Stenographisches Protokoll

693. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 30. Jänner 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

693. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 30. Jänner 2003


Dauer der Sitzung

Donnerstag, 30. Jänner 2003: 9.01 – 13.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbe­diensteten­gesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Richterdienstgesetz und das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert werden (Besoldungs-Novelle 2003)

2. Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werb­liche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003)

3. Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

4. Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Stän­digen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 F-VG 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner und des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Nachwahlen von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat         ............................................................................................................... 5

Angelobung der Bundesräte Christine Fröhlich, Dr. Elisabeth Hlavac, Mag. Michael Ikrath, Helmut Kritzinger und Günther Molzbichler ................................................................. 7

Antrittsansprache des Präsidenten Herwig Hösele ............................................ 8

Erklärung der Frau Landeshauptmann von Steiermark Waltraud Klasnic                     13

Verlangen auf Durchführung einer Debatte ....................................................... 13

Debatte:

Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................... 19

Theodor Binna .......................................................................................... 20


Bundesrat
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Engelbert Weilharter ................................................................................. 22

Stefan Schennach ..................................................................................... 24

Albrecht Konecny ..................................................................................... 27

Mag. John Gudenus ................................................................................. 30

Jürgen Weiss ............................................................................................ 31

Landeshauptmann Waltraud Klasnic ......................................................... 35

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Entschließung des Herrn Bundes­präsidenten über die Neufestsetzung der Zahl der Mitglieder aus Anlass der ordentlichen Volkszählung vom 15. Mai 2001             ............................................................................................................. 36

Personalien

Krankmeldungen ............................................................................................... 5

Entschuldigungen ............................................................................................. 5

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................... 38

Wahlen in Institutionen

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates               62

Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bun­des­rates im Sinne des § 9 F-VG 1948              62

Ausschüsse

Zuweisungen ................................................................................................... 38

Verhandlungen

(1) Beschluss des Nationalrates vom 23. Januar 2003 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbe­diensteten­gesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Richterdienst­ge­setz und das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert werden (Besol­dungs-Novelle 2003) (6/A und 3/NR sowie 6765 und 6766/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler ................................................................... 38

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Uta Barbara Pühringer .............................................................................. 39

Alfredo Rosenmaier .................................................................................. 40

Christoph Hagen ....................................................................................... 41

Bundesministerin Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer ........................ 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 48

(2) Beschluss des Nationalrates vom 23. Januar 2003 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werb­liche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversiche­rungs­gesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003) (10/A und 4/NR sowie 6767/BR d. B.)


Bundesrat
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Berichterstatter: Günther Kaltenbacher ........................................................... 48

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Paul Fasching ........................................................................................... 48

Harald Reisenberger ................................................................................. 49

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................. 52

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck .......................................................... 55

Franz Wolfinger ........................................................................................ 56

Roswitha Bachner ..................................................................................... 58

Ing. Gerd Klamt ........................................................................................ 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 61

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Fi­nan­zen betreffend Übergang der Steuerschuld in der Bauwirtschaft auf Grund des 2. Abgabenänderungsgesetzes 2002 (2046/J-BR/02)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend steuer­liche Geltendmachung sozialer Spenden (2047/J-BR/02)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit be­treffend Änderung des Ökostromgesetzes (2048/J-BR/02)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Ölunfall auf der Donau am 29. 11. 2002 (2049/J-BR/03)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Unfall beim Kraftwerk Freudenau am 22. 10. 1996 (2050/J-BR/03)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1857/AB-BR/02 zu 2024/J-BR/02)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1858/AB-BR/02 zu 2025/J-BR/02)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1859/AB-BR/02 zu 2028/J-BR/02)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1860/AB-BR/02 zu 2023/J-BR/02)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1861/AB-BR/02 zu 2033/J-BR/02)


Bundesrat
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des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny  und Kolle­gInnen (1862/AB-BR/02 zu 2026/J-BR/02)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kolle­gInnen (1863/AB-BR/02 zu 2027/J-BR/02)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1864/AB-BR/02 zu 2035/J-BR/02)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1865/AB-BR/03 zu 2037/J-BR/02)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1866/AB-BR/03 zu 2038/J-BR/02)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1867/AB-BR/03 zu 2040/J-BR/02)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1868/AB-BR/03 zu 2034/J-BR/02)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1869/AB-BR/03 zu 2036/J-BR/02)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1870/AB-BR/03 zu 2030/J-BR/02)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kolle­gInnen (1871/AB-BR/03 zu 2029/J-BR/02)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bun­desräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1872/AB-BR/03 zu 2039/J-BR/02)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bun­desräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1873/AB-BR/03 zu 2032/J-BR/02)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bun­desräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1874/AB-BR/03 zu 2041/J-BR/02)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kolle­gInnen (1875/AB-BR/03 zu 2042/J-BR/02)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1876/AB-BR/03 zu 2043/J-BR/02)


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr


Präsident Herwig Hösele: Ich eröffne die 693. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 692. Sitzung des Bundesrates vom 17. Dezember 2002 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz, Johann Kraml, Anna Schlaffer und Ernst Winter.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Ulrike Haunschmid, Mag. Harald Himmer, Gottfried Kneifel, Johanna Schicker und Mag. Gerhard Tusek.

Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Herwig Hösele: Eingelangt sind Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner und des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Nach­wahlen von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat. Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.


Schriftführerin Ilse Giesinger:

„Erster Präsident des Kärntner Landtages DI Jörg Freunschlag

An den Präsidenten des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Die Abgeordnete zum Bundesrat für das Land Kärnten Mag. Melitta Trunk hat auf die weitere Ausübung ihres Mandates zum Bundesrat mit Ablauf des 19. Dezember 2002, spätestens aber mit dem Zeitpunkt des Einlangens des Wahlscheines in der Parlamentsdirektion, verzichtet.

Ich ersuche um gefällige Kenntnisnahme.

Hochachtungsvoll“

Weiters das Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages Johann Hatzl an den Präsidenten des Bundesrates:

„Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher mit Ablauf des 18. Dezember 2002 auf sein Bundesratsmandat verzichtet hat. Das nachrückende Ersatzmit­glied Frau Landtagsabgeordnete Martina Ludwig verzichtet mit Ablauf des 21. Dezember 2002 auf ihr Bundesratsmandat.

Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier hat mit Ablauf des 19. Dezember auf sein Bundes­ratsmandat verzichtet.“

Ich bringe nun ein weiteres Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages Johann Hatzl an den Präsidenten des Bundesrates Herwig Hösele zur Verlesung:

„Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrats

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das Mitglied des Bundesrats Mag. Dietmar Hoscher hat mit seiner Wahl in den Nationalrat mit Wir­kung vom 18. Dezember 2002 sein an sechster Stelle gereihtes Mandat im Bundesrat zu­rück­gelegt. Das Ersatzmitglied, Frau Abgeordnete Martina Ludwig, ist auf diese Stelle nachge-


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rückt und hat mit Wirkung vom 21. Dezember 2002 auf ihr Mandat als Mitglied des Bundesrats verzichtet.

Auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats wurde in der Sitzung des Wiener Landtags vom 17. Jänner 2003 Frau Dr. Elisabeth Hlavac zu einem Mitglied des Bundesrats und Frau Abgeordnete Martina Ludwig zum Ersatzmitglied ge­wählt.

Das Mitglied des Bundesrats Dr. Ferdinand Maier hat mit seiner Wahl in den Nationalrat mit Wir­kung vom 19. Dezember 2002 sein an 11. Stelle gereihtes Mandat im Bundesrat zurück­gelegt. Das Ersatzmitglied, Frau Stadträtin Dipl.-Ing. Dr. Herlinde Rothauer, ist auf diese Stelle nach­gerückt und hat mit Wirkung vom 16. Jänner 2003 auf ihr Mandat als Mitglied des Bundes­rats verzichtet.

Auf Vorschlag des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien wurde in der Sitzung des Wiener Landtags vom 17. Jänner 2003 Herr Mag. Michael Ikrath zu einem Mitglied des Bundesrats und Herr Dr. Franz Eduard Kühnel zum Ersatzmitglied gewählt.

In der selben Sitzung wurde Frau Dr. Elisabeth Hlavac an die 6. Stelle und Herr Mag. Michael Ikrath an die 11. Stelle der Liste der Mitglieder des Bundesrats gereiht und Frau Abgeordnete Martina Ludwig an die 6. Stelle und Herr Dr. Franz Eduard Kühnel an die 11. Stelle der Ersatz­mitglieder des Bundesrats gereiht.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl“

„Wiener Bundesräte, Stand 17. Jänner 2003

1. Stelle: Anna Elisabeth Haselbach

Ersatz: Erika Stubenvoll

2. Stelle: Albrecht Karl Konecny

Ersatz: Heinz Vettermann

3. Stelle: Univ. Prof. Dr. Peter Böhm

Ersatz: Mag. Michael Tscharnutter

4. Stelle: Roswitha Bachner

Ersatz: Fritz Strobl

5. Stelle: Mag. Harry Himmer

Ersatz: Ing. Michael Chapo

6. Stelle: Dr. Elisabeth Hlavac

Ersatz: Martina Ludwig

7. Stelle: Stefan Schennach

Ersatz: Jutta Sander

8. Stelle: Mag. John Gudenus

Ersatz: Gerold Saßmann


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9. Stelle: Harald Reisenberger

Ersatz: Sandra Frauenberger

10. Stelle: Reinhard Todt

Ersatz: Martina Malyar

11. Stelle: Mag. Michael Ikrath

Ersatz: Dr. Franz Eduard Kühnel

Auf die Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats entfallen die 1., 2., 4., 6., 9. und 10. Stelle.

Auf den Klub der Wiener Freiheitlichen entfallen die 3. und 8. Stelle.

Auf den ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien entfallen die 5. und 11. Stelle.

Auf den Grünen Klub im Rathaus entfällt die 7. Stelle.“


Präsident Herwig Hösele: Ich danke der Schriftführung für die umfangreiche Berichterstattung.

Das Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages über die Mandatsverzichte und Nach­wahlen wurde bereits in der letzten Sitzung des Bundesrates verlesen.

Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Wor­ten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namens­aufruf.


Schriftführerin Ilse Giesinger: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Öster­reich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Christine Fröhlich.


Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Ich gelobe.


Schriftführerin Ilse Giesinger: Dr. Elisabeth Hlavac.

 


Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Ich gelobe.


Schriftführerin Ilse Giesinger: Mag. Michael Ikrath.

 


Bundesrat Mag. Michael Ikrath (ÖVP, Wien): Ich gelobe.


Schriftführerin Ilse Giesinger: Helmut Kritzinger.

 


Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Ich gelobe.


Schriftführerin Ilse Giesinger: Günther Molzbichler.



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Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Ich gelobe.


Präsident Herwig Hösele: Ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Antrittsansprache des Präsidenten

9.10


Präsident Herwig Hösele: Meine verehrten Damen und Herren! Es war eine große Freude, dass ich als sozusagen erste Amtshandlung fünf neue Bundesräte angeloben durfte. Ich kann mich noch genau erinnern, in welch großer innerer Bewegung ich war, als ich hier in diesem Hause angelobt wurde. Ähnlich geht es mir heute, da ich die Ehre habe, zu Ihnen als Präsident einige Sätze – es werden mehrere Sätze sein, ich bitte um Verständnis dafür – sprechen zu dürfen.

Da im ersten Halbjahr 2003 wieder die Steiermark an der Reihe ist, in den föderalen Institu­tionen unserer Republik den Vorsitz zu führen, ist es mir eine besondere Ehre und Freude, zu Beginn meiner Antrittserklärung als Präsident des Bundesrates auch unsere Gäste sehr herzlich begrüßen zu dürfen.

Mit besonderer Herzlichkeit begrüße ich den Präsidenten des Nationalrates der Republik Öster­reich Universitätsprofessor Dr. Andreas Khol. (Allgemeiner Beifall.)

Lieber Präsident Khol! Deine Anwesenheit ist eine besondere Geste der Wertschätzung, die der Bundesrat durch den Nationalratspräsidenten genießt, und ist der Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung der beiden Kammern des österreichischen Parlaments. Ich bin dankbar dafür, dass ein überzeugter Föderalist, renommierter Verfassungsrechtler und hochkarätiger Politiker österreichischer Nationalratspräsident ist.

Ich begrüße in großer Dankbarkeit und Verbundenheit den Landeshauptmann der Steiermark Waltraud Klasnic. (Allgemeiner Beifall.)

Ohne sie würde ich in dieser Aufgabe nicht vor Ihnen stehen können. Die Frau Landeshaupt­mann weist uns Steirerinnen und Steirern und darüber hinaus auch in der Republik den Weg in das 21. Jahrhundert mit einem ganz eigenen neuen Stil.

Sehr herzlich begrüße ich Bundesminister Dr. Martin Bartenstein, der mit mir die Schulbank ge­drückt und maturiert hat. (Allgemeiner Beifall.)

Seitens der Bundesregierung darf ich auch Herrn Staatssekretär Waneck sehr herzlich be­grüßen, der uns gestern Abend schon die Ehre gegeben hat. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße die Inkarnation des Bundesrates der letzten Jahrzehnte, Herrn Professor Präsident Herbert Schambeck. (Allgemeiner Beifall.)

Meinen unmittelbaren Amtsvorgänger als Bundesratspräsident aus der Steiermark Alfred Gerstl mit seiner Frau, der sich in väterlich-rührender Weise um mich angenommen hat, begrüße ich ebenfalls herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

In landsmannschaftlicher Verbundenheit begrüße ich die vielen prominenten Steirerinnen und Steirer, die mir und der Frau Landeshauptmann heute die Ehre geben und uns unterstützen: Herrn Landtagspräsidenten Reinhold Purr (allgemeiner Beifall), Herrn Landesrat Hermann Schützen­höfer, dem ich seit über 30 Jahren politisch und freundschaftlich eng verbunden bin und der sich schon meine Jungfernrede hier angehört hat (allgemeiner Beifall), meinen persön­lichen Freund Landtagsklubobmann Dr. Reinhold Lopatka (allgemeiner Beifall) und – für die Spitzen­beamtenschaft des Landes – Herrn Landesamtsdirektor Hofrat Universitätsprofessor Dr. Gerhart Wielinger (allgemeiner Beifall) und Landtagsdirektor Dr. Anderwald (allgemeiner Beifall).


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Ich begrüße die vielen Freunde aus der Publizistik, mit denen wir in einem freundschaftlich-kritischen, intensiven und doch immer fruchtbaren Dialog stehen, angeführt vom Präsidenten des Zeitungsverbandes Mag. Franz Ivan, seinem langjährigen Vorgänger Kommerzialrat Julius Kainz und dem Generalsekretär des Verbandes Dr. Walter Schaffelhofer. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße namentlich einen Mann, der für ein österreichisches Programm steht, nicht nur seiner Mutter wegen, sondern vor allem wegen seiner großen Verdienste um die Republik Öster­reich: Fritz Molden. (Allgemeiner Beifall.)

Gestatten Sie mir, die Begrüßungsliste abschließend, noch zwei Präsidenten anzusprechen, denen ich für meine persönliche Entwicklung sehr viel zu danken habe: Dr. Bernd Schilcher (allge­meiner Beifall) und den Vater der renovierten Grazer Oper, den langjährigen Landtags­abge­ordneten und Präsidenten Dr. Friedrich Pfohl. (Allgemeiner Beifall.)

Dass Herr Parlamentsdirektor Dr. Posch auch heute unter uns ist, ehrt uns ebenfalls. Ich danke vielmals. (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen. Es ist dies eine eindrucksvolle Manifestation. Ganz be­son­ders möchte ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat danken, insbe­sondere den wesentlich erfahreneren und von mir so wertgeschätzten Spitzenrepräsentanten im Präsidium und in den Fraktionsführungen. Ich danke Ihnen allen, dass Sie mir mit so viel Wohl­wollen und Unterstützung gegenübertreten, und bitte Sie weiter darum, insbesondere auch um Ihre Nachsicht im ersten Halbjahr.

Namentlich danken möchte ich der von mir auch vor allem für ihr internationales und ent­wicklungspolitisches Engagement so geachteten Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (all­ge­meiner Beifall), dem so ungemein kompetenten und in seinem föderalistischen Fach­wissen wahrscheinlich unschlagbaren Vorarlberger Vizepräsidenten Jürgen Weiss (allgemeiner Beifall), dem Fraktionsvorsitzenden der ÖVP Ludwig Bieringer, der mit großer Erfahrung, aber auch Autorität führt, dessen Wort gilt und auf dessen Wort man in diesem Hause bauen kann (all­gemeiner Beifall), und den beiden von mir vor allem auch ob ihrer intellektuellen Brillanz so ge­schätzten Fraktionsvorsitzenden von SPÖ und FPÖ, Herrn Professor Albrecht Konecny und dem angesehenen Rechtswissenschaftler Herrn Universitätsprofessor Dr. Peter Böhm (allge­meiner Beifall).

Ich empfinde den grünen „Farbtupfen“ in Gestalt von Stefan Schennach als eine echte Be­reiche­rung im rotweißroten Gesamtpanorama des Bundesrates. Grün ist ja auch seit Jahrhun­derten Landesfarbe der Steiermark. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Meine Aufgabe könnte ich in diesem halben Jahr gar nicht ausüben, wenn mir nicht eine so hervorragende Crew der Bundesratsdirektion zur Seite stünde, mit Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda an der Spitze. (Allgemeiner Beifall.)

Lieber Herr Bundesratsdirektor! Es ist eine Freude, mit dir und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenarbeiten zu dürfen. Wenn ich es nicht falsch verstanden habe, darf ich ein kleines Geheimnis lüften: Dr. Labuda begeht dieser Tage ein Jubiläum. Er trat vor genau 30 Jahren, am 1. Februar 1973, erstmals in die Dienste des Parlaments. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat spiegelt auch in den Bundesrätinnen und Bundesräten die Vielfalt unserer Republik wider. Ich würde mir wünschen, dass öfters eine breitere Öffentlichkeit unseren Debatten folgen könnte, denn wir können mit Selbstbewusstsein feststellen, dass diese Debatten dank der Beiträge jedes Einzelnen von beachtlicher Qualität sind und ein Zeichen der guten politischen Kultur für unsere Republik Österreich setzen.

Der große Staatsrechtler und Publizist René Marcic schrieb in den „Salzburger Nachrichten“ am 16. Jänner 1956, vor 47 Jahren, über eine Bundesratsreform. Ich danke Redakteur Gerhard Steininger, den ich ebenfalls gesehen habe, für den Hinweis und zitiere: „Eine Körperschaft ist das, was die Personen, die sie bilden, aus ihr machen.“ – Zitatende. – Ich möchte feststellen: Wir machen gemeinsam etwas aus dem Bundesrat.


Bundesrat
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Was sonst noch in den „Salzburger Nachrichten“ vor 47 Jahren über die Landeshauptleute­konferenz und den Bundesrat geschrieben wurde, ist ebenfalls von Aktualität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat ist, wie es auch in den Broschüren des Parlaments heißt, die Länderkammer der Republik. Seit 1920 ist es das unablässige Bestreben, diese Verfassungstheorie mit der politischen Realität in Einklang zu bringen – eine unendliche Geschichte, eine Sisyphusaufgabe, der wir uns aber dennoch immer wieder neu stellen müssen. – Der Bundesrat hat Fortschritte erzielt, insbesondere auch dank Professor Scham­beck, und er wird weitere Fortschritte erzielen, und er wird diese auch erzielen müssen. Ich habe übrigens, frei nach Camus, ein sehr positives Bild des Sisyphus und auch die interessante Interpretation von Imre Kertezs in diesem Zusammenhang im Kopfe, nämlich dass man damit etwas bewegen kann.

Ich glaube, wir stehen im Zusammenhang mit dem Bundesrat, aber vor allem mit dem Bundes­staat insgesamt an einer wichtigen Wegkreuzung der politischen Entwicklung unserer Republik am beginnenden 21. Jahrhundert. Auch ich selbst habe dazu einige Diskussionsbeiträge ge­liefert, beginnend mit meiner ersten Wortmeldung hier in diesem Hohen Hause bis hin zu meinem auch hier im Bundesrat im vorigen Frühjahr – ich glaube, es war der 3. Mai – geäußerten Vorschlag für einen Österreich-Konvent: Die Zeit ist reif für Reformen!

Ich habe gerade jetzt, weil wir eben in dieser entscheidenden Phase der Diskussionen um die Staats­reformen stehen, als Präsident des Bundesrates mit allen Landeshauptleuten und Landtagspräsidenten, den Präsidenten des Städtebundes und des Gemeindebundes Termine ver­einbart und zu einem gut Teil auch schon absolvieren können, um mit ihnen gemeinsame Vor­gangsweisen, vor allem auch im Zusammenhang mit einem möglichen Österreich-Konvent, zu besprechen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sich Präsident Khol mit seinem ganzen poli­tischen Gewicht des Konvents angenommen hat und es nunmehr breiten Konsens darüber gibt, dass es in diesem Österreich-Konvent in den nächsten zwei Jahren darum gehen soll, einen Masterplan – wie ich es nennen würde – für den österreichischen Staatsaufbau des 21. Jahrhunderts zu entwickeln.

Da ich ihn anwesend sehe und hier keine Vaterschaftsstreitigkeiten oder sonst etwas ausge­tragen werden sollen, möchte ich sagen: Ich habe das erste Mal von dieser Idee und vom Österreich-Konvent bei Alfred Payrleitner gelesen, den ich hiemit sehr herzlich begrüße. (Beifall bei der ÖVP.)

Alle Gruppen sollen dieses gemeinsame große Ziel erreichen – nicht gegeneinander in Frontstellungen, sondern miteinander an einem Tisch sitzend und nach Lösungen ringend. Daher haben Präsident Khol und ich in unserer persönlichen Initiative einen 80-köpfigen Kon­vent vorgeschlagen. Viele haben gefragt: Warum sollen das 80 sein? Warum sollen das so viele sein? – Ich sage: Deswegen, damit möglichst alle betroffenen Institutionen von Anfang an mitwir­ken können. Kleine Fachkommissionen, die wertvolle Vorarbeiten geleistet haben, hat es schon genug gegeben. Jetzt geht es darum, dass die Verantwortlichen diese beraten und auch um­setzen – natürlich mit einem Präsidium, Arbeitsgruppen, Modulen, präzisen Fristen und Arbeits­aufträgen.

Ich setze dabei auch auf die positive Eigendynamik, wie sie uns das Beispiel des Europäischen Konvents zeigt. Wir streben auch eine Verschränkung mit dem Europäischen Konvent, vor allem mit den österreichischen Mitgliedern des Europäischen Konvents an. Es ist auch die Civil Society, die Bürgergesellschaft, eingeladen, an diesem großen Projekt mitzuwirken – in vielen neuen Mitwirkungsformen, möglicherweise mit begleitenden Ausschüssen und Arbeitskreisen in den Ländern, möglicherweise mit Diskussionen und politischem Unterricht in den Schulen, in Seminaren an den Universitäten, vornehmlich jenen der Rechtslehre und der Politikwissen­schaft, aber natürlich auch in Internetforen. Es soll eine breite Österreich-Bewegung sein.

Einige wenige Klarstellungen: Wichtig ist, dass die Diskussion über Bundesrat, Landtag, Bundes­staat, Demokratie, Verwaltungs- und Verfassungsreform, also die Staatsreform, nicht als ein intellektuelles Glasperlenspiel oder als ein L’art pour l’art einer abgehobenen politischen


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Kaste empfunden wird, sondern dass bewusst ist, dass die Organisation des Bundesstaates von ganz entscheidender Bedeutung für den Bürger ist. Größere Überschaubarkeit, mehr politische Mitgestaltungsmöglichkeit, mehr Demokratie für den Bürger, besseres Service für den Bürger, bürgernahe Verwaltung, rascherer und effizienter Verwaltungsablauf, damit zugleich auch geringere Steuerlast, also alles, was sich ein Finanzminister nur wünschen kann: Das muss der Nutzen für den Bürger sein. Dafür sind die institutionellen Voraussetzungen zu schaf­fen.

Eine Feststellung erscheint mir besonders wichtig: Staatsreform darf nicht mit Zentralisierung verwechselt werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Föderalismus ist kein teurer Luxus, sondern Föderalismus ist, wenn er richtig organisiert ist, also wenn die Aufgaben richtig zugeordnet sind, moderner, bürgernäher, demokratischer und kostengünstiger als Zentralismus.

Föderalismus ist daher auch keine Frage der Einwohner- oder Flächenquantität!

Österreich ist ein Bundesstaat. Bei aller Liebe und Wertschätzung für die Bundeshauptstadt, in der wir uns immer wieder gerne versammeln, muss ich festhalten, dass die gesamtöster­reichische Perspektive dennoch eine größere und weitere ist, als es die alleinige Sicht aus der Bundeshauptstadt wäre. Das ist ganz besonders deswegen zu betonen, weil im Gegensatz zu den klassischen Bundesstaaten Schweiz, Deutschland und USA – diese haben auch ganz unterschiedliche Größenordnungen, sind aber dennoch alle föderal stark organisiert –, in denen die wichtigsten staatlichen Institutionen, aber auch die meinungsbildenden Medien auf ver­schiedene Orte aufgeteilt sind, in Österreich das Meiste in Wien zentriert ist; und – und das ist menschlich – der Standort bestimmt leider nicht selten den Standpunkt.

Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass wir bis zum Jahr 2005, dem 60. Jahr der Wiedererrichtung der Zweiten Republik, also der Schaffung des neuen demokratischen Österreichs durch den großen Grundkonsens aller Demokraten vom 27. April 1945, und dem 50. Jahr des Staatsver­trages, also der Wiedererlangung der vollen Souveränität Österreichs, zu Ergebnissen kommen werden. Das wäre ein sehr schönes Zeichen.

Wir werden in diesem Frühjahr auch, wie Präsident Ludwig Bieringer hier im Dezember mitge­teilt hat, den Workshop „Der Bundesrat und die Wahrnehmung der Länderrechte“, der bereits für den vergangenen Herbst geplant war, abhalten und ihn insbesondere als bereichernde, ideen­gebende Veranstaltung für den Österreich-Konvent fokussieren.

Ich hoffe sehr, dass wir als Bundesrat für den Österreich-Konvent pionierhafte Initiativen setzen können. In einer Hinsicht war der österreichische Bundesrat – in vieler Hinsicht, aber in dieser ganz besonders – jedenfalls weltweit für die parlamentarische Demokratie pionierhaft – ich sage das besonders gerne im Angesicht der ersten Frau Landeshauptmann Österreichs, einer Institution, die es in der Steiermark schon seit 767 Jahren gibt und deren Funktion seit sieben Jahren eine Frau in imponierender und zukunftsträchtiger Weise ausübt.

Vor genau 75 Jahren, im ersten Halbjahr 1928, hat es auch einen steirischen Bundesratsvorsitz gegeben: Die steirische christlich-soziale Journalistin Olga Rudel-Zeynek war die erste weibliche Vorsitzende des Bundesrates und damit, wie die Interparlamentarische Union in ihrer Publikation „Men and women in politics“ feststellt, weltweit die erste Parlamentspräsidentin.

Die erste Frau, die in der Zweiten Republik den Vorsitz im Bundesrat führte, war übrigens vor genau 50 Jahren wiederum – und ich glaube, es ist mehr als ein Zufall – eine Steirerin, nämlich Dipl.-Ing. Johanna Bayer. Ich möchte es mir zur Aufgabe machen, im ersten Halbjahr 2003 die pionierhafte Rolle steirischer Frauen besonders hervorzustreichen – ein Halbjahr, in dem ich trotz des ernsten weltpolitischen Hintergrunds, trotz der weltpolitisch bedrohlichen Lage hoffe, dass es ein friedliches sein möge und alle für den Frieden arbeiten.


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Meine Damen und Herren! Darf ich nach diesen mittelfristigen Perspektiven auch einige kurz­fristige Wünsche äußern, die unabhängig vom Österreich-Konvent realisiert werden können und die uns zumindest im ersten Punkt hier in diesem Hause immer geeint haben.

Erstens: Das Stellungnahmerecht des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren – mehrfach bereits in diesem Hause einstimmig beantragt – wird sicherlich im ersten Halbjahr wiederum beantragt werden. Wir hoffen sehr, dass wir diesmal im Nationalrat Gehör finden, denn oft ist man in der Länderkammer im Großen und Ganzen mit einem Bundesgesetz einverstanden, aber es kann vorkommen, wie ich es selbst etwa im Februar 2001 in diesem Hause erlebt habe, dass ein Absatz eines Gesetzesparagraphen – damals war es im Zusammenhang mit dem Privat­radiogesetz – eine Beeinträchtigung der Länderrechte beinhaltet, gegen die es sich aus unserer Sicht zu wehren gilt. Da macht es nicht viel Sinn, das ganze Gesetz, das wir übrigens insgesamt für außerordentlich sinnvoll gehalten haben, in Bausch und Bogen zu beein­spruchen, sondern ist vielmehr angezeigt, durch eine Stellungnahme schon im Gesetzwer­dungs­verfahren den Wunsch der Länderkammer einzubringen.

Ein zweiter Wunsch, der auch vom grünen Bundesrat Stefan Schennach – ich glaube, es war im Februar 2002 anlässlich der Debatte um die Erklärung von Landeshauptmann Pühringer – angesprochen wurde, ist: Es sollte aus meiner Sicht die Möglichkeit gegeben werden, dass der Bundesrat einmal im Halbjahr – ich betone: die Möglichkeit, nicht die Pflicht – am Landtagssitz des jeweils den Vorsitz führenden Landes tagt. Ich hielte dies für eine sehr wirkungsvolle Maßnahme im Sinne der Bewusstseinsbildung für die wichtige und unverzichtbare Arbeit der Länderkammer. Auch hiefür sind eine kleine Verfassungs- und eine Geschäftsordnungs­änderung notwendig, die zu beantragen sein werden.

