeutig negativ.

Die Vertreter der tschechischen Regierung betonten mehrmals, dass – wie dies ja auch bei den Gesprächen mit Vizepremierminister und Außenminister Jan Kavan am 12. Mai 2001 zur Umsetzung des Protokolls von Melk erstmals in einem gemeinsamen Statement festgehalten wurde – das Kernkraftwerk Temelin nicht in Betrieb gehen werde, wenn es nicht den Sicherheitskriterien nach dem vorherrschenden Stand der Technik in der Europäischen Union entspricht.

Das ist ein großer Erfolg der österreichischen Politik in diesem Bereich, woran man sieht, die Sicherheit der Bevölkerung hat für diese Bundesregierung absolute Priorität.

Im Zuge des so genannten "Trialogs zu Sicherheitsfragen" betreffend das Kernkraftwerk Temelin legten von der Bundesregierung beauftragte Experten das so genannte Austrian-Technical-


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Position-Paper vor. Schlussfolgerung dieser Studie ist – ich darf zitieren –: "Nach europäischer Genehmigungspraxis dürften weder Temelin Block 1 noch Block 2 betrieben oder auch nur mit Brennstoff beladen werden, bevor die genannten Unsicherheiten ... beseitigt sind. Es kann somit bislang nicht als nachgewiesen betrachtet werden, dass die nukleare Sicherheit des Kernkraftwerks Temelin dem Stand der Technik, wie er in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Anwendung kommt, entspricht."

Zu den Fragen 6 und 7 darf ich wie folgt Stellung nehmen:

Wir wissen, dass die vom Europäischen Rat in Nizza im Dezember 2000 beschlossene Strategie mit der "Wegskizze" eine zeitliche Abfolge für den vorübergehenden Abschluss von Verhandlungskapiteln im Zuge von drei Präsidentschaften, nämlich Schweden, Belgien und Spanien, vorsieht. Demnach war beziehungsweise ist geplant

in der ersten Hälfte 2001, unter der Ratspräsidentschaft Schweden: freier Warenverkehr, freier Personenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr, Gesellschaftsrecht, Sozialpolitik und Beschäftigung, Kultur und Audiovisuelles, Umwelt, Außenbeziehungen;

in der zweiten Hälfte 2001, unter der Ratspräsidentschaft Belgien, also aktuell: das Wettbewerbskapitel, Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Steuern, Energie, Justiz und Inneres, Zollunion, Finanzkontrolle;

und unter der spanischen Präsidentschaft, also im nächsten Halbjahr 2002: die Kapitel Landwirtschaft (horizontale Fragen), Regionalpolitik, Finanz- und Haushaltsvorschriften, Institutionen und Sonstiges.

Welche Kapitel in den einzelnen Verhandlungsrunden auf die Tagesordnung kommen, bestimmen aber sicherlich in erster Linie die Beitrittskandidaten selbst, und zwar indem sie ausreichende Auskünfte vorlegen und – soweit erforderlich – nicht verhandlungsfähige Forderungen modifizieren beziehungsweise für die Umsetzung ausständiger Reformen Sorge tragen.

Im Rat werden nach wie vor nur dann EU-Positionen intern bearbeitet, wenn die Europäische Kommission dafür Entwürfe vorlegt.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass, wie aus dieser "Wegskizze" hervorgeht, noch wesentliche Kapitel vor dem Verhandlungsbeginn stehen.

Die Bundesregierung hat von Anbeginn der Beitrittsverhandlungen diese maßgeblich mitgestaltet und die Interessen unseres Landes entschlossen, aber konstruktiv und letztlich erfolgreich vertreten. Ich darf als Beispiel die siebenjährige Übergangsfrist bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit nennen, die ein großer Erfolg der Verhandlungsführung des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin ist, weil es eine große Sorge bezüglich der Migration gibt, weil wir als Nachbarland zu Ungarn, zu Tschechien, zur Slowakei und anderen eine lange Grenze haben. Wir haben gemeinsam mit Deutschland dieses Problem und haben durch eine kluge Verhandlungsführung und die Partnerschaft mit Deutschland in dieser Frage auch die anderen 13 Mitgliedstaaten auf unsere Seite ziehen können. Somit wurde etwas, was man als Verhandlungsergebnis nicht gedacht hat erzielen zu können, von dieser Bundesregierung gemeinsam möglich gemacht. Ich glaube, das ist ein großer Erfolg auch für den österreichischen Arbeitsmarkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin gebeten worden, auch zu den Aussagen meines Staatssekretärs Alfred Finz Stellung zu nehmen. Ich bin hier zwar in einer Funktion, in der ich die Vizekanzlerin vertrete und eigentlich für die Vizekanzlerin spreche und daher nicht für meinen Staatssekretär sprechen kann, aber ich darf mir das trotzdem herausnehmen und Ihnen sagen: Seine Aussagen, die Sie angesprochen haben, wurden missverständlich interpretiert. (Bundesrat Konecny: Jahreszahlen wird er doch noch sagen können!) Alfred Finz hat das in einer APA-Aussendung, die Sie auch schon kennen müssten, wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, entsprechend korrigiert und aus seiner Sicht klargestellt.


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Zu den Fragen 8 und 9 darf ich wie folgt Stellung nehmen:

Die Bundesregierung bekennt sich unter Bedachtnahme auf gesamtösterreichische Anliegen und Wettbewerbsinteressen, wie zum Beispiel Arbeitsplatz – hier war diese Übergangsfrist ein ganz wesentlicher Punkt –, Umwelt- und Kernenergiesicherheit, Landwirtschaft, Verkehrsfragen und andere offene Probleme, gegenüber einzelnen Beitrittskandidaten zum Erweiterungsprozess. Wir bekennen uns zum Erweiterungsprozess, weil er eine strategische Chance für unser Land ist, sagen aber gleichzeitig, die Sorgen und Probleme, die die Bevölkerung in diesem Zusammenhang hat, müssen von dieser Bundesregierung ernst genommen und gelöst werden. Und eines dieser Beispiele habe ich Ihnen nennen dürfen.

Ich möchte abschließend anfügen, weil auch das in Diskussion steht: Es gibt meines Erachtens aber auch keine Frage, die nicht einer direktdemokratischen Entscheidung der Bevölkerung unterzogen werden kann (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus ), weil die Bevölkerung der Souverän dieses Landes ist, und damit hat die Bevölkerung in Österreich immer das letzte Wort. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Und das ist jetzt die einheitliche Regierungslinie!)

17.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein, und ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

17.21

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Gefährlichkeit der Atomkraft ist uns allen hinlänglich bekannt; es wird auch in den Medien in regelmäßigen Abständen darüber berichtet.

Ich habe vor zirka einem Jahr hier von dieser Stelle aus eine dringliche Anfrage zu Temelin begründet. Seitens der Bundesregierung war Bundesminister Mag. Molterer zugegen, und auch der oberösterreichische Landeshauptmann Dr. Pühringer war anwesend.

Es war dies die Zeit der Grenzblockaden, vor allem im Raum Oberösterreich, und es war das auch die Zeit, in der der Bundeskanzler Temelin zur Chefsache erklärt hat. Die Teilnehmer an den Grenzblockaden und Anti-Temelin-Demonstrationen – das waren nicht einige wenige Personen, sondern Tausende Bürgerinnen und Bürger – waren damals noch optimistisch und der festen Meinung, dass die Inbetriebnahme des Kraftwerkes verhindert werden kann.

In dieser Meinung wurden sie auch vom oberösterreichischen Landeshauptmann Dr. Pühringer kräftig unterstützt, der an der Grenze keinen Zweifel daran gelassen hat, dass er verhindern wird, dass Temelin in Betrieb geht. Wullowitz, Weigetschlag und Guglwald waren seine regelmäßigen Stationen – immer dabei natürlich auch der ORF. Der Landeshauptmann hat dort von der Hausordnung gesprochen, die die Tschechen erst lernen müssen.

Wie schaut das jetzt ein Jahr später aus? – Die Temelin-Gegner sind frustriert, weil sie seitens der Bundesregierung zu wenig Unterstützung erhalten haben. Der Landeshauptmann hat die Grenzbesuche, zumindest die öffentlichkeitswirksamen, eingestellt; er war eigentlich bis gestern, bis zu seiner Rückruder-Aktion, auf Tauchstation.

Ich glaube auch – und hier kann ich ihn sehr gut verstehen –, dass er frustriert ist, frustriert darüber, dass ihn seine Freunde in der Bundesregierung, der Bundeskanzler und der Bundesminister für Umwelt, im Regen stehen haben lassen. Der Bundeskanzler war erst dann bereit, nach Oberösterreich zu kommen, als er wirklich nicht mehr anders konnte, und er hat sich auch nicht die Grenze ausgesucht, um mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, sondern sein "Audienzplatz" war die Autobahn-Raststätte Rosenberger in Ansfelden.


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Meine Damen und Herren! Wir haben damals im Rahmen der Diskussion zum Bericht des oberösterreichischen Landeshauptmannes und zur dringlichen Anfrage zwei Entschließungen angenommen, die ich jetzt wieder in Erinnerung rufen will.

Die Entschließung des Bundesrates vom 12. Oktober 2000, angenommen anlässlich der Debatte zur Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer zum Themenkreis Kernkraftwerk Temelin und die Situation in Oberösterreich beinhaltet insgesamt sieben Punkte – ich zitiere –:

"1. Ohne abschließende Klärung aller offenen Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit des Kernkraftwerkes Temelin darf die Inbetriebnahme nicht weiter vorangetrieben werden.

2. Einem vorläufigen Abschluss des Energiekapitels und des Umweltkapitels ohne ausreichenden Nachweis über die aktuellen Sicherheitsstandards entsprechend dem aktuellen Stand der Technik auf EU-Ebene und der Umweltverträglichkeit des KKW Temelin, wie im Gemeinsamen Standpunkt der Union gefordert, kann von Seiten Österreichs nicht zugestimmt werden.

3. Eine Einbindung Österreichs und der anderen betroffenen Nachbarstaaten in alle weiteren UVP-Verfahren, insbesondere eine Gesamt-UVP nach europäischen Standards zu Temelin durch die tschechischen Behörden sowie eine umgehende Ratifizierung der Espoo-Konvention über grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen durch das tschechische Parlament ist dringend erforderlich.

4. Die Klärung aller offenen Sicherheitsfragen wie beispielsweise Erdbebensicherheit oder Sicherung gegen andere Katastrophenfälle ist von den zuständigen tschechischen Behörden weiterhin mit Nachdruck einzufordern.

5. Eine Bewertung des KKW Temelin durch eine unabhängige europäische Expertenkommission ist einzufordern. Die Nominierung solcher Experten könnte zum Beispiel durch die Europäische Kommission erfolgen.

6. Auf europäischer Ebene sind die wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen tschechische Atomstrom-Exporte in den EU-Raum geltend zu machen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um tschechische Atomstrom-Exporte nach Österreich zu unterbinden.

7. Verbindliche europäische Normen für ein hohes Niveau an nuklearer Sicherheit sind in den entsprechenden EU-Gremien anzustreben."

In der zweiten Entschließung gab es insgesamt vier Punkte:

"1. Die Bundesregierung wird ersucht, auf nationaler und europäischer Ebene alles zu unternehmen, um eine endgültige Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin zu verhindern. Mit der Republik Tschechien sind erneut Verhandlungen aufzunehmen, in denen einerseits im Rahmen der Energiepartnerschaften von Seiten Österreichs Hilfe beim Ausstieg angeboten werden sollte, andererseits eine internationale Umweltverträglichkeitsprüfung erneut einzufordern ist.

2. Die Bundesregierung wird weiters ersucht, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um tschechische Atomstromexporte nach Österreich zu unterbinden.

3. Die Landesregierungen werden ersucht, den Landtagen rechtliche Maßnahmen vorzulegen, um auf Landesebene wirksame Maßnahmen gegen Atomstromimporte, insbesondere aus Tschechien, zu setzen.

4. Alle öffentlichen Eigentümer von Energieversorgungsunternehmen werden ersucht, bei der Vornahme von Privatisierungen sicherzustellen, dass keine Unternehmensanteile an ausländische Energieversorgungsunternehmen abgegeben werden, die europaweit Atomstrom vertreiben."


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So weit die Entschließungen des Bundesrates.

Meine Damen und Herren! Der hinhaltende Widerstand der Bevölkerung hat dann zum so genannten Melker Prozess geführt. Dieser Melker Prozess hat zwei ganz wichtige Bereiche festgelegt, nämlich zum einen eine umfangreiche UVP und zum anderen einen Prozess zwischen den beiden Regierungen. Die gesteckten Ziele sind bei weitem nicht erreicht worden. Zum Beispiel wurde die so genannte Nullvariante, die Ausstiegsoption, mit Tschechien überhaupt nicht diskutiert, obwohl sie Bestandteil der UVP hätte sein sollen.

Der österreichische Expertenbericht, der massive Sicherheitsmängel des Kernkraftwerkes aufzeigt, wurde von der Bundesregierung vorerst einmal wochenlang unter Verschluss gehalten. All diese Maßnahmen zeigen mir, dass es an der notwendigen Ernsthaftigkeit gefehlt hat. Außer knieweichem Herumtaktieren hat es von den handelnden Personen keine nennenswerten Aktivitäten gegeben.

Anstatt mit Tschechien intensiv und mit allem Nachdruck zu verhandeln und sich auch europäische Bündnispartner zu suchen, gibt es seit Wochen innerhalb der Bundesregierung nur divergierende Aussagen zum Thema Temelin. Der Melker Prozess findet sozusagen zwischen den Regierungsparteien statt.

Meine Damen und Herren! Die Aussage des Bundesministers Molterer, dass jetzt nichts mehr zu machen sei und Tschechien alles alleine entscheiden könne, ist eigentlich eine Bankrotterklärung. Ich frage mich: Wie soll man da weitere Verhandlungen führen, wenn man von vornherein eingesteht, dass man da sowieso nichts machen kann? – Dementsprechend sind auch die Medienberichte in den Zeitungen. Die "Kronen Zeitung" schreibt zum Beispiel nach dem Temelin-Umfaller: Tschechien feiert den Bundesminister Molterer.

Der Herr Bundeskanzler hat aber gesagt: Jetzt ist die Stunde der Verhandlungen – ich verstehe die ganze Aufregung nicht! – Das zeigt eigentlich die ganze Tragweite dieser Diskussion.

Die "Freundlichkeiten" zwischen den Regierungsparteien sind kaum mehr zu überbieten. Im "Standard" war heute zu lesen, dass die Freiheitliche Partei vom niederösterreichischen Landeshauptmann verlangt, er solle zu Temelin Stellung nehmen.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll hat gesagt: Die Freiheitlichen sollen sich nicht aufplustern, denn der Zeitpunkt ist nahe, wo die Blauen auch bei Temelin eingehen werden wie die "böhmische Leinwand". – Anscheinend sind sie auch vorher schon ein paar Mal eingegangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Bei uns sagt man eben "böhmische Leinwand."

Meine Damen und Herren! Während sich die Bundesregierung mit sich selbst beschäftigt, kämpft die Bevölkerung gegen Temelin und kann bereits erste – zwar kleine, aber immerhin – Erfolge vorweisen. So hat das Kreisgericht in Budweis einer Beschwerde stattgegeben und einen Teilbebauungsplan aufgehoben. Das ist sicherlich ein ganz kleiner Schritt, zeigt aber, dass man, wenn man sich intensiv einsetzt, doch etwas erreichen kann.

Meine Damen und Herren! Wir müssen den gesamteuropäischen Atomausstieg zum Ziel haben und diesen mit aller Vehemenz betreiben. Das ist aber nur dann möglich, wenn die Bundesregierung auch Taten setzt und sich nicht nur in inneren Streitereien ergeht. Gerade jetzt, meine Damen und Herren, nach dem 11. September muss uns allen bewusst sein, dass es für die Atomkraftwerke keinen absoluten Schutz vor Terrorangriffen gibt. Und wir alle müssen uns davor fürchten, dass, wenn ein solcher GAU passiert, auf zig tausend Jahre hinaus wirklich das ganze Land kaputt ist.

Abschließend fordere ich die handelnden Personen auf, den Melker Prozess endlich umzusetzen und auch die österreichische Bevölkerung über die Ergebnisse zu informieren. Mit Veto-Drohungen werden wir nichts erreichen, und vor allem schützen sie auch niemanden! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.32


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 112

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

17.32

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist an sich nichts Außergewöhnliches, dass die Opposition im Rahmen von dringlichen Anfragen versucht, eine Krise in der Regierung zu finden und im besten Fall ein Ende (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der SPÖ) der Regierung zu erkennen. Aber das ist halt so in der Politik – der Finanzminister ist bereits darauf eingegangen –, man darf sich auch Prioritäten setzen. Und wenn ich in Tagen wie diesen darüber nachdenke, was diese österreichische Bundesregierung in der Vergangenheit zuwege gebracht hat, so fallen mir einmal zwei Punkte ein (Bundesrat Konecny: Zwei ganze?!) – unter vielen, Herr Professor! (Bundesrat Konecny: Aha, die anderen fallen Ihnen nur nicht ein!)

Dabei möchte ich erstens die Reaktionen der österreichischen Bundesregierung auf den 11. September hervorheben, weil, wie ich meine, gemeinsam mit allen anderen Parlamentsparteien eine nationale Angelegenheit wirklich souverän bewältigt worden ist. Zumindest im anderen Haus dieses Parlaments hat die Regierung diesbezüglich ein sehr konstruktives Klima vorgefunden.

Auch der zweite Punkt soll in Tagen wie diesen nicht untergehen, weil die Opposition schon verkündet hat, ein Nulldefizit werde nie erreicht werden. Aber es wird schon im heurigen Jahr stattfinden! (Bundesrat Gasteiger: Zahlenspiel!)  – Ja, Einmaleffekte, ich weiß. Aber Ihrem Finanzminister hätte kein Einmaleffekt der Welt irgendetwas gebracht, um nur annähernd in die Richtung eines Nulldefizits zu kommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Verschleuderungspolitik! Alles verschleudert! Telekom,120 Milliarden verschleudert! Das ist Ihre Politik! Die Wirtschaftskompetenz der ÖVP ist Ihr wunder Punkt! – Weitere Zwischenrufe.)

Das war eine tolle gemeinsame Leistung, das war eine nationale Kraftanstrengung, und da muss man wirklich all jenen Bewunderung zollen, die dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. (Bundesrat Gasteiger: 44 Prozent Steuerquote! Der Höchstsatz! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Professor Konecny! Sie haben natürlich einen anderen Schwerpunkt gewählt. Jeder beleuchtet die Politik von seiner Seite. Ihnen geht es um die Verteidigung von Schokolade und Marzipan, obwohl auch da in einem Co-Marketing zwischen Wolfgang Amadeus und Wolfgang Schüssel die Umsätze des entsprechenden Unternehmens in die Höhe gegangen sind. Auch ich werde weiter Mozartkugeln essen und dieses Co-Marketing von Wolfgang und Wolfgang unterstützen und werde beim Verzehr der Kugeln nicht meine geistige Identität mit der Opposition schmecken.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Sie fordern eine klare Linie in der Neutralitätsfrage. Das finde ich sehr wichtig. Es ist immer sehr wichtig, dass man in der Politik eine klare Linie hat. Wenn ich Herrn Professor Konecny zuhöre, dann stelle ich fest, es geht ihm selten darum, einen anderen Standpunkt zu haben als die Regierung, sondern man hat immer das Gefühl, er freut sich, sehr klug zu sein, und redet über Leute, die sehr unklug sind. Da denke ich mir immer: Was kann der Herr Professor denn dafür, dass er so schlau ist? (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn er dann Zitate bringt und sozusagen in der Geschichte ein bisschen nachliest, dann, muss ich sagen, ist das nicht immer alles ganz richtig, aber man kann auch selbst hergehen und Zitate in der Geschichte suchen. Auch ich will eines herausgreifen.

Wir sollen die Augen vor der Entwicklung nicht verschließen, dass die Neutralität heute mit der Neutralität in den sechziger Jahren nicht mehr vergleichbar ist. – Zitat Dr. Josef Cap, 3. 4. 1997. – In diesem Zusammenhang wissen wir, dass sich das Gefahrenbild geändert hat, wie Sie es auch angesprochen haben.


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Am 12. 6. 1997 hat derselbige erklärt: Ja, ich bin für einen Beitritt zur NATO. – Ich betone, das war im Juni 1997.

Sie haben heute den sehr wichtigen, sehr großen Österreicher Julius Raab strapaziert und erwähnt, was Julius Raab zu seiner Zeit richtig gemacht hat. Wir alle sind uns einig darüber, dass dieser große Christlich-Soziale damals einen sehr wichtigen Meilenstein für die österreichische Politik gelegt und für die damalige Zeit die richtige Vorgangsweise gefunden hat.

Wenn ich aber nun bedenke, zu welcher Zeit Julius Raab etwas dazu gesagt oder er in Richtung Neutralität gehandelt hat, und wenn ich sehe, zu welchem Zeitpunkt Ihr Zentralsekretär oder ehemaliger Bundesgeschäftsführer den NATO-Beitritt gefordert hat, nämlich im Jahr 1997, dann muss ich sagen, halte ich das rein historisch für das frischere Zitat. Ich würde auch meinen, dass Raab heute – hätte er biologisch ein entsprechend langes Leben gehabt – die Dinge auf Grund der aktuellen Situation anders bewerten würde. (Bundesrat Gasteiger: Im Grabe würde er sich umdrehen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Übrigens frei nach dem Motto, dass nicht jedes historische Zitat richtig sein muss, hat uns Herr Professor Konecny heute berichtet, was Dr. Taus über Schüssel gesagt hat, nämlich dass er, also Taus, und Schüssel Knackwürste seien. – Richtig ist, dass Busek gesagt hat, dass er und Dr. Taus Knackwürste seien. Aber das werfe ich Herrn Professor Konecny nicht vor. Das ist tatsächlich nicht sehr wichtig und nur ein Bestandteil der ÖVP-Geschichte; und ich glaube doch nicht, dass er dafür die Professur bekommen hat. (Bundesrat Ager: Edlinger hat gesagt, lieber lässt er seinen Hund auf die Knackwurst aufpassen als die ÖVP aufs Geld! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Gegenrufe bei der SPÖ.) – Ja, richtig. Der Vergleich mit dem Hund und der Knackwurst ist natürlich im Zusammenhang mit dem Nulldefizit auch eine historische Betrachtung wert.

Die Anfrage ist zwar von der SPÖ gekommen, aber es gibt auch noch die kleinere Oppositionspartei, die sich auch zum Thema Neutralität zu Wort gemeldet hat. Hier ist sie ja nur in sehr kleiner Truppenstärke vertreten.

Da gab es eine, ich würde fast sagen, historische "Pressestunde" mit Herrn – auch ein Professor! – Dr. Alexander Van der Bellen, der in dieser Sendung gesagt hat, man solle sich nicht immer zu ernst nehmen – was an sich richtig ist. Er hat auch gemeint, dass sich ein Land wie Österreich angesichts seiner Fläche nicht so ernst nehmen sollte, und er hat sinngemäß erklärt – ich zitiere jetzt etwas frei –: Hand aufs Herz! Es ist ja im Prinzip, in der weltpolitischen Lage, in der wir uns befinden, völlig unerheblich, was die österreichische Bundesregierung zu dieser Frage meint.

Was mich in diesem Zusammenhang interessiert, ist die Frage: Wenn schon das, was die gesamte Bundesregierung zu dieser Frage meint und tut, völlig unerheblich ist, von welcher Bedeutung ist es dann, wenn sich die Grünen, insbesondere Van der Bellen, Voggenhuber und Petrovic in einem mehrwöchigen Prozess auf eine gemeinsame Vorgangsweise in Afghanistan einigen? – Das müsste man natürlich auch in die entsprechenden Relationen setzen.

Herr Professor Konecny macht das immer sehr elegant, indem er sagt, was er nicht ansprechen möchte, um es dann aber doch zu tun, wie zum Beispiel die Rolle des Bundespräsidenten und so weiter. Auch dazu möchte ich nur einen ganz kleinen geschichtlichen Rückblick darüber liefern, wie die Sozialdemokratie einmal die Rolle des Bundespräsidenten – übrigens des heute noch im Amt befindlichen – gesehen hat.

Es war beim Gipfel auf Korfu. Sie alle können sich sicherlich noch an das sehr wichtige österreichische Ereignis erinnern und daran, wer dort aller dabei war und so weiter. Bundeskanzler Vranitzky hat damals gemeint: Der Bundespräsident wird durch seine Anwesenheit die Wichtigkeit des Ereignisses unterstreichen – quasi als kleine Geste.

Als damals der Bundespräsident ein eigenes Verfassungsgutachten eingeholt hat, hat derselbe Bundeskanzler gemeint, ihm sei dieses Verfassungsgutachten an sich egal. Ihm gehe es um inhaltliche Punkte und nicht um die Sitz- und Stehplatzverteilung unter der griechischen Sonne


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und um die Verteilung von Sonnenhüten und Sonnenkappen. – Das war die Meinung des Vorsitzenden der Sozialdemokratie, des vorletzten sozialdemokratischen Bundeskanzlers über die Frage, wie Bundespräsident Klestil das Land zu vertreten hat. – Da nicht jedes Zitat immer im richtigen Zusammenhang gebracht wird, habe ich nur jene herausgenommen, die zweifellos im richtigen Zusammenhang gebracht worden sind.

Etwas anderes ist die Zitierung des Staatssekretärs Finz; der Herr Finanzminister hat es bereits angesprochen. Er wollte nämlich die Probleme der Planung zum Ausdruck bringen. Vielleicht liegt es an mir, dass ich das nicht verstehe, aber für mich ist es an sich logisch, wenn er die Umstellung vorbereiten muss. Da wir jetzt noch Zollgrenzen haben und die internen Planungen des Finanzministeriums vonstatten gehen müssen, wobei wir genügend Mitarbeiter sowohl für Best-Case- als auch Worst-Case-Szenarien an der Zollgrenze verfügbar haben müssen, ergibt sich die Quizfrage: Wenn man das jetzt nach einem Worst-Case-Szenario plant, plant man dann im Zweifelsfall für kürzer oder länger? – Meiner Meinung nach wäre die richtige Antwort: länger. Denn wenn die Zollwachebeamten einmal weg sind, dann sind sie weg.

Herr Professor Konecny hat das als einen Beweis dafür gebracht, mit welchem unbrauchbaren “Schrottgewehr” die Bundesregierung agiert. Ich denke, das ist ein schlechtes Beispiel gewesen, und die Liste der schlechten Beispiele ließe sich fortsetzen.

 

Ich möchte zur Abrundung festhalten, dass ich mich schon immer darüber gewundert habe, wie man sich begeistern und gleichzeitig wundern kann über einen Prozess, der ein ganz normaler demokratischer Diskussionsprozess ist. Wir leben in einem Land mit drei Mittelparteien und einer Kleinpartei und haben dabei eine ganz interessante Konstellation. Aber offenbar ist man völlig verwundert darüber, dass in dieser Koalition zwischen Volkspartei und Freiheitlichen tatsächlich so etwas wie unterschiedliche Meinungen existieren! Da heißt es, Khol sagt etwas anderes als Westenthaler, die Regierung ist am Ende! – Ähnliche Verwunderungen gibt es tagtäglich.

Ich denke, am Ende des Tages zählt wohl das Ergebnis, und das Ergebnis dieser Bundesregierung kann man sich bei jeder einzelnen Schnittstelle ihrer Arbeit anschauen. Da gibt es nun einmal ein kleines Highlight wie das Nulldefizit, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, das Sie deshalb amüsant finden, weil Sie von Finanzwirtschaft besonders wenig verstehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber am Ende des Tages zählen das Werk und das Ergebnis. Ich gebe offen zu, ich bin nicht so gut vorbereitet wie der Herr Professor, dass ich da einen ganzen Sack voll Gaben mit habe und etwas verschenken könnte, was man im Klub aufhängen oder hinstellen kann und so weiter. Aber ich habe auch etwas, was ich Ihnen schenken kann. Ich habe eingangs etwas über Ihren Klubobmann Dr. Josef Cap gesagt, der fast noch eine Spur wichtiger ist als Herr Professor Konecny, weil er der Vorsitzende des gesamten Parlamentsklubs war – unvorstellbar, aber das gibt es!

Dieser Josef Cap, den gibt es schon lange in der Politik, und es gibt eine lange chronologische Auflistung seiner Zitate. Wenn Sie es einmal lustig haben wollen, dann lesen Sie das! Das beginnt ab 1976, und ich habe nur zwei kleine Schmankerln daraus gebracht. Der Grund, warum ich Ihnen diese Sammlung heute noch nicht gebe, ist, dass ich auf den Kalender geschaut und gesehen habe, dass heute der 8. November ist. Erst in drei Tagen, nämlich am 11. 11. um 11.11 Uhr wäre der richtige Zeitpunkt, es zu verschenken. Sollten wir uns dann zufällig sehen, werde ich ein Mascherl darum binden und es Ihnen geben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Haben Sie ein Wort von Temelin gesagt?!)

17.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte.

17.47

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf von der


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etwas heiteren Bühne, die du, Kollege Himmer, angeschnitten hast, wieder zu der ernsten zurückfinden, denn ich glaube, dass das Thema Temelin wirklich so ernst ist und dass sich die Leute so große Sorgen machen, dass auch wir hier in gebührender Form darüber sprechen sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Kraml hat zu Temelin schon sehr viel vorgebracht, aber ich möchte ein paar Ergänzungen vornehmen. Sie gestatten mir das.

Heute ist im Oberösterreichischen Landtag ein gemeinsamer Initiativantrag eingebracht worden betreffend

(1) der Beibehaltung der strikten Anti-Atom-Linie Oberösterreichs,

(2) die Einladung zu einer gemeinsamen Konferenz der von einem möglichen Unfall im AKW Temelin hauptsächlich betroffenen Regionen,

(3) einen neuerlichen Appell an die Bundesregierung, der Resolution des Oberösterreichischen Landtages vom 4. Oktober dieses Jahres zu entsprechen sowie

(4) einen weiteren Appell an die Bundesregierung, eine EU-weite Informationsoffensive über die Inhalte des Temelin-Expertenberichts zu starten.

Ich darf ein paar Punkte aus diesem Antrag herausgreifen. Es heißt weiter in diesem Initiativantrag:

"Bei einer gemeinsamen Konferenz der nachstehend betroffenen Regionen sollen die Verfasser des Expertenberichts über die Sicherheitsmängel im AKW Temelin ("Austrian Technical Position Paper") die von ihnen erhobenen Bedenken und Mängellisten allen Konferenzteilnehmern kommentierend zur Kenntnis bringen. Auf diese Weise soll die Basis für ein gemeinsames Vorgehen gegen die von tschechischer Seite mit aller Macht betriebene Schaffung vollendeter Tatsachen gelegt werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten sind – ergänzend zur Resolution des Landtags vom 4. Oktober – überdies der Auffassung, dass die Bundesregierung nachdrücklich darum ersucht werden muss, den Temelin-Expertenbericht den Regierungen aller EU-Staaten zur Kenntnis zu bringen und – darauf aufbauend – die Position Österreichs klar zu stellen, dass unter den gegebenen Voraussetzungen und ohne adäquate Reaktion der tschechischen Seite auf die aufgezeigten Sicherheitsdefizite beziehungsweise ohne deren umgehende Bereinigung dem Abschluss des Energie-Kapitels im Zuge der Osterweiterung der EU keinesfalls zugestimmt werden kann, weil ansonsten damit zu rechnen ist, dass die bekannten Sicherheitsmängel des AKW Temelin von tschechischer Seite als stillschweigend zur Kenntnis genommen angesehen werden."

Es heißt dann weiter – ich möchte das aus Gründen der Aktualität doch zur Kenntnis bringen –:

"Der Landtag möge beschließen:

Der Oö. Landtag ersucht die Landesregierung:

1.) bei Bundesregierung, Nationalrat, Bundesrat und den österreichischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments darauf zu drängen, im Kampf gegen das AKW Temelin nicht aufzugeben, sondern weiterhin die strikte Anti-Atom-Linie Oberösterreichs, die in den bisherigen Beschlüssen des Oberösterreichischen Landtags zum Ausdruck gekommen ist, zu bekräftigen.

2.) Umgehend eine gemeinsame Konferenz der von einem möglichen Unfall im AKW Temelin hauptbetroffenen Regionen Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, Böhmen und Bayern einzuberufen.

3.) Zudem neuerlich an die Bundesregierung zu appellieren, der vom Landtag am 4. Oktober dieses Jahres beschlossenen ,Resolution zur vollständigen Implementierung des Melker Abkommens, zur Sicherstellung des aktuellen Stands der Technik im AKW Temelin und zur akti


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ven Unterstützung der Initiative des Europäischen Parlaments betreffend Ausstiegsmöglichkeiten’ (...) zu entsprechen.

4.) Die Bundesregierung zu ersuchen, die Regierungen aller EU-Mitgliedsstaaten im Zuge einer Informationsoffensive über die im Temelin-Expertenbericht festgestellten Sicherheitsmängel in Kenntnis zu setzen und in diesem Zusammenhang unmissverständlich klar zu stellen, dass Österreich erst dann dem Energiekapitel im Zuge der Osterweiterung zustimmen kann, wenn die von den Fachleuten in diesem Bericht angeführten Sicherheitsbedenken ausgeräumt sind."

Dieser Initiativantrag liegt in dieser Form vor und ist in Beratung. Man wird das Ergebnis spätestens heute Abend beziehungsweise morgen kennen.

Eine Informations-Großoffensive, wie dies auch vom Klubobmann der SPÖ des Oberösterreichischen Landtages, Dr. Karl Frais, gefordert wird, ist im Hinblick auf die jüngsten Äußerungen von Herrn Bundesminister Molterer zu Temelin wirklich dringendst erforderlich. Es ist unverständlich, dass angesichts des Expertenberichtes über den tschechischen Pannen-Meiler – wenn Sie mir diesen Ausdruck gestatten – gerade jetzt ein Einlenken signalisiert wird – und das zu einem Zeitpunkt, da neuerliche Störfälle aufgetreten sind.

Ich meine, dass in Anbetracht all dessen mehr als Verunsicherung herrscht, dass die Menschen in den Bundesländern, die wir genannt haben, und in den Nachbarländern nicht nur wirklich verunsichert sind, sondern auch Angst haben. Temelin läuft – Temelin läuft nicht – es steht – es hat wieder einen Störfall. So geht es dahin. Da ist es ja wohl kein Wunder, dass sich die Bevölkerung Sorgen macht.

Zu sehr – und das soll man auch immer wieder ins Bewusstsein rufen – sind der Vorfall und die Auswirkungen von Tschernobyl noch allen in Erinnerung. Das war eine Zeit, die keiner mehr erleben möchte. Wir können und dürfen kein Risiko eingehen. Die Verantwortung trägt letzten Endes die Bundesregierung. Das kann Ihnen niemand abnehmen. Es geht um unsere Sicherheit, und es gilt zu handeln.

Kollege Himmer hat zuerst von Prioritäten gesprochen: Temelin hat höchste Priorität! Die Bundesregierung ist aufgefordert, endlich zu handeln.

