Stenographisches Protokoll

712. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 22. Juli 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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712. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 22. Juli 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. Juli 2004: 9.08 – 23.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz, das Privatfernsehgesetz, das KommAustria-Gesetz und das ORF-Gesetz geändert werden sowie das Fernseh­signal­gesetz aufgehoben wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Ver­fassungsgerichtshofgesetz 1953 und die Europawahlordnung geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz zur Änderung des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2004 – SRÄG 2004)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schwe­ren Unglücksfällen

9. Punkt: Beendigung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Konformitätsnachweisen

10. Punkt: Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraum­organisation über den Schutz und Austausch von der Geheimhaltung unterliegenden Informationen

11. Punkt: Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Rechtsstellung des zum Militärstab der Europäischen Union abgestellten be­ziehungsweise abgeordneten Militär- und Zivilpersonals, der Hauptquartiere und Trup­pen, die der Europäischen Union gegebenenfalls im Rahmen der Vorbereitung und


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Durchführung der Aufgaben im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, einschließlich Übungen, zur Verfügung gestellt werden, sowie des Militär- und Zivilpersonals der Mitgliedstaaten, das der Europäischen Union für der­artige Aufgaben zur Verfügung gestellt wird (EU-Truppenstatut) samt Erklärungen

12. Punkt: Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Ansprüche eines Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat wegen Be­schädigung von in seinem Eigentum stehenden, von ihm genutzten oder betriebenen Sachen oder wegen Körperverletzung oder Tod von Mitgliedern des Militär- oder Zivil­personals seiner Einsatzkräfte im Rahmen einer Krisenbewältigungsoperation der Europäischen Union

13. Punkt: Beschluss der im Rat der Europäischen Union vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten betreffend die Vorrechte und Immunitäten von ATHENA

14. Punkt: Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Anhängen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll

15. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungs­politik 2004–2006

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß §  15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Unterrichtspraktikum geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundes­ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Akademien-Studiengesetz 1999 geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundes­schul­gesetz geändert wird

21. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Slowakischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird (Chemikaliengesetz-Novelle 2004 – ChemGNov 2004)

24. Punkt: Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltmanagementgesetz 2001 geändert wird

26. Punkt: Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Basistunnel Aktien­gesell­schaft“ und mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisen­bahn GmbH“ geändert wird


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27. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Re­publik zur Verwirklichung eines Eisenbahntunnels auf der Brennerachse

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pen­sionsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Eisenbahn­ge­setz 1957 geändert werden

29. Punkt: Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen (ADN) samt Verordnung und Erklärung

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (24. KFG-Novelle)

31. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird

32. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

33. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird

34. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz geändert wird

35. Punkt: Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Euro­päische Union über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen samt Erklärungen

36. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Mexikanischen Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

37. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs­ge­setz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Reichshaftpflicht­gesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Gaswirtschaftsgesetz geändert werden

38. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfandbriefgesetz und das Bausparkassengesetz geändert werden

39. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Buchhaltungsagenturgesetz geändert wird

40. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens von Bundespräsident Dkfm. Dr. Thomas Klestil             ............................................................................................................................... 18

Unterbrechungen der Sitzung ...........................................................................  117, 117

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 18

Bundesregierung


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Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 19

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 18

Wahlen in Institutionen

40. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Ver­sammlung des Europarates              ............................................................................................................................. 225

Ergebnis: Ersatzmitglied: Bundesrat Ewald Lindinger ........................................... 225

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 19

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Scheinharmonisierung“ der Pensionssysteme (2231/J-BR/04) ................................. 117

Begründung: Albrecht Konecny ................................................................................. 117

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 125

Debatte:

Roswitha Bachner ...................................................................................................... 130

Franz Wolfinger ....................................................................................................... ... 134

Eva Konrad ................................................................................................................. 137

Roland Zellot ............................................................................................................... 141

Harald Reisenberger .................................................................................................. 144

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 149

Dr. Ruperta Lichtenecker .................................................................................  152, 159

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 154

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 156

Angela Lueger ............................................................................................................ 156

Karl Boden .................................................................................................................. 158

der Bundesräte Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Skandalreihe in den ÖBB: Cha­os im Management, mangelhafte Umsetzung der Reform, ungerechte Früh­pen­sionierungen und Explosion von Kosten für externe Berater (2232/J-BR/04)          ............................................................................................................................. 160

Begründung: Karl Boden ............................................................................................ 160

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 162

Debatte:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 169

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 174

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 177

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 178

Werner Stadler ............................................................................................................ 180

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 183

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 186

Roswitha Bachner ...................................................................................................... 188

Verhandlungen


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712. Sitzung / Seite 5

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz, das Privatfernsehgesetz, das KommAustria-Gesetz und das ORF-Gesetz geändert werden sowie das Fern­seh­signalgesetz aufgehoben wird (430/A sowie 7084/BR d.B. und 7086/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 20

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 20

Redner:

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 20

Herwig Hösele .............................................................................................................. 22

Stefan Schennach ........................................................................................................ 25

Staatssekretär Franz Morak ........................................................................................ 27

Theodor Binna .............................................................................................................. 28

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 30

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (420/A und 563 d.B. sowie 7087/BR d.B.)                   30

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 31

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (421/A und 564 d.B. sowie 7088/BR d.B.)                       30

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 31

Redner:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 31

Johann Giefing ............................................................................................................. 33

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 34

Stefan Schennach ........................................................................................................ 36

Herwig Hösele .............................................................................................................. 37

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 39

Bundesminister Günther Platter ................................................................................ 44

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 46

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 49

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Benennung einer Einrichtung des Bundes­heeres nach Oberstleutnant Robert Bernardis – Ablehnung ................................................................................................................  41, 51

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 51

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungs­gerichtshofgesetz 1953 und die Europawahlordnung geändert werden (447 d.B. und 565 d.B. sowie 7089/BR d.B.) ..................................... 51

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 51


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712. Sitzung / Seite 6

Redner:

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 51

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 52

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz zur Änderung des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern (401/A und 608 d.B. sowie 7090/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 52

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 52

Redner:

Herwig Hösele .............................................................................................................. 53

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 54

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 55

Stefan Schennach ........................................................................................................ 56

Staatssekretär Franz Morak ........................................................................................ 56

Dr. Andreas Schnider .................................................................................................. 57

Ana Blatnik .................................................................................................................... 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 60

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2004 – SRÄG 2004) (434/A sowie 7091/BR d.B.)...... 60

Berichterstatter: Mag. John Gudenus .......................................................................... 61

Redner:

Mag. Susanne Neuwirth .............................................................................................. 61

Jürgen Weiss ................................................................................................................ 63

Eva Konrad ................................................................................................................... 63

Roland Zellot ................................................................................................................. 64

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 65

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 67

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 70

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 71

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 72

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 73

Ilse Giesinger ................................................................................................................ 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 76

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (479 d.B. und 562 d.B. sowie 7092/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 76

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 76

Redner:

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 76

Günther Prutsch ........................................................................................................... 77

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 78

Staatssekretärin Ursula Haubner ........................................................................  79, 83


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712. Sitzung / Seite 7

Eva Konrad ................................................................................................................... 80

Andrea Fraunschiel ...................................................................................................... 81

Ana Blatnik .................................................................................................................... 82

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 84

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (468 d.B. und 594 d.B. sowie 7093/BR d.B.)                         84

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 85

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend Beendigung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungs­zeug­nis­sen und Konformitätsnachweisen (513 d.B. und 595 d.B. sowie 7094/BR d.B.) ...................................................................................................... 84

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 85

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Über­einkommen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraum­organisation über den Schutz und Austausch von der Geheimhaltung unter­liegenden Informationen (411 d.B. und 596 d.B. sowie 7095/BR d.B.) .......................................... 84

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 85

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Rechtsstellung des zum Militärstab der Europäischen Union abgestellten bezie­hungsweise abgeordneten Militär- und Zivilpersonals, der Hauptquartiere und Truppen, die der Europäischen Union gegebenenfalls im Rahmen der Vor­bereitung und Durchführung der Aufgaben im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, einschließlich Übungen, zur Verfügung gestellt werden, sowie des Militär- und Zivilpersonals der Mitgliedstaaten, das der Europäischen Union für derartige Aufgaben zur Verfügung gestellt wird (EU-Truppenstatut) samt Erklärungen (457 d.B. und 597 d.B. sowie 7096/BR d.B.) ........................................................................................ 84

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 85

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Über­einkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über An­sprüche eines Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat wegen Be­schädigung von in seinem Eigentum stehenden, von ihm genutzten oder betriebenen Sachen oder wegen Körperverletzung oder Tod von Mitgliedern des Militär- oder Zivilpersonals seiner Einsatzkräfte im Rahmen einer Krisen­bewältigungsoperation der Europäischen Union (519 d.B. und 598 d.B. sowie 7097/BR d.B.) ...................................................................................................... 84

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 85

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend einen Beschluss der im Rat der Europäischen Union vereinigten Vertreter der


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712. Sitzung / Seite 8

Regierungen der Mitgliedstaaten betreffend die Vorrechte und Immunitäten von ATHENA (515 d.B. und 599 d.B. sowie 7098/BR d.B.) ...................... 85

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 85

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Ge­meinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile anderer­seits samt Anhängen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll (549 d.B. und 600 d.B. sowie 7099/BR d.B.) ................................................................................................................. 85

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 85

Redner:

Stefan Schennach ........................................................................................................ 87

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ........................................................ 88

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. den im Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 8 Abs. 1 und 2 enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. den im Artikel 2 Abs. 3.1 bis 3.4, Artikel 6 Abs. 2 bis 4, Artikel 8, Artikel 9 Abs. 1, 2 und 4, Artikel 10 Abs. 4 enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen ................................................................. 90

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben..................................................................................................... 91

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 91

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 92

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 92

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 92


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Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 9

15. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betref­fend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwick­lungspolitik 2004–2006 (III-256-BR/2004 d.B. sowie 7100/BR d.B.) ................................................................................................................. 93

Berichterstatter: Gottfried Kneifel ................................................................................ 93

Redner:

Dr. Erich Gumplmaier ................................................................................................. 93

Hans Ager ..................................................................................................................... 95

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 97

Stefan Schennach ........................................................................................................ 99

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ...................................................... 102

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-256-BR/2004 zur Kenntnis zu nehmen   ............................................................................................................................. 106

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungs­tätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß §  15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (495 d.B. und 570 d.B. sowie 7101/BR d.B.)                    106

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 107

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Unterrichtspraktikum geändert wird (496 d.B. und 571 d.B. sowie 7102/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 106

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 107

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundes­ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geändert wird (497 d.B. und 572 d.B. sowie 7103/BR d.B.) ............................................................................................................... 106

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 107

Redner:

Josef Saller ................................................................................................................. 107

Ana Blatnik .................................................................................................................. 108

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 108

Eva Konrad ................................................................................................................. 109

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 110

Gemeinsame Beratung über


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712. Sitzung / Seite 10

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Akademien-Studiengesetz 1999 geändert wird (413/A und 573 d.B. sowie 7104/BR d.B.)                            111

Berichterstatterin: Herta Wimmler .............................................................................. 111

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (415/A und 574 d.B. sowie 7105/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 111

Berichterstatterin: Herta Wimmler .............................................................................. 111

Redner:

Johann Höfinger ......................................................................................................... 111

Manfred Gruber .......................................................................................................... 112

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 113

Eva Konrad ................................................................................................................. 114

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 115

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowakischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (517 d.B. und 602 d.B. sowie 7106/BR d.B.) ................................... 116

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....................................... 116

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (414/A und 603 d.B. sowie 7085/BR d.B. und 7107/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 189

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 189

Redner:

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 189

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 191

Eva Konrad ................................................................................................................. 192

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 194

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 195

Gemeinsame Beratung über

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird (Chemi­kaliengesetz-Novelle 2004 – ChemGNov 2004) (474 d.B. und 566 d.B. sowie 7108/BR d.B.) ...................................................................................... 195


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 11

Berichterstatter: Theodor Binna ................................................................................. 195

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend eine Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (503 d.B. und 568 d.B. sowie 7109/BR d.B.) ............................................................................................................................. 195

Berichterstatter: Theodor Binna ................................................................................. 195

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltmanagementgesetz 2001 geändert wird (555 d.B. und 569 d.B. sowie 7110/BR d.B.)                   195

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 196

Redner:

Johann Kraml ............................................................................................................. 196

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 197

Stefan Schennach ...................................................................................................... 199

Johanna Auer ............................................................................................................. 200

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 202

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ...................................................................... 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 23, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 204

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 24, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 205

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 205

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz zur Errichtung einer „Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft“ und mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“ geändert wird (511 d.B. und 578 d.B. sowie 7111/BR d.B.) ......... 205

Berichterstatter: Ewald Lindinger .............................................................................. 205

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik zur Verwirklichung eines Eisenbahntunnels auf der Brennerachse (537 d.B. und 579 d.B. sowie 7112/BR d.B.) ............................................................... 205

Berichterstatter: Ewald Lindinger .............................................................................. 205

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Eisenbahngesetz 1957 geändert werden (423/A und 580 d.B. sowie 7113/BR d.B.)                        205

Berichterstatter: Ewald Lindinger .............................................................................. 205

Redner:

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 206

Helmut Kritzinger ....................................................................................................... 209

Theodor Binna ............................................................................................................ 211


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 12

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 211

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 27, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 211

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 28, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 212

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefähr­lichen Gütern auf Binnenwasserstraßen (ADN) samt Verordnung und Erklärung (196 d.B. und 577 d.B. sowie 7114/BR d.B.) ............................................... 212

Berichterstatterin: Angela Lueger ............................................................................... 212

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 212

Gemeinsame Beratung über

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (24. KFG-Novelle) (557 d.B. und 581 d.B. sowie 7082/BR d.B. und 7115/BR d.B.) ............................................................................................................... 212

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 213

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird (385/A und 582 d.B. sowie 7116/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 212

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................. 213

32. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (422/A und 583 d.B. sowie 7117/BR d.B.)                    213

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................. 213

Redner:

Theodor Binna ............................................................................................................ 213

Franz Wolfinger .......................................................................................................... 214

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 215

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 30, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 216

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 31, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 217

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 32, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 217

Gemeinsame Beratung über

33. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird (478 d.B. und 586 d.B. sowie 7118/BR d.B.)                217


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 13

Berichterstatterin: Roswitha Bachner ........................................................................ 217

34. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz geändert wird (516 d.B. und 587 d.B. sowie 7119/BR d.B.) ....... 217

Berichterstatterin: Roswitha Bachner ........................................................................ 217

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 33, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 218

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 34, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 218

35. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Über­einkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen samt Erklärungen (477 d.B. und 585 d.B. sowie 7120/BR d.B.) ..... 218

Berichterstatter: Johann Kraml .................................................................................. 218

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 218

Gemeinsame Beratung über

36. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Mexikanischen Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (553 d.B. und 589 d.B. sowie 7121/BR d.B.) ................................................ 218

Berichterstatter: Günther Prutsch .............................................................................. 219

37. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Reichshaftpflichtgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Gaswirtschaftsgesetz geändert werden (556 d.B. und 590 d.B. sowie 7083/BR d.B. und 7122/BR d.B.) ................................................. 219

Berichterstatter: Günther Prutsch .............................................................................. 219

Redner:

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 219

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 221

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 222

Ludwig Bieringer ........................................................................................................ 223

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederverlautbarung des „Reichshaft­pflichtgesetzes“ – Ablehnung  220, 224

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 36, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 223


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 14

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 37, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 224

Gemeinsame Beratung über

38. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfandbriefgesetz und das Bausparkassengesetz geändert werden (416/A und 592 d.B. sowie 7123/BR d.B.) ...................................................................................... 224

Berichterstatter: Johann Giefing ................................................................................ 224

39. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Buchhaltungsagenturgesetz geändert wird (417/A und 593 d.B. sowie 7124/BR d.B.)                    224

Berichterstatter: Hans Ager ........................................................................................ 225

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 38, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 225

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 39, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 225

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den beabsichtigten Postbusverkauf (2212/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2213/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2214/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2215/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2216/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2217/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2218/J-BR/04)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 15

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2219/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2220/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2221/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Einsatz von Schnüffelsoft­ware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2222/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Einsatz von Schnüffel­software in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2223/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2224/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Verluste für die „Wiener Zeitung“ durch den Kauf des „Wiener Journal“ (2225/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Benennung einer Einrichtung des Bundesheeres nach Oberst­leutnant Robert Bernardis (2226/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend unverständliche Vorgangsweise des Innenministers im Rechtsstreit zwischen dem Bund und Salzburg um Kosten für die Bergung von Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg (2227/J-BR/04)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend personelle Ausstattung der Bundeswettbewerbs­behörde (2228/J-BR/04)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ÖBB-Beratungshonorare (2229/J-BR/04)

Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Straßenverkehrszeichen in Kärnten (2230/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Scheinharmonisierung“ der Pensionssysteme (2231/J-BR/04)

Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Skandalreihe in den ÖBB: Chaos im Management, mangelhafte Umsetzung der Reform, ungerechte Frühpensionierungen und Explosion von Kosten für externe Berater (2232/J-BR/04)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 16

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (2233/J-BR/04)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sonderabgabe auf Alcopops (2234/J-BR/04)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sanierung der Bahnlinie von Korneu­burg nach Ernstbrunn (2235/J-BR/04)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2006/AB-BR/04 zu 2196/J-BR/04)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2007/AB-BR/04 zu 2198/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2008/AB-BR/04 zu 2201/J-BR/04)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2009/AB-BR/04 zu 2197/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vergabe von Fördermittel an Vereine (2010/AB-BR/04 zu 2187/J-BR/04)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2011/AB-BR/04 zu 2191/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2012/AB-BR/04 zu 2192/J-BR/04)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rotes Kreuz Steiermark (2013/AB-BR/04 zu 2190/J-BR/04)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2014/AB-BR/04 zu 2195/J-BR/04)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2015/AB-BR/04 zu 2200/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abkommen zwischen der EU


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 17

und den Vereinigten Staaten über die Erfassung von Flugpassagierdaten auf trans­nationalen Flügen und deren Übermittlung an amerikanische Sicherheitsbehörden oder ein Schlag in das Gesicht des Europäischen Parlaments durch die EU-Außenminister (2016/AB-BR/04 zu 2189/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2017/AB-BR/04 zu 2194/J-BR/04)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksgruppenförderung (2018/AB-BR/04 zu 2188/J-BR/04)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2019/AB zu 2193/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2020/AB-BR/04 zu 2199/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2021/AB-BR/04 zu 2202/J-BR/04)

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 9.08 Uhr

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 712. Sitzung des Bundesrates.

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens von Bundespräsident Dkfm. Dr. Thomas Klestil

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwar schon einige Tage her, aber Österreich hat, noch während dessen Amtszeit, seinen Bundespräsidenten verloren. Herr Bundespräsident Dr. Klestil war, wie viele von Ihnen wissen, dem Bundesrat sehr verbunden. Ich meine, dass wir ihm dafür und für seine Haltung zum Föderalismus Dank schuldig sind und diesen auch in dieser Sitzung aussprechen wollen.

Ich darf Sie daher bitten, eine kurze Gedenkminute einzuhalten. (Alle Anwesenden erheben sich von ihren Sitzen und verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke Ihnen sehr herzlich.

*****

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bei aller Trauer, die wir empfinden, gibt es natürlich auch Ereignisse, die Freude bereiten. Ich glaube, besondere Freude bereitet uns allen, dass unser verehrter Bundesratsdirektor heute einen runden Geburtstag feiert. (Allgemeiner Beifall.) Herr Dr. Labuda, Sie merken die Zustimmung des Hauses. Wir haben weder Kosten noch Mühen gescheut, diese Sitzung heute abzuhalten, um Sie hochleben zu lassen. Ich darf Ihnen von dieser Stelle aus alles Gute wünschen; zum Feiern werden wir noch Zeit haben.

*****

Das Amtliche Protokoll der 711. Sitzung des Bundesrates vom 1. Juli 2004 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Dr. Karl-Heinz Dernoscheg, Adelheid Ebner und Günther Molzbichler.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Hinsichtlich der eingelangten, entsprechend vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen mit der Zahl 2006/AB bis 2021/AB beziehungsweise jener eingelangten Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Absatz 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 19

erlassen und des Bundesimmobiliengesetz geändert wird (465 und 584/NR der Beilagen),

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (545 und 588/NR der Beilagen).

*****

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt und von mir zugewiesen sind jene Beschlüsse des Nationalrates sowie jene Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, dass das Bundes­kanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht hat, dass innerhalb des Zeitraumes vom 22. bis 26. Juli 2004 der Bundesminister für Finan­zen Mag. Karl-Heinz Grasser durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz vertreten wird.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird zur Tagesordnung das Wort ge­wünscht? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Ich habe diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich die Verhandlungen über die Punkte 2 und 3, 8 bis 14, 16 bis 18, 19 und 20, 23 bis 25, 26 bis 28, 30 bis 32, 33 und 34, 36 und 37 sowie 38 und 39 der Tagesordnung jeweils unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Absatz 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Prof. Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Scheinharmoni­sierung“ der Pensionssysteme an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Absatz 4 der Geschäftsordnung verlege ich deren Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Weiters gebe ich bekannt, dass mir ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen betreffend Skandalreihe in den ÖBB: Chaos im Management, mangelhafte Umsetzung der Reform, ungerechte Frühpensionierungen und Explosion von Kosten für externe Berater vorliegt.


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712. Sitzung / Seite 20

Die Behandlung dieser an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie gerichteten Anfrage wird in unmittelbarem Anschluss an die Behandlung der an den Herrn Bundeskanzler gerichteten Anfrage erfolgen.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz, das Privatfernsehgesetz, das KommAustria-Gesetz und das ORF-Gesetz geändert werden sowie das Fernsehsignalgesetz aufge­hoben wird (430/A sowie 7084/BR d.B. und 7086/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren 1. Punkt.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Höfinger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatradiogesetz, das Privatfernsehgesetz, das KommAustria-Gesetz und das ORF-Gesetz geändert werden sowie das Fernsehsignalgesetz aufgehoben wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Ausschussbericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf daher sogleich zur Verlesung des Antrages kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


9.17

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit einer Vorlage auseinander zu setzen, bezüglich derer es im Wesentlichen ein Bild der Gesetzgebungspraxis der gegen­wärtigen Regierung gibt. Wir im Bundesrat sind – das kann man ruhig sagen – privilegiert. Wir haben immerhin eine Vorlage, über die wir beraten können. Das unter­scheidet uns von den Ausschussmitgliedern im Nationalrat. Sie hatten nämlich keine Vorlage. Debattieren sollten sie schon darüber, aber sie hatten keinen Text, anhand dessen man eine Diskussion hätte führen können.

Herr Staatssekretär! Ich weiß ja nicht, wie dieses Chaos zustande kam, aber es gab nicht einmal ein Deckblatt im Ausschuss, wurde mir berichtet, was nicht wirklich auf eine exzellente Vorbereitung dieser Materie schließen lässt. Es hat dann eine originelle – als Mitglied des Konvents kann ich nur sagen: diese Denkfigur müsste man auch noch in die Verfassungsüberlegungen einbeziehen – Denkfigur gegeben, be­stimmte Ideen – sie lagen ja noch nicht schriftlich vor – in einen indirekten Verfas­sungsrang zu erheben.

Klar: Auch im Nationalrat gibt es keine Verfassungsmehrheit der Regierung – jetzt abgesehen von dem geradezu pervertierten Gedanken zu einem Zeitpunkt, zu dem der Konvent darüber diskutiert, Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen für alle


Bundesrat
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Zukunft unmöglich zu machen, schnell noch ein paar solche zu beschließen, die der Konvent dann wieder aufheben oder zu eliminieren empfehlen kann.

Aber der Dreh, der da jemandem eingefallen ist – falls Sie das waren, Herr Staats­sekretär, Kompliment! –, war besonders originell. Da es natürlich keine Verfassungs­mehrheit im Nationalrat für die Regierungsideen gab, war der Gedanke, man beschließt das als einfaches Gesetz und gleichzeitig beschließt man einen Ent­schließungsantrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, den entsprechen­den Passus als Verfassungsbestimmung erneut im Haus einzubringen, also sozusagen eine indirekte Verfassungsklausel. Das grenzt an verfassungsrechtliche Unmoral, vor allem in Zeiten des Konvents.

Man merkt dem Text – wir haben ihn ja – an allen Ecken und Enden an, dass – und das war ein selbst auferlegtes Zeitlimit –, gehudelt werden musste, denn er ist schlicht und einfach ein legistisch miserabler Text. Aber ich kann das niemandem zum Vorwurf machen. Bei dem Zeitdruck, den sich die Mehrheit selbst gemacht hat, kann nur so etwas herauskommen – und so schaut dieses Produkt auch aus!

Es ist daher alles andere als die zweifellos notwendige Weiterentwicklung der legistischen Basis auf dem Gebiet der Privatradios. Manches ist widersprüchlich, manches ist unklar, in manchem – ich sage das auch ganz ehrlich – mag die Opposition geneigt sein, etwas „hineinzugeheimnissen“, was nicht intendiert ist, aber die Textierung schließt es auch nicht aus.

In Wirklichkeit geht es nicht darum, dagegen zu sein – das ist gar nicht der zentrale Punkt! –, sondern das, was ich ehrlich sagen möchte, ist: Wenn es eine rechtliche beziehungsweise eine verfassungsrechtliche Basis dafür gäbe, würde ich dem Hohen Haus vorschlagen, einige Ideen in einer Entschließung freundlich zu begrüßen und die Regierung zu bitten, ein neues Gesetz zu machen, in dem Ähnliches steht, das jedoch in Ruhe und Ausgewogenheit und mit einer vernünftigen Textierung erarbeitet wird, und danach wiederzukommen.

Nun, diese Möglichkeit besteht nicht, daher müssen wir uns an den Gesetzestext halten, und daher kommen wir auch zu einem Nein.

Es geht um viele Regelungsbedürfnisse in diesem Bereich. Das Ziel wird eindeutig verfehlt – ja, es ist auch das Ziel nicht klar, ich sage das ganz ehrlich! Wir lesen – und unsere Sprecher haben das in den bisherigen Debatten klar zum Ausdruck gebracht – Folgendes heraus:

Es wird einer wahrhaft nicht positiv zu bewertenden Entwicklung, die im Bereich der Privatradios ein Oligopol entwickelt, zustimmend Rechnung getragen. Es gibt starke, in Ketten zusammengeschlossene Anbieter, die den Markt dominieren. Ihnen wird, um das jetzt einmal so global zu sagen, mit dieser Novelle das Leben substantiell erleichtert, hier wird sich auch ein Oligopol herausbilden. Die kleinen, lokalen Anbieter hingegen stehen heute schon vor einem begrenzten Anzeigenmarkt, einem begrenzten Werbemarkt – und sie haben ja keine anderen Möglichkeiten auf Einnahmen, um einigermaßen erfolgreich über die Runden zu kommen. Ihnen werden keine zu­sätzlichen Möglichkeiten eröffnet.

Es ist gar keine Frage, dass das – gewollt oder nicht gewollt – eine Richtungs­entscheidung ist, über die man in absehbarer Zeit, wenn die Auswirkungen spürbar sind, erneut wird reden müssen. Es hat nämlich wenig Sinn, lokale Frequenzen zu vergeben, wenn es sich niemand leisten kann, diese Frequenzen auch tatsächlich zu nutzen.

Es wird einmal mehr die Chance versäumt, entsprechende Förderungsbestimmungen für freie, nicht kommerzielle Sender, die ebenfalls zur Vielfalt unserer Medienlandschaft


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gehören, einzubauen, was im Sinne einer umfassenden Lösung notwendig gewesen wäre.

Es wird dort, wo es um Institutionen geht, eine Vorgangsweise gewählt, angesichts derer man, wenn man als Oppositioneller sehr kritisch ist, auch sagen kann: Da brauche ich keine Institutionen, das könnten Sie dann selber machen, Herr Staats­sekretär! – Wozu brauche ich nämlich, wenn ich Besetzungs- und Weisungsrecht übereinander kumuliere, dann noch Personen? Machen Sie das gleich selbst von Ihrem Schreibtisch aus, dann ist es ehrlicher und offenkundiger!

Zuletzt: Es wird damit – zugegebenermaßen in einem Randbereich, wenn man will, weil es um eine Möglichkeit geht, Beschwerde zu erheben – zugleich auch dem ORF noch einmal eins ausgewischt. Die KommAustria, die im Falle einer behaupteten Verletzung der Werbebestimmungen nun auch das Recht bekommt, eine Anzeige an den Bundeskommunikationssenat zu richten, wird nämlich auf viele andere derartige Möglichkeiten, die es schon gibt, „draufgedoppelt“. Das ist gegenüber dem Leitmedium sicherlich eine höchst problematische Geste.

Wer im Hohen Haus war, als das im Nationalrat debattiert wurde – und dort hat Abgeordneter Cap sehr viel größeres Gewicht auf dieses Thema gelegt –, hat ein eigenartiges Bild gesehen: eine ÖVP-Seite des Hauses, wo diese Philippika von Josef Cap für den ORF mit breitem Lächeln begleitet wurde.

Ich gebe ja zu, es ist paradox, aber wenn Sozialdemokraten den ORF in seinem Bestand und seiner ökonomischen Sicherheit zu verteidigen versuchen, dann kann uns wirklich niemand vorhalten, dass wir das aus Eigeninteresse tun. Das Leitmedium des Landes, das in der politischen Praxis das Leitmedium der Regierung ist, behandelt uns tatsächlich nicht so, dass ein breites Meinungsbild wiedergegeben wird und wir uns dort auch nur einigermaßen angemessen wieder erkennen.

Ich glaube, dass es dennoch politisch richtig ist, nicht in Schlagreaktionen des Ärgers zu verfallen und zu sagen: Wenn die Regierung das Medium schon in dieser Art und Weise verwendet, um nicht zu sagen, missbraucht, dann soll es halt den Bach runtergehen!, sondern weiter über den Augenblick und die augenblickliche Verär­gerung hinaus zu denken, die Bedeutung dieses Leitmediums für die kulturelle Identität Österreichs und für die gesamte Branchenlandschaft, die von Aufträgen des ORF lebt, mit zu berücksichtigen und sich massiv dafür einzusetzen, dass dieses Leitmedium nicht geschwächt wird.

Ich komme an den Ausgangspunkt zurück: Ich würde – aber auch das ist nicht einmal in unserer Geschäftsordnung vorgesehen – am liebsten sagen: Netter Versuch, völlig missglückt! Über vieles, was an Intentionen darin enthalten ist, könnte man reden. – Herr Staatssekretär, probieren Sie es noch einmal! Vielleicht kommen wir dann zu einem vernünftigen und für uns zustimmungsfähigen Ergebnis.

Da ich all das nicht sagen kann, kann ich nur ankündigen, dass wir gegen die Vorlage stimmen werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.29

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hösele. Ich erteile es ihm.

 


9.29

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ja keine ganz große Überraschung, dass Herr Professor Konecny, so wie es bei allen Mediengesetzen und Medieninitiativen seit dem Jahr 2000 passiert ist, ein Njet dazu gegeben hat. Nur: Es ist immer amüsant, mit welcher Begründung er es tut. Ob sie


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sachlich wirklich haltbar ist, das werden wir in einer näheren Erörterung kurz überprüfen.

Ich stelle zunächst einmal fest, dass es sich um einen parlamentarischen Initiativantrag gehandelt hat, der weitgehend auf einer Vorlage beruht, die einem Begutachtungs­verfahren unterzogen wurde und die – meiner Erinnerung nach – auch sehr lange diskutiert worden ist.

Ich habe vor ungefähr einem Jahr das erste Mal – auch seitens der privaten Radio­veranstalter – über die Notwendigkeit gehört, die Ausstrahlung eines österreichweiten Programms zu ermöglichen. Daher würde ich sagen, dass das in breitem Konsens weitgehend gut vorbereitet war.

Das Zweite vermag ich schon gar nicht nachzuvollziehen, aber es ist nicht inkonse­quent: Sie wollen offensichtlich lieber weisungsgebundene Behörden statt weisungs­unabhängige Kontrollore und Regulatoren. – Es ist ja bemerkenswert, dass, nachdem Sie der KommAustria die zur Erlangung des Status einer unabhängigen Kontroll­behörde notwendige Verfassungsmehrheit vor zwei Jahren verweigert haben, am 9. Juli dieses Jahres konsequenterweise auch zum Entschließungsantrag, den die Regierungsfraktionen eingebracht haben und der die Zustimmung der Grünen gefunden hat, nein gesagt haben. Insofern hat das heute eine sehr bemerkenswerte innere Logik.