Das bundesstaatliche Prinzip, die Bundesländer, der Bundesrat, die Landtage und die Gemein­den sind unverzichtbare Orte der überschaubaren demokratischen Mitwirkung der Menschen. Sie sind unverzichtbar, aber in ihrer Aufgabenstellung nicht unveränderbar.

Dieses Bekenntnis zur Region hat nichts mit Provinzialität zu tun. Im Gegenteil: Ich darf in diesem Zusammenhang einen Satz des zu Unrecht leider schon fast vergessenen großen deutschen Literaten und Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll aus seinen „Frankfurter Vorle­sungen“ zitieren, der mir besonders treffend erscheint: „Die Abneigung der Deutschen gegen Provinzialismus, gegen das Alltägliche, das eigentlich das Soziale und Humane ist, ist eben provinzlerisch“. – Zitatende.

Für mich steht fest: Nicht das Bekenntnis zum Wert der Heimat, der Bundesländer und der Gemeinden, natürlich unverkitscht und in einer modernen Interpretation als Orte der Behei­matung, sondern manche Großmannsucht ist provinziell!

Meine Damen und Herren! Wir wollen arbeiten, damit wir ein Optimum für den Bundesstaat Öster­reich erreichen, der nach Artikel 2 der Bundesverfassung aus den neun selbständigen Bundesländern besteht. Die Bundesländer haben durch freiwilligen Zusammenschluss die Republik zweimal begründet. Das ist nicht historische Reminiszenz, sondern das ist die ent­schei­dende europäische Zukunftsperspektive, denn ein sich zunehmend einigendes Europa, das ein Europa der Bürger sein will, kann nur ein Europa der Regionen sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir, der Bundesrat, die Länderkammer der Republik Österreich, werden zu dieser Zukunfts­entwicklung unseren Gestaltungsbeitrag leisten! – Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

9.33

Erklärung der Frau Landeshauptmann von Steiermark


Präsident Herwig Hösele: Ich gebe bekannt, dass mir die Frau Landeshauptmann der Steiermark, Waltraud Klasnic, mitgeteilt hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates zum Thema „Aktuelle Fragen des Föderalismus“ abgeben zu wollen.


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Bevor ich der Frau Landeshauptmann das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an diese Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Ich erteile nunmehr Frau Landeshauptmann Klasnic das Wort. – Bitte.

9.34


Landeshauptmann von Steiermark Waltraud Klasnic: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte auch die Damen und Herren, die als Gäste hier sind – so wie ich heute –, sehr herzlich begrüßen. Ich freue mich, mit dabei zu sein, und möchte zu Beginn meiner Erklärung jenen gratulieren, die heute gesagt haben: „Ich gelobe“. Es ist mir dabei eingefallen, dass es der 15. November 1977 gewesen ist, als ich auch hier in der Bank gesessen bin und mit bebendem Herzen „ich gelobe“ gesagt habe; es war eine wichtige und eine besondere Zeit in meinem Leben. Ich glaube, es könnte und kann jede Politikerin und jeder Politiker mit Dankbarkeit annehmen, dieses Erleben „Bundesrat“, diese Gemeinschaft, diese Kollegialität, aber auch diese Erfahrung hier gehabt zu haben und auch in die spätere politische Arbeit, wo immer sie sein mag, mitnehmen zu dürfen. Der Bundesrat ist wichtig, und die Zeit hier war wunderschön.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

An meiner Seite sitzt der Herr Nationalratspräsident – und Sie haben sicherlich gemerkt, dass er einmal kurz geflüstert hat –, und er hat gemeint: Na ja, die Steiermark – heute wird alles gesagt, was in der Steiermark an Besonderem geschehen ist.

Ich sage dazu: In ungefähr einem halben Jahr wird es Tirol sein. Herr Präsident! Ich habe die Botschaft verstanden!

Aber ich stelle fest: Eines kann – und das mögen mir die Damen und Herren aus den Bundes­ländern zugestehen – kein anderes Bundesland einbringen: Es gibt nur ein Bundesland, welches weiblich ist, nämlich die Steiermark! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

In diesem Sinne freue ich mich, wieder einmal hier das Wort ergreifen zu dürfen!

Aber ich freue mich auch ganz besonders, dass der Vorsitzende des Bundesrates gerade jetzt Herwig Hösele ist. Er ist ein Mitarbeiter, der mich kennt und den ich seit vielen Jahren kenne, der sehr viel beiträgt, dass sich einiges in meinem Bundesland und weit darüber hinaus bewegt, und wir können sagen, dass wir gemeinsam eine Aufgabe zu bewältigen haben. Es hat mich aber jetzt schon auch ein bisschen bewegt, dass er gesagt hat, er erteilt mir das Wort. – Herr Präsident, ich danke dir dafür! (Allgemeine Heiterkeit.)

Ja, das ist so, man muss die Spielregeln in der Demokratie einhalten, und ich mache das gerne, es fällt mir überhaupt nicht schwer. Ansonsten ist es ja nicht so schwer: Wer Herwig Hösele in Aktion kennt, der weiß, man braucht ihm das Wort nicht zu erteilen, man hört ihn rechtzeitig – und das ist gut so.

Ich freue mich aber auch – ich betrachte es als nicht nur dem Alphabet entsprechend, sondern erachte es auch in der Aufgabenstellung als besonders wichtig –, dass ich zurzeit die Vorsitzende in der Landeshauptleutekonferenz sein darf. Das ist ein Auftrag, das ist eine Aufgabe, die man wie in einer Stafette weitergeben kann und bei der man auch immer weiß, dass die Kollegen aus allen Bundesländern und aus allen Fraktionen unterstützend mit dabei sind.

Die Landeshauptleute sind eine Gemeinschaft, die die Möglichkeit nützt, hier in diesem Raum, in diesem Bundesrat das Wort zu ergreifen, um auch zu zeigen, wie wichtig uns die Zusammenarbeit, das Zusammenwirken zwischen Bundesland und Bundesstaat ist, zu zeigen,


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dass wir zusammengehören, dass wir nur dann, wenn wir besser organisiert in der Verant­wortung nach außen wirken, erfolgreich sein können.

Ein Zweites möchte ich dazusagen, weil ich glaube, dass es auch ganz besonders wichtig ist: Wir befinden uns zurzeit in einer der wahrscheinlich besonders spannenden, jedoch sehr schwierigen Phase der Regierungsbildung für unser Österreich, und auch in dieser Funktion darf ich gemeinsam mit den beiden Herren, die an meiner Seite sitzen – mit Herrn National­ratspräsidenten Khol und mit dem Herrn Minister und Steirer Martin Bartenstein –, im für die Regierungsverhandlungen zuständigen Gremium mit dabei sein. Ich darf Ihnen versichern, dass sich so wie in meiner Fraktion auch in den anderen Fraktionen die Verhandler auf jeder Seite jeweils sehr bemühen, bei den Entscheidungen mit zu helfen, dass für das Morgen das Beste herauskommt. Und das Morgen ist für mich nicht nur die Zukunft, sondern auch eine Entwicklung, die wir verantworten wollen – nicht nur in unserem Bundesland, nicht nur in Österreich, nicht nur in einem erweiterten Europa –, sodass unsere Kinder und Enkel­kinder auch noch das Gefühl haben werden, dass jene, die zu dieser Zeit die Verantwortung getragen haben, diese Verantwortung wahrgenommen und daraus etwas gemacht haben, damit auch sie eine Zukunftsgestaltung vornehmen können. Das heißt: Nachhaltigkeit, gerecht sein, um auch ihnen eine Existenz zu sichern.

Meine Damen und Herren! So sehe ich meinen Auftrag, und in diesem Sinne werde ich mich auch in den nächsten Tagen oder Wochen – ich weiß es nicht genau, wie lange es noch dauern wird – dort, wo ich meinen Platz habe, voll im Einverständnis und in Verantwortung aus der Sicht der Bundesländer einbringen.

Die Position der Bundesländer brauche ich hier in diesem Hause nicht zu erklären, aber ich sage sehr bewusst dazu – wir sagen es immer wieder –: Die Bundesländer sind Öster­reich, und Österreich ist, bestehend aus diesen Bundesländern, ein wunderschönes und ein besonderes Land.

Ich habe vor einigen Tagen gelesen, was Herr Professor Leser in diesem Zusammenhang gesagt hat, nämlich: Die Bundeshauptstadt Wien und Österreich oder das Leben in der Bundes­hauptstadt und das Leben in den Bundesländern seien aus zwei Perspektiven zu sehen, man könne sie nicht eins zu eins vergleichen. Ich meine: Daher ist es so wichtig, dass wir dieses Zusammenwirken haben – aus der Sicht der Bundesländer und daraus, dass jene Menschen, die in der Bundeshauptstadt die Verantwortung tragen, die in Wien leben, es eben aus ihrer Sicht sehen wollen.

Was wir uns von den Bundesländern erwarten, das ist bereits formuliert. Als ich von meinem Kollegen Schausberger, dem Landeshauptmann von Salzburg, am 1. Jänner 2003 den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen habe, haben wir uns zusammengesetzt und gefragt: Was wünschen wir uns? – Ich sage das auch stellvertretend für die Länder: Wir wünschen uns eine stabile Bundesregierung, die einen Reformkurs hält, und zwar einen mutigen Reformkurs mit Nachhaltigkeit. Wir wissen, dass im Finanzausgleich vieles zu verhandeln ist. Da geht es nicht nur um den Bund und um die Länder, sondern auch um Städte und Gemeinden. Das sind die Orte, wo die Menschen leben, wo es spürbar ist, wo das Ge­spräch da ist und wo wir einen wesentlichen Beitrag aus der Sicht der Bundesländer schon in der Vergangenheit – gerade auch in den letzten Jahren – dazu geleistet haben, dass ein Reform­kurs mit dem gesamtstaatlichen Ziel der Stabilität gehalten werden kann. Auch darum wollen wir uns in Zukunft bemühen.

Wesentliche Reformschritte sind angesprochen, sie haben begonnen. Ich denke daran, dass wir über die Aufwertung der Bezirkshauptmannschaften geredet haben und dass in den Bundesländern vieles geschehen ist. Ich freue mich, dass der damalige Bezirkshauptmann aus Fürstenfeld hier ist, der 1997 das österreichische Pilotprojekt dieser bürgernahen Bezirks­behörde als Erster vorgestellt hat. Es hat die Verländerung der Bundesstraßen gegeben. Aus Sicht der Länder müssen wir mit den Positionen fertig werden, das sage ich sehr bewusst. Wir müssen auch mithelfen, dass wir gerade nach dem Jahr 2008 fortschreiben können – eine Aufgabe, derer sich die Verhandlungen in diesen Tagen auch annehmen müssen, wie vieles


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andere mehr. Es muss uns auch bewusst sein, dass alle Aufgaben bürgernah erfüllt werden sollen.

Ich nehme das Wort „Doppelgleisigkeit“ nicht in den Mund. Man kann nicht so einfach, wie das bei jeder Veranstaltung im Wirtschaftsbereich der Fall ist, sagen: Es geht um Büro­kratievereinfachung. – Das ist zu wenig! Wir brauchen eine klare Kompetenzaufteilung, eine klare Aufgabenzuordnung, ganz einfache Konstrukte, und dann wird es auch einfacher sein. Ich bin davon überzeugt, dass zum Beispiel dieser Österreich-Konvent, auf den ich noch zurück­kommen werde, klare Zuordnungen vornehmen kann, vor allem dann, wenn wir uns aus allen Fraktionen dazu bekennen mitzugestalten, wenn sich die Bundesländer einbringen und wenn wir versuchen, unsere Erfahrung, die wir täglich aufs Neue machen, dort einzubringen und diese dann in der Folge auch umsetzen.

Ein wichtiger Punkt für mich in dieser Woche – und ich sage das jetzt als jemand, der es wahrscheinlich so empfindet wie Sie alle, die Sie auch in der Politik Verantwortung tragen – ist, dass wir nachdenken müssen, wenn in der zweitgrößten Stadt Österreichs, in Graz, 43 Prozent der Menschen nicht zur Wahl gehen. Ich würde sehr darum ersuchen, aktiv auch daran zu denken, wie wir es in Fragen der Briefwahl halten wollen, oder zumindest die Möglichkeiten zu schaffen. Das wäre nur ein Thema, das kann man aber nicht nur in einem Satz erledigen, son­dern da muss man manches aufarbeiten. Es ist vieles vorbereitet: Es sind Vorschläge für Wahlrechte in den verschiedenen Schubladen, es sind viele Ideen in den Schubladen. Wir sind aufgerufen, etwas zu verändern.

Ich sage sehr bewusst auch dazu, dass Kollege Schausberger mir mitgegeben hat – gerade auch bei den Verhandlungen um die künftige Regierung habe ich gemerkt, dass es da keinen Wider­spruch gibt; das heißt, da bitte ich Sie auch um Unterstützung –, dass die Koordinations­funktion der Landeshauptleute bei Krisen- und Katastrophenbewältigung gesichert werden soll – eine bittere Erfahrung, die wir in den letzten Jahren in verschiedenen Bundesländern machen mussten. Jeder der Landeshauptleute hat Verantwortung ohne rechtliche Deckung übernommen, weil Verantwortung heißt, sich hinzustellen und etwas zu entscheiden, solange es noch die Möglichkeit der Entscheidung gibt. Manchmal ist es leider ohnehin fast zu spät, und man kann nicht mehr helfen. Das ist dann die Erkenntnis der Hilflosigkeit von uns Menschen, die uns manchmal bewusst wird. Es sollte uns viel öfter bewusst sein, dass wir nicht alles selbst können.

Was wir für den Bürger erwarten, wenn wir von Reformbestrebungen reden, ist nicht – ich sage es noch einmal, Herr Staatssekretär, Sie werden mir das jetzt verzeihen, aber Gesundheit ist ein Superthema dafür; ich weiß, dass das nicht gewollt ist, ich sage auch, dass wir es nicht können –, dass man nur vom Bund auf das Land oder vom Land dann in die Gemeinden und in die Städte verlagert, denn es gehören die finanziellen Mittel dazu, aber bei einer klaren Kompetenzzuordnung wird dies auch möglich sein, sondern dass wir wirklich vieles gemein­sam besser machen. Es ist nicht so, dass wir einen Stillstand wollen, sondern wir sagen: ge­mein­same Ziele, klare Maßnahmen und sorgfältige Orientierung dieser Ziele – das ist eine Aufgabe, die wir haben.

In meinen Unterlagen findet sich der Begriff „Perchtoldsdorfer Paktum“. Das ist noch aus dem Jahre 1992. Inzwischen hat sich viel geändert. Das sieht man, wenn man sich zehn, elf Jahre später fragt: Was soll der Staat, was muss der Staat und was kann der Staat und was können wir eigentlich als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger besser? Welch bessere Möglichkeiten gibt es? – Ich sage bewusst dazu, es muss auch so etwas wie eine begleitende Hilfe oder eine begleitende Kontrolle geben. Aber es ist nicht so, dass alles der Staat und die öffentliche Hand machen müssen. Es gibt auch so etwas wie Eigenverantwortung. Ich denke zum Beispiel auch an das Wahrnehmen der Möglichkeiten, wieder das eine oder andere in die Verantwortung der Familien zurückzugeben. Das könnte auch ein Weg sein.

Strukturreform heißt für mich aber auch, dass es nicht darum gehen kann, dass sich eine Gebietskörperschaft gegen die andere wendet und sagt: du nicht, ich schon, oder sonst! – Sie kennen die Diskussion selbst seit langer Zeit – wir führen sie auch zum Teil. Ich nehme


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niemanden, auch mich selbst nicht aus, dass man sagt: Das dürft ihr, das dürfen wir nicht! – Es geht nur in einem guten Miteinander, und dieses Miteinander ist gefordert von der kleinsten Zelle im Staatsgebilde, nämlich von der Gemeinde, über die Stadt, den Bezirk, das Land bis zum Bund. Das ist unsere Aufgabe.

Wir können natürlich auch sehr viel dort ändern, wo wir den Platz und wo wir die Verantwortung haben. Ich denke bewusst daran, dass es manchmal auch gut ist, dass man etwas tut, vielleicht nicht sehr viel darüber redet, aber dann als Erfolgsparameter sagen kann: Das ist gelungen!

Der Personalreferent des Landes Steiermark, Herr Landesrat Schützenhöfer – er ist auch heute hier anwesend –, hat ohne viel lautes Reden stillschweigend am Ende des Jahres 2001 gesagt: Es ist gelungen, 280 Dienstposten einzusparen. – Das klingt momentan nach sehr wenig, das sind aber 280 Plätze. Trotzdem ist es gelungen, per Verwaltungsvereinfachung vieles auf einen guten Weg zu bringen.

Staatsreform heißt aber vor allem auch, das, was mit finanziellen Aufgaben zu tun hat, auf eine klare Linie zu bringen. Zu den Finanzausgleichsverhandlungen kann ich nur sagen – ich sage das jetzt nicht als Finanzreferent, da ich es bei uns in der Steiermark nicht bin, sondern als Landeshauptmann –: Wir erleben es immer wieder, dass in einem bestimmten Abstand, nämlich am 30. und am 31. 12. eines Jahres, wenn das Jahr seinem Ende zugeht, verhandelt wird. Dann muss der Finanzausgleich abgeschlossen werden.

Ich war sehr froh, als der Herr Bundeskanzler vor einigen Wochen gesagt hat, er werde den Vorschlag machen, dass man jetzt schon mit den Vorbereitungen der Finanzausgleichsver­handlungen beginnt, um nicht ganz in die letzte Phase zu kommen. – Das ist so ähnlich wie bei der Eröffnung einer Landesausstellung: Da wird am letzten Tag auch noch renoviert und das Letzte gemacht. Wir können es aber vorher machen. Es gibt vor allem auch genug Menschen, die sich der Verantwortung bewusst sind.

Da gebe ich diesen Finanzausgleichsverhandlungen das mit, was wir uns auch in den Parteienverhandlungen und in der künftigen Regierung wünschen, nämlich eine sehr klare Bemerkung: Wir wünschen uns keinen abgestuften, sondern einen aufgabenorientierten Be­völke­rungs­schlüssel. Das ist der Punkt! (Beifall bei der ÖVP.)

Es möge uns auch gelingen, dass wir in vielen Kernbereichen vom Reden zum Handeln kommen. Es wird manche Sofortlösung geben, manch kurz-, mittel- oder langfristige. Ich glaube, dass es solide, seriös und nachhaltig sein muss. Es geht um Pensions-, Bildungs-, Sicher­heits-, Sozial-, Gesundheits- und Europafragen, und es geht eben auch um die Reform im Sinne der Verwaltung, wie sie angesprochen wurde.

Dazu wieder eine Anmerkung des Herrn Nationalratspräsidenten – du weißt, Herr Präsident, mir darfst du nichts leise sagen, ich sage es dann immer laut, weil ich es als schön empfunden habe und weil ich dir dafür dankbar bin –: Wenn es diesen Österreich-Konvent gibt, so wie ihn der Präsident des Bundesrates Herwig Hösele angesprochen hat, so wie er vom Herrn Nationalratspräsidenten Dr. Andreas Khol vorgestellt wurde, in Zusammenarbeit mit allen Fraktionen, in Zusammenarbeit mit allen verschiedenen Institutionen und Körperschaften, dann sollte er nach Meinung von Dr. Khol hier in diesem Saal tagen, das wäre der richtige Mittel­punkt. – Das ist jetzt dein Vorschlag. Wer Andreas Khol kennt, ist sicherlich überzeugt davon, dass er diesen Vorschlag auch umsetzen wird. Das heißt, hier in diesem Saal wird die Zukunft Öster­reichs bestimmt, wird festgelegt, wie es in diesem Bereich weitergehen soll. – Herzlichen Dank für diese Idee. Wir unterstützen dich gerne dabei. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Schennach.)

Föderalismus – ich sage das immer – ist kein Steckenpferd von Landeshauptleuten oder Landespolitikern, er ist auch kein Selbstzweck. Es muss nicht teurer sein, ich habe einiges angesprochen. Ich sage aber sehr bewusst, Dialog und Diskussion, das Einbringen von Ideen, die Tatsache, dass jemand einen Schritt weiterdenkt, sind wichtig. Die Frage ist immer, ob ich alle sieben Schritte mitgehe oder nur drei Schritte, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Es


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geht auch um die Nähe zum Menschen, wenn ich über die Länder spreche, um die Institution Landtag, um die Institution Gemeinde, Städte, in welcher Größenordnung auch immer, darum, wie die Zusammenarbeit sein kann.

Dass die Zusammenarbeit großartig sein kann, das erleben wir in diesem Jahr, ja zur Stunde in Graz. Graz ist die Kulturhauptstadt Europas in diesem Jahr. In einer guten Zusammenarbeit von Landeshauptstadt, Land, Bund und Europa, also in dieser Kombination sind wir in einen guten Schritt weitergekommen. Wir müssen aber auch wissen, dass wir, wenn wir über Länder sprechen, sehr viel Rücksicht auf die Gemeinden nehmen müssen, denn die Gemeinde ist eigentlich der erste Ort der Demokratie. Der Staatsbürger, die Staatsbürgerin, der Gemeinde­bürger, will, wenn er Hilfe und Unterstützung braucht, aber auch wenn er eine Forderung hat, ins Gemeindeamt gehen können. Das heißt, die Menschen brauchen auch diese kleine Institution, so wie sie die nächste Institution im Bezirk brauchen und eben auch das Land. Ich sage das sehr bewusst.

Wenn man nicht in dem Land leben kann, in dem man geboren ist und das man gerne vertritt, dann gibt es auch die Möglichkeit, für dieses Land zu wirken. Da gestatten Sie mir einen kurzen Ausflug: Ich möchte mich bei den Steiermärkern in Wien, vor allem bei dir, Herr Regierungsrat Ettl, und deiner Frau sehr herzlich bedanken. Wir merken, Hunderte und Tausende sind aus der Steiermark in der Bundeshauptstadt zu Hause, und wir fühlen ein bisschen Wurzeln durch euch. Herzlichen Dank für diese Arbeit! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Lebensgefühl hat Herwig Hösele angesprochen, die Sorge der Menschen, die Angst, die wir selbst empfinden, vielleicht auch die Machtlosigkeit, weil wir manches nicht mit entscheiden können, wenn wir über unsere eigenen Grenzen hinausschauen, ich meine jetzt nicht nur Europa, ich meine die Welt. Wir müssen mithelfen, dass es das Wort „Frieden“ weit darüber hinaus geben kann. Wir haben die Verpflichtung, einen Beitrag zu leisten. Wir, jede und jeder, können es von unserem Platz aus, aus der Sicht der Gemeinde, aus der Sicht der Länder und aus der Sicht der Regionen.

Wenn ich Regionen sage, dann denke ich an die Arbeit, die wir in Brüssel seit einigen Jahren aktiv mitgestalten können. Ich bin dort wie alle anderen Landeshauptleute auch Mitglied im Aus­schuss der Regionen, und wir merken, dass dort schon erkannt wird, dass in diesen Regionen die Mitsprache noch nicht voll Einzug gehalten hat, denn das wird immer noch die Nation machen. Aber wir haben uns aus der Sicht des Ausschusses der Regionen sehr bemüht, uns einzu­bringen, weil wir davon überzeugt sind, dass wir die Menschen in ihrer Vielfalt wirklich ver­treten können.

Kommissar Fischler hat in Alpbach gemeint: Wenn wir Europa wieder näher zu den Bürgern bringen wollen, führt kein Weg an den Regionen vorbei.

Gerade hier im Bundesrat sind jene Menschen verantwortlich, die sich für die Regionen im Besonderen einsetzen. Wir wissen, dass Beitritte vor der Tür stehen, dass es eine große Nachbarschaft, dass es dieses größere Europa geben wird. Es ist uns auch bewusst, dass es mit Übergangsregelungen eine neue Wettbewerbssituation geben muss. Sie läuft ja schon, wir merken es schon lange Zeit. Wir wissen aber auch, dass diese Mobilität und dieser Wirtschafts­standort, den wir in Österreich und in den einzelnen Bundesländern haben, eine neue Dimension erreicht, und wir sollten mit Optimismus in diese Zukunft gehen. Dieses Ereignis der Erweiterung ist eine Chance, die überwiegt, bei aller Skepsis, bei allen Sorgen, die es auch gibt.

Der Erweiterungsvertrag ist so gut wie fertig. Sie wissen, wie sich unsere Nachbarn bemühen. Ich sage aber sehr bewusst dazu, dass es dann natürlich regional verschiedene Anliegen und verschiedene Aufgaben gibt. Wir haben uns bemüht, politische, verschiedene soziale Systeme mit einer Wirkung in besonderen Regionen zu verbinden. Aus diesem Grunde habe ich mich gemeinsam mit vielen anderen aus der Sicht der Steiermark sehr darum bemüht, eine Zukunfts­region aufzubauen, das heißt, gemeinsam mit den Bundesländern Kärnten und Burgenland, mit unseren Nachbarn, also mit sechs ungarischen Komitaten, Slowenien, dem Norden Kroatiens


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und zwei italienischen Provinzen, so etwas wie eine neue Wettbewerbsregion zu gestalten. Dies ist im Beisein von Kommissar Barnier im April vorigen Jahres unterzeichnet worden.

Es gibt so etwas wie Partnerschaften, damit man sehr viel zu Stande bringen kann, und zwar in vielen Bereichen, sei es im Bereich der Infrastruktur, der Bildung oder der Zusammenarbeit der Universitäten, sei es die Zusammenarbeit im Presse-, Banken- oder Handelsbereich, seien es der Technologiepark oder Joint Ventures. Es gibt neue Chancen in einem alten Raum. Das heißt: alte Nachbarn, neue Partner. Das ist unser Weg, dem sich die Steiermark in den nächsten Jahren auch ganz besonders verpflichtet fühlt.

Ich möchte vom Österreich-Konvent einen kleinen Schritt zum Europa-Konvent machen und bitte den Herrn Präsidenten des Nationalrates, an der Spitze aber auch – und das ist ausge­spro­chen – den Verantwortlichen für den Konvent, nämlich den ehemaligen Minister Dr. Hannes Farnleitner, aus der Sicht Österreichs mitzuhelfen, dass die Interessen vor allem der Regionen wahrgenommen werden und dass dieses Aufbauwerk positiv fortgesetzt werden kann. Diesen Regionen kommt aktuelle Bedeutung zu, das ist so, und das wird auch ganz sicher so bleiben. Hannes Farnleitner hat mir als Antwort gegeben, am 6. und 7. Februar werde dies auf Grund der Initiative Österreichs, auf Grund dieses Antrages schon ein Thema im Europa-Konvent sein.

Ich darf zum Schluss kommen und möchte Ihnen sehr herzlich danken, dass es in fixen Ab­ständen die Möglichkeit gibt, sich aus der Sicht eines Bundeslandes zu Wort melden. Wenn Sie mich fragen, ob ich einen Wunsch habe, dann muss ich sagen, ich habe ihn selbstverständlich und möchte ihn auch sehr bewusst formulieren. Wir sind im Süden Österreichs – ich brauche niemanden von Ihnen die Landkarte in Erinnerung zu rufen –, wir sind durch die Alpen von Salzburg und dem Westen Österreichs nicht getrennt, aber wir haben einen weiten Weg. Auch nach Linz und in den Wiener Zentralraum, das heißt auch in Richtung Ostösterreich, müssen wir Berge überwinden, und im Süden haben wir einen Nachbarn. Das heißt, es gibt bei uns einen Strukturwandel, der sehr schwer zu bewältigen ist. Und wenn ich mir etwas Großes wünschen darf – und das möchte ich in dieser Stunde stellvertretend für die Steirerinnen und Steirer, und für die fühle ich mich befugt zu reden, machen –, dann sage ich, ich wünsche mir, dass ein Jahrzehnt der modernen Infrastruktur anbricht, das bedeutet Schiene, Straße, Tele­kom­munikation und alles, was dazu gehört. Ich wünsche mir das für ganz Österreich, aber selbst­ver­ständlich auch für die Steiermark, dort haben wir ein bisserl einen Nachholbedarf. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Etwas, was wir uns auch wieder nicht nur für ein Bundesland, sondern für ganz Österreich wün­schen, ist, dass es uns gelingen möge, Wirtschafts- und Lebensstandort, Heimat- und Zukunfts­region zu sein. Wir wünschen uns gute Entwicklungsperspektiven, ich möchte bewusst sagen, die Fortsetzung von vielem, was eingeleitet und begonnen wurde. Das ist ein guter und wichtiger Weg.

Ich möchte all jenen, die im Bund Verantwortung tragen, versichern, dass Länder und Ge­meinden verlässliche Partner für Österreich, für Europa sind und dass man sich auf die Men­schen draußen in den Ländern verlassen kann. Ich sage bewusst „draußen in den Ländern“, ob das die richtige Formulierung im deutschen Sprachgebrauch ist, ist eine zweite Frage, aber man sagt das so, wenn man in Wien sitzt. Das habe ich in den letzten Wochen gelernt, dass wir draußen sind. Ich lege Wert darauf zu sagen: Wir sind drinnen, wir gehören dazu! (Beifall bei der ÖVP.) Das muss man halt hin und wieder lernen, dass wir die Möglichkeit haben mitzu­helfen.

Ich bedanke mich bei den Damen und Herren des Bundesrates, die im Rahmen vieler Be­schlüsse dann die Unterstützung dazu geben, wenn es um Entscheidungen geht, die auch unser Bundesland betreffen. Wenn wir jetzt aus der Sicht der Steiermark einige Zeit verstärkte Verantwortung tragen dürfen, dann darf ich Ihnen versichern – der Herr Präsident des Bundesrates hat es selbst gesagt, und ich sage es Ihnen auch –, dass wir es in jener Verantwortung gestalten werden, die wir wahrnehmen dürfen. Ein halbes Jahr ist eine kurze Zeit, kann aber auch immer eine ganz wichtige Zeit sein, wenn man sich abspricht und wenn man auch der Versicherung entgegenschaut, dass die Bundesländer eine große Gemeinschaft


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sind und dass diese Bundesländer eben in diesem Österreich jenen Stellenwert haben, den sie auch täglich einbringen.