Damit wollte ich eigentlich aufhören, aber es hat sich noch etwas Interessantes ergeben. Der "Kurier" von morgen schreibt unter der Schlagzeile "Temelin: Riess-Passer erhöht Druck auf die ÖVP" (Bundesrat Konecny: Das hat der Herr Grasser noch nicht gewusst!): "Veto-Drohung bleibt trotz Widerstands des Regierungspartners."

Da heißt es dann im Text: "Vizekanzlerin und FPÖ-Obfrau Susanne Riess-Passer zerstört die Hoffnungen der ÖVP, dass die Blauen für den Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien im Dezember zu gewinnen sind." (Bundesrat Marizzi: Die hat Recht!) "Riess-Passer: ,Diese Wahrscheinlichkeit ist sehr gering’. Prag müsste bereit sein, auch über die Schließung Temelins zu reden." (Bundesrat Marizzi: Da hat die Frau Vizekanzlerin Recht!) "Andernfalls beharre die FPÖ auf dem Veto zu Tschechiens baldigem EU-Beitritt."

Das wollte ich noch zur Kenntnis bringen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Oh! Bravo! – Bundesrat Manfred Gruber: Das gibt es ja nicht! So viel Einigkeit!)

17.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

17.55

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, in Ihrer heutigen dringlichen Anfrage von einer Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung


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(Ruf bei der SPÖ: Was sonst?) gerade im Hinblick auf die so genannte Neutralität reden, so kann ich mich über Sie nur wundern. Wie war das denn unter dem von Ihnen gestellten Bundeskanzler Klima? – Hausintern hat er stets die Beibehaltung der Neutralität beschworen. Ganz anders hat er hingegen im erlauchten Kreise seiner EU-Kollegen in Brüssel agiert. (Bundesrat Winter: Das stimmt ja nicht, Herr Professor! Bleiben Sie bei der Wahrheit! – Bundesrat Gasteiger: Beweise? Beweise?)

Dort hat er so ziemlich jeder Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zugestimmt – auch solchen Rechtsakten, die mit dem Status der Neutralität damals bereits völlig unvereinbar waren. Klima hat sich ja nicht einmal der Militäraktion der NATO gegen die Serbische Republik im Kosovo-Konflikt versagt. Er hat ihr im Rahmen der Europäischen Union ausdrücklich zugestimmt.

Auch heute hat die SPÖ – ich übe keine Kritik daran, wie ich betone – keine Bedenken gegen die Genehmigung von Überflügen der Flugzeuge der USA und ihrer Verbündeten, die am Kampfeinsatz in Afghanistan beteiligt sind. Beenden Sie daher endlich das unwürdige Schauspiel rund um die Neutralität Österreichs, eine unserer letzten politischen Lebenslügen! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Jö! – Weitere "Jö!"-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Das war jetzt ein Fettnäpfchen!)

Um nicht missverstanden zu werden: Der Beschluss des Neutralitätsgesetzes im Jahr 1955 war notwendig und höchst sinnvoll. Eine Errungenschaft, als die sie oft dargestellt wurde, war die Neutralität freilich nicht. (Bundesrat Gasteiger: Ach so?) Sie war bekanntlich im Moskauer Memorandum unsere Vorleistung an die Sowjetunion, um deren Zustimmung zum Staatsvertrag und damit zur Wiedererlangung unserer Freiheit zu erreichen. (Bundesrat Manfred Gruber: Das ist ja immerhin etwas!) Der international anerkannte Staats- und Völkerrechtler Professor Ermacora hat daher in einer frühen Publikation von einer Österreich aufoktroyierten Neutralität gesprochen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sollten sich auch daran erinnern, dass es Vizekanzler Schärf war – er ist Ihnen wohl bekannt –, der sich lange Zeit dagegen sträubte, den Neutralitätsstatus für Österreich zu akzeptieren. Historisch betrachtet war es allein das Interesse der Sowjetunion, einen Keil zwischen die westlichen NATO-Länder Deutschland und Italien zu treiben. In weiterer Folge hat Österreich seine Verpflichtungen zur bewaffneten Neutralität zumindest in Hinblick auf seine Verteidigungsanstrengungen niemals ausreichend erfüllt. Sie wäre auch nachweislich von den beiden großen Militärblöcken im Ernstfall missachtet worden. Das steht ja heute fest. Und die so viel beklagte NATO war immerhin de facto indirekt auch unsere Sicherheit.

Im Gegensatz zur Schweiz, die ihre Neutralität – und zwar bewaffnete Neutralität – stets ernst genommen hat und deren Neutralitätskonzept uns ursprünglich ja als Vorbild diente, sind wir frühzeitig den Vereinten Nationen beigetreten – und das ohne jeden Neutralitätsvorbehalt. Unser Beitritt erfolgte im Bewusstsein dessen, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Konfliktfall jedes Mitglied zu wirtschaftlichen und militärischen Sanktionen verpflichten kann.

Jahre später ist Österreich bekanntlich der Europäischen Union beigetreten, und zwar erneut ohne Neutralitätsvorbehalt. Auch hier ist die Bevölkerung belogen worden, indem gesagt wurde, wir gehen als neutrales Land in die EU. – Ja, aber wir sind nicht als solches herausgekommen! (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Andernfalls wären wir ja gar nicht aufgenommen worden, weil schon damals – was man dem Volk allerdings verschwiegen hatte – die politischen Weichen für die geplante gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik gestellt waren.

Tatsächlich entwickelte sich die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik in weiterer Folge dynamisch fort. Österreich hat insbesondere auch die Beschlüsse über die Petersberg-Aktionen übernommen – und das, meine Damen und Herren von der SPÖ, unter Kanzler Klima, also unter einer von Ihrer Partei geführten Regierung! Das waren nicht wir. Diese Petersberg-Aktionen ermächtigen bekanntlich – das hat Herr Kollege Schennach heute dankenswerterwei


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se schon angeführt – zu Kampfeinsätzen im Konfliktfall, und zwar nicht nur zu friedenserhaltenden, sondern sogar zu friedensschaffenden militärischen Maßnahmen, also zu eindeutigen aktiven kriegerischen Aktivitäten. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Um Österreich die Teilnahme daran zu ermöglichen, ist 1995 – auch das wurde schon gesagt – eine ausdrückliche verfassungsgesetzliche Grundlage geschaffen worden, nämlich der schon erwähnte Artikel 23 lit. f B-VG.

Die völkerrechtlichen wie auch gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen, die Österreich eingegangen ist, und die erwähnten Verfassungsänderungen und -ergänzungen haben das formell, also dem Text nach, zwar aufrechterhaltene Neutralitätsgesetz substanziell völlig ausgehöhlt, mit anderen Worten: Es ist – jetzt rede ich als Jurist – einer weitgehenden materiellen Derogation zum Opfer gefallen. Rechtstheoretisch korrekt kann, zusammenfassend betrachtet, aber überhaupt nicht mehr vom völkerrechtlich klar definierten Status der Neutralität die Rede sein, sondern nur noch von Bündnisfreiheit.

So richtig es ist, dass ein großer Teil unserer Bevölkerung nach wie vor an der Neutralität festhalten will – was aus historischen Gründen sehr gut nachvollziehbar ist –, so wahr ist auch, dass die Politik – und da nehme ich wahrscheinlich keine Fraktion aus – darin versagt hat, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es grenzt daher an die Methode "Haltet den Dieb!", wenn sich gerade die SPÖ, die in der Regierung mit-, um nicht zu sagen hauptverantwortlich für die sukzessive Aushöhlung und den schleichenden Wandel der Neutralität im Zeichen des Schlagwortes Solidarität war, heute in der Oppositionsrolle als Hüter, als Gralshüter ebendieser von ihr längst preisgegebenen Neutralität aufspielt. (Beifall der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. )

Täuschen Sie daher nicht länger der Bevölkerung vor, sie sei nicht längst obsolet geworden (Bundesrat Marizzi: Aber sie steht noch immer in unserer Verfassung!), und nehmen Sie den mündigen Bürger endlich ernst! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Eine ähnliche Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse versuchen Sie in der Frage des Atomkraftwerkes Temelin. Sie werfen meiner Fraktion die Einleitung des Anti-Temelin-Volksbegehrens und die Androhung eines Vetos gegen den EU-Beitritt der Tschechischen Republik vor. – Fragen Sie sich: Was ist Ihre eigene Position? – Maßgebliche Repräsentanten der SPÖ haben mehrfach gefordert, im Zuge der Beitrittsverhandlungen das Energiekapitel so lange nicht abzuschließen, bis der von Österreich eingemahnte Sicherheitsstandard erreicht ist – das entspricht auch der Beschlusslage beider Hohen Häuser, die Sie mittragen.

Wie haben Sie jüngst Bundesminister Molterer angegriffen, als er erklärte, die Stilllegung des AKW Temelin sei nicht mehr realistisch! – Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ: Was wäre im Ergebnis anders, wenn Österreich dem Abschluss des Energiekapitels nicht zustimmen sollte? – Es liefe auf dasselbe wie ein Veto gegen den EU-Beitritt als solchen hinaus! – Auch bei diesem Thema streuen Sie also den Bürgern Sand in die Augen.

Lediglich beim dritten Themenkreis der dringlichen Anfrage, der EU-Osterweiterung, räume ich ein, dass es hiebei allerdings Auffassungsunterschiede gibt – nicht in der Frage des grundsätzlichen Ja zur Osterweiterung, wohl aber hinsichtlich der Einschätzung des Zeitplans der ersten Beitritte und in der Frage, ob es dabei eine unmittelbare demokratische Willensbildung des Volkes geben soll. – Diese unterschiedlichen Positionen – das sehe ich so wie Kollege Himmer – erscheinen mir jedoch als völlig legitim. Zum Glück ist die Zeit von Einheits- und Blockparteien unseligen Angedenkens wie der SED vorbei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass diese Auffassungsunterschiede letztlich in der Komplexität der Thematik gründen, wissen Sie selbst sehr gut. Wie ließe sich sonst erklären, dass auch in Ihren eigenen Reihen höchst differenzierte Meinungen geäußert worden sind? – Erinnern Sie sich an hoch- und höchstrangige SPÖ-Funktionäre – wir haben auch einige in unserer Mitte – im ÖGB und in der Arbeiterkammer, die in der Frage der Übergangsfristen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und in der


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Frage der Beitrittstermine ganz andere Vorstellungen als Parteichef Gusenbauer vertreten. Kurz gesagt: Was Sie der Bundesregierung vorwerfen, trifft auf Ihre eigene Fraktion zu – sie ist sich weder über das Wie noch über das Wann einig.

Aus all diesen Gründen geht diese dringliche Anfrage, die auf weiten Strecken von Polemik lebt, sachlich betrachtet völlig ins Leere. Und es wird Ihnen vor allem nicht gelingen, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.05

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.

18.06

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Was diese dringliche Anfrage und ihre Beantwortung durch die Regierung betrifft, so muss da das Kind im Manne durchgebrannt sein, denn das wurde irgendwie zu einer Märchenstunde. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Gasteiger. )  – Ja, das Kind im Manne gibt es! (Bundesrat Gasteiger: Ja, ja! – Bundesrätin Schicker: Das wissen wir, dass es das gibt!)

Nehmen wir zum Beispiel einmal die Aussage des von mir persönlich wirklich sehr geschätzten Staatssekretärs her, der meint: "Wir werden alles daransetzen". – Was meint er mit "wir"? – Ich kenne ihn zu gut, um nicht zu wissen, dass der pluralis majestatis nicht seine Sache ist. Also wer ist "wir"? – Wenn mit "wir" in diesem Fall der Staatssekretär und der Kanzler gemeint ist, dann glaube ich es. Aber mit "wir" kann in diesem Fall  – nämlich im Zusammenhang mit "alles daransetzen" und mit der EU-Erweiterung und so weiter und so fort – nicht die Bundesregierung gemeint sein.

Zweiter Punkt: Der Herr Bundesminister hat gemeint: Wir haben all das sehr professionell gelöst. – Normalerweise überlässt man ja die Beurteilung jemand anderem und nimmt nicht eine Selbstbeurteilung vor. Und die Beurteilung von außen ist auf Grund all jener Themen, die wir heute haben, doch eine andere.

Der Herr Bundesminister hat bei der Zusatzfrage des Herrn Professors Konecny gemeint, dass er das eigentlich nicht beantworten könne, weil er eigentlich als Frau Riess-Passer hier sei, dass er aber eine Ausnahme machen würde. Hätte er uns hier tatsächlich die Meinung seiner Chefin nahe gebracht, dann hätte er sagen müssen, dass all das zu diesen Fragen im Zusammenhang mit der Osterweiterung, insbesondere mit Temelin, Gesagte eine Stunde später – nämlich nach Erscheinen der heutigen Abendzeitungen – keine Gültigkeit mehr haben würde (Beifall bei der SPÖ), weil nämlich die Frau Vizekanzlerin und Parteichefin hier eine Linie vorgibt, nämlich die des Veto-Kurses. Und er hätte in dieser Darstellung auch drei Landesorganisationen heftig widersprochen, nämlich jenen, die derzeit ein Volksbegehren durchführen. Man hätte dann sagen müssen, diese drei FPÖ-Landesorganisationen belügen die Bürger, die sie dazu einladen, ihre Unterschrift für eine Veto-Politik zu leisten, wenn der Herr Finanzminister als Frau Riess-Passer uns sagt: Nein, wir bleiben bei der EU-Erweiterung.

Er hätte auch dem Wiener Bundesrat Gudenus widersprochen, der auch heute gesagt hat: Wenn die Frage der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen nicht geregelt ist, wird er keine Zustimmung dazu erteilen.

Hier gibt es also auf mehreren Ebenen viele Fragezeichen, sodass ich sagen muss: Das ist ein bisschen im Bereich jener Politik angesiedelt, die wir im Rahmen der diplomatischen Operette des Ballhausplatzes in den letzten Wochen schon vorgeführt bekommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich nun aber auch noch ernsthaft auf die Fragen eingehen, die heute hier an die Bundesregierung gestellt wurden!


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Die erste betrifft Temelin. – Die jüngsten Aussagen des Ministers Molterer zeigen jetzt im Nachhinein die verfehlte Politik, die die Bundesregierung hier eingeschlagen hat, nämlich die Politik, bei Temelin nur auf die Sicherheit und nicht auf den Ausstieg aus der Atomtechnologie zu setzen. Das wäre wichtiger gewesen – vielleicht können Sie diese meine Überlegungen Herrn Bundesminister Grasser mitteilen –, als zum Beispiel doch noch die Abfangjäger finanzierbar zu machen. Der Ausstieg aus Temelin wäre nämlich der wichtigste Beitrag zur Landesverteidigung Österreichs gewesen, weil Temelin die größte Bedrohung für Land und Leute darstellt.

Das geht nur mittels einer Ausstiegskonferenz, mittels eines großzügigen Angebots der Umrüstung der Energie. Molterer hat Recht, wenn er sagt, jedes Land könne seine Energie wählen, aber er hat eine falsche Zielsetzung verfolgt, nämlich sich mit der Atomkraft abzufinden und nur auf Sicherheit zu setzen. Doch wir alle wissen, es gibt kein sicheres Atomkraftwerk auf dieser Welt.

Nun zum zweiten Punkt der heutigen großen Debatte, zur Neutralität. Als Außenminister ist Schüssel etwas passiert, was man vielleicht als rüpelhaft bezeichnen könnte, das war die seinerzeitige Bewertung einer wichtigen Persönlichkeit, nämlich des Chefs der Deutschen Bank. Aber nun gibt es diese schreckliche Aussage am Staatsfeiertag! Das ist nicht passiert, das stand in seiner Rede: dieser Versuch der Demontage, der Herabwürdigung der Neutralität. Er hat die Neutralität nicht mit dem Riesenrad und dem Stephansdom in Verbindung gebracht, sondern er hat sie – ich kann zwar als zugereister Wiener, als Tiroler, nicht diese Ehrerbietung gegenüber den Mozartkugeln und den Lipizzanern aufbringen, wie sie vielleicht Herr Professor Konecny hat – mit seinem Vergleich mit den Lipizzanern und den Mozartkugeln ganz bewusst auf eine Klamaukebene gesetzt. Stephansdom und Riesenrad wären eine andere Ebene gewesen. Er wollte diese Demontage. (Bundesrat Gasteiger: Er wollte provozieren!)

Ich sage, es geht um dieses bewusste Miesreden, diese Aushöhlung, diese ständige Aushöhlung der Neutralität. (Beifall bei der SPÖ.) Je mehr man die Neutralität lächerlich macht, umso leichter ist ihre Auflösung. Aber man besitzt nicht den Mut zu sagen: Wir stellen diese Frage einer Volksabstimmung. Warum? – 75 Prozent der Österreicher halten nach wie vor an dieser Neutralität, auf die jedes Regierungsmitglied angelobt ist, fest. Diese Regierung ist auch auf die Neutralität angelobt. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Mag. Gudenus . – Bundesrat Gasteiger: Das ist halt noch ein Föderalist!)

Meine Damen und Herren! Was immer diese Unstimmigkeiten, diese Doppelbotschaften, die diese Regierung derzeit ausstrahlt, in der Bevölkerung bewirken mögen: Derzeit ist jenes Vertrauen, das eine Regierung in solchen Lebensfragen haben sollte – auch die Neutralität gehört dazu, auch die Frage der Sicherheit von Temelin gehört dazu –, nicht gegeben. Herr Klubobmann Böhm hat heute Schärf zitiert. Eines können Sie sicher sein: Figl und Raab haben Schüssel am 26. Oktober enterbt! (Beifall bei der SPÖ.)

18.14

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier. Ich erteile es ihm.

18.14

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird dies jetzt wohl zirka die zehnte dringliche Anfrage der Sozialdemokraten in diesem Haus in dieser Legislaturperiode sein, in der sie hier die Oppositionsrolle spielen. In den ersten – sage ich einmal – sechs, sieben Anfragen habe ich darauf hingewiesen, dass es ein bissel hilflos war, was da so gefragt wurde. Ich stelle fest: Sie haben sich schon geändert, Sie sind von der Hilflosigkeit in die Destruktivität übergeschwenkt und versuchen jetzt, destruktive Oppositionsrolle zu spielen. Aber das ist auch Ihr gutes Recht.

Das, was ich noch gut finde, ist, dass Sie im Kollegen Schennach noch einen zusätzlichen Mitstreiter bekommen haben, der quasi ein wenig hilft und Sie dabei unterstützt, dass Ihre Argumentation vielleicht ein bisschen breiter wird, als sie es sonst war. Das halte ich, rein politisch gesehen, für dieses Haus für bemerkenswert. Sie sollten sich aber trotzdem vielleicht noch ein bisserl mehr bei der Formulierung abstimmen, wer das eine oder andere noch beisteuern


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könnte.
Das würde wahrscheinlich, auch was das Politische anlangt, noch ein bisschen mehr Pfiff bringen, als das, was Herr Professor Konecny sehr mühsam versucht.

Ich glaube aber – mein Kollege Harry Himmer hat schon über all das ... (Bundesrat Gasteiger: Es wäre gescheiter, die Regierung würde sich abstimmen. – Bundesrat Marizzi: Die Regierung soll sich besser abstimmen!) Das ist ja nur eine Anregung, damit wir bei der nächsten Dringlichen vielleicht ein bisserl mehr reden können, als das vielleicht bis jetzt der Fall war. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Mein Kollege Mag. Himmer hat schon zu all den Fragen, was die Neutralität anlangt, Stellung genommen. Ich möchte versuchen, einiges zu Temelin zu sagen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Kollege! Ich habe Verständnis dafür, dass Sie die Fragen der Außenpolitik und auch die Besuche der Bundesregierung im Ausland sehr genau betrachten, denn Ihre Erfahrungen, die Sie mit Ihrem Parteivorsitzenden Gusenbauer und seinen Auslandsaktivitäten gesammelt haben, sind nicht so berauschend. (Bundesrat Gasteiger: Der wird empfangen, Herr Kollege! Der wird empfangen!)

Ich frage mich, was Sie gesagt haben, als Herr Kollege Gusenbauer bei Verheugen war. Er hat Herrn Verheugen offensichtlich nur wegen des Fototermins besucht. Aber genau jener Mann hätte ihm Auskunft geben können, wie der Stand des Melker Prozesses ist. Ich frage mich eigentlich, wo da der Parteivorsitzende der SPÖ ist (Bundesrat Winter: Sie sind ja in der Regierung!), der einen Sozialdemokraten als Kollegen in Tschechien hat, nämlich Herrn Zeman, der Ministerpräsident ist. (Bundesrat Gasteiger: Sie sind ja in der Regierung!) Warum bespricht er nicht das, was Sie hier so beklagen, mit diesem Herrn und nimmt quasi eine unterstützende Haltung für die Regierung ein? Ja, wo ist denn eigentlich Ihr Bundesvorsitzender Dr. Gusenbauer? (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie sollten das alles machen!)

Es gibt noch einen anderen Sozialdemokraten, zu dem Sie vielleicht einen guten Draht haben könnten, aber es scheint dies nicht der Fall zu sein, das ist Herr Bundeskanzler Schröder. Herr Bundeskanzler Schröder könnte auch in diesem Zusammenhang im Gleichklang mit der EU-Politik Österreich helfen, dass eben die Sicherheitsstandards und so weiter in Temelin so geordnet sind, wie wir es ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Braucht die österreichische Bundesregierung so viel Hilfe von außen? Sind Sie so wenig kompetent?) Ich sage ja nur, wenn es Ihnen wirklich so am Herzen liegt. Sie, Frau Kollegin Trunk, haben erst heute in der Früh über Solidarität gesprochen. Wo ist Ihr Parteivorsitzender, der diesen Weg geht und, wenn Sie so wollen, hilfreich ist? (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich frage Sie aber auch ... (Bundesrat Winter: Wo ist die Regierung?) – Lassen Sie mich ausreden! Auf die Regierung komme ich jetzt zu sprechen, Herr Kollege! Ich versuche Ihnen jetzt zu erklären, wie die Haltung der Regierung ist, und Herr Staatssekretär Morak hat das schon sehr eindrucksvoll dargelegt. (Bundesrätin Schicker: Na, so etwas Schwaches habe ich noch nie gehört! Das war wirklich kein gutes Beispiel!)

Ich glaube, dass die Frage Temelin jedem Sorge macht. Das können Sie sich anschauen bei den Demonstrationen, bei den Protesten, bis hin zum Volksbegehren. Ich stelle hier fest, dass das Volksbegehren ... (Bundesrat Gasteiger: Molterer sieht das anders!) – Also wenn Sie Herrn Kollegen Molterer gehört hätten, würden Sie wissen, dass er die rechtliche Situation dargestellt hat. Ich komme darauf noch zu sprechen.

Ich möchte aber schon auch noch etwas zum Volksbegehren sagen. Es ist eines jeden Recht, ein Volksbegehren zu machen. Die jetzige Koalitionspartei, die FPÖ, hat in früheren Jahren sehr oft von diesem Instrument Gebrauch gemacht. Es ist bemerkenswert, dass nicht mehr alle Landesgruppen ein derartiges Volksbegehren machen, sondern diejenigen, die sich offensichtlich betroffen fühlen. Und ich sage Ihnen auch, weil immer das Thema Veto angesprochen wird: Das ist offensichtlich von diesen Landesgruppen so formuliert. Das geht mich nichts an. (Bundesrat Gasteiger: Sie trauen sich nichts zu sagen!) Thematisiert wird das Ganze – und das sollten Sie wissen –, wenn das Volksbegehren ausreichend unterstützt ist und hier im Hohen Haus debattiert wird. Dann können wir darüber reden. (Bundesrat Gasteiger: Eben! Eben! Sie


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reden ja nicht darüber!) Vorher sage ich Ihnen: Warten Sie ab, was der Melker Prozess bringt! Bis dahin gibt es politische Verhandlungen.

Wenn Sie sich anschauen, was in diesen politischen Verhandlungen bei diesem schwierigen Fragenkomplex Temelin bisher weitergegangen ist, müssen Sie in Wirklichkeit zugeben: Die Österreicher haben einen unglaublich guten Job gemacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Jetzt kann man nicht hergehen, so wie Sie es sich wünschen und wie es natürlich auch ein paar Tageszeitungen schreiben, weil sie etwas kampagnisieren wollen (Bundesrätin Mag. Trunk: Was denn? Was denn), und sagen, die ÖVP, der Herr Bundeskanzler und der zuständige Minister haben den Kampf aufgegeben. (Bundesrat Gasteiger  – einen "Kurier" in die Höhe haltend –: Lesen Sie die Zeitung!) Schauen Sie einmal genau, was Frau Dr. Riess-Passer gesagt hat. Sie sucht die Unterstützung, damit wir den gleichen Weg gehen. Hier gibt es Gleichklang auf einem anderen Weg. (Bundesrat Kraml: Das ist ein Wunschdenken von Ihnen!) Verhandelt wird das Ganze, wenn das Volksbegehren, ausreichend unterstützt, im Parlament behandelt wird.

Ich würde Sie bitten, schauen Sie sich einmal den Terminplan an. Dieses Volksbegehren wird irgendwann im Jänner sein, die Verhandlungen zum Energiekapitel werden aber irgendwann im Dezember abgeschlossen sein. Das heißt, es gilt jetzt – und da gilt die Unterstützung von Ihnen, wenn sie Ihnen wirklich am Herzen liegt, da könnte Herr Gusenbauer zu Herrn Zeman fahren –, alles zu unternehmen, damit wir von der tschechischen Regierung alle Zusagen, die die Sicherheitsstandards des Kraftwerks betreffen, rechtsverbindlich zugesagt bekommen, sodass wir ruhigen Gewissens sagen können: Okay, das ist sicher.

Da vermisse ich in Wirklichkeit Ihre entsprechende Haltung. Wir haben im Parlament einen Vier-Parteien-Antrag zu dieser Thematik gehabt. Sie sind jetzt aus parteitaktischen Gründen ein wenig davon abgekommen und brauchen ein bisserl Stoff für eine Dringliche. In Wirklichkeit hätte ich mir erwartet, dass Sie eine massive Außenpolitik machen (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist Aufgabe der Außenministerin! Was wir alles machen sollen! Wir sollen das machen, was der Bundeskanzler machen sollte, was die Außenministerin machen sollte!) – auch um sich zu profilieren. Gusenbauer muss sich ohnehin profilieren. Wenn er bei Arafat ist, wird das zu wenig sein. Es gibt andere, viel wichtigere Themen, um die er sich kümmern sollte.

Zur Frage Temelin sage ich Ihnen: Warten wir einmal ab, wie die Verhandlungen ablaufen! Es hat keinen Sinn, auf der einen Seite den Sand in den Kopf zu stecken, auf der anderen Seite hat es auch keinen Sinn, davon zu sprechen, dass wir die Verhandlungen für beendet erklären und den Kampf aufgeben. Im Gegenteil! (Bundesrätin Schlaffer: Das müssen Sie Ihrem Regierungspartner sagen!)

Wenn Sie den Bericht, den der zuständige Minister Molterer den Klubs vorgestern zur Verfügung gestellt hat, gelesen haben, dann werden Sie auch sehen, welche Fortschritte in diesen Verhandlungen gemacht wurden. Die Endverhandlungen werden irgendwann einmal im Dezember sein, und dann können wir das bewerten. So viel Zeit müssen Sie sich auch noch nehmen, das abzuwarten. Das ist einmal Gegenstand von Verhandlungen.

Ich möchte aber noch ganz kurz auf die Frage der Osterweiterung eingehen, weil das auch ein Thema und Gegenstand der Dringlichen ist. Ich glaube – das ist natürlich von Ihnen nicht angesprochen worden, denn es ist ja verständlich, dass man, wenn man eher destruktiv vorgeht, nicht konstruktiv darauf hinweisen kann, was die Bundesregierung vorhat –, die Österreichplattform und, wenn Sie so wollen, die Dialogplattform zum Thema EU-Erweiterung ist eine der Maßnahmen, um Informationen sachlicher Art zu geben, um allenfalls auch dort gegenzusteuern, wo Sorgen und Ängste vorhanden sind. Es ist dies eine ähnliche Form der Information, wie sie in der Frage des Euro vorgesehen ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wir Politiker haben keine Information bekommen!)

Ich halte das daher für einen ganz wesentliche Initiative. Wenn Frau Vizekanzlerin Riess-Passer mit Außenministerin Ferrero-Waldner diesen Dialog und diese Plattform vor wenigen Wochen in


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Gmünd, in der Grenzregion, begonnen haben, so ist das genau die Initiative, die wir brauchen, um der Bevölkerung Information zu geben und nicht irgendwelche Ängste zu schüren. (Bundesrat Kraml: Die Ängste schürt man vorher!) Das ist die Aufgabe, und alle Parteien sollten diese Frage so sehen.

Ich erwarte mir, wie gesagt, von den Parteien hier in diesem Haus eine konstruktive Diskussion zur EU-Erweiterung und in der Frage Temelin ein wenig Gelassenheit, was die Frage des Standes der Verhandlungen anlangt. Diese werden im Dezember so weit sein. Dann werden die Dinge vorgelegt werden, und dann haben wir zu entscheiden.

Veto hin oder her: Das ist eine Frage des Volksbegehrens. Wenn es ausreichend unterstützt ist, wird es im Parlament zu diskutieren sein. Vorher brauchen wir nicht darüber zu reden, weil es nicht dem Parlament vorliegt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.23

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Marizzi. Ich erteile es ihm.

18.24

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Kollege Maier! Betreffend EU-Osterweiterung hast du Recht, diese Informationsgeschichte ist gut, aber betreffend Temelin sind wir leider anderer Meinung.

Es haben anscheinend einige nicht begriffen, dass das Kernkraftwerk Temelin ein Symbol sein sollte, ein Symbol für ein Ausstiegsszenario von Kernkraftwerken, vor allem in Osteuropa. Das betrifft nicht nur das Kernkraftwerk Temelin, sondern es betrifft Krško, Bohunice, Dukovany und vor allem das gefährliche Kernkraftwerk Kozloduj.

Wenn man sich damit auseinander setzt – und zwar gerade nach den Auswirkungen des 11. September, ohne da irgendwelche Teufel mit der Fettkreide an die Wand malen zu wollen –, dann weiß man, dass es wahrscheinlich genügt, ein einfaches Sportflugzeug auf das Containment fliegen zu lassen, um eine atomare Katastrophe nicht nur über Osteuropa, sondern über ganz Europa hereinbrechen zu lassen.

Daher sind wir so wachsam und so vorsichtig. Hochmut kommt immer vor dem Fall. Man bezeichnet uns als Opposition, die sich da aufregt, weil wir über Temelin den Mund aufmachen und weil wir Herrn Minister Molterer kritisieren. Ich glaube, es wäre eine große Chance gewesen, eine gemeinsame Sache betreffend Ost-AKWs zu starten. Da hätte man kreativ sein können.

Sie haben die Deutschen angesprochen: Es ist nicht umsonst gewesen, dass die deutsche Bundesregierung damals bei Greifswald in der DDR ausgestiegen ist. Das war auch ein Schrottreaktor. Und da könnte man ein Beispiel an das andere reihen.

Um vielleicht einen neuen Aspekt einzubringen, Herr Finanzminister, da Sie heute die Finanzen dargestellt haben: Man könnte zum Beispiel auch mit Wettbewerbssekretär Monti reden und ihn darauf aufmerksam machen, dass Kernkraftwerke eigentlich ein hochsubventioniertes Instrument sind. Man redet immer vom Wettbewerb. Kernkraft ist subventioniert, Kosten von 15 Groschen pro Kilowatt zu 60 Groschen pro Kilowatt Wasserkraft stehen einander gegenüber. Da könnten Sie als österreichischer Finanzminister berühmt werden, wenn Sie sagen: Ich gehe jetzt zur Europäischen Union und sage als österreichischer Finanzminister: Diese Kernkraft ist höchstsubventioniert, daher ist sie nicht mehr wettbewerbskonform.

Oder vielleicht haben Sie andere Ideen. Aber nein! Weil die Opposition irgendetwas sagt oder irgendetwas will, ist das grauslich und so weiter und so fort. Wir hätten Chancen gehabt. In dieser Frage geht es nicht um schwarz, blau, rot oder grün, sondern da geht es einfach um rot-weiß-rot, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Österreicherinnen und Österreicher haben damals ein Gespür gehabt, als sie aus der Kernkraft ausgestiegen sind. Das war auch nicht leicht für unsere Partei. Und genauso habe ich den Eindruck, dass wir es uns, Herr Professor Böhm, auch bei der Neutralität nicht leicht machen sollten.

Ich will jetzt nicht die ganze Geschichte des Moskauer Memorandums – ich habe es hier –, das Sie zitiert haben, wiederholen, denn es sind heute noch viele Redner gemeldet, aber wahr ist, Herr Kollege Böhm, dass das Moskauer Memorandum und die Jahre 1955 und 1954, in dem das Moskauer Memorandum begonnen hat – das wissen Sie ganz genau – eine wesentliche Voraussetzung dafür waren, dass Österreich auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs war. Und das war 40 Jahre lang eine Entwicklung für uns alle, die wir hier sitzen, und für unsere Kinder, Herr Kollege Böhm! Darauf sind wir stolz, dass Raab, Figl und Kreisky damals so gehandelt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrats Dr. Böhm. ) – Ich komme schon darauf! Das sollten Sie einmal lesen, und Sie sollten auch die Rede von Herrn Bundeskanzler Raab lesen.

Wissen Sie, worum es geht – das hat einer meiner Vorredner, Kollege Schennach, so trefflich ausgedrückt –: Es geht nicht darum, diese Neutralität weiterzuentwickeln – so blöd sind wir auch nicht –, aber es geht darum, mit dem gespitzten Bleistift Dinge lächerlich zu machen und sie mit Mozartkugeln und Lipizzanern zu vergleichen. Da geht es nicht um die Weiterentwicklung der Neutralität, da geht es einfach um das Heruntermachen der Neutralität. Und dagegen sind wir Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich will jetzt gar nicht die vielen Leserbriefe, die im "Kurier" und in der "Kronen Zeitung" erschienen sind, vorlesen. Sie, Herr Kollege Morak, haben sicher auch den Artikel über das "Mozart-Ei" in der "Presse" gelesen. Daher möchte ich dieses unrühmliche Thema für die Republik Österreich abschließen und vielleicht auch ein bisschen ätzend sein.

Sie, Herr Finanzminister, haben gesagt, die Regierung mache alles gemeinsam. Das haben Sie heute, so glaube ich, dreißig Mal erwähnt. Schauen wir uns das einmal an! (Der Redner hält nacheinander verschiedene Zeitungen in die Höhe.) "Duell an der Spitze"! Schauen wir uns die "Gemeinsamkeit" an! Schauen wir uns das an, weil Sie, Herr Finanzminister, gesagt haben, das Management in diesem Staat funktioniere so gut, und es herrsche Verteilungsgerechtigkeit: "44 Groschen von jedem Schilling Steuerbelastungen unerträglich."– Wirtschaftsseite des "Kurier", Herr Finanzminister! Oder – letzter Punkt, weil das Management so gut funktioniert; auch wieder im "Kurier" –: "Konjunktur trifft Jobmarkt hart ins Mark."