Ich stelle aber fest, dass es seit dem Jahr 2000 – bis dahin hatten wir leider einen relativ großen Reformstau; und es ist bei jeder Mediendebatte so, dass man leider darauf hinweisen muss – ein duales System gibt. In Deutschland gibt es das im audiovisuellen Bereich seit Mitte der achtziger Jahre. Wir sind dabei ja teilweise von Albanien überholt worden. Erst seit dem Jahr 2000 ist wirklich viel auf den Weg gebracht worden: KommAustria, Privatradiogesetz und Privat-TV-Gesetz, Neuordnung der Presseförderung – übrigens auch gegen Ihre Stimmen, aber höchst notwendig! –, ORF-Gesetz – und darin sind wir uns an sich einig: Wir wollen einen starken, unverwechselbaren ORF, der eine unverzichtbare Stimme der österreichischen Identität ist und sein soll; dazu muss er aber unverwechselbar sein und klare Spielregeln innerhalb des dualen Systems haben.

Worum geht es denn eigentlich? – Es geht darum, dass man ein großes Leitmedium innerhalb eines dualen Systems hat, das ein öffentlich-rechtliches Rundfunkmedium ist – und kein Regierungsmedium! Das ist der ORF. Wir sind stolz darauf, dass er diese Herausforderung auch gut annimmt. Nur kann er sich nicht all jener Mittel bedienen, die ein Privater hat. Er soll sich dieser Mittel auch nicht bedienen, denn sonst verliert er seine Gebührenlegitimation. Es ist nämlich eines der wichtigsten Dinge, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF erfüllt werden kann.

Zu einem dualen System gehört auch, dass es faire Wettbewerbsbedingungen und festgelegte Werberegeln gibt. Dies ist im letzten ORF-Gesetz auf den Weg gebracht worden. In der nunmehr vorliegenden Novellierung, in dem Medienpaket, das wir heute beschließen, wird durch das Monitoring der im ORF festgelegten Werberegeln durch die KommAustria zudem festgelegt, dass das duale System auch hier mit sehr fairen und nachvollziehbaren Wettbewerbsregelungen ausgestattet ist.

Den Beginn des dualen Systems in Österreich kann man, wenn man großzügig ist, mit dem Jahr 1995, als in Salzburg und in der Steiermark erstmals Privatradio gesendet wurde, ansetzen; man kann ihn aber auch mit dem Jahr 1998 ansetzen, als es österreichweit zur Einrichtung von Privatradiosendern gekommen ist. Letzte Woche sind die neuesten Zahlen des Radiotests erschienen, anhand derer man Folgendes beobachten kann: Ungefähr 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher hören


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die diversen ORF-Programme – also die vier plus die Regionalprogramme –, 21 Prozent hören österreichische Privatsender.

Zweitens wissen wir, dass auch die österreichischen Privatsender die Notwendigkeit verspüren – das ist ja der Sinn von privaten Veranstaltern, auch wenn Information ein öffentliches Gut ist –, wirtschaftlich abgesichert zu sein. Durch dieses neue Gesetz kann sichergestellt werden, dass sich österreichweit Zusammenschlüsse ergeben werden, was den Wettbewerb weiter beleben wird.

Ich glaube nämlich, dass ein Monopol fett macht, dass aber Wettbewerb fit macht. Es ist nicht so, dass größere Vielfalt zu größerer Einfalt führt, was früher oft abfällig mit „Dudelfunk“ und Kommerzsender bezeichnet wurde. Es hat meiner Ansicht nach dem ORF sehr gut getan, dass es diese letzten sechs Jahre gegeben hat – und es wird ihm auch weiterhin gut tun. Für einen sehr erfreulicher Effekt halte ich es zum Beispiel, dass Ö1 in diesem Zusammenhang weitere Zuwachsraten hat und es dadurch sehr viele verschiedene Positionierungen gibt, auch auf dem Privatradiomarkt – von diversen Sendeformaten von „Radio Arabella“ bis hin zu ganz progressiven Sendungen und Kulturangeboten.

Die KommAustria, die durch das heutige Medienpaket weiter aufgewertet wird, erfüllt meiner Meinung nach eine wichtige Aufgabe, unter anderen die Presseförderung, die Fernsehfilmförderung, den Digitalisierungsfonds – die Digitalisierung ist ja eine der wichtigsten Fragen, die wir in den nächsten Jahren zu bewältigen haben werden; wir haben in der Steiermark auch dank der Initiative des Herrn Staatssekretärs im ersten Halbjahr einen Pilotversuch dazu gehabt. Das ist für die Medienbranche Österreichs auch eine Standortfrage, und da sind wir sehr gut unterwegs.

KommAustria und RTR-GmbH sind ein medienpolitisches Kompetenzzentrum gewor­den. Ich habe dieser Tage – ich habe ihn leider liegen gelassen, weil er etwas schwer ist – den Kommunikationsbericht 2003 durchgeblättert und gesehen, dass hier wirklich sehr viele positive Initiativen gesetzt wurden.

Ich möchte dem Herrn Staatssekretär nochmals sehr herzlich dafür danken, dass er seit dem Jahr 2000 in dieser Frage – oft unbedankt, aber sehr konsequent – im Interesse einer für die Demokratie wichtigen Medienordnung der Pluralität und Qualität permanent Initiativen auf den Weg bringt und darf – Kollege Konecny ist gerade nicht anwesend, einmal hätte ich ihm doch gerne beigepflichtet; und das ist nicht unbedingt das Lieblingsthema des Herrn Staatssekretärs – für den Fall weiterer Novellierungen doch noch einmal die Bitte äußern, sich in Zusammenhang mit der Vielfaltsförderung noch etwas genauer eine Unterstützung der Freien Radios zu überlegen. Das Land Steiermark hat das seit dem Jahr 2000 in jedem Begutachtungsverfahren erbeten und hat es neuerdings wieder vorgeschlagen. Das ist aber im Gesamtkontext ein, würde ich sagen, kleines Segment.

Insgesamt ein großes Dankeschön, denn Medienfragen sind eminent wichtige demo­kratiepolitische und kulturpolitische Fragen. Der Zustand der Medienlandschaft und Medienordnung steht in einem engen Konnex mit der politischen und demokratischen Kultur eines Landes.

Das heutige Medienpaket fördert Qualität und Pluralität, daher sagen wir aus vollem Herzen ein klares Ja dazu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.38

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 



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9.38

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Hösele! Ich habe ein bisschen schmunzeln müssen, als Sie gesagt haben, diese Maßnahmen, diese Einschnitte hätten dem ORF gut getan. – Ich meine, es ist eine relative Feststellung, was jemandem gut tut. Einem Masochisten tut eine masochistische Behandlung offensichtlich auch gut. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber es ist nicht jedermanns oder jederfraus Sache, so behandelt zu werden. – Gut, sei’s drum! Ich glaube, es wird etwas unterschiedlich gesehen.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Was ich vorher gesagt habe, was ich gestern oder vorgestern gesagt habe, das gilt auch heute und morgen. Ich habe immer gesagt, dass diese Novellierung an sich auf dem richtigen Weg ist und von den Grundintentionen her unterstützenswert ist.

Wodurch Sie mich, wodurch Sie die Grünen zwingen, es abzulehnen, ist etwas, woran wahrscheinlich weniger Sie schuld sind als das parlamentarische Procedere. Herr Klubobmann Molterer schrieb am 8. Juli 2004, dass es sich bezüglich der Fristsetzung zu diesem Antrag um eine Ausnahmesituation handelt – also wir sind nicht in einer Medienausnahmesituation, die null parlamentarische Beratung von Mediengesetzen erforderlich macht!

Ich weiß, dass die Lizenzen für zwei Sender mit Ende des Jahres auslaufen. Mit viel Phantasie hätte man wahrscheinlich auch eine Konstruktion finden können, die es ermöglicht hätte, dass es zu einer ordentlichen Beratung von Mediengesetzen – Mediengesetze sind immer Demokratiegesetze – gekommen wäre, denn zu diesen Gesetzen – ich habe aber auch immer gesagt, dass der Herr Staatssekretär im Prinzip den richtigen Weg eingeschlagen hat – gäbe es vieles, das im Parlament diskutiert und auch verhandelt werden müsste. – Das zum einen.

Mediengesetze dienen immer einer Art paradoxen Intervention auf dem Markt: Nicht der Stärkste soll alles haben, sondern es interveniert sozusagen das öffentliche Interesse, um eine Vielfalt an Angeboten auf dem Markt zu erreichen und um auch zu garantieren, dass nicht ein Monopolist alles besitzt.

In diesem Sinne kann ich sagen: Ich bin sehr froh, dass man mit diesem Gesetz den Druck auf eine Privatisierung von FM4 nimmt, denn es ermöglicht, dass es ein privates bundesweites Fernsehen gibt, aber gleichzeitig sieht es auch ein regionales Fenster eines bundesweiten Privatradios vor. Das bedeutet, dass regionale Radios, rein regionale Radios dadurch natürlich enorm konkurriert und unter Umständen in ihrer Existenz bedroht werden.

Ich bin Kollegem Hösele sehr dankbar dafür, dass das auch einmal von ÖVP-Seite hier am Rednerpult angesprochen worden ist – bisher habe ich es immer als eine Art Sünde betrachtet, wenn das aus ÖVP-Munde gekommen ist; ich weiß, dass Herr Hösele anders denkt und da diese Notwendigkeit sieht – und auch die Meinung vertreten wird: Ja, wir brauchen ein Förderungsinstrument zur Sicherung der Medien­vielfalt im elektronischen Bereich! – Und, Gott im Himmel, die CSU tut es ja auch, warum darf es die ÖVP nicht?! Ich, Herr Kollege Hösele, gehe da sogar noch weiter und sage: Wir brauchen es nicht nur für die nicht kommerziellen und Freien Radios, sondern auf Grund dieser Gesetzesmaterie und der Möglichkeit des Zusammen­schlusses eines bundesweiten Privatfernsehens werden wir es auch für regionale Private benötigen, wenn wir Medienvielfalt haben wollen und letztlich nicht nur ein duales System: zum einen den ORF und zum anderen vielleicht zwei vorherrschende oder alles beherrschende Private.


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Es ging ja bei dem Privatradiogesetz darum, viele Blumen im Medienwald sprießen zu lassen, um ein möglichst breites Angebot zu haben. Genau das ist zwar richtig, nämlich den Druck herauszunehmen, es auch zuzulassen, dass es ein bundesweites Privatradio gibt, aber man muss auch überlegen, was auf der anderen Seite mit den vielen Kleinen, die nicht die Möglichkeit haben, jene Werbezeiten zu lukrieren, die notwendig sind, passiert.

Ich weiß jetzt nicht, ob jemand von der FPÖ hier sprechen wird, aber vielleicht trägt ja die ÖVP nicht allein die Schuld daran, dass diese Materie keiner parlamentarischen Beratung zugeführt werden konnte. Kollege Böhmdorfer jedenfalls hat damals als Justizminister beziehungsweise Koordinationsverantwortlicher der FPÖ in sehr interes­santer Art und Weise agiert und die Beratungen zu dieser Novelle nahezu blockiert. Es ging um den Zugang zur Popularbeschwerde, wie viele Unterschriften dafür notwendig sind. Es war damals, glaube ich, von 30, dann 50 die Rede.

Jedes Instrument ist so gut, so wenig inflationär es genützt wird. Ich als Grüner bin immer dafür, dass man einen möglichst breiten Zugang zur Bürgerbeteiligung, zu Beschwerdemöglichkeiten, zur Information haben sollte, nur, wenn sich eine größere Familie zusammensetzen und am nächsten Tag eine Popularbeschwerde abschicken kann, so ist die Sache ein toter Hund. Ich habe auch bei verschiedenen Reformen hier im Hohen Haus immer wieder gesagt: Wenn man allzu oft Sondersitzungen macht oder allzu oft parlamentarische Instrumente einsetzt, dann werden diese stumpf. Deshalb ist es wahrscheinlich auch gut, dass der Zugang zur Popularbeschwerde zwar erleichtert, aber doch nicht auf 30 reduziert worden ist. – Für eine burgenländische Großfamilie, Herr Vizepräsident Pehm, wäre die Zahl 30 locker erreichbar gewesen, aber das macht keinen Sinn.

Nun zum ORF: Ich habe immer gesagt, und dazu stehe ich auch, dass die Schöpfung der KommAustria sicherlich einen Meilenstein in der österreichischen Medienpolitik darstellt. Aber der größte Wermutstropfen dabei ist, dass das eine weisungsgebundene Behörde ist, dass es nicht gelungen ist, eine nicht weisungsgebundene Behörde zu kreieren. Dann würde es mir schon viel leichter fallen, Herr Kollege Hösele, zu sagen ... (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) Das ist schon richtig, ich bin auch für die Gleichbehandlung. Auch große Leitmedien und große Riesen gehören hinsichtlich ihrer Praxis überprüft, darin sind wir, glaube ich, einer Meinung. Es sollte auch in der Beweislastumkehr nicht immer so sein, dass die einen finanzielle Mittel aufwenden müssen, um nachzuweisen, das jemand anderer Gesetze oder Bestimmungen über­tritt. Dies sollte seitens der Behörden überlegt werden.

Ich würde mir wünschen – ich gehöre ja der kleinsten Fraktion hier im Hohen Hause an –, dass das eine weisungsunabhängige Behörde wäre, dann hätte das Charme, dann hätte das wirklich einen anderen Charakter. Jetzt hingegen ist das eine Bestimmung mit Wermutstropfen. Realpolitisch heißt das – wie hat Herr Konecny gesagt?; das war ein ganz interessanter Satz –, dass das Leitmedium traditioneller­weise immer ein Leitmedium der Regierung ist.

Insofern verstehe ich nicht – und damit komme ich auf den Einleitungssatz meiner Rede zurück –, warum die ÖVP hier diesen Masochismus in ihren eigenen Reihen so auslebt. Frau Lindner quält und quält und quält, und die doch sehr starke ÖVP-Präsenz im ORF quält und quält und quält. Aber im Prinzip ist es richtig: Gleichbehandlung von privat und öffentlich-rechtlich.

Die Reaktionen von gewerkschaftlicher oder von Arbeitnehmerseite her würden mich interessieren, wenn wir zu einer Anhebung im privaten Bereich kämen, auch was bestimmte Ausbeutungsarbeitsformen in diesen Bereichen betrifft.


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Kollege Traimer, den ich sehr schätze, hat im Ausschuss gemeint, diese Novelle sei ein Wunsch, sei mit den Privatsendern stark akkordiert. Ich glaube schon, Herr Staatssekretär, dass das der Wunsch der Privatsender oder zumindest jener, die bei den Privatsendern das Sagen haben, ist. Wir werden uns Ende August oder Anfang September in Alpbach wieder treffen, und ich bin sehr froh, dass es zum erstenmal in Alpbach keine Pressekonferenz geben wird, die da heißt: Privatisierung von FM4. Aber ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, beziehungsweise ich ersuche Sie im Sinne jener Sender, die nicht finanzstark sind, die ab jetzt wahrscheinlich ums Überleben kämpfen, endlich neue Gespräche darüber zu führen, wie man mit diesen Blüten der Medien­vielfalt, den nicht kommerziellen, freien und regionalen Privaten, umgeht und ob es nicht auch in diesem Bereich ein Förderungsmodell à la CSU geben kann. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.49

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

 


9.49

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Entschuldigen Sie bitte die Verspätung zu Beginn der Sitzung, aber ich bin erst heute, ebenso wie die Frau Präsidentin, aus Vorarlberg eingeflogen, und es ist leider etwas später geworden, als wir gedacht haben. Aber wir haben eine gute Entschuldigung: Wir waren bei den Bregenzer Festspielen. Den einen oder anderen übrigens hätte ich dort gerne gesehen, aber lassen wir dieses Thema jetzt.

Meine Damen und Herren! Die Mediendebatten in Österreich laufen immer nach dem gleichen Schema ab. Sie werden von relativ wenigen Leuten geführt – sachgerecht geführt, das muss man allerdings anmerken. Es ist ein Thema, das Minderheiten im Parlamentarismus, aber auch in der Gesellschaft beschäftigt, aber ich glaube, das sind sehr informierte Minderheiten.

Daher kann ich auch in aller Freundlichkeit Kollegem Konecny sagen, diese Gesetze wurden natürlich von den zuständigen Beamten in einer Gründlichkeit vorbereitet, wie das ganz selten in dieser Republik geschieht (Oh-Rufe, ironische Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), weil gerade in der Medienpolitik bis 2000 ein Stillstand eingetreten war, die Beamten in den Startlöchern gescharrt und gesagt haben: Endlich müssen wir aus diesen Startlöchern raus! Wir haben kübelweise Unterlagen, und wir haben Handlungs­bedarf in diesem Sektor!

Deshalb sage ich, dass die Vorbereitungen in diesem Sektor von den Beamten ganz außerordentlich waren und meiner Meinung nach auch Schritt für Schritt erfolgen. Das heißt: Nicht alles auf einmal, sondern dem Markt und der Situation angepasst.

Lassen Sie mich kurz eingehen – weil das hier in dieser Debatte so verwischt wird – auf die Fragen: Was hat sich nun verändert? Wo haben wir Handlungsbedarf gehabt? – Einerseits, ganz unspektakulär, aber wesentlich: in der Frequenzverwaltung. Wie gehen wir mit den frei werdenden Frequenzen um? Wie teilen wir das neu ein? Wie gehen wir mit Doppel- und Mehrfachversorgungen um? Wie können wir mit den Füllfrequenzen umgehen? Wie schauen relevante Größen auf dem Markt aus, denn das war meiner Meinung nach die Ursünde, nämlich das Monopol seinerzeit, vor oder kurz vor 2000, in diesem Land? Wie gehen wir denn damit um, wenn wir keine KommAustria haben, die im Grunde ein Center of excellence und ein Center des Wissens, eine Know-how-Behörde war? Wie gehen wir damit um?

Früher waren, wenn wir wissen wollten, welche Frequenzen es gibt, ob es überhaupt Frequenzen gibt, die Post oder der Küniglberg zuständig. In der Zwischenzeit wissen wir, wie die Frequenzsituation in diesem Lande ausschaut, und wir können jetzt Ent-


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scheidungen auf Basis von Sachwissen treffen, das natürlich Ihnen allen, meine Damen und Herren, zur Verfügung steht.

Sie, Herr Konecny, haben beklagt, es gebe keine Zielgerichtetheit. – Natürlich gibt es sie, sie steht ganz am Anfang des Gesetzes. Es geht darum, dass wir die Ziel­bestimmung im Sinne der Förderung des privaten Hörfunks und eines dualen Systems in diesem Lande vorantreiben.

Es sind Änderungen im Privatfernsehgesetz vorgenommen worden, vor allem: Anpassungen an EG-Rechtsrahmen, Ergänzung um eine Zielbestimmung auch im Sinne der Förderung des privaten Rundfunks und eine Must-carry-Bestimmung für Kabelnetzbetreiber, eine Must-carry-Regelung für die Programme nicht bundesweiter Zulassungsinhaber gegen angemessenes Entgelt.

Zugespitzt in Wahrheit hat sich die Debatte bei der Änderung des KommAustria-Gesetzes und des ORF-Gesetzes, als es darum ging, wie das Antragsrecht der KommAustria ausschauen wird. Ich konnte mir im Grunde nie erklären, weshalb die Debatte darüber – einerseits vom ORF ausgehend, aber andererseits auch von der einen oder anderen politischen Partei – so vehement geführt wurde. Wenn man das jetzt auf Popularbeschwerde beziehungsweise Antragsrecht der KommAustria redu­ziert, so verstehe ich die Empörung oder die Bemerkung, es gebe da eine masochis­tische Ader der ÖVP oder der Frau Lindner, und so weiter nicht ganz, denn ich gehe einmal davon aus, dass der ORF sich an genau jene Gesetze hält, die Sie, meine Damen und Herren, zusammen mit dem Nationalrat beschlossen haben.

Dass sich ein öffentlich-rechtlicher Anbieter an die Gesetze hält, davon ist einmal auszugehen. Gibt es gerade in diesem Bereich Beschwerden von Seiten der Zeitungs­herausgeber, auch von privater Seite, von den privaten Rundfunkbetreibern, und auch Studien darüber, dann sollte man versuchen, würde ich sagen, Klarheit zu schaffen. Was wäre besser, als dass ein unabhängiger Bundeskommunikationssenat gerade in diesem Bereich Klarheit schafft?! Das haben wir erreicht: dass in diesem Bereich, der in die Werbebestimmungen des ORF eingreift, eine Artikel-133-Z-4-Behörde, also eine unabhängige Behörde tätig ist. Sie werden sich auch noch erinnern, mit welch lyrischer Kompetenz Kollege Cap damals immer von einer „Metternich-Behörde“ gesprochen hat. Er hat wahrlich Freude daran gehabt, jene Behörde zu denunzieren, die heute von dem einen oder anderen aus der SPÖ gefordert wird. (Bundesrat Konecny: Wirklich nicht!)

Ich bitte, dafür wirklich eine gewisse Objektivität aufzubringen, einfach deswegen, weil ich glaube, dass sich die Medien in Österreich das verdient haben. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren: Dieser Schritt, den Sie heute tun und den Sie möglicher­weise hier in diesem Hohen Hause beschließen werden, ist ein Schritt weiter in Rich­tung duales System in Österreich und meiner Meinung nach ein Schritt für die Demokratie, aber es ist auch ein Schritt im Sinne des Informationsbedürfnisses des/der einen oder anderen österreichischen Staatsbürgers/Staatsbürgerin! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.55

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

 


9.56

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Prinzip ist in dieser Diskussion schon alles gesagt worden, aber weil es gerade in meiner Heimatregion zwei Privatradios


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gibt, muss ich mich doch zu Wort melden. Vorweg eines: Es wundert mich, dass sich die FPÖ an dieser Debatte nicht beteiligt; ich finde das sehr traurig.

In meiner Heimatregion gibt es zwei Privatradios, Life Radio Salzkammergut, speziell im oberösterreichischen Raum, und Radio Freequenns Liezen. Life Radio Salz­kammergut sendet seit Mitte Juni auf der Frequenz 104,2 MHz. Auf Grund dieses Gesetzes muss man leider Gottes befürchten, dass es diese beiden Sender in Zukunft nicht mehr geben wird.

Das im Regierungsprogramm enthaltene Bekenntnis der derzeitigen Bundesregierung zur Medienvielfalt und Medienfreiheit wird im vorliegenden Entwurf in keiner Weise berücksichtigt. Ganz im Gegenteil! Die nun vorgelegte Novelle des Privatradiogesetzes führt zu einer weiteren Medienkonzentration und bedeutet mittelfristig das Ende für viele noch eigenständige Lokalradios.

Durch die Bevorzugung von bundesweiten Radiobetreibern bei der Frequenzvergabe wird es sowohl für nicht kommerzielle, Freie Radios, aber auch für kommerzielle Lokalradiobetreiber in Zukunft fast unmöglich, Lizenzen zu erhalten. Für kleinräumige Sendegebiete, in denen Freie Radios meist agieren, wird der Erwerb einer Lizenz zusätzlich dadurch erschwert, dass schon bei der Antragstellung die dauerhafte Finanzierung nachgewiesen werden muss.

Noch einige weitere Kritikpunkte: In der vorliegenden Novelle des Privatradiogesetzes wird die Existenz Freier Radios als eigenständiger Sektor neben dem kommerziellen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich nicht berücksichtigt.

Die Forderung nach gesetzlicher Verankerung Freier Radios wird neuerlich nicht erfüllt.

Durch die Bevorzugung von bundesweiten Radios gegenüber Lokalradios bei der Frequenzvergabe wird es auf Grund der Frequenzknappheit in Zukunft kaum noch neue Lizenzen für nicht kommerzielle, Freie Radios geben.

Da bei der Vergabe neuer Lizenzen für Lokalradios möglichst großräumige Versor­gungsgebiete bevorzugt werden, ist zu erwarten, dass sich bei der Vergabe von Lokalradiolizenzen kommerzielle Bewerber gegenüber nicht kommerziellen Bewerbern durchsetzen. Die Praxis der letzten Jahre hat eindeutig gezeigt, dass die ökonomisch relevanten Lizenzen stets an kommerzielle Betreiber vergeben wurden. Viele Freie Radios benötigen aber jetzt dringend bessere Sendefrequenzen, um ihre Verbreitungs­gebiete korrekt versorgen zu können.

Ein wichtiger Punkt ist auch Folgendes – das können Sie im Gesetzestext im § 12 nachlesen –: Ein Antrag auf Schaffung eines neuen Versorgungsgebietes ist abzu­weisen, wenn die beantragte Übertragungskapazität eine technische Reichweite von weniger als 50 000 Personen aufweist und der Antragsteller nicht nachweist, dass seine eigenständige Hörfunkveranstaltung im Versorgungsgebiet besonders lokalen Bedürfnissen dient und ungeachtet der geringen Reichweite der Hörfunkveranstaltung auf Dauer finanzierbar ist.

Mit dieser Formulierung wird die Möglichkeit geschaffen, Freie Radios gänzlich von der Lizenzvergabe auszuschließen, wenn etwa von Seiten der Behörde Subventions­zusagen lokaler oder regionaler Stellen zur Glaubhaftmachung der finanziellen Voraus­setzungen gefordert werden. Da Subventionszusagen aber fast immer erst nach Lizenzerhalt erfolgen, kann dies als Grund dafür herangezogen werden, Freie Radios von der Lizenzvergabe auszuschließen. Insbesondere in Versorgungsgebieten unter 100 000 Personen wird eine Lizenzvergabe damit zusätzlich erschwert.

Abschließend noch ein weiteres Thema: Sport. Ich glaube, dieses Gesetz geht auch in diese Richtung. Gestern war eine Fußballrunde, wir werden aber leider in Zukunft nicht


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mehr die Möglichkeit haben, diese Spiele im ORF anzuschauen. Es werden sich halt nur noch solche Personen Sportübertragungen anschauen können, die es sich leisten können. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Nein, ist nicht Edlinger.

Herr Kollege Himmer! Wenn ich mir zuerst einen Decoder kaufen muss, der 300 € kostet, damit ich Sportübertragungen anschauen kann, dann ist das sicherlich der falsche Weg.

Eines möchte ich Ihnen auch noch sagen: Ein wichtiger Beitrag zum Sport ist die Wirtschaft – und die Wirtschaft leistet ungeheuer viel an Sponsorbeiträgen. Ich befürchte aber, dass in Zukunft diese Sponsortätigkeiten zurückgehen werden, weil nicht mehr ein entsprechend großes, breites Publikum erreicht wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.01

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (420/A und 563 d.B. sowie 7087/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (421/A und 564 d.B. sowie 7088/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. und 3. Punkt der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

*****

Verehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir einen Gast hier in unserer Mitte haben: Herrn Staatssekretär Botschafter Dr. Steiner. (Allgemeiner Beifall.) Herr Bot­schafter, ich darf Sie bitten, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen. Sie, Herr Botschafter, sind der Vorsitzende des Komitees des Österreichischen Versöhnungs­fonds. Noch bevor die Debatte zu diesen beiden Vorlagen beginnt, glaube ich sagen zu dürfen, dass wir Ihnen für Ihre Arbeit großen Dank schulden. (Allgemeiner Beifall.)

*****

Berichterstatter zu den Punkten 2 und 3 ist Herr Bundesrat Saller. Ich darf Sie bitten, beide Berichte zu bringen.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 31

Berichterstatter Josef Saller: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Födera­lismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich kann daher auf die Verlesung verzichten.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Nächster Tagesordnungspunkt: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


10.04

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Herr Staatssekretär und Botschafter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 2 500 Jahren hat Sophokles, den Helmut Flashar als einen Dichter im demokratischen – ich betone: im demokratischen! – Athen bezeichnet, sein berühmtes Drama „Antigone“ geschrieben. Und aus diesem Drama ist uns ein Satz bekannt und überliefert, der lautet – es gibt verschiedene Übersetzungen –: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da.“

Dieser Hass, der zu ganz bestimmten Folgen führt, ist vor 2 500 Jahren in diesem Drama klar dargestellt worden. Diesen Hass, der sich durch die Jahrhunderte dann später aufgebaut hat, hat es auch in der Zeit von 1933 bis 1945 in Europa in höchstem Maße gegeben. Dieser Hass hat sich ausgedrückt gegenüber Andersdenkenden, Rassen, Völkern, Behinderten und hatte zum Ausbruch von Ausbeutung, Unrecht, Leid, psychischer und physischer Gewalt geführt, schlussendlich zu Marter und sehr, sehr oft auch zum Tod.

Österreich hat einen gewissen Anteil an dieser Situation gehabt, wobei verschie­dentlich untersucht worden ist, wie groß nun dieser Anteil ist, der sich nur schwer in vollem Ausmaß quantifizieren lässt. Aber eines ist Tatsache: dass Österreicher einen Anteil daran hatten.

Die Bundesregierung hat daher im Jahre 2000 begonnen – frühere Bundesregierungen haben auch verschiedene Anläufe genommen –, sich mit diesem Problem auseinander zu setzen, und sie hat den Versuch gemacht, den Hass, den es damals gegeben hat, im Nachhinein in gewissem Maße zu lindern, wobei das eben nur eine Linderung sein kann.

Es hat daher das Entschädigungsfondsgesetz und das Versöhnungsfonds-Gesetz gegeben. Heute sollen wir hier im Bundesrat Fristverlängerungen zustimmen, damit die Verfahren ordentlich und in guter österreichischer Tradition abgewickelt werden können und damit vor allem auch die Opfer – die ja nicht immer alles entsprechend lesen können, weil sie teilweise andere Sprachen sprechen – beraten werden und


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 32

somit ihre Anträge einbringen können. Weiters gibt es den Versuch, nicht nur Geldleistungen zu bieten, sondern auch Naturalrestitution durchzuführen.

Meine Fraktion stimmt diesen Fristverlängerungen ohne Vorbehalt zu. Ich möchte aber hier von dieser Stelle aus im Namen meiner Fraktion einerseits Staatssekretär Dr. Steiner für seinen beispielhaften Einsatz bei der Abwicklung herzlich danken, andererseits auch einem, der heute zwar nicht da ist, aber aus meinem Bezirk, nämlich aus dem 1. Bezirk, kommt, Botschafter Dr. Schmid, der sich, soweit ich orientiert bin, vor allem mit dem Problem in Polen intensiv auseinander setzt. Ich darf aber auch allen anderen Fraktionen einen Dank aussprechen, denn durch die Einstimmigkeit, die vorgesehen ist, haben wir sichergestellt und ein Zeichen gesetzt, dass wir hinter dieser Aufarbeitung der Vergangenheit voll und ganz stehen.

Der Hass – und das kann man nicht oft genug betonen – ist eine fürchterliche Geißel der Menschheit, und dieser Hass, der sich durch Jahrtausende hingezogen hat, hat sich – das möchte ich ausdrücklich erwähnen – in Wien sehr deutlich im Jahre 1421 manifestiert, indem ungefähr 300 jüdische Männer in Erdberg umgebracht wurden. Als diese Botschaft dann in die Innere Stadt kam, hat dies zu einem Brand der Synagoge geführt, wobei Frauen und eine große Zahl an Kindern verbrannt sind.

Man hat einerseits versucht, an die Tat, die damals stattgefunden hat, im Nachhinein zu erinnern, anderseits auch, ich will nicht sagen: für ewige Zeiten, aber doch für die Zeit, die wir absehen können, durch entsprechende Gesten zu untermauern, dass so etwas nicht mehr passieren dürfen.

Es wurde daher Mitte der neunziger Jahre damit begonnen, das Mahnmal auf dem Judenplatz im 1. Bezirk zu errichten. Dort wurde von der englischen Bildhauerin Rachel Whiteread dieser rechteckige Körper aufgestellt: eine nach innen gekehrte Bibliothek, gleichzeitig wurde dieser Platz entsprechend würdig neu gestaltet. Um das Mahnmal herum sind die Namen der Vernichtungslager in den Boden eingesenkt. Damit wird einerseits der 65 000 ermordeten Juden gedacht, andererseits aber auch der anderen Opfer – man soll das etwas weiter sehen –: Minderheiten, Roma und Sinti.

Gleichzeitig wurde unterirdisch ein Museum errichtet. Auch das so genannte Mizrachi-Haus, das sich in einem lamentablen Zustand befunden hat, wurde entsprechend erneuert.

Das ist zweifelsohne ein Verdienst – sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von Verdienst sprechen kann – des Bürgermeisters Häupl, aber auch des Stadtrates Marboe, die das gegen verschiedenste Widerstände durchgesetzt und sich massiv dafür eingesetzt haben.

Eine weitere Geste ist vor kurzer Zeit gesetzt worden, und an dieser hat auch Herr Staatssekretär Dr. Steiner teilgenommen, nämlich die Unbenennung der Garten­bau­promenade in Theodor-Herzl-Platz. Wichtig ist, dass wir durch diese Taten, die über Parteigrenzen hinausgehen, immer wieder daran erinnern, dass so etwas nicht wieder geschehen darf.