Was wir uns wünschen, egal, wie wir leben und wo wir leben, sind Sicherheit und Geborgenheit in der heutigen Welt. Das ist ein Wunsch, den man jedem Menschen mitgeben kann, wo immer er zu Hause ist. Und es sollte uns auch vielleicht in manchen Stunden bewusst sein, dass wir das große Glück haben, in Frieden und Freiheit zu leben. In diesem Sinne alles Gute und viel Erfolg in der Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

10.00


Präsident Herwig Hösele: Ich bedanke mich für den Besuch, Herr Nationalratspräsident, und wir hoffen auf weitere gute Kooperation.

Ich danke der Frau Landeshauptmann für ihre Ausführungen – so steht es auch hier in meinem Croquis.

Bevor wir in die Debatte eingehen, gestatten Sie mir eine Bemerkung außer Protokoll. Als ich gestern mit dem Herrn Bundesratsdirektor das Croquis durchgegangen bin, habe ich gefragt, ob ich in diesem Zusammenhang wirklich die nüchternen Formeln „Ich erteile ...“ und „danke“ ver­wenden muss. Da aber die Gefahr besteht, dass ich etwas subjektiv sein könnte, Frau Landes­hauptmann, und das ganze Halbjahr über eine objektive und unparteiische Vorsitzführung ge­währleistet sein soll, habe ich natürlich der Anordnung des Herrn Bundesratsdirektors gerne Folge geleistet. – In diesem Sinne gehen wir nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile dieses.

10.01


Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates! Lieber Herwig! Sehr geehrte Frau Landeshauptmann! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Gäste nicht nur aus der Steiermark, sondern alle hier Anwesende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich für mich als Steirer eine große Freude, das heute hier erleben zu dürfen und auch zu sehen, wie hoch der Bundesrat von der Steiermark aus gewertet wird und wie viele führende Personen aus dem Land Steiermark da sind. Man sieht, welches Gewicht dem Bundesrat gegeben wird, welches Gewicht er in Österreich, in Europa hat, aber auch welches Gewicht der Föderalismus, der für uns das Entscheidende in Europa sein wird, hat.

Es ist auch großartig – das wurde heute schon gesagt –, dass im Moment die Steiermark – pardon, das sage ich jetzt aus eigenem Stolz heraus – nicht nur den Vorsitz in der Landes­hauptleutekonferenz hat, sondern auch hier in Wien die Präsidentschaft beim Bundesrat innehat. Herwig Hösele kenne ich schon seit über 30 Jahren, er sitzt in den Bereichen Verfas­sung, Verwaltung, Journalismus unmittelbar an der Quelle, setzt sich für steirische Interessen ein und arbeitet hervorragend. Wir versuchen, auch Lobbyismus in Wien zu betreiben, genauso wie es die steirische Vertretung in Brüssel tut oder wie es jetzt der Verein der Steiermärker in Wien, der auch hier heute vertreten ist, mit dem Ball der Steiermärker macht. Natürlich weiß ich, dass alle anderen Bundesländer genauso einen großen Ball haben, und das zeigt auch, welches Gewicht man hat.

Ich glaube, dass das, was heute schon von Herwig Hösele oder von der Frau Landes­hauptmann gesagt wurde, sehr wichtig ist, nämlich: Unsere Bundesländer sind gewachsene Einheiten, die vielen Generationen Heimatgefühl, Identität und Zusammengehörigkeit gegeben haben. Man gehört zusammen. Bei aller Liebe zur europäischen Einigung ist man glücklich und stolz auf seine unmittelbare Heimat, seine Region, sein Land. Deswegen muss auch eines ge­sagt werden: Jedes der österreichischen Bundesländer ist ein historisch gewachsenes Land und hat seine eigenen Besonderheiten. Die Menschen, die unsere Bundesländer bewohnen, ha­ben ihre eigene Art von Sprache, ihre eigenen Mentalitäten, ihre Traditionen, und genau das macht den Reichtum nicht nur unseres Landes Österreich, sondern des gesamten Europas aus. Das sind die großen Verschiedenheiten in den Regionen, in den Ländern.


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Die Länder und ihre Organe abzuschaffen, wäre deswegen ein völlig falscher Weg, sondern man muss sich einfach diesen Aufgaben stellen, die man in diesem geeinten freien Europa und angesichts des Wachsens hat.

Deswegen halte ich es auch für sehr wichtig, was heute hier von Präsidenten Hösele an­geschnitten wurde: der Österreich-Konvent. Man hat also die Idee, eine zeitgemäße Weiter­entwicklung der Verfassung zu machen. Eines müssen wir uns klar sein: Die Verfassung, die jetzt gültig ist, wurde zu einer Zeit geschaffen, als es noch eine völlige Eigenständigkeit und Eigen­staatlichkeit vieler dutzender Länder in Europa gegeben hat, heute aber leben wir in einem größeren Europa zusammen, sind aber dort selbständig vertreten. Deswegen brauchen wir eine Verfassung, weil wir die Regionen haben wollen, weil wir die Länder haben wollen und weil wir in Österreich keinen Zentralismus aus Wien, aber längerfristig auch keinen Zentralismus aus Brüssel haben wollen.

Deswegen glaube ich, dass wir alle in die richtige Richtung gehen. Das zeigt auch, wie wichtig der Bundesrat ist, mit welcher Stärke man hier vertreten sein kann und wie wichtig es ist, dass er auch seine Aufwertungen bekommt, die Altpräsident Schambeck und viele andere immer wieder eingefordert haben. Wir brauchen das, weil wir auch europakonform sein müssen und sein wollen. Wir als Österreicher werden sicherlich die steirischen Positionen in Europa weiter vertreten. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

10.06


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Theodor Binna. Ich erteile es.

10.07


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Landeshauptmann! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, darf ich dir, Herr Präsident, zu deinem Amt auf das Allerherzlichste gratulieren. Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, wie in diesem Hause üblich, auf eine gute Zusammenarbeit.

Ich bin stolz darauf, heute hier zu stehen und Steirer zu sein. Wir diskutieren Staatsreformen und andere wichtige Reformen, aber ich bin stolz darauf, dass die Steiermark auch am sport­lichen Sektor weltweit wieder bewiesen hat, welch gute Sportlerinnen und Sportler wir haben. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Weltcupnachtslalom in Schladming am Dienstag mit 40 000 bis 50 000 Besuchern eindrucksvoll bewiesen hat, dass mein Freund WSV-Obmann Hans Grogl die beste Organisation über die Bühne gebracht hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Weiters bin ich stolz darauf, dass die erste Frau gestern am Kulm erstmalig über 200 Meter geflogen ist, und diese Frau kommt auch aus der Steiermark. Meine herzlichste Gratulation. (Allgemeiner Beifall.)

Mit ein bisschen Wehmut muss ich leider feststellen, dass es für die Region Spielfeld nicht so gut ausschaut. Ich hoffe, dass wir den A1 Ring nicht verlieren werden, denn das wäre traurig für die Region Spielfeld, für den Tourismus und für die Wirtschaft. Daher appelliere ich an alle, dass in dieser Richtung noch die richtigen Entscheidungen getroffen werden. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Die Frau Landeshauptmann wird das schon machen!) – Ich hoffe.

Wenn wir den Österreich-Konvent und die derzeitige Staatsreform diskutieren, dann möchte ich kurz den Ist-Stand näher bringen:

Erstens: Die Kompetenzaufteilung auf Bund, Länder und Gemeinden ist zu zersplittert, sodass sich Mehrgleisigkeiten nicht vermeiden lassen. Vielfach lässt sich nicht mehr klären, in wessen Aufgabenbereich die Bewältigung neuer Herausforderungen der Gesellschaft fällt.

Zweitens: Der Behördenapparat ist so kompliziert aufgebaut, dass er schwerfällig ist und es nicht mehr erkennbar ist, welche politische Instanz für das Funktionieren welcher Verwaltungs­zweige zuständig ist.


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Drittens: Die effektive Umsetzung der Anforderungen der Gesellschaft an einen modernen Staat droht an den überkommenen staatsrechtlichen Strukturen zu scheitern.

Viertens: Die Verantwortung für die Finanzierung staatlicher Aufgaben geht weitgehend an den von der Verfassung der einzelnen politischen Entscheidungsebenen zugeordneten Aufgaben vorbei, wobei diese wiederum von der durch die Öffentlichkeit wahrgenommenen politischen Ver­antwortungsstruktur abweicht.

Ich glaube, Ziel und Aufgabe kann es nur sein, mit diesem Österreich-Konvent diese Mängel zu beseitigen.

Ein wichtiger Punkt für mich ist auch die Aufteilung der Kompetenzen. Ich möchte hier ein paar Beispiele auf einer anderen Ebene anführen. Für uns Steirer ist sowohl der Bau der Koralm­bahn als auch der Semmeringtunnel äußerst wichtig. Er ist für den Wirtschaftsstandort Öster­reich wichtig, und er ist auch für den Wirtschaftsstandort Steiermark wichtig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass zwei Bundesländer darüber streiten, ob er gebaut wird oder nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters kann es nicht sein, dass eine Verkehrslösung Ennstal, die seit 30 Jahren diskutiert wird, im neuen Generalverkehrsplan, der bis zum Jahr 2021 gilt, überhaupt nicht angedacht be­ziehungsweise diskutiert wird. Das ist kein rein steirisches Problem, das ist ein bundesweites Problem, noch dazu, da sich mit der Einführung des Road-Pricings speziell der Lkw-Verkehr in diesem Bereich vervielfachen wird.

Weiters dringend notwendig – jetzt spreche ich als Eisenbahner – ist ein einheitlicher Tarifver­bund im öffentlichen Verkehr. Es kann nicht sein, dass Leute aus dem Land Niederösterreich andere Ermäßigungen oder Begünstigungen bekommen als Menschen aus dem Land Steier­mark oder Salzburg oder Tirol. Hiefür entscheidend sind die so genannten Ver­kehrsdienst­verträge, die jedes Bundesland für sich eigens abschließt. Ich denke mir, da sollte es eine einheitliche bundesweite Regelung geben. (Zwischenruf des Bundesra­tes Hensler.) – Ich hoffe, sie werden auch durchgeführt.

Ein weiterer Punkt ist, dass jedes Bundesland eigene Gesetze im Bauwesen, im Sozialbereich, in der Raumordnung und im Gemeindebereich erlässt. Diese Gesetze gehören dringend reformiert, auf eine einheitliche bundesweite Basis gestellt und müssen selbstverständlich allen Bedürfnissen entsprechend gestaltet und nachvollziehbar sein.

Wenn ich nur das steirische Raumordnungsgesetz anspreche, so muss ich sagen, ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass dieses Gesetz südlich von Graz anders ausgelegt wird als nördlich von Graz. In der Raumordnung finden die Industrie, der Tourismus, die Wirtschaft, der Sport, die Interessen aller im Gemeindegebiet lebenden Personen, die Haupt- und Zweit­wohnsitze ihren Niederschlag. Da muss es doch möglich sein, eine einheitliche Regelung zu schaffen.

Ein weiterer Dorn im Auge ist mir das Gemeindebediensteten-Vertragsgesetz. Die Aufgaben einer Gemeinde sind in jeder Gemeinde gleich. Die Salzburger, die Steirer, die Tiroler und Vorarlberger, um nur einige zu nennen, verrichten die gleiche Arbeit. Die Salzburger sind nicht schlechter als die Tiroler, und die Vorarlberger sind auch nicht schlechter als die Steirer. Und doch ist die Entlohnung in jedem Bundesland anders. Daher denke ich mir, wäre es äußerst wichtig, bundesweit für die Gemeinden die Entlohnung in ein einheitliches Schema zu bringen.

Für die Gemeinden möchte ich hier einen Vorschlag machen: In einer kleinen Gemeinde muss ein Amtsleiter, ein Sekretär, ein Bediensteter über alle Gesetze genauestens Bescheid wissen. Das ist meines Erachtens nicht möglich. In einer kleinen Gemeinde gibt es nicht jeden Tag oder jede Woche, nicht einmal jeden Monat Anliegen aus der Bevölkerung. Daher denke ich mir, wir sollten bestimmte Kompetenzen kleinerer Gemeinden in größeren Gemeinden konzentrieren, wie zum Beispiel im Raumordnungsbereich, im Sozialbereich, im Bauwesen, im Standes- und Meldewesen. Natürlich muss dabei auf die Erreichbarkeit dieser Gemeinden geachtet werden. Und ein für mich wichtiger Punkt ist, dass Bürgernähe und Bürgerservice im Gemeindeamt vor


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Ort erhalten bleiben. Durch Kompetenzaufteilung könnten die Anliegen aus der Bevölkerung viel besser bewältigt werden.

Wie ich es nicht meine, zeigt ein Beispiel aus dem Bezirk Liezen, meinem Heimatbezirk. In die­sem Saal haben wir diskutiert über die Stärkung der ländlichen Regionen und auch über die Einsparungen von Gendarmerieposten, Postämtern und Bezirksgerichten. Ich möchte hier das Bei­spiel der Bezirksgerichte aus meinem Bezirk bringen: Mit Juli 2002 wurden die Bezirks­gerichte Rottenmann und Gröbming geschlossen. Das Bezirksgericht Bad Aussee – mein Heimatort – hat bis 1. Jänner 2004 Aufschub bekommen. Die Begründung dafür ist für mich eigentlich nirgends erkennbar. Die Bad Ausseer – es sind fünf Bedienstete – hätten mit Juli 2002 ihre Arbeit in einem Gasthaus in Irdning verrichten müssen, weil keine Büromög­lichkeiten im Bezirksgericht in Irdning vorhanden waren.

Die Betriebskosten vom Bezirksgericht Rottenmann trägt die Gemeinde, Kosten für den Bund: null. Die Betriebskosten vom Bezirksgericht Gröbming trägt die Gemeinde Gröbming, Kosten für den Bund: null. Der Scherz bei dieser ganzen Sache ist, damit die fünf Bediensteten aus dem Bezirksgericht Bad Aussee in Irdning die nötigen Räumlichkeiten bekommen, wird das Bezirksgericht Irdning um 20 Millionen Schilling umgebaut. Das ist für mich kein Beispiel für Bürgernähe und -service. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich spreche hier weder für noch gegen das Bezirksgericht Bad Aussee, mir geht es um eine generelle Linie, weil nur Sparen und Zusperren nicht alles sein können.

Frau Landeshauptmann! Ich pflichte Ihnen bei, wenn Sie heute hier davon sprechen, dass wir rasch eine stabile, handlungsfähige und reformfähige Regierung brauchen. Ich wünsche mir: Su­chen Sie eine Lösung, keine einfache, keine leichte, sondern eine Lösung für Österreich, eine stabile Lösung für Österreich! Die Wählerinnen und Wähler haben am 24. November 2002 so entschieden. Unsere Jugend, unsere Senioren, wir alle haben uns das zu verdanken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.18


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile dieses.

10.18


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Landes­haupt­mann! Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bevor ich zur Erklärung der Frau Landeshauptmann kurz Stellung nehme, eine Bemerkung zu meinem Vorredner: Es ist meiner Meinung nach nicht die steirische Art, aber es ist typisch für die sozialistische Art (Wider­spruch bei der SPÖ), einerseits die Frage des Aus des A1 Ringes zu beklagen (Bundes­rat Konecny: Herr Kollege! Sie sitzen auf einem geborgten Mandat!) und sich andererseits in der Steiermark permanent dagegen auszusprechen.

Meine Damen und Herren! Sie beklagen jetzt das Aus, obwohl Ihr Beitrag für die Formel 1 in der Steiermark immer negativ war. Sie haben sich immer dagegen ausgesprochen. Ich erinnere nur: Ersatz-Milliarden wurden von Ihrem damaligen Vorsitzenden Bundeskanzler Vranitzky ver­sprochen. Diese gibt es bis heute nicht in der Steiermark. (Zwischenruf des Bundes­rates Gasteiger.) Das sage ich nur, um der Wahrheit Rechnung zu tragen, um die Diskussion in das rechte Licht zu rücken. (Bundesrat Manfred Gruber: Was habt ihr alles versprochen! – Bun­desrat Boden: Ich habe geglaubt, du erzählst uns über den Scherbenhaufen in der FPÖ!)

Meine Damen und Herren! Es ist parlamentarische Tradition des Bundesrates, dass der Landeshauptmann jenes Bundeslandes, welches den Vorsitz in der Länderkammer übernimmt, eine Erklärung abgibt. Dieses Mal ist die Steiermark an der Reihe, und ich wünsche Herrn Präsidenten Hösele viel Erfolg für seine verantwortungsvolle und wichtige Aufgabe.

Ich finde diese Vorgangsweise gut, weil erstens die Bedeutung der Länderkammer unter­strichen wird, weil zweitens die Anliegen und die Situation eines Bundeslandes aus einer ande­ren Sicht und Kompetenz, nämlich aus der Kompetenz der Landesregierung dargelegt werden


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und weil es drittens auch die Möglichkeit schafft, dass sich ein Bundesland in die Mitte des öffentlichen Interesses rückt und dann über die Erklärung eine Debatte abgeführt wird.

Auch zu diesem Punkt, meine Damen und Herren, hat Präsident Hösele eine gute Vorarbeit, eine gute Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld geleistet. Wir goutieren alles: Ich meine aber nicht den Empfang gestern im Palmenhaus, der übrigens auch – ich würde es so sagen – eine steirische Spezialität war – es war sehr nett dort –, sondern ich meine die Wortmeldung des Präsidenten Hösele, als er wieder das permanente Thema „Bundesstaatsreform“ in Bewegung gebracht hat, das Einsetzen der 80-köpfigen Expertenkommission für diesen Reformkonvent. Natürlich gibt es zu diesem Konvent unterschiedliche Meinungen, das ist auch gut so. Es sollen viele positive Kräfte in diesen Konvent, in dieses Reformwerk eingebunden werden, damit in Summe die Bundesstaatsreform und analog dazu die Bundesratsreform jener politischer Guss wird, mit dem wir alle gut leben können.

Leider, Frau Landeshauptmann, ist auch in der Steiermark, wenn man den Medien folgt, die Meinung geteilt. So hat sich Herr Landesrat Hirschmann am 25. Jänner folgendermaßen darüber geäußert – ich zitiere –: Da sitzen wieder 60 Leute nutzlos zusammen, das ist den Kaffee nicht wert, der dort getrunken wird. – Zitatende.

Frau Landeshauptmann! Ihr Landesrat Hirschmann hat eigentlich den Reformwillen unseres Präsidenten Hösele und des Bundesrates konterkariert.

Sehr geehrte Frau Landeshauptmann! Ich meine, da ist Handlungsbedarf gegeben. Sie sollten dem Bundesrat, der Länderkammer, erklären, ob Sie pro Hösele sind und die Meinung Hirsch­mann nicht unterstützen oder ob Sie es mit Hirschmann halten und nicht mit Hösele gehen können.

Frau Landeshauptmann! Ich würde Sie bitten, heute hier in dieser Frage uns, der Länder­kammer, dem Bundesrat, da wir auch die Betroffenen sind, eine Antwort zu geben.

Meine Damen und Herren! Ich habe mich eingangs auch positiv darüber geäußert, dass über die Erklärung der Frau Landeshauptmann eine Debatte abgeführt wird. Diese Debatte soll aber auch dazu führen, dass wir Sie als Vorsitzende der Landes­haupt­leutekonferenz, Frau Landeshauptmann, ersuchen, die Reformschritte im Hinblick auf die Bundesstaatsreform auch in der Landeshauptleutekonferenz voranzutreiben. Denn gerade der Vorsitz der Steiermark – Präsident Hösele hat in seiner Antrittsrede gesagt, dass viele Refor­men, viele Initiativen in der Vergangenheit von der Steiermark ausgegangen sind – im neuen Jahrtausend sollte dazu genützt werden, dass sich wiederum die Steirer federführend einbringen.

Im Hinblick auf die Reform, Frau Landeshauptmann, wäre es auch wünschenswert – ich weiß schon, wir Steirer haben den ersten Schritt schon getan –, dass wir, die Vertreter des Landes Steiermark in der Länderkammer, die Bundesräte, auch im Landtag ein Rederecht bekommen. Wir haben zurzeit ein eingeschränktes Rederecht. Dieses eingeschränkte Rederecht sollte meiner Meinung nach im Hinblick auf das freie Mandat erweitert werden, nämlich dass sich jeder Bundesrat zu den Themen, zu denen er sich berufen fühlt, äußern und reden kann.

Es sollte nicht sein, aber es entsteht ab und zu der Eindruck, wenn die Themen von der Präsi­diale vorgegeben werden, dass es die steirische Methode ist: Vogel, friss oder stirb! Wir be­stimmen, wozu die Bundesräte reden dürfen!

Diesbezüglich habe ich eine Bitte an Sie: Bauen wir diesen Schritt weiter aus, geben wir den Vertretern in der Länderkammer auch im jeweiligen Landtag – das wäre auch ein Thema für die Landeshauptleutekonferenz – ein Rederecht! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir erwarten vom Vorsitz, Frau Landeshauptmann, von Ihrem Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz nicht den großen Reformschub, aber wir glauben, Sie sind reformwillig – reformwillig wie unser Vorsitzender Präsident Hösele, reform­willig wie die motivierten Bundesräte. Es scheint uns zumindest der Zeitpunkt günstig zu sein, diese Reformen einzuleiten.


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Das Land Steiermark hat fleißige und zielstrebige Menschen; das Land Steiermark ist ein Wirtschafts- und Innovationsland; das Land Steiermark hat eine intakte Umwelt; das Land Steiermark ist reich an Gütern, wir haben vom Weinberg bis zum Gletscher alles. All das kann die Steiermark bieten.

Es ist ein gutes Land, und es sollte auch von diesem guten Land, von dieser Steiermark die Bundesstaatsreform ausgehen. Das ist meine Bitte, mein Wunsch an Sie, Frau Landes­hauptmann! Wir, die steirischen Bundesräte, werden Sie dabei unterstützen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

10.26


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Schennach: Welche Kärntner Töne begleiten diese Wort­meldung?)

10.26


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau – ich schaffe es einfach nicht, zu einer derart klugen und charmanten Frau „Landeshauptmann“ zu sagen: Sehr geehrte und sehr geschätzte Frau Landeshauptfrau! Meine Damen und Herren! Herz­lichen Glückwunsch zur Übernahme des Amtes des Vorsitzenden, lieber Herwig Hösele! Die EU hat in ihrem inneren Aufbau vielleicht eines vom österreichischen Bundesrat abge­schaut, und das ist die halbjährige Vorsitzführung im Rat. Ob das das Beste war, was sie sich abgeschaut hat, ist fraglich. Ich hätte mir gewünscht, dass die damalige Frau Präsidentin Pühringer zumindest die Chance gehabt hätte, ein Jahr mit einer weiblichen Zweidrittelmehrheit im Präsidium zu wirken. Ich denke, über diese Frage des halbjährigen Vorsitzes sollten wir im Rahmen dieser guten Idee – ich kann meinen uneingeschränkten Respekt bezeugen – eines österreichischen Konvents von Khol und Hösele nachdenken. Das gehört auf jeden Fall auf die Tagesordnung. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Weilharter! Ich weiß nicht, welche Antwort Ihnen die Frau Landeshauptfrau zu Herrn Hirschmann geben sollte. Ich finde, es ist wichtig, und es gehört zur Demokratie, dass es Querdenker gibt. Wir alle kennen Herrn Hirschmann, er wollte aus neun drei Bundesländer machen. Ich fühle mich durch den Ausspruch, dass das den Kaffee nicht wert sei, nicht beleidigt, und ich glaube, dass die Frau Landeshauptfrau heute ihre Sicht und ihre Stellung zum Bundesrat klar und eindeutig dargelegt hat.

Aber wenn Sie schon Herrn Hirschmann zitieren, dann muss ich sagen, Sie dürfen nicht auf einem Auge blind sein. Ihr blindes Auge heißt Prinzhorn, denn Herr Prinzhorn hat in den letzten Wo­chen und Monaten nichts unversucht gelassen, diesem Bundesrat sozusagen seine Daseins­berechtigung abzusprechen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen: Wieso? Wieso? Wieso? Wo steht das?) – Wenn Sie Hirschmann sagen, vergessen Sie Prinzhorn nicht! (Zwischen­rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Lieber Herr Dr. Böhm! Ich gebe Ihnen dann nachher gerne die verschiedensten Erklärungen des Herrn Prinzhorn dazu. Kollegen Grissemann kann ich auch erlauben, gleich in meine Mappe zu schauen.

Meine Damen und Herren! Der Österreich-Konvent muss mehrere Punkte schaffen, vor allem einmal ein Aufgaben- und Pflichtenheft für die demokratischen Organisationen und Einrich­tungen unseres Landes. Es bedarf beinahe hundert Jahre nach der Verfassung von 1920 einer grundlegenden Verfassungsreform. Ich bin alles andere als ein Sympathisant oder Anhänger von Herrn Minister Böhmdorfer, aber man muss darüber nachdenken, ob die Gerichts­orga­nisation des Jahres 1920 mit der damaligen Mobilität, mit der damaligen technischen Möglich­keit und der Kommunikationsstruktur jener des Jahres 2003 entspricht und noch das wert ist.

Der gesamte Bereich des Behördenaufbaus, die Zukunft der Landesverwaltungsgerichte – all das gehört in diese grundlegende Verfassungsreform, denn so, wie wir die Verfassung in den letzten Jahrzehnten behandelt haben, sind zwei Dinge passiert: Sie ist intransparent geworden, und vor allem ist das Prinzip der Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger durch die


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Aushöhlung der Verfassung, durch die vielen begleitenden Verfassungsgesetze in der Form heute nicht mehr gegeben.

Meine Damen und Herren! Demokratie kostet etwas. Man darf die Republik – ich sage nur in Klammern: Prinzhorn – aber nicht als eine AG oder gar als eine GesmbH sehen, und die Bundesländer sind nicht die Filialen, die man unter Umständen schließt, wenn eine Filiale nicht die erwartete Produktivität aufweist.

Das heißt, Demokratie kostet etwas. Die Tatsache, dass die Demokratie auf Grund ihres Be­hördenaufbaues, auf Grund veralteter Strukturen teuer ist – das ist bei Doppelgleisigkeiten der Fall, die sich zum Teil auch in einer aufgeblähten Verwaltung wieder finden –, gehört auf die Tages­ordnung dieses Konvents.

Meine Damen und Herren! Zwei Institutionen wurden in den letzten Wochen und Monaten in ihrem Bestand hinterfragt: Das ist der Bundesrat, und das sind die Landtage. Ich denke, in einem Europa, in dem wir zunehmend Nationalgrenzen verkleinern, kleiner machen, gehören die Definition und das Bekenntnis zum Begriff, was Heimat ist, verstärkt – durchaus auch in dem Sinne, wie es Stefan Zweig schon in den zwanziger Jahren gesagt hat: Wie lächerlich und wie läppisch sind nationale Grenzen. Wie wichtig ist es, diesen Begriff der Heimat zu de­finieren. – Da sind die Bundesländer, da sind die Gemeinden und Städte Schlüsselpunkte, wie wir Heimat zu definieren haben. Da haben die Bundesländer ihren ganz wichtigen Stellenwert.

Meine Damen und Herren! Heute wird man in Europa gefragt, wie denn diese Politik in Österreich zu verstehen ist. Zuerst haben wir eine große Koalition, die man in Westeuropa an sich nicht wünscht – weder in Deutschland noch in Frankreich, noch in den Niederlanden, dort wird jetzt darüber debattiert. Dann nehmen die Österreicher die erste rechtspopulistische Partei in die Regierung, als erstes Land wird Österreich geächtet. Dann folgen andere rechts­popu­listische Regierungen: Italien, Niederlande. Dann implodiert die rechtspopulistische Partei als erste in Europa. Dieser folgen andere – ich nenne nur die Pim Fortuyn-Liste. Dann schrammt die zweitgrößte Stadt Österreichs gerade knapp an einer Volksfront-Regierung vorbei – und das in dem Jahr, in dem sie Kulturhauptstadt Europas ist. Sie hat jetzt in Westeuropa wahrscheinlich den höchsten Anteil an Kommunisten. Bologna wird sich an so etwas wahrscheinlich nur noch dunkel erinnern. Dann wird in Österreich diskutiert, ob es vielleicht als Signal für Europa eine schwarz-grüne Regierungsform gibt.

All diese Dinge muss man einmal in Europa Leuten, die sich für die österreichische Politik interessieren, erklären. Wir tun uns schwer, so wie wir uns oft schwer tun, den österreichischen Föderalismus zu erklären. Aber die Dinge sind im Fluss und sind spannend.

Eines freut mich besonders, Herr Präsident Hösele, nämlich dass doch einige Reform­vor­schläge, die ich anlässlich des Eintritts der vierten Fraktion hier in den Bundesrat gemacht ha­be, sowohl bei Ihnen als auch – das überrascht mich nämlich noch mehr – beim Saulus, der zum Paulus wurde, nämlich Präsident Khol, auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Präsident Khol hat noch bei der Präsentation des Jahrbuchs 2000 gesagt hat – ich bin damals gerade Bundes­rat geworden –: Den Bundesrat werden wir auch abschaffen. – Die heutigen Töne sind interes­sant. Kollege Lopatka ist ein Zeuge dieses Gesprächs. Was er leise sagt, sagt die Frau Landes­hauptfrau laut. Jetzt sage ich das eben auch laut.

Frau Landeshauptfrau! Wenn wir zu diesen Reformen, die auch Herr Hösele angedeutet hat, kommen, dann – das habe ich schon damals gesagt – wünsche ich mir, dass die Landes­hauptleute hier unter uns Platz nehmen. Das ist, so glaube ich, eine der ganz wichtigen Aufwertungen, dass die Landeshauptleute in den Bundesrat kommen, so wie zum Beispiel in Deutschland, wo sie auch der zweiten Kammer ein anderes Gewicht geben.