Es gibt natürlich neben Temelin, neben der Neutralität auch die Innenpolitik. Was ich damit meine, ist Folgendes – vielleicht geht es, vielleicht geht es auch nicht, ich weiß es nicht –: Außenpolitisch sollte dieses kleine Land einen Vier-Parteien-Konsens haben, egal, ob das die Frage der Kernkraft oder die Frage der Außenpolitik betrifft. Innenpolitisch, Herr Finanzminister, haben Sie uns bei der Verteilungspolitik als Gegner, denn Sie haben die Reichen reicher gemacht und die Armen ärmer. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.30

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

18.30

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Einen Satz zu meinem Vorredner, Kollegen Marizzi, der die Frage der Subvention der Kernenergie angesprochen hat: Herr Kollege Marizzi! Es wird Ihnen nicht entgangen sein, aber Sie haben, so glaube ich, einen gedanklichen Trugschluss.


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(Bundesrat Marizzi: Wenn Sie das sagen, dann akzeptiere ich das! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Wenn Sie von einer Subvention der Kernenergie in der Causa Temelin sprechen, dürfte Ihnen entgangen sein – ich nehme an, Sie wissen es, das war wahrscheinlich ein Versprecher –, dass Tschechien – und somit Temelin – nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Daher würde dieser Protest natürlich nicht einmal das Papier wert sein, das Sie genannt haben. (Bundesrat Marizzi: Aber die EdF will das kaufen! Lesen Sie bitte die Zeitungen, wenn Sie schon mir nichts glauben!)

Meine Damen und Herren! Bei der heutigen dringlichen Anfrage von der Sozialdemokratischen Partei wurde die Begründung dieser Dringlichen in mehrere Kapitel eingeteilt: in ein allgemeines Kapitel und in drei weitere. Gleich im ersten Absatz der Präambel schreiben Sie, dass Mitglieder der Bundesregierung von ÖVP und FPÖ beinahe täglich widersprüchliche Aussagen zu politisch brisanten Themen treffen. (Bundesrat Kraml: Stimmt!)

Herr Kollege Kraml! Gott sei Dank nimmt sich diese Bundesregierung auch der brisanten Themen an. Das ist eben der Unterschied zu alten Regierungen. Das heißt, Herr Kollege Kraml, wahrlich ein brisantes Thema ist die finanzielle und die wirtschaftspolitische Situation, die Ihre Regierung uns hinterlassen hat. (Bundesrat Freiberger: Mit der ÖVP! –Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Frau Kollegin Trunk! Ich sage: Gott sei Dank haben wir keine sozialistischen Mitglieder mehr in dieser Bundesregierung, weil dadurch der Verschwendung und der Staatsverschuldung Einhalt geboten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! – Heiterkeit. – Bundesrat Freiberger: Wie hat die Kollegin geheißen? Fabel? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, haben auf Kosten kommender Generationen regiert. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kollege Freiberger! Ihre Regierungstätigkeit war nicht brisant – um bei Ihrer Diktion zu bleiben –, sondern Ihre Regierungspolitik war wirtschaftspolitisch und finanziell gefährlich für dieses Land. Sie haben über 2 000 Milliarden Schilling Schulden hinterlassen. (Bundesrat Manfred Gruber: Und Sie verkaufen jetzt alles! – Bundesrat Freiberger: 44 Groschen Belastung pro Schilling! – Bundesrat Kraml: Alles verkaufen! Alles verscherbeln! – Bundesrat Winter: Verschleudern! – Bundesrat Kraml: Ja, verschleudern!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie alterieren sich in der Präambel zur Dringlichen, Sie alterieren sich im Kapitel zur Neutralität über den Vorschlag des Landeshauptmannes von Kärnten Dr. Haider, ein Referendum über die Neutralität und die EU-Osterweiterung abzuhalten. Sie schreiben in der Präambel – ich zitiere –: "Eine solche Vorgangsweise von Spitzenrepräsentanten der österreichischen Bundesregierung – insbesondere des Bundeskanzlers – und des Kärntner Landeshauptmannes ist chaotisch, verunsichert die österreichische Bevölkerung und schädigt das Ansehen im Ausland.” – Ihre Diktion, Herr Kollege Konecny. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie, Herr Kollege Konecny, ich frage Sie von der SPÖ: Seit wann fürchten Sie sich vor einem Volksentscheid? (Bundesrat Konecny: Wir fürchten uns gar nicht! Sie müssen sich fürchten! – Bundesrat Kraml: Vor Haider! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Kollege Konecny! Seit wann ist die Einbindung des Souveräns, die Einbindung der Bevölkerung in eine Entscheidung gefährlich und chaotisch? – Das ist Ihre Diktion. Ich meine, meine Damen und Herren von der SPÖ, wenn etwas gefährlich ist, dann ist es diese Ihre Diktion.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! (Bundesrat Winter: Von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs!) Sie gehen in der Begründung Ihrer Dringlichen auf mehrere Begriffe ein, und Sie verwenden fünfmal den Begriff der Verunsicherung. Mag sein – ich kann es nicht beurteilen –, dass dieses Wort in Ihr Parteiprogramm Einzug gehalten hat und dort verankert ist. (Bundesrat Manfred Gruber: Wir haben wenigstens eines!) Das würde für mich auch erklären, meine Damen und Herren, warum der Vorsitzende der SPÖ in der Steiermark zum Beispiel beinahe permanent von seinen Rücktrittserklärungen zurücktritt. Das ist die Verunsicherung in der Praxis, Herr Kollege Konecny! (Bundesrätin Schicker: Ich weiß nicht, wovon Sie reden! Wer sagt das?) Ihr Parteivorsitzender Schachner tritt permanent von seinen Rücktrittserklärungen zurück. Das ist die Verunsicherung in der Praxis, Herr Kollege!

Damit, Herr Kollege, erklärt sich auch das Ziel ... (Bundesrätin Schicker: Kollege Weilharter, da weißt du mehr als wir! – Bundesrätin Mag. Trunk: Von wem sprechen Sie? – Bundesrätin Schicker: Von unserem Parteivorsitzenden!) Frau Kollegin Schicker! Damit erklärt sich ja auch das Ziel Ihrer heutigen Anfrage. Ihr Motto der heutigen Anfrage war – darüber wurde schon gesprochen –: Egal, wer zuständig ist, egal, wie diese dringliche Anfrage ausgeht, wichtig war Ihnen und die Hauptsache für Sie war, dass Sie Verunsicherung erzeugen.


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Aber, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ich sage Ihnen eines: Dieses Ziel haben Sie bisher nicht erreicht, das haben Sie mit der heutigen dringlichen Anfrage nicht erreicht, denn diese Regierung ist sattelfester denn je und ist kompetent. (Ironische Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Freiberger: Da lachen Sie ja selbst dabei!) Sie ist kompetent und wird jenes Erbe, jenes finanzielle Desaster, das Sie hinterlassen haben, reparieren. Ich bin Optimist, dass dieses Unternehmen gelingen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.36

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile es ihm.

18.37

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der kleine Prinz sieht das Volk nicht, und daher kann er es auch nicht hören. Es ist eindeutig, dass dem, der Schuhgröße 26,9 Prozent hat, die Schuhe, die er derzeit trägt, um mehr als die Hälfte zu groß sind. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Oder wir bei uns im Waldviertel würden sagen: Er schwimmt darin, und es schleudert ihn fast tagtäglich. (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

So, meine sehr geehrten Damen und Herren, würde ich Wolfgang Schüssel in zwei Sätzen ganz kurz beschreiben. Denn dieses jämmerliche Schauspiel, welches unser Bundeskanzler Schüssel in Sachen Neutralität geboten hat, ist eines Bundeskanzlers dieser Republik in keinster Weise würdig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn der Bundeskanzler mit der Neutralität ein Problem hat, sie aber nicht abschaffen kann, weil er im Parlament die nötige Zweidrittelmehrheit dafür nicht hat und weil 80 Prozent der Österreicher für die Beibehaltung eintreten, dann hätte er besser, wie so oft zu wichtigen Themen, schweigen sollen, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Freiberger: Wenn er schweigen soll, dann redet er!)

Es überschreitet die Grenzen jedes politischen Anstandes, wenn der Bundeskanzler der Republik Österreich, der während eines Sonderministerrates anlässlich des Nationalfeiertages an den Beschluss des Verfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität Österreichs erinnern soll, diese Neutralität in Frage und in eine Reihe mit Mozartkugeln und Lipizzanern stellt. Wir Sozialdemokraten, meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus, weisen diese unverständliche Vorgangsweise des Bundeskanzlers mit aller Deutlichkeit und Entschiedenheit zurück. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Neutralität ist, wie wir alle wissen, in mehreren Dokumenten festgehalten. Erstmals erwähnt wird sie im Moskauer Memorandum vom April 1955, und im Einklang damit beschloss das Parlament am 26. Oktober 1955 das Verfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zuge dieser Besprechungen über den ehesten Abschluss des Österreichischen Staatsvertrages vom 12. bis 15. April 1955 wurde zwischen den sowjetischen und österreichischen Delegationen Einverständnis darüber erzielt, dass im Hinblick auf die von den Mitgliedern der Regierung abgegebenen Erklärungen – nämlich des Herrn Bundeskanzlers Raab, des Herrn Vizekanzlers Schärf, des Herrn Außenministers Figl und des Herrn Staatssekretärs Bruno Kreisky – für die Herbeiführung der notwendigen Beschlüsse und Maßnahmen durch die österreichische Bundesregierung Sorge zu tragen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hätten diese national und international angesehenen und anerkannten Politiker Schüssels mehr als überflüssige Wortmeldung gehört, dann würden sie sich wohl, wie ich glaube, im Grab umdrehen! Sie würden Schüssel vermutlich nicht mit Mozartkugeln beschenken, sondern ihm eher Rossknödel nachwerfen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies ein sehr ernstes Thema, auch wenn manche Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP darüber lachen. (Zwischenruf der Bundesrates


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Bieringer. ) Denken Sie an Ihre Vorgänger! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schüssel versteckt sich, und er hat dazu auch offensichtlich jeden Grund! Schüssel hat die Neutralität aufgegeben. Und Haider sagt dazu in Kärnten: Mit der Aufgabe der Neutralität geht der NATO-Beitritt Hand in Hand. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie haben sie aufgegeben!) Das ist Ihre Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass diese Regierung so schnell als möglich zurücktritt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herrn Schüssel sind am Nationalfeiertag, an dem wir die verfassungsmäßig festgeschriebene Neutralität feiern, die Lipizzaner durchgegangen! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Schüssel fordert Solidarität statt Neutralität. 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind jedoch für die Beibehaltung unserer Neutralität, und der Bundeskanzler sollte sich endlich bei unseren Staatsbürgern, bei den Bewohnern unserer Republik, für diese seine Aussagen entschuldigen! (Bundesrat Ledolter: Für die Lipizzaner?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch einige Regierungsmitglieder von der FPÖ, zum Beispiel unser Verteidigungsminister, bezeichnen die Aussagen beziehungsweise den Ausritt Schüssels als nicht sehr glücklich. Ich meine: Das war ein Totalschaden. Meine Damen und Herren! Meiner Meinung nach sollte die alte Schablone Schüssel als Bundeskanzler abtreten, damit in unserer Republik nicht noch mehr Schaden als bisher angerichtet wird! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. (Zwischenruf des Bundesministers Mag. Grasser. )

18.44

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Wie der Herr Minister gerade gesagt hat: Ich habe es jetzt nicht leicht!

Ich beziehe mich jetzt gleich auf den letzten Satz meines Vorredners, des Kollegen Winter, nämlich auf die Aufforderung, dass jemand vorzeitig sein Kanzleramt aufgeben sollte. Ich kann das verstehen und würde diese Forderung auch unterstützen. Ich meine allerdings, dass bei allem Humor in den Aussagen ein tiefer und wahrer Kern steckt, und daher möchte ich der ÖVP raten, sich bei Kollegen Winter doch recht herzlich zu bedanken, denn eine so charmante Bezeichnung für diesen – nach zwei Punkten – .. Bundeskanzler, nämlich "der kleine Prinz, der mit zu großen Schuhen schwimmt", ist einfach einzigartig! Im Namen der ÖVP bedanke ich mich bei dir, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu Kollegen Maier: Sie haben die Professionalität und die Qualität dieser Dialogplattform zur EU-Erweiterung angesprochen. Ich kenne nur zwei dieser Veranstaltungen, eine habe ich und eine wurde von meiner Kollegin besucht. Ich habe jene in Kärnten besucht, die in der Schleppe-Event-Halle stattgefunden hat. Zugegebenermaßen war das Buffet reichhaltig, und ich habe dort alle aus der politischen Szene, und zwar von allen Parteien und von allen Kammern, getroffen, nur nicht jene Menschen, die berechtigterweise oder unberechtigterweise im Zusammenhang mit den im Hinblick auf die EU-Osterweiterung geschürten Ängsten stehen. – Das heißt, diese Plattformveranstaltung der Frau Außenministerin in Kärnten war ein Quasi-Treffen der Politiker fast aller Couleurs. Sie war jedoch kein Dialog mit der Bevölkerung, die Ängste plagten.

Die zweite Veranstaltung, die Sie angesprochen haben, hat in Oberwart und nicht in Gmünd stattgefunden. Dort soll angeblich ein Teilnehmer die Veranstaltung verlassen und gesagt haben: Inklusive der Frau Ministerin – und er habe sich eigentlich dafür geschämt – waren wir zehn Personen. – Ich glaube, der offensive Dialog mit der Bevölkerung und die Auseinandersetzung mit den Ängsten der Bevölkerung haben auch dort nicht stattgefunden!

Mich freut das nicht, denn ich denke, dass die Auseinandersetzung mit den Ängsten der Bevölkerung eine sehr wichtige Angelegenheit ist. Das sollte für Sie und vielleicht auch für die Frau Außenministerin ein Hinweis dafür sein, dass man diese Veranstaltungen doch etwas tiefergehender ansetzt und sich nicht damit begnügt und einander auf die Schultern klopft, wenn po


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litische Kollegen zusammentreffen und die gleiche Meinung von vorgestern austauschen. – Das heißt, der Dialog mit der Bevölkerung muss erst wirklich einer werden. Bis jetzt funktioniert er nicht!

Bevor ich zu einer ausgesprochenen Lobformulierung betreffend den Finanzminister komme, muss ich doch meiner Verwunderung Ausdruck verleihen: Die Performance des Finanzministers ist hervorragend, und ich kann auch die Haltung jener Österreicher, die zunehmend von Armut betroffen sind, nachvollziehen, die deinem jugendlichen Charme erliegen und sagen: Der junge Bursche spart halt für Österreich! Grenzen hat meine Bewunderung allerdings in Anbetracht der Ausführungen zur erfolgreichen Privatisierung und zum Verkauf österreichischen Kapitals. – Die Telekom-Geschichte ist nur eine von vielen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Die wundersame Verminderung von Kapital und Milliarden der Republik Österreich, von 120 Milliarden auf geschätzte – du wirst es besser wissen! – 50 bis 60 Milliarden, ist jedenfalls ein bedenklich trauriges Kapitel der Finanz- und Veräußerungsgeschichte der Republik Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Ausführungen in der Anfragebeantwortung zu dieser Sache und zu dem Satz "Grasser/Riess-Passer schafft Klarheit" muss ich sagen: Es schafft Klarheit, wenn er sagt, dass sich diese Bundesregierung – und damit ist, so nehme ich an, wohl auch der FPÖ-Teil gemeint – für eine EU-Osterweiterung ausspricht, weil damit auch Chancen für Österreichs Wirtschaft verbunden sind. – Das ist eine klare Aussage!

Zweiter Punkt: Es ist eine klare Aussage und Positionierung, wenn er sich nicht gegen beziehungsweise für – ich möchte ihn nicht falsch zitieren – einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergieproduktion, auch Temelin betreffend, ausspricht. Das ist eine klare Positionierung.

Keine Aussage, und zwar betreffend die persönliche Haltung, gab es zur Neutralität, sehr wohl aber das Bekenntnis zu einer Volkabstimmung vor der Abschaffung. – Damit kann ich sehr viel anfangen, und ich denke, dass die Anfragebeantwortung des Finanzministers als Vertreter der Frau Vizekanzlerin in einigen Teilbereichen ausreichend war. Ohne ihm persönlich näher treten zu wollen, weil ich seinen schweren Job verstehe und das auch respektiere, sehe ich doch zwischen der gelesenen Anfragebeantwortung – und das meine ich jetzt nicht verächtlich – und dem gesprochenen Wort eine große Diskrepanz.

Weiters frage ich mich, und muss es hier tun, ohne Herrn Staatssekretär Morak in unangenehmer Weise näher treten zu wollen ... (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. ) – Ich spreche meines Erachtens langsam genug, sodass Sie mir beim Schritt von Grasser zu Morak folgen können! (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.) Ja, ich bin bei Morak angelangt!

Ich denke, Sie werden mir oder der SPÖ in Bezug auf diese Anfrage nicht ganz Unrecht geben: Sie haben sehr oft den Begriff "uns" in den Mund genommen. – Da erhebt sich die Frage: Wer ist "uns"? Ist "uns" ein Teil der ÖVP in der Bundesregierung, ist "uns" Herr Staatssekretär Morak im Pluralis majestatis, ist "uns" die Republik Österreich, oder sind "uns" auch der FPÖ-Koalitionspartner und die Vizekanzlerin? – Ich verstehe, dass Sie sich da nicht präzise ausgedrückt haben, denn Sie können wahrscheinlich nicht viele verschiedene Meinungen stellvertretend auf einen Punkt bringen. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Ich stehe zu diesem "uns", wenn die Republik Österreich damit gemeint ist, ich kann aber wenig damit anfangen – und daraus erklärt sich auch die Berechtigung der dringlichen Anfrage der Sozialdemokraten –, wenn der Begriff "uns" eine klare Positionierung für die Zukunft vermissen lässt. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Nun zum zweiten Bereich, den der Herr Finanzminister angesprochen hat, nämlich zur professionellen Performance der Bundesregierung inklusive Bundeskanzler mit Spitze nach außen: Auch diesbezüglich will ich niemandem besonders näher treten. Ich meine aber, dass das, was hier abläuft, nicht sehr professionell ist! Ganz in Anlehnung an meinem Klubobmann, der heute drei wichtige Kultur- und Traditionsgüter der Republik Österreich, angefangen von der Neutrali


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tät bis zu den Lipizzanern, unter Schutz gestellt und der Diskriminierung entzogen hat, möchte ich als leidenschaftlich Kunst- und Kulturinteressierte und -engagierte auch den Begriff zu dieser professionellen Performance des Bundeskanzlers, des Bundespräsidenten mit der im Außenamt beschäftigten Gattin des Bundeskanzlers und der Außenministerin ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Habe ich mich versprochen? – Verzeihung! Ich habe gemeint "Gattin des Bundespräsidenten"! Ich will nicht noch zusätzliche Verwirrung hineinbringen! Diese Performance ist nicht optimal und nützt der Republik Österreich in keiner Weise! Und wenn uns ausländische und inländische Medien nach diesen nicht sehr geglückten Auftritten in verächtlicher Weise als Operettenstaat bezeichnen, dann sollten wir meiner Meinung nach bemüht sein, auch diese traditionelle Form der österreichischen Kultur, nämlich die Operette, Diskriminierungsversuchen zu entziehen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Ich meine, auch in diesem Bereich hat die Professionalität noch so manchen Mangel, und ich meine, die Koordination dieser ganz offensichtlich ungeglückten Auftritte müsste einer Verbesserung unterzogen werden. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Vorletzter Punkt: Mit den Antworten kann man – wie gesagt – leben. Als Sozialdemokratin kann ich Herrn Kollegen Weilharter und partiell auch Herrn Kollegen Maier antworten: Die Sozialdemokratie sagt ein klares Ja zur Neutralität gestern, heute und auch morgen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das hätten Sie früher tun müssen!)

Die SPÖ sagt ein klares Ja zum europaweiten Ausstieg aus der Atomenergieproduktion. Und ein ganz klares Ja sagt die SPÖ natürlich auch zur EU-Osterweiterung unter Berücksichtigung aller auszuverhandelnden Punkte und vor allem unter Berücksichtigung der Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung diesseits und jenseits der Grenzen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Ja zum Beitritt Tschechiens mit Temelin?) Wir haben eine sehr klare Positionierung. Diese Bundesregierung hingegen stiftet Verwirrung. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Letzter Punkt: Wenn ich die Anfragebeantwortung jetzt auch zur Kenntnis nehme, dann konfrontiere ich Sie damit, dass ich Bundesrätin aus Kärnten bin. Meine Herren Kollegen von der FPÖ oder von der ÖVP! Ich nehme das ganz ernst und würde es auch umsetzen und sagen, dass ich hier die Position des Kärntner Landtages beziehungsweise des Landeshauptmannes der Landesregierung vertrete. Ich frage Sie jetzt: Wie soll ich denn in der Frage der EU-Osterweiterung abstimmen? Soll ich jetzt für die Volksabstimmung sein oder den anderen Weg wählen? Wie soll ich denn abstimmen in der Frage: Veto Temelin – ja oder nein? Und wie soll ich abstimmen in der Frage der Neutralität, wenn sich die Meinung des für Kärnten zuständigen Landeshauptmannes täglich verändert? – Das soll nicht Verunsicherung von Politikern sein. Aber ich bin eine Stellvertreterin der Politik dieses Landes Kärnten, und bei den drei Abstimmungsfragen, die ich Ihnen gestellt habe, müsste ich mit zwei Händen aufzeigen, und beides ist nicht korrekt. – Danke für Ihre geteilte Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Fragen Sie doch den Landeshauptmann selbst!)

18.55

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. Ich erteile es ihm.

18.55

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die sozialdemokratische Opposition fordert von der Regierung, dass sie von allem Anfang an in jedem Punkt einig sein muss und dass es überhaupt niemals kleinste Tendenzen zu verschiedenem Denken geben darf.

Meine Damen und Herren! Von einer Regierung muss man verlangen können, dass Sie dann, wenn sie Beschlüsse fasst, einig ist und diese Beschlüsse einstimmig fasst. Und davon können sie jedenfalls ausgehen! Sie wissen aber noch nicht, worauf ich hinaus will! In dieser Opposition ist man sich ja selbst nicht einig! Meine Damen und Herren! Diese Opposition hat uns jetzt in einer fast zweistündigen Debatte immer wieder glauben gemacht, dass ein Veto betreffend Temelin nicht möglich ist und dergleichen. Dazu möchte ich nunmehr aus dem jüngsten Interview eines Herrn namens Cap – Sie werden ihn kennen – zum Streitfall Temelin kurz zitieren. –


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"FORMAT: Soll die Regierung das Energiekapitel mit Tschechien abschließen? Cap: Zuerst muss Tschechien den im Melker Prozess fixierten Ausstiegsplan aus der Atomenergie vorlegen. FORMAT: Ein Nichtabschluss des Energiekapitels käme einem Veto gegen Tschechiens EU-Beitritt gleich. Cap: Ohne eine Nulloption kann es keinen Abschluss geben." – Wie Sie sehen, ist man sich in der eigenen Partei uneinig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich setze fort: "Cap: Ohne eine Nulloption kann es keinen Abschluss geben. Das mag hart klingen geht aber nicht anders. Dazu soll die Bundesregierung versuchen, auch in anderen EU-Staaten für einen generellen Atomausstieg zu werben." (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.  – Beifall bei Bundesräten der SPÖ.) Moment! Ich bin noch nicht fertig! (Bundesrat Konecny: Wir auch noch nicht!) – Danke! Wunderbar! Ich fühle mich sehr geehrt!

Ich setze fort: "Cap: Nach den Ereignissen vom 11. September gibt es gute Argumente dafür. Die Mehrheit der EU hat ohnedies den Ausstieg bereits fixiert oder zumindest konkrete Pläne vorgelegt." (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. ) Das Interview ist leider noch nicht zu Ende, Herr Professor! Es kommt dann noch eine ganz eindeutige und klare Aussage: "FORMAT: Die SPÖ liegt somit auf der FPÖ-Vetolinie. Cap: Die FPÖ missbraucht Temelin, um die EU-Osterweiterung als Ganzes zu verhindern. Der SPÖ geht es um die Sache."

Und jetzt kommt die wesentliche Aussage des Herrn Cap. "FORMAT: Das Energiekapitel nicht abzuschließen bedeutet, dass Tschechien nicht EU-Mitglied werden kann. Cap: Das ist völlig richtig, im Moment ist das so." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.58

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reinhart Todt. Ich erteile es ihm.

18.58

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz: Ich möchte mich nicht mit der Frage Temelin beschäftigen, glaube aber trotz alledem, dass die Tendenz, die aus diesem Interview, das Josef Cap gegeben hat, hervorgeht, ganz klar ist, nämlich darauf zu dringen, dass europaweit ein Ausstieg aus der Kernenergie bewirkt wird. Dafür sollte man sich, wie ich meine, wirklich einsetzen, und das hat auch mein Vorredner Kollege Marizzi ganz klar festgestellt, als er darüber gesprochen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man darüber diskutiert, dass wir in der Europäischen Union einen Ausstieg aus der Kernenergie zu Stande bringen.

Ich möchte mich in meiner Rede mit der Frage der EU-Osterweiterung beschäftigen. Einerseits ist diese EU-Osterweiterung ein Prozess, der zu einem geeinten Europa führen wird. Es ist dies ein Projekt für Frieden und Zusammenarbeit. Andererseits ergeben sich aus diesem Prozess für Österreich große Aufgaben. Ich möchte mich mit einigen dieser Aufgaben beschäftigen, nämlich mit jenen, welche die Bundesregierung meines Erachtens nicht erfüllt hat.

Die derzeitige österreichische Bundesregierung hat eine Präambel verfasst, in welcher sie sich zur EU-Osterweiterung bekennt. Die FPÖ verabschiedet sich nun vom eigenen Regierungsprogramm, das Landeshauptmann Haider unterzeichnet hat.

Wir haben eine Infrastrukturministerin, von der wir wöchentlich lesen müssen, dass sie entweder zurück nach Oberösterreich oder abgelöst werden will beziehungsweise abgelöst werden soll. – Diese Infrastrukturministerin hat für ein 45-minütiges Referat bei den Alpbacher Technologiegesprächen einem externen Berater 545 000 S bezahlt! (Bundesrat Konecny: Beachtlich!) Trotz dieser gut entlohnten fachlichen Unterstützung kommt jedoch von der Frau Infrastrukturministerin kein Vorschlag für die notwendige Infrastruktur, die gerade die Ostregion in Bezug auf die Osterweiterung dringend braucht.

Die von mir heute schon einmal zitierte Studie über die EU-Osterweiterung des Wirtschaftsforschungsinstitutes zeigt klar den Handlungsbedarf auf, den die Bundesregierung insbesondere


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betreffend der Schaffung von Verkehrsinfrastruktur hat, damit wir nicht in einer Verkehrslawine ersticken. Im Widerspruch dazu nimmt die Frau Bundesministerin wichtige Projekte wie den Lainzer Tunnel und den Westbahnausbau zurück, um mit einem Kniefall vor Landeshauptmann Haider dieses Geld – es sind dies 6,5 Milliarden Schilling – für den Ausbau der Koralmbahn auszugeben.

In diesen Fragen wäre die Koordinationskompetenz des Herrn Bundeskanzlers besonders gefragt gewesen, doch im Gegensatz dazu wird die EU-Osterweiterung auf eine Diskussion über eine Volksabstimmung reduziert. – Ich darf zur EU-Osterweiterung zitieren: "Haider: ‚Doppelvolksabstimmung’ zur Osterweiterung und zur Neutralität. – Wenn eine Veränderung geplant ist, dann bedarf es auch einer entsprechenden Mitwirkung des Volkes, sprich einer direkt demokratischen Entscheidung der Bevölkerung. Und ich bin also da sehr optimistisch, dass der Bundeskanzler jetzt auch in dieser Frage sagt, er kann sich vorstellen, dass es eine Volksabstimmung zu diesem Thema gibt. Das wäre ein idealer Zeitpunkt, um die Abstimmung mit der Frage der EU-Osterweitung zu koppeln. Da haben wir sozusagen zwei Fliegen mit einem Schlag." – Er meint also, dass wir über Neutralität und EU-Osterweiterung abstimmen sollten.

Frau Riess-Passer sagt dazu: " Es gibt nichts, worüber man die Bevölkerung nicht abstimmen lassen könnte." Schüssel sagt dazu: "Ich glaube nicht, dass man diese zwei Dinge kombinieren kann und soll." Zur Abstimmung über die Osterweiterung sagt Schüssel: "Das ist nicht fair. Auch Österreich hätte sich verbeten, dass über seinen EU-Beitritt in einem anderen Land abgestimmt wird." – Schüssel sagt also, dass sich Österreich beim EU-Beitritt eine solche Abstimmung verbeten hätte. Schüssel weiter: "Eine Abstimmung ergäbe unterschiedliche Klassen von Mitgliedsländern. Keine Zustimmung zur Volksbefragung oder Volksabstimmung."

Frau Riess-Passer verteidigt hingegen heute in einer ganz aktuellen Aussendung der APA das Verlangen nach einer Volksabstimmung über die EU-Osterweiterung.

Ich möchte gern, dass all diese Widersprüche aufgeklärt werden! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny. Ich erteile es ihm.

19.04

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, dass zunächst einmal eine Reihe von Entschuldigungen angebracht ist.

Ich bedaure, dass wir es bei unserer Einkaufstour heute Morgen verabsäumt haben, zwei goldene Lorbeerkränze zu erwerben. Jetzt ist es ein bisschen zu spät. Die beiden Regierungsmitglieder haben es nämlich durchaus ex aequo – ich gebe freimütig zu, sie waren einander würdig! – erfolgreich vermieden, zu konkreten Fragen Stellung zu nehmen, und daher hätte ich an dieser Stelle gerne die entsprechenden Lorbeerkränze überreicht! Aber wir liefern sie gerne nach! Sie haben sich wirklich redlich bemüht, sie zu verdienen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Entschuldigung betrifft das von uns tatsächlich häufig verwendete Vokabel "Verunsicherung". Der Verwendung dieses Vokabels ist eine längere semantische Diskussion vorausgegangen. Die APA hat sich – der Herr Finanzminister hat das zitiert – in ihrer Meldung über Staatssekretär Finz für ein anderes Vokabel entschieden, das bei uns bei der Formulierung dieser Dringlichen auch stark im Rennen war: Sie hat im Zusammenhang mit Finanzstaatssekretär Finz von "Verwirrung" gesprochen. Aus Respekt vor Regierungsmitgliedern haben wir dann allerdings dieses Wort nicht verwendet, weil es natürlich den zweiten Gedanken einschließen könnte, dass die Akteure verwirrt sind und nicht die Öffentlichkeit verwirrt wird. Daher bitte ich Sie, uns den Begriff "Verunsicherung" nicht vorzuwerfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe jetzt eine APA-Meldung in der Hand, die ein wirklich klassisches Beispiel dafür ist, wie regiert wird. Der Herr Finanzminister hat gemeint – ich habe ihn gebeten dazu nicht stellvertre


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tend, sondern direkt Stellung zu nehmen –, der Herr Staatssekretär habe das schon richtig gestellt. – Das ist einmal sachlich nicht wahr! Der Herr Staatssekretär hat sich nicht aus der Deckung bewegt, aber Frau Poschacher hat es getan, die – wie ich dieser Meldung entnehme – seine Pressesprecherin ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) – Das solltest du wissen! – Aber er wird schon gewusst haben, warum, denn bei Jahreszahlen ist es schwierig, missverstanden zu werden.

So ist das halt mit den Vertretungen: Staatssekretäre, Bundeskanzler, Finanzminister, Vizekanzlerin, PressesprecherInnen – irgendwie ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Da sage ich das, was ich zu sagen habe, lieber selbst!

Jedenfalls teilt uns nicht der Staatssekretär, sondern Frau Poschacher Folgendes mit, und das muss man einfach vorlesen, weil es wirklich zu den kulinarischen Elementen der politischen Diskussion gehört: Erstens stellt sie fest, dass das "WirtschaftsBlatt" – es sind immer die Medien Schuld, es gab zahlreiche Zwischenrufe, die das auch in Bezug auf Frau Forstinger behauptet haben! – die Aussagen des Staatssekretärs missverständlich interpretiert habe. Das ist eine begnadete Formulierung: Nicht er habe eine missverständliche Äußerung getroffen, nein!, das Medium habe es missverständlich interpretiert! Ich bitte Sie alle, sich dieses semantische Zuckerl fast so wie eine Mozartkugel auf der Zunge beziehungsweise im Ohr zergehen zu lassen.

Frau Poschacher stellte klar – und das ist immerhin etwas! –, dass in Bezug auf die EU-Erweiterung selbstverständlich das gilt, was der Kanzler gesagt hat. – Jetzt könnte man wieder fragen: Was hat der Kanzler gesagt? Aber es gilt immerhin! "Auf Nachfrage der apa hieß es im Staatssekretariat" – sehr interessant! –, "die Aussage von Finz habe sich lediglich auf die ‚organisatorischen Maßnahmen’ ... bezogen." – Heißt das jetzt, dass sie den Beitritt aus organisatorischen Gründen zwei Jahre später vollziehen, als er stattfindet?

Weiter heißt es: "Es sei ‚kein Geheimnis’ – für mich war es bisher allerdings eines –, "dass es in diesem Bereich" – etwa im Bereich der Zollwache – "Übergangsfristen geben wird." Und jetzt kommt der wirklich beste Satz: "Vielleicht gebe es ähnliche Erwartungen" – das weiß der Herr Staatssekretär – "auch für Teilbereiche in anderen Ministerien."

Herr Minister! Wenn Sie das Dementi nennen, dann weiß ich nicht mehr, was ein Dementi ist! Aber die Kollegen von den Medien, die da waren, werden sich sicherlich gerne erbötig machen, das zu interpretieren! Bei der Formulierung, dass es vielleicht ähnliche Erwartungen auch für Teilbereiche in anderen Ministerien gebe, hat Frau Poschacher wiederum die anderen Ressorts vertreten. Und weil es diese Erwartungen vielleicht gibt, wird der Herr Staatssekretär wie folgt zitiert: "Wir rechnen mit der Erweiterung erst im Jahr 2006." – Ich stelle diesbezüglich jetzt keine Anfrage, aber vielleicht kann mir das jemand außerhalb der Tagesordnung erklären.

Zweitens möchte ich folgende Angelegenheit gerne noch einmal aufgreifen: Kollege Gstöttner hat die Zeitung, die unmittelbar vorher eingetroffen ist, hoch gehalten, damit die Schlagzeile sichtbar ist, und hat die zwölf Zeilen auf der ersten Seite zur Verlesung gebracht. Aber es geht noch viel lustiger weiter, Herr Finanzminister! Sie waren da wieder näher bei Schüssel als bei Riess-Passer: Sie haben – falls Sie es vergessen haben sollten: Sie vertreten hier die Vizekanzlerin – den Melker Prozess gerühmt. Dieser Meinung ist die Frau Vizekanzlerin eindeutig nicht. Sie sagt – was ja üblicherweise keine Formulierung des Lobes ist –, dass nicht sie, sondern der Kanzler und sein Umweltminister den Melker Prozess erfunden haben.