Daher möchte ich mir im Namen meiner Fraktion erlauben, hier das Versprechen abzugeben, dass derartiger Hass, wie er von 1933 bis 1945 geherrscht hat, nie mehr auftritt, damit Sophokles’ Appell durch die Worte der Antigone „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da!“ in all unsere Handlungen einfließt. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

10.11

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte.

 



Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 33

10.12

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Steiner! Die Arbeit, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fonds beziehungsweise der beiden Fonds geleistet haben, verdient heute mehr als gewürdigt und anerkannt zu werden. Die sprichwörtliche Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen trifft, wie ich meine, heute sehr gut auf dieses Thema zu.

Der Gesetzentwurf des Nationalrates ist jedoch aus meiner Sicht eine relativ kleine Novelle. Im Wesentlichen geht es heute darum, die Frist für die Einbringung von Anträgen auf Leistung aus dem Fonds zu verlängern. Die Funktionsdauer des Ver­söhnungsfonds soll also bis zum Ende des Jahres 2005 verlängert werden, damit alles ordnungsgemäß abgeschlossen werden kann – eine richtige Entscheidung jenen gegenüber, die jahrelang in Konzentrationslagern waren und Sklavenarbeit geleistet haben.

Damit man die Dimension der Entschädigung sieht, sollten wir uns jedoch bewusst machen, dass nun insgesamt 1 Milliarde Dollar rückerstattet wird. Dem steht allerdings gegenüber, dass beim größten Raubzug der Geschichte durch die Nazis Güter im Wert von 2 000 Milliarden Schilling geraubt wurden. Die moralische und ethnische Dimen­sion des Mordes an 6 Millionen Juden ist gesetzlich und auch mit materieller Ent­schädigung sowieso niemals gutzumachen, weil sich in Wahrheit die Einzigartigkeit dieses Verbrechens jeglicher Kategorie des Denkens entzieht.

Wir Österreicher haben allerdings 60 Jahre lang gebraucht, um die Frage der Reparation zu beantworten. Die Pflicht der Wiedergutmachung wurde 60 Jahre lang definitiv abgelehnt. Vor vier Jahren wurde das Versöhnungsfonds-Gesetz hier im Parla­ment und vor allem von allen vier Fraktionen beschlossen und damit ein klarer Beweis für die Verantwortung unseres Landes gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus abgelegt.

Es darf in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur an die materielle Seite gedacht werden: Die geistige Auseinandersetzung mit den dunkelsten Flecken unserer Ge­schichte darf nicht abreißen. Bedauerlicher Vorfälle in Deutschland, in Frankreich und in anderen Teilen Europas in letzter Zeit zeigen, dass es einfach eine Kontinuität rassistischen und nationalsozialistischen Denkens gibt, wo wir mit Bedauern feststellen müssen, dass dieser unser europäische Kontinent die geistige Restitution noch lange nicht bewältigt hat und dass viele unbewältigte Denk- und Verhaltensmuster auch in Österreich fortwirken. Es gibt also noch viel zu tun – unabhängig von dem Positiven, das bereits geleistet wurde, unabhängig davon, dass in der Vergangenheit viel geschehen ist. Ich denke da zum Beispiel an den Gedenktag für Rassismus, wo ein Anlass gegeben ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die ent­sprechenden Konsequenzen zu ziehen, um damit endlich das Gedankengut der Frem­denfeindlichkeit ablegen zu können.

Es gehört aber heute auch die Frage angesprochen, was mit dem Geld geschieht, das dem Fonds übrig bleibt. Ich meine, dass dieses Geld nicht ins Budget zurückfließen soll, sondern weiterhin als Beitrag eingesetzt werden soll, dieses dunkle Kapitel Österreichs aufzuarbeiten und weiter zu beleuchten.

Meine Fraktion wird diesem Gesetzesbeschluss in der Hoffnung auf ein Europa mit all seiner Vielfalt an Kulturen, an Nationalitäten und ein Europa in Freiheit und Frieden ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.16

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 34

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Böhm. – Bitte.

 


10.17

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die heute zu beschließende Verlängerung der Antragsfrist im Bereiche der Naturalrestitution nach dem Entschädigungsfondsgesetz soll und will ein Zeichen dafür setzen, dass der österreichische Gesetzgeber ernsthaft darum bemüht ist, zu einer umfassenden und endgültigen Lösung aller offenen Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus zu kommen. Das gilt somit für alle im Parlament vertretenen Parteien, und auch dafür ist Dank zu sagen.

Die Verlängerung der Antragsfrist schien vor allem deshalb geboten zu sein, weil insbesondere die Schiedsinstanz für Naturalrestitution die ursprünglich im Ent­schädi­gungsfondsgesetz festgelegte Frist bis zum 27. Jänner 2004 zur Einreichung von Anträgen an sie für zu kurz bemessen angesehen hat.

Mit der heute zu beschließenden Novelle wird die Frist zur Antragstellung in Bezug auf die im Eigentum der Länder befindlichen Liegenschaften erstreckt. Das ist deshalb sachgerecht, weil die Beschlüsse, mit denen mehrere Bundesländer eine Schieds­instanz zur Prüfung von Anträgen auf Naturalrestitution von öffentlichem Vermögen, das sich in ihrem Eigentum befindet, eingesetzt haben, nicht umgehend bekannt gege­ben worden sind. Ein Forschungsprojekt zur Feststellung in Betracht kommender Lie­genschaften in Bezug auf das Bundesland Wien wurde erst im April des Jahres 2004 abgeschlossen.

Demnach konnte eine gehörige und fristgerechte Kundmachung dieser Antrags­möglichkeit nicht erfolgen, sodass die Antragstellung in der verbliebenen kurzen Zeitspanne nur eingeschränkt möglich war. Zudem spricht für eine Verlängerung der Antragspflicht auch in Bezug auf Bundesliegenschaften, dass die von der Historiker­kommission ermittelten Daten für Dritte nicht ohne weiteres zugänglich sind. Alles in allem wird daher den immer noch in Betracht kommenden Antragstellern eine ange­messene Frist zur Einsichtnahme in diese für sie gegebenen, falls relevanten Daten gewährt und dadurch die Erhebung ausreichend begründeter Anträge an die Schieds­instanz ermöglicht.

Ähnliche Erwägungen sprechen auch dafür, die Frist für die Einbringung von Anträgen auf Leistungen aus dem Versöhnungsfonds mit Ende 31. Dezember 2003 zu verlän­gern. Das nicht jedoch etwa deshalb, weil die Erledigungen zu schleppend erfolgt wären, sondern ganz im Gegenteil: Der österreichische Versöhnungsfonds hat sich durch seine so sachgerechte und effiziente Arbeit in den vier Jahren seines Bestehens ausgezeichnet, und zwar vor allem in den mittel- und osteuropäischen Ländern.

Die zügig erbrachten Leistungen erreichten die durchwegs betagten Opfer so rasch, als es möglich war. Dafür ist dem Fonds und insbesondere dem Vorsitzenden seines Komitees, Herrn Staatssekretär außer Dienst Botschafter Dr. Steiner, der uns auch heute wieder die Ehre seiner Anwesenheit gibt, aufrichtig zu danken.

Warum reicht die bisher gesetzte Frist dennoch nicht aus? – Zum einen deshalb, weil sich gegen Ende der Antragsfrist die Zahl der einlangenden Anträge erwartungsgemäß doch noch einmal erhöht hat und sich die Erbringung von Leistungen an Personen, die nicht durch Partnerorganisationen erfasst sind, durch den Fonds selbst vielfach als besonders schwierig erwiesen hat.

Darüber hinaus erlauben es die dem österreichischen Versöhnungsfonds gestellten Aufgaben nicht, dass er deren ordnungsgemäße Beendigung noch innerhalb seiner


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 35

aufrechten Funktionsdauer, also mit Ende dieses Jahres, bewirken kann. Die Frist dafür, das heißt für die erforderlichen Abwicklungstätigkeiten und Auflösungs­maß­nahmen, wird bis Ende des Jahres 2005 verlängert.

Klarzustellen ist, dass die Fristen für die Einreichung von Anträgen dadurch nicht erneut eröffnet werden. Bis zum 31. Dezember 2004 muss das Kuratorium des Versöhnungsfonds daher die Entscheidung über die Verwendung der dem Fonds ver­bleibenden Restmittel treffen.

Meine Fraktion wird aus all diesen Gründen beiden Vorlagen gerne zustimmen.

Wenn aus Anlass dieser Materie, die wir aus voller Überzeugung parteienübergreifend einstimmig verabschieden werden, von den Oppositionsparteien ein meines Erachtens damit in keinem echten Sachzusammenhang stehender Entschließungsantrag einge­bracht werden wird, so sage ich dazu vorweg Folgendes:

Einer angemessenen Ehrung von Oberstleutnant im Generalstab Robert Bernardis stimmen wir Freiheitlichen vorbehaltlos zu. Wir, das heißt alle Mitglieder meiner Fraktion, zollen der eigenverantwortlichen Entscheidung von Bernardis wie auch allen anderen hohen Offizieren des Widerstandes und des daraus resultierenden Attentats vom 20. Juli 1944 vollen Respekt und hohe Anerkennung, ist uns doch allen bekannt, in welch quälender Abwägung ihrer Gewissensgründe sie sich dabei befunden haben.

Ungeachtet all dieses Respekts müssen wir allerdings auch die biographischen Fakten akzeptieren: Oberstleutnant Bernardis wollte zweifellos das NS-Regime, dessen totalitären Charakter er voll erfasst hatte, und dessen Art der totalen Kriegsführung beseitigen.

Aber ebenso gewiss und historisch verbürgt ist, dass Bernardis – wie auch alle anderen Mitglieder der Widerstandsgruppe – für die Aufrechterhaltung des Groß­deutschen Reiches in seinem damaligen Umfang gekämpft hat, das heißt, keinesfalls für die Wiederherstellung der Republik Österreich eingetreten ist. Das entnehmen wir auch einer Anfragebeantwortung von Herrn Bundesminister Fasslabend, die in der entscheidenden Passage folgendermaßen lautet:

„Aber auch jede weitere wissenschaftliche Behandlung dieses Themas wird nicht übersehen können, daß Bernardis Verdienste als Offizier der Deutschen Wehrmacht im Widerstand gegen das NS-Regime bestehen und nicht auf eine Wiederherstellung der Republik Österreich gerichtet war. Dieser Umstand und die Tatsache, daß zwischen der Deutschen Wehrmacht und dem österreichischen Bundesheer keine Kontinuität besteht, haben die betreffenden Stellen nach einer eingehenden Beur­teilung seines Lebenslaufes dazu veranlaßt, in der Person Bernardis – bei aller Aner­kennung seines Wirkens im Widerstand der Deutschen Wehrmacht – keinen Ansatz für die Überlieferungspflege des Bundesheeres zu erkennen.“

Deshalb zollen wir Freiheitlichen – um es noch einmal zu betonen – Oberstleutnant Bernardis höchsten Respekt für seine Gewissensentscheidung, aber wir sehen in ihm keinen Vorkämpfer für die Erneuerung einer unabhängigen Republik Österreich. Deshalb werden wir zwar seiner Ehrung in Bezug auf seine Haltung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, etwa im Sinne einer Ehrentafel, nicht aber einer Um­benennung einer Kaserne im Sinne einer österreichischen Traditionspflege unseres Bundesheeres zustimmen.

In voller parteienübergreifender Übereinstimmung über die heute zu beschließenden Gesetze zur Überwindung einer so dunklen wie traurigen Vergangenheit beende ich meine Ausführungen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.25

 



Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 36

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


10.25

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Steiner! Meine Damen und Herren! Es ist gut so, dass alle vier Parteien sowohl die Fristen beim Entschädigungsfonds als auch beim Versöhnungsfonds verlängern, aber ich will das gar nicht mit so vielen pathetischen Worten umkleiden, denn das ist doch geradezu eine Selbstverständlichkeit.

Wenn wir heute von Nachbarländern schon wenige Jahre nach dem Krieg Gesten der Versöhnung fordern, so zum Beispiel von Bosnien, dass es zehn Jahre nach Beendigung des Krieges doch endlich alles geregelt haben soll, alle Religions- und ethnischen Gruppen befriedet sein sollen und alles zurückgegeben sein soll, dann muss ich sagen: Österreich hat dazu nahezu 60 Jahre lang gebraucht.

Dass wir die Frist heute verlängern, ist kein Ruhmesblatt des österreichischen Parla­mentarismus und der österreichischen Politik, sondern einfach eine Selbstverständ­lichkeit, das zu tun. Wir brauchen daraus keine Großtat von Regierung und Parlament zu machen.

Als Vertreter des Landes Wien muss ich Folgendes sagen: 50 bis 60 Prozent aller Wiener Apotheken wurden „arisiert“, und die Apotheker durften nach 1945, selbst wenn sie die eine oder andere Apotheke zurückbekommen haben, diese gar nicht weiter­führen. Man hat gesagt, dass ihnen da sechs, sieben Jahre fehlen und dass das den Verlust der Gewerbeberechtigung oder welcher Berechtigung auch immer zur Führung einer Apotheke bedeutet.

All das sind Dinge, mit denen sich die Überlebenden, die Opfer der „Arisierung“ Jahrzehnte hindurch herumstreiten mussten. Viele von ihnen haben bis heute nicht Recht bekommen. Das betrifft auch Bankenhäuser, wichtige Bankenhäuser, das betrifft nach wie vor Liegenschaften.

Es ist gut, dass sich die Bundesländer dieser Initiative angeschlossen haben, und es ist wichtig, dass das geschieht. Aber es ist auch wichtig, und zwar nach wie vor wichtig, dass alle Opfer eine entsprechende Berücksichtigung erfahren. Die Sinti und Roma – wie lange hat es in Österreich gebraucht, zum Beispiel nur deren Sprache und Volksgruppenzugehörigkeit anzuerkennen? Oder: dass Homosexuelle genauso Opfer des nationalsozialistischen Regimes waren? Ich erwarte, das erste Homosexuellen-Gedächtnis-Denkmal in dieser Republik.

Oder: Erst wenn Deserteure genauso behandelt werden wie Helden und wenn es in Österreich genauso viele Deserteur-Denkmäler wie Helden-Denkmäler gibt, dann haben wir die Geschichte aufgearbeitet. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In diesem Sinne, Kollege Böhm: Ja, Sie haben Recht, Bernardis war ein Nazi, da haben Sie völlig Recht (Bundesrat Dr. Böhm: Habe ich gar nicht gesagt!), ein Anhänger des nationalsozialistischen Gedankenguts. Aber ich finde es erstaunlich und bemerkenswert, wenn sich dann jemand, der in diesem Gedankengut „drinnen“ ist, in diesem militärischen Stab, an einem Attentat beteiligt, das, wäre es geglückt, Europa viel Leid erspart hätte.

Bernardis zu ehren und dass nicht nur Deutschland österreichische Attentäter, Mittäter, die der „Operation Walküre“ gefolgt sind, ehrt, sondern auch wir ein eigenes Zeichen setzen – und das, so lange die Witwe noch lebt –, darauf zielt dieser Entschließungs­antrag, den ich hier mit unterschrieben habe, ab.


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 37

Kollege Böhm! Auch Weyprecht hat nicht die Republik im Kopfe gehabt, er war ein k.u.k. Kapitän, eine Kaserne ist aber nach ihm benannt. – Weil Sie gesagt haben, Sie wollen Kasernen nur nach Personen benennen, die in der Tradition zum Bundesheer beziehungsweise zur Republik stehen und dass Bernardis kein freies Österreich wollte. Nein, aber er wollte Hitler vom Diesseits ins Jenseits bringen, und das verdient ein Gedenken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Dr. Böhm: Da stimme ich zu!)

10.31

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Hösele. – Bitte. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

 


10.31

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrter Herr Botschafter Steiner! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Wir haben das Glück und das Privileg, im Heute des 21. Jahr­hunderts zu leben, in einer Europäischen Union, in der sich 25 demokratische Staaten zusammengeschlossen haben, die die fundamentalen Menschenrechte achten, in einer Europäischen Union, die offen ist für weitere Staaten, die gemeinsam für Demokratie, Menschenrechte und Frieden eintreten. Ich hoffe sehr, dass diese Gemein­schaft und Familie der europäischen Demokratien bald noch größer wird, dass Kroatien, Rumänien und Bulgarien bald Mitglieder sein werden.

Diese konsequente Arbeit für eine friedliche und demokratische Union in Europa im 21. Jahrhundert ist für mich eine der wichtigsten Lehren aus dem 20. Jahrhundert; einem Jahrhundert, das leider vor allem von menschenverachtenden Totalitarismen und furchtbaren zerstörerischen Weltkriegen gekennzeichnet war.

Es soll aus meiner Sicht keine Instrumentalisierung der Geschichte für parteipolitische Zwecke und ideologische Ladenhüter und Reflexe geben, sondern es geht um eine ehrliche Aufarbeitung der Geschichte, um das aufrichtige Bemühen um Versöhnung und um Lehren für die Zukunft in allen Bereichen.

Am Tag der Bundesrats-Ausschussberatungen über die zur Diskussion stehende und zur Beschlussfassung vorliegende Novellierung der Gesetze, also vorgestern, am 20. Juli 2004, jährte sich zum 60. Mal der Tag des heldenmütigen Attentats auf Adolf Hitler, eines trotz seines Scheiterns ungemein wichtigen Aktes des moralischen Wider­standes gegen ein verbrecherisches Regime. Und es erfüllt mich als Spätgeborenen mit Dankbarkeit, dass gebürtige Österreicher wie Robert Bernardis und Carl Szokoll führend in dieser Widerstandsbewegung tätig waren.

Ich bin auch zutiefst dankbar dafür, Biedermann, Huth und Raschke auf einer öster­reichischen Kaserne als Namensgeber zu sehen; sie hätten für eine rasche Befreiung Wiens eine große Tat gesetzt.

Und wenn ich schon an das neue Österreich denke, denke ich ganz besonders dankbar an den Begriff „O5“, die wirklich autochthone österreichische Widerstands­bewegung für das unabhängige Österreich.

Ich empfinde es als großes Privileg, dass Fritz Molden und Ludwig Steiner noch unter uns sind – wirkliche Vorkämpfer für ein freies und demokratisches Österreich. (Allge­meiner Beifall.)

Ich glaube, man kann heute schwer ermessen, was es damals bedeutet hat, wirklich dafür einzutreten, welche Zivilcourage und welchen Mut man dafür aufbringen musste. Heute tun wir uns leicht und sagen, wir setzen eine große Tat. – Es ist eine große Tat, dass heute dieses Gesetz novelliert wird, aber die noch viel größere Tat war, dass im


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712. Sitzung / Seite 38

Jahre 2000 nach vielen, vielen Jahrzehnten der Diskussion das Gesetz in breitem Konsens beschlossen werden konnte.

Dass wir heute hier in Meinungsfreiheit und einer demokratischen Ordnung sozusagen unsere Zivilcourage so zum Ausdruck bringen können, ist eigentlich eine wunder­schöne Frucht der Lehren, die gezogen wurden.

Es wird mir in steter Erinnerung bleiben, als mir als turnusmäßigem Vorsitzendem des Bundesrates der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Jabloner Ende 2003 den umfangreichen und fundierten Schlussbericht der Historikerkommission übergeben hat. Schon nach kurzem Durchblättern und Querlesen ist für jeden klar: eine aufwühlende Lektüre, die zu verantwortungsbewusstem Handeln und sensiblem Umgang mahnt.

Ich habe mir gestern von der Bundesratskanzlei noch einmal den ersten Band, der die Zusammenfassung enthält, ausgeliehen und angesehen: Das, was hier auf den Weg gebracht werden musste und gebracht wird und was hier aufgearbeitet wurde und aufgearbeitet wird, ist ungemein wichtig und sehr positiv zu sehen.

Der Einrichtung des Versöhnungsfonds und auch des Entschädigungsfonds gingen langwierige und schwierige Verhandlungen voraus, wobei ich heute noch einmal den Namen der Grande Dame des öffentlichen Lebens in Österreich Maria Schaumayer vor allem in Bezug auf die Verhandlungen in den USA dankbar hervorheben möchte.

Ich möchte noch einem Anwesenden sehr herzlich danken, nämlich dem Leiter des Völkerrechtsbüros und Stellvertretenden Generalssekretär des Außenamtes, Herrn Dr. Winkler, der all diese Verhandlungen viele Jahre hindurch mit großer Konsequenz erfolgreich geführt hat. (Allgemeiner Beifall.)

Professor Böhm hat einige der Dinge ausgeführt, die ich ausführen wollte, nämlich die Darstellung dessen, wie in diesem Versöhnungsfonds gearbeitet wird, wie er im Vergleich zu Deutschland wesentlich erfolgreicher tätig ist.

Insgesamt waren es – nur zur Information; wir wissen schon, dass das nur ein kleines, symbolisches Zeichen sein kann, das die Republik gemeinsam hier setzt – bis Ende 2003 113 877 Anträge, die für ehemalige Sklaven und Zwangsarbeiter genehmigt wurden; 300 Millionen € wurden ausbezahlt. Ich sage ja: Es ist nur ein kleines, sym­bolisches, aber sehr, sehr wichtiges Zeichen. Und ich bin froh, dass man sozusagen durch die Fristverlängerung der Bearbeitungen – nicht der Anträge, denn die Antrags­frist ist ja schon geschlossen – weiter voranschreiten kann. Es ist besonders wichtig, dass den betagten Opfern nationalsozialistischen Unrechts so rasch als möglich gehol­fen werden kann.

Vom Kollegen Giefing ist auch angesprochen worden, dass neben dem Entschädi­gungs- und Versöhnungsfonds mit dem alljährlichen Gedenktag gegen Rassismus und Gewalt eine sehr wichtige parlamentarische Initiative im Sinne des „Nie mehr wieder!“ gesetzt wurde, der aber auch ein Auftrag für die Zukunft ist.

Die diesjährige Gedenkstunde war den Roma gewidmet, was sehr wichtig war, weil das in Wahrheit vergessenes Leid ist. Und die Roma stellen natürlich ein ganz unver­zichtbares Element und auch Segment zur Vielfalt und zur Pluralität der österreichi­schen Gesellschaft dar. Es war das also eine sehr wichtige Sache. „Nie mehr wieder!“, das darf aber nicht nur heißen, den Blick zurückzuwenden, sondern muss auch Auftrag für die Zukunft sein, gegen jede Form der Intoleranz, des Fundamentalismus und des Totalitarismus entschieden aufzutreten und für ein Klima der Versöhnung, der Toleranz auf dem Boden der Menschenrechte, der Demokratie in unserer offenen Zivilgesell­schaft hinzuwirken.

In diesem Sinne ein klares Ja zu den heutigen Novellen. (Allgemeiner Beifall.)

10.39

 



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712. Sitzung / Seite 39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.40

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Botschafter Steiner! Diese Republik ist im Jahre 1945 aus dem Geist des gemein­samen antinazistischen Kampfes geboren worden. Diese Republik hat vieles von dem, was eine solche Selbstpositionierung zwangsläufig nach sich ziehen muss, viele Jahre, zu viele Jahre nicht eingelöst.

Das Bekenntnis zum selbständigen Österreich, das Bekenntnis zum Widerstandskampf gegen das Hitler-Regime und gegen den „Anschluß“, das ist die eine Seite gewesen. Das Denken und Handeln für jene, die zu Opfern wurden, sind dabei zu kurz gekommen. Mit Recht hat Kollege Hösele auf den Bericht des Präsidenten Jabloner verwiesen, der das in einer – ich sage es sehr ehrlich – beschämenden Art und Weise für unser Land nachzeichnet.

Ich habe ein großes Problem, ein moralisches Problem, aber es muss ausgesprochen werden: dass die beiden damals tragenden Parteien der Republik ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Das ehrlich einzubekennen, muss an der Spitze jedweder Diskussion über dieses Thema oder Themen, die damit in Verbindung stehen, stehen. Und ich lege dieses Bekenntnis eindeutig ab. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Es ist gut gewesen, dass Franz Vranitzky klar die Mitschuld von Österreichern an der Herrschaft und am Herrschaftssystem der Nationalsozialisten, ihre Verwicklung in deren Verbrechen angesprochen hat. Es ist gut, dass wir uns letztendlich und gemein­sam zu Formen der Wiedergutmachung – die Anführungszeichen, die ich meine, sind hoffentlich zu hören – an jene, die „alt genug“ geworden sind, ihre Ansprüche noch anmelden zu können, entschlossen haben.

Wir können feststellen – und ich möchte das ausdrücklich sagen –, dass die Erfüllung dieser Verpflichtung durch die beiden Fonds in angemessener, humaner, rücksichts­voller und auf die schwierigen Beweislagen, die persönliche emotionale Betroffenheit dieser Menschen eingehender Weise erledigt wird, dass viel Verständnis vorhanden ist. Die Erstreckung der Erledigungsfrist ist ja ein Zeichen dafür, dass diese Grund­haltung einfach Zeit erfordert, wo Rücksprachen gehalten werden, wo versucht wird, einen verständnisvollen Weg zu finden. Ich möchte allen, die damit befasst sind und sich dieser auch menschlich sehr schwierigen Aufgabe unterziehen, ausdrücklich dafür danken.

Das Thema, auch wenn es nicht als Vorlage auf der Tagesordnung steht, ist natürlich breiter anzulegen. Es liegt uns heute – das war ein Zufall – in den Postfächern, wenn ich das richtig mitbekommen habe, auch der Restitutionsbericht 2002/2003 vor, der thematisch dazugehört zu dem Einbekenntnis dieser Republik, dass weiterhin Bedarf, Handlungsbedarf der Wiedergutmachung gegenüber jenen besteht, die überlebt haben, aber in vielen Fällen auch gegenüber jenen im Bereich der Restitution, die deren Erben, Nachfolger, Familienangehörige sind.

Es gehört zu den Zufällen, die der Kalender halt so mit sich bringt, dass wir diese Debatte – im Ausschuss war das exakt der Fall – in datumsmäßiger Nachbarschaft zum symbolischen Datum 20. Juli und damit der 60. Wiederkehr des Versuches, Hitler zu ermorden und das Nazi-Regime zu stürzen, führen.

Ich sage mit großer Deutlichkeit dazu, dass zu den vielen Verpflichtungen, die die Republik schuldig geblieben ist, auch jene eines ehrlichen Umgangs, aber auch eines zukunftsweisenden Umgangs mit dem geistigen und politischen Erbe dieser Männer


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 40

und mit dem Erbe und dem Andenken all jener gehört, die sich in der Wehrmacht des „Dritten Reiches“ der Mitwirkung an den Verbrechen dieses Regimes zu entziehen versucht haben, die dem – in welcher Form auch immer – Widerstand geleistet haben. Und ich sage sehr ehrlich, dass da die Republik in gleichem Maße schuldig geworden ist.

Es ist richtig, dass es eine Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne gibt. Hier sind drei Angehörige des militärischen Widerstandes im Wehrkreiskommando XVII geehrt worden, die in den letzten Kriegstagen – mit halbem Erfolg, wie man sagen muss – versucht haben, Wien das Schicksal einer umkämpften Stadt zu ersparen. Major Carl Szokoll ist jener, der am Widerstand des 20. Juli teilgenommen hat, ihn überlebt hat und dann erneut in diese Aktion führend eingebunden war und dem wir an dieser Stelle auch einen ganz besonderen Dank für diesen heroischen Einsatz, den er überlebt hat, aussprechen sollten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Aber glauben Sie mir, ich habe ganz persönlich und meist zusammen mit unserem langjährigen Kollegen Vincenz Liechtenstein eine lange Reihe von Verteidigungs­ministern immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob das alles gewesen sein kann. Dabei geht es nicht um Tagespolitik. Kollege Hösele, niemand wird Herrn Bernardis posthum als Sozialdemokraten reklamieren; das ist er wirklich nicht gewesen. Aber darum geht es auch nicht.

Menschen mit einem völlig verschiedenartigen politischen und geistigen Hintergrund und mit Zielsetzungen, die in einer demokratischen Nachkriegszeit sie in sehr verschiedene Richtungen geführt hätten – voraussichtlich –, haben sich in dieser ganz besonderen Situation zusammengefunden. Und die Tatsache, dass, unbestreitbar, Bernardis Mitglied des NS-Soldatenringes war, macht sein Opfer nicht kleiner, sondern, ich muss sagen, sogar größer.

Ich stamme aus einer Familie, deren Angehörige 1848 auf den Barrikaden gestorben sind, die in der Monarchie und dann wieder in der Systemzeit aus politischen Gründen arbeitslos gemacht und wirklich ins Elend gestürzt wurden, deren Angehörige ihren Widerstand mit dem Leben bezahlt haben. – Ich tue mir leicht, und auch diese Vorfahren haben sich „leicht getan“ – unter Anführungszeichen –, weil sie etwas, was in ihnen drinnen war, konsequent fortsetzen konnten. Viele christlich motivierte Wider­ständler haben dieselbe klare Haltung gehabt – mit anderen historischen Taten und anderen Bewährungsproben.

Aber ich sage sehr offen, dass ich tief beeindruckt bin von den Lebensschicksalen von Menschen, die in einer bestimmten, meist jugendlichen Phase dem National­sozialis­mus auf den Leim gegangen sind: vielleicht motiviert durch einen bestimmten familiären, militärischen, national-konservativen Hintergrund – und die dann als zu­nächst einmal Überzeugte erkennen mussten, wie falsch ihre Entscheidung gewesen ist, und die sich aus dieser Entscheidung lösen konnten bis hin zur Konsequenz der aktiven Widerstandsleistung unter Riskierung des eigenen Lebens.

Zu meinen väterlichen Freunden hat Dr. Albert Massiczek gehört, der dem einen oder anderen vielleicht noch ein Begriff ist. Auch er ein Nazi. Und er hat seiner Auto­biographie korrekterweise den Titel gegeben „Ich war ein Nazi“. Dasselbe Bild: ein national-konservatives Elternhaus – es erschien als die logische Fortsetzung dessen, was die Sozialisation ihm gebracht hat. Auch er hat – nicht nachher, nein, damals: unter der Herrschaft des Nationalsozialismus – erkannt, wie falsch das ist, wofür er eingetreten ist, und dass man es nicht dabei bewenden lassen kann, festzustellen, dass es falsch ist, sondern dass man dagegen etwas tun muss.


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Ich gebe zu, dass die vielen Gespräche mit ihm für mich sehr lehrreich waren in Bezug auf die Entwicklung von Menschen, die naturgemäß aus einem geistigen Hintergrund kommen, der mir verhältnismäßig fremd ist. Ich meine daher, dass wir dort, wo es darum geht, Menschen, die mit ihrem Leben – ob sie es jetzt verloren haben oder nicht – dafür eingestanden sind, Hitler zu stürzen, den Krieg früher zu beenden, nicht kleinlich sein sollen. Es geht hier nicht darum, eine makellose, niemals vom Mainstream der heutigen Politik abweichende Biographie vorweisen zu können.

Die Rolle der in den letzten Tagen so oft erwähnten Denkmalkommission des Bundesministeriums ist in dieser Hinsicht alles andere als rühmlich. Ich will keine Beschuldigungen aussprechen, aber: Das wesentliche Bestreben war es offensichtlich allemal, Begründungen zu finden, warum das alles nicht geht. Bei Biedermann, Huth und Raschke ist dann die Kommission in Erklärungsnotstand geraten, weil diese nachweislich für das freie und demokratische Österreich nicht nur eingestanden, sondern auch gestorben sind.

Aber wenn man sich ansieht, mit welchen Begründungen x-mal eine Ehrung für Oberstleutnant Bernardis abgelehnt wurde, dann fühlt man sich ein bisschen an das Kafka’sche „Schloß“ erinnert. Es ist den Herren in dieser Kommission – und ich glaube, sie besteht nur aus solchen – immer wieder etwas eingefallen, warum das nicht geht.

Ich sage nochmals: Die Ehrung für jemanden, der im Widerstandskampf gefallen ist – ich kann das nicht anders nennen –, bedeutet nicht, dass jede Lebensäußerung dieses Menschen von denen, die in ehren, unterschrieben wird. Bei allen großen Persön­lichkeiten, die wir ehren, gibt es auch immer irgendwo ein Stückerl einer dunklen Seite. Ich habe keine Ahnung, wie Herr Bernardis seine Frau behandelt hat, ich weiß nicht, ob er gespielt hat, aber um das geht es nicht, sondern um den zentralen Punkt. Auch der Nobelpreis wird für eine wissenschaftliche Leistung vergeben – und nicht dafür, dass jemand außerdem noch ein netter Mensch ist.