Lieber Herr Präsident Weiss! Seit wir uns hier im Bundesrat kennen, kennen Sie mein ewiges Thema, ich werde nie müde, es zu nennen: Dann schaffen wir es auch, wenn die Landes­hauptleute hier sind. Plötzlich sagt es Khol. Ich bin wie von den Socken gewesen, als ich bei Khol gelesen habe, dass dann die Landeshauptleutekonferenz, dieses informelle Gremium, das


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in der Verfassung nicht verankert ist, hier im Bundesrat ein eigener Ausschuss wird, in die Ver­fassung hineingeholt wird und zudem den Bundesrat aufwertet. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe auch damals den Vorschlag gemacht – Herr Präsident Hösele hat ihn heute zitiert –, dass ich es auch im Sinne der Bürgernähe für unbedingt wichtig erachte, dass der Bundesrat einmal im Landhaus des Vorsitz führenden Bundeslandes tagt. Ich weiß, dass das im Burgen­land ein Problem sein wird, weil wir mehr sind, als es Landtagsabgeordnete im Burgenland gibt, aber wir werden auch diese Frage mit sehr viel Kreativität lösen. In den meisten Landtagen ist es kein Problem, uns dort willkommen zu heißen.

Weiters halte ich es für ganz wichtig – Herr Präsident, ich bitte Sie, das relativ rasch mit Ihrem Parteikollegen Khol umzusetzen –, dass es einen gemeinsamen Ausschuss des Nationalrates und des Bundesrates gibt, dass das Gesetzesinitiativrecht aus dem Blick der Länder durch den Bundesrat verstärkt wird. Das Stellungnahmerecht wurde als Forderung bereits erwähnt. Als Wiener würde ich es mir wünschen. Ich weiß, dass zum Beispiel in Vorarlberg die Dinge im Sinne des Föderalismus wesentlich fortschrittlicher geregelt sind. Aber das Recht, sich in den Landtagen zu Wort zu melden, sowie auch eine Berichterstattungspflicht der Bundesräte an die jeweiligen Landtage wären Punkte, die in eine solche Reform Eingang finden sollten.

Landeshauptmann Pühringer hat an dieser Stelle gesagt – ich habe das damals nicht gefordert, aber ich habe mir das seitdem durch den Kopf gehen lassen –, dass im Rahmen einer solchen Reform der Finanzausgleich stärker in die Kompetenz des Bundesrates fallen sollte. Das war eine Forderung des Landeshauptmannes von Oberösterreich.

Präsident Khol und Präsident Hösele haben in ihrem Papier zum Österreich-Konvent diese Idee aufgegriffen. Damit kommt erstmals auch eine finanzielle Kompetenz in den Bundesrat. Sie alle wissen: Wichtig wird man oft, wenn es ums Geld geht. Neben dem Einzug der Landes­hauptleute durch die personelle Aufwertung halte ich diesen Vorschlag des Landeshaupt­man­nes von Oberösterreich, auch den Finanzausgleich in irgendeiner Weise in eine Kompetenz des Bundesrates zu nehmen, für einen Meilenstein zur Aufwertung des Bundesrates.

Im Rahmen des Vorschlages zum Österreich-Konvent sind einige sehr interessante Anre­gun­gen aus der hohen Wissenschaft gekommen. Ich teile nicht die Meinung des sehr geschätzten Präsi­denten Jabloner, dass der Bundesrat die Landeshauptleute ersetzen und abschaffen soll, aber ich teile auch nicht die Meinung des Herrn Professor Raschauer, dass künftig die Landes­hauptleute den Bundesrat ersetzen sollen.

Der Weg wird irgendwo dazwischen liegen, nämlich in der Zusammenführung von Landes­hauptleuten und dem Bundesrat. In diesem Sinne habe ich dann keine Sorgen mehr, dass die Existenz des Bundesrates in Frage gestellt wird. In diesem Sinne ein klares Bekenntnis zum Föderalismus, aber in einer modernen Form!

Frau Landeshauptfrau! Nach dem Perchtoldsdorfer Abkommen gab es im Jahr 1994 Verhand­lungen – und ich sage Ihnen, damals wehte ein Lüftchen von Demokratie in unserem Land, es gab nämlich die große Koalition ohne Zweidrittelmehrheit, die sich mit diesen frechen Oppo­sitionellen auseinander setzen musste –, in denen die große Koalition und auch die Opposition einen großen Schritt weitergekommen sind. Wären dann nicht Wahlen gewesen, hätten wir gemeinsam, so glaube ich, schon 1994/95 eine sehr spannende Bundesstaatsreform zu Stande gebracht.

In diesem Sinne wünsche ich der Steiermark viel Erfolg in der Vorsitzführung in beiden Gre­mien, wobei das andere Gremium für mich nach wie vor ein inoffizielles ist, das nur durch den Bun­desrat ein offizielles werden kann. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)


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10.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Professor Konecny. – Bitte.

10.41


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Landeshauptmann! Ich bin kein Steirer (Bundesrat Gasteiger: Steirische Eiche!), und ich werde auch nicht weit entfernte steirische Vorfahren als allfälligen Konnex zitieren. Ich kann, Frau Landeshauptmann, nur anbieten, um in die Steiermark-Laudatio irgendetwas einzubringen – wenig, aber doch –, dass ich am Samstag zu meinem traditionellen Winterurlaub ins Ausseer Land aufbreche und somit immerhin etwas zur Tourismusbilanz und zur Wertschöpfung des Bundeslandes beitrage. Aber ich gebe zu, das ist ein bescheidener ... (Zwischenruf bei der ÖVP. – Bundesrat Bieringer: Salzburg ist aber nicht Steiermark!) Lass das doch die Steirer sagen!

Meine Damen und Herren! Ich habe mich auch nicht zu Wort gemeldet, um in das Preisen des Bundeslandes Steiermark einzustimmen – so legitim es auch ist –, sondern weil damit zu rechnen war, dass zu den wichtigen Fragen der Neugestaltung des österreichischen Bundes­staates in dieser Debatte etwas gesagt wird und dass dazu Stellung zu nehmen ist.

Meine Damen und Herren! Es ist naturgemäß ein Dauerbrenner, und die Debatten werden durch nicht bewährte, aber eingeschliffene Klischees überwuchert wie von einem Geschwür. Wir müssen drei Dinge klar auseinander halten:

Zum einen: die legitime Diskussion darüber, was überhaupt von der Seite des Staates, ge­samthaft betrachtet, also von öffentlichen Einrichtungen, zu leisten ist und was nicht. Selbst­verständlich ist die dynamische Veränderung unserer Gesellschaft zu einem guten Teil eine, die politische Entscheidungen ermöglicht und angestoßen hat. Dies bedeutet aber auch, dass sich das Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach staatlichen Dienstleistungen, aber eben auch nach Regelungsmechanismen verändert. Wer das leugnet, entfernt sich von der Wirklichkeit unseres Landes.

Es ist notwendig, dass wir immer wieder überprüfen, ob das Ausmaß an sozusagen staatlicher Ob- und Fürsorge nicht exzessiv geworden ist. Da heute schon so viele Vorläufer zitiert wurden, möchte ich ausdrücklich Peter Kostelka in diese Debatte hereinholen, nämlich mit seinem Vorschlag, grundsätzlich jede gesetzliche Regelung nur auf zehn Jahre zu beschließen, um so den Gesetzgeber unter Druck zu setzen, in angemessener Zeit die Sinnhaftigkeit und Aufga­benorientiertheit des Rechtsbestandes zu überprüfen.

Die zweite Diskussionsebene ist die Zuordnung von Aufgaben. Auch da gilt: keine Frage, dass eine dynamische gesellschaftliche Wirklichkeit zu Veränderungen zwingt! Das beliebte, auch schon bis zum Überdruss gebrauchte Beispiel, das trotzdem nicht falsch ist – ich weiß nicht, ob ich es in der Geschichte ansiedeln kann, ob es damals notwendig war, aber anzunehmen –, dafür ist: Dass die Wiener beim Besteigen einer der Bauordnung entsprechenden Stiege die Füße weniger hochheben können als die Niederösterreicher, und zwar um genau zwei Zenti­meter, würde ich doch ernsthaft in Zweifel ziehen. Ob neun Bauordnungen wirklich die Inkar­nation des Föderalismus sind, und ... (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Das ist eh schon alles im „NEWS“ gestanden!) – Herr Kollege! Ich habe das auch schon gewusst, bevor es im „News“ gestanden ist. Wenn es bei Ihnen anders ist, haben Sie etwas dazugelernt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Es ist zu einer Forderung der Politik geworden, neun Tierschutzgesetze durch eine bundes­einheitliche Regelung zu ersetzen. Ich glaube, dass wir uns darüber inzwischen in partei­politischem Konsens befinden – was nicht immer so war, aber Fortschritte sind zu registrieren. Manchmal haben Zeitungsherausgeber einen beträchtlichen Einfluss auf Parteiprogramme!

Wir werden also dort, wo es um Landesgesetzgebung geht, ganz offensichtlich mit dem Druck konfrontiert, gemeinschaftliche Lösungen, bundeseinheitliche Lösungen zu finden. Die Frage, inwieweit Landesgesetzgebung bleibt, was da an Substrat übrig bleibt, ist sehr ernsthaft zu diskutieren. Aber es ist mit Sicherheit auch eines klar: Wenn wir vier Ebenen der Verwaltung zum Teil – also nicht unbedingt der Gesetzgebung, aber der Verfassung von Ordnungs­vor­schriften – haben, die unterschiedlich organisiert sind – drei davon demokratisch –, dann kann


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die Föderalismus- und Staatsdiskussion nicht damit ablaufen, dass wir immer wieder jeder dieser Ebenen ihre Unverzichtbarkeit bescheinigen.

Die Gemeinden – das sind die kleinen Zellen unserer Demokratie –, die Bezirks­verwaltungs­behörden – ich betone nochmals: bedauerlicherweise ohne demokratischen Einfluss auf gleicher Ebene; außer in Wien, aber da ist das etwas anderes – sind auszubauen und bürger­näher zu gestalten, die Länder sind natürlich unverzichtbar, und vom Bund nimmt man das an, ohne es zu sagen. – Wo dann der Effekt der Straffung eintreten soll, ist in diesen Überlegungen vorläufig noch nicht zu erkennen.

Ich darf an dieser Stelle ein paar Denkanstöße, die nicht meine sind, sondern die ich aufgreife, in die Debatte einbringen. Kollege Binna hat schon darauf hingewiesen, dass Gemeinden angesichts ihres naturgemäß limitierten Personalstandes zweifelsfrei Probleme haben, alle für sie vorstellbar zu erfüllenden Aufgaben auch tatsächlich zu adressieren. Wir haben – nicht im Wildwuchs, das ist durchaus gesetzlich geregelt – in einem zunehmenden Maß die Übertragung von Aufgaben an die Gemeindeverbände, was für den Bürger zweifellos zumindest eine höhere Professionalität des Services bedeutet; nicht unbedingt eine Nähe, aber eine technische Qualifizierung.

Ich verweise auf das interessante Konstrukt der Region mit eigenem Statut, das von einigen Verfassungsrechtlern entwickelt wurde, nämlich die Idee, so wie die Städte mit eigenem Statut im Allgemeinen – auch da gibt es Ausnahmen – einen genügend großen Verwaltungsapparat mit entsprechender Fachkompetenz haben, um die Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörden zu übernehmen, Gemeinden im freiwilligen Zusammenschluss in einer sinnvoll abgeschlos­senen Region die Möglichkeit zu übertragen, dieselbe Aufgabe für sich zu reklamieren, was dann halt dort formal, aber natürlich nicht inhaltlich das Ende der Bezirksverwaltungsbehörde in diesem Bereich bedeuten würde, aber gleichzeitig eine Behörde entstehen lassen würde, die sehr viel enger mit demokratischen Strukturen verknüpft ist.

Ich will das nicht als die Lösung avisieren, aber diese und ähnliche originelle Überlegungen sind notwendig, wenn uns diese Debatte woanders hinführen soll als dazu, dass jeder, der in diesem Dialog, nein, in dieser breiten Diskussion Eigeninteressen zu vertreten hat – auch der Bundes­rat –, sich immer wieder selbst lobt.

Der letzte Punkt, der in diesem Zusammenhang – und das sage ich jetzt sehr bewusst – für den Bundesrat von großer Bedeutung ist, ist, dass Parlamentarismus nicht nur mit Legislative zu übersetzen ist.

Ich bringe es zum Extrem: Selbst wenn die Landtage auf Grund eines breiten Übereinkommens jedwede Gesetzgebungsbefugnis verlieren würden, sind sie damit nicht obsolet. Die parla­mentarische Kontrolle jedweder Regierung – Bundesregierung, Landesregierung, eines Ge­meinde­vorstandes oder, wie ich noch einmal deutlich sagen würde, auch eines Bezirks­hauptmannes heutigen Typs – ist etwas, was das Geld, das dafür aufgewendet wird, sehr wohl wert ist. Demokratie drückt sich nicht nur darin aus, dass in regelmäßig wiederkehrenden Abständen die Spitzen der Verwaltung, der Exekutive, indirekt oder direkt, je nachdem, gewählt werden, sondern darin, dass sie einer ständigen demokratischen Kontrolle durch parlamen­tarisch verfasste Gremien ausgesetzt sind.

Diese Eckpfeiler muss man einschlagen, bevor man in einen Konvent geht, denn Rationa­lisierung, Sparsamkeit, stromlinienförmigeres Gestalten für sich allein sind noch kein Wert – das Gegenüber zum Bürger, die demokratische Kontrolle, ist genauso wichtig.

Als Wiener darf ich an dieser Stelle Richtung Steiermark eine kleine Randglosse anbringen. Wissen Sie, das mit dem Zentralismus ist immer ein gewisses Problem. Die Bundesorgane haben irgendwie keinen eigenen Spitznamen, sie werden einfach unter „Wiener“ subsumiert. Sie werden wissen, dass derjenige, der so unmittelbar unter dem Bundesvogt lebt, mit dem Durchsetzen seiner föderalistischen Ansprüche die allergrößten Probleme hat. Uns ist das ja nicht eingefallen, aber der immer noch – trotz Rücktritt! – amtierende Verteidigungsminister


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etwa hat gemeint: An den Kommandanten in den Bundesländern werden wir nicht rütteln, aber wozu Wien, wo ohnehin alle Zentralstellen sitzen, einen Militärkommandanten braucht, das muss man schon sehr hinterfragen. – Das ist das Problem der Hauptstadt mit dem Födera­lis­mus: Manchmal gibt es Tendenzen, diesen Bereich sozusagen bundesunmittelbar zu ver­walten, was uns auch nicht sehr gefällt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf zum Schluss noch zwei Überlegungen einfließen lassen.

Erstens: die bedingungslose Unterstützung des schon mehrfach ausgedrückten Gedankens, dass der Finanzausgleich etwas ist, das in diese Kammer des Parlaments gehört. Wenn Bun­des­länder und Zentralstaat über die Verteilung der Mittel eine Einigung finden, dann ist es nicht vorstellbar, dass die Länderkammer dazu nichts zu sagen haben darf und dies nicht nur durch formale Ratifizierung.

Zweitens: Der alte, auch eine sozialdemokratische Urheberschaft habende Vorschlag auf ein Recht auf Stellungnahme seitens unserer Kammer – wobei wir uns dahin gehend verständigt haben, diesen nicht durch die Hintertür, das heißt mit Unterschriften, sondern nach einer entspre­chenden neuerlichen Beschlussfassung im Bundesrat dem Nationalrat zuzuleiten – ist über­fällig. Die gegenwärtige Methode, die uns wirklich an das Ende des Gesetzgebungs­pro­zesses stellt und jeglichen Dialog davor in den informellen Bereich abschiebt – in die Klubs, in die Intervention oder wohin auch immer –, kann nicht alles sein.

Und zuletzt: Wir müssen daran festhalten, dass wir klar trennen – und ich bin sehr froh, dass kein Zweifel daran hier aufgetaucht ist – zwischen Parlament und Regierung, zwischen Legisla­tive beziehungsweise Kontrollinstanz und Exekutive.

Ich denke, es ist wichtig, dass es sich beim Bundesrat um ein parlamentarisches Gremium handelt, das nicht an ein Mandat gebunden ist, auch wenn wir selbstverständlich unser politisches Handeln jeweils vor der Öffentlichkeit unseres Bundeslandes zu rechtfertigen haben. Aber ich gebe schon zu, dass bei aller Notwendigkeit des engen Dialogs mit unseren Landta­gen und deren politischen Exponenten ernsthaft zu überlegen ist, ob es nicht die Legitimität dieser Körperschaft erhöht, wenn sich ihre Mitglieder, in Tateinheit mit der Wahl der Landtage selbstverständlich – ein bisserl eine Wahlbeteiligung bräuchten wir auch –, auf ein direktes Mandat ihrer Stimmbürgerinnen und -bürger im betreffenden Bundesland stützen könnten.

All dies und all das andere, das hier gesagt wurde, ist eine lange Liste, die zunächst einmal im Sinne eines Brainstormings eingesammelt werden soll. In dieser Phase sollte sich jeder verbieten, irgendeinen Vorschlag gleich wieder abzuqualifizieren – das ist beim Brainstorming bekanntlich verboten. In einer zweiten Runde ist dann mit Sicherheit jeder Vorschlag kritisch zu hinterfragen. Es ist nicht zufällig, dass die Österreicherinnen und Österreicher „Reform“ in­zwischen als eine gefährliche Drohung verstehen und nicht als eine Verheißung; denn wenn man einen Hauptverband reformiert und am Ende die Leitungsorgane fünfmal so viel kosten als vorher, dann verstehe ich das mit der gefährlichen Drohung. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Ambulanzgebühr!)

Wenn es denn zu diesem Konvent kommt, zu dem sich offensichtlich auch alle politischen Kräfte bekennen, dann möchte ich sehr deutlich und sehr selbstbewusst sagen: Wir haben den Begriff aus Europa entführt – wir sollten auch die Zusammensetzung dieses Konvents aus Europa entführen. Der Konvent in Europa besteht 1 : 1 aus Parlamentariern der Mitglied­staaten – in diesem Fall des Europäischen Parlaments – und aus Regierungsvertretern. Alle ande­ren Einrichtungen, Gremien, Interessengruppen haben die Möglichkeit, zuzuarbeiten, ha­ben die Möglichkeit, die Arbeit zu beeinflussen, aber nicht mitzuentscheiden.

Ich sage, wir sollten nicht denselben Begriff für etwas verwenden, das inhaltlich etwas anderes ist. Wir sind im Brainstorming, und man soll nicht etwas runtermachen, aber Regierungen und Parlamentarier – in dem Fall aus neun Bundesländern und von der Bundesebene – sind jene, die letztendlich die Entscheidung zu exekutieren und mitzutragen haben werden. Wer sonst


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noch aller beizutragen hat, soll beitragen, aber nicht notwendigerweise in der Entscheidungs­findung im Konvent.

Wir stehen am Beginn einer spannenden Phase. Ich freue mich, dass diese Debatte gezeigt hat, dass es eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit den Denkmöglichkeiten einer Bundes­staatsreform auf allen Seiten des politischen Spektrums gibt. Ich weiß nicht, ob es ein Mond­fenster für die Reform gibt, da bin ich mir nicht so sicher, aber selbst wenn wir keine Chance für diese Reform haben – wir sollten sie unbedingt ergreifen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

11.00


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Landeshauptmann! Frau Präsi­dentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben halbjährlich das Ritual der Übergabe der Präsi­dent­schaft im Bundesrat an ein anderes Bundesland. Wir hören aus den Beiträgen der Vor­redner heraus, dass doch eine gewisse Sorge darüber besteht, dass es eben nur bei diesen halb­jährlichen, wirklich sehr tief schürfenden Reden bleibt. – Ich erwähne ganz besonders Herrn Kollegen Professor Konecny und Kollegen Schennach, aber auch meinen Freund Weilharter, der Herrn Landesrat Hirschmann erwähnt hat.

Es ist sehr wichtig, dass gerade ein Kritiker immer wieder gehört wird und uns zum Nach­denken über die Frage anregt: Was können wir besser machen? – Es ist zu wenig, wenn wir uns immer nur halbjährlich – erfreulicherweise gestern Abend im Palmenhaus, vor einem hal­ben Jahr auf dem Cobenzl, und ich weiß nicht, wo es die Tiroler demnächst tun werden – auf einen neuen Bundesrats-Vorsitzenden einstimmen.

Man könnte sagen: Lassen wir doch endlich auf Worte Taten folgen! Vielleicht bringt der Kon­vent eine Änderung für den Bundesrat – eine bessere Situierung, eine Bundesstaats-Reform. Aber zwei Punkte möchte ich vorweg doch herausgreifen, und zwar den Finanzausgleich und den von der Frau Landeshauptmann nicht erwähnten Wunsch, auch die Steuer- und Abgaben­hoheit im Land selbst zu belassen.

Ich halte es für etwas zu einfach, den Finanzminister als „Christkinderl“ zu bezeichnen, wenn er für die Bundesländer viel übrig hat, und wenn er es nicht hat, dann ist er vielleicht der „Kram­pus“, wobei das zu hart gesagt ist, aber er wird dann nicht so lobend erwähnt. Ich glaube, die Länder selbst müssen sich darum bemühen, in ihrem Bereich eine Steuer- und Abgabenhoheit zu erlangen, um jene Dinge selbst wahrzunehmen, für die der Bund auf Grund anderer Ver­pflichtungen nicht dauernd in Anspruch genommen werden soll. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Es wird immer von einem Europa der Regionen gesprochen. – Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Hochverehrte Frau Landeshauptmann! Ich bin ein Österreich-Patriot. Die Euro­pa-Regionen dienen manchen, so habe ich den Eindruck, zur Auflösung der staatlichen Einheiten. Ich warne davor! Ich will mich nicht dazu hergeben! Haben wir uns doch endlich alle zu einem Österreich-Patriotismus mit verschiedener Artikulation gefunden, so wollen wir doch nicht schon wiederum diesen Patriotismus durch ein neues Heimatgefühl, durch Grenzüber­schreitendes und so weiter ersetzen.

All das ist richtig und gut, aber bleiben wir dabei, dass bei einem wachsenden Europa im Rahmen einer EU, der ich – das ist bekannt – sehr kritisch gegenüberstehe, diese Tendenz nicht übertrieben wird. Ich müsste der EU noch viel kritischer gegenüberstehen, wenn es hieße, es werden Staatsgrenzen so aufgelöst, dass sie eigentlich nur noch eine Linie auf der Land­karte sind und sonst bestenfalls eine historische Marginalie. – So weit, bitte, will ich es nicht kommen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.03


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Vize­präsident Weiss. – Bitte.


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11.04


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Landeshauptmann! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny hat zu Beginn seiner Rede betont, kein Steirer zu sein. – Wir, die wir ihn schon länger kennen, wissen natürlich, dass es ihm gelegentlich durchaus möglich ist, im landläufigen Sinne „steirisch“ zu werden. (Heiterkeit.)

„Steirerblut ist kein Himbeersaft“ – diese von Josef Krainer begrifflich geprägte Eigenschaft der Steirer wird durch eine zweite ergänzt, die in Graz, der Kulturhauptstadt des Jahres 2003, wieder sehr eindrücklich deutlich wird, nämlich die Avantgarde. Einige ihrer Merkmale sind die Provokation, der Misston, gelegentlich auch als Selbstzweck, um Aufmerksamkeit zu erregen. Diese Avantgarde repräsentiert die Steiermark auch im politischen Bereich in einer sehr verdienstvollen Weise, und die hat natürlich auch personelle Facetten, die heute schon genannt wurden.

Ich anerkenne, dass eine dritte prägende Eigenschaft der Steiermark die viel zitierte Breite ist, die mit der Avantgarde notwendigerweise verbunden ist. Ich schätze es sehr, dass die Steier­mark ein politisches Klima hat, in dem man ein bisschen weiter vorausdenken kann, als andere folgen wollen, in dem man auch querdenken kann, mitunter auch in die rückwärts gewandte Richtung – all das ist eben steirische Breite.

Genauso steirisch ist aber auch, dass die Frau Landeshauptmann in ihrer Erklärung sehr deutlich gemacht hat, was Sache ist. – Das war, wenn man es hören wollte, gut zu vernehmen. Ich füge hinzu, dass wir Vorarlberger die Anliegen der Länder bei ihr und auch beim neuen Bundesrats-Präsidenten Hösele aus der Steiermark in den allerbesten Händen wissen.

Das gilt auch für die Umsetzung der Idee des Verfassungskonvents, bei der es in erster Linie Herrn Präsidenten Hösele gelungen ist, aus etwas bundeslastigen Vorstellungen einen wirk­lichen Österreich-Konvent zu formen, in dem auch die Landeshauptmänner, die Landtags­präsidenten und der Bundesrat eingebunden sind.

Wichtig ist auch die von ihm durchgesetzte Vorgabe, dass der Konvent nicht einseitig durch einen Willensakt des Bundes konstituiert wird, sondern auf Grund einer Vereinbarung der beteiligten Gebietskörperschaften und Parlamente. Das beinhaltet natürlich auch dankenswer­ter­weise, dass vorher über durchaus strittige Fragen Einvernehmen herzustellen ist. Das betrifft etwa die Zusammensetzung, über die man im Detail natürlich reden kann, das Mandat des Kon­vents, worüber es auch unterschiedliche Vorstellungen gibt, und dergleichen mehr.

Eine interessante Nebenwirkung des Konvents wird möglicherweise auch sein, dass ein tradi­tionell nicht uninteressanter Teil von Regierungsprogrammen an die Beratungen des Konvents ausgelagert wird, weil es wenig Sinn machen würde, im Regierungsprogramm etwas im Detail festzuschreiben, zu dessen Erarbeitung man anschließend einen Konvent einsetzen will.

An den Konvent werden hohe Erwartungen gestellt. Ich schließe mich der Meinung der Vor­redner durchaus an, dass es eine interessante Bemühung ist, die eine Chance bietet, und man soll eine derartige Chance nicht leichtfertig vorüberziehen lassen.

Wir müssen uns allerdings, wie ich meine, davor hüten, dass der Konvent auf die Frage eingeschränkt wird: Wie kann man für den Finanzminister benötigte Mittel hereinbringen? – Das ist etwas, was die Diskussion in den letzten Wochen unnötigerweise etwas belastet hat.

Der eine sieht bei Aufwendungen für alle Landtage von insgesamt – ich sage es der besseren Über­sichtlichkeit halber noch in Schilling – rund 750 Millionen Schilling in der Abschaffung eben dieser Landtage ein Einsparungsvolumen von 3 bis 4 Milliarden.  Da werden unrealistische Erwar­tungen geweckt!

Ein anderer sieht bei den Ländern und Gemeinden ein Einsparungsvolumen von 24 000 Be­diensteten, ohne dazuzusagen, ob er auch die Lehrer, die Krankenschwestern, die Ärzte, die MitarbeiterInnen in den Pflegeheimen, in den Kindergärten und so weiter meint. – Wenn er das


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nicht meint – was ich eigentlich annehme –, dann heißt das, bezogen auf das Beispiel meines Bun­deslandes und ausgehend von einem traditionell niedrigen Personalstand, dass im Ver­wal­tungsdienst der Länder und Gemeinden jeder vierte Mitarbeiter abgebaut werden müsste. – Wie eine Verwaltung unter solchen Rahmenbedingungen dann noch funktionieren soll, würde mich sehr interessieren. Es würde mich auch interessieren, ob sich ein Bundesminister meldet, der sich zutraut, in seinem Ressort – etwa im Außenministerium oder in einem anderen Res­sort – ein Viertel der Bediensteten abzubauen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang – weil man immer von den „großen Landes­verwaltungen“ spricht –, dass die drei großen Kammern in Österreich insgesamt fünfmal soviel Bedienstete haben wie die gesamte Vorarlberger Landesverwaltung.

Herr Kollege Binna hat die Notwendigkeit einer gleichen Bezahlung im öffentlichen Dienst angesprochen. – Die öffentlich Bediensteten werden ihm teilweise antworten, dass das ganz okay ist, wenn sie auch die gleichen Preise und Lebenshaltungskosten zu tragen haben.

Wir dürfen aber auch nicht übersehen, dass sich das Angebot des öffentlichen Dienstes an die Dienstnehmer in finanzieller Hinsicht auch am Markt orientieren muss. Ich sage Ihnen ein Beispiel aus meinem Bundesland: Wir leiden sehr darunter, dass viele Lehrer, viele Kranken­schwestern, viele Finanzbeamte und andere Angestellte in die Schweiz abwandern, weil dort erheblich mehr gezahlt wird. Erst kürzlich hatten wir große Mühe, das Firmenbuch wieder „flottzukriegen“, weil der Bedienstete dort seinen – im Vergleich zu dem Posten, den er nachher antreten konnte – wenig lukrativen Dienst verlassen hat. Der Bund hatte allergrößte Mühe, einen Ersatz für ihn zu finden. – Das sind Gesichtspunkte, die man auch berücksichtigen sollte.

Beim Konvent muss man sich, so glaube ich, auch dazu bekennen, dass auch der längste Weg in kleinen Schritten zurückgelegt wird. Das lehrt uns auch das Beispiel der Schweiz, wo das Vorhaben eines allumfassenden Reformwerkes nicht umgesetzt werden konnte. Sie haben es aber geschafft, in vernünftigen Schritten wesentliche Fortschritte zu erzielen, und das ist etwas, was auch in Österreich möglich sein sollte.

Es ist schon vielfach die Problematik der Zuständigkeitsverteilung angesprochen worden. Dabei geht es ohne Frage als wesentliches Element des Konvents darum, ein besseres Gleichgewicht von Vielfalt und Einheit zu finden und die Sicherung einer wettbewerbsfähigen Staatsorga­nisation unter den Bedingungen der Globalisierung und der Europäischen Union zu Stande zu bringen.