Ich habe geglaubt, dass das eine Politik der Bundesregierung ist, aber ich habe mich getäuscht! Die Frau Vizekanzlerin teilt mir – zumindest via Medien – mit, dass sie der Melker Prozess überhaupt nichts angeht, weil dieser dem Kanzler und Molterer gehört, und Letztere sollen schauen, wie sie mit dem Dreck fertig werden. – So hat sie es nicht formuliert, aber das ist die einzige logische Folgerung, die man daraus ableiten kann.

Ich werde jetzt an Worten, die hier gefallen sind, keine Kritik üben. Aber die Meinung der Frau Vizekanzlerin war das, was uns hier erzählt wurde, ganz offensichtlich nicht. Ich orte jetzt – ich


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sage jetzt nicht "Verwirrung", sonst bekomme ich vielleicht einen Ordnungsruf, weil diesfalls die Akteure gemeint sind – "Verunsicherung", und alle, die die dieses Wort kritisiert haben, mögen es entschuldigen. (Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. ) Jetzt gibt es offensichtlich Probleme nicht nur zwischen den Regierungsparteien, sondern auch in den Regierungsparteien: Der Herr Finanzminister lobt den Melker Prozess, die Frau Vizekanzlerin sagt, dass sie das überhaupt nichts angeht! (Bundesrat Marizzi: Sagen wir "Verirrung"!) Gut! "Verirrung" ist ein Kompromiss. Und dieser fällt eindeutig auf die Urheber zurück! (Bundesrat Marizzi: Hänsel und Gretel haben sich auch im Wald verirrt!)

Meine Damen und Herren! Ich habe am Beginn etwas gesagt, und ich sage es für mich auch am Ende. Ich weiß, dass sich Kollege Böhm noch einmal zu Wort gemeldet hat. Ich erhebe nicht den Anspruch, diese Debatte zusammenzufassen, sondern nur meine eigenen Beiträge: Diese Regierung agiert ein bisschen wie der Gott Shiva, zwar nicht mit sechs Händen, denn die linken Hände kommen naturgemäß nicht vor, aber drei rechte Hände genügen auch: Drei Hände genügen, um den Pensionisten – das ist heutige Lage – in den Sack zu greifen, den Ambulanzpatienten – das war die Diskussion der letzten Monate – in den Sack zu greifen und den Studenten in den Sack zu greifen. Aber es ist irgendwie ein bisschen die falsche Taktik, mit diesen drei Händen etwas anzupacken, noch dazu sind sie alle an der rechten Schulter angewachsen! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Dieses Land wäre bei mehr Gleichgewicht einigermaßen besser bedient! (Beifall bei der SPÖ.)

19.13

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin.

19.13

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, die vergangenen Stunden Revue passieren zu lassen.

Der Gedanke ist der Samen zur Tat. Mit diesem Gedanken kann man gewinnen oder aber auch verlieren. – So schließe ich auf die Entstehung dieser dringlichen Anfrage.

Man ist doch fähig – und das setze ich auch bei Ihnen voraus, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie –, seine Verhaltensweisen und Gefühle zu lenken. Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, können nun einmal Geschehenes wie Ihren Verlust des Regierens nicht ändern. Wohl aber versuchen Sie, alles in einem anderen Licht zu sehen, und wenn Sie dieses falsche Denkschema über eine längere Zeit anwenden, kann es sein, dass es sich schädigend auf Ihren Körper auswirkt! Das negative Denken und Handeln ist das für den Verschleiß Ihrer seelischen Energien verantwortliche Übel. (Heiterkeit der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Wir leben nun einmal in einer Welt der Ursachen und Wirkungen, in der jeder das bekommt, was er verursacht. Und Sie haben eben in Ihrer Regierungszeit versagt, und Sie haben uns einen Schuldenberg hinterlassen. (Bundesrat Freiberger: Das war Schüssel!) Das ist eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist! Beschuldigen Sie doch nicht in übelster Weise diese Regierung! Legen Sie doch nicht jedes Wort und jedes Zitat auf die Waagschale, und seien Sie doch nicht immer das Sprachrohr der falsch berichtenden Medien! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Diese Regierung tut nichts anderes, als aufgebürdete Lasten abzubauen und Versäumtes aufzuholen. In Ihren Regierungsjahren war es wohl eine andere Art des Regierens! Ihre Regierungsmitglieder, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, haben allein entschieden und – die ÖVP verpflichtend – die Bürger dieses Landes von jeder Mitbestimmung ausgeschlossen. Demokratie war und ist bis heute noch immer nicht Ihre Stärke!

Ihr Motto ist: "Wir sind in Ordnung, aber diese Regierung ist nicht in Ordnung". – Es ist besonders schlimm, wenn man diese Welt so sieht! Sie meinen: "Wir sind richtiger als die anderen". Meine Damen und Herren! Das ist ein typisches Zeichen für Hass oder Überheblichkeit


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gegenüber anderen Menschen. Entschließen Sie sich doch zu dem Motto: "Wir sind in Ordnung, und die anderen sind in Ordnung"! Ihre dauernd ablehnenden und zerstörerischen Gedanken widerspiegeln Ihre gesamte Lebenseinstellung und Ihre Selbsteinschätzung. Bekennen Sie sich doch einmal zu der positiven Arbeit dieser Regierung! (Bundesrat
Konecny: Tun wir ja! Aber so ist sie denn! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wie wir heute von Frau Kollegin Kainz gehört haben, passt nicht einmal das erreichte Nulldefizit in Ihr Bild, das Sie sich von dieser Regierung machen. – Eine rechte Einstellung zum Leben verlangt doch nur, sich selbst mit allen großen und kleinen Unzulänglichkeiten zu mögen und natürlich auch die anderen so zu nehmen, wie sie sind. Ihre immerfort falschen Gedanken stehen Ihnen dabei jedoch störrisch im Wege. (Zwischenrufe der Bundesrätin Mag. Trunk und des Bundesrates Konecny. ) Ich habe nur das Ergebnis der letzten Stunden gesehen.

Ein Sprichwort lautet: Ich denke von dir, wie ich wünsche, dass du über mich denkst. (Bundesrat Marizzi: Sie predigen ja! Hat Ihrer Rede Bischof Krenn geschrieben?) Ich kann mir nicht vorstellen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass Sie wünschen, dass wir so über Sie denken, wie Sie über diese Regierung und über uns denken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man kann das fortsetzen: Ich spreche so von dir, wie ich möchte, dass du über mich sprichst. (Bundesrat Konecny: So arg sind wir gar nicht! Das lasse ich nicht zu!) Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie wünschen, dass wir so über Sie sprechen, wie Sie über uns sprechen! (Bundesrätin Mag. Trunk: Wir sind die roten Filzläuse, die mit Blausäure vernichtet werden! Hat das nicht jemand gesagt?) Ich handle dir gegenüber so, wie ich wünsche, dass du mir gegenüber handelst. Ich kann mir nicht vorstellen, meine Damen und Herren, dass Sie wünschen, dass wir Ihnen gegenüber so handeln, wie Sie uns gegenüber handeln!

Die Freiheitlichen sagen Ihnen heute: Auch aus den Steinen, meine Damen und Herren der SPÖ, die uns in den Weg gelegt werden, können wir etwas Schönes bauen. Wir werden es Ihnen und den Bürgern dieses Landes beweisen! Die Bürger werden es annehmen, und Sie werden dann vielleicht auch dankbar sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Marizzi: Halleluja!)

19.19

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich verweise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung: Die Restredezeit beträgt 13 Minuten. – Bitte.

19.19

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich werde die 13 Minuten nicht beanspruchen, ich bin sehr freundlich, vielleicht hat noch jemand etwas zu sagen.

Liebe Frau Kollegin Haunschmid! Zunächst einmal herzlichen Dank für dieses wunderbare, liebe Gedicht. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich hoffe, Ihre Kollegen haben Sie erhört, denn wir Sozialdemokraten sind eigentlich froh darüber, dass wir gar nicht so sein können, wie Sie es in der Vergangenheit waren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Dr. Aspöck! Natürlich fordern wir Einigkeit! Wir Sozialdemokraten sind uns einig. Und wenn es einmal so zu sein scheint, dass in der Regierung doch eine gewisse Einigkeit herrscht, wissen Sie, was wir dann hören? – Dann hören wir aus Kärnten den Ruf: Hopp, hopp, hopp! Und Schüssel, der Bundeskanzler, läuft in Wien Galopp. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist die Wahrheit, meine lieben Freunde! (Beifall bei der SPÖ.)

Hören wir doch endlich die Rufe der Mandatare von der Volkspartei und von den Freiheitlichen auf Landtagsebene! Da hört man, dass niemand mit dieser Regierung einverstanden ist und hinter dieser Regierung steht! Viele Freunde im Niederösterreichischen Landtag, und zwar von beiden Regierungsparteien, meine sehr geehrten Damen und Herren, würden sich wünschen, dass diese Regierungskoalition sehr bald beendet wird, denn alle wissen, was 2003 in Nieder


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österreich den beiden Regierungsparteien blüht: Landeshauptmann Pröll – das wurde heute schon erwähnt – sagt in Niederösterreich: Die FPÖ wird eingehen wie eine böhmische Leinwand! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ! Blasen Sie sich nicht so auf! Ich glaube auch an die Worte unseres Herrn Landeshauptmannes von Niederösterreich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluss darf ich doch noch an die Einigkeit erinnern: Wir Sozialdemokraten sind uns mit dem österreichischen Volk einig. Wir sind uns einig mit Tausenden Gendarmeriebeamten, wir sind uns einig mit Tausenden Postbeamten, mit den Beamten und den arbeitenden Menschen insgesamt in dieser Republik. Wir stehen dafür, dass die Reichen nicht reicher werden, denn wir Sozialdemokraten verlangen, so wie in der Vergangenheit, dass alle hier in Österreich in Sicherheit und Zufriedenheit leben können! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen. – Präsident Schöls gibt das Glockenzeichen.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zustellgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert werden sowie das Verwaltungsentlastungsgesetz aufgehoben wird (Verwaltungsverfahrensnovelle 2001) (723 und 813/NR sowie 6474/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Ich nehme die Verhandlung zur Tagesordnung wieder auf.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 16: Verwaltungsverfahrensnovelle 2001.

Da der vom Ausschuss gewählte Berichterstatter nicht anwesend ist, obliegt gemäß § 45 Abs. 2 die Berichterstattung dem Vorsitzenden des Ausschusses. Ich ersuche daher Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon um die Berichterstattung. – Bitte.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Da der Text des Berichtes vorliegt, beschränke ich mich auf die Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek. Ich erteile ihm dieses.

19.24

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heute zur Debatte stehende Verwaltungsverfahrensnovelle ist in erster Linie wegen der kommenden Währungsanpassung notwendig. – Ich möchte diese Novelle zum Anlass nehmen, um in aller Kürze einige grundsätzliche Gedanken über Verwaltung generell und Verwaltungsverfahren im Besonderen darzulegen.


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Bei der öffentlichen Verwaltung der Zukunft müssen meiner Meinung nach vor allem drei Begriffe im Vordergrund stehen, nämlich erstens – das ist für mich entscheidend – Bürgernähe, zweitens Nachvollziehbarkeit und drittens Geschwindigkeit beziehungsweise angemessene Verfahrensdauer. – Jedenfalls können und dürfen diese Novelle und vor allem die in Diskussion stehende große Verwaltungsreform aber nicht ohne Einbeziehung der Länder erfolgen. (Bundesrat Manfred Gruber: Und der Gemeinden!) – Dankeschön für den Zwischenruf! Ich ergänze: Sie dürfen nicht ohne Einbeziehung der Länder und Gemeinden erfolgen.

Wir sind, wenn man die laufende Diskussion verfolgt, einem schon sehr lange gesteckten Ziel, nämlich einer Bundesstaatsreform, einen kleinen Schritt näher gerückt. Bei diesem Vorhaben Bundesstaatsreform handelt es sich um eine sehr alte Geschichte. Ich darf in diesem Zusammenhang etwa an das legendäre Paktum von Perchtoldsdorf erinnern, das vor ziemlich genau zehn Jahren vom damaligen Bundeskanzler Vranitzky und dem damaligen Landeshauptmann von Niederösterreich Ludwig unterschrieben wurde. Allein die Namen zeigen uns, wie lange das schon zurückliegt. Wir vom Bundesrat haben in diesen zehn Jahren immer wieder gedrängt, es war aber nichts zu bewegen.

Jetzt scheint jedoch eine Lösung in greifbare Nähe gerückt zu sein. In einigen Bereichen wird es eine echte Übertragung von Kompetenzen an die Länder, an die Bezirkshauptmannschaften und an die Gemeinden geben und geben müssen. Und gerade weil das wirklich wichtige und richtige Ziel der stärkeren Einbindung der Länder in bundesstaatliche Aufgaben bevorsteht, ist es für den Bundesrat unbedingt notwendig, dass er rechtzeitig die Positionen der Länder kennt und dass diese in die Gesetzgebung des Bundes mit eingebracht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nutzen wir, jeder Einzelne in seiner Position, die Chance, in den Ländern zu wirken, damit die große Verwaltungsreform ein Gesetzeswerk wird, das eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren bringt und das dem einzelnen Bürger Transparenz und Rechtssicherheit bietet.

Ich sehe in der heute zur Debatte stehenden Novelle einen kleinen ersten Schritt in die richtige Richtung. Setzen wir uns ein, dass auch der folgende große Schritt in die richtige Richtung gehen wird! (Beifall bei der ÖVP.)

19.28

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile ihr dieses.

19.28

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich ausschließlich mit dem jetzigen Tagesordnungspunkt befassen, und ich denke, Sie werden Verständnis dafür haben, wenn ich mich im Gegensatz zu meinem neuen beziehungsweise wieder in den Bundesrat zurückgekehrten Kollegen von der ÖVP nicht mit den perspektivischen Verwaltungsreformagenden befasse.

Tatsächlich handelt es sich hier, wie Sie richtig formuliert haben, um einen winzigkleinen Schritt in Richtung Reform. Es ist dies ein Minischritt zum Zwecke der faktischen Euroanpassung. Das wurde seitens des Bundes ordnungsgemäß so geregelt, denn die Rundungsregelungen wurden eingehalten, und die Verordnungen der Europäischen Union wurden beachtet. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ein zweiter Bereich befasst sich mit Änderungen der Verfahren des Unabhängigen Verwaltungssenates. Dazu muss ich sagen – und ich sage es offen –: Ich teile die in diesem Zusammenhang auch im Nationalrat durch die Fraktion der Grünen, durch Kollegin Petrovic, formulierte Kritik, dass diese Veränderung kein Schritt in Richtung mehr Transparenz, sondern ein kleiner Rückschritt ist. Ich gebe zu, dass damit nicht der Untergang der demokratischen Verwaltungsverfahren droht, aber es ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, und zwar deshalb, weil öffentliche mündliche Verhandlungen nicht mehr automatisch durchgeführt werden, sondern nur mehr über Beantragung. – In diesem Sinne wird die SPÖ trotz dieses kleinen Rück


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schrittes gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einwand erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

19.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

19.30

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses – so weit Sie noch anwesend sind! Die Verwaltungsverfahrensnovelle 2001 trägt zweifellos zum Bürokratieabbau bei. Als eine zeitgemäße Neuerung erscheint mir vor allem die Regelung, dass Anbringen, die mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise binnen offener Frist eingebracht werden und außerhalb der Amtsstunden bei der Behörde einlangen, als rechtzeitig eingebracht gelten. Das wird nicht nur dem heutigen Stand der Kommunikationstechnik gerecht, sondern ist auch effizient und bürgernahe, zumindest für jene, die solche Telekommunikationsmittel benützen.

Ein Beitrag zur Entformalisierung ist auch die Neuregelung, dass entgegen der strengen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur alten Rechtslage vom Erfordernis der Unterschrift abgesehen werden kann, wenn sichergestellt ist, dass das Amtsorgan auf andere Weise festgestellt werden kann. Entsprechend ausgestatteten Privatpersonen, insbesondere professionell im Geschäfts- und Rechtsverkehr tätigen Akteuren, nützt es ebenso wie der Behörde, wenn künftig schriftliche Erledigungen im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden können, wenn die Partei dieser Übermittlungsart ausdrücklich zugestimmt hat oder wenn sie Anbringen in derselben Weise eingebracht und dieser Übermittlungsart gegenüber der Behörde nicht ausdrücklich widersprochen hat.

Diesbezüglich kann ich meiner Vorrednerin nicht ganz folgen: Mir erscheint die Entlastung des Verfahrens vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern durch den Entfall überflüssiger – ich betone: überflüssiger – mündlicher Verhandlungen sehr wohl als sinnvoll. Solche finden auf Antrag einer Partei jedenfalls statt. Die Verhandlung ist aber dann dessen ungeachtet entbehrlich, wenn der verfahrenseinleitende Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist – also eine reine Formalentscheidung – oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist – dann hat ja die Partei ohnehin ihr Rechtsschutzziel erreicht –, oder der Devolutionsantrag, also der Übergang in die nächsthöher Instanz, zurück- oder abzuweisen ist – also eigentlich auch wieder eine Formalerledigung – oder wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist – also auch wieder im Sinne des Beschwerdeführers.

Darüber hinaus kann der UVS ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt und dem nicht Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, also die Garantie des rechtlichen Gehörs aller Parteien, entgegensteht, also der rechtsstaatlichen Garantie Genüge getan ist.

Erstmals ist im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehen, dass eine Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, zum Erlag eines entsprechenden Kostenvorschusses verhalten werden kann, wenn die betreffende Amtshandlung ohne größere Barauslagen nicht durchführbar ist. Das mag auf den ersten Blick etwas prohibitiv erscheinen, ist aber letztlich wohl auch ein geeignetes Korrektiv gegenüber allzu leichtfertig gestellten Anträgen.

Hervorzuheben sind auch Neuerungen im Recht der grenzüberschreitenden Zustellungen. Mangels anderer Bestimmungen in Staatsverträgen gilt, dass Schriftstücke ausländischer Behörden in Verwaltungssachen dann zugestellt werden, wenn gewährleistet ist, dass auch der ersuchende Staat einem gleichartigen österreichischen Ersuchen entsprechen würde. Das Vorliegen


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der somit geforderten Gegenseitigkeit im beiderseitigen Verhältnis kann durch Staatsverträge festgestellt werden. Leider bestehen gegenwärtig derartige Vertragswerke weder im Verhältnis zur Schweiz noch zu unseren östlichen Nachbarstaaten. Das ist eine Lücke, die noch zu schließen sein wird.

Da sich all die vorgesehenen Änderungen des Verwaltungsverfahrensrechtes entsprechend der Zeit, insbesondere in Bezug auf die Nutzung neuer Medien und vor allem auch auf der Grundlinie der geplanten Verwaltungsreform bewegen, wird meine Fraktion dieser Novelle gerne zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend das Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen (670 und 814/NR sowie 6475/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung: Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen.

Die Berichterstattung hat gemäß § 45 Abs.  2 wiederum Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon in Vertretung von Herrn Bundesrat Hensler übernommen. – Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend das Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen.

Der Text liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.


Bundesrat
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19.37

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! In Anbetracht der großen Veränderungen, die der ORF in den letzten Monaten erfahren hat, sind diese Diskussion beziehungsweise dieses Protokoll eher eine Kleinigkeit. Trotzdem glaube ich, dass man bei der Anpassung jener Richtlinien, die auf Vorschlag des Europarates jetzt auch in der Europäischen Union übernommen werden, zwei wesentliche Punkte herausnimmt.

Das Protokoll besagt zwar, dass es keine gesetzändernden und auch keine gesetzesergänzenden Veränderungen gibt, es enthält aber auch keine verfassungsändernden Bestimmungen. Mir erscheinen aber zwei Punkte erwähnenswert, und zwar Punkt A betreffend das Recht auf die Gegendarstellung und Punkt  B betreffend das Recht auf Vorbehalte.

Wenn auch in den Erläuterungen darauf hingewiesen wird, dass das Recht auf Gegendarstellung in diversen Mediengesetzen bereits umgesetzt wäre, so entsteht doch auf Grund einiger bereits stattgefundener Verfahren der Eindruck, dass das von den Gerichten zugestandene Recht auf Entgegnung nicht immer in entsprechender Form umgesetzt werden konnte, also schleppend vor sich geht. Auf Grund dieser Erfahrungswerte würden wir Sozialdemokraten uns noch einige Verbesserungen hinsichtlich dieses Schutzes von Privatrechten erwarten, Herr Staatssekretär!

Das Recht, Vorbehalte jetzt anzumelden, würde zwar für die derzeitigen Unterzeichner keine Rolle spielen, könnte uns aber in Zukunft, wenn weitere Beitritte erfolgen, helfen, unsere innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu stärken. Da diese Vorbehalte nur jetzt und einmalig angemeldet werden können, würden wir Sozialdemokraten Ihnen das, Herr Staatssekretär, und der Bundesregierung im Sinne einer vorsorglichen Medienpolitik unbedingt empfehlen. – Wir werden diesem Übereinkommen trotz all unserer Bedenken bezüglich der vorhergehenden Vorgangsweisen im ORF durch die Regierungsparteien jedoch unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. – Bitte.

19.39

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten diese Diskussion auch schon im Nationalrat. Ich darf an die Antwort, die ich damals gegeben habe, anschließen. Das eine betrifft das Recht auf Entgegnung. Das ist unter zwei Gesichtspunkten zu sehen. Der eine ist: Wenn Sie zum Beispiel eine unmittelbare Entgegnung im Fernsehen hätten und 15 Sekunden Fernsehsendezeit dafür zahlen würden, so wäre das bei einer nachträglichen Veränderung des Urteils natürlich zurückzuzahlen. – Das ist der eine Teil.

Der zweite Gesichtspunkt ist, dass dies für Privatpersonen im Grunde kaum leistbar ist. Sie wissen, dass das im alten ORF-Gesetz ziemlich restriktiv gehandhabt wurde, unter anderem auch wegen der möglichen Querulanz in dieser Sache. Ich weiß, woran Sie dabei denken. Auf der anderen Seite sage ich Ihnen auch, dass die Entgegnungen gerade im Bereich des neuen ORF-Gesetzes erweitert wurden. Das heißt, wir haben auch die Konkurrentenklage zugelassen – und ich glaube, das ist gut so. Der Rest ist in anderen Mediengesetzen festgehalten.

Das Zweite ist das Thema Vorbehalte. Ich weiß, das hat Ihr Kollege Schieder sehr ausführlich vorgebracht, und auch im Ausschuss wurde lange darüber geredet. Ich sage Ihnen, die Vorbehalte hätten in der Stammfassung des Gesetzes oder in der Ratifizierung 1998 vorgebracht werden müssen. Jetzt ist das nicht mehr möglich. Auf der anderen Seite sage ich Ihnen auch gleich, das Ganze betrifft quasi nur die Art, wie wir mit unseren Partnern im Osten umgehen, und es wäre dies, wenn wir es erwogen hätten, auch nur im Bereich des Kabelfernsehens, aber nicht im Bereich des Satellitenfernsehens möglich.


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Ich glaube nicht, dass eine vermeintlich divergente Rechtsprechung in diesem Bereich einer verfassungsmäßigen Prüfung standgehalten hätte. – In diesem Sinne danke ich Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) (513/A und 811/NR sowie 6476/BR der Beilagen)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert wird (812/NR sowie 6477/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 18 und 19 hat Herr Bundesrat Hösele übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.


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Berichterstatter Herwig Hösele:
Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert wird. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

19.44

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich eingangs erwähnen, dass die SPÖ-Fraktion Tagesordnungspunkt 19 die Zustimmung geben wird. Hiebei geht es um eine Änderung des Gesetzes vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst.

In der Änderung dieses Gesetzes ist beinhaltet, dass jetzt auch die Möglichkeit zur Aberkennung von bereits verliehenen Ehrenzeichen gegeben wird. Das war in dem Gesetz von 1955 nicht vorgesehen, und die Praxis hat gezeigt, dass das notwendig geworden ist, wenn wir nur an den Fall des Herrn Dr. Gross denken, der Ehrenzeichenträger ist und bei dem sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass er im nationalsozialistischen System federführend mitgewirkt hat. Daher sollte da unbedingt eine Aberkennung erfolgen. Das ist jetzt mit dieser Änderung möglich. – Selbstverständlich stimmen wir diesem Tagesordnungspunkt 19 zu.

Anders ist unser Abstimmungsverhalten aber bei Tagesordnungspunkt 18. Meine Damen und Herren! Wenn man bedenkt, dass es in Österreich bereits 341 verschiedene Orden und Ehrenzeichen gibt – davon 157 Orden in den Bundesländern – und dieser Gesetzentwurf oder diese Vorlage sich mit der Schaffung eines zusätzlichen Bundes-Ehrenzeichens beschäftigt, so kann man sicher nicht von einem Mangel an Auszeichnungen sprechen. Es ist nicht notwendig, dass wir zusätzliche Ehrenzeichen schaffen.

Wenn man den Antrag und den Bericht des Verfassungsausschusses liest, dann sieht man hier festgeschrieben, dass dieses Ehrenzeichen für besondere Verdienste um Freiwilligenorganisationen in den verschiedensten Bereichen, wenn sie von gesamtstaatlicher Bedeutung sind, zur Anwendung kommen soll. Wir glauben aber, wie gesagt, dass mit den bereits jetzt bestehenden 341 Ehrenzeichen und Auszeichnungen das Auslangen zu finden ist. Es bedarf sicherlich nicht der Schaffung eines neuen Ehrenzeichens.

Tatsächlich geht es Ihnen um Folgendes – das möchte ich Ihnen hier ganz bewusst als Motiv unterstellen –: Sie schaffen dieses Gesetz, damit der Bundeskanzler und die einzelnen Ressortminister selbst die Entscheidungen über die Vergabe von Ehrenzeichen treffen und die Ehrenzeichen verleihen können, also anders als bei den bestehenden Ehrenzeichen, bei denen


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letztlich der Bundespräsident als Entscheidungsinstanz für die Vergabe der Orden vorgesehen ist. Das soll mit diesem Gesetz ausgeschaltet werden. Ich glaube, dass das die Motivation dafür ist, hier ein Gesetz für ein eigenes Ehrenzeichen zu schaffen.

Zu den Kosten sei hier angeführt, dass sie mit 80 € pro Ehrenzeichen relativ gering ausgefallen sind; das sind etwas mehr als 1 000 S. Wenn man jedoch bedenkt, dass möglicherweise – vorrangig vor Wahlzeiten – eine Inflation an Ehrungen entstehen könnte, wie das beispielsweise in der Steiermark der Fall ist, dann wird selbst dieses Projekt teuer werden. (Bundesrat Fasching: Oder im Burgenland!) Ich bin aus der Steiermark. (Bundesrat Fasching: Einstimmig im Burgenland!) Ich weiß nicht, wie viele im Burgenland vergeben werden. (Bundesrat Fasching: Das alles wird im Burgenland ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich weiß es nicht, ich bin nicht im Burgenland Mandatar.

Meine Damen und Herren! Frau Landeshauptmann Klasnic entwickelt sich in der Steiermark zur – unter Anführungszeichen – "Ordensfrau", statt sich um die wirklichen Probleme des Landes zu kümmern, statt die Probleme der Menschen ernster zu nehmen und sich darum zu kümmern. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Betätigungsfelder gäbe es genug; ich darf nur kurz an einige Dinge erinnern: die steigenden Arbeitslosenzahlen, die Schließung von Bezirksgerichten und Finanzämtern, die Schließung von Gendarmerieposten und Postämtern, die Streichung und Kürzungen von sozialen Leistungen und so weiter und so fort. Betätigungsfelder gäbe es also tatsächlich genug, aber Frau Landeshauptmann Klasnic verteilt Orden und glaubt, damit beruhigen und von den wirklichen Themen ablenken zu können. (Bundesrat Köberl: Kennen Sie auch die Wirtschaftsdaten?)

Meine Damen und Herren! Alt-Landeshauptmann Josef Krainer der Zweite wurde für seine damalige Ordenssucht schon oft kritisiert. – Ich kann Ihnen hier ein paar Zahlen nennen: Zum Beispiel in seinem letzten Amtsjahr 1995 vergab Landeshauptmann Josef Krainer der Zweite 1 744 Orden. Das ist ein Spitzenwert und war damals sein persönlicher Rekord, wenn ich das so nennen darf. Aber man soll es nicht glauben, Steigerungen sind durchaus möglich. Frau Landeshauptmann Klasnic hat im Jahr 1999 unglaubliche 2 958 Orden verliehen. Im Jahr 2000 waren es immer noch 2 557, und heuer ist sie wieder für einen Spitzenplatz "gefährdet". Sie hat nämlich schon bis Ende September über 2 000 Orden auf der Verleihungsliste. Sie steigert sich in einen Ordenrausch und glaubt, damit das Land zu regieren. (Bundesrat Fasching: Ist die SPÖ dagegen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Die Entwicklung ist nun auch ... (Bundesrat Fasching: Sind Sie dagegen?) – Nein. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Fasching: ... das sie gern vermeiden würde, aber leider ist der Stellvertreter ...!) Warum sollen wir dagegen sein, dass jemand ausgezeichnet wird? – Wir stellen nur die Sinnhaftigkeit in Frage, wenn das in einer so inflationären Art und Weise geschieht, wie es von Frau Landeshauptmann Klasnic betrieben wird. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Meine Damen und Herren! Diese Entwicklung ist nun auch im Bund zu befürchten. (Bundesrat Manfred Gruber: Die Ehrung soll ja einen Wert haben!) Das Korrektiv – der Bundespräsident – wird durch das neue Bundes-Ehrenzeichengesetz ausgeschaltet, das muntere Ordensverleihen kann beginnen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie verdienen für dieses Gesetz einen besonderen Orden. (Bundesrat Grissemann: Bene oder Leitz?) Herr Staatssekretär! Ich möchte Ihnen diesen besonderen Orden stellvertretend überreichen. Ich habe in München in einer Geschenkartikel-Boutique – sie heißt "Et Cetera" – ein sehr lustiges Geschenk gefunden und es damals im Zehnerpack gekauft, weil ich es so witzig gefunden habe. Das war ein Orden, auf einem schönen Kissen aufbereitet, und auf diesem Orden ist gestanden: "Für nichts und wieder nichts". Ich muss Sie leider enttäuschen, ich habe keinen Orden mehr, den ich Ihnen jetzt überreichen könnte. Nehmen Sie diese Auszeichnung "Für nichts und wieder nichts" bitte verbal zur Kenntnis, denn dieser Orden gebührt den Regierungsparteien für dieses Gesetz.

Meine Damen und Herren! Für die Regierungspolitik müssten wirklich neue Orden geschaffen werden. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Grissemann: Bene oder Leitz?) Für die Politik, die diese Bundesregierung an der Bevölkerung betreibt, fallen mir sofort


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einige Orden ein: Das wären zum Beispiel der Orden für Sozialabbau, der Orden für die höchste Abgabenquote oder der Orden für die Förderung von Kapitalisten, und mir würden noch sehr viele einfallen. Diese Auszeichnungen würden die Bundesregierung und die Regierungsparteien verdienen.

Meine Damen und Herren! Dieses Bundes-Ehrenzeichengesetz wird von uns sicher nicht die Zustimmung erhalten. Wir sind der Überzeugung, dass mit den bestehenden 341 Möglichkeiten das Auslangen gefunden werden müsste und die zu ehrenden Persönlichkeiten in würdiger Form ihre Auszeichnungen erhalten könnten. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 144

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

19.55

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir alle haben heute während einer Unterbrechung unserer Sitzung die Ausstellung der niederösterreichischen Freiwilligenorganisationen besucht. Ich glaube, dass diese Veranstaltung und dort vor allem die Begrüßungsansprachen eine passende Einbegleitung für dieses Thema waren, weil es dabei um Menschen geht, denen wir heute vor einige Stunden auch stellvertretend für viele andere Beifall gezollt haben.

Ich wollte wissen, wie man glaubhaft, sachlich und seriös begründen kann, dass man diesem vorliegenden Gesetz die Zustimmung verweigern möchte, und habe mir daher das Protokoll der Debatte im Nationalrat durchgelesen. Ich war peinlichst berührt von der Art der Argumentation und von den Heiterkeitsausbrüchen. Ich denke, es wäre auch anders gegangen: ohne dass man sich über dieses Thema in besonderer Weise lustig macht und mit Kohlköpfen aufwartet.

Ich denke, dass man an dieses Thema aus der Sicht derjenigen herangehen soll, denen mit diesen Ehrenzeichen gedankt werden soll und die damit vor den Vorhang geholt werden. Wir beklagen zunehmend die so genannte Spaßgesellschaft, die "Ichlinge" unter uns, wir registrieren, dass der Egoismus in unserer Gesellschaft immer mehr zunimmt. Wir registrieren mangelnde Solidarität, mangelndes Einfühlungsvermögen in den anderen und mangelnde Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Ich denke, da ist es bemerkenswert und jedenfalls dankenswert – das meine ich jetzt wörtlich so, wie ich es sage, nämlich wert eines besonderen Dankes –, wenn es Menschen gibt, die sich entgegen diesem Trend ehrenamtlich und uneigennützig für andere engagieren. Niemand von ihnen tut das, um dafür bedankt zu werden. Aber zweifellos tut es doch jedem gut, wenn sein Einsatz bemerkt wird, wenn er anerkannt und auch entsprechend öffentlich gemacht wird. Ich glaube daher, wir sollten jede Möglichkeit dazu nützen.

Wenn jemand eine solche Ehrung für sich nicht für richtig empfindet, sie nicht für richtig hält oder sie nicht möchte, muss er sie ja nicht annehmen. Man spöttelt vielleicht leichter darüber – und ich glaube, Herr Staatssekretär, du hast es auch für dich ähnlich zum Ausdruck gebracht –, man spöttelt leichter über Orden, über Ehrenzeichen und über Titelverleihungen, wenn man nicht selbst davon betroffen ist. Aber wir alle sind bei solchen Feiern schon dabei gewesen und haben miterlebt, dass sich letztlich doch jeder freut, wenn er auf diese Weise bedankt wird.

Ich war vor einigen Tagen im Landhaus in Oberösterreich und habe miterlebt, wie unser Landeshauptmann Ehrenzeichen an ehemalige Politiker aller Parteien verliehen hat, an einige Kollegen, die lange Jahre hier in diesem Hohen Haus tätig waren. Keiner hat diese Ehrung abgelehnt, jeder war darüber sichtlich erfreut.

Ich hoffe, dass diejenigen, die noch nichts von dieser Regelung halten und ihr nicht zustimmen, vielen Menschen begegnen, für die sie eine Ehrung, die wir durch dieses Gesetz ermöglichen wollen, für richtig halten und sie beantragen, und dann die Freude der Betroffenen teilen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

20. Punkt

Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2000 (III-221-BR/01 sowie 6478/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2000.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Präsidentin! Herr Volksanwalt! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betreffend den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2000. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

20.02

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich in aller Kürze auf Punkt 3.1.2: Bericht über die Schulsprengeleinteilung. Ich be


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tone ihn deswegen, weil er von gesamtösterreichischer Bedeutung ist, und bin der Volksanwaltschaft sehr dankbar dafür, dass dieser Punkt besonders dargestellt worden ist.