Das ist der Grund, warum ich dem Hohen Haus einen Entschließungsantrag vorlege, den, wie er bereits gesagt hat, Kollege Schennach und die grüne Fraktion mit unter­zeichnet haben.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Prof. Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Benennung einer Einrichtung des Bundesheeres nach Oberstleutnant Robert Bernardis

Das Kuratorium des Allgemeinen Entschädigungsfonds hat in seiner Sitzung vom 24. Mai 2004 den Plan einer Verlängerung der Antragsfrist im Bereich der Natural­restitution einstimmig gutgeheißen. Basierend darauf haben alle vier Fraktionen im Nationalrat einen Initiativantrag eingebracht, der diese Verlängerung umsetzt. Ebenso wurde in den Erläuterungen – durch alle vier Fraktionen abgesegnet – ausgeführt: „Schließlich soll mit der Verlängerung der Antragsfrist ein Zeichen dafür gesetzt wer­den, dass der österreichische Gesetzgeber ernsthaft bemüht ist, zu einer umfassenden und endgültigen Lösung von offenen Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus zu kommen.“

In diesem Geiste sei daran erinnert, dass sich vor zwei Tagen der 60. Jahrestag des mutigen Versuchs von militärischen und zivilen Widerstandskämpfern jährt, die Herr­schaft der Nationalsozialisten durch einen Putsch zu beenden.

Der 20. Juli 1944, dessen blutiges Scheitern die Fortdauer der Naziherrschaft für ein weiteres Dreivierteljahr sicherte und damit Millionen Menschen den Tod brachte, ist


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auch deshalb bemerkenswert, weil er zu einem guten Teil von Menschen getragen war, die selbst durch eine gewisse Zeit hindurch von Nazi-Parolen angezogen waren oder zumindest Denkweisen verhaftet waren, aus denen auch die Ideologie des Nationalsozialismus gespeist wurde. Das vermindert die Bedeutung ihres Handelns in keiner Weise, ganz im Gegenteil. Es ist in besonderem Maße anzuerkennen, wenn Menschen die Unmenschlichkeit eines Herrschaftssystems zu erkennen in der Lage sind, dessen Geisteswelt sie zunächst sympathisierend gegenübergestanden waren.

Die militärischen Teilnehmer am 20. Juli 1944 hatten zudem einen für sie schwer­wiegenden Schritt zu tun – sie mussten jenen Fahneneid brechen, den sie geschworen hatten. Sie taten dies – nicht ohne persönliche Probleme –, weil sie ihre Verpflichtung gegenüber ihrer Heimat höher stellten als die gegenüber einer als verbrecherisch erkannten Staatsführung.

60 Jahre nach dem 20. Juli 1944 ist es an der Zeit, dass die Republik Österreich auch gegenüber jenen Personen, die an diesem mutigen Putsch beteiligt waren, ein Zeichen der Anerkennung setzt. Beispielhaft dafür könnte eine Ehrung von Oberstleutnant Robert Bernardis sein, der am 8. August 1944 wegen seiner Teilnahme am 20. Juli hingerichtet wurde. Ob es sich um die Namensgebung einer Kaserne oder etwa die Benennung des Innenhofs der Rossauer Kaserne handelt, ist dabei von untergeord­neter Bedeutung. Eine solche Ehrung, die auch eine späte Genugtuung für die noch lebende Witwe von Robert Bernardis wäre, sollte umgehend gesetzt werden, da dem 60. Todestag von Robert Bernardis am 8. August 2004 zu gedenken ist.

Erfreulicherweise gibt es über die Fraktionen hinweg Bemühungen einzelner Persön­lichkeiten, eine solche Benennung zu bewirken.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Bundesminister für Landesverteidigung wird ersucht – wenn möglich bis zum 8. August 2004 –, eine Ehrung von Robert Bernardis in Form einer Benennung einer Einrichtung des Bundesheeres nach ihm vorzunehmen.

*****

Der Antrag ist, soweit ich weiß, übergeben, ich kann mir daher die formelle Über­reichung ersparen.

Meine Damen und Herren! Unter den Persönlichkeiten, die ich hier anführe, die sich dafür einsetzen, befindet sich auch der formelle Oberbefehlshaber des österreichi­schen Bundesheeres, der Bundespräsident, der am Montag diese Anregung geäußert hat. Ich sage – ohne Polemik; das wäre dem Anlass nicht angemessen –, es geht nicht darum, dass irgendwo eine Tafel angebracht wird. Die Tafel wird man brauchen, um den jungen Menschen zu erläutern, wer der Mann ist, nach dem beispielsweise ein Hof benannt wird. Es ist mir bewusst, dass Kasernen-Benennungen in einer konkreten Situation, in der nicht so klar ist, ob das Objekt, das jetzt benannt wird, in ein paar Jahren noch im Besitz des Bundesheeres steht und eine Kaserne ist, durchaus riskant sind.


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Ich weiß nicht, von wem dieser Vorschlag mit dem Hof in der Rossauer Kaserne – die wird ja wohl bleiben – gekommen ist, aber ich halte das für eine tragfähige und gute Lösung. Es geht darum, auch den Zustand zu erzeugen, dass dieser Name im täglichen Leben des Bundesheeres eine Rolle spielt. Kasernen-Namen spielen eine Rolle im täglichen Leben, vielleicht auch Hof-Benennungen. Es geht nicht darum, dass in einem fern abgelegenen Raum irgendwo eine Tafel untergebracht wird, damit der Verpflichtung formal Rechnung getragen wird.

Ich füge hinzu, dass es über diesen konkreten Anlassfall hinaus sicherlich notwendig ist, dass nicht nur die ganze Republik, sondern insbesondere auch das österreichische Bundesheer sehr kritisch – und in diesem Fall auch sehr selbstkritisch – die Frage stellt, welche Traditionspflege in dieser Einrichtung angebracht ist.

Ich glaube nicht, dass wir sagen können, dass da eine klare Linie besteht. Man hat wohl versucht, es jedem ein bisschen recht zu machen. Es gibt Rückgriffe auf die österreichisch-ungarische Heerestradition. Es gibt Rückgriffe – geringe – auf das Bun­desheer der Ersten Republik. Es gibt eine Umschiffung der Nazi-Zeit. Und es gibt – Stichwort: Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne – eine punktuelle Berührung mit dem Kampf um die Wiederherstellung des demokratischen und selbständigen Österreich.

Ich will da keine Liste vorlegen. Ich weiß nicht, ob es für die Denkmalkommission des Bundesheeres ausreicht, „nur“ General des österreichischen Bundesheeres gewesen zu sein und „nur“ von den Nazis im Konzentrationslager umgebracht worden zu sein, wie das für Friedländer gilt.

Ich weiß nicht, ob es wirklich disqualifiziert für eine Ehrung, wenn ein Feldwebel, weil es diese Zeit und dieses Regime war, die Uniform der Deutschen Wehrmacht getragen hat, als er hunderten Juden in Litauen das Leben gerettet hat. Zu den Absurditäten –anders kann ich das nicht nennen – gehört es, dass nach diesem Feldwebel namens Schmidt in Schleswig-Holstein eine Kaserne benannt ist, weil die Deutsche Bundes­wehr diese Tradition pflegt, dass jedoch das österreichische Bundesheer die ihn das Leben kostende Heldentat eines Brigittenauers nicht einmal einer Erwähnung würdig findet. Also weit über den Anlassfall, der durch den 20. Juli und die 60. Wie­derkehr dieses Datum aktualisiert wird, hat da das österreichische Bundesheer Handlungs­bedarf.

Ich will nicht in Polemik verfallen – ich war knapp dabei, ich gebe es freimütig zu – und bremse mich sehr bewusst ein, aber ich möchte dem Hohen Haus erklären, warum ich da sehr polemisch sein kann oder das Bedürfnis habe, sehr zornig zu werden. Wäre der 20. Juli 1944 gelungen, dann hätte das Millionen Menschen, insbesondere deut­schen und österreichischen Soldaten, das Leben gerettet. Mein Vater wäre darunter gewesen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.03

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Professor Konecny, Schen­nach, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Benen­nung einer Einrichtung des Bundesheeres nach Oberstleutnant Robert Bernardis ist genügend unterstützt. Der von der Geschäftsordnung für einen Unselbständigen Ent­schließungsantrag geforderte konkrete inhaltliche Zusammenhang mit den zwei zur Beratung stehenden Gesetzesbeschlüssen ist ein dehnbarer Begriff. Ich halte aber dafür, ihn im Zweifel für die Antragstellung zu interpretieren. Der Antrag steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Platter. Ich erteile ihm das Wort.

 



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11.04

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine Damen und Herren! Mir wurde zur Kenntnis gebracht, dass heute unter Umständen auch der 20. Juli 1944 diskutiert wird, was ich gut finde, und so habe ich mir erlaubt, heute zu dieser Debatte zu kommen, denn es ist doch richtig, dass das Regierungsmitglied, das mit dieser Thematik befasst ist, hier an einer gemeinsamen Diskussion teilnimmt.

Zunächst möchte ich meinem Freund Ludwig Steiner, der heute hier anwesend ist, einen herzlichen Dank aussprechen für all seine Aktivitäten rund um den Öster­reichischen Versöhnungsfonds und mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern für ihren Beitrag bedanken. Da wurde etwas getan, was dringend notwendig ist, und Ludwig Steiner war und ist Garant dafür, dass es gut abgehandelt wird. (Allge­meiner Beifall.)

Ich möchte mich auch bedanken dafür, dass man bei der Wortwahl sehr vorsichtig war. Worte können Menschen zusammenbringen, Worte können einen, aber Worte können auch verletzen. Ihnen, Herr Abgeordneter, einen herzlichen Dank dafür, dass eine gute Wortwahl gefunden wurde, denn es wird auch beurteilt, wie man mit dieser Thematik umgeht.

Ich möchte Ihnen zuerst meine persönliche Einstellung zum 20. Juli 1944 ganz kurz sagen: Es ist notwendig, dass die Österreicher, die an diesem Attentat beteiligt waren, in Österreich gewürdigt werden. Die Soldaten haben in einer sehr schwierigen Situation eine Entscheidung treffen müssen. Es waren Männer von Überzeugung. Es waren Männer, die nach ihrem Gewissen gehandelt haben.

Ich möchte Ihnen nun sagen, dass es mir als Verteidigungsminister besonders wichtig war und ist, dass in diesem Gedenkjahr einige Impulse gesetzt werden. Ich würde Sie ersuchen, dann, nachdem ich diesen Vortrag gemacht habe, zu beurteilen, ob wir, die Republik Österreich, aber auch das Verteidigungsministerium, letztlich auch das österreichische Bundesheer, einen Schritt weiter gekommen sind.

Ich habe erstmals – es war noch nie da! – ermöglicht, weil es mir ein großes Anliegen war, dass eine Ausstellung mit dem Titel „Tyrannenmord – Der 20. Juli 1944 und Österreich“ im Heeresgeschichtlichen Museum gemacht wurde.

Lassen Sie mich einige Sätze sagen, die ich bei der Eröffnung dieser Ausstellung gesagt habe. Es war mir sehr wichtig, selbst diese Ausstellung zu eröffnen. Ich habe dort Folgendes gesagt:

Es handelt sich um die erste derartige Ausstellung zum 20. Juli 1944, und es war nicht gerade leicht, Material dafür zu finden.

Die Zeit des Nationalsozialismus ist das dunkelste Kapitel in der Geschichte Öster­reichs. Es hat jedoch auch viel Widerstand gegen dieses Unrechtsregime gegeben.

Der 20. Juli 1944 erhält in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Bedeutung. Wenn irgendwann in der Geschichte aus rein christlichem Gewissen gehandelt wurde, dann am 20. Juli 1944. Es war nämlich eine Frage des christlichen Gewissens, den Gräueltaten Einhalt zu gebieten.

Der 20. Juli 1944 war ein generalstabsmäßig geplanter Anschlag. Die Offiziere sind mit ihrem Plan, Hitler zu töten, aber gescheitert. Nach dem Anschlag war die Macht­übernahme – Stichwort: „Walküre“ – geplant.

Hauptmann Carl Szokoll hätte die „Walküre“ in Wien durchführen sollen. Carl Szokoll, ein Kronzeuge, hat die Säuberungsaktion der Nazis nach dem Attentat überlebt. Bis zum Attentat auf Hitler war er direkter Kontaktmann zu Stauffenberg, er blieb aber


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glücklicherweise unentdeckt. Szokoll hat nach dem Krieg als Filmregisseur seine Erlebnisse verarbeitet. – Er war selbst bei dieser Ausstellungseröffnung dabei, und ich habe ihn mit Worten gewürdigt.

Ich habe auch über Robert Bernardis gesprochen und Folgendes gesagt:

Robert Bernardis war ein weiterer Österreicher, der am Attentat beteiligt war. Er war von der Wehrmacht dem Allgemeinen Heeresamt in Berlin zugeteilt. Nach dem Attentat auf Hitler ist ihm und seiner Familie ein schreckliches Schicksal widerfahren. Die gesamte Familie hat schwer für den Mut von Robert Bernardis büßen müssen. – Bei der Ausstellungseröffnung waren auch seine Verwandten anwesend: Ingeborg Heidel­berger, Ing. Fritz Müller und Anton Gross.

Zum Schluss habe ich gesagt:

Wir wissen, eine Armee funktioniert immer mit Hierarchien und Gehorsam. Wir alle leben in einer gesellschaftlichen Ordnung – manche unter den heute Anwesenden leben auch in einer militärischen.

Im Jahr 1944 haben Offiziere diese Hierarchien ausgesetzt und einen Anschlag auf den Oberbefehlshaber verübt. Sie haben nach ihrem Gewissen gehandelt – um einem Unrechtsregime ein Ende zu bereiten. Die Geschichte lehrt uns, dass die Frage nach Moral und Gewissen nie vergessen werden darf – auch wenn dabei Widerstände überwunden werden müssen.

Die Wissenschaft und die Lehre sind frei – das ist mir in meinem Ressort ganz besonders wichtig. Es ist mir persönlich ein großes Anliegen, dass die Geschichte ohne Tabus aufgearbeitet wird. – Das waren meine Worte bei der Eröffnung der Aus­stellung.

Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren im Hohen Hause, freue ich mich sehr darüber, dass es im Herresgeschichtlichen Museum diese Ausstellung „Tyrannen­mord – Der 20. Juli 1944 und Österreich“ gibt. Ich möchte Sie alle herzlich einladen, diese Ausstellung zu besuchen, die noch bis September stattfindet.

Das war der erste Impuls, den ich in diesem Gedenkjahr gesetzt habe.

Der zweite Impuls war folgender: Ich habe die Landesverteidigungsakademie beauf­tragt, ein Symposium im Herbst zu machen – ein Symposium, wo internationale und nationale Kenner dieser Materie mit dabei sein werden, damit dieser dunkle Teil unserer Geschichte beleuchtet wird, diskutiert wird, ein Dialog darüber geführt wird, der natürlich auch in die Öffentlichkeit hinausgetragen wird, damit für dieses Thema Sensi­bilität erzeugt wird.

Darüber hinaus habe ich am Tag des Gedenkens des 20. Juli 1944, also 60 Jahre danach, folgende Entscheidung getroffen: dass wir im Rahmen dieses Symposiums eine Gedenkveranstaltung durchführen. Mir geht es darum, dass nicht nur ein Taferl, wie das manchmal gesagt wird, angebracht wird, sondern dass auch eine Gedenk­veranstaltung stattfindet, wo eine entsprechende Würdigung aller Soldaten, die im Widerstand waren, erfolgt, und dass dann diese Gedenkveranstaltung in einer Enthüllung einer Gedenktafel für Robert Bernardis gipfelt.

Ich habe die Militärhistorische Denkmalkommission beauftragt, die entsprechenden Worte, die auf dieser Gedenktafel stehen sollen, zu finden, mir einen Vorschlag zu machen, welche Worte auf dieser Gedenktafel angebracht werden sollen. Ich habe schon vorhin gesagt: Worte sind in diesem Zusammenhang ganz besonders wichtig und müssen gut gewählt werden.


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Es ist dieses Jahr meiner Meinung nach von ganz besonderer Bedeutung. Jetzt können wir – und ich habe Verständnis dafür – die Diskussion darüber führen: Soll es den einen oder soll es den anderen Impuls geben? Es wird immer Vorschläge geben, wo man selbst glaubt, das könnte besser gemacht werden. Dafür habe ich Ver­ständnis. Ich habe für all diese Anliegen Verständnis. Aber es geht auch darum, dass Entscheidungen getroffen werden. Ich habe die Entscheidung getroffen. Ich würde Sie bitten, dass diese Entscheidung, die zu fällen dem Verteidigungsminister zusteht, auch so zur Kenntnis genommen wird.

Ich würde Sie auch bitten, zu honorieren, dass erstmals dieses Thema in Österreich so breit diskutiert wird, Veranstaltungen zu diesem Thema stattfinden und eine ent­sprechende Würdigung aller Soldaten, die im Widerstand gestanden sind – und speziell eine Würdigung von Robert Bernardis erfolgt.

Ich habe auch mit dem Herrn Bundespräsidenten darüber gesprochen, weil ich weiß, dass dieses Anliegen dem Herrn Bundespräsidenten sehr wichtig ist, und habe ihm meine Entscheidung mitgeteilt, die ich umsetzen werde. Der Herr Bundespräsident hat gesagt, es werde von seiner Seite her keine Kritik dazu geben, er sei froh darüber, dass dieses Thema in Österreich behandelt wird.

Geschätzte Damen und Herren! Ich lade Sie ein: Beurteilen Sie am Ende dieses Jahres all diese Initiativen, die ich und wir gemeinsam gesetzt haben. Ich lade Sie ein, auch zu der genannten Gedenkveranstaltung zu gehen. Ich selbst werde dafür Sorge tragen, dass es eine Gedenkveranstaltung wird, wo eine entsprechende Würdigung stattfindet. Ich würde mich freuen, wenn Sie dann am Ende dieser verschiedenen Aktionen – Gedenkveranstaltung, Ausstellung, Symposium – sagen würden: Durch diese vielen Maßnahmen ist die Republik Österreich in diesem Zusammenhang einen Schritt weiter gekommen dahin gehend, dass wir aus der Geschichte lernen können. (Beifall bei der ÖVP.)

11.16

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Gude­nus das Wort.

 


11.16

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Herr Botschafter! Kollegen und Kolleginnen! Wir behan­deln heute ein sehr ernstes Thema. Es berührt mich etwas nachteilig, dass manche meiner Vorredner festgestellt haben, dass 60 Jahre nichts für die besagten Opfer geschehen ist.

Meiner Partei, aber auch der Partei meines Koalitionspartner, rechne ich es als Ehre an, dass diese vor etwa vier Jahren beschlossen haben, die heute zu behandelnden Gesetze überhaupt in Kraft zu setzen. Es ist dies ein Lob für diese Koalition, welche diese beiden Gesetze geschaffen hat, für die sie auch die Unterstützung und Zustim­mung von den Sozialdemokraten erwirkt hat.

Aber ich kann nicht im Raum stehen lassen, dass man sagt, die vorangegangenen Regierungen hätten in dieser Sache nichts gemacht. Ich möchte hier doch den für die Republik Österreich sehr wichtigen Staatsvertrag von Wien von 1955 in Erinnerung rufen, vor allem dessen Artikel 26, wo es heißt – ich zitiere etwas verkürzt –:

„... verpflichtet sich Österreich in allen Fällen, in denen Vermögenschaften, gesetzliche Rechte oder Interessen in Österreich seit dem 13. März 1938 wegen der rassischen Abstammung oder der Religion des Eigentümers Gegenstand gewaltsamer Über­tragung oder von Maßnahmen der Sequestrierung, Konfiskation oder Kontrolle ge-


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wesen sind, das angeführte Vermögen zurückzugeben und diese gesetzlichen Rechte und Interessen mit allem Zubehör wiederherzustellen.“

In Absatz 2 heißt es weiter:

„Österreich stimmt zu“ – ich verkürze jetzt –, falls diese Rechte „durch sechs Monate nach Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages nicht beansprucht werden oder wenn, falls es sich um Organisationen und Gemeinschaften handelt, diese Organisationen und Gemeinschaften aufgehört haben zu bestehen. Österreich soll diese Vermögen­schaften, Rechte und Interessen geeigneten, von den vier Missionschefs in Wien im Wege von Vereinbarungen mit der österreichischen Regierung zu bestimmenden Dienststellen oder Organisationen übertragen, ... Diese Übertragung wird innerhalb von achtzehn Monaten nach Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages durchgeführt werden ...“

Mit einem Wort: Es wurde ja schon im Jahr 1955 gewissermaßen ein Schlussstrich gezogen, den man heute nicht wahrnehmen will, weil er wahrscheinlich unzureichend war. Aber wir können nicht feststellen, dass die vorangegangenen Regierungen in dieser Sache nichts getan hätten.

Auch die vorangegangenen Regierungen – im Jahr 1955 war sicherlich nicht die Freiheitliche Partei in der Regierung, sondern es war eine Koalitionsregierung aus ÖVP und SPÖ – haben nach damaligen bestem Wissen und Gewissen auch schon ihre Leistung dazu beigetragen, auf die dann die Regierung der ÖVP und der FPÖ im Jahr 2000 aufbauen konnte, um eine weitere Verbesserung vorzunehmen.

Das Einzige, was mich an dieser Regelung etwas traurig stimmt, ist der Umstand, dass das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz – man nennt eine solche Entschädigung im Volksmund auch Ehrensold – nicht angepasst wird. Auch da sind viele Opfer darunter, die Sklavenarbeit und Zwangsarbeit geleistet haben, und zwar in der Zeit zwischen 1945 und 1955. Die Älteren hier im Raum und jene, die sich mit diesem Thema beschäftigen, wissen, dass die letzten Kriegsgefangenen erst 1955 zurück­gekommen sind. Ein Vergleich mit den Lagern da, mit den Lagern dort erübrigt sich. Es ist einfach eine Schande gewesen, was mit den Menschen insgesamt in der schreck­lichen Zeit zwischen 1933 – betone ich – und 1955 passiert ist.

Es ist daher wichtig, dass wir diese Gesetze machen, aber wir sollen nicht nur, wie einer meiner Vorredner gesagt hat, von den Opfern reden, und dürfen dabei nicht übersehen, dass wir Opfer auf allen Seiten hatten. Es ist leider Gottes so, dass man nach dem Krieg sich selbst auch als Opfer gesehen hat. Die Ausgebombten, die Invaliden, die Opfer, deren Familienangehörigkeiten, wie ich es genannt hatte, in Gefangenschaft waren und lange nicht nach Hause kamen, sie alle muss man mit einbeziehen, Herr Kollege Schennach. Sie haben ja ganz richtig gesagt: Wir haben aller Opfer zu gedenken. Und wenn wir aller Opfer gedenken sollen, dann sollen wir auch dieser Opfer mit gutem Gewissen gedenken. Bewusst war weder das eine noch der andere Opfer in der allergrößten Mehrzahl als Täter im strafrechtlichen Sinne tätig. Der Zeitgeist war eben so.

Ich darf an dieser Stelle Herrn Dichand in seiner sonntägigen Beilage zur „Kronen Zeitung“ zitieren: „Man kann die Geschehnisse von gestern nicht mit den Wertmaß­stäben von heute messen. Schon gar nicht, wenn man die beschränkten Wahrneh­mungsmöglichkeiten in einer Diktatur berücksichtigt.“ – Ich glaube, dem ist eigentlich sehr wenig hinzuzufügen.

Die Ausführungen des Herrn Kollegen Konecny, denen ich in vielen Bereichen zustimmen kann, möchte ich nur in einem Punkt ergänzen und ihm leicht wider­sprechen. Es ist heute nicht der Tag, hier bei diesem Thema Streite auszutragen.


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Lieber Kollege Konecny! Sie haben gemeint, bei den Nobelpreisträgern schauen wir ja auch nicht aufs Familienleben oder sonst wohin. Einschränkend möchte ich erwähnen: Von den Sozialdemokraten, von einigen zumindest, wurde bei Konrad Lorenz, der auch Nobelpreisträger war, doch ziemlich am Portepee herumgetrampelt. – Das nur als kleine Einschränkung zu Ihren doch bedenkenswerten Aussagen.

Zu den Ausführungen über Oberst Bernardis. – Es ist natürlich für uns als Soldaten heutzutage anders, als es vor dem Krieg war, aber die Dienstvorschrift eines Soldaten sah sowohl in der Republik Österreich Nummer 1 als auch im Deutschen Reich das Verbot einer Mitgliedschaft in einer Partei vor. Das ist ein Faktum! Es wurde vielfach übergangen – das wissen wir –, und manche wurden sogar gemaßregelt, nachdem sie ins Dritte Reich, in die Wehrmacht übernommen worden sind und meinten, sich damit brüsten zu können, dass sie schon im Soldatenring tätig waren. – Sie wurden vor stehender Truppe abgemahnt.

Aber bezüglich Oberst Bernardis und ob er, wie Kollege Konecny schreibt, eine Verpflichtung gegenüber der Heimat hatte, wäre doch zu hinterfragen, welche Heimat der Oberst Bernardis hatte. Aber nehmen wir es einmal großräumig an. Es war halt eine Heimat im großen Sinne, die unter einer Diktatur litt. Die Offiziere damals waren mehr als heute herkunftsgeprägt – viele zumindest –, erziehungs- und berufsbedingt geprägt und stellten natürlich für sich den Eid als eine besondere Hürde dar. Das war etwas, was ganz wenige, vielleicht nur besonders Auserwählte überspringen, über­winden konnten. Die Hürde des Eides – das war eine anerzogene Situation. Wir sind uns dessen heute nicht mehr so bewusst, wenn wir einen Eid ablegen. Das nimmt man fast etwas zu leicht.

Wir hören, dass in diesen Tagen der Rütli-Schwur in der Schweiz, am Platz, durch ein Theater aus Deutschland aufgeführt wird. Da kommt ja dieser Satz auch vor: Das Land vom Tyrannen befreien. – Das war die Absicht jener Leute: Sie wollten das Land vom Tyrannen befreien, ohne Rücksicht darauf, ohne zu bedenken, was eigentlich nachher weiter geschehen sollte. Soll es eine Republik Österreich geben? – Das haben die wenigsten, glaube ich, vorgehabt. Sie wollten einfach ein anderes System.

Oberst Bernardis hat dazu in einem Vortragsmanuskript – und das sei nur der Ordnung halber und nicht der Vollständigkeit halber angeführt; Vollständiges ist hier heute nicht möglich – ausgeführt, nachzulesen im Militärarchiv des Deutschen Bundesarchivs, der Gegner Deutschlands in seinem Kampf um eine Neuordnung Europas, um die Sicherstellung seines Lebensraumes und der Lebenskräfte seines Volkes sei das Judentum. – Auch das muss hier gesagt werden! Inwieweit das damals zeitgeistig war oder Überzeugung, das lässt sich von mir hier nicht darstellen.

Im Übrigen zur geplanten Ehrung – die Oberösterreicher, insbesondere die Linzer, werden es wissen –: Es gibt ja schon seit dem Jahr 1994 in Linz eine Bernardis-Straße. Also insofern ist schon eine große Verkehrsfläche dem Oberst Bernardis gewidmet. Es ist nicht meine Absicht, den Oberst Bernardis hier heruntermachen, sondern ich will, wie wir alle gemeinsam, ihn sozusagen ein bisschen ausleuchten. Er war ein tüchtiger Offizier, sonst hätte er es nicht zu einer guten Position in der Wehr­macht gebracht.

Es gibt einige Herren, die heute hier erwähnt worden sind, aber es gibt einen, den zu erwähnen mir ein persönliches Anliegen ist. Der wurde noch nicht erwähnt. Er war Offizier und wurde im Jahr 1938 ausgemustert, hat den Polen-Feldzug und den Frankreich-Feldzug mitgemacht und wurde dann auf Grund dessen, dass er Prinz war, aus dem Heer relegiert – das war der so genannte Prinzen-Erlass –, weil man mit jedem gefallenen Prinzen restaurative Begräbnisse befürchtete.


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Dieser Prinz, Wilhelm von Thurn und Taxis, Jahrgang 1919, wäre in allfällige Ehrungen, die auch der Herr Bundesminister vorgesehen hat, mit einzubeziehen. Er hat sehr wohl im Widerstand gewirkt, nur nicht mehr als Soldat. Er – unter anderem er – hat im Jahr 1945 den Sowjets – und Herr Botschafter Steiner nickt zustimmend – einen Einmarsch in Wien ohne weitere Kampfhandlungen ermöglicht. Mir liegt daran, diesen mit mir persönlich befreundeten Willi von Thurn und Taxis in allfällige Ehrungen mit einzubeziehen.

Im Übrigen bin ich dem Herrn Bundesminister Platter für seine Ausführungen sehr dankbar. Ich stimme Ihnen zu, Herr Minister: Es ist dies ein wohlüberlegter Kom­promiss. Dazu, ob jetzt eine Kaserne nach Bernardis benannt wird, die möglicherweise dann einmal nicht mehr Kaserne sein wird, oder aber eine Gedenktafel gemacht wird, wo man weiß, dass Gedenktafeln selten verschwinden, sondern in Österreich dankenswerterweise sehr wohl eine lange Lebensdauer haben, darf ich sagen: Herr Kollege Konecny, seien wir froh, dass wir diese Person mit einer Gedenktafel entsprechend würdigen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.29

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Bieringer. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.30

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Steiner! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass ich das Glück des Spätgeborenen habe und dieses Unrechtsregime nicht persönlich miterleben habe müssen. Ich bin froh darüber, dass Österreich seit nunmehr 59 Jahren in Frieden leben kann und seit 49 Jahren in Freiheit lebt. Ich bin froh darüber, dass es Leute gegeben hat, die unter Einsatz ihres Lebens gegen dieses Unrechtsregime aufgestanden sind. Und ich bin stolz darauf, dass einer jener Männer heute unter uns weilt und auf der Regie­rungsbank Platz genommen hat. Wir alle wissen, was Botschafter Dr. Ludwig Steiner für dieses unser Österreich geleistet und getan hat, und ich glaube, es gebührt Dr. Ludwig Steiner unser uneingeschränkter Respekt und unsere Hochachtung. Und ich sage dir, sehr geehrter Herr Botschafter, ein herzliches und aufrichtiges Danke­schön! (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Dr. Platter hat in ein­drucksvoller Weise erklärt, was er um den 20. Juli 1944 in Erinnerung an das Attentat auf einen gewissen Herrn Hitler getan hat, welche Vorkehrungen er getroffen hat, und insbesondere, welche Initiativen er ergriffen hat. Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass Günther Platter der erste Verteidigungsminister in der Geschichte der Zweiten Republik ist, der dieses Thema offensiv angegangen ist. Auch dafür gebührt Herrn Bundesminister Platter unser herzlicher Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen sowie des Bundesrates Schennach.)

Meine Damen und Herren! Wir haben Bundesminister für Landesverteidigung aller Couleurs gehabt. Wir haben Bundesminister für Landesverteidigung gehabt, die zu diesem Thema ein distanziertes Verhältnis eingenommen haben. Es ist daher hoch an der Zeit, dass Verteidigungsminister Platter diese Maßnahmen gesetzt hat, und ich bin froh darüber, dass er eine Historikerkommission einsetzt, die nicht nur aus Militär­historikern bestehen wird, sondern die einen weiten Bogen umspannen wird, um die Geschichte endlich aufzuarbeiten. Ich bin froh darüber, dass das nunmehr geschieht – und ich gebe dem Kollegen Konecny Recht: viel zu spät geschieht. Aber Konrad Adenauer hat einmal gemeint: Es kann mich niemand daran hindern, dass ich über


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Nacht klüger werde. – Hoffen wir, dass Klüger-Werden auch in Österreich einsetzt und dass dieses leidige Thema, das Thema dieses Unrechtsregimes, durchleuchtet und endlich aufgearbeitet wird.

Und ich gestehe ein, dass es nicht einzelne Personen sind, deren man sich erinnern sollte, sondern es waren viele. Jeder von uns wird einen kennen, der gegen dieses Unrechtsregime aufgetreten ist.

Herr Bundesminister! Ich bin Ihnen auch dankbar dafür, dass Sie erklärt haben, dass unser Herr Bundespräsident mit Ihrer Vorgangsweise einverstanden ist und dass er Ihnen dazu die volle Unterstützung zugesagt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde Ihnen folgenden Vorschlag machen. Bun­desminister Platter hat dankenswerterweise im Heeresgeschichtlichen Museum die Ausstellung „Tyrannenmord – der 20. Juli 1944 und Österreich“ organisieren lassen und hat sie auch selbst eröffnet, und ich würde euch einladen: Setzen wir einen Termin noch vor dem 5. September fest, besuchen wir gemeinsam fraktionsübergreifend diese Ausstellung! Tragen wir dazu bei, ein Thema in unserer Geschichte, das nicht das schönste Thema dieser Republik gewesen ist, gemeinsam aufzuarbeiten! (Allgemeiner Beifall.)