Ich glaube allerdings, dass an die These einer scharfen Trennbarkeit von Zuständigkeiten – an­ge­sichts der Verflechtung aller Lebensverhältnisse und Pro­blem­lösungen – zu hohe Erwartun­gen gesetzt werden  und dass man vielmehr darüber nachdenken sollte, wie man ein flexibles Instru­mentarium reichhaltiger machen kann.

Ich denke, dass das Kompetenzzuteilungsregime, das wir in Österreich haben, durchaus ver­besserungsfähig ist und auch Innovationen zugänglich sein sollte, etwa einer besseren Aus­formung von Ausführungs- und Grundsatzgesetzgebung, Bedarfsgesetzgebung, delegierte Gesetz­gebung und vieles andere mehr, was dabei eingebracht werden kann.

Damit kommt man auch ein bisschen um die Falle der Einheitlichkeit herum, die natürlich ein wichtiges Anliegen ist – nicht zuletzt durch unsere Mitwirkung in der Europäischen Union –, aber viele Fragen aufwirft; etwa: Gibt es eine Vereinheitlichung auf dem niedrigsten gemein­samen Nenner? Wie geht man mit Regelungen in Ländern um, die etwa im Tierschutz ein höheres Schutzniveau haben oder erst kürzlich ein modernes Dienstrecht geschaffen haben, in dem es keine Pragmatisierungen mehr gibt?, und dergleichen mehr. Man muss sich auch die Frage stellen: Wird eine bundesweite Baugesetzgebung so unverständlich sein wie das bundeseinheitliche Mietrechtsgesetz?

Diese Hinweise mögen genügen, um zu zeigen, dass man mit der scharfen Trennung hie Bund, da Land nicht mehr das Auslangen finden wird, sondern dass man verstärkt neue Instru-


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mentarien suchen muss. Die Grundsatzgesetzgebung ist eines davon, wie man Einheit und Vielfalt besser auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann.

Herr Kollege Gudenus hat die Länder aufgefordert, ihre Abgabenhoheit wahrzunehmen. – Das hat auch etwas mit Einheitlichkeit zu tun, weil in den wenigen Bereichen, in denen die Länder – oder teilweise die Gemeinden – noch die Möglichkeit haben, eigene Abgaben einzuheben, und es notwendigerweise – schon begrifflich notwendigerweise – zu teilweise unterschiedlichen Re­ge­lungen kommt, werden diese unter dem Gesichtspunkt der geforderten Einheitlichkeit immer wieder in Frage gestellt, was schon zur Forderung Ihrer Partei, Herr Kollege Gudenus, geführt hat, dass man das vereinheitlichen und dem Bund übertragen müsse.

Wenn man Abgabenhoheit und Finanzhoheit der Länder fordert, dann muss man auch dazu sagen, ob man bereit ist, die damit notwendigerweise verbundene potenzielle Ungleichheit in Kauf zu nehmen. Die Auswirkungen können Sie in anderen europäischen Ländern sehen. (Bun­desrat Mag. Gudenus: Ja, ja! Die Schweiz!) Aber man sollte sich dieser Konsequenz bewusst sein.

Herr Kollege Konecny hat hinsichtlich der Ebene der Bezirkshauptmannschaften einen interes­santen Diskussionsbeitrag gebracht. Es wird immer wieder so getan, als ob die Bezirks­haupt­mannschaften keiner direkt demokratischen Legitimation teilhaftig wären und auch nicht kon­trolliert würden. – Sie sind natürlich demokratisch legitimiert, weil es Landesbehörden sind. Das ist nichts anderes als eine örtlich ausgelagerte Dienststelle des Landes. Sie werden auch kon­trolliert, und zwar sehr intensiv vom Landtag. Sie sind etwa vergleichbar mit dem Finanzamt oder dem Vermessungsamt; und eine demokratische Legitimation, eine Demokratisierung der Finanzämter wäre ja durchaus auch eine spannende Überlegung.

Ich möchte nur auf dieses Problemfeld hinweisen, weil die Bezirksebene eben keine eigene politische Ebene ist, sondern zur Landesebene gehört, genauso wie die Finanzlandesdirektion und das Finanzamt zur politischen Ebene des Bundes gehören.

Interessant ist durchaus der Gedanke einer Region mit eigenem Statut. Das ist nichts Neues. Das ist Kernbestand sozialdemokratischen Verfassungsverständnisses. Ich möchte aber auch dabei an eine von vielen offenen Fragen erinnern, und zwar an die Autonomie und den Bestand der vielen kleinen Gemeinden, die natürlich durch ein solches Konzept weitgehend aufgesogen werden würden.

Das muss nicht von vornherein schlecht sein, man soll das diskutieren, aber man soll die Konsequenz dazu sagen, nämlich dass eine Region mit eigenem Statut, also eine ganz starke, auch demokratisch verfasste Bezirksgliederung oder regionale Gliederung natürlich die Frage nach dem Bestand der vielen kleinen und identitätsstiftenden Gemeinden aufwerfen würde. Wie die Antwort ausfällt, mag eine zweite Frage sein.

Mehrere Redner haben moniert, dass es ganz wichtig wäre, dass der Finanzausgleich auch im Bundesrat behandelt werden müsse. – Ich stimme dieser Forderung zu. Herrn Kollegen Schennach halte ich zugute, dass er bei der letzten Beschlussfassung noch gar nicht hier war. Aber die anderen Kollegen sollten sich natürlich schon daran erinnern, dass das Finanzaus­gleichsgesetz natürlich Beratungsgegenstand des Bundesrates ist, auch dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt und hier regelmäßig behandelt wird.

Man kann natürlich die Meinung haben – das ist von Länderseite auch schon vielfach vertreten worden –, dass der Finanzausgleich zustimmungspflichtig sein sollte, wie eine Verfas­sungs­änderung oder wie das Finanz-Verfassungsgesetz.

Das hat man bisher nicht zu Stande gebracht, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Der Finanzausgleich hat einen Partner, der nicht hier sitzt und der sich dadurch ins Hintertreffen gedrängt fühlen würde, nämlich die österreichischen Städte und Gemeinden. Diese fürchten natürlich, in eine schlechtere Verhandlungsposition zu kommen. – Das ist einer der Hinter­gründe, abgesehen von anderen, warum es zu diesem Zustimmungsrecht bisher nicht gekom­men ist. Aber der nächste Finanzausgleich wird auch bei unveränderter Rechtslage selbst­ver-


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ständlich hier zu behandeln sein und der Frage unterliegen, ob man Einspruch erheben soll oder nicht.

Herr Kollege Schennach hat auch die von ihm verdienstvollerweise immer wieder quasi als Erinnerungspost in die Diskussion eingebrachte Frage angesprochen, ob nicht zweck­mäßiger­weise die Landeshauptmänner im Bundesrat sitzen sollten. – Ich schließe mich dieser Meinung völlig an. Das ist an sich auch gar nicht neu.

Die Zwischenkriegszeit war von einer starken Präsenz der Landeshauptmänner hier geprägt, und in der Nachkriegszeit ist der letzte Landeshauptmann – Josef Krainer senior – erst im Jahre 1968 ausgeschieden, ganz offenkundig deshalb, weil er sich von den anderen Kollegen allein gelassen gefühlt hat. Sie sind seinem Beispiel – er hat ja ausdrücklich eine Initiative star­ten wollen – nicht gefolgt.

Die Zugehörigkeit der Landeshauptmänner wäre jetzt auch rechtlich schon möglich. Die Bun­desverfassung kennt überhaupt keine Vorgabe. Der Landtag ist in seiner Wahl völlig frei und könnte auch heute jederzeit einen Landeshauptmann oder einen Finanzreferenten oder auch einen Landtagsabgeordneten entsenden. Es wird allerdings auf Grund der gemachten Erfahrun­gen zweckmäßig sein, die Zugehörigkeit der Landeshauptmänner verfassungsrechtlich zu ver­an­kern, damit das auch unter einem möglich wird. Das ist auch eine Frage der praktischen Hand­habung, aber im Ziel sind wir uns durchaus einig.

Ich nehme aber nicht an, dass damit die Zusammenkünfte der Landeshauptmänner zur Koordi­nierung landesspezifischer Fragen überflüssig werden würden. Sie sind es auch in Deutschland nicht, wo die Ministerpräsidenten sehr stark im Bundesrat integriert sind und wo es, weil das eben zwei verschiedene Ebenen sind – die Mitwirkung an der Bundespolitik und die Koordi­nierung der verbliebenen Landespolitik –, neben dem Bundesrat eine Ministerpräsi­den­ten­konferenz gibt, auch die berühmte – manche sagen dazu, berüchtigte – Kultusminister­konfe­renz und dergleichen mehr.

Die Vorstellung, dass man all das – im Gegensatz zu den ausländischen Erfahrungen – einfach hier integrieren wird können, teile ich nicht.

Ich mache mir auch keine Sorge um den Bundesrat als Ganzes, weil die Frage stets unbe­antwortet blieb, wer denn seine Rechte ausüben würde, insbesondere das für die Länder außerordentlich wichtige Zustimmungsrecht bei Verfassungsänderungen.

Etwas anderes ist die Frage, ob man sich Sorge um die Mitglieder des Bundesrates machen muss, weil diese möglicherweise anders nominiert werden oder andere Funktionen haben werden. In dem Maße, in dem Bundes- und Landespolitik auch in der Gesetzge­bungs­zu­ständigkeit stärker verschränkt werden, steigt natürlich auch die Notwendigkeit, dass die Länder mitwirken können. Und in dem Maße, in dem Vollziehungszuständigkeit an die Länder über­tragen wird – unter dem Stichwort „Dezentralisierung“, „Abbau von Doppelgleisigkeiten“ und der­gleichen mehr –, steigt natürlich auch die Notwendigkeit, dass bei der Erarbeitung von Ge­setzen die konkrete Vollziehungserfahrung stärker eingebracht wird – ein Mangel des bishe­rigen Gesetzgebungsverfahrens, der teilweise auch an der Qualität der Gesetze sichtbar ist.

Ich teile hier also die Auffassung, dass man keine Sorge haben muss.

Vorarlberg hat im Gegensatz zur Steiermark – das ist ein weiteres wesentliches, prägendes Ele­ment – keine große Bergbautradition, eine kleine jedoch schon: Wir hatten vor etwa 300 Jahren noch einen kleinen Silberbergbau. Daher ist es nicht unangebracht, wenn ich der Steiermark einen bergmännischen Gruß, „Glück auf!“, mit auf den Weg gebe. (Allgemeiner Beifall.)


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11.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Landes­hauptmann. – Bitte.

11.21


Landeshauptmann von Steiermark Waltraud Klasnic: Meine Damen und Herren! Sie haben gemerkt, was partnerschaftliche Zusammenarbeit sein kann. Jürgen Weiss hat vieles gesagt, und er ist auch auf die Ausführungen seiner Vorrednerinnen und Vorredner eingegangen.

Ich möchte mich beim steirischen Botschafter Vincenz Liechtenstein dafür bedanken, dass er auch das, was Steiermark und Europa bedeutet, in dieser Debatte angesprochen hat und dass er sich in diesem Sinne voll und ganz einsetzt.

Lieber Herr Kollege Binna! Sie haben eine stabile Lösung für Österreich verlangt. – Das ist ein gemeinsamer Wunsch. Dazu braucht es viel Mut, es braucht Kraft, es braucht aber auch Entscheidungsfreudigkeit. Das ist es, was wir uns in diesen Tagen wünschen. Die einzelnen Details betreffend Bezirksgericht, Sport und so weiter müssen wir im Landtag diskutieren.

Damit komme ich auch schon auf Kollegen Weilharter zu sprechen, und jetzt sage ich etwas, ganz ehrlich: Meldet euch öfter – bei dem, wo dies schon möglich ist! Den Rest geben wir dann dazu. Darüber kann man jederzeit reden, was die steirische Landesverfassung betrifft, wenn alle Parteien es wollen. Wir werden euch dabei unterstützen, weil es einfach notwendig ist. Es ist auch das Aufeinanderhören, das Einanderzuhören und das Aufeinanderzugehen etwas ganz Gutes.

Reformwilligkeit, Selbstbewusstsein – daran soll es den Damen und Herren im Bundesrat nicht mangeln; das wollte ich auch sagen. Selbst wenn es die eine oder andere Zeitungsmeldung gibt, die eine andere Darstellung enthalten mag, ist das genau das, was wir uns wünschen. Ich darf mich bei Herrn Bundesrat Schennach für seine Unterstützung in diesem Zusammenhang bedanken.

Wir wissen, dass es immer jemanden braucht, der auch einige Schritte nach vor geht – ich habe das auch angesprochen –, der etwas aus seiner Sicht aufzeigt. Was ich mir immer wünsche, ist, dass das Aufzeigen in solchen Stunden auch ein ernsthaftes Aufzeigen sein möge, weil ich glaube, dass die Arbeit, die wir tun – im Bund, im Land, in der Gemeinde –, ernsthaft sein muss. Das verlangen die Menschen von uns, dazu sind wir gewählt. Dass man aber manches auch vorzeichnen und überzeichnen kann, ist legitim.

Ich darf nun auch noch auf das zu sprechen kommen, was Herr Bundesrat Konecny angesprochen hat: nicht gleich nein sagen! All die vorliegenden Vorschläge sollen nicht in die Schublade gelegt, sondern diskutiert werden! Es muss ein Brainstorming geben, bei dem der Dialog nicht abgelehnt wird, bei dem es nicht heißt, etwas sei nicht gut, weil es von der Seite A, B oder C kommt. Nur wenn wir uns an einen Tisch setzen und miteinander reden, kommen wir zu dem, Herr Mag. Gudenus, was Sie gemeint haben, nämlich dass den Worten endlich Taten folgen.

Wir müssen dazu bereit sein, und zwar alle. Da dürfen wir nicht darüber nachdenken, ob wir uns jetzt in der Verantwortung der Regierung oder aber in Opposition befinden, sondern wir müssen sagen: Was erwarten die Menschen von uns? – Sie erwarten, dass diese Taten auch tatsächlich umgesetzt werden.

Jürgen Weiss hat viele Brennpunkte angesprochen, und ich bedanke mich bei ihm dafür. Ich sage ganz bewusst dazu, dass Vorarlberg – ich bringe das jetzt hier im Bundesrat zum Aus­druck, aber ich sage es auch für meine Kollegen als Landeshauptleute – immer wieder gerade im Sinne des Föderalismus eine Position auf Sitz und Platz I vertritt und auch das Wort immer wieder in diesem Sinne erhebt. Ich sage das deshalb, weil ich für all das wirklich dankbar bin, weil es dazu beiträgt, dass wir in dieser Frage dann doch immer wieder weiterkommen.

Ich könnte zu diesem Thema noch vieles erzählen, möchte hier aber nur einen Vorschlag nennen, den es in der Landesregierung diese Woche gegeben hat, nur damit man sieht, um welch kleine Dinge es in dieser Frage geht:


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Wenn beim Lenker eines Fahrzeuges ein Drogentest auf der Ebene der Bundespolizeidirektion Graz oder Leoben durchgeführt wird und dieser ergibt, dass der Lenker unschuldig ist, wenn also nichts gefunden wird, dann wir das Testergebnis vom Bund bezahlt. Wird der Test außer­halb der Stadtgrenze, bei der Gendarmerie durchgeführt, dann muss das Ergebnis das Land zahlen. – Das sind solch kleine Dinge, angesichts deren man nachdenkt und sich die Frage stellt: Ist das gescheit? Kann man da nicht etwas verändern? – Das sind unsere Aufgaben. Da ha­ben wir viel zu tun, denn solche Nadelstiche gibt es Hunderte.

Jürgen Weiss, du hast gesagt, die Steiermark und Graz seien Avantgarde. Du hast in diesem Zusammenhang vieles angesprochen. – Einer, der die Avantgarde geprägt hat, hat zum Thema Heimat noch etwas dazugesagt. Hanns Koren, der für uns die Avantgarde gelebt hat und der in diesem Sinne auch in unserer Erinnerung ist und bleiben wird und in diesem Zusammenhang auch immer erwähnt wird, hat Heimat nicht nur als Weite, als Breite bezeichnet, sondern er hat gesagt, sie ist nicht Enge und Weite, sie ist auch Tiefe. Und an der Tiefe der Ernst­haftigkeit unserer Leistung werden wir gemessen werden.

Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute und freue mich, wieder einmal ein Stück Steiermark eingebracht haben zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

11.25


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Ich stelle dennoch die – rein hypothetische – Frage: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Daher ist die Debatte geschlossen.

Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt ist ein Schreiben des Bundes­kanzleramtes betreffend die Entschließung des Herrn Bundespräsidenten über die Neufest­setzung der Zahl der Mitglieder aus Anlass der ordentlichen Volkszählung vom 15. Mai 2001.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.


Schriftführer Christoph Hagen: Bundeskanzleramt

An den Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Parlament

1082 Wien

Betrifft: Bundesrat; Neufestsetzung der Zahl der Mitglieder aus Anlass der ordentlichen Volks­zählung vom 15. Mai 2001; Entschließung des Bundespräsidenten

Der Herr Bundespräsident hat mit Entschließung BGBl II Nr. 444/2002 die Zahl der von den Ländern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder auf Grund des Art. 34 Abs. 2 und 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung des Art. III des 2. Verfassungs-Überleitungsgesetzes 1945, StGBl. Nr. 232, und des Ergebnisses der ordentlichen Volks­zählung vom 15. Mai 2001 wie folgt neu festgesetzt:

Niederösterreich 12 Mitglieder,

Wien 11 Mitglieder,

Oberösterreich 11 Mitglieder,

Steiermark 9 Mitglieder,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
693. Sitzung / Seite 37

Tirol 5 Mitglieder,

Kärnten 4 Mitglieder,

Salzburg 4 Mitglieder,

Vorarlberg 3 Mitglieder,

Burgenland 3 Mitglieder.

Es darf darauf hingewiesen werden, dass sich gegenüber der Festsetzung der Zahl der Mit­glieder des Bundesrates durch die Entschließung des Bundespräsidenten BGBl. Nr. 194/1993 insofern eine Veränderung ergibt, als die Länder Kärnten und Steiermark je ein Mitglied im Bundesrat verlieren; die Zahl der von den anderen Ländern zu entsendenden Mitglieder bleibt gleich.

Auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 2514/1953 wird hingewiesen.

Das Bundeskanzleramt darf darauf hinweisen, dass die Entschließung des Herrn Bundes­präsidenten betreffend die Festsetzung der Zahl der von den Ländern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder am 7. Dezember 2002 in Kraft getreten ist.

22. Jänner 2003

Für den Bundeskanzler:

Okresek“


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dafür, dass Sie uns dieses Schreiben zur Kenntnis gebracht haben.

Ich möchte nunmehr den Mitgliedern des Bundesrates eine vom Bundeskanzleramt-Verfas­sungs­dienst zur Frage der Verhinderung des Bundeskanzlers durch die Ausübung der Ver­tretung des Bundespräsidenten vorliegende gutächtliche Stellungnahme zur Kenntnis bringen, die vom Amtsvorgänger Präsident Ludwig Bieringer in Auftrag gegeben worden ist.

Auf Grund eines in der 691. Sitzung des Bundesrates vom 26. September 2002 vom Fraktions­vorsitzenden Professor Albrecht Konecny gestellten Antrages zur Geschäftsbehandlung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers gemäß § 37 Abs. 2 der Geschäftsordnung wurde an den Ver­fassungsdienst die Frage herangetragen, ob durch den zu diesem Zeitpunkt mit der verfas­sungsmäßigen Vertretung des im Ausland weilenden Herrn Bundespräsidenten betrauten Bun­des­kanzler Dr. Wolfgang Schüssel und dem seinerseits in dieser Funktion mit der Vertretung be­trauten Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Mag. Wil­helm Molterer, der Verhinderungs- und damit der Vertretungsfall eingetreten sei und so­mit von einem derartigen Verlangen nach Anwesenheit des Bundeskanzlers im Bundesrat der Bundeskanzler persönlich oder der mit seiner Vertretung beauftragte Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer betroffen sei.

In der vorliegenden schriftlichen Stellungnahme des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst wird wie folgt angeführt – ich zitiere –:

„Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 23. September 2002, Zl. 300.100/66-BEV/2002, wurde gemäß Art. 69 Abs. 2 B-VG für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers am 26. September 2002 der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Mag. Wilhelm Molterer, mit der Vertretung des Bundeskanzlers betraut.

Aufgrund des Sachzusammenhanges musste der Eindruck entstehen, diese Entschließung sei gefasst worden, weil der Bundeskanzler (im Hinblick auf die Ausübung der Vertretung des Bun­despräsidenten) und die Vizekanzlerin (im Hinblick auf ihren Auslandsaufenthalt) am 26. Sep-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
693. Sitzung / Seite 38

tem­ber 2002 gleichzeitig verhindert sein würden. Auch der Vertreter des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst (miss)verstand die Entschließung so, dass sie eine Regelung für den am 26. September 2002 eingetretenen ,Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers’ enthält, und erteilte demgemäß die – wie sich nachträglich herausstellte, unrichtige – Auskunft, wenn und weil für den Bundeskanzler ein Vertreter bestellt worden sei, könne er auch nicht vor den Bundesrat zitiert werden (sondern nur sein Vertreter).

Eine Klärung dieses Missverständnisses war innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit bedauerlicherweise nicht möglich.“ – Ende des Zitats.

Dies möchte ich den Mitgliedern des Bundesrates zur Kenntnis bringen.

Eingelangt sind weiters die Anfragebeantwortungen 1857/AB bis 1876/AB, die den Anfrage­stellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bun­desrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Der eingelangte Bericht des Rechnungshofes gemäß Artikel 1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001 wurde bereits an alle Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Den weiters eingelangten Bericht über die soziale Lage 2001 - 2002 hat der Herr Präsident dem Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen zur Vorberatung zugewiesen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Der Herr Präsident hat diese Vorlagen sowie die Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates und die Wahl der vom Bundesrat zu ent­sendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Januar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz 1984, das Richterdienstgesetz und das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert werden (Besoldungs-Novelle 2003) (6/A und 3/NR sowie 6765 und 6766/BR der Beilagen)


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Besoldungs-Novelle 2003.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Friedrich Hensler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Vize­kanzlerin! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich bringe Ihnen den


Bundesrat
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Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Natio­nalrates vom 23. Jänner 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Richter­dienstgesetz und das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert werden (Besoldungs-No­velle 2003).

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf das Wesentliche:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Jän­ner 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

11.36


Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Vizekanzlerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung der ersten Sitzung des Nationalrates nach seiner Konstituierung hat einen für den öffentlichen Dienst sehr erfreulichen Punkt enthalten, nämlich die Beschlussfassung über das Ergebnis der Gehaltsverhandlungen. Der Inhalt dieses Ergebnisses ist Ihnen bekannt. Ich darf es im Folgen­den nur ganz kurz in Erinnerung bringen:

Es wurde beschlossen, eine Valorisierung der Bezüge um 2,1 Prozent mit Beginn dieses Jahres durchzuführen, wobei man sich auf einen Mindestbetrag in der Höhe von 30 € festgelegt hat. Beides dient – und das wird immer wieder besonders hervorgehoben – einerseits der Erhaltung der Kaufkraft, und andererseits wird es als eine wichtige Sozialmaßnahme gesehen, dass etwa ein Drittel der öffentlich Bediensteten von diesem Mindestbetrag betroffen sein werden.

Diese Erhöhung bezieht für das abgelaufene Kalenderjahr eine Abgeltung von nur 0,8 Prozent ein. Die Gespräche über eine Abgeltung der tatsächlichen Inflationsrate werden demnächst aufge­nommen; so ist es bereits vereinbart.

Vereinzelt hat man in den vergangenen Wochen den Vorwurf gehört, der auch in schriftlicher Form an viele Dienststellen gerichtet wurde, dass infolge der bedingt durch die vorgezogenen Neuwahlen erst verspätet möglichen Beschlussfassung der öffentliche Dienst unter Umständen bis März auf diese Bezugserhöhung, die dann natürlich rückwirkend mit Jahresbeginn erfolgt, warten muss.

Das trifft nicht überall zu. Man hat es in einigen Bundesländern – in vollem Vertrauen auf unsere Arbeit im Parlament – gewagt, das Ergebnis vorwegzunehmen. Drei Bundesländer haben das für ihre Landesbediensteten getan – ich weiß nur zwei davon, nämlich mein Bundesland und das Bundesland Steiermark –, und fünf Landeshauptleute haben bereits zeitgerecht, nämlich etwa Mitte Dezember, als das Ergebnis der Verhandlungen bekannt geworden ist, den Auftrag gegeben, diese Gehaltserhöhung auch bei den Pflichtschullehrern bereits mit Jahresbeginn vorzunehmen.

Ich darf mich dafür herzlich bedanken; auch Fritz Neugebauer hat die Gelegenheit im Nationalrat genutzt, um dies zu tun, und er hat auch Ihnen, Frau Vizekanzlerin, herzlich für das Verhandlungsergebnis gedankt. Ich persönlich freue mich sehr, dass es gelungen ist, Fritz Neugebauer als Abgeordneten in den Nationalrat einzubinden. Ich bin überzeugt, dass das für unsere Arbeit hier sicherlich sehr wichtig und sehr nutzbringend sein wird, weil er – ich kenne ihn schon sehr lange und darf das so sagen – ein Standesvertreter ist, der sich notwendigen und sinnvollen Reformen im öffentlichen Dienst nicht verschließt, aber das dafür nötige Augenmaß immer klar aufzeigt.


Bundesrat
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Wir erleben es sehr oft, dass – nicht nur in Medienberichten, sondern ich höre es auch hier in unserem Kreis des Öfteren – Bemerkungen über den öffentlichen Dienst fallen oder Urteile gefällt werden, die, so denke ich, doch einer groben Unkenntnis oder zumindest einer nur sehr vagen Kenntnis über diesen Bereich entspringen und die zurechtgerückt werden müssen, und dafür ist Fritz Neugebauer als oberster Standesvertreter sicherlich der Kompetenteste.

Ich beklage sehr oft und es stört mich sehr, dass wir alle dazu neigen, andere Bereiche, von denen wir vielleicht zu wenig wissen, zu beurteilen – und das meist negativ. Ich wünsche mir, dass wir einander mit mehr Vertrauen, mit einer größeren Bereitschaft und mehr Bemühen, den anderen Bereich zu verstehen und sich damit auseinander zu setzen, begegnen, vor allem aber auch mit weniger Neid, der wirklich nur sehr selten angebracht und gerechtfertigt ist.

Präsident Hösele ist jetzt nicht im Saal, aber ich nehme an, dass er in seinem Büro vor dem Bildschirm sitzt und mich hört, daher darf ich ihn direkt ansprechen: Auch ich darf dir jetzt in der Reihe der vielen Gratulationen, die heute schon ausgesprochen wurden, alles Gute wünschen. Du hast das Glück, dass deine Funktionsperiode in eine Zeit fällt, in der es jetzt wirklich endlich konkret wird mit Diskussionen in Richtung einer notwendigen Verfassungsreform, die auch uns wesentlich betreffen wird.

Ich wünsche dem Präsidenten und seinen Nachfolgern, die diese Aufgabe dann weiter mit­tragen werden, viel Erfolg und viele gute Überlegungen – eine ganze Reihe davon ist heute schon angeführt worden. Ich wünsche vor allem, dass vieles davon dann auch wirklich für unseren Bereich durchgesetzt wird.

Ich weiß, dass die Diskussion über die Erklärung von Frau Landeshauptmann Klasnic bereits abgeschlossen ist, aber da ich bei einer Bemerkung von ihr hängen geblieben bin, möchte ich doch noch etwas dazu sagen.

Frau Landeshauptmann Klasnic hat auf ihre Zeit hier im Bundesrat zurückgeblickt und gemeint, dass das eine sehr wichtige Zeit sei, für Funktionen oder Aufgaben im Nationalrat und im Land­tag zu lernen. Das hat mich ein bisschen gestört, weil ich auch immer wieder erlebe, dass viele von uns den Bundesrat als Sprungbrett für andere Gremien sehen – verständlicherweise, wenn man an ein höheres Prestige oder auch an den finanziellen Aspekt denkt.

Ich wünsche mir, dass wir unsere Aufgabe hier herinnen sehen, dass wir uns mit dieser Auf­gabe, mit der Verantwortung hier herinnen identifizieren, unseren Platz hier herinnen sehen und nicht anderswo hinstreben.

Ich habe vor etwa einem Jahr anlässlich meiner Präsidentschaft festgestellt, dass in den drei Jahren davor etwa 30 neue Bundesräte zu uns gestoßen sind – das ist fast die Hälfte. Ich meine, dass diese Fluktuation zu groß und für dieses Gremium nicht gut ist.

Mein großer Wunsch ist, dass wir uns wirklich mehr damit identifizieren – vielleicht wird das etwas leichter, wenn es tatsächlich zur Aufwertung des Bundesrates, was ich hoffe, kommen wird.

Im allerletzten Satz darf ich auf den Antrag zurückkommen und erklären, dass meine Fraktion diesem Antrag zustimmen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.43


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Rosenmaier. – Bitte.

11.43


Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte und geschätzte Frau Präsidentin! Frau Vizekanzlerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Besoldungs-Novelle für das Jahr 2003 spiegelt sich im Wesentlichen das Verhandlungsergebnis


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693. Sitzung / Seite 41

der Besoldungsregelung für die Bundesbediensteten sowie für die Landeslehrer – und das ab 1. Jänner 2003 – wider.

Das Ergebnis, das eine Valorisierung der Bezüge von 2,1 Prozent und eine Erhöhung der Gehälter um mindestens 30 € vorsieht, kann man durchaus als sehr guten Abschluss und als Erfolg bezeichnen. Zum Zeitpunkt der Budgetkonsolidierung ein solches Ergebnis zu erzielen, dafür kann man, so glaube ich, nur Hochachtung aussprechen.

Für mich war es besonders wichtig, dass aus sozialen Aspekten die Bezieher der unteren Einkommen berücksichtigt wurden. Die damit verbundene Kaufkraftsicherung ist sicherlich ein positiver Zusatzeffekt und als solcher zu begrüßen.