Seit Jahren gibt es Bundestagungen, bestehend aus den Lehrervertretern aller Bundesländer, der Sporthauptschulen und der musischen Hauptschulen. Seit Jahren gibt es auch Beschwerden über die starre Sprengeleinteilung, und seit Jahren gibt es in dieser Sache den Ruf nach Veränderungen. An sich davon betroffen sind nur Schwerpunkt-Hauptschulen, nicht das Regelschulwesen. Es ist natürlich aus vielen Gründen notwendig, diesen Pflichtsprengelbereich nicht anzutasten.

Wir sind uns darüber einig, dass gerade im Bildungsbereich die Fähigkeiten und Neigungen unserer Schüler besonders zu berücksichtigen sind. Wir haben dazu entsprechend die Wege zu ebnen, sie nicht zu erschweren und, wenn es notwendig ist, auch bestimmte Wege zu verändern. Salzburg spielt in dieser Sache eine besondere Vorreiterrolle. Wir haben einen Landessprengel für die Schwerpunkt-Hauptschulen Sport und Musik und sind auf diese Weise bereits vor einigen Jahren dem Wunsch und den Forderungen der Elternschaft nachgekommen. Beitragszahlungen der Wahlgemeinde an die Wohnsitzgemeinde beschränken sich lediglich auf den laufenden Schul-Erhaltungsaufwand, nicht aber auf Investitionen oder sonstige Schuldenrückzahlungen. Das heißt, entstehende wechselseitige Beitragszahlungen unter den Gemeinden bedeuten, dass für die betreffenden Gemeinden kein wirklich ins Gewicht fallender finanzieller Mehraufwand entsteht oder erforderlich ist.

Ich möchte auch die anderen Bundesländer dazu auffordern, diesem Vorbild zu folgen. Es ist dies eine wichtige Sache im Sinne der Bildung unserer Schulen, im Sinne der Ausbildung der Schüler mit sportlichem oder musischem Schwerpunkt, und wir machen eigentlich nichts anderes, als die Wünsche und Forderungen der Eltern und unserer Schuljugend zu erfüllen.

Ich würde mir wünschen – und spreche da sicherlich im Namen vieler Lehrkräfte, die sich österreichweit immer wieder treffen –, dass auch die anderen Bundesländer diesem Wunsch nachkommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

20.05

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Wir diskutieren heute den 24. Bericht der Volksanwaltschaft, und die Fälle gleichen jenen der Vorjahre. Der Bericht zeigt die ganze Breite, die ganze Palette von Beschwerdefällen auf. Vermeintlich Recht haben und dieses Recht auch bekommen, kann oft ein sehr langer und sehr beschwerlicher Weg sein.

Der Bericht zeigt auch, dass die Volksanwaltschaft bei den Beschwerdeführern eigentlich als der letzte Unterstützer gesehen wird, wenn sie um die Rechtsdurchsetzung kämpfen. Ich danke an dieser Stelle den Volksanwälten und dem gesamten Team für ihren Einsatz.

Meine Damen und Herren! Wenn Entscheidungen von Ämtern und Behörden in einem Bericht kritisch hinterfragt und dabei auch Fehlleistungen aufgezeigt werden, sollte das als Ansatzpunkt für Verbesserungen gesehen werden. Grundsätzlich meine ich, dass bei den Zigtausenden von Akten, die von den Gemeinden, von den Ländern und von den Bundesstellen jährlich erledigt werden, gute Arbeit geleistet wird und dass im Allgemeinen die Bürgerinnen und Bürger anstandslos zu ihrem Recht kommen.

Meine Damen und Herren! 8 605 eingebrachte Fälle führen laut Bericht zu 3 806 Prüfverfahren, 4 704 Verfahren konnten im Berichtszeitraum abgeschlossen werden. – Soweit die nackten Zahlen aus dem Bericht. Hinter diesen Zahlen stehen aber auch Einzelschicksale, die für den einen oder anderen Beschwerdeführer zu großer Frustration gegenüber den Behörden führten und noch weiter führen. Ich sage immer wieder, wenn der Behördenmotor einmal zu stottern


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beginnt, dann stottert er meist kräftig und auch sehr lange. Für die Beschwerdeführer ist das oft ein jahrelanger Leidensweg, der Kraft, Nerven und auch sehr viel Geld kostet.

Der vorliegende Bericht widerspiegelt die gesamte Bandbreite an Fällen, mit denen sich die Volksanwaltschaft befassen muss. Da geht es um Nichtberücksichtigung bei Beförderungen, die zumindest für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar sind, oder um ungerechte Versetzungen. Es gibt auch Bemerkungen in dem Bericht wie diese: "von Gendarmen aus dem Schlaf gerissen", "falsche Anzeige durch einen Gendarmeriebeamten" oder "viereinhalb Jahre bis zur Endantragstellung der Staatsanwaltschaft". Das dürfte es eigentlich nicht geben.

Sehr oft kann man sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Behörde auf einen Justament-Standpunkt zurückgezogen hat und dem Beschwerdeführer das ihm zustehende Recht mit allen Mitteln verwehren will. Die Kosten für den Staat spielen dabei anscheinend keine Rolle. Wenn einmal eine Fehlentscheidung getroffen wurde, dann dauert es meistens jahrelang, bis diese – wenn das überhaupt geschieht – auch revidiert wird. Meine Damen und Herren! In solchen Fällen ist die Volksanwaltschaft die einzige Institution, die noch helfen kann. Der Einzelne ist meistens chancenlos.

Die Volksanwaltschaft zeigt die Fälle aber nicht nur auf, sondern gibt in jedem Bericht auch Anregungen und schlägt Änderungen vor, um damit in derart verfahrenen Fällen einen besseren Rechtszugang zu schaffen. Inwieweit der Gesetzgeber auf diese Verbesserungsvorschläge reagiert, ist wiederum eine andere Sache.

Meine Damen und Herren! Von der Verwaltung wird verlangt, dass sie schnell und effizient entscheidet. Das tut sie meistens, aber nicht immer, wie aus dem vorliegenden Bericht hervorgeht. Wenn jahrelang herumgestritten wird und sich ein Heer von Beamten bis hinauf zu den höchsten Dienstklassen damit befasst, wie die Rechte der Bürgerinnen und Bürger abgewehrt werden können, dann kann man nicht von "schnell" und "effizient" sprechen.

Meine Damen und Herren! Die Verwaltung hat für den Bürger da zu sein, aber nicht umgekehrt. Der vorliegende Bericht zeigt, dass es immer dieselben Bereiche sind, die Schwierigkeiten verursachen beziehungsweise in denen sich die Bürger ungerecht behandelt fühlen.

Meine Damen und Herren! Auf der einen Seite steht die gewünschte schlanke Verwaltung, auf der anderen Seite stehen der Bürger und sein Zugang zum Recht. Um genau diese Schnittstelle geht es. Die von den Regierungsparteien jetzt als großer Wurf gefeierte Verwaltungsreform bringt für den Einzelnen meiner Meinung nach einen schlechteren Rechtszugang. Was vor allem überhaupt nicht geklärt ist, sind die Kosten, die für den Bürger anfallen.

Tausende Bedienstete in den Ämtern und Behörden sollen nach Hause geschickt werden. Bezirksgerichte werden geschlossen, als Zugabe werden außerdem die Postämter aufgelassen, und auch die Finanzämter stehen in Diskussion. Da geht es um Strukturen, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben. All das wirkt sich natürlich am meisten im ländlichen Raum aus. Da hilft es nichts, wenn in schönen Sonntagsreden immer wieder gegen die Ausdünnung des ländlichen Raumes gewettert wird, wenn dann wochentags die einzelnen Bundesminister mit den Zusperrplänen durch die Bundesländer touren.

Mit all diesen Mitteln wird meiner Meinung nach dem Bürger der Zugang zum Recht erschwert, und das ist demokratiepolitisch sehr bedenklich. Eigentlich sollte es umgekehrt sein: Der Zugang zum Recht sollte erleichtert werden.

Meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft ist eine nicht mehr wegzudenkende Institution in unserem Lande und – ich habe das bereits eingangs erwähnt – für viele Bürgerinnen und Bürger oft der letzte Rettungsanker, um zum Recht zu kommen. Die Volksanwaltschaft braucht aber, um weiter erfolgreich zu sein, auch eine verbesserte Rechtsgrundlage, um nicht zum zahnlosen Tiger zu verkommen. Dafür muss der Gesetzgeber sorgen.

Die SPÖ-Fraktion nimmt den 24. Bericht der Volksanwaltschaft zustimmend zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

20.12

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wieder einmal liegt uns ein beeindruckender Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft – diesmal aus dem Jahr 2000 – vor. Wie stets in den letzten Jahren ist er nicht nur in formeller Hinsicht äußerst professionell erstellt, sondern auch erneut inhaltlich von hohem Gewicht, und das nicht zuletzt in seinem kritischen Potenzial. Dafür ist sowohl den ausgeschiedenen Volksanwälten – Frau Ingrid Korosec, Frau Dr. Christa Krammer und Herrn Horst Schender – als auch den leitenden Beamten dieser verdienstvollen Einrichtung Dank und voller Respekt zu zollen. (Allgemeiner Beifall.)

Sind daher mit dem heute zu erörternden Bericht auch noch nicht die neuen Volksanwälte angesprochen, so darf ich dennoch in Bezug auf Sie betonen: Zum einem wünsche ich Ihnen ein zumindest ebenso erfolgreiches Wirken wie das Ihrer Vorgänger, und zum anderen bin ich voll davon überzeugt – und das sind keineswegs bloße Vorschusslorbeeren –, dass Sie so engagiert sind, dass Sie Ausmaß, Effizienz und Erfolg Ihrer Prüfungstätigkeit noch weiter werden steigern können. Die ersten Eindrücke von Ihrer Tätigkeit und Ihre Ankündigungen im Verfassungsausschuss überzeugen mich voll davon.

Vorweg halte ich fest, dass meine Fraktion seit jeher – das heißt auch schon in ihrer Rolle als Oppositionspartei, woran sich aber in der neuen Funktion als Regierungspartei natürlich nichts geändert hat – dieser zentralen Einrichtung der Verwaltungskontrolle hohe Bedeutung zugemessen hat. Wir sind daher stets für die Ausweitung der Beteiligungsrechte der Volksanwaltschaft am parlamentarischen Willensbildungsprozess eingetreten.

Ebenso sehr haben wir die seit längerem erhobene Forderung unterstützt, der Volksanwaltschaft auch nach Ausgliederungen und Privatisierungen von zuvor öffentlichen Ämtern, Stellen oder Unternehmen wenigstens dieselbe Prüfungskompetenz wie dem Rechnungshof zu belassen. Das müsste auch uns Parlamentarier und insbesondere uns Bundesratsmitglieder bewegen, weil es auch uns nur auf diese Weise, mittels einer uns verantwortlichen Prüfeinrichtung, Kontrollfunktion beließe.

Mit Sympathie hat meine Fraktion jederzeit auch zwei latente Ausweitungen der Aufgaben der Volksanwaltschaft, die diese sich in ihrer praktischen Arbeit errungen hat, aufgenommen. Zum einen haben sich die Volksanwälte im Bereiche der erwähnten ausgegliederten Einrichtungen auch über ihre derzeit defizitären gesetzlichen Prüfungskompetenzen hinaus einer De-facto-Kontrolle im Interesse beschwerter Bürger angenommen. Zum anderen haben sie zunehmend ihre Aufgabe nicht nur in der Behandlung individueller Beschwerdefälle gesehen, sondern auch Missstände und Regelungsdefizite von überindividueller Bedeutung – gerade auch aus ihrer Befassung mit praxisnahen Einzelfällen – erkannt und zum Anlass von rechtspolitischen Änderungsvorschlägen genommen.

Leider ist diesen Anregungen vom Gesetzgeber nur in geringfügigem Ausmaß entsprochen worden. Ich stehe nicht an, das auch hier und heute als Vertreter einer Regierungspartei einzuräumen, wie ich es eben an dieser Stelle als Mandatar der Opposition mehrfach kritisiert habe. Gewiss treffen die in diese Richtung aufgezeigten Gesetzesmängel die gegenwärtige Bundesregierung ohnehin erst zu einem geringen Teil. Dessen ungeachtet – und selbst, wenn es bereits voll zu Lasten der amtierenden Bundesregierung ginge – anerkenne ich vorbehaltlos das Bestreben der Volksanwaltschaft, nicht nur Missstände im Bereich der staatlichen Verwaltung kritisch festzuhalten, sondern auch dafür kausale Unzulänglichkeiten im Bereich der Legislative aufzuzeigen.

Einen zweifellos sensiblen Grenzbereich im Verhältnis der Staatsgewalten zueinander berühren wir mit der Frage, ob und inwieweit die Volksanwaltschaft auch Missbräuche und Fehlverhalten im Bereich der Rechtspflege – präziser: der Justiz, noch genauer: der Rechtsprechung –


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untersuchen und bewerten kann und darf. Unbestritten ist dabei, dass sich die Prüfungsbefugnis der Volksanwaltschaft auf die Justizverwaltung im engeren Sinne und auf diejenigen Teilbereiche der Gerichtsbarkeit erstreckt, die einer inneren Revision durch so genannte Visitatoren unterliegen.

Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, dass mir als einem im Hauptberuf tätigen Rechtslehrer des zivilgerichtlichen Verfahrens insbesondere die zahllosen Beschwerden rechtssuchender Bürger auf dem Gebiet der Rechtspflege auffallen, ja mich geradezu betroffen machen. Ob die Volksanwaltschaft für diese Beschwerden im eigentlichen Sinne zuständig ist oder nicht, ist nicht mein primäres Problem. Schlimm genug finde ich es, dass sowohl die in zahlreichen Fällen überlange Verfahrensdauer als auch die fragwürdige – ich will nicht sagen: die Menschenwürde manchmal verletzende – Art der Behandlung von Parteien durch manche Richter den Anlass für Beschwerden an die Volksanwaltschaft bilden. Was die Verfahrensdauer betrifft: Vier Jahre oder noch länger darf wohl ein Verlassenschaftsverfahren gewiss nicht dauern.

Lassen Sie mich zuletzt noch zu einem Sonderthema kommen. Ich kann nicht verstehen, dass es der Rechts- und Legislativdienst des Parlaments für unzulässig erklärt, einen Sonderbericht der Volksanwaltschaft im Bundesrat zu behandeln. Nach herrschender Meinung repräsentativer Verfassungsrechtslehrer ist eine solcher Bericht ein Teilbereich der Verpflichtung zur Erstattung eines jährlichen Gesamtberichts über die Tätigkeit. Obligatorisch ist zweifellos nur ein Gesamtbericht für das betreffende Jahr, zulässig sind aber gewiss auch bloße Teilberichte über generelle oder bloß individuelle Vorkommnisse. Wenn wir von Seiten der Volksanwaltschaft einen Sonderbericht zu einem bestimmten, sozial relevanten Thema erhalten haben, billige ich es nicht, dass wir ihn nicht einmal behandeln dürften.

Da ich diese – wenngleich im Hohen Haus offenbar herrschende – Auffassung keineswegs teile, gehe ich kurz, mit einem Satz, auf diesen Sonderbericht ein. Die Kritik an der regional höchst unterschiedlichen und zudem noch inhaltlich äußerst unzureichenden Regelung des Zugangs zur Sozialhilfe teile ich voll.

All das – besser: gerade das – hindert indes meine Fraktion nicht daran, den Bericht beziehungsweise die Berichte der Volksanwaltschaft mit voller Zustimmung zur Kenntnis zu nehmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Lindinger. – Bitte.

20.19

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Volksanwältin! Herr Volksanwalt! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich hier zu einem Bericht der Volksanwaltschaft spreche, dann erinnere ich mich daran, dass ich schon sehr viel zu Qualitätsmanagement und Qualitätskontrolle gesprochen habe. Letztlich sehe ich irgendwie eine Parallelität dazu. Denn ob ich industrielle Artikel erzeuge und den Erzeugungsmechanismus überwache im Hinblick darauf, ob alles in Ordnung ist und ob auch wirklich ein Produkt herauskommt, das dann allgemeine Akzeptanz findet, oder ob ich staatliche Institutionen oder die Verwaltung überwache, ist im Grunde genommen gleichzusetzen, da ist eine große Parallelität festzustellen.

Im letzteren Fall wird aber meistens der Bürger aktiv. Es ist schon mehrmals gesagt worden: Wenn er keine Möglichkeit mehr sieht, zu seinem Recht zu kommen – in der Verwaltung, in der Rechtsprechung oder anderswo –, dann ist die letzte Station der Volksanwalt.

Dieser Bericht der Volksanwaltschaft liegt uns als umfangreiches Werk vor. Es ist, so glaube ich, ein sehr schöner Bericht geworden, wenn auch die Dinge, die darin behandelt werden, oft eher trauriger Natur sind. Jetzt auf diesen Bericht näher einzugehen, ihn zu kritisieren, das heißt, positiv oder negativ zu werten, ist, so glaube ich, vielleicht gerade für diesen Bericht obsolet. Die handelnden Personen, die diesen Bericht zu verantworten haben, sitzen heute


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nicht mehr hier, und die Fälle sind letztlich abgehandelt. Ich kann also nur allgemein dazu sprechen, wenn auch von meinem Vorredner – was mich nicht wundert, dass jemand von der gleichen Fraktion auf die gleichen Ideen gekommen ist – einige Punkte dazu schon gesagt worden sind.

Was mir an dem Bericht fehlt, ist, dass die Volksanwaltschaft eigentlich auch selbst tätig werden könnte. Ich glaube, dass die Möglichkeit, selbst tätig zu werden, gesetzlich durchaus vorgesehen und auch gegeben ist. Dies ist meiner Ansicht nach nicht geschehen; oder ich habe es überlesen, was ich aber nicht glaube.

Es ist in diesem Bericht allgemein – wie wahrscheinlich auch schon früher – ein gewisses Kontrolldefizit festzustellen. Dieses Kontrolldefizit bezieht sich auf die ausgelagerten Betriebe. Diese Betriebe sind so genannte "privatisierte" Betriebe, bei denen "privat" draufsteht, aber letztlich Staat drinnen ist; es sind teilprivatisierte oder ganz privatisierte Betriebe. Diese sind der Kontrolle der Volksanwaltschaft entzogen, sie sind aber auch der Kontrolle des Rechnungshofes dann entzogen, wenn der Staat nicht mehr als 50 Prozent der Anteile hat.

Wenn weder Volksanwaltschaft noch Rechnungshof einen Einblick in diese Überprüfung haben, dann ist diese Materie auch der Überprüfung des Nationalrates und des Bundesrates entzogen. Ich glaube, das ist ein sehr großes Manko, das wir ändern sollten. Denn es ist zumindest in meinen Augen nicht so interessant, jetzt noch einmal die traurigen Fälle, in denen sich Menschen in ihrer letzten Not an den Volksanwalt gewandt haben, nachzulesen und zu überprüfen, sondern ich möchte im Sinn eines Qualitätsmanagements schauen, wie man es besser machen kann, wie man es allgemeiner gestalten und wie man es vervollkommnen kann.

In der Wirtschaft sagt man immer: Ein Qualitätsmanagement, eine Qualitätskontrolle sind dann erfolgreich, wenn sie sich selbst abgeschafft haben. Ich glaube nicht, dass das hier der Fall sein wird. Denn wir haben es hier Gott sei Dank nicht mit Fertigungsmaschinen, sondern mit Menschen, mit unseren Staatsbürgern zu tun. Wo Menschen sind, dort "menschelt" es, dort wird es immer Unzulänglichkeiten geben, und dort ist dann die Volksanwaltschaft zum Eingreifen aufgerufen.

Ich glaube, dass wir im Vergleich zu Europa insgesamt vielleicht doch einen Nachholbedarf haben. Wie mir bekannt ist, sind die Ombudsmann-Bestimmungen in unseren europäischen Nachbarländern viel weitgehender als jene, die wir in Österreich haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Volksanwalt Mag. Stadler. – Bitte.

20.23

Volksanwalt Mag. Johann Ewald Stadler: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich als stellvertretender Vorsitzender der Volksanwaltschaft zunächst einige Zahlen nenne. Es wurde bereits berichtet, dass im Berichtszeitraum 2000 insgesamt 8 605 Anbringen an die Volksanwaltschaft gerichtet wurden, wovon, Herr Bundesrat Dr. Lindinger, 44 Fälle zusätzlich amtswegig geprüft wurden.

Das heißt also, die Volksanwaltschaft nimmt die Möglichkeit, ein amtswegiges Prüfverfahren einzuleiten, sehr wohl wahr. In beiden Bereichen, sowohl im Bereich der Anbringen als auch im Bereich der amtswegigen Prüfverfahren, haben wir eine steigende Tendenz für das heurige Jahr – und, davon bin ich überzeugt, auch für die kommenden Jahre – zu erwarten. Ich werde auf die Gründe, warum wir eine steigende Tendenz erwarten, später noch näher eingehen.

Geben Sie mir zunächst noch die Möglichkeit, mich bei unseren Vorgängern – das sind nämlich die eigentlichen Berichtsverfasser und jene Volksanwälte, die für diesen Bericht verantwortlich zeichnen – zu bedanken. Es sind dies die etwas früher ausgeschiedene und mittlerweile dem Wiener Landtag angehörende Frau Kollegin Ingrid Korosec, ferner Frau Dr. Christa Krammer und schließlich Horst Schender aus Oberösterreich, die bis 30. Juni dieses Jahres die Verant


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wortung für die Volksanwaltschaft und für die Tätigkeit der Volksanwaltschaft innehatten und auch für diesen Bericht des vergangenen Jahres verantwortlich zeichnen.

Wir haben mit 1. Juli 2001 erstmals in der 25-jährigen Geschichte der Volksanwaltschaft wieder eine komplette Neubesetzung, und zwar durch Frau Kollegin Rosemarie Bauer, die ich in diesem Kreis mit Sicherheit nicht eigens vorstellen muss, durch Kollegen Dr. Peter Kostelka, der sich für heute Abend aus Termingründen entschuldigen lässt, und durch mich. (Bundesrat Dr. Aspöck: Foto herzeigen!) Kollegen Kostelka? – Ich glaube, er muss sich wirklich Sorgen um seine Bekanntheit machen. Aber ich werde Ihnen noch Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie ihn auch persönlich näher kennen lernen können.

Meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft bemüht sich, nicht nur Anregungen an den Gesetzgeber zu geben, sie bemüht sich nicht nur, die Beschwerdefälle eingehendst zu prüfen und dann einen Gesamtbericht zu verfassen, sondern wir haben auch Anregungen an den Verordnungsgeber.

Ich bin Herrn Bundesrat Saller sehr dankbar dafür, dass er die Möglichkeit der Schulsprengeleinteilung, die der Mobilität der Bevölkerung heutzutage entspricht, eigens erwähnt hat. Ich möchte wirklich alle Damen und Herren Bundesräte einladen, in ihren Bundesländern dieses Salzburger Modell der Schulsprengeleinteilung, das einfach zeitgemäß ist, umzusetzen. Deswegen haben wir auch schon in den vorherigen Berichten, den Berichten der Jahre 1996, 1997, 1998 und 1999, immer wieder diese Anregung – nicht an den Gesetzgeber, sondern an den Verordnungsgeber – geleistet, mittels einer einfachen Schulsprengelverordnung dieser gestiegenen Mobilität, aber auch dem gestiegenen Bedürfnis nach Spezialausbildung – vor allem für begabte Kinder – Rechnung zu tragen und eine zeitgemäße Schulsprengeleinteilung zu treffen.

Meine Damen und Herren! Ich bin auch Kollegen Professor Dr. Böhm dafür dankbar, dass er die Problematik der Behandlung des Bürgers durch die Organe der Rechtsprechung thematisiert hat. Die Volksanwaltschaft hat in ihrer 25-jährigen Geschichte mit Sicherheit bewirkt, dass der Bürger heute von der Verwaltung als Kunde gesehen wird und die Verwaltung sich als Serviceeinrichtung versteht. Bei allen Kritikpunkten, die aus einem Volksanwaltschaftsbericht hervorgehen, muss grosso modo festgehalten werden: Die österreichische Verwaltung ist eine funktionierende Verwaltung, sie kann sich sowohl in der Bundesverwaltung als auch in den Länderverwaltungen und in den Gemeindeverwaltungen sehen lassen.

Im Bereich der Rechtsprechung gibt es leider nach wie vor viel zu viele Damen und Herren im Talar, die glauben, dass dann, wenn sie das Amtskappl aufhaben, der Bürger als Untertan an der Gerichtsbank erscheint. Hier eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen, ist auch Aufgabe der Volksanwaltschaft. Ich habe schon im Ausschuss gesagt – und wiederhole es hier gerne vor dem Plenum –, dass sich in dieser Hinsicht die Volksanwaltschaft mit der rechten Hand am linken Ohr kratzt. Denn wir können nur über den Umweg der Tätigkeit der Visitatoren – das heißt also, der internen Kontrollorgane der Justiz – die Möglichkeit schaffen, dass auch bei den Organen der Rechtsprechung, in der Richterschaft, eine entsprechende Bewusstseinsänderung herbeigeführt und der Bürger dort anders behandelt wird, als es in einzelnen Vorsprachen durch betroffene Bürger sehr häufig zum Ausdruck kommt.

Es braucht niemand zu glauben, dass es sich hier um eine Verschwörung von Bürgern handelt, die den Richtern nur Böses tun wollen. Vielmehr sind die Erfahrungen, die sehr viele Leute häufig nicht als Beschuldigte, sondern nur als Zeugen vor Gericht machen, weiß Gott nicht immer der beste Ausweis unserer Justiz, auch wenn die Justiz in Österreich insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern hervorragend funktioniert. Aber ich glaube, man muss hier noch einiges an Bewusstseinsbildung betreiben.

Meine Damen und Herren! Ich komme zu einem anderen Bereich, der bereits angesprochen wurde: Das ist die aktuelle Debatte, die hier im Haus insbesondere durch die Legislativdienste und, wie ich höre, auch vom einen oder anderen Klubdirektor geführt wird. Es gibt böse Zungen, die behaupten, die eigentliche Macht in den Klubs liegt bei den Klubdirektoren. Ich kann das aus meiner Zeit als Klubobmann nicht ganz in Abrede stellen. (Heiterkeit bei den Freiheit


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lichen.) Die Debatte um die Frage der Behandlung ... (Bundesrat Bieringer: Es ist aber keiner mehr da!)  – Bitte? (Bundesrat Bieringer: Es ist keiner mehr da!) – Das möge den Bundesrat nachdenklich machen, meine Damen und Herren!

Hoher Bundesrat! Die Frage, wie die Sonderberichte der Volksanwaltschaft im Hause behandelt werden, ist aktuell. Sie wissen, dass unter der Federführung des sachzuständigen Volksanwaltes Dr. Peter Kostelka, aber getragen durch einen gemeinsamen Beschluss aller drei Volksanwälte, dem Parlament – sowohl der ersten Kammer, das heißt dem Nationalrat, als auch der zweiten Kammer, dem Bundesrat – ein Sonderbericht zum Thema Heizkostenperiode 2000/01 zugeleitet wurde. Es geht hiebei um die Frage der einheitlichen Handhabung der Heizkostenzuschüsse.

Meine Damen und Herren! In der 25-jährigen Geschichte dieser Institution war es einmal an der Zeit, auch die Frage anzugehen, ob man sich nur auf einen jährlichen Tätigkeitsbericht reduziert, ob man also über seine Tätigkeit nur einen jährlichen Tätigkeitsbericht verfasst, der leider nicht immer von allen Abgeordneten beider Häuser gelesen wird – wenn ich auch davon ausgehe, dass hier im Bundesrat ein sehr großes Interesse für die Berichte der Volksanwaltschaft vorhanden ist. Aber Sonderberichte sollen den Zweck haben, zu einem aktuellen Thema sofort auf einer sachlichen Ebene zu reagieren und das Parlament, den Vertreter des Souveräns, mit einem aktuellen Thema zu befassen. Wir glauben, dass die Heizkostenproblematik ein solches aktuelles Thema ist, zumal gerade in den kommenden Monaten wieder die Heizperiode anstehen wird.

Die Volksanwaltschaft ist nach eingehenden Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar nach der Verfassungslage – hier deckt sich unsere Meinung mit jener von Herrn Professor Klecatsky, dem ehemaligen Justizminister, und dem hoch angesehenen Herrn Dr. Pickl, der leider zu früh verstorben ist, dem ehemaligen Direktor der Volksanwaltschaft, die beide der gleichen Meinung sind, und es ist auch in der Literatur nachlesbar, dass es eine Verpflichtung ist, dass es ius cogens ist – die Volksanwaltschaft zwingend einen Jahresbericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft vorzulegen hat, wobei nur ausgewählte Fälle in allgemeiner und in anonymisierter Form dargestellt werden, dass es aber der Volksanwaltschaft natürlich nicht benommen sein kann, auch andere Berichte über ihre Tätigkeit, die wir in diesem Fall als Sonderberichte bezeichnen, an das Parlament zu leiten.

Meine Damen und Herren! Das Gegenteil wäre das – und da bin ich Ihren Ausführungen sehr dankbar, Herr Bundesrat –, was man in Europa nicht verstehen würde. Derzeit ist in Europa eine Tendenz im Gange – auch Herr Bundesrat Dr. Lindinger hat das, so glaube ich, erwähnt –, dass alle Ombudsmann-Einrichtungen gestärkt und ausgebaut werden sollen, und zwar nicht nur als Einrichtungen zur Kontrolle der Verwaltung, oder damit man irgendwo einen Grabstein hat, bei dem man sich als betroffener Bürger ausweinen kann, sondern auch als Einrichtungen, die Service für den Bürger leisten. So versteht sich auch die Volksanwaltschaft in der derzeitigen Besetzung, dass wir eine Serviceeinrichtung sind, die dem Bürger zur Verfügung steht, weshalb wir verschiedene Ideen entwickeln und – so auch morgen gemeinsam mit einem anerkannten Universitätsprofessor im Rahmen einer Klausur – weiterentwickeln möchten, die wir dann später auch dem Parlament zuleiten werden. Wir haben daher diese Sonderberichte bewusst zum Gegenstand der Debatte hier im Haus gemacht.

Über das Zweite, was uns ein Anliegen ist, möchte ich hier mit einigem Stolz berichten. Es ist uns in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Rundfunk gelungen, für Jahresbeginn des kommenden Jahres die Volksanwaltschaftssendung wieder einzuführen. Das Pilotprojekt ist so weit gediehen, dass man von einer modernen, zeitgemäßen Form der Präsentation des Einzelfalles ausgehen kann. Wie uns der Österreichische Rundfunk vorgestern mitgeteilt hat, wird am 12. Jänner die erste Volksanwaltschaftssendung starten. Sie wird sich insoweit von der früheren Volksanwaltschaftssendung unterscheiden, dass dort nicht nur die Verwaltung nicht hingerichtet wird, wie das weiland einmal der Fall war und dann zum Scheitern der Sendung geführt hat, sondern dass sich ... (Bundesrat Dr. Maier: Herr Kohlmaier?) Es war nicht Kohlmaier, es war seinerzeit Herr Strobl. (Bundesrat Dr. Maier: Er hat das sehr gut gemacht! Er hat die Bürger


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vertreten!) Ich möchte mich hier nicht in die ÖVP-interne Diskussion einmengen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Die Volksanwaltschaft hat jedenfalls das Anliegen an den ORF herangetragen, dass man sich dort auf die Moderatorenrolle beschränkt. Das wird sicherlich auch der Fall sein. Außerdem ist geplant, dass man dort nicht nur einen Fall kontroversiell neu darstellt, sondern dass man die Sendung auch mit einem jeweils gelösten Fall als zweitem Fall anreichert und damit eine, wie wir hoffen, interessante Sendung als Serviceeinrichtung bietet.

Dabei kommt uns medial noch zugute, dass sich die Drehbuchautoren der Fernsehserie "Julia" – diese ist Bezirksrichterin in Retz, was der Stadtgemeinde Retz touristisch sehr gut getan hat – offensichtlich entschlossen haben, aus der Frau "Julia" eine Volksanwältin zu machen, sodass wir in Zukunft auch den Archetypus der Volksanwältin über eine Fernsehserie geliefert bekommen werden. (Bundesrat Bieringer: Ein Aufstieg!) Frau Kollegin Bauer wird dann das Problem haben, mit "Julia" identifiziert zu werden. Mir wird das, wenn ich mich mit der Hauptdarstellerin vergleiche, wahrscheinlich weniger ins Haus stehen.

Meine Damen und Herren! Die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft – das ist ein Problem, bei dem wir glauben, dass wir im Parlament Verbündete finden müssten – ist latent bedroht und wird durch so genannte Auslagerungen auch laufend eingeschränkt. Ich möchte Auslagerungen staatlichen Handelns nicht negativ darstellen oder gar sagen, dass diese Auslagerungen nicht vernünftig wären. Sie machen wirtschaftspolitisch und gemeinwirtschaftlich natürlich Sinn, aber sie bringen es mit sich, dass außer der Kontrolle des Rechnungshofes auf Grund der Beteiligungsverhältnisse oder der Beherrschungsverhältnisse keine öffentliche Kontrolle mehr gegeben ist, und zwar auch nicht die Kontrolle durch die Abgeordneten des Parlaments, weder durch die Abgeordneten des Nationalrates noch durch die Mitglieder des Bundesrates. Insbesondere sind diese ausgelagerten Bereiche dem Interpellationsrecht der Abgeordneten nicht zugänglich, aber natürlich auch nicht der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft.

Nun gibt es in einzelnen Bereichen, etwa bei den Bundesforsten, durchaus eine Diskussionskultur, wonach uns die Bundesforste – oder auch Bereiche etwa in der Energiewirtschaft – zwar Auskünfte erteilen und sich der Anliegen annehmen, die wir an sie herantragen, aber es gibt dafür keine rechtliche Handhabe. Es gibt vor allem keine rechtlichen Möglichkeiten, wie wir sie im Bereich der öffentlichen Verwaltung haben, dort für den Bürger zu wirken.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Anliegen, das ich Ihnen ebenfalls ans Herz legen möchte, weil sich hier Ihre Interessenlage mit unserer Interessenlage vollständig deckt. Wir glauben, es wäre das Vernünftigste, die Kontrolle der Volksanwaltschaft einfach der Kontrolle des Rechnungshofes akzessorisch nachzubilden. Hiefür wäre eine sehr einfache Regelung denkbar, die aber weitreichende Konsequenzen hätte.

Meine Damen und Herren! Letztlich – das darf ich als stellvertretender Vorsitzender der Volksanwaltschaft sagen – haben wir uns sehr gefreut, vom Herrn Präsidenten dieses Hauses eine schriftliche Mitteilung zu erhalten, dass wir hier – auch in den Ausschüssen – jederzeit mit Rederecht willkommen sind. Das hat uns sehr gefreut. Das zeigt auch, dass man in der Länderkammer eine gewisse Wertschätzung für die Volksanwaltschaft hat. Ich mache nur eine Klammer auf und sage: Es wäre wünschenswert, wir hätten das auch in all den Landtagen, in denen wir eine Landes-Prüfungszuständigkeit haben. Das ist in allen Ländern mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg der Fall. Wir haben leider sehr große Mühe, uns dieses Rederecht in den Landtagen zu erkämpfen. Es hat sich dort noch nicht herumgesprochen, dass man auch mit den Volksanwälten durchaus interessant diskutieren kann. Auch hier bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Wien ist hier eine Ausnahme, das möchte ich ausdrücklich betonen, da haben wir eine sehr weitreichende Möglichkeit, mit den Abgeordneten über die Berichte der Volksanwaltschaft zu diskutieren. Hier kann ich also, wenn ich schon den Modellfall Salzburg zitiert habe, jetzt in diesem Bereich den Modellfall Wien erwähnen. Wenn wir alle diese Modellfälle realisieren können, dann haben wir eine sehr gute und, wie ich glaube, auch weitreichende Institution, die


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keinesfalls bedroht ist, zum zahnlosen Tiger zu werden. – Ich danke Ihnen herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

20.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun darf ich Frau Volksanwältin Bauer das Wort erteilen. – Bitte.