Ich bitte den Herrn Bundesminister auch, in dieser Kommission auch darüber zu reden, dass es auch Opfer unter der zivilen Bevölkerung gegeben hat. Wäre das Attentat am 20. Juli 1944 gelungen, dann hätten nicht nur Millionen deutsche, österreichische Soldaten und auch Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika, aus England und Russland und was weiß ich von wo nicht ihr Leben lassen müssen, sondern auch Millionen Frauen und Kinder in Deutschland und in Österreich, die im Hagel des Bombenterrors umgekommen sind. Auch jener ist dabei zu gedenken, die genauso wie andere gegen dieses Unrechtsregime, jeder in seiner eigenen Art, aufgetreten sind.

Die Geschäftsordnung des Bundesrates sieht vor, dass mit einem Entschließungs­antrag ein Mitglied der Bundesregierung oder die Bundesregierung mit der Vollziehung einer bestimmten Sache beauftragt wird. Ich brauche aber einen exzellent arbeitenden Bundesminister für Landesverteidigung nicht mehr zu beauftragen, wenn er schon lange tätig geworden ist. Für deine Tätigkeit, Herr Bundesminister, in dieser Angele­genheit danke ich dir im Namen der ÖVP-Bundesratsfraktion. Wir sind der Meinung, dass der Entschließungsantrag nicht mehr beschlossen werden muss, weil der Herr Bundesminister bereits tätig geworden ist, und ich möchte mich für dieses Tätigwerden noch einmal sehr herzlich bedanken. Wir werden daher diesen Entschließungsantrag nicht unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.37

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 51

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kolle­ginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Benennung einer Einrichtung des Bundesheeres nach Oberstleutnant Robert Bernardis vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, falls auch der Herr Kollege Schennach aufgezeigt hat. (Heiterkeit.) Der Antrag ist ange­nommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und die Europawahlordnung geändert werden (447 d.B. und 565 d.B. sowie 7089/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich bitte sie um ihren Bericht.

 


Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungs­gerichts­hofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und die Europawahlordnung geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich kann daher auf seine Verlesung verzichten und darf sogleich den Antrag vorbringen:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Dr. Böhm das Wort.

 


11.40

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Be­schwerden an den Verwaltungsgerichtshof und an den Verfassungsgerichtshof sind bis heute gebührenpflichtig. Das mag aus rechtspolitischer Sicht – die heute allerdings nicht zur Debatte steht – durchaus fragwürdig sein, sollte doch einerseits der rechts­staatlich gebotene Zugang zu Gericht – hier: die Eröffnung der nachprüfenden Kon­trolle der Verwaltung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts auf Antrag des Bürgers – nicht auf finanzielle Hürden stoßen oder gar an ihnen scheitern.

Gewiss darf auch andererseits der offenkundig aussichtslosen oder gar mutwilligen Inanspruchnahme der Rechtsschutzeinrichtungen nicht kostenmäßig sanktionslos Tür und Tor geöffnet werden. Insofern erscheint der in den Gebühren zum Ausdruck kom­mende Selbstbehalt durchaus gerechtfertigt, sofern nicht der Erfolg der Beschwerde den Anspruch des erfolgreichen Beschwerdeführers – also des betroffenen Bürgers –


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 52

gegenüber der belangten Behörde beziehungsweise dem Rechtsträger, dem sie zuzu­rechnen ist, auslöst.

Aber zurück zum vorliegenden Regelungsgegenstand. Ursprünglich war die Eingaben­gebühr gemäß dem Verwaltungsgerichtshofgesetz und dem Verfassungsgerichtshof­gesetz mittels Stempelmarken auf der Eingabe zu entrichten. Inzwischen wurde diese bürokratische Form der Vergebührung beseitigt. An der grundsätzlichen Gebühren­pflichtigkeit der Beschwerden hat sich, wie gesagt, aber bis heute nichts geändert, daher war der Nachweis der Entrichtung der Gebühren seither nur noch mittels eines postamtlich bestätigten Erlagscheins zu erbringen.

Diese umständliche und nicht dem heutigen technischen Standard entsprechende Art der Einzahlung soll mit der vorliegenden Novelle reformiert werden. Sie zielt darauf ab, die Möglichkeiten der Gebührenentrichtung auf die bereits heute in Gerichtsverfahren bestehenden technischen Formen und damit zugleich auf die damit verbundenen Arten des Nachweises für die Entrichtung der Eingabengebühren zu erweitern. – Darauf hat zu Recht die Standesvertretung der Rechtsanwälte gedrungen, denn jede Verzöge­rung, die mit der realen Einzahlung auf einem Postamt verbunden ist, verkürzt im Er­gebnis auch die Frist des rechtssuchenden Bürgers. Da er in aller Regel auf pro­fessionelle – das heißt grundsätzlich anwaltliche – Vertreter angewiesen ist, geht jede Erschwerung ihres Agierens zwangsläufig auch zu seinen Lasten.

Alles in allem – das heißt im Sinne der allgemeinen Verwaltungsreform –: eine Entlas­tung der rechtsberatenden Akteure und damit zugleich ein verbesserter Rechtsschutz für die Bürger. Meine Fraktion wird daher dieser Neuregelung gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.43

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird auch kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz zur Änderung des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern (401/A und 608 d.B. sowie 7090/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. – Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Werner Stadler: Bericht des Kulturausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz zur Änderung des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung:


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 53

Der Kulturausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Professor Hösele. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.45

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute einstimmig die Befristung des Buchpreisbindungsgesetzes ersatz­los aufheben. Es ist dies ein gemeinsames Bekenntnis zum Kultur- und Literaturland Österreich.

Bei seiner Erlassung wurde das Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern auf fünf Jahre – bis zum 30. Juni 2005 – befristet. Das Buchpreisbindungsgesetz konnte den Zielen der Aufrechterhaltung der Vielfalt der Buchpublikationen und der Vielfalt von Verlagen und Buchhandlungen gerecht werden. Das österreichische Gesetz, das ja durch die EU notwendig geworden war, ist inzwischen auch Vorbild für andere Staaten, insbesondere auch für Deutschland geworden. Auch hat das Europäische Parlament eine gesetzliche Regelung der Preisbindung bei Büchern positiv beurteilt; dennoch ist keine Richtlinie der EU-Kommission in diesem Zusammenhang zu erwarten. Daher ist der heutige Beschluss notwendig, wichtig und gut.

Bücher sind nämlich keine herkömmliche Handelsware, sondern ein Kulturgut, das es zu schützen gilt und für das gesonderte Regelungen notwendig sind. Überall in Österreich, und natürlich auch im Süden Österreichs, gibt es Verlage, die besondere Visitenkarten sind und die besonders zu schützen sind. Ich darf zwei aus dem Süden Österreichs hervorheben: den Droschl Verlag in Graz und den Wieser Verlag in Klagenfurt – mit der Serie „Europa erzählt“ den meisten von uns bestens bekannt und im Vorjahr auch für dieses Haus tätig, als wir anlässlich der Unterzeichnung der Beitrittsverträge im April in diesem Haus das Buch „Von der Donaumonarchie zum vereinten Europa“ vorstellen konnten, wobei wir das Wirken jener Abgeordneten aus diesen nachfolgenden Staaten des vereinten Europa, die im Reichsrat tätig waren, von Masaryk bis Cesare Battisti, würdigen konnten.

Graz galt zu Recht Jahrzehnte hindurch als die heimliche Hauptstadt der deutschsprachigen Literatur – die Namen sind alle bekannt, von Alfred Kolleritsch über Barbara Frischmuth, Gerhard Roth, Wolfgang Bauer, Werner Schwab bis hin zu Peter Handke; die „Manuskripte“ sind eine jener Publikationsplattformen, jetzt ist es der Droschl Verlag. – Also ein klares Ja und ein wichtiges Bekenntnis zu den heimischen Verlagen.

So wichtig die heimischen Verlage sind, so wichtig sind auch Buchhandlungen. Buch­handlungen sind für die meisten Menschen eine Quelle und Tankstelle des Geistes und eine Oase der Inspiration, sie sind eigentlich auch geistige und kulturelle Nahversorger. Und für sie ist die Buchpreisbindung auch besonders wichtig. Es gibt in allen Bundesländern diese Buchhandlungen, die auch einen entsprechenden Namen haben, die weithin geachtet sind und die sozusagen auch ein geistig-kulturelles Zentrum darstellen. Eine jener Buchhandlungen befindet sich in Gleisdorf in der Steier­mark, das ist die Buchhandlung Plautz.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch zwei politischen Persönlichkeiten danken, die sich um dieses Gesetz, aber auch insgesamt um die Gesamtatmosphäre besonders angenommen haben: Das sind einerseits der Herr Staatssekretär und auf der anderen


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 54

Seite meine Nationalratskollegin Andrea Wolfmayr, die aus vielfacher Betroffenheit weiß, wie wichtig die Buchpreisbindung ist – erstens als Autorin und Literatin, zweitens durch ihre persönlichen Verbindungen zu jenen Buchhandlungen und drittens, gerade weil ich Gleisdorf angesprochen habe: Der Herr Staatssekretär hat zeichenhaft dort alljährlich die Verleihung des Kinderliteraturpreises vorgenommen und nimmt diese weiter vor, was ich sehr dankenswert finde.

In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend ein Wort Peter Handkes zitieren – es war, glaube ich, sein Schlusswort, als er an der Universität Klagenfurt eine Ehrung erhalten hat –: „Der Mensch lebt von Brot und Büchern.“ – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Weilharter und Dr. Lichtenecker.)

11.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.49

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja fast schwierig, nach diesem nahezu pathetischen Schlusswort zu diesem Thema noch etwas zu sagen. Ich komme allerdings nicht ganz umhin, hier doch auch eine andere Seite der Medaille, was den Buchhandel betrifft, auszuleuchten.

Es ist ganz richtig, auch unsere Fraktion bekennt sich zu dieser Buchpreisbindung, wir halten das für sehr erfreulich. Aber was steht den Buchhandlungen, von denen es erfreulicherweise gerade in Wien noch so viele kleine und kleinste gibt – ich möchte diese eigentlich als kulturelle Nahversorger bezeichnen –, wirklich ins Haus? – Viele von ihnen haben jetzt schon einen Leidensweg hinter sich, denn wir haben einerseits jetzt dieses legistische Werk vor uns, andererseits existieren aber auch die Bestimmungen, die rund um den Bundesbeschaffungsbereich gebildet wurden.

Da schaut es leider so aus, dass auf Kosten von kleinen und kleinsten Handel­sunternehmen im Buchbereich quasi einige Große den längeren Atem haben. Dieser Leidensweg stellt sich dar – ich habe mir das mitgenommen – anhand einer vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels eingebrachten Klage nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Sie wissen, da geht es darum, dass Große meist ein so genanntes Kombi-Angebot legen. Es ist ja nur ein Teil von der Buch­preisbindung erfasst; nicht erfasst sind zum Beispiel fremdsprachige Bücher, aber auch Zeitschriften, Fachzeitschriften und dergleichen mehr, und da haben natürlich die ganz Großen in diesem Bereich ganz andere kalkulatorische Möglichkeiten bei der Erstel­lung eines Angebots.

Im Herbst 2003 hat der Hauptverband zuerst versucht, mit dem Bundesbeschaffungs­wesen, mit der Bundesbeschaffung Gesellschaft eine Ausschreibungsveröffentlichung für Fachliteratur anders zu gestalten, es hat entsprechende Nachprüfungsanträge gegeben. Das hat alles nichts daran geändert. Am 15. Dezember 2003 hat es dann eine Angebotseröffnung gegeben. Es gab vier Angebote, die nach Ansicht des Hauptverbandes dem Gesetz über die Preisbindung bei Büchern nicht entsprochen haben. Am 18. Dezember 2003 gab die Bundesbeschaffung Gesellschaft schließlich den Zuschlag an die Firma Morawa bekannt.

Dann erfolgte die Einbringung der Klage, und es wird damit gerechnet, dass es im Herbst zu einer Entscheidung kommt. Ich muss in diesem Zusammenhang auch positiv anmerken, dass diesbezüglich auch ein Einvernehmen oder zumindest eine, glaube ich, ganz gute Gesprächsbasis dieses Verbandes mit Ihnen, Herr Staatssekretär, be­standen hat. Aber was ich eigentlich damit sagen will, ist: Wir müssen uns wirklich


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 55

darauf besinnen, dass es in diesem Land und europaweit eine Liberalisierung hintan­zuhalten gilt, die quasi die Kleinen, unsere kulturellen Nahversorger, unsere kleinen Buchhändler auffrisst, denn diese stehen mit ihren Möglichkeiten hintenan. Wenn man bedenkt, dass einer der größten Buchhändler sich in den letzten Jahren durch eine Insolvenz quasi entschuldet hat, und sich all das vor Augen hält, was vorher wirt­schaftlich – ich sage das jetzt unter Anführungszeichen – „verbrochen“ wurde – es hat ja dieses große Unternehmen vielen kleinen Unternehmen die wirtschaftliche Existenz gekostet –, dann kann man es nicht gutheißen, dass das jetzt munter so weitergeht. Es wird dort dann alles vermischt, das fängt beim Anbieten von unter­preisigen Schulartikeln an und geht dann weiter bis hin zu irgendwelchen Angeboten, bei denen Waren als Mängelexemplare bezeichnet werden, und dergleichen mehr.

Ich glaube, hier wird es ganz wichtig sein, Wettbewerbsregeln zu schaffen, die das Überleben und eine gesunde Existenz des Buchhandels nachhaltig sichern. In diesem Sinne bitte ich auch Sie, Herr Staatssekretär, diese Überlegungen bei Ihrer weiteren Tätigkeit einfließen zu lassen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.54

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.54

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Das vorliegende Bundesgesetz über die Preisbindung von Büchern – das wurde heute schon gesagt und ist auch dem Bericht zu entnehmen – war ein zeitlich auf fünf Jahre begrenztes Gesetz und würde am 30. Juni 2005, also im nächsten Jahr, auslaufen.

Ich finde es richtig und gut, dass diese zeitliche Bindung aufgehoben wird und dass das Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern quasi in ein unbegrenztes Ge­setz übernommen wird.

Meine Damen und Herren! Wir haben mit dem vorliegenden Gesetz nicht nur Erfah­rungen, positive Erfahrungen gesammelt, ich meine sogar, eine der besten Erfah­rungen gemacht: Die Büchervielfalt wurde weiterhin gewährleistet, die Verlagsvielfalt war auch gesichert und blieb aufrecht, und die Buchhandlungsvielfalt, die ja eine wesentliche Rolle spielt, war auch weiterhin gesichert und gegeben.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus hat das Bundesgesetz über die Preis­bindung bei Büchern großes Lob und große Akzeptanz nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene eingebracht – Sie kennen die Position der Europäischen Gemeinschaft –, oder man könnte es auch anders ausdrücken: Das vorliegende Bundesgesetz ist eine nationalstaatliche Regelung mit großer inter­nationaler Akzeptanz und Anerkennung. Wenngleich – das sollte man auch anmer­ken – Europa beziehungsweise die Europäische Union vielleicht noch nicht so weit ist, einer derartigen Regelung zu folgen, wurde dieses Gesetz doch grundsätzlich als positiv registriert und anerkannt.

Man sollte als Österreicher auch mit Stolz erwähnen, dass dieses Gesetz vielleicht auch ein so genanntes Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland ist, die eine ähnliche Regelung hat wie wir, wobei wir vielleicht mit unserer Regelung Vorbild waren.

Meine Damen und Herren! Man sollte in dieser Stunde auch Dank und Anerkennung den gesetzgebenden Körperschaften ebenso wie der Bundesregierung aussprechen, denn mit diesem Gesetz ist, glaube ich, auch eine wichtige kulturpolitische Leistung


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 56

erbracht und eine wichtige kulturpolitische Entscheidung getroffen worden. (Beifall bei der ÖVP.)

11.56

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.56

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Im Grunde könnten wir mit dieser Debatte jetzt nahtlos an der Mediendebatte anschließen, denn auch das Gesetz über die Preisbindung bei Büchern, das wir hier praktisch unbefristet verlängern, garantiert die Vielfalt. Es garantiert die Möglichkeiten für kleine Verlage, für Qualitätsverlage, für Nischen­verlage, sodass nicht einige wenige Große mit einem absoluten Preisdumping bestim­men, was wir zu lesen haben. Manchmal hat man ja das Gefühl, dass der Buchhandel schon in die Tankstellen beziehungsweise in manche Tabaktrafiken und so weiter übersiedelt ist. Man sieht, welch eingeschränktes, wenn ich das unter Anführungs­zeichen so sagen darf, „Literaturangebot“ dort vorherrscht. Wenn das nur mehr dem Mainstream, dem alleinigen Markt der Großen überlassen wäre, wären wir ein kulturell auch im Buchsektor ausgedörrtes Land. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Gesetz ein Schutzgesetz ist: Es schützt, und es bedeutet die Vielfalt.

Die Frage ist natürlich, ob eine Bundesbeschaffungsagentur, die Sie im Bereich der Beschaffungen des Bundes einziehen, nicht vielleicht dem Gesamtgedanken der Buchpreisbindung, nämlich möglichst eine Vielfalt zu schaffen, ein bisschen entge­genwirkt. Es wird dadurch natürlich die Anschaffung zentralisiert. Ob das sinnvoll ist, mag ich nicht beurteilen; ich möchte nur so viel anmerken: dass es der Buchpreis­bindung an sich, eben dem Gedanken, etwas nicht zu zentralisieren, nicht zu kanalisie­ren, zuwiderläuft. Es ist dies eine Tendenz in der Kulturpolitik generell, wo wir gerade die regionale Vielfalt pflegen, hegen und auch stützen müssen, damit nicht nur ein Kulturfeudalismus Platz greift und viele daneben einfach verdörren, weil auch die Mittel und Möglichkeiten im Mainstream dahinrasen.

Es ist schön, dass es zu diesem Vier-Parteien-Antrag gekommen ist, dass dieses Damoklesschwert, das über so vielen Verlagen gehangen ist, was vieles an Verun­sicherung gebracht hat, jetzt endlich einmal weg ist. Es bedeutet auch eine Chance für den Buchhandel, nicht nur für die Buchhandels-Ketten, sondern auch für den klein­räumigen Buchhandel, dass es auch künftig ein breites, interessantes und spannendes Sortiment gibt, und eine Chance für die österreichischen Verlage schlechthin: Ohne eine Buchpreisbindung wäre es wahrscheinlich auch im österreichischen Verlags­wesen eher sehr, sehr dünn geworden.

In diesem Sinne freue ich mich, dass dieses Gesetz kommt, das wir gerne unter­stützen. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Weilharter.)

11.59

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Morak das Wort. – Bitte.

 


12.00

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Es ist im Grunde alles zu diesem Gesetz gesagt. Ich möchte aber trotzdem noch ein paar Worte hinzufügen, einfach deswegen, weil es für einen, der Gesetze für den Gesetz­geber, für das Parlament und den Bundesrat vorbereitet, immer ein Erfolgserlebnis ist, wenn man hier Einstimmigkeit erzielt. Noch dazu – das muss man auch sagen, Kollege


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 57

Schennach hat mich hier durchschaut – ist es natürlich ein Mediengesetz. Es betrifft das Medium Buch, und es betrifft – natürlich nicht in dem Umfang, wie das hier erwähnt wurde, sondern nur indirekt – die Verlage. Es betrifft die Verkäufer! (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Österreich ist hier in einer sehr guten Position. Wir haben Gott sei Dank – anders als in anderen Ländern – mehr Distributionsstellen von Büchern in kleinen Gemeinden, als das sonst im Rest Europas der Fall ist, und dieses Gesetz ist im Grunde dazu gemacht, das auch genau so zu belassen.

Es wurden alle betroffenen Stellen damit befasst, ihre Meinung wurde eingeholt und in das Gesetz eingearbeitet. Ich glaube, dass wir, ein Jahr bevor diese Fünfjahresfrist abläuft, den Buchhändlern eine Sicherheit geben, und wir tun gut daran.

Das Gesetz hat einige Bewährungsproben bestanden, so etwa bei der EU: Es wurde vom Europäischen Parlament gelobt. Des Weiteren wurden vom VfGH die Anträge, die dort eingebracht wurden, als unzulässig zurückgewiesen. Damit ist das Buchpreis­bindungsgesetz aus rechtlicher Sicht abgesegnet. Ich glaube, wir tun gut daran, diese Tendenz aufzunehmen, die ich jetzt in den Redebeiträgen gehört habe, nämlich dass es hier, wie auch im Nationalrat, auf die Einstimmigkeit zugeht.

Für wichtig erachte ich auch die Anmerkungen, die dazu gemacht wurden, wie die Bundesbeschaffungsbehörde mit dem Buchpreisbindungsgesetz umgeht. Ich habe mich darüber kundig gemacht. In den Ausschreibungen wurde nachdrücklich und aus­drücklich auf die Einhaltung des Buchpreisbindungsgesetzes hingewiesen, es wurde dies logischerweise auch verlangt. Zu den ausschlaggebenden Kriterien gehörte nicht nur der Preis, sondern auch das Service, das mitgeliefert wurde. Es war dies daher ein Gesamtpaket aus Preis und Service.

Es gibt im Buchpreisbindungsgesetz selbstverständlich gewisse Ausnahmen der Rabattierung. Ich verweise nur darauf, dass Titel, die 24 Monate lang auf dem Markt sind, davon ausgenommen sind oder dass Buchhändler, die einen grenzüberschreiten­den Einkauf machen, diese Vorteile natürlich auch weitergeben dürfen.

Ich möchte etwas eingrenzen, damit wir die Diskussion dort lassen, wo sie hingehört, nämlich im sachlichen Bereich. Unabhängig davon betrifft die Ausschreibung weniger als 0,3 Prozent des gesamten Buchmarktes in Österreich. Von einer Beeinträchtigung in dem Ausmaß, wie es hier manchmal befürchtet worden ist, ist daher nicht zu sprechen.

Obwohl das Haus nicht ganz so voll ist, wie ich es bei dieser wichtigen Gesetzgebung wünschen würde: Danke für die Einstimmigkeit, danke für dieses Gesetz! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.03

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte.

 


12.03

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Es gibt Anliegen, da glaubt man manchmal, das wird sich zu einer unend­lichen Geschichte entfalten. Hier hat man zuerst auch gedacht, es wird dies jahre­langer Diskussion bedürfen. Das war zwar auf der einen Seite der Fall, aber auf der anderen Seite glaube ich, man hat schließlich doch ein Anliegen aufgegriffen, das den Buchhändlern und Buchhändlerinnen wichtig ist. Ich glaube, es ist auch sehr wichtig, dass vom Herrn Staatssekretär gerade gesagt worden ist – und ich rede da auch als einer, der fünfzehn Jahre einen Verlag, einen Kleinverlag aufgebaut und geleitet hat –, dass es hier natürlich um die Buchhändler geht!


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Ich möchte dafür herzlich danken. Vor allem möchte ich hier noch den einen oder anderen Namen hinzufügen, bei dem man sich auch zu bedanken hat, weil die Geschichte manchmal so kurzlebig ist: Kommerzialrat Bernhard Weis, ein Salzburger Buchhändler, hat sich durch Jahre hindurch sehr verdient gemacht, und ihm möchte ich hier danken. Auf der anderen Seite danke ich für diese Gesetzwerdung auch der Österreichischen Wirtschaftskammer, nämlich Herrn Dr. Hanreich und Frau Mag. Ser­schön. Denn diese Persönlichkeiten haben zu dieser Gesetzesentstehung sehr vieles beigetragen.

Ein zweiter Punkt: Ich glaube, es wird hier sehr richtig gesehen, dass man dazwischen unterscheiden muss, ob etwas rein eine Wirtschaftsware ist oder ob es ein Kulturgut ist. Auf der anderen Seite wird sehr wohl auch gesehen, dass Lesen an sich zu den grundsätzlichen Kulturtechniken – so sagen wir immer dazu – gehört. Wenn man der PISA-Studie folgen will, dann sind wir hier, glaube ich, nicht unbedingt im vordersten Feld und können sehen, dass zum Beispiel die Finnen weit, weit vorne sind. Wenn ich daran denke, dass in Finnland angeblich 80 Prozent aller sich wenigstens einmal ein Buch entweder ausborgen oder beschaffen – da sind wir ein bisschen weit hinten.

Ein weiterer Punkt: Ich glaube, es wird auch gesehen und anerkannt, dass es hier richtig war, dass sich die Politik ein Stück in eine Preispolitik einmischt. Es wird nämlich auch vom Europaparlament klar und deutlich gesagt, dass dies wichtig ist für die Existenzsicherung insbesondere der Kleinen, aber ich sage jetzt: der kleinen Buch­händler! – Zu den Verlagen möchte ich dann noch in aller Kürze etwas sagen, was uns vielleicht nachdenklich stimmen sollte.

Wenn wir uns Schweden anschauen: Dort wurde die Buchpreisbindung 1970 abge­schafft, und das hat massive Folgen nach sich gezogen. Es sind wirklich viele Buchhandlungen eingegangen, es ist zu einer starken Konzentration der großen Ver­lage gekommen, und ein sich ständig verstärkendes Angebot der marktgängigen Titel war festzustellen.

In Großbritannien erfolgte 1995 die Aufhebung, und es hat sich dann gezeigt, dass die wirklich guten Fachtitel letztlich die Bestseller subventioniert haben. Warum? – Die Bestseller wurden von den großen Märkten und den Großhändlern um sehr günstige Konditionen aufgekauft, ich darf hier sagen, um Konditionen zwischen 30 und 50 Pro­zent. Was das für einen Verlag heißt, der letztlich – das möchte ich hier, bitte, aus der Sicht eines kleinen Verlages schon sagen – das Risiko zu tragen hat, ist etwas, was einem zu denken geben muss!

In Frankreich – das ist auch recht interessant – ist man 1981 zurückgekehrt zur Preisbindung, was Bücher betrifft, zumindest so weit, dass man gesagt hat: Zwei Jahre lang nach der Erstveröffentlichung muss das bestehen. Nachher wird das, glaube ich, freigegeben.

Warum habe ich gesagt, dass ich hier noch etwas zu den Verlagen sagen möchte? – Das ist mir wichtig, auch was die Bundesbeschaffungsgesellschaft betrifft. Da bin ich sehr dankbar dafür, dass der Herr Staatssekretär gesagt hat, dass man ohnehin sehr danach trachtet, darauf zu achten. Aber gerade auch als Ländervertreter stelle ich das nicht nur bei den Büchern fest, sondern es geht zum Beispiel auch um Möbel. Wir haben bei uns, muss ich sagen, ab und zu auch innerhalb unserer Abgeordneten die eine oder andere Diskussion darüber, ob nicht bei manchen Waren die Länder und die kleineren Händler, die nicht so sehr im Blick sind und nicht die großen Distributionen haben, zu kurz kommen.

Da möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wenn man bei den Büchern einen Groß­händler beauftragt, ist es dann so, dass dieser versucht, sich von den Verlagen alles Mögliche herunterzuholen. Das möchte ich hier einmal ganz klarstellen! Mir würde es


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eigentlich besser gefallen, dass, wenn es so eine zentrale Stelle gibt, diese ganz bewusst bei diesen Waren, die ein Kulturgut sind – selbstverständlich in einer gewis­sen Rotation, da der Buchpreis ohnehin überall gleich ist –, die unterschiedlichen Buch­händler einlädt.

Denn die Großhändler – einer wurde hier erwähnt, aber es gibt auch viele andere in Österreich – sind in dieser Frage nicht in erster Linie Buchhändler in dem Sinn, son­dern sie sind Verteiler. Das heißt, sie haben auch andere Verlage im Programm, und da schaut dann das Nachlassen von Prozenten ein bisschen anders aus. Wenn ich als Verlag einem Großhändler etwas weitergebe, dann kann es schon sein, dass ich bis zu 50 Prozent „die Hose herunterlassen“ muss. Warum? – Weil ein Nachlass zwischen 25 und 35 Prozent an den Buchhändler zu geben ist, beim Großhändler ist es noch mehr, und wenn es dann „11 auf 10“ oder „22 auf 20“ heißt, sodass man ein oder zwei Bücher gratis dazubekommt, dann sind wir bald auf 50 Prozent!

Deshalb möchte ich darum bitten, dass man, wenn es um das Medium Buch geht, sehr wohl auch sieht, wer das größte Risiko trägt! Denn einen Punkt möchte ich hier eben­falls erwähnen, obwohl ich wirklich glücklich bin, dass es dieses Gesetz gibt, es ist großartig, nur möchte ich darauf hinweisen, dass gerade bei fachspezifischen Büchern und bei Büchern, die in einer kleinen Auflage erscheinen, nicht immer unbedingt der Buchhändler das Risiko trägt, sondern vor allem der Verlag. Warum? – Weil es mit einem Rückgaberecht verbunden ist!

Ich mache sehr viele Bücher – das heißt, meine Frau macht das zurzeit –, und wenn wir Bücher in die Buchhandlung bringen, müssen wir erstens schon einmal dankbar sein, wenn sie nicht in der Schublade verschwinden oder unsere eigenen Kunden uns nicht erklären, dass der Buchhändler A gesagt hat: Das Buch gibt es nicht! Zweitens müssen wir auch sehr dankbar sein, wenn wir die Bücher nicht – vielleicht manchmal auch ein bisschen beschädigt – wieder zurückbekommen.

Deshalb sage ich: Das Gesetz ist großartig, es ist wichtig für das Kulturgut. Nur bitte ich – weil das heute ab und zu angesprochen worden ist –, nicht die Verleger und insbesondere die kleinen Verlage zu übersehen! Denn die sind es oft, die die spezifi­schen Anliegen des lokalen Umfeldes berücksichtigen, gerade im Blickwinkel von Kultur und Kunst.

Ich möchte aber abschließend hier auch nicht verschweigen, dass ich sehr dankbar dafür bin, dass auf unterschiedlichsten Ebenen, ob das auf Landes- oder Bundesebene ist, für die Verlagsprojekte der kleinen Verleger immer auch ein offenes Ohr gefunden wird, sodass wir Subventionen bekommen. Nur muss es bei so einem Produkt zu einem gewissen Teil, gerade wenn es um eine Preisbindung geht, auch um selbst­ständiges Erhalten gehen.

Ich möchte also darauf hinweisen, dass ich es sehr begrüße, dass es dieses Gesetz gibt, dass es aber in erster Linie abzielt auf den Käufer gegenüber dem Buchhändler, sodass ich glaube, dass man da oder dort auch die Verleger und insbesondere die kleineren Verleger noch ein bisschen stärker berücksichtigen sollte. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Schennach.)

12.12

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


12.12

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Gospod drzavni sekretar! Gospa drzavna sekretarka! Nach so vielen positiven Worten über diese Änderung des Gesetzes alles


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noch einmal zu wiederholen ist, glaube ich, nicht notwendig. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden dieser Änderung selbstverständlich zustimmen, und zwar aus folgenden Gründen: weil es für uns eine wichtige und positive Bildungs­maßnahme ist, weil die EU eine gesetzliche Regelung der Preisbindung für Bücher positiv beurteilt hat, weil das österreichische Buchpreisbindungsgesetz zwischen­zeitlich auch Vorbild für andere Staaten geworden ist – Kollege Hösele hat Deutsch­land schon erwähnt, und Deutschland ist bei der Buchpreisbindung unser wichtigster Verbündeter in der EU – und weil sich das Gesetz ganz einfach bewährt hat.

Mit der Buchpreisbindung wird dafür gesorgt, dass die Zahl der Publikationen nicht sinkt und die kulturelle Vielfalt erhalten bleibt, weil man dadurch die Existenz einer Vielzahl von unabhängigen kleinen Verlagen und Buchhandlungen sichert und dadurch ein dichtes Netz von Buchhandlungen ermöglicht.

Ich möchte noch einmal auf den Kritikpunkt von Kollegen Schimböck hinweisen, dass Bücher, Zeitschriften und Zeitungen nicht wie bisher dezentral bei verschiedenen Händ­lern, sondern zentral für alle Bundesstellen bei einem Großhändler, dem Best­bieter mit dem höchsten Rabatt, angeschafft werden sollen. Das ist ein Kritikpunkt, den ich auch aufzeigen will.

Dass das Lesen von Büchern stark gefördert werden sollte, ist uns allen, glaube ich, klar und auch bewusst. In den bisherigen Reden hat man schon gehört, dass ein Buch nicht nur einen kulturellen Wert hat, sondern auch eine Handelsware ist. Wenn ich von einer Handelsware rede, dann meine ich, dass ein Buch ein Wirtschaftsgut und ein kulturelles Gut ist. Wenn ich von einem Wirtschaftsgut rede, dann meine ich das Erhalten und Schaffen von Arbeitsplätzen. Sie verkörpern Meinungsfreiheit sowie die Freiheit der Lehre und der Forschung. Verleger und Buchhändler sind nicht nur Unternehmer, sondern auch Kulturvermittler. Deshalb gehören literarische Produk­tionen besonders gefördert und besonders geschützt.