Der Umstand, dass drei Länder bereits diesbezügliche Regelungen geschaffen haben, zeigt, dass die nunmehr zu beschließende Novelle bereits überfällig war. Es wird daher in Zukunft wichtig sein, autorisierte Vertreter der Länder und des Städte- und Gemeindebundes auf Arbeit­geberseite sowie die zuständige Gewerkschaft auf Arbeitnehmerseite in die Verhand­lun­gen – und das von Anfang an – mit einzubinden. Das ist keine Neuerfindung, sondern das hat bereits einmal gut funktioniert und soll nur als Gedächtnisstütze dienen.

Dass Hunderte Planstellen in den Ministerien eingespart wurden, sehe ich persönlich nicht mit Stolz, sondern lediglich als Folge einer notwendigen strukturellen Veränderung.

Als Schlag ins Gesicht für jene, welche den Sockelbetrag in der Höhe von 30 € bekommen, betrachte ich die Anhebung der Zahl der Funktionsgruppen von 8 auf 9. Wenn schon schlanker Staat, dann nicht nur bei dem so gern zitierten „kleinen Mann“, sondern bitte auch bei den Großen.

Sosehr ich mich darüber freue, dass ungefähr 30 Prozent der Bediensteten von der Regelung „mindestens 30 € mehr“ profitieren – ich sage das ohne das geringste Neidgefühl –, so unverständlich ist für mich die Aufwertung hinsichtlich der Funktionsgruppe 9, da man da ohnehin schon bei den Höchstbezügen angesiedelt ist.

Geschätzte Damen und Herren! Ich überlasse es Ihrer persönlichen Beurteilung, was sich jene Kolleginnen und Kollegen, die um 30 € mehr bekommen, denken werden, wenn bereits gut Eingestufte ein Vielfaches davon erhalten.

Ich möchte nun noch die Gelegenheit nützen, mich persönlich, aber auch im Namen der sozialdemokratischen Fraktion bei allen Bediensteten für ihre Leistungen und ihren persön­lichen Einsatz für unsere Heimat und deren Bürger zu bedanken. Wir von der SPÖ-Fraktion werden das Unsrige dazu beitragen, dass das auch in Zukunft so sein wird. Es ist wichtig, dass die öffentlich Bediensteten – und darauf möchte ich besonders hinweisen – nicht verunsichert werden, denn gerade sie sind ein Garant für den ordentlichen Ablauf der Geschehnisse in unserer Republik. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

11.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte.

11.47


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Vizekanzlerin, ich darf dich hier im Bundesrat recht herzlich begrüßen – die Begrüßung ist vorhin im Trubel, so glaube ich, untergegangen, daher werde ich das jetzt übernehmen, wenn ich darf, Frau Präsidentin! (Heiterkeit.) Ich nehme mir das einfach heraus. (Zwischenrufe.) Man sagt nicht umsonst, dass der Schriftführer die rechte Hand des Präsidenten ist, und dann darf man auch einmal einspringen, wenn etwas im Trubel ein bisschen untergeht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über das Gehaltsgesetz der Beamten, und ich muss hier als sehr positiv erwähnen, dass der Abschluss


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von 2,1 Prozent Gehaltserhöhung ein sehr großer Schritt ist. Im Vergleich dazu waren es im vergangenen Jahr, also im Jahr 2002, 0,8 Prozent plus die Inflationsabgeltung, die im Moment noch in Verhandlung ist – auf die komme ich später noch zurück. 2,1 Prozent, mindestens aber 30 € für die kleinen Einkommen sind meiner Ansicht nach doch ein ordentlicher Wurf. Dieser Gehaltsabschluss unterscheidet sich von früheren, die wesentlich geringer ausgefallen sind, deutlich. Ich denke dabei an die Null-Lohnrunden 1996/97 unter einer rot-schwarzen Koalition – Gott behüte uns, dass uns so etwas noch einmal passiert! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe.) – Gott geht ja eventuell in die Verfassung ein, also darf ich hier auch Gott anrufen und ihm einen Wunsch vorbringen.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass der Vorschlag der Frau Vizekanzlerin lautete: 47 € Fixum für alle Stufen. Das heißt, die Kleinen hätten wesentlich mehr bekommen und denen wäre stärker geholfen worden, die Großen, die ohnehin schon fette Gehälter haben, hätten etwas weniger bekommen. Ich meine, dieser Vorschlag ist absolut fair gewesen, er wurde aber leider von der Gewerkschaft abgelehnt. Daher muss ich doch eine Rüge an die Gewerkschaft richten: So hervorragend hat Herr Neugebauer nicht verhandelt, denn das war nicht im Sinne der kleinen Beamtinnen und Beamten.

Ich glaube, dass die Gewerkschaft da die kleinen Beamtinnen und Beamten etwas im Stich gelassen hat zugunsten der Bezieher hoher Gehälter. Aber vielleicht kommt die Frau Vize­kanzlerin selbst noch darauf zu sprechen.

Ich möchte Sie weiters darüber informieren und zugleich eine Bitte an die Frau Vizekanzlerin richten: Von der AUF wurde im Vorfeld der Verhandlungen betreffend die Inflationsabgeltung der Wunsch nach einer Abschlagszahlung für 2002 in der Höhe von 250 € eingebracht. Ich hoffe, die Frau Vizekanzlerin hat ein offenes Ohr für diese Forderung, denn das betrifft die Beamten, die in den letzten Jahren nicht immer gerade verwöhnt wurden. Außerdem wurde ein Betrag in der Höhe von 15 € Gehaltserhöhung zusätzlich für das Jahr 2003 reklamiert. Vielleicht werden Sie, Frau Vizekanzlerin, dazu noch etwas sagen, aber ich denke, das wäre ein deut­liches Signal in die Richtung, die Beamten nicht immer nur zu hauen, wie dies in der öffent­lichen Meinung herübergekommen ist. – Ich weiß, dass die Medien nicht immer das berichtet haben, was von der Frau Vizekanzlerin gesagt wurde. Ich bin oft daneben gestanden und habe etwas völlig anderes gehört, als dann in den Medien berichtet wurde.

Die Frau Vizekanzlerin hat sehr wohl unterschieden zwischen Beziehern hoher Gehälter, zwi­schen fleißigen Beamten, die entsprechend belastet sind, und – sagen wir es einmal so – Sessel­klebern, denen es bei einem Arbeitsunfall höchstens passieren könnte, dass sie sich, wenn sie am Schreibtisch einschlafen, mit dem Bleistift stechen – salopp gesagt. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Bitte also: diese Gehaltsforderungen der AUF etwas in den Vordergrund zu stellen beziehungsweise ihnen entgegenzukommen.

Ich möchte noch, wenn wir schon bei den Beamten und deren Gehaltsgesetz sind, ein wichtiges Gesetz ansprechen, und zwar das Exekutivdienstgesetz. Als Exekutivbeamter im Außen­dienst – auf Grund meiner politischen Funktion bin ich im Moment im Innendienst, ich war aber zuvor mehr als zwölf Jahre lang im Außendienst – erlebt man sehr viel, und man hat wirklich einen harten Job, der mit nur sehr wenig zu vergleichen ist. Das Exekutivdienstgesetz würde eine faire Basis schaffen in Bezug auf die Pensionsdiskussion, die jetzt in aller Munde ist.

Ich möchte Ihnen sagen: Es ist schlimm, wenn man miterlebt, wie ich es jetzt beim Landes­gendarmeriekommando in Vorarlberg sehe, dass die Kollegen mit 55 Jahren, ja teilweise schon mit 40 Jahren wie die Fliegen an Krebs „dahinsterben“. Es gibt einem zu denken, wenn die jährliche Todesrate so hoch ist, dass man sich fragt, woran das wirklich liegt. Der psychische Stress, mit dem die Beamten im Außendienst fertig werden müssen, ist nicht gerade ein Honig­lecken.


Bundesrat
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Wenn ich von Professor Haller von Maria Ebene, einer Alkoholentzugsstation höre, dass Ärzte und Exekutivbeamte am anfälligsten sind für Alkoholmissbrauch, weil sie den Druck und den Stress nicht mehr aushalten, dann muss ich sagen, wir müssen darüber nachdenken, wie man diesen Leuten entgegenkommen kann, sowohl in finanzieller Hinsicht, mit genügend Freizeit­möglichkeiten, als auch vielleicht mit einer früheren Pensionierung. Denn der europäische Ver­gleich zeigt folgendes Bild: In ganz Europa gibt es kein zweites Land, in dem der Pensions­antritt bei der Exekutive in einem so hohen Alter erfolgt wie in Österreich. Da besteht sicher Reformbedarf.

Die Frau Vizekanzlerin hat mit dem Exekutivdienstgesetz den ersten Schritt gesetzt, es ist aber leider nicht mehr fertig geworden. Daher mein Appell an die Kollegen der schwarzen Fraktion: Der Herr Bundeskanzler hat in der „Elefantenrunde“ im ORF verkündet, dass er dieses Exe­kutiv­dienstgesetz gutheiße und dass es notwendig sei. Ich möchte ihn heute von dieser Stelle aus erinnern – ich weiß nicht, ob er mir zuhört, ich glaube es nicht, aber vielleicht werden Sie ihm das zutragen –, dass er an die Wichtigkeit, die er diesem Exekutivdienstgesetz in der „Ele­fan­ten­runde“ im ORF beigemessen hat, auch nach der gewonnenen Wahl noch denkt und etwas unternimmt, dass es da wirklich zu einer Verbesserung kommt.

Zum Schluss möchte ich – ich nehme an, die Frau Vizekanzlerin ist die falsche Adresse; die Frau Vizekanzlerin wird vermutlich nicht mehr mit diesem Thema befasst werden, aber es war ihr Fachgebiet – im Zusammenhang mit den Einsparungen bei den Beamten einen Appell an Sie, eigentlich an Ihren Nachfolger oder Ihre Nachfolgerin, Frau Vizekanzlerin, richten: Man kann nicht nur bei der Zahl der Köpfe einsparen, aber die Aufgaben nicht verringern, sondern da muss eines mit dem anderen Hand in Hand gehen. Das sollte man nicht aus den Augen verlieren.

Alles in allem: Wir freuen uns über die Gehaltserhöhung. Wie gesagt, es gibt noch Möglich­keiten für eine Verbesserung, wenn man die Inflationsabgeltung betrachtet. Ich hoffe, dass das relativ schnell geht, dass die Verhandlungen rasch abgeschlossen werden können, aber das liegt nicht nur an der Frau Vizekanzlerin, sondern auch an den Kollegen der Gewerkschaft, in der hauptsächlich Rot und Schwarz vertreten sind. Daher auch an diese mein Appell, rasch und positiv für die Beamten zu verhandeln.

Wir freuen uns also über das zur Beschlussfassung vorliegende Gesetz, wir hatten schon lange nicht mehr einen solch positiven Gehaltsabschluss. Meine Fraktion wird diesem Gesetz selbst­ver­ständlich sehr gerne zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.56


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Frau Vizekanzlerin! Lieber Kollege Hagen! Ich muss jetzt schon etwas klarstellen: Ich habe natürlich nicht aus Missachtung oder sonst einem Grund die Frau Vizekanzlerin nicht persönlich begrüßt.

Einige Kolleginnen und Kollegen, die schon länger diesem Haus angehören, werden sich daran erinnern, dass wir früher folgendes Ritual hatten: Wenn ein Mitglied der Bundesregierung den Saal betreten hat, dann haben wir submissest gegrüßt. Wir haben dann – wenn ich mich richtig erinnere, auf Antrag der freiheitlichen Fraktion (Heiterkeit) – in der Präsidiale beschlossen, dieses Begrüßungszeremoniell zu unterlassen.

Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Es war dies keine Missachtung, sondern etwas, was wir ein­mal in einer Präsidiale beschlossen haben. (Bundesrat Konecny: Wieder einmal Opfer Ihrer Frak­tion, Frau Vizekanzlerin! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ich war noch nie ein Opfer!) – Aber wir können das gerne ändern.

Es ist ja beibehalten worden, dass wir uns selbstverständlich mit Handschlag begrüßen, wenn jemand kommt.

Frau Vizekanzlerin, ich darf Ihnen das Wort erteilen. – Bitte.


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693. Sitzung / Seite 44

11.57


Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie sehr herzlich und freue mich, bei einem Tagesordnungspunkt hier zu sein, der – von meinen Vorrednern wurde darauf schon hingewiesen – wichtig ist, nämlich dem Gehaltsabschluss für das Jahr 2003. Es ist dies der dritte Gehaltsabschluss, den ich mit der Gewerkschaft verhandelt habe.

Zielsetzung bei all diesen Verhandlungen war es von meiner Seite, beim Gehaltsabschluss soziale Gerechtigkeit und Ausgewogenheit im Auge zu haben, auch in der Hinsicht, dass wir die Bezieher kleiner Einkommen im öffentlichen Dienst besonders begünstigen – Sie haben das schon erwähnt. Ich glaube, dass das deswegen wichtig ist, weil wir eine sehr große Schere haben, wenn wir von Beamtengehältern reden. Die Durchschnittsgehälter der Beamten sind natürlich relativ hoch im Vergleich zur Privatwirtschaft, es gibt im öffentlichen Dienst allerdings eine Gruppe, die weit darunter liegt, nämlich die Bezieher kleiner Einkommen.

Daher war es mir schon im Jahr 2000 bei den Gehaltsverhandlungen wichtig, entsprechende Schritte zu setzen: Wir haben damals einen Fixbetrag in der Höhe von 500 S ausverhandelt. Und wir haben jetzt, wie gesagt, mit dem Mindestbetrag eine entsprechende Absicherung in die Richtung geschaffen, dass die Bezieher kleiner Einkommen entsprechend begünstigt werden.

Da Herr Kollege Rosenmaier die soziale Gerechtigkeit angesprochen hat, muss ich Ihnen Folgendes sagen: Das, was wir gemacht haben, auch bei den Gehaltsverhandlungen, und zwar gegen massiven Widerstand Ihrer Gewerkschaftsfraktion, war, die freiwilligen Sozialleistungen für die Fixbezügler, das heißt für die Beamten mit hohen Bezügen, entsprechend zu kürzen. All das waren Einführungen von sozialdemokratischen Regierungen in den Jahren zwischen 1970 und 2000, also Essensmarken für Sektionschefs und so weiter; ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen, ich möchte Ihnen das jetzt ersparen, Herr Kollege, aber wir wissen, wovon wir reden. Diese Dinge abzuschaffen, ist ein Ausdruck sozialer Gerechtigkeit, denn das waren Dinge, die explizit eingeführt wurden, um den Beziehern kleiner Einkommen einen sozialen Aus­gleich zu geben.

Das ist etwas, was mir im Sinne der Gerechtigkeit und Ausgewogenheit besonders wichtig war und was wir Gott sei Dank auch gegen den Widerstand Ihrer Gewerkschaftsfraktion durch­gesetzt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Kollege Rosenmaier! Sie haben die Frage angesprochen – ich möchte das nicht unbeantwortet lassen –, warum die Länder nicht in die Verhandlungen eingebunden waren. – Mit gutem Grund waren sie nicht eingebunden: weil 1997 von der damaligen Regierung – und wie ich meine, zu Unrecht – das Harmonisierungsgebot aufgehoben wurde. Ich halte das für einen ganz schweren Fehler. Es hat sich gezeigt, dass in der Zwischenzeit die Schere zwischen Landes- und Bundesdienst extrem auseinander gegangen ist. Das hat dazu geführt, dass Sie derzeit keinen Landesbeamten mehr finden werden, der bereit ist, in den Bundesdienst zu wechseln, weil er im Regelfall in seinem Land eine wesentlich günstigere Regelung hat. Das ist ein Zustand, der eigentlich unhaltbar ist.

Ich habe mich in allen drei Jahren meiner Amtszeit sehr darum bemüht, die Länder dazu zu bringen, wieder dieses Harmonisierungsgebot zu beachten, und zwar sowohl in Fragen der Pensionsreform als auch in Fragen der Gehaltsverhandlungen. Die Länder waren nicht dazu bereit. Folgendes sage ich Ihnen ganz ehrlich: Dass ich mit Leuten am Tisch sitze, die mir beim Verhandeln nur die Zeit stehlen, ohne dass sie sich an das Verhandlungsergebnis gebunden fühlen, das mache ich – mit Verlaub gesagt – nicht! Das habe ich den Ländern auch immer gesagt.

Ich habe gesagt: Gemeindebedienstete und Ländervertreter sind herzlich zu den Ver­hand­lungen eingeladen, aber natürlich nur dann, wenn das Ergebnis für beide Seiten bindend ist. Es ist ohnedies nicht ganz einfach, mit der Beamtengewerkschaft zu verhandeln, da gibt es ohnehin oft lange Nachtsitzungen. Man muss diese Sitzungen nicht auch noch künstlich verlän-


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gern. In diesem Zusammenhang bitte ich wirklich um Verständnis. (Zwischenruf des Bundes­rates Manfred Gruber.) – Na ja, Herr Bürgermeister Häupl ist kein ganz unbedeutender Landes­hauptmann, nehme ich an. Er hat da ein wesentliches Wörtchen mitzureden. Das ist eine Frage der Länder, entschuldigen Sie! Die Bereitschaft der Länder ist da gefragt. Es gibt immer noch – zwar nicht mehr so viele wie früher, aber immer noch – zwei sozialdemokratisch regierte Bundesländer in diesem Land. (Ruf bei der SPÖ: Gott sei Dank!) Wenn Ihre zwei Landes­hauptleute diesbezüglich vielleicht einmal einen Vorstoß machen würden, ginge da schon etwas weiter.

Ich möchte mich sehr herzlich bei den Mitarbeitern meines Hauses, was die Vorbereitung dieser Gehaltsverhandlungen und auch deren Durchführung betrifft, bedanken. So etwas ist immer eine schwierige Sache, weil es natürlich meistens in diesem Zusammenhang einen sehr großen Unterschied zwischen den Interessen des Dienstgebers und der Dienstnehmer gibt. Wir haben sehr lange und auch komplizierte Verhandlungen geführt, die ohne die Arbeitsgrundlage der Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport nicht möglich gewesen wären. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Ich denke – und es ist heute schon ein wenig in die Zukunft geblickt worden –, dass einer der ganz wesentlichen Aspekte – damit komme ich noch einmal zu Ihrem Redebeitrag zurück, Herr Kollege Rosenmaier – die Frage ist: Wie wollen wir das Gehaltsschema für den öffentlichen Dienst in Zukunft überhaupt gestalten? – Das Gehaltschema, so wie es heute ist, ist nämlich eine höhere mathematische Wissenschaft. Es ist dermaßen kompliziert – mit Zulagen und Neben­gebühren, mit ruhegenussfähigen Zulagen und ruhegenussfähigen Nebengebühren und so weiter –, dass es innerhalb des Systems zu ganz krassen Ungerechtigkeiten führt und – das finde ich am allerschlimmsten – leistungsdemotivierend statt mitarbeitermotivierend ist. (Vize­prä­sident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ziel ist, ein Gehaltsschema für den öffentlichen Dienst einzuführen, das in Zukunft sicherstellt, dass MitarbeiterInnen, die eine gute Leistung erbringen – und das ist die überwiegende Mehr­heit der MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst –, diese auch belohnt bekommen, dass aber Leute, die es sich sozusagen im System richten, nicht einfach „durchschwimmen“ können und mit den automatischen Vorrückungen letztendlich genauso viel verdienen wie jemand, der einen überdurchschnittlichen Einsatz bringt. Das muss die Zielsetzung eines neuen Gehalts­rechts sein.

Ich glaube, dass wir dafür die Grundlagen geschaffen haben. Eine neue Regierung müsste dies­bezüglich nicht mehr lange beraten und diskutieren. Wir haben die Umstellung des Gehalts­schemas fertig vorbereitet. Wir haben auch die Frage eines neuen, modernen Angestellten­rechts für den öffentlichen Dienst entsprechend beschlussreif vorbereitet. Es tut mir besonders Leid, dass das auf Grund des Auslaufens der Legislaturperiode hier im Haus nicht mehr zur Umsetzung kommen konnte.

Ich halte dieses Angestelltenrecht für extrem wichtig, weil ich grundsätzlich der Meinung bin, dass die unterschiedlichen Regelungen auf dem Arbeitsmarkt, die Mehrklassengesellschaft, die wir in diesem Bereich haben, für alle Beteiligten unzumutbar sind; denn so, wie wir innerhalb des öffentlichen Dienstes zwischen Landes- und Bundesdienst keine Durchlässigkeit mehr haben, haben wir quasi eine Betonschicht zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst.

Ich meine, dass es für beide Seiten sehr fruchtbringend wäre, wenn Mitarbeiter aus der Privat­wirtschaft in den öffentlichen Dienst wechseln könnten, weil jemand, der in der Privatwirtschaft gearbeitet hat, oft ein ganz anderes Verständnis aus der Praxis für die Probleme eines Unternehmens, das eine Anlage genehmigen lassen muss oder Ähnliches, mitbringt. Umge­kehrt könnte die Privatwirtschaft meines Erachtens enorm davon profitieren, wenn sie Mitarbei­ter aus dem öffentlichen Dienst bei ihr arbeiten lässt, die das Know-how und das Insiderwissen haben, wie Verwaltungsabläufe funktionieren.


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Voraussetzung dafür ist aber, dass wir eine Durchlässigkeit dieser Arbeitsrechte haben. Ein modernes Angestelltenrecht für den öffentlichen Dienst ist eine Grundvoraussetzung dafür. Ich hoffe sehr, dass man sich dieser Herausforderung bewusst ist. Die Schweiz hat uns das bereits vorgemacht, dort gibt es dieses schon. Das wurde auch sehr erfolgreich in Kombination mit einem leistungsorientierten Besoldungsschema umgesetzt.

Das setzt natürlich auch die Harmonisierung der Pensionssysteme voraus; das ist etwas, das ich zum Abschluss noch einmal sagen möchte, weil es wirklich ein jahrelanges politisches An­liegen von mir war. Solange wir unterschiedliche Pensionssysteme haben, so lange werden wir nie einen Zustand der wirklichen Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt haben. Das heißt aber nicht nur, das Beamtenpensionsrecht an das ASVG anzupassen, sondern das heißt natürlich auch die Abschaffung aller Sonderpensionsrechte, die es zurzeit gibt.

Damit bin ich wieder bei der sozialen Gerechtigkeit, die gerade von Ihrer Fraktion immer wieder beschworen wird. Mit Worten alleine ist es nicht getan. Sie werden auch Ihren Eisenbahner­gewerkschaftern und den Bediensteten der Sozialversicherung und anderen erklären müssen, dass die Regelungen, die es dort gibt, einfach untragbar sind.

Ich sage das auch deshalb, weil ich heute in den Zeitungen gelesen habe, dass große Auf­regung darüber herrscht, dass die Behörden jetzt im Zusammenhang mit den Frühpensionie­rungen bei Post, Telekom und ÖBB ermitteln und dass jene Leute einvernommen werden, die in Frühpension geschickt worden sind. Das dient nicht der Schikane der frühpensionierten Mit­arbeiter, sondern das dient dazu, die Praktiken von Unternehmen aufzudecken, die ihre Perso­nal­kosten in einer unzumutbaren und illegalen Weise auf den Steuerzahler abwälzen.

Ich habe versucht, mit all diesen Gesellschaften das Einvernehmen herzustellen, dass die Pra­xis, die dort vorherrscht, einfach unzumutbar ist. Sie müssen sich Folgendes vorstellen: Das Pen­sions­alter bei der Post und der Telekom ist vom Jahre 1955 mit 55 Jahren inzwischen auf 51,34 Jahre gesunken. Das ist unzumutbar, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bun­desrat Gasteiger: Wer hat sie so weit gebracht?) Das werden sich die Steuerzahler dieses Lan­des nicht leisten können, und das ist ihnen auch nicht zumutbar. Das ist meine felsenfeste Überzeugung!

Bitte, Herr Kollege! (Bundesrat Gasteiger: Wer war das, der gesagt hat, ihr seid zu viel, ihr müsst abbauen? ...! – Bundesrat Dr. Böhm: Nicht auf diese Weise!) – Ich bin froh darüber, dass Sie das sagen. Ich bin dankbar dafür, dass Sie das ansprechen. Sehr gut, das ist ein gutes Stich­wort! Jetzt können wir gleich einmal darüber reden, wie das in der Praxis aussieht. (Bun­des­rat Konecny: Im öffentlichen Dienst meinen Sie?)

Was bei Post und Telekom passiert – im Unterschied zum öffentlichen Dienst –, ist Folgendes: Im öffentlichen Dienst ist es so, dass wir keine Nachbesetzung von freiwerdenden Stellen vornehmen. Von Leuten, die in Pension gehen, werden die Planstellen eingezogen und nicht nach­besetzt. Sie wissen das ganz genau. Wenn Sie es nicht wissen, dann müssen Sie sich infor­mieren. (Bundesrat Konecny: Ich weiß es ganz genau! Das macht mich so bedenklich!)

Was die Telekom, die Post und die ÖBB machen, ist etwas ganz anderes: Diese schicken die älteren Mitarbeiter mit 48 bis 50 Jahren in den Vorruhestand und stellen junge, billige Arbeits­kräfte ein. Das ist die wirkliche Gemeinheit. Diese Pensionslasten hat der Steuerzahler zu tra­gen! Schauen Sie sich an, wie die Leute unter wirklich unzumutbaren Umständen dazu ge­zwungen und genötigt werden, diese Frühpensionierungen durch die Unternehmen anzu­nehmen! Sprechen Sie einmal mit den betroffenen Mitarbeitern, dann werden Sie vielleicht anders reden! Reden Sie doch mit Ihren eigenen Postgewerkschaftern, die wissen das ganz genau! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Wir kennen es! Unsere Fraktion kennt das!)

Die Umsetzung dieser Anliegen, nämlich Pensionsharmonisierung und modernes Angestellten­recht für den öffentlichen Dienst, wäre meines Erachtens eine der ersten Herausforderungen


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einer neuen Regierung. Die Entscheidungsgrundlagen dazu sind geschaffen. Ich hoffe, dass es auch zu einer raschen Umsetzung kommt.

Die Vorbereitungen im Zusammenhang mit der jetzt viel diskutierten Bundesstaatsreform möchte ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen, denn auch hier wissen wir nach einer fast 30-jährigen Diskussion über die Bundesstaatsreform und die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern, was zu tun ist. Jeder, der im Bundesrat sitzt, jeder, der im Nationalrat sitzt, weiß genau, woran es krankt. Es ist eine Frage des politischen Wollens.

Wir haben im Bereich der Aufgaben- und Verwaltungsreform einen großen Schritt gesetzt. Das, was wir von den Vorschlägen der Aufgabenreformkommission nicht umsetzen konnten, waren jene Materien, die eine Zweidrittelmehrheit, das heißt, eine Verfassungsmehrheit erfordern.

Ich habe mit großer Freude die Ankündigungen des SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer gehört, der jetzt ein vehementer Verfechter der Bundesstaatsreform ist. Das hätten wir alles schon haben können, denn keiner seiner Vorschläge ist neu. (Bundesrat Gasteiger: Das hat er immer schon gesagt! – Bundesrat Dr. Böhm: Ihr hättet zustimmen können!) – Ja, aber zwischen reden und tun, Herr Kollege Gasteiger, liegen eben bei Ihnen nicht nur Gräben, sondern ganze Schluch­ten. Das ist das Problem! (Widerspruch bei der SPÖ.) Es genügt mir nicht, wenn SPÖ-Vor­sitzen­der Gusenbauer jetzt sagt, er sei für die große Bundesstaatsreform. Wir könnten sie schon haben, hätte uns die SPÖ in der letzten Legislaturperiode ihre Zustimmung dazu gege­ben.

Ich habe mit Ihrem Verfassungssprecher und auch mit dem Herrn Parteivorsitzenden mehrere Gespräche geführt, und es gab überhaupt keine Bereitschaft Ihrerseits in diesem Zusam­menhang, zum Beispiel bei den Landesschulräten. All das hätten wir schon längst erledigen können, wenn es die Bereitschaft dazu gegeben hätte. (Bundesrat Manfred Gruber: Bereit­schaft ist ein Wechselspiel!)

Ich sage nur: In dubio pro reo. Wenn Sie jetzt zu einer besseren Einsicht gekommen sind, dann soll es mir recht sein, aber dann tun Sie es bitte auch! Das ist nämlich etwas, was dieses Land wirklich dringend braucht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte mich abschließend auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes sehr herzlich für drei Jahre, wie ich meine, wirklich guter Zusammenarbeit bedanken. Wir haben viele innovative Projekte im Bereich der Verwaltungsreform gemeinsam umgesetzt, die ohne die Vorschläge, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst gekommen sind, nicht möglich gewesen wäre. Diese sind sozusagen die erste Anlaufstelle des Bürgers.

Wir haben die Leistungen, die wir in diesem Bereich auch im europäischen Vergleich feder­führend erbracht haben, durch mehrere Auszeichnungen belohnt bekommen, nämlich beim Bench­marking zwischen den Verwaltungseinheiten der verschiedenen Länder. Die Verwal­tungs­reformmaßnahmen wie das One-Stop-Shop-Prinzip, aber auch die österreichischen Projekte im Bereich von e-Government sind europaweit vorbildlich. Es gibt Vertreter vieler euro­päischer, aber auch außereuropäischer Länder, die zu uns kommen und sich die e-Govern­ment­initiativen, die es im Justizministerium, im Verteidigungsministerium, im Landwirtschafts­ministerium, im Wirtschaftsministerium und in vielen anderen Bereichen gibt, in denen wir wirklich vorbildliche Regelungen haben, ansehen, um diese auch in ihren Ländern umzusetzen.