20.38

Volksanwältin Rosemarie Bauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf vorweg sagen: Es ist schön, nach 18 Jahren wieder hier zu sein. Ich sehe nur zwei Personen, mit denen ich zur gleichen Zeit hier im Hohen Haus beziehungsweise im Bundesrat war, aber die Atmosphäre hat sich nicht geändert. Sie ist immer noch spürbar gut, und darüber freue ich mich. Ich freue mich natürlich auch, heute in meiner neuen Funktion hier bei Ihnen sein zu dürfen.

Herr Kollege Stadler hat schon darauf hingewiesen, dass es zum ersten Mal seit Beginn oder seit der Schaffung der Volksanwaltschaft der Fall gewesen ist, dass wieder drei neue Volksanwälte zur gleichen Zeit ihr Amt angetreten haben. Wir haben unsere Geschäftseinteilung trotzdem nicht verändert, das heißt, wir sind in die Geschäftseinteilung unserer Vorgänger eingestiegen. Somit habe ich den Geschäftsbereich von Frau Ingrid Korosec übernommen, die bekanntlich – für all jene, die das wissen, wenn der jährliche Volksanwaltsbericht debattiert wird – ihren Schwerpunkt in den Bundesländern hatte, im Bereich der Gemeinden und der Landesverwaltung.

Es obliegt mir auf Bundesebene die Prüfungskompetenz in drei Ministerien. Diese Prüfungszuständigkeit habe ich im Bereich des Finanzministeriums, des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Trotzdem ist es eine beachtliche Anzahl von Fällen, die wir im Bericht aufzeigen.

Lassen Sie mich aus zeitökonomischen Gründen nur auf die wesentlichsten Dinge, die ich Ihnen sagen möchte, eingehen. – Die häufigsten Beschwerden im Bereich des Finanzministeriums sind nach wie vor – das ist auch nicht neu, darauf wurde schon in den Reden zuvor hingewiesen – die Gebührenfälle. Das Gebührengesetz ist wahrlich ein Gebührendschungel, ich nenne nur die Eingabegebühren, Beilagengebühren, Zeugnisgebühren oder Protokollgebühren. Meist kumulieren diese Gebühren und werden vom Bürger abverlangt, obwohl aus dessen Einreichen oft gar keine Leistung fließt, das heißt, er bezahlt die Eingabegebühr, ohne eine Leistung zu erhalten.

Das ist dem Bürger nicht mehr zumutbar, beziehungsweise nimmt der Bürger diese Dinge nicht mehr einfach zur Kenntnis. Manche Fälle, die wir haben, wären wirklich erheiternd, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre. Leider ist jetzt nicht genug Zeit, aber wir werden in den Fernsehsendungen Gelegenheit haben, diese Fälle darzustellen.

Ich kann daher nur hoffen, dass das, was der Bundesminister für Finanzen in Aussicht gestellt hat, nämlich eine Straffung der Gebühren und zugleich auch eine Änderung im Gebührengesetz, damit Gebühren abgeschafft werden, bald in die Tat umgesetzt wird. Besonders wichtig wäre, denn dann würde der Bürger das auch einsehen, dass man ein Entgelt oder eine Bezahlung erst dann entgegennimmt, wenn die Leistung auch erbracht wurde, wenn also hinter der Gebühr auch eine Leistung steht. Dabei geht es gar nicht so sehr um Sparpotenziale, sondern um Transparenz. Bei Reisedokumenten ist das jetzt schon der Fall: Es gibt eine Gebühr für ein Dokument, die natürlich bundesweit gleich hoch ist.

In diesem Zusammenhang wende ich mich auch gleich wieder an Sie! – Es gibt natürlich auch Verwaltungsgebühren auf Landes- und Gemeindeebene. Das große Problem dabei ist, wie ich bei den Verhandlungen gehört habe, dass man sich nicht einigen kann und eine gemeinsame Gebühr einhebt, die dann – wie auch immer – zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wird. Da gibt es immer wieder Schwierigkeiten. Daher möchte ich auch an Sie als Bundesräte appellieren, eine derartige Vereinheitlichung in den Landtagen und in den Gesprächen mit den Ländern


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zu unterstützen, weil diese wirklich im Interesse des Bürgers liegt. Außerdem muss man dazu sagen, dass man damit natürlich auch eine Menge an Bürokratie abbauen würde. Hier wären echte Ansätze für einen Bürokratieabbau gegeben.

Bei den übrigen Fällen halten sich die Beschwerden über die Auslegung einzelner Bestimmungen beziehungsweise die Beschwerden über die organisatorische Abwicklung von Verfahren ziemlich die Waage. Schon in den Vorjahren musste die Volksanwaltschaft wiederholt feststellen, dass Formulare vom Bürger nicht verstanden werden.

Die Formulare stellen ein riesiges Problem dar. Manche Formulare verharmlosen. Ich möchte dafür ein Beispiel bringen – ich zitiere –: "Stundungszinsen werden bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit gesondertem Bescheid angefordert." – Das klingt harmlos, und die Formulierung, dass "Stundungszinsen angefordert werden", ist, wie ich meine, für den Normalverbraucher unverständlich. In Wirklichkeit sind diese Stundungszinsen weitaus höher als normale Kreditzinsen, und wenn jemand, wenn die Vorschreibung kommt, um Stundung ansucht, dann hat er einen hohen Zinssatz zu bezahlen: Derzeit beträgt dieser 7,25 Prozent, vom Oktober vorigen Jahres bis August heurigen Jahres waren es sogar 8,25 Prozent. Der Bürger kann das nicht abschätzen und hat dann einfach zu bezahlen. – Ich glaube, das sind plastische Beispiele, anhand welcher man sehr gut aufzeigen kann, dass jemand diese Regelung zum Zeitpunkt des Ansuchens um Zahlungserleichterung zwar als sehr positiv empfindet, die Auswirkungen aber noch nicht abschätzen kann.

Ich möchte noch etwas zum Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sagen: Die Einzelfälle lassen eigentlich keine Rückschlüsse auf irgendwelche Systemfehler zu, auffallend ist vielmehr – und das möchte ich aufzeigen, weil es heute schon angesprochen wurde –, dass es im Bereich der Vollziehung des Wasserrechtes zu ganz erheblichen Verfahrensverzögerungen kommt. In einem Fall betrug die Verfahrensdauer sogar sechs Jahre. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Seite 103 des Berichtes. Das ist natürlich unerträglich! Daher ist es besonders wichtig, dass dagegen, wie etwa im genannten Fall im Land Niederösterreich, etwas unternommen wird. (Beifall bei der ÖVP.) – Danke. Die Niederösterreicher sind begeistert, wenn sie das dem Landeshauptmann sagen!

Noch etwas ist wichtig: Es wurden bereits die ausgegliederten Betriebe angesprochen. – Sie werden es vielleicht nicht verstehen oder es wird Sie verwundern, dass es die Volksanwaltschaft bewegen könnte, dass die Bundesforste für die Aufstellung eines Marterls ein Pachtentgelt verlangen. Dabei geht es nicht vordringlich um dieses Pachtentgelte, vielmehr steht dahinter ein grundsätzliches Problem: Nach wie vor besteht im Bereich ausgegliederter Rechtsträger keine Prüfungszuständigkeit der Volksanwaltschaft. Wir konnten daher in diesem Fall lediglich den zugrunde liegenden Sachverhalt beim Eigentümervertreter, dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, erheben, konnten aber im Hinblick auf die fehlende Prüfungskompetenz keine weitere Veranlassung treffen.

Im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist unser Prüfungsbereich zweigeteilt.

Im eigenen Wirkungsbereich geht es um Stellenbesetzungen, Habilitations- und Nostrifikationsverfahren, also wirklich um Angelegenheiten, die nur intern den Universitäten zuzuordnen sind und in welchen das Bundesministerium selbst eigentlich nur Aufsichtsfunktion hat.

Der zweite Teil – und das ist das Gros unserer Fälle – betrifft Beschwerden im Bereich des Studienförderungsgesetzes. Gerade der Bereich des Studienbeihilfenrechts ist eine Rechtsmaterie, in welcher es besonders häufig Änderungen gibt, und wenn so oft Novellierungen stattfinden, dann ist das der Rechtssicherheit natürlich abträglich. Andererseits sehen wir den Vorteil darin, dass uns Gesetzesbegutachtungen die Gelegenheit geben, unsere Erfahrungen einzubringen und diese letztendlich auch durchzusetzen. Wir können Schwächen und Ungereimtheiten aufzeigen beziehungsweise auch zu Klarstellungen anregen. Das tun wir selbstverständlich. Hievon haben wir im letzten Jahr im besonderen Maße Gebrauch gemacht. Im vorjährigen


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Berichtszeitraum, der Ihnen vorliegt, haben wir eine insgesamt zehn Seiten umfassende Stellungnahme zur Novelle des Studienförderungsgesetzes 1992 abgegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich höre schon auf! Ich merke den Geräuschpegel, und ich kenne mich sehr gut aus.

Ich kann nur das unterstützen, was Kollege Stadler gesagt hat: Wir schätzen das Rederecht, und ich bedanke mich dafür ganz herzlich! Schließlich sind wir beauftragt, zu kontrollieren und Ihnen Bericht zu erstatten. Ich weiß, dass es in Ihrem Interesse liegt, dass die Dinge, die wir aufzeigen, letztlich zu einer Verbesserung für den Bürger führen.

In diesem Sinne freue ich mich über mein neues Amt. In meiner viermonatigen Amtszeit ist die Erfahrung schon groß, und auch der Lernprozess war sehr umfangreich. Es macht mir Freude, in dieser Weise für den Bürger tätig zu sein. Der Bürger ist mein Auftraggeber, und die Anliegen des Bürgers sind auch mein Programm. Ich freue mich über die Zusammenarbeit! Es wäre schade, würde das, was wir für den Bürger erreichen wollen, letztendlich keine Umsetzung finden. Deswegen wenden wir uns an Sie und bedanken uns sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz), BGBl. Nr. 108/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/1998, geändert wird (745 und 804/NR sowie 6456 und 6479/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz), BGBl. Nr. 108/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/1998, geändert wird.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Kainz übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Der Bericht des Ausschusses liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Frauenangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Aburumieh. – Bitte.

20.51

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Die vorliegende Novelle, mit der das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben geändert wird, bringt im Wesentlichen zwei wichtige Punkte: die Freistellung für den Vorsitzenden und für die Vorsitzende und die längst notwendige Stellvertreterreglung.

Das Gleichbehandlungsgesetz hat bereits in der Stammfassung aus dem Jahr 1979 die Gleichbehandlungskommission vorgesehen, und gemäß § 10 Abs. 2 in der Fassung aus 1998 ist die Vorsitzführung in dieser Kommission unbesoldet und ehrenamtlich.

Im Bericht und in den Unterlagen ist nachzulesen, welche Bereiche die Gleichbehandlungskommission zu behandeln hat. Mit der vierten Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz wurde der Kreis der mit dem Vorsitz zu betrauenden Personen auf Bedienstete des Bundes erweitert.

Im Hinblick auf den großen Arbeitsaufwand bei der teilweise sehr zeitintensiven Falllösung und die derzeit durchschnittliche Dauer der Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission von zirka einem Jahr ist eine Optimierung der Bedingungen für die Arbeit dieser Kommission unbedingt notwendig. Die Anzahl der abzuhaltenden Sitzungen, die laufend notwendige Fortbildung in dem sich international rasch entwickelnden Bereich sowie der Zeitaufwand, den die Ausfertigung anspruchsvoller gutachterlicher Äußerungen in Anspruch nimmt, haben eine Neuregelung der Stellung der/des Vorsitzenden der Gleichbehandlungskommission unerlässlich gemacht.

Durch die zeitliche Freistellung bei vollen Bezügen werden die Rahmenbedingungen geschaffen, die eine rasche und effiziente Aufgabenerfüllung möglich machen, nachdem jetzt der unbedingt notwendige zeitliche Rahmen im Bereich der Vorsitzführung gewährleistet ist. Wir werden damit aber auch eine Beschleunigung der Verfahrensdauer erreichen und somit rascher zu Urteilen kommen, was nicht nur für die einzelnen Verfahren sehr notwendig ist, sondern auch die zeitliche Möglichkeit bietet, die ständig steigende Zahl von Fällen zu behandeln. Letzteres ist nicht nur dadurch begründet, dass die Anzahl der Streitfälle vor der Kommission ständig mehr wird, sondern das wird auch dadurch bedingt, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft regionalisiert wurde und dadurch der Zugang zu dieser Anwaltschaft erleichtert wird.

Ein weiterer und für mich sehr wesentlicher Punkt der Gesetzesnovelle ist die Stellvertreterregelung. Die Kommission besteht aus zehn Mitgliedern. Bisher gab es für alle außer für den Vorsitzenden oder die Vorsitzende einen Stellvertreter, und es ist jetzt aus verfahrensökonomischen Gründen absolut notwendig, dass auch die oder der Vorsitzende einen Stellvertreter hat. Da gelten dieselben Bedingungen wie für die Vorsitzführung.

Aufgabe der Gleichbehandlungskommission, die den Arbeits- und Sozialgerichten zur Seite gestellt ist, ist, sich allgemein oder in Einzelfällen mit Verletzungen des Gleichbehandlungsgesetzes zu befassen. Die Kommission hat aber auch die Möglichkeit, im Vorfeld beziehungsweise zur Vermeidung eines gerichtlichen Rechtsstreites beratend oder schlichtend tätig zu werden.

Die Verfahren der Gleichbehandlungskommission werden allerdings nur mit einem rechtlich nicht verbindlichen Gutachten abgeschlossen. Ersatzansprüche können nur vom zuständigen Arbeits- oder Sozialgericht geltend gemacht werden.

Gesetzliche Regelungen für die Arbeit der Gleichbehandlungskommission und die Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft betreffend die Schaffung von Rahmenbedingungen sind jeweils wenige von vielen Schritten, die notwendig sind, um gewohnte qualifikationsmäßige und hierarchische Grenzen aufzulösen. Tatsächlich auflösen, meine Damen und Herren, werden wir sie aber nur, wenn wir Gleichbehandlung zu einem echten Anliegen machen!


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Der Gleichbehandlungsbericht verweist auf einige Diskriminierungsfallen für Frauen, die ganz bewusst aufgebaut werden. So wird zum Beispiel berichtet, dass die rechtlich einwandfreie Möglichkeit von Stichtagsregelungen oft umgangen wird, um auf Kosten der Frauen sparen zu können, weiters werden beispielsweise Kriterien für die Umstufung nicht transparent gemacht, sondern da und dort willkürlich angewandt. Die tatsächliche Ungleichbehandlung ist belegbar: Frauen verdienen wesentlich weniger als Männer. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist immer noch eines der gravierendsten Probleme. Gefordert sind in diesem Bereich vor allem die Sozialpartner, im Zuge der Kollektivvertragsverhandlungen und der Gehaltsabschlüsse auf jene Lohngruppen einzuwirken, die primär von Frauen besetzt sind.

Letztlich wird die Lösung dieses Problems aber nur durch eine breite Bewusstseinsänderung erreichbar sein. Zur Erreichung dieses Ziels sind vor allem auch Bildung, Weiterbildung und Berufsinformation vonnöten. Es wird hier natürlich auch die innerbetriebliche Weiterbildung sehr wohl als Steuerungsmittel für Karriereplanung oder vielmehr für Karrierenichtplanung angesehen.

Mir sind alle Probleme im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Berufstätigkeit und dem Wiedereinstieg bewusst. Ich möchte aus zeitlichen Gründen darauf nicht mehr eingehen.

Ich möchte abschließend betonen, dass es unsere Aufgabe ist und bleibt, Chancengleichheit als Querschnittsaufgabe in allen Politik- und Handlungsfeldern zu sehen. Ich wünsche mir, dass die faktische Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben nicht nur durch die Tätigkeit der Gleichbehandlungskommission beschleunigt wird, sondern dass sie vor allem in unseren Betrieben und Unternehmen gelebt wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

20.58

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem meine Vorrednerin schon sehr ausführlich auf den Inhalt und die Gründe für die Notwendigkeit dieser Gesetzesnovelle hingewiesen hat, darf ich mir Wiederholungen ersparen.

Ich möchte allerdings bemerken, dass ich persönlich wahrscheinlich weniger Zeit benötigt hätte, um die positiven Aspekte hervorzukehren, denn so viele sind es auch wieder nicht! Bestätigen kann ich, dass die erwähnten Mängel zu Recht behoben wurden. Damit hat es sich aber schon bei dieser Novelle. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Es wird nämlich der Eindruck erweckt, dass sich das Zusammenleben von Mann und Frau in der Arbeitswelt dermaßen konfliktfrei darstellt, dass sich weitere Festlegungen erübrigen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ihr Gelächter bestätigt meine Aussage! Es wurde jedenfalls verabsäumt, ein schlagkräftiges Gesetz zu machen. Vielmehr stellt dieses Gesetz in dieser Form tatsächlich ein Alibigesetz dar, das dazu bestimmt ist, Frauen vorzutäuschen, dass diese Bundesregierung zielführende Schritte in Richtung einer tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann setzt.

Feststellbar ist jedoch, dass im Rahmen anderer Gesetze wie zum Beispiel bei der Universitätsnovelle oder dem Objektivierungsgesetz die Wahrung der beruflichen Chancengleichheit von Frauen und Männern umgangen beziehungsweise sogar ausgehöhlt wird. Aber obwohl ganz klare faktische Gründe eine große Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes erfordern würden und uns diesbezüglich auch die Europäische Union großen Handlungsbedarf oder sogar Säumigkeit bescheinigt, warten wir vergeblich auf einen solchen Schritt.

Unter anderem wären die Schadenersatzobergrenzen aufzuheben, analog jenen Regelungen, die es im Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst bereits gibt. Ich meine, dass das, was im öffentlichen Dienst möglich ist, auch in der Privatwirtschaft möglich sein sollte! Die diesbezüglichen Verhandlungen der Sozialpartner für die Privatwirtschaft wurden im Sommer


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1999 eingestellt und seither nicht wieder aufgenommen. Ich fürchte, dass wir dies der ÖVP zu verdanken haben, denn die ÖVP hat schon damals gesagt, dass dies für sie nicht in Frage komme. Ich möchte Ihnen dazu sagen: Mit einem kategorischen Nein ist Fortschritt für die Frauenpolitik nicht machbar, wobei zu hinterfragen wäre, ob in dieser Regierungskoalition überhaupt jemand einen Fortschritt möchte!

Herr Bundesminister! Ich hätte eine Frage an Sie: Sie haben für diesen Herbst angekündigt, neueste Daten betreffend die Einkommenssituation von Männern und Frauen in Österreich zur Verfügung zu stellen. Vor einigen Monaten haben Sie die Kritik der Nationalratsabgeordneten Petrovic hinsichtlich dieser schlechten Daten sowie deren Hinweis, dass Österreich an 15. und letzter Stelle der EU-Staaten betreffend die diesbezügliche Einkommenssituation liegt und das Durchschnittseinkommen von Frauen in den Industrie- und Dienstleistungsbranchen lediglich 69 Prozent der entsprechenden Männereinkommen beträgt, zum Anlass genommen, diese Tatsachen als Auswirkung der Versäumnisse der sozialistischen Exminister zu bezeichnen und für Ihre eigene Amtsperiode eine Verbesserung in Aussicht gestellt.

Mittlerweile ist es Herbst. Herr Minister! Gibt es jetzt schon aktuelle Daten bezüglich der Einkommensschere zwischen Mann und Frau beziehungsweise betreffend den Platz, den Österreich in diesem Zusammenhang im Rahmen der EU-Länder einnimmt? – Ich meine damit nicht, wie ich einer Presseaussendung von Ihnen entnehmen kann, das Ansteigen der Einkommen der Arbeitnehmerinnen, sondern sehr wohl den Vergleich der Einkommen von Frauen und Männern. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie darüber Auskunft geben könnten!

Ich möchte an das Ende meiner Ausführungen stellen, dass ich der Meinung bin, dass Politik für Frauen daran messbar ist, wie mit Frauen umgegangen wird. Herr Bundesminister! Zeigen Sie daher, dass Ihnen die Gleichstellung von Frau und Mann im Arbeitsleben wirklich ein Anliegen ist, und lassen Sie diesem zwar positiven Schritt, der mit der heutigen Gesetzesnovelle gesetzt wird, aber doch sehr kleinen Schritt einen bedeutenden und großen Schritt folgen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile ihr das Wort.

21.04

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es stellt sich als positiv heraus, dass ein freiheitlicher Minister am Werk ist: Es ist eben die Arbeitsauffassung der Freiheitlichen, auf vernünftige Anregungen und Notwendigkeiten so schnell wie möglich zu reagieren und effizient zu arbeiten. In diesem Sinne wurde das Gleichbehandlungsgesetz novelliert. Es wird nichts auf die lange Bank geschoben, was auch die prompte Zuweisung des Gesetzes an den Bundesrat zeigt.

Es ist die Arbeit eines freiheitlichen Ministers, die Verwaltung im Sinne des Regierungsabkommens zu entschlacken. In Anbetracht dessen ist es begrüßenswert, dass die Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen übertragen wurden.

Ihre Nationalratsabgeordnete Prammer kann sich noch immer nicht mit der männerfreundlichen Frauenpolitik abfinden, und in ihrer gekränkten Eitelkeit ließ sie sich in ihrem Minderheitsbericht zu dieser Gesetzesänderung zu dem Ausspruch hinreißen, dass die Gleichbehandlungsfrage nur mehr eine Randerscheinung der Gesellschaft darstelle und eine Randerscheinung der Sozialpolitik geworden sei. – Das ist die Äußerung Ihrer Nationalratsabgeordneten Prammer, und dagegen verwahre ich mich und verwahren sich meine Kollegen von der freiheitlichen Fraktion auf das Vehementeste!

Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, fahren in diesem Wasser fort. Es trifft aber einfach nicht zu! Sie bezeichnen diese Novelle als ganz kleine Gesetzesänderung. Diese ist jedoch von größter Notwendigkeit. Ihre damalige Ministerin hätte das in all den Jahren ihrer Tätigkeit schon erledigen können! Sie haben dafür die Verantwortung zu tragen, dass das Amt


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des Vorsitzenden der Gleichbehandlungskommission ein unbesoldetes Ehrenamt ist. Sie haben es in Ihrer Regierungszeit verabsäumt, dafür Sorge zu tragen, dass nebst den Mitgliedern auch der Vorsitzende einen Stellvertreter bestellen kann! Die Freistellung des oder der Vorsitzenden ist für eine rasche und effiziente Aufgabenerfüllung unbedingt erforderlich. – Diese Mängel sollen mit dieser Novellierung nunmehr aufgehoben werden.

Diese Regierung ist bemüht, die Verwaltung schlanker zu halten. Im Hinblick darauf ist es auch notwendig, manche Dienstleistungen zuzukaufen weil dies eben billiger kommt als ein Stab von Beamten. Ich weiß, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass sie da total anderer Meinung sind!

Wenn diese Beschlussfassung im Nationalrat als Versäumnis bezeichnet wird – wie meine Vorrednerin gerade gesagt hat –, weil man die große Novellierung erst unter Einbeziehung der neuen Situation auf Europaebene vollziehen will, dann frage ich mich: Warum hat die damalige Frauenministerin Prammer 1990 die Frist auf europäischer Ebene verstreichen lassen? (Zwischenruf der Bundesrätin Schlaffer. ) Warum hat sie sich dieser Aufgabe nicht gestellt? – Minister Haupt hingegen hat zum Beispiel die Erarbeitung von Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit in den Unternehmen und Organisationen in Auftrag geben, weiters Erhebungen betreffend die Auswirkungen von Teilzeit, Vollzeit, von hierarchischen Funktionen und Qualifikationen, Personalentwicklung und Weiterbildung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz und so weiter machen lassen. – Von all dem wollte Ihre Frauenministerin nichts wissen und will bis heute nichts davon wissen; als Oberösterreicherin kenne ich sie lange genug!

Wo ist in all den Jahren Ihrer Regierungsarbeit diese Maßnahmenerfüllung geblieben? Haben Sie das vergessen? – Man kann nicht Schuldzuweisungen tätigen, wenn man selbst jahrelang kläglich versagt hat! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Blicken Sie in den Spiegel! Dann werden Sie sehen, wer Ihnen entgegenschaut, nämlich totale Versager! – Ich muss Ihnen das laut und deutlich erklären. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Berufliche Gleichbehandlung sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Nun gibt es Information, Beratung und Unterstützung von Frauen und Männern, die beispielsweise auf Grund von Mobbing und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz diskriminiert werden. Nach Wien, Innsbruck und Graz hat jetzt auch Kärnten eine Gleichbehandlungsanwaltschaft, und ich wünsche mir, dass solche Anwaltschaften so bald als möglich auch in Linz und Salzburg installiert werden können. Auch das hätte längst geschehen können, wenn wir nicht erst Ihre immense Schuldbelastung abbauen müssen hätten. All diese Institutionen kosten nämlich leider Geld. (Bundesrat Todt: Wem!) Aber davon wollen Sie nichts wissen, meine Damen und Herren! Sie haben immer in die vollen Töpfe unserer Kasse gegriffen! (Bundesrat Mag. Trunk: Ihrer Kasse?)

Wir wissen, dass bis jetzt rund 70 Prozent der Kontakte zu dieser Anwaltschaft von Frauen aufgenommen werden. Nur 15 Prozent betreffen Männerangelegenheiten, und zwar größtenteils in der Tourismusbranche, wo Männer meinen, durch minderqualifizierte Frauen übervorteilt zu werden. Das zu überprüfen ist natürlich auch eine Aufgabe!

Wichtig sind die Vernetzung von Mitarbeiter- und Firmeninteressen und die Bemühung, familien- und frauenfreundliche Betriebe in Österreich aufleben zu lassen. In diesem Zusammenhang wird positive, konstruktive und rasche Regierungsarbeit geleistet, noch dazu mit dem Effekt: billiger, aber besser. – Ich glaube, Sie hätten guten Grund, zuzustimmen!

21.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile ihr das Wort.

21.10

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt versuchen, meine berechtigte Emotion, die mich an


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lässlich der Wortmeldungen meiner beiden Kolleginnen mit unterschiedlicher Qualität erfasst hat, auszudrücken.

Es ist an sich nicht sehr klug, wenn Frauen in Anwesenheit von Männern einander etwas ausrichten. Aber so Leid es mir tut, ich muss sagen: Wir Politikerinnen sind gleichberechtigt und gleichwertig, und als solche sehe ich mich. Daher steht es mir auch zu, zu sagen: Kollegin Haunschmid! Es tut wahnsinnig weh, eine Frau zum Politikbereich der Frau sprechen zu hören, die mit ihren Ausführungen offenkundig dokumentiert, dass sie keine Ahnung von der Frauenpolitik der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft hat! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich stehe für Emanzipation der Menschen, weil das ein Menschenrecht ist. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie sind ein Emanzerl!) Emanzipation werden Sie nicht zum Schimpfwort degradieren können, denn Emanzipation heißt Gleichwertigkeit für alle! Dazu stehe ich! Wenn Sie sagen, dass ich eine Emanze bin, dann stehe ich dazu, weil das ein sehr positiver Wert ist. (Bundesrätin Haunschmid: Erinnern Sie sich bitte an die Arbeit Ihrer Frauenministerin!)

Frau Kollegin Haunschmid! Wenn Sie die SPÖ auffordern, dem zuzustimmen, dann zeigt das zum Beispiel, dass Sie von etwas sprechen, wovon Sie keine Ahnung haben! Minister Haupt hat es in zwei Jahren geschafft – und das ist in Ordnung, das spreche ich auch aus! –, das konsequent fortzusetzen, was Barbara Prammer im Zusammenhang mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft in Linz, Graz und Wien in die Wege geleitet hat. Barbara Prammer hat für die Schaffung von drei Stellen drei Jahre gebraucht. Minister Haupt hat jetzt sehr viel zu tun gehabt. In den vergangenen Monaten hat er offensichtlich begonnen, sich intensiver darum zu kümmern. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Dafür sage ich Danke schön! Das ist in Ordnung! Die SPÖ wird dem natürlich zustimmen, weil es keinen Grund gibt, das abzulehnen.

Aber: Wenn Sie der sozialdemokratischen Frauenpolitik unterstellen, dass sie all das erledigen können hätte, dann haben Sie völlig rechts und links! Da wundere ich mich – aber sie ist noch neu in der Politik – auch über Kollegin Aburumieh, wenn sie heute hier sagt, wie dringend notwendig das ist, was hier gemacht wird. – Ich teile diese Auffassung vollinhaltlich, und der Herr Minister teilt sie auch. Aber auch Frau Prammer ist dieser Ansicht! In der damaligen Koalition war der männliche Partner der Frauenministerin der männliche Familienminister, und dieser hieß Bartenstein. Ohne Barbara Prammer verteidigen zu wollen – mir ist auch immer alles zu langsam gegangen –, möchte ich sagen: Herr Bartenstein war trotz seiner Schlankheit und Zentimetergröße ein sehr kräftiger, kugelrunder Bremsblock! Die ÖVP war es, die in allen Ministerverhandlungen, in unzähligen Gesprächen und Auseinandersetzungen, die es in allen Bundesländern zwischen ÖVP und SPÖ gab, ununterbrochen erklärt hat, dass all das nicht notwendig ist.

Wenn Sie heute sagen, dass wir, wenn wir diese Novelle und weitere Verbesserungen beschließen, Zugang zu gleichem Recht für alle bekommen, dann muss ich Ihnen als alte Frauenpolitikerin sagen, dass vorhandene Instrumentarien und Einrichtungen nur dann genützt werden, wenn sich in den Köpfen der Menschen – das heißt: in deren Bewusstsein – etwas verändert. Das heißt weiter: Es wird mehr Gleichbehandlungsfälle geben, wenn es bei diskriminierten Männern genauso wie bei diskriminierten Frauen mehr diesbezügliches Bewusstsein gibt. Eine Stelle allein setzt nämlich noch nicht voraus – und das ist keine Kritik am Minister, sondern das betrifft all diese Frauenanlaufstellen und Frauenberatungsstellen –, dass ein entsprechendes Bewusstsein vorhanden ist.

Zweiter Punkt: Beide Vorrednerin haben die Lohndiskriminierung angesprochen. Ich kann das nicht mehr hören! Ich kann Ihnen die statistischen Kurven aus den letzten 20 Jahren zeigen. – Auch ich habe das seinerzeit, als ich mich noch weniger ausgekannt habe – also vor etwa 15 Jahren –, ganz gerne auf die Sozialpartnerschaft und die Gewerkschaft geschoben. Es sind dies heute noch vorwiegend Kompetenzbereiche von SPÖ und ÖVP, und es ist ein Faktum – und dafür bin ich den Sozialpartnern auch dankbar –, dass es im Bereich der Definitionen und Richtlinien in den Kollektivverträgen keine Diskriminierung gibt. Das heißt: An die Sozialpartner betreffend die Änderung von Kollektivverträgen zu appellieren, ist ein Appell ins Leere, weil je


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der zu Recht sagen wird: Bitte zeig’ mir einen diskriminierenden Faktor in den Kollektivverträgen!

Ich mache für diese Situation nicht eine Partei, sondern eine gewisse Form von Bewusstseinsunkultur und auch von Unternehmensunkultur verantwortlich, wobei ich bitte, dass Sie von Seiten der ÖVP sich jetzt nicht betroffen fühlen, denn die ÖVP hat nicht Anspruch auf alle Unternehmer in der Republik Österreich! Es ist dies insbesondere eine Unkultur in Österreich, ganz im Gegensatz etwa zu den Vereinigten Staaten. Es ist dort vieles schlecht, aber in den Vereinigten Staaten haben auch Konzernbosse erkannt, dass man zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeits- und auch Familienbedingungen berücksichtigt werden – ich sage jetzt abgekürzt, was natürlich nicht ausgesprochen wird –, maximal effizient nützen und auch ausnützen kann. In Österreich ist das Bewusstsein dafür, dass Menschen, Männer wie Frauen, Familie haben, wie auch immer sie ausschaut, ob es die Großeltern sind oder die kleinen oder mittelgroßen Kinder, ambivalent. Wir sind ein Land, in dem Familienpolitik zwar traditionell groß geschrieben wird, aber dann klafft ein ganz tiefer Graben, den man bisher noch nicht übersprungen hat, indem man sagt, Familienpolitik hat etwas mit Wirtschaftspolitik zu tun, und zwar nicht nur in Richtung Konsumenten.

Vielmehr haben auch Arbeitsbedingungen, Arbeitsrecht und Lohnfragen etwas mit Familienpolitik zu tun. Daher heißt dieses komische Wort, das keiner verstehen will, "Gender Mainstreaming". Österreichisch nenne ich das einfach Politik für benachteiligte Menschen, in diesem Fall für Frauen, in anderen Fällen sind es andere Gruppen. Und diese Bestrebungen haben alle Politikbereiche zu betreffen. Das heißt, es ist etwa auch die Finanzpolitik ein sehr wesentlicher Faktor. Auch der Herr Minister hat sich, bevor er Minister war, zur Frage der Angleichung der unterschiedliche Löhne von Frauen und Männern in Österreich – in Teilbereichen beträgt die Differenz 40 Prozent, und das ist eine Katastrophe – bekannt.

Wir können es nämlich ganz einfach verändern. Wir können einen Konsens finden. Vorwiegend sind es Frauen, die benachteiligt sind, in ländlichen Regionen fallen aber auch Männer darunter, nicht im Wettbewerb gegen Frauen, sondern auf Grund der Tatsache, dass sie ungerecht entlohnt werden. Es wurde gesagt, dass Fördermaßnahmen gesetzt werden müssen. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Sie haben gesagt, dass diesbezüglich bisher nichts geschehen sei. Darauf erwidere ich: Wir haben in der Republik Österreich seit Johanna Dohnal, die Sie trotz Ihres jugendlichen Alters wahrscheinlich doch noch kennen werden, Förderpläne für die Privatwirtschaft. Ich kenne aber noch immer keinen honorigen ÖVP-Unternehmer oder FPÖ-Unternehmer, der das umgesetzt hätte. Ich bin mit vielen sehr lange zusammen gesessen, und dabei sind wir draufgekommen, dass es gar nicht schlecht wäre, diese Frauenförderpläne im eigenen Betrieb umzusetzen. Dann haben diese Unternehmer das aber wieder vergessen!