Wie schon am Anfang erwähnt, werden wir Sozialdemokraten und Sozialdemo­kratin­nen selbstverständlich zustimmen. Es freut mich besonders, dass dieser Antrag heute von allen Fraktionen mitgetragen wird, denn dieses Gesetz stellt ein bewährtes Instru­ment dar, welches den kulturellen Besonderheiten des Buches Rechnung trägt.

Nun folgt die kurze slowenische Zusammenfassung. (Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.16

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­ver-


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siche­rungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungs­gesetz 2004 – SRÄG 2004) (434/A sowie 7091/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. John Gudenus: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Dies ist der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Gesund­heits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bitte.

 


12.18

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das heute hier vorliegende Gesetz behandelt aus dem Bereich der Krankenversicherungen im Wesentlichen drei Themen: Es geht um die Sanierung der Sozialversicherungen der Bauern, um die so genannte Chefarztpflicht-Neu und quasi um die Vergangenheitsbewältigung, was den Aus­gleichsfonds betrifft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal – und das haben wir heute schon einmal gehabt – wurde ein Gesetz quasi in einem Husch-Pfusch-Verfahren, vorbei an dem zuständigen Ausschuss im Nationalrat, ohne Beratung und ohne Begutachtung, mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedet. Dies ist meiner Meinung nach eine völlig undemokratische Vorgangsweise. So schaut das Gesetz auch aus, etwas Besseres konnte bei dieser Vorgangsweise sicher nicht herauskommen.

Beginnen wir mit der Chefarztpflicht. Eines ist völlig klar: Den Wegfall der Chefarzt­pflicht, wie er großmundig angekündigt wurde, gibt es nicht! Es wird eine indikations­bedingte, ohne Chefarzt zu verschreibende Medikation geben, die allerdings mit einer Dokumentation zu versehen ist. Wie die ausschauen soll, weiß zurzeit niemand. Irgendwann einmal wird eine Verordnung erlassen werden, und der Hauptverband wird Richtlinien erstellen. Es wird also ein Gesetz beschlossen, dessen konkrete Ausfüh­rung völlig nebulos ist. Außerdem bleibt die Chefarztpflicht bestehen für die restlichen Medikamente, die nicht indikationsbedingt sind, und das trifft für einen großen Teil der Medikamente zu. Das Versprechen, die Chefarztpflicht abzuschaffen, wurde also über­haupt nicht erfüllt!

Punkt zwei, die Sanierung der Bauernkasse: Es ist wirklich erstaunlich, wie eilig es die ÖVP-Fraktion bei der Sanierung der Bauernkrankenkasse hatte. Das Schicksal der Gebietskrankenkasse ist für sie offensichtlich nicht so dringend. Für die Sozial­ver­sicherung der Bauern werden 20 Millionen € aus dem Ausgleichsfonds abgezweigt und somit quasi den Gebietskrankenkassen weggenommen. Damit werden zirka 24 Pro­zent der so genannten Tabaksteuermittel für nicht einmal 5 Prozent der Versicherten umgeleitet. Das ist meiner Meinung nach nicht nur nicht gerecht, sondern ein wirklich besonders schlimmes Beispiel für Klientelpolitik!


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95 Prozent der Versicherten werden im Regen stehen gelassen, weil es keine derartige Finanzierungsmöglichkeit gibt, und eine Vorsorge für die Zukunft wurde hiemit natürlich auch nicht getroffen. Besonders bemerkenswert finde ich die Tatsache, dass die Regie­rungsparteien bei der Krankenversicherung der Bauern offensichtlich kein Prob­lem damit haben, die Beitragsgrundlagen zu verbreitern und den Beitragssatz von 5,9 auf 6,8 Prozent anzuheben. In der Diskussion um die Gebietskrankenkassen hingegen werden sämtliche Denkansätze in diese Richtung immer reflexartig abgelehnt und quasi als sozialistische Steinzeitmethoden verteufelt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die haben schon einen höheren Prozentsatz!) In der Diskussion pro futuro!

Auch hieran ist deutlich zu sehen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird: Im Gegen­zug gibt es eine Senkung der Mindestbeitragsgrundlage. Und wem kommt die zugute? Dem kleinen Bauern, sehr geehrte Damen und Herren, bestimmt nicht! Sie stellt nur eine Verbesserung für die Großbauern dar, die bei ihrer Einkommensteuererklärung alles absetzen, dadurch kein oder nur ein geringes versteuerbares Einkommen auf­weisen und daher künftig noch geringere Sozialversicherungsbeiträge werden zahlen müssen.

Der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch ein Detail am Rande erwähnen, ein­fach weil daran deutlich wird, wie immer wieder wichtige Gesetze beschlossen werden, ohne auf Details und gerechtfertigte sachliche Kritik einzugehen. In der Debatte um die Hinterbliebenenpension – Sie erinnern sich sicher, die ist jetzt ungefähr einen Monat her – habe nicht nur ich hier im Bundesrat darauf hingewiesen, dass es den Hinter­bliebenen unmöglich sein wird, alle Beitragsnachweise in der geforderten Form beizu­bringen. Natürlich hat es darauf keine Reaktion gegeben. Jetzt wird das erfreulicher­weise geändert. Man hätte das allerdings gleich in das diesbezügliche Gesetz einfließen lassen können. – Ich stelle fest: Sachliche Argumentation wird nicht zur Kenntnis genommen. Die Folge davon ist ein ewiges Reparieren gerade erst erlas­sener Gesetze.

Ein Wort noch zum Ausgleichsfonds: Auch bei dieser Lösung wird wieder nur Ver­gangenheitsbewältigung betrieben. Die Finanzprobleme der Krankenkassen wer­den mit dieser Vereinbarung sicherlich nicht gelöst werden können. Bereits im Jahre 2006 wird österreichweit ein Minus von 660 Millionen € entstehen. Darauf wird einfach nicht reagiert, und das ist meiner Meinung nach fahrlässig. Zudem hat das Ministerium nur mit den liquiden Kassen über die Rückführung der Darlehen zur Aufbesserung von deren Rücklagen verhandelt. Mit den Kassen mit negativen Rücklagen und großen Liquiditätsschwierigkeiten, die ja auch davon betroffen sind, wurde nicht gesprochen.

Also: Durch den vorliegenden Schnellschuss wird zwar die Rückabwicklung der verfassungswidrigen Darlehen der Vergangenheit geregelt, aber es erfolgt nicht die nach dem Verfassungsgerichtshoferkenntnis notwendige Neuregelung des Ausgleichs­fonds für die Zukunft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde das wirklich bedauerlich: Alle größeren Reformen der ÖVP/FPÖ-Koalition in der Gesundheitspolitik endeten bisher im Chaos – die Ambulanzgebühr wurde aufgehoben; die Reform des Hauptverbandes wurde auf­gehoben; die Kassensanierung wurde aufgehoben. Und ich kann von Seiten der SPÖ nur hoffen, dass dieses Schicksal auch diese Koalition einmal ereilen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und der Bundesrätin Kerschbaum.)

12.24

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 



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12.24

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein auch von der Vor­rednerin bereits angesprochener Teil des Gesetzesbeschlusses betrifft die Rück­abwicklung der seinerzeit durch Darlehen erfolgten Abschöpfung der Rücklagen einzelner Gebietskrankenkassen, nachdem diese vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden war.

Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren haben wir hier im Bundesrat das schon einmal diskutiert. Der von Vorarlberg gestellte Einspruchsantrag hat damals knapp die Mehrheit verfehlt. Nach den politischen Maßstäben von heute hätte er die Mehrheit gefunden, und das zeigt schon auch, wie sich die Verhältnisse zugunsten der Rolle der kleinen Bundesländer als Zünglein an der Waage verändert haben.

Wir sind damals aus der Fraktionsdisziplin – wie man so landläufig sagt – ausgeschert, weil wir uns in höherem Maße der Verfassungsdisziplin verpflichtet gefühlt haben. Wir haben den Einspruchsantrag seinerzeit auch nicht in Sorge um das Geld fiskalisch, sondern verfassungspolitisch argumentiert und darin über weite Strecken Zustimmung von Seiten des Verfassungsgerichtshofs erhalten.

Ich möchte mich, ohne jetzt zu stark auf die Details eingehen zu wollen, bei Frau Bundesministerin Rauch-Kallat und auch bei Frau Staatssekretärin Haubner für deren Einflussnahme bedanken, die bewirkte, dass es zu keinen gerichtlichen Auseinander­setzungen mit dem Hauptverband kommen musste. Es hat ja einige Zeit lang so ausgesehen, als ob das unvermeidbar wäre, um den nach dem Verfassungsgerichts­hoferkenntnis gebotenen Zustand herzustellen. Es ist erfreulich, dass man darauf hingewirkt hat, einen Kompromiss zu finden, der auch ein für den Hauptverband nicht unbeträchtliches Prozessrisiko – ganz abgesehen von den damit verbundenen Kos­ten – vermeiden half. Dafür herzlichen Dank.

Frau Kollegin Mag. Neuwirth hat auch angesprochen, dass damit natürlich nicht alle Fragen im Zusammenhang mit dem Ausgleichsfonds und der Finanzierung der Kran­kenkassen geklärt sind. Aber eben weil wir das von Ihnen kritisierte Flickwerk vermeiden wollen, gehört das in eine umfassende Gesundheitsreform eingebunden, die mehr behandeln muss als den Ausgleichsfonds allein, denn diese Dinge kann man nicht voneinander trennen. Ich bin sehr dafür, dass man sich bei den Maßnahmen jetzt auf das aktuell Notwendige und Gebotene beschränkt und beim anderen in eine Diskussion einsteigt – und die läuft ja auch schon –, in der alle Fraktionen ihre Vorstellungen einbringen sollen und können, wie die Finanzierung des Gesundheits­systems und insbesondere auch die Finanzierung der finanziell etwas Not leidenderen Krankenkassen sichergestellt werden soll. Im Sinne dieses von Ihnen zu Recht urgier­ten Gesamtkonzeptes ist es, so meine ich, notwendig, schrittweise vorzugehen und abzuwarten, welche Vorschläge hinsichtlich des Ausgleichsfonds im Rahmen der gesamten Gesundheitsreform zur Sprache kommen werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.27

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte schön.

 


12.28

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der eine Punkt, nämlich die Chefarztpflicht-Neu, wie sie genannt wird, ist etwas, was ja auch im Nationalrat zum Teil die Zustimmung der Grünen gefunden hat. Im Bundesrat haben


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wir ja leider nicht die feineren Möglichkeiten der Abstimmung durch die drei Lesungen, sondern wir können nur ja oder nein sagen.

Kurz also zur Frage der chefarztpflichtigen Medikamente: Deren Anzahl wird in Zukunft zumindest reduziert werden. Die Chefarztpflicht wird dadurch nicht abgeschafft, aber wenigstens wird für viele PatientInnen in vielen Fällen der eine oder andere Gang zum Chefarzt nicht mehr nötig sein. Das ist zumindest eine Verbesserung. Ob diese Verbesserung ausreichend sein wird, das wird sich erst in Zukunft klären lassen, es ist jedoch auf jeden Fall einmal ein Anfang gemacht.

Das gesamte Gesetz, das wir hier heute diskutieren, wird allerdings nicht unsere Zustimmung finden, denn es hat mit einer Sanierung der Krankenkassen im eigentlichen Sinne, wie sie nötig wäre, nichts zu tun. Die Tatsache, dass die Beiträge für Bauern jetzt erhöht werden, ist zwar im Ansatz gut, aber auch nur auf den ersten Blick, denn es gibt zwar eine Erhöhung der Beiträge, das ist aber noch lange kein aus­reichender Schritt in Richtung einer tatsächlichen Angleichung der Versicherungs­systeme.

Was insgesamt fehlt, sind klare Regelungen auch auf der Leistungsseite und nicht nur auf der Beitragsseite. Das Ziel wäre: gleiche Beiträge und gleiche Leistungen für alle Versicherten. Wenn 20 Millionen € aus der Tabaksteuer allein zur Sanierung der Bauernkrankenkassen verwendet werden und für alle anderen dann 70 Millionen € übrig bleiben, dann stellt das keine Gleichbehandlung dar. Hiedurch werden eindeutig alle übrigen ASVG-Versicherten benachteiligt, und dem können wir nicht zustimmen.

Verstehen Sie mich nicht falsch! Das ist keine Frage des Neids, mir geht es also nicht darum, dass es allen gleich schlecht gehen sollte. Mein Ansatz wäre stattdessen, dass es allen gleich gut gehen sollte, nur das ist in der momentanen Sozialgesetzgebung dieses Landes vielleicht nicht für alle der Grundgedanke.

Auch die Vorgangsweise, die Kollegin Neuwirth bereits kritisiert hat, trägt sicherlich nicht dazu bei, die Grünen zu einer Zustimmung zu diesem Gesetz zu bewegen. Vor allem Sozialgesetze und insbesondere Gesetze wie dieses sind derartig wichtig, dass die nötige Sorgfalt im parlamentarischen Vorgehen, das Einbeziehen der Opposition und auch eine ausführliche Diskussion in Ausschüssen gewährleistet sein sollten. Ich finde es besonders schlimm, dass bei einem Gesetz wie dem, das hier vorliegt, nicht so vorgegangen wurde. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.30

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Zellot. – Bitte.

 


12.31

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine geschätzten Damen und Herren! Zur Gesetzesvorlage des Sozialrechts-Änderungsgesetzes die Bauernsozialversicherung betreffend: Man muss davon ausgehen, dass die bäuerlichen Strukturen derzeit sehr schlechte sind. Ich begründe das damit, dass sich die Beiträge der Aktiven und die Pensionsbeiträge bereits die Waage halten, und natürlich ist die finanzielle Situation dieser Sozialversicherungsanstalt nicht die beste.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich meine aber, dass die Bundesregierung immerhin einen Schritt gesetzt hat, um ihr Ziel der Zusammenlegung der Sozialver­sicherungsanstalten, der Harmonisierung zu verfolgen. Diese Bundesregierung hat dieses Bestreben zum Beispiel schon mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten gezeigt.


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Wenn man von der Beitragsgrundlage bei der bäuerlichen Sozialversicherungsanstalt spricht, ist weiters zu bedenken, dass 75 Prozent der beitragspflichtigen Landwirte Nebenerwerbsbauern sind. Man muss also auch sehen, dass es sich dabei um jene Arbeiter, Angestellten und Angehörigen anderer Berufsgruppen handelt, die bereits doppelt Beiträge zahlen und nun auch einen positiven Beitrag für diese Sozial­versicherungsanstalt leisten.

Dieser Schritt war nicht einfach. Es hat vor allem bei den bäuerlichen Nebentätigkeiten, bei den Betriebshelfern, bei den Be- und Verarbeitungsbetrieben, speziell bei den Buschenschenken, bei Tätigkeiten, die Dienstleistungscharakter haben, wesentliche Reformen gegeben. All diese Reformen musste die Bundesregierung jetzt durchführen, weil in der Vergangenheit sozialdemokratische Finanzminister immer wieder verweigert haben, Maßnahmen zur Verbesserung der bäuerlichen Sozialversicherung durchzu­führen. Das muss auch einmal gesagt werden. Das war wahrscheinlich auch ein Problem der damaligen Koalition, dass die sozialdemokratischen Finanzminister und auch die Sozialdemokratische Partei für die Berufsgruppe der Bauern nichts übrig hatten.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Reformschritte, die unternommen wurden, führen nicht ins Chaos, sondern sie sind notwendig, um die soziale Sicherheit der Bäuerinnen und Bauern zu gewährleisten. (Bundesrätin Konrad: Sollte das nicht für alle anderen in gleicher Weise gelten?) Der Schritt, den die Bundesregierung mit diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz setzt, ist sehr verantwortungsvoll und nicht nachlässig. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.34

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte.

 


12.34

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich ganz kurz zu den drei für mich wichtigsten Materien dieses Sozialrechts-Änderungsgesetzes Stellung nehmen. Es enthält natürlich auch noch eine Fülle anderer Maßnahmen, die zum Teil auch die Witwenpensionen betreffen. Für mich als Frauenministerin ist ganz wichtig, dass es hiemit zu einer tatsächlichen Besserstellung bei den Witwenpensionen kommt, den­noch möchte ich meine Ausführungen, um Zeit zu sparen, auf die folgenden drei Punkte beschränken: Bauernfinanzpaket, Sanierung des Ausgleichsfonds beziehungs­weise Rückzahlung der Darlehen und „Chefarztpflicht neu“.

Beim Bauernpaket handelt es sich nicht nur um eine Anhebung der Beitragssätze beziehungsweise eine Harmonisierung der Beitragssätze, sondern vielmehr um ein tatsächlich umfassendes Paket. In diesem Zusammenhang möchte ich mich sehr bei der Bauernschaft bedanken, die in eigener Verantwortung im besten Sinne der Selbst­verwaltung sofort nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu mir gekommen ist und mich ersucht hat, nicht nur mit einer behördlichen Einschau, die wir dann auch durchgeführt haben, sondern gemeinsam ein mittel- und langfristiges Konsolidierungspaket für die Bauern zu schnüren, das eben auf Grund dieser Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof notwendig geworden war.

Sie haben sehr, sehr viel selber eingebracht, nicht nur die Harmonisierung der Bei­träge, sondern auch die Erweiterung der Beitragsgrundlage, zum Beispiel die Ein­beziehung von Nebentätigkeiten wie Urlaub am Bauernhof, von persönlichen Dienstleistungen im Rahmen des Maschinenrings, die Aufhebung der Begrenzung des Mitteltransfers der bäuerlichen Unfall- und der Krankenversicherung, die Absenkung der Mindestbeitragsgrundlage, was ganz wichtig für die kleinen Bauern, für die


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Nebenerwerbsbauern ist, die Aufhebung der Subsidiarität für die Großen und nicht für die Kleinen! Also dieses ist wirklich ein Paket, das den kleinen Bauern Unterstützung bringt, die Beiträge harmonisiert, damit auch zur Herstellung von Gerechtigkeit beiträgt und zugleich die größeren Bauern mehr in die Pflicht nimmt.

Zum Abbau ihrer Schulden haben sie die Veräußerung noch vorhandener Immobilien und ein Leaseback vorgeschlagen und wollten zusätzlich vom Bund eine Unter­stützung, die wir eben aus Mitteln der Tabaksteuer auch ermöglicht haben. Das war Kooperation im besten Sinne des Wortes. Dafür möchte ich mich bei den Bauern bedanken.

Ich gebe der Frau Bundesrätin Recht, wenn sie sagt, das sei noch nicht die Gesamt­harmonisierung. Allerdings darf ich schon auch darauf aufmerksam machen, dass diese Bundesregierung beziehungsweise die Bundesregierung Schüssel I ein System übernommen hat, in dem es acht oder zehn verschiedene Krankenversicherungs­beiträge gegeben hat. Im Moment gibt es nur mehr drei verschiedene, und auch davon werden wir noch einen weiteren in dieser Legislaturperiode harmonisieren. Es gab eine Fülle von unterschiedlichen Beiträgen und Leistungen, und wir sind dabei, diese jetzt auch tatsächlich nach und nach zu harmonisieren, aber in einer sozial verträglichen Art und Weise, denn würden wir es anders machen, wären die Politiker der Opposition die Ersten, die zu Recht sagen würden, es herrsche Chaos. Stattdessen wird in sehr sorgsamer Art und Weise in Kooperation mit den Betroffenen vorgegangen, und daher danke ich auch für die Zusammenarbeit bei diesem Bauernpaket. Es handelt sich in der Tat um eine mittelfristige Konsolidierung, noch nicht um die langfristige. Die muss in einem nächsten Schritt erfolgen, der aber durch diesen Schritt erst möglich wird, nämlich mit der Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten der Selbständigen in diesem Land, der gewerblichen Wirtschaft, und der Bauern. Das sollte das Ziel sein, und das werden wir in einem nächsten Schritt auch schaffen.

Zweiter wichtiger Bereich: die Abwicklung, sozusagen die Reparatur entsprechend dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs durch Rückzahlung der Darlehen. Hiebei geht es primär um die Rückzahlung der Darlehen, der Zwangsdarlehen, wie sie von einigen Ländern genannt wurden. Auch hier bin ich froh, dass es gelungen ist, eine gemeinsame Vorgangsweise zu schaffen, und zwar deswegen, weil es den Sozial­versicherungen den Gang zu den ordentlichen Gerichten erspart. Sie wissen, meine Damen und Herren, das kostet Geld, das kostet Zeit und bringt niemandem etwas. Bei den wohlhabenden Kassen, die ihren Beitrag geleistet, ihr Solidaritätsopfer erbracht haben, um das Geld nicht den Gerichten zu geben, sondern bei den Sozialversicherten zu lassen, bedanke ich mich.

Mit den die Darlehen zurückzahlenden Kassen – Sie, Frau Bundesrätin, haben das erwähnt – wurde überhaupt nicht gesprochen, und zwar deswegen nicht, weil das gesetzlich geregelt ist. Die wussten, dass sie die Darlehen zurückzahlen müssen. Da wurde auch keine gesetzliche Regelung aufgehoben. Die werden das auch tun, in der Form, wie das bereits vor zwei Jahren gesetzlich geregelt wurde. Selbstverständlich müssen wir denen helfen, die sich schwer tun: der Wiener Gebietskrankenkasse, der Kärntner Gebietskrankenkasse, der burgenländischen Gebietskrankenkasse.

Ich bin froh, dass es mir jetzt langsam – es war mühsam genug – auch bei der Wiener Gebietskrankenkasse gelingt, in einen konstruktiven Dialog einzusteigen. Bis jetzt hat der eigentlich nur sehr offensiv stattgefunden mit Beschimpfungen in der Öffentlichkeit. (Bundesrat Kraml: Von wem ist das ausgegangen?) Seit zwei Monaten, seit der behördlichen Einschau sind wir in einem konstruktiven Dialog, und ich kann Ihnen versichern, wenn dieser so konstruktiv bleibt, werden wir auch bei der Wiener Gebiets­krankenkasse eine Lösung finden. Ich hätte mir gewünscht, die Konstruktivität wäre


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von Anfang an so gegeben gewesen wie bei den Bauern. Aber es wird schon noch werden! Manche brauchen eben ein bisschen länger, bis sie die Konstruktivität lernen.

Ich bedanke mich bei allen Kassen für diesen Schritt. Er ist wichtig. Wir haben verschiedene Lösungsansätze gewählt. Vorarlberg hat einen besonderen Ansatz gewählt, damit sie ihr Geld mit Sicherheit rascher zurückbekommen.

Ich bedanke mich auch beim Herrn Bundesrat für die Ländle-Schokolade, die ich sozusagen als kleines Dankeschön dafür bekommen habe. Ich nehme das nicht als Bestechung, sondern freue mich, dass damit auch ein wichtiger Schritt gesetzt werden konnte, um eine harmonische Lösung zu finden.

Dritter Punkt: Erstattungskodex und Chefarztpflicht neu. Sie wissen, wir haben uns vorgenommen, im Rahmen eines umfassenden Arzneimittelpaketes den lästigen Gang der Patienten zum Chefarzt abzuschaffen. Überlegen wir einmal, was den Leuten nicht passt: wenn sie lange auf einen Termin warten müssen, wenn sie lange beim Arzt sitzen müssen und wenn sie zum Chefarzt gehen müssen, nur damit der einen Stempel auf ein Rezept haut und sie nicht einmal anschaut. – Das wollen wir ändern.

Nicht ändern wollen wir, dass die teuren Medikamente nach wie vor einer Kontrolle unterliegen. Diese Kontrolle spielt sich jedoch viel besser zwischen den Ärzten ab, nämlich zwischen dem niedergelassenen Arzt und dem Chefarzt, der an Hand einer Indikationenregelung und einer Dokumentation des niedergelassenen Arztes sehr genau weiß, ob dieses Medikament zu Recht verabreicht wurde oder nicht.

In diesem Sinne wird es ab 1. Jänner 2005 eine wesentliche Verbesserung für die österreichischen Versicherten geben, die sich dann nämlich diesen schikanösen Gang zum Chefarzt ersparen. Auch hier danke ich für die gute Kooperation.

Im Übrigen – letzte gute Nachricht zum Tag von meiner Seite, bevor ich mich in die Sommerpause begebe –: Das Arzneimittelpaket, das wir im vergangenen Herbst geschnürt haben – gemeinsam; dafür danke ich sehr –, greift. Statt einer Kosten­steigerung von 7 bis 9 Prozent betrug die Kostensteigerung von Jänner bis Mai laut Apotheken 2,2 Prozent, laut Sozialversicherung 2,8 Prozent. Die Wahrheit wird in der Mitte liegen, sollen es 2,6 oder 2,5 Prozent sein. Auf jeden Fall liegt der Wert weit unter 7 bis 9 Prozent und weit unter dem Korridor von 3 bis 4 Prozent, den wir uns vorgenommen haben. Da sind der Sonderrabatt der Industrie von 23 Millionen €, die Generika-Offensive und anderes mehr noch nicht eingerechnet.

Vielleicht noch eine kurze Information: Die Zeitungsente von gestern, dass die Generika-Offensive der Bundesregierung 100 Millionen € kostet, ist wirklich eine Ente. Es sind 100 000 €. (Bundesrat Kraml: Das ist auch zu viel!) Es wäre nicht sehr logisch, so viel Geld in Werbemaßnahmen zu stecken, aber 100 000 € sind meines Erachtens gut angelegt (Bundesrat Kraml: Das ist auch zu viel für das zweitbeste Medikament, Frau Bundesministerin!), wenn es damit gelingt, mehr als 20 Millionen € zu ersparen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen, meine Damen und Herren, einen erholsamen Sommer. Nutzen Sie ihn für Ihre Gesundheit. Ich freue mich, Sie im Herbst wieder zu sehen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Bundesräten der Grünen.)

12.43

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


12.43

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Letzten, Frau Bundesminister, finden Sie, glaube ich,


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hier weitgehend Übereinstimmung. Die Generika-Offensive ist, glaube ich, wirklich vonnöten gewesen. Ich erinnere daran, dass sogar die Zeitschrift der pharma­zeu­tischen Industrie vor drei Jahren einmal angemerkt hat, dass eigentlich unser Land zu jenen gehört, in denen es noch keine Generika-Kultur gibt. Also eine ganz wichtige Sache.

Ich komme aber jetzt zum heutigen Thema zurück. Ein wenig unverständlich war für mich die Äußerung des Kollegen Zellot, der gemeint hat, mit der bäuerlichen Kran­kenversicherung stand es nicht zum Besten, weil hier irgendwie die Sozialdemokratie involviert war. Es dürfte dem Kollegen Zellot nicht bekannt sein, dass an der Spitze der SVB, damit auch der bäuerlichen Krankenversicherung, seit jeher eigentlich immer eine Selbstverwaltung steht und stand, die vom ÖVP-Bauernbund – ich weiß nicht, vielleicht sind dort auch Vertreter von den Freiheitlichen – gestellt wird, und ich glaube, es wäre dieser Selbstverwaltung unbenommen gewesen, an den Hauptverband, an die zuständigen Ministerien irgendwelche Vorschläge zu machen, wie man den Zustand dort verbessern kann.

Ich darf hier den Herrn Donabauer, den Obmann dieser Sozialversicherungsanstalt, zitieren, der gemeint hat: „Wichtig war“ – damit meint er diesen aktuellen Reform­schritt –, „dass diese Reformschritte rechtzeitig getroffen wurden, um den Versiche­rungs­schutz für bäuerliche Familien auch künftig gewährleisten zu können. Damit hat die bäuerliche Gruppe einen wichtigen Beitrag in Richtung Harmonisierung des Gesundheitswesens geleistet.“ – So Obmann Karl Donabauer.

Dazu ist eines zu sagen: Ich glaube, das war nicht rechtzeitig, sondern das war bereits fünf nach zwölf. Denn wenn ich mir die Zahlen anschaue, dann war es im Jahr 2002 so, dass insgesamt 42 Millionen € an Ausgleichsleistungen durch die bäuerliche Kran­kenkasse in Anspruch genommen wurden. Es wurden allerdings in diesen Topf nur 6 Millionen € einbezahlt. Das ergibt einen negativen Überhang von 36 Millionen €. Das wurde allerdings im Vorjahr, im Jahr 2003, noch überboten. Damals standen den Einzahlungen von 12 Millionen € 50 Millionen € an Einnahmen durch den Ausgleichs­fonds gegenüber, sprich 38 Millionen €, die von den anderen Krankenversicherungs­trägern aufgebracht werden müssen.

Ich weiß, wir sind alle sehr für Solidarität, aber wenn ich mir vorstelle, dass hier 280 000 Versicherte 6 Millionen ASVG-Versicherten gegenüberstehen, dann, glaube ich, ist das nicht mehr ganz stimmig. Genauso ist es für uns auch ein wenig schwer nachzuvollziehen, dass künftighin praktisch 25 Prozent der Tabaksteuer von 5 Prozent der Versicherten in Anspruch genommen werden.

Ich muss eines sagen: Mir hat zuerst ein bisschen aufgestoßen, als die Frau Bun­desminister von den „wohlhabenden“ Krankenkassen gesprochen hat. (Widerspruch der Bundesministerin Rauch-Kallat.) – Habe ich das missverstanden, Frau Bundes­minister? (Bundesministerin Rauch-Kallat: Nicht die wohlhabenden, sondern die finanzstarken, die gut gewirtschaftet haben!) Ich komme, Frau Bundesminister, aus Oberösterreich und bin daher irgendwie sehr betroffen gewesen von der Entwicklung der Krankenkasse gerade in den letzten Jahren. Wenn ich mein Gegenüber ansehe (der Redner blickt in Richtung des Bundesrates Weiss) – ich glaube, der Kollege kommt aus Vorarlberg –, so glaube ich, dass auch in Vorarlberg immer ein ähnlicher positiver Geschäftserfolg war.

Aber was ist eigentlich passiert? – 1997 gab es bei uns noch ein Plus von 29 Mil­lionen €. Das hat sich dann 1998 auf 17 Millionen € reduziert, 1999 auf 3,4 Millionen €, 2000 auf 7,8 Millionen €, 2001 war mit 12,6 Millionen € sogar noch einmal sehr gut, und dann kam es: 2002 hat zum Beispiel auch die bis dahin, glaube ich, wirklich immer


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sehr gut wirtschaftende Oberösterreichische Gebietskrankenkasse ein Minus von 25,3 Millionen € geschrieben.

Wenn man das wirklich hinterfragt, Frau Bundesminister, dann erkennt man, glaube ich, dass es nicht alleine das Wirtschaften dieser Häuser ist, sondern schauen wir uns doch diese Maßnahmen an – da bin ich wieder bei dem Kollegen von der FPÖ –, die jetzt von dieser Bundesregierung zu verantworten sind. Wenn es, Herr Kollege, eine pauschalierte Abgeltung der Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitslose gibt und die Arbeitslosigkeit steigt, dann, glaube ich, geht es nicht an, wenn die Leistung aus der Arbeitsmarktverwaltung an die Krankenkassen nicht erhöht wird. Das geht nicht an, denn dann haben wir diesen Abgang.

Oder: Wenn zum Beispiel in unserem Land Mehrwertsteuer auf Medikamente ange­fallen ist, so ist das eine zweite Sache, die eigentlich in vielen europäischen Ländern völlig unüblich ist.

Oder: Ich habe mir hier eine ganz besondere Sache aufgehoben, für die es allerdings sicherlich eine Vielzahl von Verantwortlichen gibt, wobei die aktuell verantwortliche Frau Bundesminister, glaube ich, noch nicht mit diesem Ressort befasst war: Thema Ambulanzgebühr.

Man muss sich vorstellen, dass 34,3 Millionen € an Ambulanzgebühren eingehoben wurden. Das Ganze wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, aber es ist eigentlich nur der Tatsache, dass vielen Menschen das nicht aufgefallen ist, zu ver­danken, dass nur ein Zehntel der betroffenen Versicherten die Beträge zurückgefordert hat. Ich glaube, Frau Bundesminister, da wäre Ihr Ressort in der Pflicht gewesen, die Menschen entsprechend zu informieren. Also wenn das in der Wirtschaft jemand machte, würde man das, glaube ich, fast als Nepp bezeichnen. Von diesen 34,3 Mil­lionen €, die für eine gesetzlich nicht gedeckte Maßnahme, die vom Verfassungs­gerichtshof aufgehoben wurde, vereinnahmt wurden, wurde nur ein Zehntel zurück­erstattet. Das muss man sich einmal vorstellen!