Dafür möchte ich mich sehr herzlich bedanken. Die Kreativität der Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter hat diese Leistungen erst möglich gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Januar 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Ände­rungsgesetz 2003 – SVÄG 2003) (10/A und 4/NR sowie 6767/BR der Beilagen)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung: Sozialver­sicherungs-Änderungsgesetz 2003.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Kaltenbacher übernommen. Ich bitte ihn darum.


Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolle­gin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Jänner 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialver­sicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003).

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Jänner 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Fasching das Wort. – Bitte.

12.13


Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte den Vorschlag des Kollegen Schennach an und für sich für ganz gut, jeweils die erste Sitzung des Bundesrates bei Über­nahme der Präsidentschaft im jeweiligen Bundesland abzuhalten. Das ist eine gute Idee. Ich darf ihn auch beruhigen, was die Problematik betreffend Landtagssitzungssaal in Eisenstadt angeht. Das Burgenland ist eines der gastfreundlichsten Länder der Welt. Es ist mit den höchsten Zuwachsraten im Tourismus ausgestattet. Ich kann Herrn Kollegen Schennach getrost sa­gen: Uns wird etwas einfallen, den Platzmangel im Sitzungssaal (Bundesrat Konecny: Im Fest­zelt!) zu beheben. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Auer.) Davon bin ich überzeugt, die Kollegin weiß das.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Beschluss des Sozialversicherungs-Ände­rungs­gesetzes 2003 hat der Nationalrat in seiner Sitzung vom 23. Jänner 2003 den Ausgleichs­zulagenrichtsatz für Ehepaare außertourlich um den Betrag von 46,47 € erhöht. Mit dieser Maßnahme wird eine weitere soziale Komponente im Bereich der Pensionsanpassung gesetzt. Durch diese außertourliche Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Ehepaare wird einer­seits dem Abrutschen der Betroffenen unter die Armutsgefährdungsschwelle entgegen­getreten, andererseits aber auch eine Kaufkraftsteigerung bei dieser betroffenen Personen­gruppe – immerhin handelt es sich dabei um etwa 37 000 Personen – bewirkt.


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Als Vertreter der Bäuerinnen und Bauern möchte ich darauf hinweisen, dass diese Maßnahme besonders für eine große Zahl von Pensionsbeziehern aus dem bäuerlichen Bereich zu begrüßen ist. Bedingt durch die Tatsache, dass die Pensionen nach dem Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz im Durchschnitt weit unter dem Pensionseinkommen anderer Bevölkerungs­gruppen liegen, ist nämlich daraus resultierend die Anzahl der Ausgleichszulagenbezieher im Vergleich zu anderen Pensionsgruppen überdurchschnittlich hoch.

Darüber hinaus erfolgt bei einem überwiegenden Teil der Pensionen nach dem Bauern-Sozial­ver­sicherungsgesetz eine Anrechnung eines Aufgabepauschales aus land- und forstwirt­schaftlicher Betriebsführung; das ist das so genannte fiktive Ausgedinge.

Es ist da Gott sei Dank schon viel in den letzten zehn bis 15 Jahren passiert, aber gerade die letzte Bundesregierung hat gezeigt, dass sie sehr wohl ein Herz für diese Menschen hat und hat sukzessive die Anrechenbarkeit jährlich (Widerspruch des Bundesrates Gasteiger) – Herr Kollege, jährlich! – geändert, was mit Ihnen immer schwierig war, das auszuverhandeln. Sie hat im Besonderen den Ärmsten, den Beziehern der geringsten Pensionen geholfen.

Ich glaube, dass dadurch die tatsächlich ausbezahlten Geldleistungen in dieser Form gegeben sind. Gerade durch die Erhöhung des eingangs angesprochenen Ausgleichszulagenrichtsatzes für Ehepaare erfolgt eine wesentliche Anhebung des Barzahlungsbetrages, der überpro­portional wirkt, meine Damen und Herren! Diese Maßnahme ist daher bestens geeignet, auch die Kaufkraft der ausgleichszulagenbeziehenden Ehepaare zu erhalten, wenn nicht sogar zu verstärken.

Da aber gerade auch die Einkommenserhöhung im Bereich unterer Einkommensschichten vermehrt durch einen verstärkten Konsum unmittelbar an die Wirtschaft zurückfließt, kommt dieser an und für sich als soziale Komponente zu betrachtenden Maßnahme auch eine volks­wirt­schaftliche Auswirkung zu. Es ist nämlich zu erwarten, dass diese Einkommenszuwächse der gesamten Wirtschaft zu Gute kommen, weshalb diese außerordentliche Erhöhung umso mehr zu begrüßen ist.

Ich denke, dass dieser Gesetzesantrag der sozialen Gerechtigkeit voll entspricht und finan­zierbar ist. Zirka 25 Millionen € brauchen wir dafür. Das stärkt die Glaubwürdigkeit des Systems und lässt auch die Berechenbarkeit sachlicher erscheinen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Reisenberger das Wort. – Bitte.

12.18


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich kann mich im Großen und Ganzen meinem Vorredner inhaltlich anschließen – mit einer Ausnahme verständlicherweise! Er hat etwas gesehen, was mir beim besten Willen weder einfallen würde und was noch beweisbar wäre, nämlich das Herz dieser Regierung für die Menschen. Das kenne ich nicht, das habe ich in diesen letzten drei Jahren nie feststellen können. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Giesinger.)

Weder für die Pensionisten noch für die kleinen Bauern konnte ich das feststellen, aber wir akzeptieren das. Die Frage ist nur, was Sie daran akzeptieren. (Widerspruch bei Bundesräten der ÖVP.) 1,8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben uns ihr Vertrauen geschenkt; das ist nicht gerade wenig. Da kann man nicht mit einer Überheblichkeit darüber hinweggehen und sagen, wir sind gewählt worden – (in Richtung ÖVP) ihr seid die stärkste Partei geworden, keine Frage –, und damit ist das, was wir gemacht haben, der einzig richtige Weg. Gerade die ÖVP sollte nachdenken und sich vielleicht ein bisschen in Demut üben, um festzustellen, was der richtige Weg wäre und was man falsch gemacht hat. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: „In Demut“!)


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Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Sozialversicherungsgesetz, das jetzt hier an und für sich das Thema ist, dieser Gesetzesantrag, dass Ausgleichszulagen angehoben werden – 7,3 Prozent für Ehepaare ist das Eineinhalbfache, für Ehepaare kommt es also zu einer Erhöhung von 900 € auf 965 € –, ist sicherlich eine sinnvolle Sache.

Es gibt 227 000 Ausgleichszulagenbezieher; das sind rund 8 Prozent der Pensionisten, 37 000 Ehepaare sind davon betroffen. Der Aufwand hiefür wird in etwa 25 Millionen € betragen. Diese Maßnahme ist wichtig vor allem im Hinblick auf die Armutsbekämpfung, denn wenn man sich das europaweite Ranking anschaut, sieht man, dass Österreich mit 13 Prozent im guten Mittelfeld liegt. Den letzten Platz belegt Portugal mit 23 Prozent, an der Spitze liegt Dänemark mit 8 Prozent.

Es ist schon interessant, dass Karl Donabauer – er ist von euch, von der ÖVP – im Nationalrat gemeint hat, die Lebenserwartung – und das ist korrekt! – sei seit dem Jahr 1970 um sieben Jahre, von 1990 an um zwei Jahre gestiegen. Ich gehe einmal davon aus – auch wenn ich es anders im Ohr gehabt habe –, dass wir alle das begrüßen und dass das etwas sehr Positives ist. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass er mehr oder weniger im gleichen Absatz gesagt hat, dass die letzte Pensionsreform im Jahr 2000 erfolgt ist – bekanntlich während der Koalition ÖVP/FPÖ – und man damals gemeint hat, diese Reform werde mindestens zehn bis 15 Jahre halten. – Diese Rede ist nicht von mir – Donabauer hat das gesagt. Und er stellt auch fest, dass wir heute gerade im Hinblick auf Pensionisten, Armutsbekämpfung und dergleichen mehr eine ganz andere Diskussion verfolgen. Die Diskussion, die wir nun erleben, geht über eine Pensionsreform mit immer höherem Pensionsantrittsalter und immer weniger Geld, das man den Menschen dann anbieten will, hinaus.

Wir Sozialdemokraten sagen Ja zu Reformen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage das noch einmal ganz klar und deutlich: Wir sagen Ja zu Reformen, die sozial ausge­wogen, einheitlich und solidarisch aufgebaut sind. Die Frau Vizekanzlerin – sie hat sich bereits ver­ab­schiedet – hat eines vielleicht nicht verstanden – anders kann ich es mir nicht erklären –, wenn sie davon spricht, dass hier keine Gesprächsbereitschaft der Sozialdemo­kraten vorhan­den wäre: Sie hat nicht verstanden, dass für uns Sozialdemokraten die Be­kämpfung der Ar­beits­losigkeit von größter Bedeutung ist!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen mit dieser Meinung nicht alleine da. Selbst die EU-Kommission sagt, Beschäftigung sichernde Maßnahmen seien ein wesentlicher Bestandteil zur Armutsbekämpfung. Da schließt sich der Kreis wieder: Für uns Sozialdemo­kraten ist das oberste Ziel, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Arbeitsplätze zu schaffen – aber Ar­beits­plätze, die ein Einkommen garantieren, mit dem die Menschen auch auskommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren – vor allem von den Regierungsparteien –, ich muss Ihnen nämlich schon in Erinnerung rufen, dass Arbeitsplätze nicht 1 : 1 als Arbeitsplätze be­zeich­net werden können, wenn es so ist wie in Amerika, wo man drei, vier, fünf Jobs, „McJobs“, an­nehmen muss, um „leben“ zu können. Eine Beschäftigung zu haben, zu arbeiten soll auch heißen, ein entsprechendes Einkommen zu haben, von dem man leben kann.

Ein zusätzliches Problem in dem zur Diskussion stehenden Bereich ist, dass Ausgleichszulagen natürlich nur diejenigen bekommen, die in Beschäftigung gestanden sind, also eine Pension bekommen. Und hier, meine sehr geehrten Kolleginnen – Sie sind in erster Linie ange­spro­chen – und Kollegen, müssen wir bedenken, dass vor allem Frauen, die keine eigenständige Alterssicherung haben, davon betroffen sind.

Da richte ich auch wieder meinen Blick in eure Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, weil es euer Motto gemäß eurem christlich-konservativen Denken ist: Frauen zurück an den Herd!, das ist ein wichtiger Platz, dort brauchen wir sie! – Deshalb haben wir genau in diesem Bereich auch das Problem, dass diese Frauen dann eben keinen Pensionsanspruch haben und gar nicht in den Genuss dieser Ausgleichszulagen kommen können!

Da hat die schwarz-blaue Koalition nichts gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht einmal etwas angedacht oder gar entsprechende Überlegungen angestellt. Natürlich müs-


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sen solche Maßnahmen, von denen wir hier sprechen, auch treffsicher sein, aber der Bundes­regierung fällt zu diesem Thema nichts anderes ein als Drohungen: Pensionsreform, Reform der Gesundheitssysteme, Selbstbehalte!

Lassen Sie mich an dieser Stelle einen kleinen Ausflug machen, weil es zu den heutigen Ge­sprächen so schön passt: Gesprächsbereitschaft im Zusammenhang mit der Pensionsreform. – Ich hörte da, vom Herrn Bundeskanzler angefangen bis wohin auch immer aus diesen Kreisen, die Gewerkschaften seien die Bösen, die Betonierer, mit denen könne man nicht reden. Heute kam diese Falschmeldung wieder – zwar nicht unbedingt in dieser Form, aber teilweise ist das auch bei der Frau Vizekanzlerin angeklungen, als sie sagte: Die kleine Opposition in der Ge­werk­schaft macht es uns nicht leicht, die roten Gewerkschafter im öffentlichen Dienst!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier ganz klar und deutlich zum Ausdruck bringen: Wenn da von Betonierern, von Verhinderern im Bereich der Gewerkschaften die Rede ist – zum Beispiel in der Frage der Pensionsreform –, dann müssen Sie in die eigenen Reihen schauen! Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ist zweifelsohne ÖAAB-dominiert, also eine schwarze Gewerkschaft – mit ihrem Vorsitzenden und Neo-Nationalratsabgeordneten Neu­gebauer, von dem wir heute schon gehört haben, wie die Vorstellungen des Basismannes aussehen. Er ist der Einzige in dieser Gewerkschaft und im ÖGB, der sagt: Nein, es darf nichts verändert werden! Njet, wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokraten haben hiezu nicht nur gesagt, es müssen sehr wohl Veränderungen statt­finden, sondern unsere Kolleginnen und Kollegen in diesen Bereichen haben seit vielen Jahren – nicht erst seit gestern! – Überlegungen angestellt, wie man da Veränderungen vor­nehmen könnte. Solche Veränderungen können aber nicht einseitig sein, auch nicht für die Kolle­gInnen im öffentlichen Dienst, indem man ihnen die Vorteile „wegnimmt“ und alle Nach­teile, die es gegenüber anderen Systemen gibt, einfach belässt.

Das heißt, es muss ein solidarisch ausgewogenes Pensionssystem für alle geschaffen werden, ein System, mit dem wir alle auch leben können. Zu einer solchen Reform sind wir bereit – ja nicht nur bereit, sondern dazu haben wir auch bessere Vorschläge als Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich kurz noch etwas zur Reform des Gesundheitssystems, das in diesen Bereich mit hineingehört, sagen. Wenn da die „großartige“ Idee kam und seit gestern sogar einige ÖVP-Abgeordnete meinen: Na ja, wir können uns schon vorstellen, dass wir das ganze System mit Selbstbehalten erneuern!, so hoffe ich, dass diese Horrorvision, die ich in diesen Aussagen sehe, wirklich nur eine Vision bleibt. Ich verbinde damit nämlich ein System der Selbstbehalte, wie wir es aus Amerika kennen. (Zwischenruf des Bundesrates Fasching.) – Kollege, na wun­derbar! Ich sage dir, was das im Klartext bedeutet: Egal, wie du in Amerika ins Spital kommst – zu Fuß, mit dem Rettungswagen, bewusstlos –, es wird erst einmal die Frage gestellt: Was haben Sie für eine Card? – Visa? MasterCard? American Express? (Zwischenrufe bei Bun­desräten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Haben Sie keine Karte? – Okay. Haben Sie Bar­geld? – Sie haben auch kein Bargeld? Dann haben wir keinen Platz, tut uns Leid!

Das ist nicht das System, das ich mir in Österreich vorstellen kann, und das ist nicht die soziale Sicherheit, die die Österreicherinnen und Österreicher verdient haben! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Giesinger: Davon ist ja gar nicht die Rede! – Bundesrat Konecny: Die Intention ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschaftsstandort sichern heißt, Arbeitsplätze zu schaffen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin froh, dass ich nicht damit rechnen muss, von Ihnen hier Hilfe zu bekommen; das ist mir schon klar. Das zeigt aber auch wieder der Öffent­lichkeit – und das muss man den Menschen sagen –, wie hier gedacht wird, welche Gedanken­gänge es gibt und warum auch die Verhandlungen so schwierig sind. (Bundesrat Bieringer: Habt ihr ja eh gesagt vor der Wahl! Und Sie haben eh gesehen, was die Bevölkerung dazu ge­sagt hat! – Bundesrat Wimmer: Das beste Gesundheitssystem!) – Aufgebaut in 30 Jahren sozialdemokratisch dominierter Regierung! Darum haben wir das beste Gesundheitssystem!


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Noch habt ihr nicht alles zusammenhauen können! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist der Redner!


Bundesrat Harald Reisenberger (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschaftsstandort sichern heißt, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Auch diesbezüglich hat der Rechnungshof eine Kritik anzubringen gehabt, nämlich die Maßnahmen betreffend. Wir haben in Österreich im Jahr 2000 32 000 arbeitslose Behinderte gehabt, im Jahr 2002 34 000. Ich gebe schon zu, bei über 300 000 Arbeitslosen – und immer weiter steigenden Arbeitslosen­zahlen – ist das, Gott sei Dank, ein geringer Prozentsatz, aber im Vergleich zu den Behinderten, die es gibt, ist es trotz allem ein sehr hoher Prozentsatz.

Der Rechnungshof hat in seiner Kritik festgestellt, dass nicht darauf geschaut wurde, was mit der Behindertenmilliarde geschieht, was mit den Geldern konkret passiert und für wie viele Men­schen Arbeit geschaffen wurde.

Was die steigende Zahl bei den arbeitslosen Behinderten angeht, so muss ich sagen, das „Europäische Jahr der Behinderten“ wäre doch eine Herausforderung, hier etwas Konkretes zu tun! Aber auch dazu gibt es keine Ideen oder Vorschläge dieser Regierung, genauso wie in Be­zug auf die Armutsbekämpfung wenig konkrete Schritte dieser Regierung zu sehen sind.

Ich sage noch einmal ganz klar und deutlich: In 30 Jahren sozialdemokratisch dominierter Regie­rungen standen die sozialen Belange für uns immer im Mittelpunkt, und das hat dieses Land positiv geprägt. Dieses Gesetz ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Aha! Das, was wir jetzt an Verschuldung haben in diesem Jahr, mit Nullwachstum, ist etwas Besseres? Wenn ich das hochrechne, meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie in dieser kurzen Zeit verbockt ha­ben, komme ich zu dem Ergebnis, dass Österreich mit einer solchen Regierung nach 30 Jahren nicht mehr existieren könnte. Ich brauche es nur hochzurechnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend: Dieses Gesetz ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Daher wird meine Fraktion diesem Gesetz auch gerne ihre Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann das Wort. – Bitte sehr.

12.32


Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Zum heutigen Thema kann ich vorweg natürlich auch nur sagen, dass wir diesen Initiativantrag selbstverständlich unterstützen und dem Sozialver­siche­rungs-Änderungsgesetz in dieser Form von Herzen gern unsere Zustimmung geben, weil wir die Notwendigkeit sehen, dass gerade die Menschen, die im Alter am wenigsten Geld haben, endlich einen überproportionalen Zuwachs erfahren. Es ist noch immer zu wenig, es könnte immer mehr sein, aber es ist natürlich auch das Gesamtbudget im Auge zu behalten. Dennoch ist dieses Gesetz ein grundsätzlicher sozialpolitischer Meilenstein, wie auch schon von man­chen meiner Vorredner gesagt wurde.

Es geht also um die Pensionisten, die so wenig Pension haben, dass sie kein Auslangen finden, wenn sie nicht eine zusätzliche Zulage bekommen. Ich meine daher, dass das Problem nicht als gesondertes Mosaiksteinchen betrachtet werden kann, sondern dass die gesamte Pensions­problematik ins Auge gefasst werden muss, und ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang meine Meinung dazu sagen.

Für mich geht es grundsätzlich darum – das ist heute teilweise auch in den Ausführungen der Vizekanzlerin angeklungen –, dass auch die Pensionen, die derzeit noch ungerecht verteilt sind, die Pensionsbegründungen, die derzeit noch ungerecht und teilweise nicht nachvollziehbar


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sind, harmonisiert werden, weil die Menschen in unserem Land nämlich kein Verständnis mehr dafür haben, dass die einen früher in Pension gehen können, die anderen aber erst später. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist nicht einzusehen, dass es Menschen gibt, die mit 48 Jahren in Pension gehen können, vielleicht später noch ein politisches Amt übernehmen oder Vorsitzender eines Tennisvereins werden, sich also bester Gesundheit erfreuen – was man ihnen persönlich natürlich gönnt –, weil volkswirtschaftlich gesehen ist dies ein Ungerechtigkeitsfaktor, ein Wermutstropfen für die Menschen, die bis 60 oder gar 63 arbeiten müssen. (Bundesrat Gasteiger: ... Landesschulrat! – Bundesrat Thumpser: Man muss aber auch wissen, warum sie unter Umständen in Pension gehen! Das sind Unterstellungen!)

Ich gebe Ihnen in vielen Dingen Recht. – Ich komme gerne noch auf die Landesschulräte zu­rück. Das werden wir auch ändern. Aber Sie wissen schon, Herr Gasteiger, warum das nicht geändert wurde? (Bun­desrat Boden: Frau Abgeordnete, es gibt Leute am Bau, die hart arbeiten mussten!) Sie wissen schon, warum das nicht geändert wurde? – Weil wir in großen Bereichen die Zwei­drittelmehrheit dafür gebraucht hätten, und die SPÖ hat sich nicht bereit erklärt, im Schulbereich verfassungsrechtliche Veränderungen vorzunehmen. – Das ist der Grund! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich konnte aber auf Grund dieser Replik noch gar nicht auf das eingehen, was ich eigentlich sagen wollte. Mir geht es darum, dass diese Ungerechtigkeit beseitigt wird, und das müssen alle Regierungen in Angriff nehmen – in welcher Form auch immer eine neue Regierung zu­sammengesetzt sein wird –, denn das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Bevölkerung gegen­­über – das ist meine persönliche Meinung dazu –, und es ist natürlich auch die budgetäre Pro­blematik zu sehen. – Dazu komme ich ohnehin noch. (Zwischenruf des Bundesrates Gastei­ger.)

Dazu, dass Sie immer dazwischenreden, Herr Gasteiger: Erstens haben Sie natürlich die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden und sich vom Rednerpult aus dazu zu äußern. Außerdem waren es sehr wohl die Sozialdemokraten – das muss ich in diesem Zusammenhang schon einmal sagen –, die in fahrlässiger Weise die demographischen Trends und Entwicklungen, die schon vor zehn, 15 Jahren absehbar waren, nicht beachtet haben, mit kleinen kosmetischen Veränderungen die großen Problemfelder zugedeckt haben und dadurch unserer Regierung, der Regierung, die ab 1999 im Amt war, einen Berg von Problemen hinterlassen haben. Es ist immer viel schwieriger, eine Systemveränderung dann herbeizuführen, wenn alles schon vernachlässigt ist und wenn die Zügel einfach schleifen gelassen wurden. Das haben Sie nämlich getan; leider Gottes muss ich Ihnen das einmal sagen. (Bundesrat Gasteiger: Sagen Sie das Ihrem Koalitionspartner, der war 14 Jahre dabei!)

Sie können wirklich gerne herauskommen, und wir werden dann sehr interessiert Ihrem Vortrag lauschen, aber jetzt habe ich noch ein paar Argumente vorzubringen.

Wenn internationale Vergleiche getroffen werden – und Herr Reisenberger hat das getan –, darf man nicht vergessen, dass man woanders auch vergleichen muss. In Sachen Eigen­pensions­vor­sorge hinken wir den anderen europäischen Ländern schwer hintennach, in Sachen Be­triebs­­kassen und Pensionskassensystem ebenfalls. – All das sind Ver­säumnisse, die Sie natürlich mitzuverantworten gehabt haben.

Auch hier (auf die Reihen der ÖVP-Bundesräte weisend) muss ich einmal hinzeigen: Auch die ÖVP hat das mitzuverantworten gehabt. Man hat eben manche Dinge in Zeiten, als dies noch sehr leicht gegangen wäre, nicht getan. Das sage ich schon in aller Deutlichkeit, denn die Schweiz hat dasselbe Problem schon in den siebziger, achtziger Jahren erkannt, hat umgestellt, hat Verbesserungen durchgeführt und hat heute ein gesundes – oder relativ gesundes – Pen­sionssystem. Wir hätten das auch schon früher machen können, aber das war eben nicht opportun – oder es sind immer Wahlen vor der Tür gestanden. Welche Gründe auch immer im Hintergrund gestanden sind, es waren zumindest keine staatstragenden und verantwortungs­vollen Gründe, die Sie gehabt haben.


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Ein nächster Punkt: die Anrechnungszeiten. Auch das wurde heute schon gesagt: Die Bereit­schaft von jemandem, der in der Privatwirtschaft arbeitet, in den öffentlichen Dienst zu gehen, ist relativ groß – oder wäre groß, wenn es nicht auch da wieder Probleme gäbe. Nur eine Anmerkung dazu: Die Anrechnungszeiten sind viel kürzer, wenn ich von der Priva­twirt­schaft in den öffentlichen Dienst wechsle, als wenn ich von irgendeiner anderen Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, zum Beispiel von einer Gemeinde, in den Bund übertrete. Solange nicht diese Hemmnisse endlich einmal aufgebrochen werden, so lange werden wir auch die Pen­sions­harmonisierung nicht wirklich zu Stande bringen. Es wird auch Aufgabe der neuen Regierung sein, diesbezüglich endgültige, strukturbereinigende Lösungen zu finden.

Die Finanzierbarkeit habe ich bereits angeschnitten. Auch da muss ich wieder sagen: Wir können uns nicht daran vorbeischwindeln, dass wir in Zukunft überproportional mehr 60 Jahre alte Menschen haben werden, und – das ist ebenfalls der demographische Trend – wir werden in diesem Spektrum der über 60-Jährigen nicht nur gesunde Menschen haben, sondern es wird auch die Anzahl derer, die schwer behindert sind, die Zahl derer, die sehr schwer pflege­be­dürftig sind, steigen. Gott sei Dank wird die Pflege dank einer guten Medizin, dank medizi­nischer Technik, die sich weiterentwickelt, möglich sein, aber es wird natürlich auch die Kosten­problematik immer größer werden.

Es ist heute schon gesagt worden, dass die Pensionsproblematik nicht von der Arbeits­problematik getrennt werden darf. Da gebe ich meinem Kollegen Reisenberger – der jetzt nicht mehr anwesend ist, den das offenbar nicht mehr interessiert – Recht, denn ich meine, dass wir vor allem in den Bereichen, in denen wir jetzt Umstrukturierungen vornehmen wollen, ja müs­sen, flankierende Maßnahmen setzen müssten. Das, so meine ich, darf nicht unter den Tisch fallen, egal welche Regierung diese Dinge in Angriff nehmen wird.

Meines Erachtens muss mehr Gewicht auf die unterschiedliche Belastbarkeit in den ver­schie­denen Arbeitsbereichen gelegt werden.

Ich meine, wenn ich als Beamtin in Pension gehe und Kanzleiarbeit gemacht habe, dann habe ich mich körperlich weniger anstrengen müssen. Vielleicht habe ich Wirbelsäulenschäden oder Nackenschmerzen und vielleicht auch noch einiges anderes mehr, aber es ist wahrscheinlich nicht vergleichbar mit der Situation eines Bauarbeiters, der die ganze Zeit, bei Regen, bei Schnee und bei Hitze, auf der Baustelle steht. Dieser ist einfach mit 55 Jahren ausgeschunden! Hier müssen wir ehrlich sein und für diese Menschen Vorsorge treffen. Es gehören flankierende Maßnahmen her, und ich erwarte das von einer verantwortungsvollen Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters: Ich gehöre schon zu denen, die eine Lebensplanung haben, und ich vertrete auch die Men­schen, die jetzt 45, 50, 55 Jahre alt sind. Den Menschen, die in absehbarer Zeit in Pension gehen und bereits eine Lebensplanung gemacht haben, kann man jetzt nicht eins zu eins neue Pensionsstrukturen auferlegen. Wenn ich jetzt 58 bin und mir vorgestellt habe, mit 60 in Pension zu gehen, dann kann keine Regierung sagen: Nein, du musst mit 65 gehen! Da müssen flankierende Strukturänderungen durchgeführt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Das haben wir ja! – Bundesrat Konecny: Was sagen Sie uns und zu was paschen Sie? Das ist absurd! Sind Sie eine frei schwebende Fraktion ohne Verbindung zur FPÖ-Politik?)

Herr Fraktionschef Konecny! Ich weiß nicht, warum Sie das aufregt. (Bundesrat Konecny: Nein, es amüsiert mich!) – Ja, vielleicht amüsiert Sie die Problematik der Menschen, die keine Arbeit haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Nein, nein! Sie haben heute ge­spro­chen von ...!) Herr Professor Konecny! Ich weiß, Sie fangen immer dann zu schreien an, wenn Ihnen irgendein Thema unangenehm ist, aber Sie müssen sich halt damit abfinden, dass andere Leute auch andere Vorschläge bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wichtig ist mir auch, dass diese Arbeitsbeschaffungsprogramme für die älteren Menschen unbedingt auch an Steuererleichterungen geknüpft werden. Das ist schon lange eine freiheit­liche Forderung. Wir können es über Transferzahlungen machen, aber die sinnvollere Variante


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ist sicherlich entweder eine Senkung der Lohnnebenkosten oder Steuererleichte­rungen für die Betriebe, die einen älteren Menschen einstellen. Das werden wir machen müssen. Wenn wir es nicht machen, haben wir die Problematik, dass wir einerseits die Leute dazu verpflichten, länger zu arbeiten, andererseits aber den Menschen, die keine Arbeit mehr finden, aus ihrer Lage nicht heraushelfen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich die neue Regierung, in welcher Kon­stellation auch immer, dieser Probleme annehmen wird

Ich darf abschließend wieder auf den Bereich zurückkommen, mit dem ich eigentlich begonnen habe, und noch einmal meine Bereitschaft und die der Fraktion der Freiheitlichen erklären, selbstverständlich der Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes zuzustimmen. Wir sind froh, dass wir die Möglichkeit haben, den ärmeren Pensionisten das Leben etwas besser zu gestalten. Es ist noch immer nicht genug des Guten, aber zumindest ist der erste große Schritt getan. Ich bedanke mich bei der derzeitigen Regierung, dass sie das in dieser sozialen Weise umgesetzt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist nun Herr Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck. –Bitte schön.