Ich meine: Frauenförderung müsste auf betrieblicher Ebene offensiv betrieben werden und dürfte nicht Lippenbekenntnis bleiben. Man müsste von der Unkultur abgehen, dass Menschen, die qualifiziert ausgebildet sind – Männer wie Frauen –, unter ihrem Qualifikationsniveau eingestellt werden. Es ist nämlich zum Beispiel Tatsache – das wissen Sie –, dass unsere Buben und Mädchen, Abgänger von Universitäten und Handelsakademien, nicht als HandelsakademikerInnen oder AkademikerInnen eingestellt werden, sondern auf dem Niveau des vormaligen klassischen Handelsschülers. Das ist Faktum!

Wir sollten uns dazu bekennen: Die Republik investiert sehr viel Geld in die Ausbildung der Jugend, daher sollte diese Jugend auch gerecht entlohnt werden. Denn das ist die einzige Form, wie wir die Wirtschaft wieder beleben können.

Ich bin jetzt ein bisschen weit von dieser konkreten Novelle abgegangen, aber Gleichbehandlung betrifft wirklich alle Politikbereiche und fällt in die Verantwortung aller Politiker.

Wenn Sie, Frau Kollegin Haunschmid, leidenschaftlich immer zur SPÖ schauen und uns erzählen, wie schrecklich "grauslich" wir ausschauen, dann muss ich Ihnen sagen: Kollegin Haunschmid! Es ist auch Ihre Verantwortung! Es ist auch Ihre Verantwortung als Frau, im Bereich Politik für Frauen etwas umzusetzen. (Bundesrätin Haunschmid: Dann berufen Sie sich ...!)


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Gehen Sie im Bereich der Gastronomie mit gutem Beispiel voran, setzen Sie ein Zeichen! (Bundesrätin Haunschmid: Ich lebe es, liebe Frau Kollegin! Schon jahrelang!) Setzen Sie ein ... (Bundesrätin Haunschmid: Wir setzen es schon lange!)

Die ÖVP könnte mit ihren Unternehmern ein starkes Zeichen setzen: Jetzt laufen die Gehaltsverhandlungen für die Handelsangestellten. (Bundesrat Steinbichler: Wir setzen nicht nur Zeichen, wir tun es!) Jeder von Ihnen – ob rot, ob blau, ob schwarz – hat hier erklärt, dass die Handelsangestellten zu jenen Erwerbstätigen gehören, die schlecht entlohnt sind, die "unterentlohnt" sind, die "grausliche" Arbeitsbedingungen haben. Setzen wir alle doch gemeinsam ein Zeichen, und setzen wir bei den Kollektivlohnverhandlungen einen offensiven Schritt, nämlich weit über jene Grenze hinaus, die als Inflationsabgeltung angesetzt wird! Dann ist Frauenpolitik oder Politik für Menschen, die schlecht bezahlt sind, eine glaubwürdige Politik, aber sonst nicht.

Herr Minister! Im Übrigen danke ich für die Einsetzung der Kärntner Gleichbehandlungsanwältin. (Beifall bei der SPÖ.)

21.21

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Mag. Herbert Haupt das Wort. – Bitte.

21.21

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind in der Debatte einige Fragen an mich gestellt worden, die ich in aller Kürze beantworten möchte.

Ich darf Sie darauf hinweisen – Frau Kollegin Trunk hat das ausgeführt –, dass die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau in Österreich in den letzten 20 Jahren durchaus einige Bocksprünge gemacht haben. Wenn man sich die Ausgangssituation 1980 ansieht – das Fraueneinkommen betrug damals 8 871 S, das Männereinkommen 13 678 S – und die Situation mit Stichtag 14. 2. 2000, dass die Frauen 19 500 S verdient haben, die Männer aber 29 150 S, dann muss man sagen, dass die Schere zwischen Mann und Frau in dieser Periode klassisch auseinander gedriftet ist. In der Periode, als Kollege Hums das Sozialministerium geleitet hat, war der Übergang nahezu gleich, davor hat es bei Kollegen Hesoun eine kurze Verbesserung gegeben, und bei Vorgänger Dallinger sowie der Nachfolgerin Hostasch im gleichen Ministerium hat sich die Schere so entwickelt, dass schlussendlich von 1980 bis 1999/2000 der von mir skizzierte Übergang in entsprechender Form vorhanden war. Ich bitte, das in der Diskussion zu berücksichtigen – ohne Schuldzuweisung, sondern einfach als Faktum der Tätigkeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass nicht nur die Bundesregierung, sondern selbstverständlich auch die Kollektivvertragspartner eine Rolle spielen. Sie wissen, dass Frauen Teilzeit arbeiten und sehr viele Frauen ihre Teilzeitarbeit – so wie überhaupt der überwiegende Teil der Teilzeitarbeiter – in Niedriglohn-Branchen verrichten. Ich glaube daher, dass die Ausgestaltung der Teilzeitarbeit, das Element der Entlohnung der Teilzeitarbeit und die volle Berücksichtigung der Valorisierungseffekte in den Kollektivverträgen sehr wohl Angelegenheiten der Kollektivvertragspartner sind. Hier ist leider immer wieder auffallend, dass die Ganztagsbeschäftigungen und die Vollzeit-Äquivalente am Verhandlungstisch nach wie vor größere Bedeutung haben als die Teilzeit und die atypischen Teilzeit-Verhältnisse, die für Frauen relevant sind.

Ich glaube aber trotzdem, sehr geehrte Frau Kollegin Trunk, dass Sie Folgendes zur Kenntnis nehmen sollten: Mein Ministerium hat schon seit einiger Zeit das Audit frauenfreundlicher Betriebe. Es sind immer mehr Betriebe, auch immer mehr Betriebe aus der Privatwirtschaft, die sich um dieses Audit bemühen. In diesem Audit ist auch ein entsprechender Frauen-Förderungsplan mit beinhaltet: das Vorliegen und in einem dreijährigen Evaluierungsprozess die Umsetzung der Frauen-Förderungspläne. Wir werden im heurigen Jahr die ersten Unternehmer haben, die sich drei Jahre diesem Audit gestellt haben und heuer erstmalig für die Umsetzung ihrer Frauen-Förderungspläne in ihren Betrieben ausgezeichnet und zertifiziert werden.


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Ich gebe zu, dass sehr vieles bezüglich dieser Tätigkeit und dieser Beschäftigung hätte schneller gehen können und dass auch sehr vieles zu einer Angelegenheit der Geduld vor allem für die Frauen geworden ist. Aber ich bin zufrieden, dass man richtig erkannt hat, dass auch das gesamte Klima in der Gesellschaft ein wichtiges Umfeld für die Weiterentwicklung ist und dass Sie richtigerweise gesagt haben, dass Förderung wichtiger als Bestrafung sei, um dieses Element in der Gesellschaft und auch in den Unternehmen herzustellen. Im vorigen Jahr hat es etwa im Bundesland Salzburg eine ehemalige kleine Konditorei mit über 40 Mitarbeiterinnen zuwege gebracht, 38 unterschiedliche Zeitmodelle für ihre Mitarbeiter zu verwirklichen und aus einem kleinen Kaffeehaus mit angeschlossenem Konditoreibetrieb zu einem Zulieferbetrieb für Fünf-Sterne-Restaurants von München bis Mailand zu werden.

Ich glaube daher, es gibt gute Beispiele dafür, dass es von Erfolg begleitet ist, zufriedene MitarbeiterInnen zu haben, um damit aus dem Mitarbeiterpotenzial einen maximalen Erfolg für das Unternehmen zu schöpfen.

Es hat mich besonders gefreut, dass aus einem Pflegeheim in Tirol die Pflegeinsassen trotz ihres hohen Alters gekommen sind, weil sie nachweisen konnten, dass sich in einem frauenfreundlichen Betrieb – auch in dem Betrieb eines Pflegeheimes – zwischen jenen, die sich in Pflege begeben, und jenen, die die Pflege durchführen, ein erfreuliches Verhältnis von nahezu Freundschaft und Partnerschaft entwickelt hat, weil das zufriedene Personal die Arbeit nicht als Job, sondern als Berufung sieht, und damit auch den alten Menschen ein gutes Umfeld bieten kann. Bei mir als zuständigem Minister für alle Generationen ist auch die Befriedung entstanden, dass ein Pflegeheim tatsächlich eine Institution ist, zu der man seine alten Mitbürger mit ruhigem Gewissen hinschicken kann, weil aus den leuchtenden Augen der alten Menschen und aus der Verbindung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Pflegebereich eine tatsächliche Harmonie in der Lebensgestaltung zu erkennen war.

Meine Damen von der sozialdemokratischen Fraktion! Ich bin nicht so pessimistisch wie Sie, dass nichts weitergeht. Denn ich darf auch – so wie im Nationalrat – darauf hinweisen, dass auf Beschluss aller Verhandlungspartner heuer im Sommer die Verhandlungen an der großen Reform unterbrochen worden sind, um die Ergebnisse im Europäischen Parlament abzuwarten. Ende Oktober war die erste Lesung im Europaparlament, und die endgültige Beschlussfassung sollte, wie auch Ihnen aus Ihrer Europaparlaments-Fraktion sicherlich bekannt ist, noch dieses Jahr über die Bühne gehen. Ich hoffe darauf, und wir wollen dann mit den Ergebnissen der europäischen Ebene im Gleichklang auch in Österreich die große Reform umsetzen.

Ich bin dankbar dafür, dass mit dem Vier-Parteien-Antrag, der eine Verbesserung des ursprünglichen Antrages aus meiner Sicht eindeutig und klar herbeiführt und mit dem Justizministerium auf kurzem und schnellem Wege zwischen Ausschuss und Plenarsitzung des Nationalrates positiv erledigt werden konnte, durchaus eine Verbesserung im Bereich der Gleichbehandlung auf dem Tisch liegt, die für mich wünschenswert ist, die ich aber auch nie und nirgends – weder in der Öffentlichkeit noch im Hohen Hause, auch nicht heute hier – als die große Reform dargestellt habe, sondern nur als einen notwendigen, richtigen Schritt der Weiterentwicklung.

Eines möchte ich ebenfalls sagen: Was wir heute als Reform machen, wäre als Reformbedarf eigentlich schon 1999 auf dem Tisch gewesen. Vielleicht war das Wahlkampfjahr so anstrengend, dass man keine Kompromisse mehr finden konnte; ich möchte nicht darüber richten. Aber ich lasse mir nicht nur nicht die Versäumnisse in die Schuhe schieben, sondern ich möchte auch darauf hinweisen, dass in einem Jahr während meiner Tätigkeit als Bundesminister immerhin zwei Regionalstellen eröffnet worden sind. Ich glaube, so schlecht schaut es für die Weiterentwicklung in diesem Bereich nicht aus. Ich bin auch guten Mutes, dass uns dies noch gelingen wird für den Großraum Linz und den Teil, der derzeit den Gleichbehandlungsfragen eher weit entrückt ist.

Wir alle wissen aus der Alltagspraxis, dass sehr viele Betroffene, aber auch ihre Lebenspartner, die stellvertretend für die Frauen ihre Stellung in der Gesellschaft und im Betrieb vor den Gleichbehandlungskommissionen einmahnen, erst dann effektiv tätig werden, wenn sie vor Ort sehen, dass es ein ordentliches Beratungsbüro, ein ordentliches Umfeld gibt und sie eine kon


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sequente Verfolgung zunächst am Verhandlungstisch und, wenn es sein muss, auch mit allen Mitteln des Rechtsstaates erreichen.

Ich bin daher durchaus positiv gestimmt, dass mir gemeinsam mit Kollegen Bartenstein, der bekanntermaßen für den Teil des Arbeitsrechtes zuständig ist, auch noch der große Wurf gelingen wird und dieser in dieser Legislaturperiode hier im Hohen Hause verabschiedet werden kann. Ich sage es in der Klarheit, in der ich es auch in der Öffentlichkeit gesagt habe und in der es die Mehrheit aller Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen gesagt haben: Das Ziel muss selbstverständlich sein, dass bei Anrufung der Gleichbehandlungskommission die strittige Position, um die es geht, und das Besetzungsverfahren nicht definitiv werden kann, sondern provisorisch bleibt, um demjenigen, der Hilfe sucht, dann, wenn er erfolgreich ist, auch tatsächlich die Position zu gewähren, die er anstrebt, und nicht eine Entschädigungszahlung zu gewähren, egal, wie hoch sie nach oben offen ist.

Wir sind, so glaube ich, auf dem richtigen Weg. Wir sind konsequent auf dem Weg, wir sind gemeinsam auf dem Weg, und ich bin dankbar dafür, dass hier im Bundesrat offensichtlich alle vier Fraktionen den vorliegenden Gesetzentwurf unterstützen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (549 und 826/NR sowie 6480/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 22. Punkt der Tagesordnung: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Höllerer übernommen. Ich bitte sie darum. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Berichterstatterin Anna Höllerer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen liegt in schriftlicher Form vor.

Ich darf daher auf die Verlesung verzichten und berichten, dass der Ausschuss für innere Angelegenheiten nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates, dessen Artikel 3 Abs. 1 und


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Artikel 9 Abs. 1 und 2 verfassungsändernd sind, gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

21.32

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Winter 1999 und vor allem die Lawinenkatastrophe in Galtür haben deutlich gemacht, wie wichtig bei grenzüberschreitenden Rettungseinsätzen ausreichende zwischenstaatliche Vereinbarungen und Übereinstimmungen sind. In den Alpen müssen sowohl private Rettungsflieger als auch Hubschrauber staatlicher Stellen beziehungsweise des Militärs häufig grenzüberschreitend eingesetzt werden, und man kann nicht immer davon ausgehen, dass – wie beim Großeinsatz in Galtür – unter Berufung auf einen allgemeinen Notstand weitreichende Ausnahmegenehmigungen erteilt oder gar nicht erst eingeholt werden.

Die im Einzelfall zu beachtenden Bestimmungen betreffen beispielsweise die rechtzeitige Abgabe von Flugplänen, die Einhaltung der Zoll- und grenzkontrollrechtlichen Vorschriften sowie die Einholung von Bewilligungen der Luftfahrtbehörden. Im Grenzraum zur Schweiz und zu Liechtenstein muss dabei sogar eine EU-Außengrenze überflogen werden, was die Schwierigkeiten noch erhöht.

Es war daher nahe liegend, dass sich die betroffenen Bundesländer Tirol und Vorarlberg um eine entsprechende Vereinbarung mit der Schweiz bemüht haben, zumal entsprechende Regelungen mit den anderen Nachbarstaaten bereits in Kraft sind. Mit Tschechien sind wir knapp davor und mit Italien noch in Verhandlungen, obwohl es da bereits einen Grundbestand einer Vereinbarung gibt. Der Tiroler Landtag hat sogar mit einer eigenen Entschließung vom 11. Dezember 1997 um entsprechende Verhandlungen mit der Schweiz ersucht. Mit der Genehmigung des Staatsvertrages, die für mich und die anderen Bundesräte der ÖVP außer Zweifel steht, wird ein erfolgreicher Schlusspunkt unter diese Bemühungen gesetzt.

Für ähnliche Fälle möchte ich allerdings anregen, dass das parlamentarische Genehmigungsverfahren ebenso zügig durchgeführt wird, wie die Verhandlungen geführt wurden. Die Vereinbarung mit der Schweiz wurde am 22. März 2000 unterzeichnet, und die sonst als gemächlich kritisierte Schweizer Politik hat es geschafft, das Übereinkommen ungefähr ein Jahr vor uns parlamentarisch zu genehmigen.

Ich bedanke mich bei den zuständigen Bundesministern – namentlich dem hier anwesenden Bundesminister für Inneres –, die wir von Tirol und Vorarlberg aus mit mehreren parlamentarischen Anfragen zu diesen Thema befasst hatten, dass das Anliegen aufgegriffen und die Lösung zu einem guten Ende geführt worden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

21.35

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei Tagesordnungspunkt 22 geht es um ein Abkommen zwischen Österreich und der Schweiz und um Rahmenbedingungen für gegenseitige Hilfestellungen bei Unglücksfällen und Katastrophen. Vizepräsident Weiss hat bereits darüber gesprochen, dass es schon Abkommen mit Deutschland, mit Liechtenstein und mit Ungarn gibt. Ebenfalls gibt es Abkommen mit Slowenien und der Slowakei. Weitere Abkommen mit Tschechien und mit Italien werden noch folgen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Vergangenheit haben wir immer wieder feststellen müssen, was wichtig ist: erstens: dass man schnell am Unfallort ist, zweitens: mit welcher Ausrüstung man am Unfallort eintrifft und drittens: wie gut die Zusammenarbeit der einzelnen Hilfsorganisationen funktioniert. Oft entscheiden Minuten, oft kann es auch sein, dass Hilfe aus dem Ausland wegen der geographischen Lage schneller als Hilfe aus dem Inland zur Stelle ist.

Zum Zweiten: Die Ausrüstung unserer Hilfsorganisationen ist sicherlich eine der besten. Ich möchte da nur auf unsere Hundestaffel verweisen. Unsere Hundestaffel genießt im In- und Ausland höchstes Ansehen und wird auch sehr oft für Katastrophenfälle im Ausland eingesetzt. Uns obliegt es, diese Hilfsorganisationen mit entsprechenden Mitteln, insbesondere der neuen Technologie, auszustatten und ihnen einen optimalen Einsatz zu ermöglichen.

Wir Sozialdemokraten geben diesen Rahmenbedingungen gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm das Wort.

21.38

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Es ist dies ein kleines Gesetz mit großer Bedeutung im Speziellen für mein Bundesland Vorarlberg. Gerade im Bundesland Vorarlberg sind wir auf Grund der Eigenheiten des Bundeslandes Jahr für Jahr, jahrein, jahraus von möglichen Katastrophen bedroht, seien es Überschwemmungen oder Lawinenabgänge.

In beiden Fällen ist schnelle Hilfe dringend nötig, jedoch vergeht viel wertvolle Zeit, bis Hilfe aus Innerösterreich über den Arlberg kommt, ganz zu schweigen davon, dass es dem Bundesheer teilweise am nötigen Material mangelt und auf Grund veralteter Gerätschaften gar nicht möglich ist, bei bestimmten Wetterbedingungen über den Arlberg zu kommen. (Bundesrat Marizzi: Ihr seid ja in der Regierung!) Deshalb ist dieses Abkommen mit der Schweiz, das wir heute beschließen, dringend nötig, um im Katastrophenfall schnell effiziente Hilfe zu bekommen.

Im Übrigen bestehen derartige Hilfeabkommen – Kollege Weiss hat das bereits gesagt – mit einer Vielzahl von Nachbarstaaten Österreichs.

Dieses Abkommen sollte uns aber nicht dazu verleiten, uns auf die Nachbarstaaten zu verlassen. Wie wichtig eine gute Ausrüstung für unser Bundesheer ist, hat die Katastrophe in Galtür deutlich gezeigt. Wir sollten es deshalb nicht verabsäumen, dem Bundesheer mit ausreichendem Material und guter Ausrüstung zur Seite zu stehen.

Selbstverständlich wird meine Fraktion diesem Abkommen mit Freude zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Gstöttner. )

21.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt und zudem dessen Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 9 Abs. 1 und 2 verfassungsändernd sind, bedarf dieser gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundes


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rates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/1997, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozessordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, sowie das Strafvollzugsgesetz, das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz, das Militärstrafgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Mediengesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2001) (754, 487, 755, 257/A und 787/NR sowie 6457/BR und 6481/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 23. Punkt der Tagesordnung: Strafrechtsänderungsgesetz 2001.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Christoph Hagen: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über Tagesordnungspunkt 23.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer das Wort. – Bitte.

21.41

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen, halte ich vorweg fest, dass sich meine Fraktion mit einem Großteil der vorliegenden Gesetzesänderungen einverstanden erklärt.

Die Anhebung des Strafrahmens für Vergewaltigung wie für schweren sexuellen Missbrauch mit Todesfolge auf Lebenslang findet ebenso unsere Zustimmung wie eine eindeutige gesetzliche Regelung für Handlungen, die dazu dienen, andere in Angst und Schrecken zu versetzen, und für Nachahmungstäter, die bewusst in Kauf nehmen, dass das Wirtschaftsleben ebenso nachhaltig beeinflusst wird wie das öffentliche Leben. Dafür fehlt uns jegliches Verständnis.

Aus Sicht der SPÖ-Frauen stehe ich aber auch nicht an, danke zu sagen für die ausdrückliche Klarstellung des Verbots einer weiblichen Genitalverstümmelung ungeachtet einer allfälligen


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Einwilligung der betroffenen Person. Die Umsetzung dieser Forderung der SPÖ-Frauen nehmen wir mit Freude zur Kenntnis.

Ich könnte noch eine Reihe von Punkten aufzählen, denen wir unsere Zustimmung ebenfalls nicht verweigern würden, wenn man meiner Fraktion die Gelegenheit geben würde, die einzelnen Gesetzesvorlagen getrennt abzuhandeln. Hier im Bundesrat können wir jedoch nur zwischen zwei Möglichkeiten wählen: einem Tagesordnungspunkt als Ganzem zuzustimmen oder ihn als Ganzen abzulehnen. Gerade in diesem Falle bedauern wir, nicht mehr Möglichkeiten zu haben, und werden ihn daher trotz vieler Übereinstimmungen ablehnen.

Bedauern müssten aber auch Sie, Herr Bundesminister – es freut mich, dass Sie in der Zwischenzeit gekommen sind –, dass Sie leichtfertig die Chance vergeben haben, eine der seltenen Gelegenheiten zu nützen, bei denen Sie für Gesetzesvorlagen auch die Zustimmung der Opposition erhalten hätten. Die Gelegenheiten, einstimmige Beschlüsse zu erzielen, sind ja nicht so häufig, um so ohne weiteres darauf verzichten zu können. Sie hätten nicht zulassen dürfen, dass seitens des Justizausschusses drei ursprünglich getrennte Gesetzesmaterien zu einer Vorlage zusammengefasst werden. Diese wurden nicht zusammengefasst, weil sie so gut zusammenpassen, sondern weil es darum gegangen ist, das bis 31. 12. 2001 befristete Bundesgesetz im Bereich besonderer Ermittlungsmaßnahmen vorbei an der öffentlichen Diskussion und auch ohne Einbeziehung der Oppositionsparteien zu einem Dauerrecht zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in Erinnerung rufen, dass der Zulassung des Lauschangriffes und der Rasterfahndung im Jahr 1997 eine eineinhalbjährige Diskussion voranging, eine teilweise sehr heftig geführte Diskussion, in der besonders die FPÖ ihr Missfallen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Aber so schnell – und mittlerweile sind wir das von der FPÖ gewöhnt – kann sich eben eine Meinung ändern.

Die Zulassung dieser besonderen Ermittlungsmaßnahmen ist nicht zuletzt auch als Folge dieser Diskussion befristet erfolgt. Gerade deshalb, weil es notwendig war, diese Befristung vorzunehmen, und weil man die Gelegenheit nützen wollte, Erfahrungen zu beurteilen – Erfahrungen, die sich in der Form der Anwendung hätten ergeben sollen – und vor allem auch Erfahrungen darüber zu sammeln, wie sich diese Ermittlungsverfahren auf die Grundrechte der Bevölkerung auswirken, ist die SPÖ-Fraktion für eine weitere Befristung dieser Bestimmungen eingetreten. Eine Befristung soll eigentlich dazu dienen, das nachzuholen, wozu auch Sie sich im Jahr 1997 verpflichtet haben, nämlich vor Ablauf dieser Befristung am 31. 12. 2001 eine Diskussion über diese offenen Fragen und auch darüber, ob dieses Gesetz vielleicht verbesserungswürdig wäre, zu führen.

Wir nehmen daher mit Bedauern zur Kenntnis, dass Sie diese Möglichkeit nicht genützt haben und dieses Gesetz, diese Bestimmungen zu einem Dauerrecht gemacht haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich dabei wohl fühlen, diesem Gesetz ohne jegliche Beurteilungswerte zuzustimmen. Wir würden uns auf jeden Fall nicht wohl fühlen, weil wir das Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung und vor allem auch Grundrechte wie Rechts- und Datenschutz sehr ernst nehmen.

Bedenken Sie auch eines: Morgen könnten Sie und ich ebenfalls davon betroffen sein, dass unsere Grundrechte in Frage gestellt werden. Ich glaube, das Gebiet ist so sensibel, da sollten wir alle gemeinsam besonnen vorgehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Günther Köberl das Wort. – Bitte.

21.48

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren Bundesräte! Der Bereich Sicherheit – noch vor einiger Zeit für viele in unserem Land zu einer unbeachteten Selbstverständlichkeit geworden – hat in den letzten Monaten leider auf dramatische Weise wieder an Gewicht gewonnen. Spätestens seit den schrecklichen Ereignissen vom 11. September ist dieses Thema österreichweit und wohl


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auch international ganz klar in aller Munde, und es ist ins Zentrum der politischen Diskussionen gerückt.

Zorn, Wut und Angst sind schon immer schlechte Ratgeber gewesen. Deshalb sind gerade in diesen Tagen für verantwortungsvolle Volksvertreter Ruhe, Besonnenheit und Augenmaß mehr denn je gefragt. Ich halte daher klar fest, dass für mich und die Vertreter der Österreichischen Volkspartei in diesem Hohen Haus die heute anstehenden Beschlüsse nicht nur im Licht der Taten des 11. September gesehen werden, sondern als Fortsetzung einer konsequenten und erfolgreichen Sicherheitspolitik in Österreich. Deshalb werden wir von der Österreichischen Volkspartei dem vorliegenden Antrag auch die Zustimmung erteilen.

Ich überlasse es anderen, mit Panikmache politisches Kleingeld zu wechseln. Gerade die für einen Großteil der österreichischen Bevölkerung unumstrittenen besonderen Ermittlungsmaßnahmen sind in dieser Zeit nicht die wirklichen Sorgen und Ängste unserer Bevölkerung.

Ich darf nun auf meine Vorrednerin eingehen und Folgendes feststellen: Frau Kollegin Schlaffer! Ich freue mich, dass Sie signalisiert haben, dass die SPÖ und auch die SPÖ-Frauen inhaltlich weitgehend die Zustimmung zu den vorliegenden Anträgen erteilen können. Es freut mich jedoch weniger, dass formelle Gründe dagegen ins Treffen geführt werden. Es hätte mich mehr gefreut, wenn Sie über den parteipolitischen Schatten gesprungen wären und hier die Inhalte vor den Formalismus gestellt hätten. (Bundesrat Marizzi: Das hättet ihr auch so gemacht, wenn ihr in unserer Position wärt! Ihr hättet es so gemacht, wenn ihr in unserer Position wärt!)

Zurück zur Sache: Es sollen entsprechend der Regierungsvorlage 754 der Beilagen in strafrechtlichen Regelungen enthaltene, ziffernmäßig bestimmte Geldbeträge von Schilling auf Euro umgestellt werden. Es geht also um die so genannte Euro-Umstellung im Bereich des Strafrechts, insbesondere im Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung. Die ursprünglich vorgesehene Wertanpassung und Glättung auf einprägsame und signalgebende Beträge kommt vorerst nicht zum Tragen, da bei der Euro-Umstellung auch im Bereich des Strafrechtes keine Ausnahme gemacht werden soll. Es erscheint jedoch sinnvoll und unumgänglich, diese angesprochene Anpassung entsprechend den Vorschlägen einer Enquete-Kommission bei nächster Gelegenheit durchzuführen.

Weiters geht es um den Amtsverlust von Personen, die wegen Missbrauchs von Amtsgewalt zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt werden. Unumstritten erscheint auch jene Verschärfung im Hinblick auf den Missbrauch des Autoritätsverhältnisses nach § 212 Strafgesetzbuch, unabhängig von der Höhe der verhängten Strafe. Durch die nunmehr festgeschriebene automatische Beendigung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse wird verhindert, dass Personen in durch besondere Abhängigkeitsverhältnisse gekennzeichneten Bereichen – das sind zum Beispiel Schulen, Erziehungsheime, Sicherheitsbehörden, Krankenanstalten und so weiter – weitere Gelegenheit zur Begehung von Sexualdelikten unter Ausnützung ihrer Autoritätsstellung geboten wird.

Darin beinhaltet ist auch die von allen vier Parteien getragene und von meiner Vorrednerin angesprochene Regelung, dass Fälle von Genitalverstümmelung in Österreich konsequent verfolgt werden. Dabei wird ausdrücklich festgelegt, dass in weithin unter dem Begriff Genitalverstümmelung zusammengefasste Praktiken nicht eingewilligt werden kann.

Außer Zweifel steht auch die Anhebung der Strafen bei Vergewaltigung mit Todesfolge und schwerem sexuellem Missbrauch von Unmündigen. Meine Damen und Herren! Diese wohl zu den verabscheuungswürdigsten Delikten zählenden Verbrechen rechtfertigen für mich persönlich nicht das geringste Ausmaß an Toleranz und Milde.

Den wohl medienträchtigsten Teil dieses Tagesordnungspunktes umfasst die Regierungsvorlage 755; leider sind die Medienvertreter zu diesem Tagesordnungspunkt – und vor allem, nehme ich an, zu dieser Zeit – nicht mehr hier anwesend. Begriffe wie Lauschangriff und Rasterfahndung werden leider oftmals falsch benutzt, und sie werden bewusst falsch benutzt, um in unserem Land das Zerrbild eines totalitären Überwachungsstaates zu projizieren. Dass dieser –


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unter Anführungszeichen – "Volxtheaterdonner" mehr als unbegründet und überflüssig ist, zeigen die Sachlage und die Erfahrung der letzten drei Jahre.

Zur Beurteilung der Wirksamkeit und Rechtssicherheit der 1997 beziehungsweise 1998 befristet in Kraft getretenen neuen Ermittlungsmethoden wurde vom Bundesminister für Justiz und vom Bundesminister für Inneres ein Bericht vorgelegt. Ich gehe davon aus, dass allen Anwesenden die entsprechenden Fallzahlen bekannt sind. Dennoch darf ich daran erinnern – und ich habe mich da ein bisschen mit einer Wahrscheinlichkeits- und Prozentrechnung herumgespielt –, dass die Anzahl der Fälle, in denen man in Österreich von einem Blitzschlag getroffen wird, höher ist als die Anzahl der Fälle, in denen man Gefahr läuft, in eine Rasterfahndung oder in eine Überwachung durch elektronisch unterstützte Medien zu geraten.

Die Zunahme schwerer und organisierter Kriminalität im Bereich des Terrorismus, der Korruption, der Wirtschaftskriminalität, des Suchtgifthandels und der Prostitution waren bereits 1997 ausschlaggebend dafür, neue, effiziente und den technischen Möglichkeiten der Täter angepasste Formen besonderer Ermittlungsmaßnahmen einzuführen – vorerst befristet, um Erfahrungen auf diesem Gebiet zu gewinnen. Anhand der Übersicht betreffend die Anwendungsjahre der besonderen Ermittlungsmaßnahmen in dem bereits erwähnten gemeinsamen Bericht lässt sich bestätigen, dass Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte mit den erweiterten Befugnissen der Kriminalitätsbekämpfung Maß haltend und verhältnismäßig umgegangen sind. So hat etwa der Rechtschutzbeauftragte in seinem Bericht hervorgehoben, dass die besonderen Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig und unter besonderer Beachtung eingesetzt wurden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die positive Stellungnahme des Vorsitzenden des Datenschutzrates dahin gehend, die akustische und optische Überwachung in das Dauerrecht zu übernehmen.

Es ist mir persönlich unverständlich, dass die SPÖ nun trotz inhaltlicher Zustimmung eine neue Befristung einfordert. Dafür fehlen mir sachliche Gründe. Ich verweise auf die Äußerung des SPÖ-Abgeordneten Parnigoni in der Debatte im Nationalrat, entnommen der Parlamentskorrespondenz vom 24. 10. Da bekannte er sich "im Namen seiner Fraktion zu Lauschangriff und Rasterfahndung. Es handle sich dabei um taugliche Mittel im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, die global und grenzübergreifend agiere."

Lassen Sie mich abschließend ein paar generelle Gedanken zu dieser Thematik anführen. Zum einen ist Datenschutz ein Gebot des europäischen und österreichischen Rechtsbestandes, zum anderen sind Leib und Leben grundrechtlich geschützt. Aber wie so oft stehen Grundrechte wechselseitig in einem Spannungsverhältnis. Ein Grundrecht lässt sich nie bis zum Extrem realisieren, ohne dass ein anderes wesentlich eingeengt würde. Es genügt nicht, hinterher Spuren einer Tat zu erforschen und nach Motiven zu suchen. Um sie zu verhindern, werden auch andere Personen als potenzielle Straftäter in vorbeugende Kontrollen einbezogen werden müssen. Die Fragen "Wer bewacht die Wächter?" und "Welche und wie viele Wachen bestellen wir?" sind wichtig und richtig.

Abschließend darf ich sagen: Versichern ist jedoch, wie in allen Fällen, nicht kostenlos. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

21.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. Ich erteile ihm das Wort.

21.57

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei dieser Gesetzesmaterie insbesondere um zwei Themen. Ich möchte jetzt nicht mehr lange wiederholen, was schon mein Vorredner gesagt hat, und kann mich daher ganz kurz fassen.

Im Wesentlichen geht es um die Erhöhung von Strafdrohungen, deren Ablehnung mir jemand nach dem 11. September 2001 und allem, was seitdem, und zwar auch in unserem Land, geschehen ist, erst erklären muss. Zum Zweiten geht es darum, dass die Möglichkeit moderner


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elektronischer Fahndungsmethoden ins Dauerrecht übernommen wird. An dieser Stelle verstehe ich die sozialdemokratische Opposition nicht ganz. Sie spricht bei diesen nunmehr erprobten Methoden – und wir wissen, dass nichts passiert ist, dass alles ordnungsgemäß und nur in den notwendigsten Fällen angewendet wurde – einerseits davon, dass sie einer befristeten Regelung zwar zustimmen kann, sagt also dazu ja, befristet die Freiheitsrechte der Bevölkerung einzuengen. Aber wenn wir jetzt sagen, dass wir auf Grund der Erfahrung daraus Dauerrecht machen können, dann nimmt sie das andererseits als Begründung für ein Nein.

Ich sehe in Ihrer Begründung nur einen quantitativen, aber keinen qualitativen Unterschied, und betrachte dies daher eher als eine Ausrede.

Ein paar Sätze zu den Straferhöhungen: Worum geht es dabei? – Es geht um den so genannten Landzwang – vielleicht ein Titel, den der Herr Bundesminister im Plenum des Nationalrates eigentlich bereits besser mit diesem Titel belegt hat: Drohung gegen die Bevölkerung oder einen großen Personenkreis.

Ich darf noch einmal kurz die drei Fakten anführen beziehungsweise den Herrn Minister zitieren:

Wenn durch einen solchen Landzwang, also durch eine Drohung gegen die Bevölkerung oder einen großen Personenkreis, große wirtschaftliche Schäden entstehen, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens damit verbunden ist, der Tod eines Menschen eintritt, eine schwere Körperverletzung einer größeren Zahl von Menschen eintritt oder viele Menschen in Not geraten, dann soll eine Strafdrohung von fünf Jahren Platz greifen. – Ich halte das für sehr angemessen.