Aber das ist eigentlich nur eine solche Reparaturstelle. Insgesamt, Frau Bundes­minister, stellen sich die Maßnahmen dieser Bundesregierung in dem ganzen Segment von Krankenversicherung, aber auch Pensionsbereich irgendwie als eine Baustelle mit ganz vielen kleinen notwendigen Reparaturen dar, die aber in Summe schlimm sind.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, gerade zum Thema Ambulanzgebühr zu recherchieren, denn es wurde ja immer erklärt, das brauchen wir alles, das lenke die Versicherten von der teuren Spitalsambulanz zum billigen Allgemeinmediziner um und so weiter. Ich habe im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in der Stumper­gasse in Wien, in dem ja der Vorgänger der Frau Staatssekretärin, glaube ich, jetzt wieder Primar ist, recherchiert. Da hat mir die Leitung der Ambulanz gesagt, dass nach einem Jahr Ambulanzgebühr die Fälle dort in dem Haus nicht weniger geworden sind, dass man das aber eigentlich als eine sehr kostengünstige Maßnahme sieht. Man hat sich dort nämlich auf kleine ambulante operative Eingriffe spezialisiert. Da geht man hin, es gibt dort das notwendige Ärzteteam. Es kann der Patient befragt werden, es wird festgestellt, ob er eine Narkose braucht, ob er irgendwelche Vorerkrankungen hat, ob die Narkose durchgeführt werden kann und so weiter. Die haben gesagt: Wenn wir das hier nicht ambulant anbieten, dann muss man das alles stationär machen, das wird alles sündteuer.

Ich war damals eigentlich sehr entsetzt, dass der verantwortliche Politiker offensichtlich nicht einmal auf das Fachwissen, das er in seinem eigenen Haus hatte, zurück­gegriffen hat. Das ist aber, wie gesagt, eine Geschichte von gestern, denn den Herrn Staatssekretär gibt es in dieser Funktion nicht mehr.


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Aber schauen wir uns einen anderen sündteuren Bereich an, den Bereich der e-Card. Sie wissen, auch hier hat die Bundesregierung immer wieder nachjustiert, immer wieder wurde dieses Sozialversicherungsprojekt quasi aufmunitioniert, man wollte immer mehr haben von dieser Karte. Wenn ich mir den letzten Rechnungshofbericht ansehe, dann kann ich nur hoffen, dass dieses wirtschaftliche Denken, das hier dar­gestellt wird, nicht überhaupt Platz greift in der österreichischen Sozialversicherung unter dieser Bundesregierung. Denn dort heißt es, dass der Hauptverband, den ich insgesamt sicherlich für eine Fehlkonstruktion halte, gemeint hat, diese e-Card wird sich in zwei Jahren amortisieren. Der Rechnungshof ist auf ein wenig andere Zahlen gekommen, Frau Bundesministerin. Der meint, diese e-Card braucht 16 Jahre, um sich zu amortisieren. Ich kann nur hoffen, dass Ihr Ressort bei anderen Berechnungen andere Sorgfaltsmaßstäbe anlegt, denn sonst wäre das eine sehr tragische Ent­wicklung.

Es hat ja heute schon einer meiner Vorredner Konrad Adenauer zitiert, und damit möchte auch ich schließen. Konrad Adenauer hat gemeint: Es ist ja niemand gehindert, jeden Tag gescheiter zu werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.52

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


12.53

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Minister! Werte Frau Staatssekretärin! Hohes Präsidium! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich glaube, ich muss zuerst die positiven Ausführungen über­nehmen, bevor ich den Themen von Vorredner Schimböck folgen kann, denn diese Themen sind für mich als Landwirt eigentlich nicht nachvollziehbar. Das zeugt wieder von der Perspektive, die Herr Kollege Schimböck hat, und auch davon, was er über die Landwirtschaft denkt. Ich bin wirklich erstaunt, welches Wissen Sie von dieser ganzen Materie haben. Ich glaube, Sie haben keine Zeit, sich hier für das Plenum vorzu­bereiten. (Lebhafte ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Es ist einfach wichtig und positiv für den Bereich der Frauen, dass besonders durch die Inanspruchnahme der Ausnahme der Pflichtversicherung Kleinunternehmerinnen bereits ab 60 Jahren die so genannte Regelpension in Anspruch nehmen können. Das ist jetzt natürlich eine positive Aussage, ein positives Argument.

Wichtig ist auch das Herausoptieren der Freiberuflerinnen aus der Pflichtversicherung. Ich glaube, das sind alles positive Argumente, die für die Frauen, aber auch für uns alle einfach sehr wichtig sind. Dafür ist der Frau Ministerin ein herzlicher Dank auszu­sprechen.

Gehen wir jetzt auf das Thema des Herrn Schimböck ein. Ich glaube, Sie wissen nicht, wie die demographische Entwicklung in der Landwirtschaft ist. Es sind zurzeit 50 Pro­zent Beitragszahler und 50 Prozent Pensionsempfänger. Ich glaube, das ist schon auch ein Grund, dass man hier solidarisch auftreten muss. Wieso können Sie dann sagen, dass es nicht gerechtfertigt ist, dass die Tabaksteuer auch dazu beitragen soll oder muss, dass hier ein Ausgleich geschaffen wird, und dass die Finanzierung der Sozialversicherung auch in Zukunft ...? (Bundesrat Gruber: Wissen Sie, wer die Sozialversicherung der Bauern eingeführt hat?) Ja, das war noch der Bruno Kreisky. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Gruber: Damals waren wir solidarisch!) Damals wart ihr solidarisch. Ich glaube, der Bruno Kreisky würde sich im Grab umdrehen, wenn er diese Aussagen von Schimböck gehört hätte, in denen er so gegen die Bauern auftritt.


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Ich muss sagen, die Bauern haben sehr viele Maßnahmen getroffen in der Hinsicht, dass sie sich die Mitversicherung der Ehegatten schon bei einem Einheitswert von 7 000 € haben gefallen lassen. Das ist eine massive Einschränkung der Bauern. Man sagt immer, dass das Großbetriebe sind. Ein bäuerlicher Betrieb mit 7 000 € Ein­heitswert ist kein Großbetrieb. Das sind bei uns im Innviertel Betriebe mit zwei oder drei Hektar. Ich glaube, so ein Betrieb kann nicht einmal im Nebenerwerb existieren. Das sind Betriebe, die mehr Ausgaben als Einnahmen haben. Und solche Betriebe werden von eurer Seite als Großbetriebe bezeichnet.

Es ist einfach nicht zu verstehen, dass man immer nur bei der Landwirtschaft ansetzt. Wenn es um Produktionserschwernisse geht wie etwa Auflagen betreffend Tierschutz, dann ist man sofort gegen die Landwirtschaft, dann sind die Landwirte immer die Bösen, aber wenn die Landwirte einmal ein Bedürfnis haben, wie es in der Sozial­versicherung ist, dann werden den Landwirten einfach Privilegien unterstellt, und es scheint nicht angemessen zu sein, dass ein Landwirt auch etwas verdient.

Im ASVG wird der Ausgleich damit geschaffen, dass die Arbeiter und Angestellten in der Harmonisierung jetzt mit der Landwirtschaft mit 7,4 Prozent gleichziehen. Es ist auch wichtig, dass die gewerbliche Wirtschaft auf die 7,4 Prozent gleichzieht, um den dritten Schritt der Harmonisierung vorzuziehen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, es ist wichtig, diesem Gesetz zuzustimmen, um auch hier den Bauern Solidarität zu zollen, weil einfach unsere Bauern da sind, um die Landschaft zu pflegen und auch entsprechend gesunde Lebensmittel zu erzeugen. Es ist auch das gute Recht der Landwirte, ihnen angesichts der Vorarbeit, die sie bezüglich des Verkaufs von Gebäuden und anderer Bereiche geleistet haben, Respekt zu erweisen und ihnen entgegenzukommen. (Bundesrat Gruber: Was für Vorarbeiten?)

Ich bin einfach der Anschauung, diese Vorlage ist wichtig und richtig, und ich stimme somit diesem Gesetzentwurf zu. Ich würde auch die Sozialisten bitten (Bundesrat Kraml: Sozialdemokraten!), solche Aussagen in Zukunft zu unterlassen, dass die Bauern nur Almosenempfänger sind. Es ist unser Recht, und wir haben eine demo­graphische Entwicklung ... (Bundesrat Gruber: Wer sagt das?) Der Herr Schimböck äußerte, dass wir nur Almosenempfänger sind und diese Almosen nicht einmal berech­tigt empfangen.

Ich bin echt enttäuscht, Herr Schimböck, was Sie zurzeit aussagen, egal, in welchem Bereich auch immer. Wenn Sie zu Wort kommen, sind das immer nur Aussagen, die entweder gegen die Landwirtschaft oder gegen die Wirtschaft gerichtet sind. Ich ver­stehe das überhaupt nicht. Wir sind einmal gemeinsam im Zug gefahren. Da habe ich geglaubt, Sie haben Verständnis für uns. Aber das Verständnis ist nicht einmal minimal. Sie haben mich wirklich maßlos enttäuscht. Ich glaube, es ist besser, dass ich von diesem Thema Abstand nehme. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich danke Ihnen noch einmal recht herzlich, Frau Minister, dass Sie den Bauern entsprechenden Beistand geleistet haben. Sie wissen ja, wir haben entsprechende Vorleistungen erbracht. In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön. Wir stimmen dem Gesetz sicher zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.58

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


12.59

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Geschätztes Hohes


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Haus! – Kollege Tiefnig, ich war nicht auf der RednerInnenliste, aber ich möchte doch ein kleines Wort zu dieser Thematik sagen. Ich denke, dass die Landwirtschaft und die Bäuerinnen und Bauern eine ganz zentrale Funktion im wirtschaftlichen Gefüge, im gesellschaftlichen Gefüge haben und für die regionale Entwicklung wichtig sind. Ich glaube auch, dass es angebracht ist, in dieser unserer Gesellschaft auch Solidarität zu zeigen und zu beweisen.

Aber ein zentraler Punkt, der mich als Ökonomin immer sehr beschäftigt, ist das Thema der Wahrheit, nämlich der Kostenwahrheit. Insofern denke ich mir – und da sind die Frau Ministerin beziehungsweise die Frau Staatssekretärin gefordert –, dass ein transparentes System zu schaffen ist, das tatsächlich klarstellt, wo die Einnahmen- und die Ausgabenströme liegen, um entsprechende Transferzahlungen und diesbezüg­liche Systeme zu entwickeln, die dem auch tatsächlich entsprechen.

Ich glaube nicht, dass das die Optimalvariante ist. – Man kann dafür sein. Ich finde es in mancherlei Hinsicht auch durchaus akzeptabel, dass man auf diese Art und Weise Transfers leistet. Ich glaube aber, dass es dazu kommen muss, dass man – geht man jetzt von den Bäuerinnen und Bauern aus – entsprechend honoriert, was geleistet wird.

Man muss also einerseits die Qualität der Lebensmittel, der Landschaftspflege und so weiter honorieren und auf der anderen Seite ein transparentes und kostenwahr­heitsgetreues System entwickeln, wie man Versicherungen abführt, und soll nicht dort ein Stück – zum Beispiel von der Tabaksteuer – und da ein Stück hineinnehmen. – Das ist, so denke ich, nicht wirklich dienlich.

Insgesamt trete ich jedoch selbstverständlich für eine Lösung in diesem System ein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.00

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


13.01

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesminister, wenn Sie hier die Aussage tätigen, einmal mehr für die kleinen Bauern tun zu wollen, dann soll es uns sehr freuen. Nur, liebe Frau Bundesminister: Ich hoffe, Sie wissen, dass alle Bauern in Österreich Probleme haben.

Wir können nicht einmal über die kleinen Bauern diskutieren und positive Anregungen für sie geben, dann sind die Forstbetriebe dran, am nächsten Tag die Milchwirtschaft, und dann kommen wir zu den Schweinebauern und schließlich zu den Getreidebauern!

Frau Bundesminister! Tatsache ist, dass für den Bauern nur 13 Prozent dessen verbleiben, was der Konsument beim Kauf von Grundnahrungsmitteln ausgibt. Und das ist einfach zu wenig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im bäuerlichen Bereich und auch bei der Sozialversicherung für Bauern gibt es vor allem ein großes Problem, das wir gemein­sam zu bewältigen haben, nämlich das Strukturproblem. Immer weniger Bauern bleiben am Hof, immer mehr gehen einer anderen Erwerbstätigkeit nach, und der große Kostenfaktor der österreichischen Versicherungsbürokratie hat sich nicht verbes­sert. – Da wäre längst ein Hebel anzusetzen.

Es gibt noch immer 29 Versicherungen. Die Zusammenführung ist eine alte Forderung, und ich hoffe, dass es unter der derzeitigen Bundesregierung auch endlich schrittweise dazu kommt.


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Als erster Schritt ist nun die Zusammenführung der Gewerblichen und der Bäuerlichen Sozialversicherung geplant. Ich hoffe, dass dies in nächster Zeit zu erwarten ist. Die FPÖ ist grundsätzlich zu einer Beitragserhöhung bereit, wenn es notwendig ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel der FPÖ ist es aber auch, gerechte und ange­messene Beiträge vorzuschreiben und auszuverhandeln. Ziel ist eine Reform des Sozialversicherungswesens, Sicherheit für den Bürger in Zukunft, einheitliche Leis­tung – einheitliche Beiträge. Das heißt, es müssen weitere Schritte im gesamten Sozialversicherungsbereich folgen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.03

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte. (Bundesrat Schennach: Jetzt kommt die Oberösterreichische Land­wirtschaftskammer! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Nein, Wirtschaftskammer! Wirt­schaftsbund! – Bundesrat Kneifel – sich zum Rednerpult begebend –: Ist schon sehr heiß! Ganz in der Nähe!)

 


13.04

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Mein sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schimböck – er ist derzeit leider nicht im Saal (Bundesrat Gruber: Wir sagen es ihm! Ich schreibe mit!), aber Sie können es ihm ausrichten – hat von den gut wirtschaftenden Sozialversicherungsanstalten gesprochen und hat dabei als Muster­beispiel die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse genannt. – Das stimmt, aber es ist nur die Hälfte der Wahrheit. Es gibt auch andere, die gut wirtschaften. (Bundesrat Gruber: Salzburg!)

Wir erleben es immer wieder, wenn man die Sozialversicherungsanstalten der ver­schiedenen Bundesländer vergleicht. Ich halte eine derartige Debatte in diesem Hause für richtig, denn Föderalismus ist auch Wettbewerb – Wettbewerb und Kunden­orientierung für die Bürger, für die Versicherten in unserem Land. Man merkt dann, dass es sehr starke Unterschiede gibt.

Beispiel: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse. Hut ab vor diesem Management und vor diesem Vorstand der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, die jeden Euro und jeden Cent genau umdrehen, bevor sie ihn ausgeben! Sie müssen sich vorstellen, dass wir die Vorgänge in der Wiener Gebietskrankenkasse dann schon oft mit etwas Enttäuschung und Verbitterung erleben und mitverfolgen. (Bundesrat Schennach: Na! – Bundesrat Kraml: Das ist Polemik! – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ein trauriges Faktum! – Ruf bei der ÖVP: Das tut weh!) – Das ist keine Polemik. (Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Das Gelächter zu diesem Thema ist erlaubt. Ich werde Ihnen ein Beispiel nennen: Vor wenigen Wochen hat mir die Präsidentin des oberösterreichischen LogopädInnen­verbandes erzählt, sie gehe derzeit von Mandatar zu Mandatar, und hat mich gebeten, ihnen zu helfen, da die LogopädInnen in Wien wesentlich besser gestellt werden als in Oberösterreich.

Ich habe selbst mit der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse verhandelt – gute Verträge – und habe die Präsidentin des oberösterreichischen LogopädInnen­ver­bandes gefragt, wie das konkret ausschaut. Sie hat mir daraufhin erzählt, dass alle LogopädInnen in Wien von der Gebietskrankenkasse eine einmalige Beihilfe für den Ankauf eines Programms zur Abrechnung der Kosten bekommen haben, das kom­patibel mit jenem der Gebietskrankenkasse in Wien ist. Die oberösterreichischen LogopädInnen haben dieselben Programme und bekommen diese Beihilfe nicht – 500 bis 700 € pro Logopäden. (Bundesrat Gruber: Was ist da schlecht?)


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Es war also eine Beschwerde über die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse und alle anderen Bundesländerkrankenkassen, die sagen, wir machen das nicht, weil wir es uns nicht leisten können, und die Honorare müssen auch die Kosten für so ein Programm decken.

Ich bin auch dieser Meinung, denn die Wiener Gebietskrankenkasse macht es sich schon sehr leicht: Sie macht die Rechnung auf Kosten der anderen Bundesländer, und dann gibt es wieder Ausgleichszahlungen und Forderungen, weil das Defizit in Wien hoch ist. (Bundesrat Zellot: Hört, hört!) Ich kann leicht mit offenen Händen Geld ausgeben, wenn ein Dritter das bezahlen muss. Das ist, glaube ich, ein Fehler im System.

Wenn wir diese Praktiken bundesländerübergreifend durchleuchten, dann kann es nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass eine Kasse so handelt. – Das Hanusch-Krankenhaus erwähne ich gar nicht, denn den Luxus eines eigenen Krankenhauses leistet sich nur die Wiener Gebietskrankenkasse als Rechtsträger eines Kranken­hauses und ist damit ein enormer Defizitbringer. Das hat auch kein anderes Bun­desland. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Die AUVA leistet sich das auch!) – Ja, die AUVA leistet sich das auch. (Bundesrat Gruber: Mehrere!) Aber die AUVA kommt nicht um Geld zu uns. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Wird sie aber tun!)

Das ist der große Unterschied. Die AUVA kann mit den Beitragsgeldern, die sie von ihren Mitgliedern bekommt, wirtschaften, soll damit ordentlich und wirtschaftlich um­gehen, aber sie soll nicht zu uns kommen. (Bundesrat Kraml: Wer ist „uns“?) Wenn aber jemand zu uns kommt, dann muss er sich gefallen lassen, dass wir das kritisch durchleuchten und überprüfen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mitglie­derstruktur und die Beitragsstruktur in Wien völlig anders sind als in allen anderen Bundesländern Österreichs. (Bundesrat Gruber: Die Leistungen sind unterschiedlich!) Die ist sogar wesentlich besser! (Bundesrat Gruber: Und teurer!)

Kollege Schimböck ist leider noch immer nicht im Saale. Er hat von den gut wirt­schaftenden Kassen gesprochen. (Bundesrat Gruber: Salzburg gehört auch dazu!) – Herr Kollege Gruber! Ich glaube, der Vollständigkeit halber muss man da auch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nennen, denn die dort Ver­sicherten zahlen mit 9 Prozent den höchsten Krankenversicherungsbeitrag aller Sozialversicherungsträger, zahlen mit 15 Prozent den höchsten Pensions­ver­sicherungsbeitrag, und sie haben mit 1 096 € monatlich in der Pensionsversicherung die höchste Mindestbeitragsgrundlage. Außerdem haben die Versicherten der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft den zweithöchsten Eigen­deckungsgrad bei den Pensionen und leisten insgesamt den größten Beitrag zur Finanzierung des Sozialsystems. – Das ist aber nur die Beitragsseite.

Die Leistungsseite stellt sich so dar, dass die Versicherten der Sozialversicherungs­anstalt der gewerblichen Wirtschaft kein Krankengeld beziehen. – Da gibt es kein Krankengeld. Was bei den ASVG-Versicherten obligat ist – nämlich aus der Pflicht­versicherung –, das fehlt.

Es gibt dort auch kein Arbeitslosengeld. Obwohl diese Versicherten die Hälfte der Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlen, haben sie keinen Anspruch auf Arbeits­losengeld. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Schlecht verhandelt!)

Außerdem müssen sie noch – auf der Leistungsseite – 20 Prozent Selbstbehalt bezahlen.

Wenn man dann resümierend fragt, wie es mit den Pensionierungen aus Gesund­heitsgründen aussieht, dann stellt sich dar, dass dort die wenigsten aus Gesund-


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heitsgründen in Pension gehen – eine ähnliche Situation wie bei den Angestellten. Das hält sich ungefähr die Waage.

Ich glaube, wenn man der Wahrheit die Ehre gibt, sollte man die Systeme wirklich grundsätzlich durchleuchten und vergleichen und nicht nur einen Aspekt heraus­nehmen und darstellen, denn ich glaube, wir alle stehen zur Solidarität in diesem Lande. Wir wollen niemanden im Stich lassen.

Wir stehen aber auch – und da stimme ich mit meiner Kollegin Frau Dr. Lichtenecker überein – zu Kostenwahrheit, Transparenz und Durchschaubarkeit. Dazu sind wir auch den Steuerzahlern gegenüber verpflichtet, die wir heranziehen, um diese hohen An­sprüche auf Solidarität auch entsprechend zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.11

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.12

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich möchte beim heutigen Sozialversicherungs-Änderungsgesetz zwei Punkte herausgreifen, und zwar erstens den Wegfall der Chefarztpflicht.

Es ist allerdings notwendig, dass Aufzeichnungen geführt werden, die zur Kontrolle dienen. Es gibt ja bereits die Verordnung, dass die kostengünstigsten Medikamente verschrieben werden, und trotzdem wird das immer wieder nicht eingehalten – daher die Notwendigkeit der Aufzeichnungen. In der Praxis werden wir sehen, wie sich das auswirkt, und ich schlage daher vor, dass vielleicht ein oder zwei Jahre nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes eine Evaluierung stattfindet.

Zweitens möchte ich noch zu den Darlehensrückzahlungen etwas sagen. Dies be­stätigt mir, dass es richtig von mir war, damals im Bundesratsausschuss und im Bundesrat gegen das Sozialversicherungsgesetz zu stimmen. Meine Gründe dafür habe ich ja damals in meiner Rede dargelegt.

Mit dem heutigen Gesetz wird nun die Darlehensrückzahlung geregelt. Ich möchte jedoch heute nochmals anmerken, dass es notwendig ist, dass alle Krankenkassen strukturelle Verbesserungen durchführen. – Ich betone: alle Krankenkassen! Ich möchte auch auf meinen Vorredner, Bundesrat Kneifel, verweisen, der das ja an praktischen Beispielen aufgezeigt hat.

Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hat sich als einzige Krankenkasse von sich aus dazu bereit erklärt, den Zielberechnungszuschuss zurückzuzahlen, und zwar aus zwei Gründen: Erstens, weil es andernfalls nicht verfassungskonform wäre, und zweitens aus Solidarität zu den anderen Krankenkassen. Dies ist auch der Grund dafür, dass hier in diesem Gesetz die Vorarlberger Gebietskrankenkasse das gesamt gegebene Darlehen gegenverrechnen kann beziehungsweise auch früher zurückerhält, und zwar bis spätestens 30. April 2005.

Ich möchte auch erwähnen, dass gerade die Sozialversicherungsanstalt der gewerb­lichen Wirtschaft das höchste Darlehen bezahlt hat, und zwar über 80 Millionen €.

Abschließend hoffe ich zuversichtlich, dass es in Zukunft nicht mehr passieren wird, dass defizitäre Krankenkassen Darlehen von gesunden Krankenkassen erhalten, ohne dass die Bedingungen zwischen den einzelnen Krankenkassen gleichwertig sind. Ebenso ist es erforderlich, dass alle Krankenkassen auch tatsächlich notwendige


Bundesrat
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strukturelle Maßnahmen beziehungsweise Verbesserungen durchführen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.15

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht, Herr Bundesrat Gude­nus? – Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (479 d.B. und 562 d.B. sowie 7092/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Mag. Susanne Neuwirth: Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des National­rates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlasten­ausgleichsgesetz 1967 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Es erübrigt sich deshalb die mündliche Berichterstattung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Danke für den Bericht.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


13.16

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Wir beschließen heute eine Erweiterung der Schulfahrtbeihilfe mit Zustimmung aller Parteien, und das ist, glaube ich, gut so.

Ich selbst komme aus dem wirtschaftlichen Bereich und weiß, wie wichtig eine gute Ausbildung ist. Nicht nur der theoretische Bereich, sondern auch der praktische Bereich ist sehr wesentlich, denn für die Firmen ist es besonders wichtig, dass die jungen Menschen auch schon praktische Erfahrung in das Berufsleben mit einbringen.

Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die Lehrpläne jetzt verstärkt praxisorientiert werden. Die Praktikumsplätze liegen aber nicht immer vor der Haustür, und daher


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entstehen den Eltern zusätzliche Fahrtkosten. Da uns die Familien ja ein großes Anliegen sind, ist eine neue Definition des Schulweges und der Fahrtbeihilfe für die Eltern und für die Familien eine große Erleichterung.

Mit diesem Gesetz wird eine Lücke bei der Fahrtenbeihilfe geschlossen. Anlass für die Novellierung war die unbefriedigende Situation bei den Gesundheits- und Kranken­pflegeschulen, denn dort gibt es während des Jahres unregelmäßige Praktika, die nicht unbedingt am selben Standort wie der Unterricht stattfinden.

Das ist ein wichtiger Punkt, denn gerade diese Bundesregierung macht eine Image­kampagne für die Pflegeberufe, und da soll das auch geregelt sein. Es ist so vor­gesehen, dass beginnend mit dem nächsten Schuljahr ab September 2004 um eine Fahrtbeihilfe für den Schulweg zu einem verpflichtenden Praktikum angesucht werden kann. Schätzungsweise handelt es sich um 28 000 Praktikantenmonate pro Schuljahr.

Diese neue Fahrtbeihilfe umfasst die Praktika für Gesundheits- und Kranken­pflege­schulen, Höhere Technische Lehranstalten, aber auch für die Hotelfachschulen, Gartenbaufachschulen und die Fachschulen für land- und forstwirtschaftliche Berufe.

Die voraussichtlichen Mehrkosten für diese Initiative betragen etwa 0,7 Millionen €, und im nächsten Jahr ist das, glaube ich, kostenneutral, denn es kann umgeschichtet werden.

Ich glaube, dieses Gesetz ist ein positiver Aspekt, der auch zeigt, dass die Zusam­menarbeit gut ist und dass alle zusammenarbeiten, wenn es darum geht, unserer Jugend ein Rüstzeug für die Zukunft mitzugeben und unsere Familien zu entlasten. Dafür möchte ich mich bei allen bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

13.19

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prutsch. – Bitte.

 


13.20

Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Kollegin Diesner-Wais hat einiges Positives schon vorweggenommen. Diese Novelle des Familienlastenausgleichs­geset­zes ist meiner Meinung nach höchst erfreulich, denn durch die stärkere praxis­orien­tierte Ausrichtung neuer Lehrpläne war es naturgemäß auch notwendig, die Schulfahrtbeihilfe beziehungsweise auch die entsprechenden Richtlinien zu verändern und anzupassen. Das ist eine Regelung, die sich endlich den veränderten Gegeben­heiten in der Ausbildung vieler junger Menschen anpasst.

Meine Damen und Herren! Der Stellenwert, den die praktische Ausbildung für junge Menschen hat, ist nicht zu unterschätzen. Es ist keine Frage, dass es vor allem die jungen Menschen in den Randregionen – und ich komme aus einer Randregion – mit einer schwach ausgebauten Infrastruktur und einem schwachen Arbeitsmarkt beson­ders schwer haben, entsprechende Praktikumsplätze zu finden. Weite Anfahrtswege, oft unter schwierigsten Bedingungen, sind letztlich der Alltag. Durch die Gewährung einer entsprechenden Beihilfe soll zumindest teilweise die Wahlmöglichkeit für Prak­tikumsplätze erleichtert beziehungsweise verbessert werden, aber natürlich sollen auch die Mobilitätsschwierigkeiten ein wenig gemildert werden. Ich freue mich daher, dass diese Verbesserungen nunmehr beschlossen werden.

Nochmals zu den vorgeschriebenen und vorhin schon angesprochenen Unterrichts­praktika. Ich möchte auf eine Schwachstelle hinweisen, die im Besonderen Jugend­liche aus den Randregionen trifft. Im Lehrplan für HLA- und HBLA-SchülerInnen sind ja, wie bereits angesprochen, Unterrichtspraktika zwingend vorgeschrieben. Wie man


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zu einem derartigen Praktikumsplatz kommt, bleibt sehr oft ganz allein den SchülerInnen und auch deren Eltern überlassen. Das ist leider eine Tatsache. Ich denke, da muss auch die Schule aktiv werden.

Es sollte ein Auftrag für die Schule sein, da besonders mitzuwirken, weil gerade die Ausbildungen auch näher an die Wirtschaft heranrücken sollen und müssen. Es ist aus meiner Sicht schon wichtig, dass sich die Jugendlichen sehr frühzeitig mit Bewer­bungen, mit Kontakten zur Wirtschaft auseinander setzen, aber es ist auch ein Auftrag für die Schulen, sich stärker mit der Wirtschaft und deren aktuellen Bedürfnissen zu beschäftigen und mit der Wirtschaft zu kooperieren.

Ich habe die Sorgen und Leiden einiger betroffener SchülerInnen und letztlich auch Eltern im heurigen Frühjahr mitverfolgt. Es ist wirklich nicht in Ordnung, was auf diesem Markt – oder kaum vorhandenen Markt – passiert. Ich denke, hier muss sich der Gesetzgeber sehr rasch Gedanken machen. Wir sollten gemeinsam Anstrengun­gen an den Tag legen, wie man in dieser Problematik Abhilfe schaffen kann.

Meine Damen und Herren! Noch ein letzter Punkt – Kollegin Blatnik wird noch vermehrt und sehr intensiv auf die Problematik bei den Lehrlingen eingehen; auch dort herrscht wieder ein besonderes Problem für die Jugendlichen in den Randregionen –: Es gibt Ungleichbehandlungen zwischen SchülerInnen und Lehrlingen, obwohl wir im zustän­digen Ausschuss am Dienstag gehört haben, dass das vom Gesetz her so nicht sein sollte oder sein dürfte. Aber der Alltag zeigt, dass dem doch so ist. Ich halte es daher für einen guten Ansatz, Frau Staatssekretärin, dass Sie erklärt haben, dass diese Situation einmal evaluiert und näher angesehen werden sollte. – Ich denke, die Jugend­lichen haben das verdient. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.23

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


13.23

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erfreulich ist, dass die Bundesregierung bereit ist, die Schulfahrtbeihilfen auch für Schulveranstaltungen zu gewähren.

Es ist eine alte, langjährige freiheitliche Forderung, dass Lehrlinge gleich viel wert sein müssen wie Schüler allgemein bildender Schulen. Von Frau Staatssekretärin Haubner ist auch die Wiedereinführung der Heimfahrtbeihilfe für Lehrlinge gefordert worden beziehungsweise ist das in Ausarbeitung. Ich hoffe, dass das auch in Zukunft möglich sein wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lehrlinge, die heute der Ausbildung beziehungs­weise unserer Unterstützung bedürfen, sind das Rückgrat für unsere Wirtschaft von morgen. Wir alle sind gefordert und sollten uns gemeinsam darum bemühen, den Lehrlingen jenen Stellenwert zukommen zu lassen, der ihnen gebührt.

Die Richtlinien für die Freifahrt für alle Schüler von Fachschulen sind sehr gerecht. Wir alle sollten uns sehr über die jungen Menschen freuen, die in Zukunft überhaupt eine Fachschule für Soziales, für Landwirtschaft, für Gewerbe oder Tourismus besuchen wollen. Es ist und wäre auch eine Pflicht, dass die Kosten für die Berufsschulpflicht nicht von den Arbeitgebern, sondern von der öffentlichen Hand – wie das zum Beispiel im Bundesland Kärnten durch Landeshauptmann Haider möglich ist – getragen werden. Dies sollte für ganz Österreich eingeführt werden! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Prutsch.)

13.25

 



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Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Haubner. – Bitte.

 


13.25

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich freue mich, dass das ein Tagesordnungspunkt ist, der von den bisherigen Rednerinnen und Rednern einhellig als ein positiver Beitrag zur Verbesserung der Situation von Schülerinnen und Schülern in der berufsbildenden Phase, in der berufsbildenden Ausbildung gesehen wird. Es ist auch für mich als eine, die aus diesem Schulwesen kommt, immer ein sehr großes Anliegen gewesen, dass wir die vom Lehrplan vorgesehenen Praktika auch finanziell in der Form unterstützen, dass es eben nicht zur Fahrtkostentragung oder zu anderen finanziellen Belastungen kommt.

Ich freue mich daher sehr, dass es heute zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen wird, denn das ist letztendlich eine Maßnahme, um die Situation der jungen Menschen in der Arbeitswelt zu verbessern – zwar eine kleine, aber trotzdem eine sehr, sehr wichtige Maßnahme.

Ich nehme auch sehr ernst, was vom Vorredner von der SPÖ gesagt wurde, dass wir uns nämlich überlegen müssen, das Angebot an Praktika-Plätzen so weit wie möglich zu verbessern. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass den Schulen diesbezüglich ein sehr großer Auftrag zukommt und dass das in den Schulen sehr unterschiedlich gehandhabt wird. In manchen Bereichen wird auch von der Schule große Unter­stützung gegeben. Vor zehn Jahren war die Situation noch etwas leichter und besser, aber auch damals war es notwendig, Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, sie zu beraten und zu begleiten. Es ist auch Aufgabe der Schulen, den Kontakt mit der Wirtschaft rechtzeitig zu suchen. 