12.44


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Rein­hart Waneck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte und -rätinnen! Gestatten Sie mir vorweg einen Satz – es gehört zwar nicht zum Thema, aber es sind doch einige diesbezügliche Bemerkungen gefallen –: Ich kann Ihnen als Mitglied der Bundesregierung und als Arzt versichern, dass in dieser Regierung alle das Herz am rechten Fleck hatten. Es war auch immer gut durchblutet. Man kann also weder von kalten Herzen noch von kaltblütig reden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es sind auch einige Bemerkungen zum Gesundheitssystem gefallen, und Sie werden ver­stehen, dass ich mich dadurch angesprochen fühle. Ich halte es für gefährlich, immer zum passenden Augenblick selektive Wahrnehmungsberichte abzugeben. Wir sind uns bewusst – ich glaube, alle hier herinnen –, dass wir in Österreich ein sehr gutes System haben. Wir sind uns auch bewusst, dass nicht ein Einzelner an diesem System, sowohl was das Gute als auch das Schlechte betrifft, verantwortlich ist, sondern dass es einer gemeinsamen Anstrengung der Österreicher bedurfte, und zwar seit dem Zweiten Weltkrieg, dieses Gesundheitssystem für die österreichische Bevölkerung aufzubauen. Und wir können mit Recht darauf stolz sein, ohne Eigenlob, weil wir in Europa gut dastehen. Es kommen viele ausländische Gäste zu uns, die sich unser System anschauen. Diesbezüglich würde ich also sehr vorsichtig sein.

Wenn in diesem Zusammenhang immer die USA zitiert werden, wenn es passt, dann muss ich schon darauf hinweisen, dass dort zum Beispiel Pensionisten oder mittellose Personen automa­tisch gratis behandelt werden müssen, wenn keine Versicherung vorliegt, und dass letztlich die Privatversicherten mit ihren hohen Beiträgen mit dazu beitragen. Ich rede dem System nicht das Wort, aber man soll immer die Systeme im Gesamten sehen und nicht einzelne Wahr­nehmun­gen jeweils passend herausgreifen. Ich verteidige aber damit das USA-System nicht, da es für uns und für Europa insgesamt ungeeignet ist.

Wie schaut es nun mit unserem Gesundheitssystem aus? – Es stimmt schon, dass 30 Jahre eine Partei in diesem Land federführend dafür verantwortlich war, dass sicher auch einiges in diesem Bereich geleistet wurde, aber Sie wissen es selbst, wenn Sie Ihr Auto oder Ihr Fahrrad nicht warten, dann kommt es irgendwann einmal zum Stillstand, und dieser Stillstand hat sich in den letzten zehn Jahren ergeben.

Ich darf nur an das Jahr 2000 erinnern, als der damalige Präsident Sallmutter in der gesetz­lichen Krankenversicherung für 2001 einen Abgang in der Höhe von 6,9 Milliarden Schilling – das sind 500 Millionen € – und für 2002 einen Abgang in der Höhe von 9,3 Milliarden Schilling – das sind 700 Millionen € – vorhergesagt hat. Was ist passiert? – Durch unsere Maßnahmen hat


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es im Jahre 2001 einen Nullabgang, ein Nulldefizit gegeben, und auch im Jahr 2002 beträgt dieser Abgang maximal 30 Millionen €.

Das heißt nicht, dass man ständig weiter daran arbeiten muss, das zeigt aber, dass wir diese Horrorprognosen Lügen strafen konnten, indem wir unsere Maßnahmen gesetzt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte nur einen kleinen Teilbereich herausnehmen, an dem wirklich alle mitgearbeitet haben – ich sage bewusst, alle, sämtliche Gruppierungen und sämtliche Parteien und Interes­sen­vertretungen –: Bei den Medikamentenkosten gab es noch im Jahre 1999 eine Steige­rungsrate von 12,6 Prozent, also jenseits der 10 Prozent. Durch die gemeinsamen Maßnahmen ist es gelungen, diese im Jahre 2001 auf 4,6 Prozent zu senken. Wir liegen auch im Jahre 2002 bei 6,3 Prozent, bei einem europäischen Schnitt von über 10 Prozent. Und wenn drei Bun­desländer – und das sage ich jetzt bewusst – bei dem Programm von Anfang an voll mitge­zogen hätten, so wie es sechs andere gemacht haben, dann lägen wir heuer bei 5,3 Prozent, aber immerhin sind es noch 6,3 Prozent. Diese Maßnahmen ermöglichen, dass dieses gute System weiter funktioniert.

Damit bin ich im Grunde beim Thema angelangt. Ich glaube, es gehört zu den angenehmen Aufgaben eines Regierungsmitgliedes, zu einer Gesetzesvorlage sprechen zu dürfen, die die Einhelligkeit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat hinter sich hat. Daher bin ich dafür: Tue Gutes und sprich darüber!, und man sollte keine künstlichen Gegensätze bei gemeinsamen Beschlüssen aufbauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf daher kurz zusammenfassen: Was birgt diese Erhöhung des Ausgleichszulagenricht­satzes für Ehepaare in sich? – Es gibt mehr Geld für Pensionistenehepaare, nämlich durch eine außertourliche Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes um 7,3 Prozent. Ehrlicherweise muss man dazusagen, dass die 2 Prozent Pensionserhöhung mit inkludiert sind. Aber es ist die erste außertourliche Erhöhung seit 1994, und es war schon immer ein Anliegen der frei­heitlichen Politik, diese außertourlichen Erhöhungen vorzunehmen.

Damit ist der Ausgleichszulagenrichtsatz von 900 auf 965,53 € gestiegen. Er ist auf das Eineinhalbfache des Ausgleichszulagenrichtsatzes von Alleinstehenden gestiegen. Er war vorher 1,43-mal höher und ist jetzt 1,5-mal höher, was genau den Empfehlungen des „Euro­päischen Haushaltspanels“ in der EU entspricht. Das haben wir damit zum ersten Mal erreicht.

Es sind nicht nur die bisherigen 30 000 Personen davon betroffen, sondern auf Grund dieser Erhöhung kommen zusätzlich 7 000 Personen in den Genuss dieser Ausgleichszulage. Sie sind folgendermaßen verteilt: 25 000 auf das ASVG, 3 000 auf das GSVG und 9 000 auf das BSVG. Das zeigt, dass die niederen Pensionen in allen Versicherungsbereichen zu finden sind und nicht nur auf einer Seite.

Wir wissen, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz nur der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und dem Richtsatz entspricht. Da möchte ich an die nächste Regierung, wer immer sie stellt, die Aufforderung richten, sich auch des Richtsatzes anzunehmen und diesen entspre­chend anzuheben, denn dies hilft dann der gesamten Bevölkerung. – Danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Franz Wolfinger. – Bitte.

12.51


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde vieles schon gesagt, was dieser Gesetzentwurf beinhaltet. Tatsache ist, dass die Vertreter im österreichischen Seniorenrat mit Bundesobmann Stefan Knafl an der Spitze den Antrag eingebracht haben, diesen Ausgleichs­zu­lagen­richtsatz überdurchschnittlich zu erhöhen. Das wird jetzt Gesetz.


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Ich glaube, es ist richtig und notwendig, dass diese Maßnahme gesetzt wird. Wenn in Öster­reich 227 000 Personen eine Ausgleichszulage beziehen, dann ist das meiner Meinung nach relativ viel.

Ich möchte heute noch eines einbringen, Herr Staatssekretär, ich habe es hier schon einmal gesagt: Mir tut immer das Herz weh, wenn diese Mindestpensionisten – und vielleicht wissen Sie gar nicht, was es heißt, mit einer Ausgleichszulage leben zu müssen – alle drei Jahre von der Pensionsversicherung einen Bogen bekommen, auf dem sie angeben müssen, ob sie andere Einkünfte beziehen. Darin steht auch, dass Einkünfte aus Sparguthaben, das heißt die Zinsen aus Sparguthaben, bei der Ausgleichszulage angerechnet werden. Ich erlebe es ein- bis zweimal im Jahr, dass Leute zu uns kommen, die dann x-tausende Schilling – ich sage es immer noch in Schilling – an die Pensionsversicherung zurückzahlen müssen. Ob das gerecht ist, das sei dahingestellt. Viele sparen sich das vom Mund ab und werden dann noch dafür be­straft.

Ich glaube, auch über diese Dinge sollte man einmal nachdenken. Nachdenken sollte man auch darüber, ob es bei den Mindestpensionisten nicht einen Freibetrag geben könnte, was einen Nebenverdienst betrifft. Ich sehe das so: Wenn ein Arbeitsloser Arbeitslosengeld bezieht, dann sagt man, das ist eine staatliche Leistung, aber er darf auch einen gewissen Betrag bis zur Ge­ringfügigkeitsgrenze dazuverdienen und wird nicht gestraft. Viele Pensionisten müssen, möch­ten dazuverdienen, dürfen aber nicht, weil sie sonst die Ausgleichszulage verlieren. Vielleicht könnte man auch darüber einmal nachdenken. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu den Sonderregelungen: Es hat in den letzten Jahren bei den Aus­gleichszu­lagen­richt­satz­erhöhungen laufend Sonderregelungen gegeben. Ich erspare es mir jetzt, im Detail darauf ein­zugehen, aber von 1997 an bis heute wurden die Ausgleichszulagenrichtsätze mehr erhöht, als die normale Pensionsanpassung ausmachte. Dafür ist den Regierungen, die das Gesetz wer­den haben lassen, Dank zu sagen.

Ich habe mir die Mühe gemacht und angeschaut, in welchem Ausmaß die Pensionen in den letzten Jahren gestiegen sind. Ich habe festgestellt, dass die Pensionen in den letzten 20 Jah­ren um 71,6 Prozent erhöht wurden und die Richtsätze für die Ausgleichszulagen um fast 120 Pro­zent. Ich glaube also, dass da einiges getan wurde.

Noch einmal: Herr Staatssekretär! Allen, die diesen Antrag gestellt haben, danke ich im Namen der vielen Ausgleichszulagenbezieher. Wir werden natürlich diesem Antrag gerne zustimmen.

Nun noch ein paar Gedanken über die entstandene Diskussion zum Pflegegeld. Der Vor­sitzende der SPÖ, Alfred Gusenbauer, hat gemeint, dass das derzeitige Pflegegeld-System ge­ändert werden solle, und vorgeschlagen, dass das Pflegegeld von einer Geldleistung in eine Sach­leistung umgewandelt werden solle. Ich bin der Meinung, dass das nicht gut wäre. Ich glaube, das wäre ein sozialer Rückschritt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Pflegegeld, das 1993 eingeführt wurde, ist ein Meilenstein in der österreichischen Sozialpolitik. Es waren die Bundesländer Tirol, Vorarlberg und Ober­österreich, die auf Landesebene ein Landespflegegeld eingeführt haben, und erst dann hat der Bund mit diesem bundeseinheitlichen Pflegegeld in sieben Stufen nachgezogen. Meiner Mei­nung nach war die Einführung richtig, nur die Stufen, die mit 3 000 S angefangen haben und bis zu über 20 000 S gingen, waren zu hoch angesetzt. Daher konnte man in den Folgejahren keine Erhöhung des Pflegegeldes durchführen.

Aber zu diesem Vorschlag, das Pflegegeld in eine Sachleistung umzuwandeln, muss ich Ihnen sagen, wir lehnen das ab. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Eine Um­wandlung würde erstens bedeuten, dass die Pflegeorganisationen gar nicht in der Lage wären, diese Aufgaben zu erfüllen, zweitens, dass man die Pensionsbezieher, die ein Pflege­geld beziehen, entmündigt. Das wollen wir nicht! Der Pensionist, der Pflegegeld bezieht, muss und


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soll mit seinem Geld machen können, was er will, ohne dass es dafür irgendwelche Vorschriften gibt. Ich glaube, dass derzeit viele Familienangehörige, die Tochter, die Schwiegertochter oder wer immer, zu Hause die Pflege machen, weil dafür ein gewisser Ersatz in Form von Pflegegeld bezahlt wird.

Ich glaube, das ist der richtige Weg, und darf Ihnen sagen, dass wir vom Seniorenbund diese Änderungen nicht mittragen, sondern sie ablehnen. Aber nachzudenken ist natürlich über eine Erhöhung des Pflegegeldes, das muss man auch feststellen, denn die Kosten für Pflegeleistun­gen haben sich in den letzten Jahren wesentlich erhöht. Das Pflegegeld wurde seit 1995 nicht erhöht, und daher, glaube ich, ist es Aufgabe der neuen Regierung, darüber nachzudenken, ob man nicht das Pflegegeld an die Kosten, die erhöht wurden, angleichen kann. Ich glaube – ich hoffe, dass ich nicht falsch informiert bin –, dass die entsprechenden Mittel im Budget schon vorgesehen sind.

Was mich auch sehr stört, meine Damen und Herren, ist, dass sich bei dieser jährlichen Pensionsanpassung kein Mensch auskennt. Das ist eine Katastrophe, es kennt sich niemand aus! Ein Beispiel dazu: Da gibt es einen Entwurf, der folgendermaßen lautet: Verordnung, mit der der Anpassungsfaktor, die Anpassungsfaktormesszahl, die Anpassungsrichtwertmesszahl sowie der Wertausgleich festgesetzt werden. – Kennen Sie sich da aus?

Ich frage mich, ob man überhaupt eine Kommission braucht, um 0,5 Prozent Pensionserhöhung festzusetzen. Dazu braucht man keine Pension! (Bundesrat Konecny: Eine Pension schon!) Keine Kommission, Entschuldigung! Ich glaube, da müssen Änderungen passieren. Die über zwei Millionen Pensionsbezieher erwarten sich, dass sie sich bei der Pensionserhöhung, die ihnen jedes Jahr gewährt wird, auskennen. Wertausgleich, prozentuelle Erhöhung – viele kennen sich damit nicht aus. Das muss transparenter, verständlicher werden! (Beifall bei Bun­des­räten der ÖVP, der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Zur laufenden Diskussion über die Pensionsreform möchte ich nur feststellen, dass sämtliche Aussagen und Erklärungen von den Experten die Betroffenen nur verunsichern. Die Leute wissen genau, dass zur Sicherung der Pensionen für die Zukunft Änderungen kommen müssen. Aber man sollte zuerst die Änderungsvorschläge in den zuständigen Gremien diskutieren, be­raten und dann erst damit in die Öffentlichkeit gehen, denn jetzt ist es so: Je mehr geredet wird, je mehr geschrieben wird, desto mehr Leute drängen in die Pension, und das ist, so glaube ich, der falsche Weg.

Ich sage Ihnen: Die Pensionen, die die Menschen derzeit bekommen, sind doch keine Ge­schenke des Staates, sondern ein jeder muss sein Leben lang dafür arbeiten und ein Leben lang Beiträge zahlen, und er soll auch ein Recht darauf haben zu wissen, wann er in Pension gehen kann. Und das muss auch für die Zukunft gelten! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen sowie Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Wollen Sie nicht bei uns Platz nehmen, Herr Bundesrat?)

Ich darf Ihnen sagen, wir sind bereit, Reformen mitzutragen, aber erst dann, wenn sie aus­diskutiert sind, damit auch in Zukunft die staatliche Vorsorge, die betriebliche Vorsorge und die private Vorsorge den Lebensstandard der zukünftigen Pensionsbezieher absichern. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.00


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Roswitha Bachner. Ich erteile ihr das Wort.

13.00


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich kann mich eigentlich dem Großteil von dem, was Kollege Wolfinger hier gesagt hat, anschließen. Meine Wortspende zieht jedoch nicht so sehr auf den vorliegenden Gesetzentwurf ab, denn meine Fraktion hat schon angekündigt, dass sie diesem zustimmen wird, weil sie es richtig findet, dass diese Anpassung des Ausgleichszu-


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lagenrichtsatzes stattfindet. Wie notwendig das ist, das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon ausführlich dargelegt, sodass ich nicht mehr darauf eingehen möchte.

Ich möchte mich in meinem Redebeitrag mehr dem Thema „Pensionen“, das hier in den De­batten schon mit eingeflossen ist, widmen. Es ist mir als Gewerkschafterin wirklich ein großes Anliegen, dazu unsere Positionen darzulegen, zumal wir in der Öffentlichkeit gerne in sehr verkürzter Form als so genannte Betonierer und als Verhinderer von Reformen dargestellt werden.

Ich sage dazu: Das mag so scheinen, und es mag in manchen Punkten auch wirklich der Fall sein, aber man muss auch wissen, warum es in manchen Punkten so ist. Es wurde zum Beispiel heute hier gesagt, dass die sozialdemokratische Partei im Bereich der Pensionen immer nur kosmetische Reformen gemacht hat. Darauf muss ich, wohl wissend, wie es tatsächlich ist, als Sozialdemokratin antworten: Diese Aussage stimmt teilweise sogar, aber man muss in Erinnerung rufen, dass da nicht die Sozialdemokratische Partei alleine am Werken war, dass das nicht die alleinige Kosmetik der Sozialdemokraten war, sondern dass, wie wir alle wissen – und ich nehme an, dass die Damen und Herren im Bundesrat ein bisschen die politische Geschichte kennen, sich daran erinnern, dass wir über 13 Jahre hinweg Koalitions­regierungen hatten –, das auf den Entscheidungen der damaligen Koalitionsregierungen ba­sierte.

Ich habe sie nie für gut befunden, und ich bin in meinen eigenen Kreisen bekannt dafür, dass ich auch zu jenen Zeiten, zu welchen die Sozialdemokraten an der Regierung waren, sehr kri­tisch mit diesem Thema umgegangen bin und gegen einzelne Maßnahmen aufgetreten bin, weil viele Maßnahmen, die unter dem Titel „Reformen“ gemacht wurden, keine wirklichen Reformen waren, sondern in Wahrheit großteils zum Zwecke der Budgetsanierung durchgeführt wurden. Wir wissen es doch: Immer wenn das Geld zu wenig wird, dann reden wir über Pensionen! Aber ich mache der jetzigen Regierung den Vorwurf, dass sie es nicht besser macht. Sie hat nichts daraus gelernt. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir alle wissen ganz genau, dass auch Herr Finanzminister Grasser, der in den Medien und in der Öffentlichkeit als ein sehr guter Finanzminister dargestellt wird und ein sehr beliebter Finanz­minister ist, jetzt, um ein Budget errichten zu können, nach allen möglichen Finanzmitteln sucht. Aber auch er macht den gleichen Fehler – und alle anderen spielen mit – und schneidet wieder beim Pensionssystem hinein.

Bis zum Jahre 2006 muss 1 Milliarde € im Pensionsbereich hereingebracht werden. Das soll da­durch – die Vorschläge liegen mittlerweile auf dem Tisch und sind öffentlich bekannt gemacht wor­den – erfolgen, dass die vorzeitige Alterspension – Frauen: 56,5 Jahre, Männer: 61,5 Jah­re – schrittweise abgeschafft wird, und zwar in sehr kurzer Zeit, nämlich um zwei Monate pro Quartal. Das heißt, im Jahre 2009 wird es keine vorzeitige Alterspension mehr geben.

Die vorzeitige Alterspension gibt es zurzeit unter zwei Bedingungen. Erstens: vorzeitige Alters­pension wegen langer Erwerbstätigkeit, das heißt, die Voraussetzung sind lange Versicherungs­zeiten. Zweitens: Arbeitslosigkeit, wobei bestimmte Richtlinien erfüllt sein müssen, damit man die vorzeitige Alterspension in Anspruch nehmen darf.

Das will man nun abschaffen, und zwar wider besseres Wissen, denn es ist heute kein Ge­heimnis mehr, dass derzeit bereits 50 Prozent derer, die in Pension gehen, nicht aus dem Erwerbsleben heraus in Pension gehen, sondern aus der Arbeitslosigkeit heraus oder aus dem Bezug der Sozialhilfe oder aus sonstigen Formen heraus.

Wir haben derzeit einen noch nie dagewesenen Höchststand an Arbeitslosigkeit zu ver­zeich­nen. Im Jänner hatten wir 303 676 Arbeitslose. Es ist auch statistisch bewiesen, dass allein die überfallsartige Anhebung des Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension um eineinhalb Jahre im Jahr 2000 viele zusätzliche Arbeitslose bei Frauen und Männern zur Folge gehabt hat.


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Deshalb – auch wenn man mich noch so sehr als Betonierer hinstellt – sage ich immer wieder, und zwar auch zu dem, was jetzt beabsichtigt ist: Das sind keine Reformen, das sind kurz­fristige Maßnahmen, um die Budgets zu sanieren, um Geld zu bekommen!

Ich verspreche euch, so wahr ich hier heute stehe: Wir werden in spätestens zwei Jahren wieder darüber diskutieren, weil das keine Reformen sind, die das System für lange Zeit sichern und die auch für lange Zeit den Menschen die Sicherheit und die Berechenbarkeit bei ihrer Lebens­planung garantieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb appelliere ich an alle politischen Verantwortungsträger: Gehen wir von diesem kurz­fristigen Denken bei dieser so wichtigen Frage weg! Wir stehen auch dazu, dass es zu einer Harmo­nisierung der Systeme kommen muss, aber das muss man – und das hat Kollege Wolfinger auch gesagt – abgehoben von der Tagespolitik diskutieren. Unsere Idee im ÖGB ist es, dass man gerade das wichtige Thema der Pensionen aus der tagespolitischen Diskussion aus­klammert, einen Konvent zu diesem Thema macht, bei dem man diese Dinge genau durchforstet, genau analysiert, die Stärken und die Schwachstellen erforscht, sich genug Zeit dafür lässt, denn dann, wenn die Lebensplanung berücksichtigt ist, wird auch jeder Bürger für solche Reformen Verständnis haben und dann werden sie alle auch mittragen.

Dieses Thema ist so wichtig, dass wir uns die dafür nötige Zeit nehmen müssen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Womit ich mich absolut nicht anfreunden kann, das ist die unqualifizierte Diskussion – das hat schon Kollegin Pühringer in ihrer Wortspende anklingen lassen –, dass man sich immer wieder, wenn es um solche Diskussionen geht, dazu treiben lässt, dass man sagt: Jetzt gehen wir Grup­pen peitschen! Einmal sind es die Beamten, ein anderes Mal sind es die Eisenbahner, dann sind es die „bösen“ Gewerkschafter, dann gehen wir auf die Bauern los und und und.

Das ist, bitte, sinnlos. Die Systeme, wie wir sie jetzt haben, sind unter ganz bestimmten Voraus­setzungen entstanden, dafür hat es Gründe gegeben, und sie sind so gewachsen. Wenn man heute feststellt, dass auf Grund der Entwicklungen Ungerechtigkeiten vorhanden sind, dann muss man in Ruhe darüber diskutieren. Man darf aber nicht nur die Vorteile aus den einzelnen Systemen herausklauben, sondern man muss die ganze Bandbreite der einzelnen Berufsgrup­pen und Beschäftigungsgruppen sehen, denn es gibt in diesen Bereichen auch viele Nachteile. Dass sich die Menschen dadurch sehr betroffen fühlen, das ist für mich verständlich. Wir als Verantwortungsträger sollten uns aber dazu nicht hinreißen lassen. Wir neigen sehr oft dazu – Kollegin Pühringer hat das sehr richtig gesagt, das hat mir sehr gut getan –, dass wir über etwas diskutieren, worüber wir gar nicht genügend Bescheid wissen, und davor sollte man sich in Acht nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP sowie Bei­fall des Bundesrates Schennach.)

13.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. Ich erteile es ihm.

13.08


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Die Wortspenden meiner beiden Vor­redner haben mich dazu bewegt, hier ans Rednerpult zu treten und zum Thema „Pensionen“ doch einige Worte zu sagen.

Zunächst zu den Ausführungen meines Vorredners, Bundesrat Wolfinger: Es ist großartig, dass er herausgestrichen hat, dass Pensionisten keine Bittsteller sind. Ich glaube, dass wir in dieser Hinsicht noch viel dazulernen müssen. Diese Menschen haben Geld eingezahlt und haben einen Rechtsanspruch, eine Pension zu bekommen.

Bei dem Punkt „Arbeitslosengeld“ muss ich ihm widersprechen. – Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung, und man kann daher das Arbeitslosengeld nicht unbedingt mit der Ausgleichszulage vergleichen. Ich meine, wir müssten bei diesen Dingen einfach sensibler


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werden. Jemand, der im Arbeitsverhältnis steht, zahlt in die Arbeitslosenversicherung ein, und wenn der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit eintritt, dann bekommt er Arbeitslosengeld. Die Ausgleichszulage hat sicher eine andere Bedeutung. Damit soll ausgeglichen werden und sollen soziale Härten verhindert werden. Daher kann man auch auf die Anrechnung von weite­ren Einkünften nicht ganz verzichten. Dass man da vielleicht das eine oder andere unbüro­kratischer gestalten kann, das ist die eine Sache, aber ganz verzichten wird man darauf nicht können, weil es einfach mit einer Notstandhilfe zu vergleichen ist. – Das sei zu diesem Thema gesagt.

Nun zum Pensionsthema im Allgemeinen: Das ist wirklich ein sehr heißes Eisen. In diesem Sinne möchte ich mich der Meinung meiner Vorrednerin, der Bundesrätin Bachner, anschließen und auch sagen: Vielleicht wäre es wirklich sinnvoll, dieses Thema aus der Tagespolitik heraus­zuhalten und sehr sensibel damit umzugehen.

Nächster Punkt: Anhebung des Pensionsantrittsalters. – Wenn ich mir den Vorschlag der ÖVP, der in den Zeitungen kolportiert wurde, ansehe, das Pensionsantrittsalter ab dem Jahre 2004 pro Quartal um zwei Monate anzuheben, dann muss ich schon sagen: Die Menschen, die im Arbeitsprozess stehen, haben einen Anspruch auf eine Lebensplanung, und das ist schon ein sehr harter und gravierender Eingriff in die Lebensplanung.

Es ist, wie gesagt, ein sehr heißes Eisen, und solche heiße Eisen darf man eben ohne ent­sprechende Schutzvorkehrungen nicht angreifen, sonst verbrennt man sich die Finger. Ich meine das auch in Richtung ÖVP: Wenn man solche Vorschläge bringt, dann muss man sich die Finger verbrennen. Auch die ÖVP wird sich daran die Finger verbrennen.

Wichtig ist es, dass der Generationenvertrag, von dem wir immer sprechen, in Zukunft erhalten werden kann, und das wird nur dann funktionieren, wenn es auch weiterhin eine Akzeptanz zwischen den Generationen gibt und wenn es gelingt, die Ungerechtigkeiten auszuräumen.

Die Fakten, die wir in den letzten Tagen über die Medien erfahren konnten, sprechen für sich. Die Pensionsvorsorge für öffentlich Bedienstete und jene für Bedienstete nach dem ASVG driften ganz fürchterlich auseinander, und da muss etwas getan werden.

Abschließend und zusammenfassend ist aus meiner Sicht zu sagen: Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters in der von der ÖVP geforderten Form ab dem Jahre 2004 kann es nicht geben, das ist unrealistisch. Man kann nicht die Arbeitslosigkeit praktisch statt des Pensions­antritts verwenden. Das ist sicher nicht die richtige Lösung. Das ist einfach nicht austauschbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einschnitte in hohe und höhere Pensionen werden, so wehe es vielen tun wird, im Sinne der Erhaltung des Generationenvertrages – ich sage es vorsichtig – zumindest in den nächsten Jahren kommen müssen, sonst wird uns die Jugend und sonst werden uns die 30- und 35-Jährigen nicht verstehen. Im Endeffekt sind das, wenn ich jetzt meine Generation hernehme, jene, die dafür Sorge tragen werden, dass unsere Pensionen bezahlt werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.15


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
693. Sitzung / Seite 62

Der Antrag ist angenommen.

3. Punkt

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europa­rates


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Da entgegen dem ursprünglich zwischen Nationalrat und Bundesrat festgelegten Verteilungs­schlüssel für die Entsendung von Vertretern in die Parlamentarische Versammlung des Europa­rates die Nominierung eines weiteren Ersatzmitgliedes dem Bundesrat zukommen soll, ist sohin diese Nachwahl in das genannte Gremium durchzuführen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Herrn Bundesrat Wilhelm Grissemann als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekannt gegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist angenommen.

Herr Bundesrat Wilhelm Grissemann ist somit als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Ver­sammlung des Europarates gewählt.

Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Tätigkeit viel Erfolg. (Bundesrat Grissemann: Danke!)

4. Punkt

Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 F-VG 1948


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 F-VG 1948.

Der Ausschuss besteht aus insgesamt 26 Mitgliedern, von denen jeweils 13 vom Bundesrat und 13 vom Nationalrat zu wählen sind.

Im Sinne der Bestimmungen des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes entfallen von den vom Bundesrat zu wählenden 13 Mitgliedern und 13 Ersatzmitgliedern jeweils 6 auf die ÖVP, 5 auf die SPÖ und 2 auf die FPÖ.

Es liegen mir folgende Vorschläge vor:

Als Mitglieder von der Bundesratsfraktion der Österreichischen Volkspartei sind Hans Ager, Ludwig Bieringer, Ilse Giesinger, Herwig Hösele, Gottfried Kneifel, Johann Ledolter,

als Mitglieder von der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion Karl Boden, Anna Elisabeth Haselbach, Johanna Schicker, Anna Schlaffer, Ernst Winter,

als Mitglieder von der freiheitlichen Bundesratsfraktion Engelbert Weilharter, Ing. Gerd Klamt,

als Ersatzmitglieder von der Bundesratsfraktion der Österreichischen Volkspartei Paul Fasching, Ing. Franz Gruber, Friedrich Hensler, Helmut Kritzinger, Dr. Vincenz Liechtenstein, Franz Wolfinger,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
693. Sitzung / Seite 63

als Ersatzmitglieder von der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion Johanna Auer, Theodor Binna, Manfred Gruber, Günther Molzbichler, Harald Reisenberger und

als Ersatzmitglieder von der freiheitlichen Bundesratsfraktion Dr. Peter Böhm und Christoph Hagen zu wählen.

Ich lasse über diese Vorschläge unter einem abstimmen.

Erhebt sich gegen diese Vorgangsweise ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der Wahl der genannten Bundesräte zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insge­samt fünf Anfragen – 2046/J bis 2050/J – eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Nach dem derzeitigen Stand der Sitzungsplanung des Nationalrates, wonach der 26. und 27. Februar 2003 für Plenarsitzungen in Aussicht genommen sind, ist für die nächste Sitzung des Bundesrates Donnerstag, der 13. März 2003, vorgesehen.

Die entsprechenden Ausschusssitzungen wären sohin für Dienstag, den 11. März 2003, zu avi­sieren

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 13.19 Uhr

 

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