Sollte aber durch einen solchen Landzwang, also durch eine Drohung gegen die Bevölkerung oder einen großen Personenkreis, eine größere Anzahl von Menschen sterben, dann soll eine Strafdrohung von zehn Jahren Platz greifen. – Das ist, wie auch der Herr Minister ausgeführt hat, systemimmanent, logisch und richtig, und dem können wir Freiheitlichen uns nur anschließen.

Zum Tatbestand der Verbreitung falscher und beunruhigender Gerüchte: Dieser Tatbestand ist derzeit, wenn er verwirklicht wird, mit einer Strafdrohung von nur sechs Monaten ausgestattet. Das heißt, wenn unter denselben Voraussetzungen ein großer wirtschaftlicher Schaden, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens, der Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzung einer größeren Zahl von Menschen oder vieler in Not geratener Menschen eintritt, dann soll ein Strafrahmen von drei Jahren Platz greifen. – Auch das ist maßvoll und systemimmanent.

Man kann jetzt natürlich lang und breit über die Wirksamkeit gesetzlicher Strafandrohungen diskutieren und General- und Spezialprävention vielleicht überhaupt in Frage stellen. Über etwas, meine Damen und Herren, kann und darf man meines Erachtens jedoch überhaupt nicht diskutieren, nämlich darüber, dass die Bevölkerung vor solchen Kriminellen geschützt wird und dass solche Individuen, seien sie nun echte Terroristen oder nur so genannte Trittbrettfahrer, die um nichts besser sind, länger aus dem Verkehr gezogen werden können als bisher. Darauf hat diese Gesellschaft Anspruch!

Nun zum Thema Verbrechensbekämpfung mit moderner, elektronischer Technik: Es handelt sich um Bestimmungen, die bereits seit Jahren gelten. Da sie sich, ursprünglich nur befristet beschlossen, bewährt haben, werden sie nun ins Dauerrecht übernommen. Auch das ist meines Erachtens logisch, konsequent und richtig.

Wir leben in einer Zeit, in welcher die Wirtschaft die Zahlungs- und Erfassungsflüsse ständig verbessert. Denken Sie zum Beispiel nur an die vielen Mitgliedschaften bei diversen Handelsketten! Da wird alles aufgenommen: Jedes Mal, wenn Sie mit der entsprechenden Karte bezahlen, kann Ihnen nachgewiesen werden, was Sie gekauft haben, wann Sie gekauft haben, was Sie bevorzugt kaufen. In dieser Zeit, in der uns dieser technologische Fortschritt geradezu überrennt und immer noch schneller wird, und in einer Zeit, in der sich das Ganoventum genau dieses technischen Fortschrittes perfekt bedient, ist es nur konsequent, dass man das Gano


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ventum mit genau diesen Methoden auch sicher bekämpfen kann, und das bedeutet eben die Nutzung dieser Methoden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Der Schutz der Gesellschaft vor Ganoven und Terroristen gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Staates. Die vorliegende Gesetzesmaterie trägt dem Rechnung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

22.04

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte in Erinnerung rufen, dass dieses Strafrechtspaket, das Sie heute hier diskutieren, vor dem Hintergrund der Terrorangriffe von New York und Washington am 11. September beschlossen wurde.

Wenn hier von Datenschutz gesprochen wurde, so möchte auch ich betonen: Sie werden von dieser Regierung, von diesem Ministerium und von diesem Bundesminister nicht erleben, dass der Datenschutz leichtfertig aufs Spiel gesetzt und eingeschränkt wird.

Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass wir im Bereich des Datenschutzes immer wieder zwischen dem Datenschutz selbst und anderen Grundrechten abwägen müssen. Es geht nämlich nicht an, dass wir den Datenschutz zum Täterschutz werden lassen. Wir müssen bedenken, dass wir immer achtsam sein müssen.

Auch müssen wir bedenken, dass es nun ein neues Terroristenbild gibt. Wir haben Terroristen vor uns, die sich eines weltweiten Netzwerkes bedienen, die darüber hinaus zum Selbstmord bereit sind und die glauben, dass sie durch ihre Tat, durch den Massenmord, in einem weiteren Leben belohnt werden. Deshalb müssen wir die Ausforschung der Täter in das Vorbereitungsstadium der Tat vorverlagern, und dazu benötigen wir Einrichtungen wie Lauschangriff, Rasterfahndung und auch andere Methoden. Das kann manchmal durchaus auf Kosten des Datenschutzes gehen, das sichert aber Leben, und das sichert unsere Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesrätin Johanna Auer das Wort. – Bitte.

22.06

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich festhalten, dass ich meinen Vorrednern in einigen beziehungsweise in den meisten Punkten zustimme und Wiederholungen vermeiden möchte.

Die Erhöhung der gemäß den genannten Gesetzesstellen zu erwartenden Strafen ist natürlich zu begrüßen. Auch ich halte das für angemessen. Die Strafe soll in Relation zur Tat stehen, wobei es sicher einige Ausnahmen geben wird, und auch diese Vorgangsweisen sind gesetzlich mustergültig verankert.

Im Wesentlichen möchte ich mich mit der Frage des Lauschangriffs und der Rasterfahndung auseinander setzen. – Wie Bundesrat Köberl möchte auch ich auf das Zitat in der Nationalratssitzung hinweisen und festhalten, dass auch ich den Lauschangriff und die Rasterfahndung für taugliche Mittel gegen das organisierte Verbrechen und im Kampf gegen die organisierte Kriminalität erachte. (Allgemeiner Beifall.)

Dass die organisierte Kriminalität grenzüberschreitend wirkt, ist unumstritten. Wir brauchen daher eine Exekutive, der alle nur tauglichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, derer wir habhaft werden können, und wir sind gefordert, alles zu tun und alles beizutragen, um eine der Bevölkerung zustehende Sicherheit zu gewährleisten.


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Uns Sozialdemokraten geht es aber auch um den Rechtsstaat und um die Grundrechte der Bürger. Die Sensibilität in der Frage ist schon seinerzeit bei der Einführung von Lauschangriff und Rasterfahndung – mitbeschlossen auch von der ÖVP und den Freiheitlichen – erkennbar gewesen, und die vierjährige Befristung war nur angemessen. Es gab lediglich sechs große Lauschangriffe. Eine Rasterfahndung ist nicht erfolgt. Und es kann nicht etwas fest verankert oder festgeschrieben werden, was noch keiner beziehungsweise keiner ausreichenden Überprüfung unterzogen wurde. Mit diesen Gegebenheiten muss sehr umsichtig und sensibel umgegangen werden.

Jetzt will die Regierung ein Gesetz beschließen, in welchem – wie schon gesagt – diese Einrichtungen fest verankert werden. Wir wollen diese Instrumente nicht zurücknehmen, fragen uns aber, ob es nicht viel wichtiger wäre, die Ausbildung der Exekutivkräfte sicherzustellen, als Lauschangriff und Rasterfahndung in den Dauerzustand zu übernehmen. Das wurde jedoch von Ihnen verhindert, indem Sie den Exekutivbeamtinnen und -beamten die Fachhochschulen vorenthalten haben, in deren Lehrplänen der Unterricht im Umgang mit diesen sensiblen Ermittlungsmethoden vorgesehen war. Die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Menschen und der Bevölkerung entscheiden sich nämlich im Alltag. Dort soll die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der organisierten Verbrechen Fuß fassen, und dort soll vorsichtig agiert werden.

Diesbezüglich wäre die Regierung gefordert. Aber sie hat nichts getan, außer alles der Sicherheit Dienende zuzusperren: Denken wir an die Gendarmerieposten, Wachzimmer und Bezirksgerichte! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) – Es stimmt.

Meine Damen und Herren! Wir sagen natürlich ja zum Lauschangriff und zur Rasterfahndung. Wir sind aber für die Befristung dieser beiden Instrumente. Sie wissen, dass Sie uns zu diesem Beschluss nicht brauchen, trotzdem lade ich Sie nochmals ein: Stimmen Sie einer Befristung dieser Maßnahmen zu! Überdenken wir das noch einmal, dann können auch wir dieses Gesetz mittragen! Ansonsten übernehmen Sie die Verantwortung. Diesbezüglich gibt es keinen Konsens. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

22.11

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Außerstreitgesetz, das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972 und das Wohnbauförde


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rungsgesetz 1984 geändert werden (Euro-Gerichtsgebühren-Novelle – EGN) (759 und 788/NR sowie 6482/BR der Beilagen)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird (Euro-Rechtsanwaltstarif-Novelle) und Anpassungen im Gerichtskommissionstarifgesetz und im Notariatstarifgesetz vorgenommen werden (760 und 789/NR sowie 6483/BR der Beilagen)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975, geändert wird (790/NR sowie 6484/BR der Beilagen)

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf die Insel Man (518 und 791/NR sowie 6485/BR der Beilagen)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts Brasiliens, Chiles, Georgiens, Islands, Maltas, Moldaus, Südafrikas und Zyperns zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (743 und 792/NR sowie 6486/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 24 bis 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

eine Euro-Gerichtsgebühren-Novelle,

ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird (Euro-Rechtsanwaltstarif-Novelle) und Anpassungen im Gerichtskommissionstarifgesetz und im Notariatstarifgesetz vorgenommen werden,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975, geändert wird,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf die Insel Man und

eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts Brasiliens, Chiles, Georgiens, Islands, Maltas, Moldaus, Südafrikas und Zyperns zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.

Die Berichterstattung über alle diese Punkte hat Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. – Bitte.


Bundesrat
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Berichterstatter Christoph Hagen:
Der Bericht des Justizausschusses über Tagesordnungspunkt 24 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Justizausschusses über Tagesordnungspunkt 25 liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Justizausschusses zu Tagesordnungspunkt 26 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht des Justizausschusses über Tagesordnungspunkt 27 liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich liegt Ihnen auch der Bericht des Justizausschusses über Tagesordnungspunkt 28 in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Marizzi. Ich erteile es ihm.

22.15

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident Schöls! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Euroumstellung und die Novelle zum Gerichtsgebührengesetz stellen keine wirklich tief greifende politische Problematik dar.

Ich glaube – und das soll man auch sagen –, dass in einigen Bereichen sehr positive Aspekte von Ihnen, Herr Bundesminister, und Ihrem Team erarbeitet worden sind. Es sind jedoch einige Dinge dabei, mit welchen wir nicht einverstanden sind, und das muss man uns als Opposition zugestehen. Ich möchte jetzt keinen Sermon in dem Sinn halten, dass wir uns immer wieder entschuldigen, wenn wir nicht mitstimmen. Das ist eben der Unterschied zwischen Opposition und Regierung, und als die FPÖ seinerzeit in Opposition war, hat sie auch bei gewissen Punkten nicht zugestimmt. Daher erlauben auch wir uns, wenn wir kleine Ungerechtigkeiten darin feststellen, nicht zuzustimmen.

Herr Bundesminister! Da ich jetzt zu einem Justizthema am Wort bin, möchte ich eine für mich persönlich wichtige Anmerkung machen. Sie als Justizminister – das ist keine Schmeichelei – haben sich mit den Banken angelegt, und Sie haben teilweise gewonnen, teilweise aber auch nicht gewonnen. Sie haben sich aber jedenfalls mit den Banken angelegt, und das war sehr mutig. Daher meine ich, dass Sie als Justizminister auch Konsumentenschutzminister sein sollten!

Ich weiche jetzt vielleicht ein wenig vom Thema ab. Ich nehme die Privatisierung der Telekom als Beispiel. Herr Bundesminister! In diesem Zusammenhang hat man gesagt, dass man Volks


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aktien ausgibt. In Wirklichkeit hat das Unternehmen jetzt einen halbierten Wert. Die Konsumenten wurden getäuscht durch das Wort "Volksaktie", weil sie gemeint haben, dass diese "Volksaktie" möglicherweise nicht so floaten wird wie andere. Vielleicht waren die Leute nicht aufgeklärt. Aber stellen Sie sich die umgekehrte Situation vor: Wenn die Sozialdemokraten an der Regierung wären, dann hätte Herr Haider aus Kärnten oder von wo auch immer ein Rambazamba aufgeführt, dass es sich abgespielt hätte!

Herr Bundesminister! Wenn Sie den Krieg mit den Banken aufgenommen haben, dann möchte ich Sie bitten, den Krieg auch mit gewissen Formen der Emission aufzunehmen, denn mit dem Begriff "Volksaktie" sind jetzt Konsumenten, Bürger und auch kleine Leute getäuscht worden. Ich bitte Sie, das zu überdenken und eine Gesetzesnovelle vorzubereiten, in der geregelt ist, dass es Werbeagenturen nicht möglich ist, Leute mit solchen Instrumenten hinters Licht zu führen.

Meine zweite Bitte: Vielleicht ist es einmal möglich – um jetzt wieder zu Ihren speziellen Bereich zurückzukehren –, Rechtsanwaltstarife und Rechtsanwaltsverordnungen betreffend die Tarife transparenter zu gestalten. Ich glaube, dass auch die Rechtsanwälte selbst nicht genau darüber Bescheid wissen. Kollege Ofner hat im Plenum darüber berichtet und als selbständiger Rechtsanwalt gesagt, dass er sich auch nicht genau auskennt. – Ich meine, dass es notwendig wäre – das wären wir den Österreicherinnen und Österreichern schuldig –, dass man, wenn man zu einem Rechtsanwalt geht, weiß, was ein Fall kosten wird. In Zeiten der EDV-mäßigen Vernetzung müsste es doch möglich sein, dass man weiß, was eine Scheidung beziehungsweise dies oder jenes kostet. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das geht nicht!)

Ich weiß schon, dass das die Rechtsanwälte nicht wollen, denn dann gäbe es unter Umständen eine Transparenz wie bei anderen Berufen. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. ) Herr Kollege! Ein Wirt muss auch dazu schreiben, dass ein Schnitzel 112 S kostet! Ich kann mir vorstellen, dass das auch bei einem Rechtsanwalt möglich ist.

Ich weiß, ich tue Ihnen jetzt weh, aber trotzdem stimmen wir diesem Gesetz nicht zu. Ich hoffe, dass der Herr Justizminister jetzt von mir eine kleine Anregung bekommen hat. – Danke schön, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

22.19

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

22.19

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Nachdem Sie mich so direkt und so oft angesprochen haben, kann ich jetzt natürlich nicht schweigen.

Herr Bundesrat! Selbstverständlich habe ich jetzt Anregungen bekommen, und ich gebe sie auch zurück. – Zuerst zur Schnitzelanregung: Die Verrechnung der Leistungen von Notaren, Rechtsanwälten oder ähnlicher Berufsgruppen besteht nicht darin, dass man ein Schnitzel verkauft und anschreibt, wie viel es kostet. Bei der tarifmäßigen Verrechnung der genannten Leistungen geht es nicht um die Unübersichtlichkeit des Tarifes, sondern um die Undefinierbarkeit der Leistung im Voraus.

Wenn Sie heute in eine Anwaltskanzlei gehen und dem Anwalt die Klage Ihres Gegners übergeben, dann kann der Anwalt keinen genauen Kostenvoranschlag machen, indem er sagt: Wir werden drei Verhandlungen, aber keine Berufung brauchen und so und so viel an Sachverständigengebühren aufwenden. Das ist nicht möglich! Es können nur die Leistungen an sich übersichtlich gestaltet werden, und darum bemühen wir uns sehr. Ich bin ganz auf Ihrer Seite, wenn Sie sagen, dass der Konsument wissen muss, wie viel ihn etwas kosten wird. Diesfalls kann sich ein Mandant nur helfen, indem er möglichst viele Zwischenabrechnungen verlangt. (Bundesrat Marizzi: Und was ist mit einer Daumenpeilung von – bis?) Das geht eben nicht. Wir können das einmal besprechen: Das liegt an der Undefinierbarkeit der Leistung im Voraus!


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Was den Konsumentenschutz anlangt, bitte ich Sie, zu meinem Mitstreiter zu werden!

Es war nicht mutig von mir, die Banken ein wenig zu bekämpfen beziehungsweise zu fragen, ob sie die bei den Krediten in Milliardenhöhe zu viel einbehaltenen Zinsen wieder zurückzahlen könnten, sondern es war dies eine Selbstverständlichkeit, weil ich damit einen gesetzlichen Auftrag vollziehe. Das sage ich Ihnen ganz offen.

Ich bitte Sie, im Rahmen Ihrer Konsumentenschutzgesinnung Folgendes zu bedenken: Wir müssen zu einer genauen Aufgabenteilung und zu einer Zusammenarbeit kommen. Und das ist schwer, wenn der Abteilungsleiter für Konsumentenschutz in der Arbeiterkammer gleichzeitig Obmann des VKI wird. Wo bleibt denn bei dieser Interessenkollision der getrennte Konsumentenschutz? – Erklären Sie mir das!

Es ist schwer, wenn die vier Sozialpartner einander im VKI blockieren, wenn es darum geht, von den Banken das Geld zurückzuverlangen. Mein Ziel ist es, mit Hilfe des VKI Konsumentenschutz für ganz Österreich, für alle Konsumenten, auch für die Senioren, flächendeckend zu betreiben. Ich bin mit den Senioren bereits im Gespräch, dass sie sich dem VKI anschließen. Es ist dies eine Bevölkerungsgruppe von 2 Millionen Personen mit einer Kaufkraft von 400 Milliarden Schilling. Mit dieser Gruppe werden wir zusammenarbeiten, um in Zukunft gemeinsam und flächendeckend Konsumentenschutz für ganz Österreich und für alle Österreicher zu betreiben, und zwar unabhängig von parteipolitischem Denken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.22

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. Ich erteile es ihm.

22.22

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es war bisher herein wesentlicher Grundsatz der Regierungspolitik und der Bundesgesetzgebung, bei der Umstellung auf den Euro finanzielle Belastungen zu vermeiden. Das wurde bisher durchgehend berücksichtigt und hat auch die Landtage dazu veranlasst, einem entsprechenden Ersuchen der Bundesregierung Rechnung zu tragen.

Mit der Euro-Gerichtsgebühren-Novelle wird von diesem Grundsatz nun in zweifacher Hinsicht abgewichen.

Zunächst werden die bisherigen persönlichen und sachlichen Gerichts- und Justizverwaltungsgebührenbefreiungen weitgehend abgeschafft. Das führt zu erheblichen finanziellen und auch administrativen Belastungen für die Länder und Gemeinden. Diese haben im Begutachtungsverfahren dagegen vergeblich protestiert und teilweise sogar ausdrücklich Verhandlungen nach § 7 des Finanzausgleichsgesetzes verlangt, zu deren Aufnahme der Bund eigentlich von sich aus verpflichtet gewesen wäre. Allerdings ist mir nicht bekannt geworden, dass solche Verhandlungen tatsächlich substanziell stattgefunden hätten.

In einem weiteren Punkt kommt es zu unmittelbaren finanziellen Belastungen für die Bürger, zumindest für eine bestimmte Personengruppe, und zwar durch eine Verschärfung der Befreiungsbestimmungen für geförderten Wohnbau, die erst nach dem Begutachtungsverfahren in die Regierungsvorlage eingefügt wurde. Es ist dies eine offenkundige Reaktion darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof in einzelnen Verfahren die Aberkennung der Gebührenbefreiung auf Grund der Nutzflächenberechnung der Gerichte in diesen konkreten Fällen als rechtswidrig erkannt hat. Nun wird sozusagen ein fünfjähriger Beobachtungszeitraum eingeführt, und wenn sich die Befreiungstatbestände während dieser fünf Jahre ändern, fällt auch nachträglich Gebührenzahlung an.

Allerdings gibt es hier eine Ungleichbehandlung zwischen Staat und Bürger: Wenn die Befreiungstatbestände nachträglich wegfallen, geht der Bürger der Befreiung verlustig. Treten hingegen Befreiungstatbestände nachträglich während der fünf Jahre ein, tritt die Gebührenbefreiung


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nicht ein, sondern es bleibt, entsprechend der bisherigen Rechtslage. dabei, dass der Stichtag maßgeblich war und eine Gebührenbefreiung nicht wirksam werden konnte.

Mit dieser Änderung wird auch dem Anliegen der Länder nach einer Koppelung der Gerichtsgebührenbefreiung mit der Wohnbauförderung geradezu entgegengewirkt. Diese Frage hat in Vorarlberg durch die nachträgliche Vorschreibung erheblicher Gerichtsgebühren für die Errichtung geförderten Wohnbaus besondere Aufmerksamkeit gefunden, und wir haben dazu bereits im Frühjahr einen bislang noch nicht behandelten Gesetzesantrag eingebracht. Das Anliegen ist aber auch über Vorarlberg hinaus von einer einheitlichen Stellungnahme der Länder zu Handen des Bundes getragen, und ich verweise auch darauf, dass beispielsweise auch der Salzburger und der Oberösterreichische Landtag mit Entschließungen ausdrücklich eine solche Änderung gefordert hatten.

Andererseits steht die nun vorgesehene Regelung nach unserer Auffassung nicht geradezu in einem Widerspruch, aber doch in einem noch zu klärenden Spannungsverhältnis zu der 1989 getroffenen 15a-Vereinbarung, wonach geförderte Objekte von den Gerichtsgebühren befreit sind, wenn das förderungsfähige Ausmaß der Nutzfläche der bis zum Ablauf des Jahresendes 1987 geltenden bundesgesetzlichen Regelung nicht überschritten wird. Eine einschränkende Regelung, wie sie im vorliegenden Gesetzesbeschluss nun eingefügt ist, war damals jedenfalls nicht Inhalt der Bundesrechtsordnung, und es wäre meines Erachtens im Dialog mit den Ländern zu klären, ob die 15a-Vereinbarung in diesem Fall eingehalten ist.

Aus all diesen Gründen wäre es daher – ich vertrete jetzt ausdrücklich nur den Vorarlberger Standpunkt – angebracht, wenn der Gesetzesbeschluss vom Nationalrat von diesen zwei Belastungspunkten befreit werden könnte. Man sollte sich entsprechend dem Beispiel der anderen Ressorts auf die bloße Umstellung der Gerichtsgebühren auf den Euro beschränken und auf Belastungen der anderen Gebietskörperschaften und der Errichtung geförderter Wohnungen verzichten. – Das wäre ein Anliegen, das wir mit auf den Weg geben möchten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

22.27

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs. Ich erteile es ihm.

22.27

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich geht es bei diesen Gesetzesänderungen im Wesentlichen um die Euroanpassung, um die Anpassung der Schillingbeträge im Gerichtsgebührengesetz, im Bereich des Rechtsanwalttarifes, des Notariatstarifes, des Gerichtskommissionstarifes und bei den Tarifen für Dolmetscher und Sachverständige auf Euro.

Man sollte meinen, dass das kein besonders ideologieträchtiges Thema ist, wenn man jedoch die Debatte im Stenographischen Protokoll des Nationalrates nachliest, dann ist man doch vielleicht wieder anderer Meinung. Nachdem Vizepräsident Weiss in seiner Darstellung soeben wirklich rechtliche Fachkundigkeit dokumentiert hat, erspare ich mir einiges.

Gestatten Sie mir, dass ich statt dessen die unterschiedlichen Meinungen der einzelnen Abgeordneten zum Nationalrat stichwortartig wiedergebe: Abgeordneter Mag. Maier von der SPÖ setzte sich kritisch mit der Novelle auseinander. Er übte Kritik an einzelnen Gebührenerhöhungen. So wurden zum Beispiel seiner Meinung nach teilweise die Rundungsregelungen nicht eingehalten, weshalb er sich sogar dazu durchgerungen hat, einen Entschließungsantrag betreffend Einbringung eines Berichtes über die Euroumstellung in den Bundesländern einzubringen.

Abgeordneter Donabauer von der Österreichischen Volkspartei erläuterte die Intentionen der vorliegenden Materien und vertrat die Ansicht, dass sicherlich mit dieser Novelle einiges wesentlich vereinfacht werden würde.


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Abgeordnete Anni Huber von der SPÖ, die übrigens aus meinem Bezirk kommt, kritisierte, dass es keine Gebührenbefreiung gäbe, wenn darauf in der Urteilsbegründung kein Hinweis zu finden ist. Dies sei eine Schikane, meinte sie, die von den Sozialdemokraten abgelehnt werde.

Abgeordneter Dr. Ofner von den Freiheitlichen stellte grundsätzliche Überlegungen an den Beginn seines Debattenbeitrages und wies darauf hin, dass es die österreichische Justiz gewesen sei, die europaweit der technischen Datenverarbeitung Vorschub geleistet habe, wobei immer gewisse Schwellen zu überschreiten gewesen seien, und das auch, wie Ihnen auf Grund der Vorlage bekannt ist, in diesen Novellen enthalten ist.

Herr Bundesminister Böhmdorfer stellte in der Nationalratssitzung fest und in einer kurzen Wortmeldung klar, dass es keine Gebührenerhöhungen gebe, sondern man lediglich einige Gebührenbefreiungen in den Ländern abschaffe.

Abgeordnete Mag. Stoisits von den Grünen stellte die Frage, warum es sich die Justiz nicht leisten könne, überall Bankomatkassen einzuführen.

Sie sehen also, den Debatten war fast kein Ende zu setzen. Aber alles dreht sich anscheinend um den Euro. Trotz der fortgeschrittenen Stunde möchte ich Ihnen jetzt noch ein paar Gedanken zum Euro, dieser teilweise recht trockenen Materie, darbringen. Ich habe nämlich einen Titel gesehen, der sehr erfolgversprechend geklungen hat, und habe ich mich darüber weiter schlau gemacht – ein arbeitsreicher, anstrengender und kostspieliger Herbst, man könnte schon fast sagen: Winter.

Wegen der bevorstehenden Euro-Bargeldeinführung wächst Europa wieder ein Stück zusammen, so sagt man. Vom Nordkap bis Sizilien zahlen wir ab 1. 1. 2002 nur noch mit dem Euro. Das wird sicherlich interessant werden. Aber noch interessanter ist, wie viel Aufhebens man wegen des neuen Geldes macht. Manchmal habe ich direkt den Eindruck, als würde wegen des neuen Geldes eine neue Zeitrechnung beginnen. Alles muss umgestellt – das ist auch für diese Gesetze passend – und an die Erfordernisse des neuen Geldes angepasst werden: Automatenkassen, EDV-Verträge, Kredite, Sparguthaben, Wertpapiere und Wertlos-Papiere, alle Preise und Löhne, alle Transferzahlungen. Besonders wichtig ist die Information, zum Beispiel darüber, wie man auf- oder abrunden darf – dazu gab es auch eine Debatte im Nationalrat –, ob man glätten muss oder gar "zerwuzelt" ins neue Zeitalter eintritt.

Jedes Unternehmen muss dem Kunden mitteilen, dass es ab 1. Jänner 2002 alles nur noch in Euro gibt. Der Finanzminister lässt schon seit Monaten alle wissen, dass das neue Geld diese und jene Auswirkungen haben wird. Da gibt es sogar große Leuchtschriftanzeigen auf öffentlichen Straßen, die in Monaten, Tagen, Stunden und Minuten anzeigen, wie lange es noch dauert, bis der Schilling endlich passé ist. In Klammer steht dann: "Wer zahlt das eigentlich alles?"

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das sollte uns – mit und ohne Gesetzesnovellen – zum Nachdenken anregen. Nach so viel an Informationen und Tamtam möchte ich nur noch wissen, ob auch Sprichwörter zeitgerecht zum 1. Jänner 2002 umgestellt werden oder ob das zwei Monate später auch noch gehen wird. Jedenfalls ist es unmöglich, zu behaupten: Wer den Schilling nicht ehrt, ist den Groschen nicht wert. (Bundesrat Marizzi: Ist den Euro nicht wert!) Erstens: Warum sollte man etwas ehren, was ohnedies in Kürze verjagt wird? Zweitens fehlt da gänzlich der Bezug zum vollen und wirklichen Leben.

Meine Damen und Herren! So viel zwischendurch als kleine Auflockerung zum Euro, weil ja heuer in diesem Zusammenhang sehr viele Gesetze zu novellieren waren, und wir dadurch einige Stunden mehr in diesem Hause verbracht haben.

Abschließend möchte ich wieder auf diese Novellen zurückkommen und darauf hinweisen, dass damit sicherlich auch einige Vereinfachungen verbunden sind und dass einiges überschaubarer gemacht wird, indem nicht mehr ganz zeitgemäße Ausnahmen in großer Zahl gestrichen werden und wirklich die wesentlichen, sicher notwendigen und sachlich berechtigten Ausnahmen berücksichtigt werden.


Bundesrat
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Meine Fraktion wird diesen Novellen daher gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.33

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Giesinger. Ich erteile ihr dieses.

22.33

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Zur Euro-Gerichtsgebühren-Novelle möchte ich noch kurz Folgendes sagen.

Artikel 12 § 53 Abs. 4 und § 60 Abs. 13, die das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gerichtsgebührenbefreiung nach dem Wohnbauförderungsgesetz beinhalten, bedeuten eine Verwaltungsverschärfung und keine Verwaltungsvereinfachung. Dies hat auch das Land Vorarlberg in seiner Stellungnahme ausführlich erläutert.

Ich werde daher diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

22.34

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend die Euro-Gerichtsgebühren-Novelle – EGN.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Einführung des Euro das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert wird (Euro-Rechtsanwaltstarif-Novelle) sowie Anpassungen im Gerichtskommissionstarifgesetz und im Notariatstarifgesetz vorgenommen werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975, geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
681. Sitzung / Seite 181

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf die Insel Man.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts Brasiliens, Chiles, Georgiens, Islands, Maltas, Moldaus, Südafrikas und Zyperns zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Oktober 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen erlassen wird und das Telekommunikationsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden (483 und 795/NR sowie 6487/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zum 29. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen erlassen wird und das Telekommunikationsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich – mit Ihrem Einverständnis – auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten und mich auf die Antragstellung beschränken darf.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. Ich erteile ihm dieses.

22.38

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Als wahrscheinlich letzter Redner der heutigen Bundesratssitzung möchte ich einiges in meinem Konzept kürzen und darauf achten, dass ich Ihnen zu einer baldigen Heimreise verhelfen kann. Wir haben über ein Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen zu beraten. Dieses Gesetz enthält drei Punkte. Ich möchte der Wichtigkeit halber nur den ersten Abschnitt behandeln.


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 182

Dieses Gesetz hat lediglich die nationale Umsetzung von EU-Richtlinien zum Gegenstand. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Abschaffung von Zulassungen, die Erleichterung der Konformitätsbewertung, die Erleichterung des In-Verkehr-Bringens und die Miteinbeziehung von Funkanlagen mit wenigen Ausnahmen.

Zu den Zulassungserleichterungen möchte ich bemerken: Früher hat es in Österreich etwa vier Telefonfabriken von Bedeutung gegeben, die im Einvernehmen mit der Post Zulassungen für ihre Produkte bekommen konnten. Andere Produkte konnte der österreichische Kunde nicht kaufen. Wenn jetzt eine Internationalisierung stattfindet, so ist das zweifelsohne ein Vorteil für den Konsumenten. Wir alle erinnern uns noch zum Beispiel an die Telefonapparate aus Italien, die schön in Marmor gefertigt waren; viele haben sie mitgenommen, die Post durfte davon eigentlich nichts wissen. Durch die Internationalisierung, nicht nur durch die Technologie allein, sind zum Beispiel die Preise von Tischapparaten auf ein Zehntel gesunken.

Zur Konformitätsbewertung: Hiermit wird nicht nur die internationale gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertung erreicht, sondern es wird auch die Selbst-Kennzeichnungspflicht der Produzenten gefordert. Mit dieser Selbst-Kennzeichnungspflicht sind die Produzenten angehalten, einen Stand der Technik zu garantieren – verbunden mit einem vorgeschriebenen Qualitätssicherheitssystem.

Die Kennzeichnungspflicht wird durch das so genannte CE-Zeichen garantiert: Einerseits wird garantiert, dass dem Kunden ein einwandfreies Produkt übergeben wird, und andererseits wacht über die Einhaltung der Qualität der vom Produzenten selbst gekennzeichneten Produkte die jeweilige Konkurrenz besser, als eine staatliche Zulassungsbehörde das je gekonnt hatte.

Meine Damen und Herren! Schon diese beiden Änderungen mögen den großen Vorteil für den österreichischen Konsumenten aufzeigen.

Nun zur Kritik, die insbesondere von der Opposition immer wieder vorgebracht worden ist, wenngleich auch nicht heute; aber sie ist bekannt. Diese Kritik richtet sich in erster Linie gegen die Aufstellung der Sendemasten. Ich kenne eifrige Handtelefon-Benutzer, die gegen die Aufstellung solcher Masten Sturm gelaufen sind. Aber es gibt auch viele Bürger, die wirklich Angst vor elektromagnetischen Strahlen haben. Da nützt es oft wenig, Gutachten beizubringen, die irrationale Ängste nicht beseitigen können. Helfen kann da in den meisten Fällen nur eine Vermeidung von Angst- und Panikmache.

Wie weit elektromagnetische Wellen schädlich auf unseren Organismus wirken, ist durch seriöse wissenschaftliche Untersuchungen nicht belegt worden. Dass man mit einer einfachen Spule Radiowellen einfangen und mit dieser eingefangenen Energie sein Haus beleuchten kann, wissen naturwissenschaftlich Interessierte, ohne dass sie Angst vor elektromagnetischen Wellen schüren. Anders agieren aber Fernsehsendungen, die völlig verängstigte Menschen zeigen und diese Menschen noch mehr verunsichern, ohne dass ihnen dadurch irgendwie geholfen werden kann.

Im Zusammenhang mit den Sendemasten ist die Angst vielfach greifbar geworden. Es ist auch wirklich nicht notwendig, dass Masten unterschiedlicher Anbieter und Betreiber oft in Sichtweite voneinander aufgestellt werden.

Durch das "Handy" ist aber erstmals in Österreich eine fast vollständige telefonische Flächenversorgung möglich geworden, und zwar flächendeckend im besten Sinn des Wortes, da das "Handy" ja ein Mobiltelefon ist, wie es im Englischen auch richtig benannt wird. Dort gibt es nicht wie bei uns den pseudoenglischen Namen "Handy". Diesen könnte weder ein Engländer noch ein Amerikaner dem Objekt Handtelefon zuordnen.

Die Vorteile sprechen eindeutig für die Annahme des Gesetzes. Daher wird ihm meine Fraktion auch die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.43

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


Bundesrat
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681. Sitzung / Seite 183

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen, 1874/J bis 1882/J, eingebracht wurden.

Weiters gebe ich bekannt, dass der Entschließungsantrag 128/A(E)-BR/01 der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen betreffend Einrichtung eines Konvents für den Post-Nizza-Prozess eingebracht wurde.

Ich weise diesen Antrag dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zu.

Eingebracht wurde auch der Entschließungsantrag 129/A(E)-BR/01 der Bundesräte Mag. Melitta Trunk und Kollegen betreffend Maßnahmen zum Abbau der Diskriminierung von Frauen durch ungleiche Entlohnung im Verhältnis zu Männern – Umsetzung der Schlussfolgerungen des Netzwerks der Gleichbehandlungsausschüsse der Parlamente der Europäischen Union, des Europäischen Parlaments sowie der Parlamente der Beitrittswerber zur EU.

Diesen Antrag weise ich dem Ausschuss für Frauenangelegenheiten zur Vorberatung zu.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 6. Dezember 2001, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 4. Dezember 2001, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.46 Uhr