Ich glaube nicht, dass man hier gesetzlich etwas vorschreiben soll, sondern nur die Situation dementsprechend in den zuständigen Gremien beachten sollte.

Das Zweite, was immer angesprochen wurde, waren die Heimfahrtbeihilfen, der Fahrtkostenzuschuss, die Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge. Ich möchte hier sagen: Gott sei Dank gibt es die Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge zum Wochenende für die Heimfahrten wieder! Diese wurde ja einmal eingeführt, wurde dann von einer früheren Regierung abgeschafft, und sie wurde jetzt von dieser Bundesregierung wieder eingeführt.

Ich stimme mit dir, lieber Kollege Kampl, voll überein, dass wir keine großen Unter­schiede zwischen jenen, die in Schulausbildung sind, und jenen, die bereits arbeiten, machen dürfen.

Ich bin sehr froh darüber, dass gerade Kärnten immer wieder Impulse gibt, wie man den Status und die Unterstützung der Lehrlinge in ihrer Berufsausbildung forcieren kann. Daher sage ich ganz klar: Die Heimfahrtbeihilfe für Lehrlinge ist eine gute Errungenschaft, die wir wieder eingeführt haben.

Ich habe auch in einer Ausschusssitzung gesagt: Wir werden uns anschauen – da von manchen Abgeordneten die Kritik gekommen ist, hier gebe es Ungerechtigkeiten –, wir werden vergleichen, wir werden evaluieren, ob es diese Ungerechtigkeiten wirklich gibt oder ob das nur eine Meinung ist, die manche haben. Aber ich glaube, wenn wir die Fakten auf dem Tisch haben, dann wissen wir auch, worüber wir reden.

Wir werden betreffend diese Verbesserung für die Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen rechtzeitig Informationen geben. Die zuständige Abteilung arbeitet bereits aus, welche Informationen rechtzeitig an die Schulen kommen müssen, damit jeder darüber Bescheid weiß. Es soll nicht so sein, dass wir dann ein gutes


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Angebot haben, aber viele nicht wissen, wie sie dieses Angebot annehmen können. (Präsidentin Haselbach übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es werden in etwa – auf Grund unserer Berechnungen – 60 000 Schülerinnen und Schüler davon betroffen sein; der Betrag, was es kosten wird, wurde ja schon erwähnt. Es ist möglich – auch in Absprache mit dem Finanzminister –, hier durch Umschich­tungen die finanzielle Sicherheit für die nächste Zeit zu gewährleisten.

Ich sehe das auch als eine wichtige familienpolitische Leistung, als eine Leistung, die in das gesamte große Paket der monetären Leistungen dieser Bundesregierung für die Familien hineinpasst. Neben der Schulfreifahrt, neben den Fahrtenbeihilfen, neben der Unterstützung für Familien in schwierigen Situationen stellt das eine gute familien­politische Leistung dar, und wir schließen damit eine Lücke im Gesamtsystem.

Ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich dafür, dass Sie, meine Damen und Herren des Bundesrates, das auch positiv sehen und das auch in Ihrem Beschluss dann zum Ausdruck bringen werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.30

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


13.31

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Sie haben sich zu Recht schon im Vorhinein über die Zustimmung der Grünen gefreut: Ja, wir werden diesem Punkt zustimmen. Ich halte es für eine sehr positive Änderung, dass der Fahrtkosten­zuschuss für Praktika ausgeweitet wird, auch wenn das gleichzeitig ein Anlass dazu ist, daran zu denken, dass es in der Vergangenheit für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Studierende Zeiten gab, in denen größere Vergünstigungen – es gab auch noch schlechtere Zeiten – möglich waren. An diese Zeiten erinnere ich mich doch hin und wieder ganz gerne – und vielleicht wird es solche auch eines Tages wieder geben.

Tatsache ist jedenfalls, dass Praktika einen unverzichtbaren und sehr bereichernden Teil des Unterrichts und auch des Lebens junger Menschen darstellen. Im Sinne der Chancengleichheit muss es deshalb allen Schülerinnen und Schülern möglich sein, an Praktika teilzunehmen. Einerseits muss eine solche Teilnahme von finanziellen Hinter­gründen der Familie unabhängig sein, andererseits aber auch von geographischen Bedingungen. Wir haben ja schon gehört, dass es für Schülerinnen und Schüler, die eher in Randgebieten wohnen, sehr schwierig ist, Praktika überhaupt zu finden, vor allem haben sie ja eine viel kleinere Auswahl als zum Beispiel jemand, der in einer Stadt wie Wien wohnt, wo es diesbezüglich eine große Auswahl an Branchen und Möglichkeiten gibt.

Aber es gibt auch in diesem Gesetz einige Ausnahmen, und diese möchte ich hier anführen. So zum Beispiel sind Schülerinnen und Schüler, die Privatschulen besuchen, von diesem Gesetz ausgenommen; sie können also nicht um einen Fahrtkosten­zuschuss für Praktika ansuchen. Gerade die Eltern von Schülerinnen und Schülern aus Privatschulen sind ja schon durch den Beitrag, den sie dort zu zahlen haben, finanziell belastet. Es gibt vielleicht die Vorstellung, dass Privatschulen etwas Elitäres seien: Das ist aber nicht der Fall, sondern das sind eben lediglich privat organisierte Schulen, die zum Beispiel auch alternative Unterrichtsmöglichkeiten anbieten.

Wer also für seine Kinder eine Schule möchte, die nicht wie die rein staatliche funktioniert, ist a priori finanziell belastet – und kann für seine Kinder auch keinen


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Fahrtkostenzuschuss in Anspruch nehmen; dasselbe gilt auch für Praktika, die im Ausland stattfinden. Da, meine ich, müsste es schon möglich sein, eine Regelung zu finden, sodass TeilnehmerInnen eines Praktikums zumindest die Reisekosten in das Ausland in irgendeiner Form ersetzt erhalten, denn Internationalität ist in der Wirtschaft Tag für Tag gefordert. Auslandsaufenthalte sind doch zum Beispiel für Studierende gang und gäbe, sind geradezu unverzichtbar in einem Lebenslauf, um sich beruflich weiterentwickeln zu können.

Wenn jemand schon während der Schulzeit an einem Praktikum im Ausland teilneh­men möchte, dann sollte es doch, wie ich meine, möglich sein, jungen Menschen diese Möglichkeit bereits in relativ jungen Jahren zu bieten. Auch das ist allerdings in diesem Gesetz nicht berücksichtigt – und das finde ich sehr schade, da Auslandsaufenthalte nicht nur für eine spätere berufliche Entwicklung sehr viel bringen, sondern auch ein guter Anstoß dafür sind, sich sprachlich weiterzuentwickeln! Und vor allem für junge Menschen ist das eine lohnenswerte Investition, denn da lernt man Sprachen noch um einiges schneller als dann, wenn man bereits im Berufsleben steht. Auch für die persönliche Entwicklung von jungen Menschen wäre es sehr wichtig, es diesen zu ermöglichen, mehr ins Ausland zu reisen.

Es gibt also den einen oder anderen Kritikpunkt, wobei ich hoffe, dass diese jetzt angekommen sind und bei der nächsten Gesetzesnovelle Berücksichtigung finden werden. Im Großen und Ganzen freuen wir uns aber, diesem Gesetz zustimmen zu können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.34

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fraunschiel. – Bitte.

 


13.35

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Minis­ter! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Uns allen ist es ein Bedürfnis, für die Jugend die besten Ausbildungschancen und Rahmenbedingungen zu schaffen. Das zeigt ja auch die Einhelligkeit, die darüber herrscht.

An die jungen Leute werden heute andere Anforderungen gestellt: Neben dem Fach­wissen ist Teamfähigkeit, ist Berufserfahrung, ist Praxis gefordert. Das ist sicherlich auch einer der Gründe dafür, dass gerade die berufsbildenden Schulen in den letzten zehn Jahren einen Anstieg der SchülerInnenzahl um 13 Prozent verzeichnen konnten.

Die Lehrpläne sind gerade da sehr praxisorientiert ausgerichtet. Die verschiedenen Schultypen, in denen Praktika im Lehrplan vorgesehen sind, wurden ja bereits aufge­zählt: Krankenpflegeschulen, technische Lehranstalten, Hotelfachschulen, land- und forstwirtschaftliche Schulen oder etwa Gartenbaufachschulen; Schultypen also, in denen die Jugendlichen besonders gut auf den Berufseinstieg vorbereitet werden. Bisher galt die Schulfahrtbeihilfe für den Weg von und zur Schule, nun wird diese auch den Weg zu Praktika umfassen.

Die Zustimmung hiezu erfolgt einhellig, allerdings wurden Ergänzungswünsche ange­bracht. Im Ausschuss hörte ich, dass da besonders die Berufsschüler angesprochen wurden und die Frage gestellt wurde: Was ist mit den Schülerinnen und Schülern, die in einer Berufsschule sind und am Wochenende nach Hause fahren müssen? – Ich habe dazu gehört: Gerade für diese Berufsschüler gibt es die Schulfahrtbeihilfe, genauso wie es sie für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Praktika geben wird.

Auslandsaufenthalte – da sind wir vollkommen einer Meinung – stellen für junge Leute eine wichtige Erfahrung dar; man wird ja sehen, wie weit auch da eine Unterstützung


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möglich ist. – Ich meine jedenfalls, eine Aufgabe wäre es, die jungen Leute auf die vielen EU-Programme aufmerksam zu machen, sodass diese von Österreichern vermehrt genutzt werden.

Was die Privatschulen anlangt, so gilt, soviel ich weiß, die Schulfahrtbeihilfe für alle Schulen mit Öffentlichkeitsrecht, also auch für Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht.

Ich freue mich, dass die Zustimmung zu diesem Gesetz so einhellig erfolgt, und ich freue mich weiters, dass ich zum ersten Mal im Bundesrat zu einer Gesetzesvorlage dieser Art sprechen kann, denn: Beruflich komme ich zwar aus der Erwachsenen­bildung, mache aber im WIFI auch Berufslehrpfade, wo wir die jungen Leute darauf vorbereiten, wie sie zu einer richtigen und guten Berufsentscheidung kommen; daher ist mir dieses Thema besonders wichtig. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen, der SPÖ und der Grünen.)

13.38

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


13.38

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Frau Minister! Gospa ministrica! Frau Staatssekretärin! Gospa drzavna sekretarka! Auch ich freue mich, so wie all meine Vorredner, über dieses Gesetz. Die Neudefinition des Schulweges und die Möglichkeit, für Fahrten zum Praktikum Schülerfreifahrt in An­spruch nehmen zu können, ist selbstverständlich zu begrüßen und zu befürworten, stellt das doch – um die Worte von Frau Kollegin Diesner-Wais zu verwenden – eine wesentliche Erleichterung für die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern dar.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden selbstverständlich dieser Gesetzesänderung zustimmen, handelt es sich doch dabei um eine langjährige For­derung der SPÖ, etwas, das eine wichtige, bildungspolitisch relevante Maßnahme darstellt.

Nunmehr möchte ich speziell auf einen Kritikpunkt eingehen, den ich schon im Ausschuss angesprochen habe, und zwar geht es dabei um das Problem mit den Lehrlingen.

Ich möchte Kollegen Kampl zitieren, weil mir sein Ausspruch so gut gefallen hat: „Die Lehrlinge ... sind das Rückgrat für unsere Wirtschaft von morgen!“ – Ja, das stimmt. Und auch diese, meine Damen und Herren, sollen zumindest die finanzielle Unter­stützung in voller Höhe bekommen. Welche Lehrlinge sind da gemeint? – Gemeint sind diejenigen, die eine mehrwöchige Ausbildung in einer Internatsschule machen und nur einmal im Monat eine Pauschale bekommen.

Von der Frau Staatssekretärin habe ich gehört, dass es diese Schulfahrtbeihilfe, die jetzt eingeführt worden ist, selbstverständlich gibt. Ich bin auch sehr froh darüber, dass es diese gibt. Ich werde jetzt aber anhand eines ganz normalen Rechenbeispiels aufzeigen, wie viel die Lehrlinge in diesem Fall dazuzahlen müssen:

Ich kenne zwei Internate in Villach, die am Wochenende geschlossen haben – und zwar aus Kostengründen, meine Damen und Herren! Die Lehrlinge müssen nach Hause fahren. Eine Fahrt von Villach nach Völkermarkt mit der Bahn kostet 18 €. Das ist kein begünstigter Tarif, wie es mir im Ausschuss gesagt wurde, weil diese Lehrlinge 19 Jahre alt sind und daher keine begünstigten Tarife bekommen. Wenn ich die Rückfahrt, das heißt, jene vom Wohnort wieder zur Schule, von Völkermarkt nach Villach, dazurechne, dann macht das noch einmal 18 €. Insgesamt muss der Schüler für Hin- und Rückfahrt 36 € ausgeben. Wenn er das vier Mal im Monat machen muss, sind das insgesamt 144 €. Weil es vom Kilometerstand her praktisch eine Frei-


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fahrtbeihilfe für 50 Kilometer ist, bekommt der Lehrling eine Abgeltung von 19 € im Monat.

Meine Damen und Herren! Diese 144 € müssen die Lehrlinge erstens aus der eigenen Tasche zahlen, und das bitte bei einem Verdienst im letzten Lehrjahr von, schon hoch gerechnet, 408 €, sodass ihnen 332 € bleiben. 408 € verdient bitte ... (Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer.) – Netto, bitte! Netto! (Bundesrätin Gansterer: Aber nicht im letzten Lehrjahr!) – Im letzten Lehrjahr verdient zum Beispiel ein Handelsangestellter nicht mehr, er verdient absolut nicht mehr. Schauen Sie sich bitte die Kollektivverträge an, Frau Kollegin! Das ist leider nicht mehr.

Um noch einmal auf dieses Problem zurückzukommen: Dieses Geld, diese 1 728 €, die ein Lehrling dort pro Jahr für Fahrtkosten ausgeben muss, kann er im Nachhinein mittels Jahresausgleichs rückwirkend geltend machen. Wie wir aber alle wissen, kann er den Betrag, den er ausgegeben hat, beim Jahresausgleich selbstverständlich nicht zu 100 Prozent, nicht in der ganzen Höhe rückwirkend geltend machen. – Das wäre die Problematik, dargestellt anhand eines praktischen Beispiels, bei Lehrlingen.

Wie am Anfang gesagt, bin ich sehr froh, dass es zu dieser Änderung kommt, der wir selbstverständlich zustimmen werden. Ich würde aber darum bitten, dass man auch den Lehrlingen, die wirklich „das Rückgrat für unsere Wirtschaft von morgen“ sind, Hilfe gewährt, auf sie Bedacht nimmt und auf sie eingeht.

Vielleicht noch kurz etwas zu diesem Antrag für Freifahrtausweise. (Die Rednerin hält das entsprechende Formular in die Höhe.) Ich habe als Klassenvorstand einer Berufs­schulklasse – zurzeit ist es die 1. Klasse – am Ende des Schuljahres meinen Schülern solche Anträge ausgeteilt. Und bis jetzt hat jedes öffentliche Verkehrsunter­nehmen einen eigenen Antrag verlangt. Was ich sehr begrüße, ist die jetzige Änderung, dass es nur noch einen Antrag gibt. Eine Schülerin, die von ihrem Wohnort bis Velden mit der Bahn und von Velden nach Villach mit dem Bus fährt, hat bisher nämlich zwei Anträge gebraucht. Noch einmal: Ich begrüße diese Änderung.

Das Zweite, was ich hier ansprechen möchte, ist Folgendes: Die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, die diese Anträge bearbeiten, werden ein großes zeitliches Problem haben. Im vorigen Jahr war der Stichtag am 20. September, bis dahin konnten die Schülerinnen und Schüler ohne Freifahrtausweis die öffentlichen Verkehrsmittel auf dem Schulweg benutzen. Ich möchte gerne wissen, wie lange heuer dieser Zeitraum ist, ob der Stichtag 20. September noch immer gilt oder ob das geändert wird.

Im Grunde genommen muss man bei so einem Gesetz selbstverständlich Positives und Negatives abwägen. In diesem Fall überwiegt das Positive, deswegen werden wir dieser Änderung des Gesetzes zustimmen. – Danke. (Die Rednerin setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.) – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie des Bundesrates Ing. Kampl. – Rufe bei den Grünen: Was hast du jetzt gesagt?)

13.46

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Haubner. – Bitte.

 


13.45

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Ich möchte nur auf die Frage von Frau Kollegin Blatnik antworten. Sie hat den Stichtag des Vorjahres, den 20. September erwähnt, bis zu dem die Möglichkeit besteht, die öffentlichen Verkehrsmittel ohne Freifahrtausweis zu benutzen. Es hat sich insofern nichts geändert, die Frist ist immer bis zu vier Wochen nach Schulbeginn.

13.46

 



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712. Sitzung / Seite 84

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? (Bundesrätin Mag. Neu­wirth: Nein!) – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücks­fällen (468 d.B. und 594 d.B. sowie 7093/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend Beendigung des Über­einkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Konformitätsnachweisen (513 d.B. und 595 d.B. sowie 7094/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur Gründung einer Euro­päischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraumorganisation über den Schutz und Austausch von der Geheimhaltung unterliegenden Infor­mationen (411 d.B. und 596 d.B. sowie 7095/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Rechtsstellung des zum Militärstab der Europäischen Union abgestellten beziehungsweise abgeordneten Militär- und Zivilpersonals, der Hauptquartiere und Truppen, die der Europäischen Union gegebenenfalls im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der Aufgaben im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, einschließlich Übungen, zur Verfügung gestellt werden, sowie des Militär- und Zivilpersonals der Mitgliedstaaten, das der Europäischen Union für derartige Aufgaben zur Verfügung gestellt wird (EU-Truppenstatut) samt Erklärungen (457 d.B. und 597 d.B. sowie 7096/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Ansprüche eines


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Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat wegen Beschädigung von in seinem Eigentum stehenden, von ihm genutzten oder betriebenen Sachen oder wegen Körperverletzung oder Tod von Mitgliedern des Militär- oder Zivil­personals seiner Einsatzkräfte im Rahmen einer Krisenbewältigungs­operation der Europäischen Union (519 d.B. und 598 d.B. sowie 7097/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend einen Beschluss der im Rat der Europäischen Union vereinigten Vertreter der Regierungen der Mit­gliedstaaten betreffend die Vorrechte und Immunitäten von ATHENA (515 d.B. und 599 d.B. sowie 7098/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Anhängen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll (549 d.B. und 600 d.B. sowie 7099/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 bis 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstatterin zu allen Punkten ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich darf sie um die Berichte beziehungsweise um die jeweilige Antragstellung bitten.

 


Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen. – Der Bericht ist Ihnen bekannt und liegt vor, ich darf daher auf eine Verlesung verzichten.

Ich möchte nur erwähnen: Da der vorliegende Staatsvertrag Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG. Die in dessen Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 8 Absatz 1 und 2 enthaltenen Bestimmungen sind zudem verfas­sungsändernd und bedürfen daher gemäß Artikel 50 Absatz 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Absatz 2 B-VG ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und

3. den in Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 8 Absatz 1 und 2 enthaltenen verfassungs­ändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Absatz 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich darf weiters über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend Beendigung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungs­zeugnissen und Konformitätsnachweisen berichten. – Der Inhalt ist ebenfalls bekannt.


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Ich darf daher zur Antragstellung kommen: Der Ausschuss für auswärtige Angelegen­heiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und

3. den im Artikel 2 Absatz 3.1 bis 3.4, Artikel 6 Absatz 2 bis 4, Artikel 8, Artikel 9 Absatz 1, 2 und 4, Artikel 10 Absatz 4 enthaltenen verfassungsändernden Bestim­mungen gemäß Artikel 50 Absatz 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich berichte weiters über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur Grün­dung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraum­organisation über den Schutz und Austausch von der Geheimhaltung unterliegenden Informationen.

Der Inhalt ist Ihnen ebenfalls bekannt, weshalb ich zur Antragstellung komme:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Rechtsstellung des zum Militärstab der Europäischen Union abgestellten beziehungs­weise abgeordneten Militär- und Zivilpersonals, der Hauptquartiere und Truppen, die der Europäischen Union gegebenenfalls im Rahmen der Vorbereitung und Durch­führung der Aufgaben im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, einschließlich Übungen, zur Verfügung gestellt werden, sowie des Militär- und Zivilpersonals der Mitgliedstaaten, das der Europäischen Union für derartige Aufgaben zur Verfügung gestellt wird samt Erklärungen.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und


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2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich berichte weiters über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Ansprüche eines Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat wegen Beschä­digung von in seinem Eigentum stehenden, von ihm genutzten oder betriebenen Sachen oder wegen Körperverletzung oder Tod von Mitgliedern des Militär- oder Zivil­personals seiner Einsatzkräfte im Rahmen einer Krisenbewältigungsoperation der Europäischen Union.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich berichte weiters über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend einen Beschluss der im Rat der Europäischen Union vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten betreffend die Vorrechte und Immunitäten von Athena.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Mein letzter Bericht ist jener über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Anhängen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Ich darf nur erwähnen: Auch beim Antrag zum letztgenannten Bericht wurde im Ausschuss Stimmeneinhelligkeit erzielt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. (Bundesrat Bieringer: Was?)

 


13.57

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das „Was?“ von Kollegen Bieringer möchte ich kurz erklären, ich habe das ja schon im Ausschuss angedeutet.

Meine Damen und Herren! Ich werde jetzt nicht Stellung nehmen – wir haben im Ausschuss mit Herrn Botschafter Generalsekretär Kyrle eine sehr ausführliche Erörterung all dieser Fragen zur ESA, zum EU-Truppenstatut und so weiter gehabt. Ich habe aber im Ausschuss auch gesagt, dass ich zum Tagesordnungspunkt 14, dem Abkommen der EU mit Chile, eine Zustimmung im Ausschuss sozusagen unter Vorbehalt der heutigen Plenardebatte gebe. Wenn die grüne Fraktion einen Tages­ordnungspunkt ablehnt, dann müssen Sie, meine Damen und Herren, uns auch die Möglichkeit geben – ich halte das für einen Akt der Höflichkeit –, zu erklären, warum.

Professor Konecny hat heute in der Früh in der Debatte über die Mediengesetze den parlamentarischen Gang, die Nichtmöglichkeit einer entsprechenden Beratung kritisiert. Meine Damen und Herren! Auch das vorliegende Abkommen zwischen Chile und der Europäischen Union – es ist nach jenem mit Mexiko, welches 2001 geschlossen wurde, das zweite Abkommen mit einem lateinamerikanischen Land – ist von seinem parlamentarischen Zustandekommen her äußerst hinterfragenswürdig.

Es ist unseren sozusagen Kollegen im chilenischen Parlament in der heißen Phase nicht einmal eine spanischsprachige Version vorgelegen. Und man hat dieses Ab­kommen, ohne den Inhalt des Textes auf Spanisch zu kennen, abgestimmt.

Zum anderen: Im Europäischen Parlament wollte man dieses Abkommen nicht im Ausschuss beraten. Das ist erst später auf Druck von verschiedenen Seiten möglich


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gewesen. Aber auch im Außenausschuss des Europäischen Parlaments ist das im Eilzugstempo abgewickelt worden, sodass nicht einmal Abänderungsanträge gestellt werden konnten. – Das ist der erste Punkt, nämlich Fragen des Procedere.

Das Zweite ist der Inhalt: Es geht um diese Fourth-Generation-Plus-Abkommen, also um eine neue Generation von Verträgen, und ich möchte darauf aufmerksam machen, dass auch in diesem Zusammenhang, wie bei allen WTO-Gipfeln, zahlreiche Bürgerin­nen und Bürger gegenüber allzu großer Liberalisierung beziehungsweise Liberalisie­rungsbestrebungen ihre Stimme erheben. – Bei internationalen Konferenzen ist der NGO-Bereich und auch der Bereich der Zivilgesellschaft heute praktisch immer fixer Tagesordnungspunkt. Und derartige Liberalisierungen sind nun auch in diesem Ab­kommen im Übermaß zu finden, insbesondere eine weitgehendste Liberalisierung des Dienstleistungssektors.

Auch die öffentlichen Ausschreibungen werden zu hundert Prozent liberalisiert. Das sind die Grundlagen dieses Vertrages.

Noch dazu wurde ein Sustainability Impact Assessment von einer Luxemburger Firma durchgeführt, und zwar nur auf Grund von Statistiken, man hat aber weder mit chilenischen Organisationen noch mit Vertretern des chilenischen Volkes oder mit Interessenvertretungen dort gesprochen. Es handelt sich also quasi um eine Retorten­studie.

Meine Damen und Herren! Dieser Weg, Abkommen mit Staaten der Dritten Welt, mit Staaten Lateinamerikas, Afrikas oder Asiens zu schließen, entspricht nicht unseren Vorstellungen! Aus diesem Grund werden wir – und sei es nur symbolisch – diesem Abkommen unsere Zustimmung verweigern. Das wollte ich Ihnen mit dieser kurzen Rede begründen, damit Sie wissen, warum wir nein sagen. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.02

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­minister Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

 


14.02

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Lieber Herr Abgeordneter Schennach! Sie werden sich vorstellen können, dass ich auf Ihre Ausführungen antworten muss, denn ich finde es wirklich schade, dass wie schon Kollegin Lunacek im Nationalrat jetzt auch Sie hier im Bundesrat diesem Abkommen zwischen der EU und Chile nicht zustimmen.

Es handelt sich hiebei um ein gemischtes Abkommen, das heißt, es ist dies ein Ab­kommen, das von der Kommission ausverhandelt wird, das aber auch von allen Mitgliedstaaten natürlich gemeinsam approbiert beziehungsweise ratifiziert werden muss. Es geht hier um ein ganz wesentliches Abkommen noch dazu mit jenem Staat, der in Südamerika – wie ich meine – die größte Stabilität aufweist und der auch ganz bewusst zeigt, wie man heute wirtschaftlich die Anknüpfung an die Europäische Union durchführt und damit auch den Einfluss der Vereinigten Staaten zurückdrängt.

Sie haben nun einige Punkte genannt. Ich möchte Ihnen aber dazu sagen, dass man immer das Gesamtabkommen sehr genau studieren muss, um einschätzen zu können, wie wirklich gewichtet wurde. Hier geht es ausdrücklich um eine WTO-konforme und schrittweise Liberalisierung, wie sie auch durch das Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission gefordert wurde.

Die Einhaltung der WTO-Bestimmungen wie zum Beispiel der Meistbegünstigungs­klausel oder auch die nationale Behandlung stellen die Ausgangsbasis für den


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sinnvollen Abbau von Handelsschranken dar. Das ist etwas, was wir alle als absolut richtig ansehen.

Ich möchte Ihnen auch sagen, dass in keinem Abkommen beispielsweise so oft auf die Wahrung der Menschenrechte hingewiesen wird wie in diesem Abkommen. Damit werden die Minderheiten gewahrt. Außerdem ist es wesentlich, dass „good gover­nance“ angesprochen wird, also eine gute Regierungsführung. Damit verbunden ist ein regelmäßiger politischer Dialog mit Chile. Zudem gibt es einen eigenen Assoziations­rat.

Ich glaube, dass man somit die richtige Generation von neuen Verträgen mit der Europäischen Union eingeleitet hat, und es ist wirklich schade, wenn man hier einzelne Punkte herausgreift, die natürlich nicht 100 Prozent von dem beinhalten, was wir alle hier uns wünschen. Aber in jedem Abkommen – und dieses ist lange und sehr ausführlich verhandelt worden – ist irgendwo auch ein Kompromiss zu erzielen, und es handelt sich hiebei um einen sehr guten Kompromiss.

Es wurde auch immer wieder gesagt, dass sich ein demokratiepolitisches Defizit bei der Ausarbeitung und Genehmigung dieses Abkommens bemerkbar macht. – Dazu möchte ich Ihnen aber sagen, dass im Internet sogar der Bericht der Plenar­ver­sammlung frei zugänglich war und dass damit natürlich auch NGOs die Chance hatten, sich voll einzuklinken und ihre Ablehnung zu äußern oder auch Zusatzfragen anzusprechen.

Das heißt: Vieles von dem, was gerade von Ihrer Partei gesagt wurde und was auch Sie jetzt kurz erwähnt haben, ist in dieser Form überzogen. Es ist schade, wenn wir diesem Abkommen nicht zustimmen. Es ist ein gemischtes Abkommen, das heißt, wir alle müssen mitratifizieren, sonst würde dieses Abkommen nicht in Kraft treten. Ich glaube, das übergeordnete Interesse ist klar, und ich habe jetzt versucht, es in kurzen Worten anzusprechen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.06

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt natürlich getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemiti­schen Königreich Jordanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Der gegenständliche Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder, die der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedürfen.

Da die in dessen Art. 3 Abs. 1 und Art. 8, Abs. 1 und 2 enthaltenen Bestimmungen zudem verfassungsändernd sind, bedürfen diese gemäß Artikel 50 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 44, Abs. 2 B-VG ebenfalls der Zustim­mung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 90

Ich stelle nun die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung darüber, den im Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 und 2 des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates enthaltenen verfas­sungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte die Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich noch einmal die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend Beendigung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Konformitätsnachweisen.

Der gegenständliche Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder, die der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedürfen.

Da die in dessen Art. 2 Abs. 3.1 bis 3.4, Art. 6 Abs. 2 bis 4, Art. 8, Art. 9 Abs. 1, 2 und 4 und Art. 10 Abs. 4 enthaltenen Bestimmungen zudem verfassungsändernd sind, bedürfen diese gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgege­benen Stimmen.

Ich stelle neuerlich die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest, und bitte Sie, das auch gleich als Hinweis dafür zu nehmen, auch bei den nächsten Abstimmungen, bei welchen ebenfalls ein erhöhtes Quorum verlangt wird, anwesend zu sein.

Ich bitte jetzt die Bundesrätinnen und Bundesräte, welche dem Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 91

Ich bitte die Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung, den im Art. 2 Abs. 3.1 bis 3.4, Art. 6 Abs. 2 bis 4, Art. 8, Art. 9 Abs. 1, 2 und 4 und Art. 10 Abs. 4 des vorliegenden Beschlusses des Nationalrats enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte wieder um ein Handzeichen, wenn Sie diesem Antrag zustimmen. – Auch hier ist wieder Stimmeneinhelligkeit gegeben.

Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit hier im Hause fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Überein­kommens zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Euro­päischen Weltraumorganisation über den Schutz und Austausch von der Geheim­haltung unterliegender Informationen.

Zunächst ersuche ich die Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters lasse ich über den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, abstimmen.

Wer für diesen Antrag ist, den darf ich um ein Handzeichen bitten. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Rechtsstellung des zum Militärstab der Europäischen Union abgestell­ten beziehungsweise abgeordneten Militär- und Zivilpersonals, der Hauptquartiere und Truppen, die der Europäischen Union gegebenenfalls im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der Aufgaben im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union, einschließlich Übungen, zur Verfügung gestellt werden, sowie des Militär- und Zivilpersonals der Mitgliedstaaten, das der Europäischen Union für derartige Aufgaben zur Verfügung gestellt wird – es ist dies das EU-Truppenstatut –, samt Erklärungen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, wer mit diesem Antrag einverstanden ist, ein Handzeichen zu geben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr stimmen wir über den Antrag ab, dem vorliegenden Beschluss des National­rats gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 92

Ich bitte, die Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ebenfalls angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 9. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Ansprüche eines Mitgliedstaates gegen einen anderen Mitgliedstaat wegen Beschädigung von in seinem Eigentum stehenden und von ihm genutzten oder betriebenen Sachen oder wegen Körperverletzung oder Tod von Mitgliedern des Militär- oder Zivilpersonals seiner Einsatzkräfte im Rahmen einer Krisen­bewältigungs­operation der Europäischen Union.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er wieder der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte die Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Die Stimmeneinhelligkeit ist gegeben. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte die Bundesrätinnen und Bundesräte, diesem Antrag mit Handzeichen zuzu­stimmen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 9. Juli 2004 betreffend einen Beschluss der im Rat der Europäischen Union vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten betreffend die Vorrechte und Immuni­täten von ATHENA.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte die Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist wieder die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Anhängen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll.


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 93

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15. Punkt

Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fort­schreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2004–2006 (III-256-BR/2004 d.B. sowie 7100/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Gottfried Kneifel: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich darf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Bericht der Bundesministerin für auswärtigen Angelegenheiten betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2004 bis 2006 zur Kenntnis bringen. Er lautet:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2004 bis 2006 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


14.19

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Präsidentin! Werte Frau Minister! Hohe Mitglieder des Bundesrates! Der vorliegende Bericht hat sehr viele auch positive Elemente, die erwähnt werden müssen, und ich beginne nun damit.

Positiv soll herausgestrichen werden, dass es mit dem Dreijahresprogramm gelungen ist, den Vertretern der Nicht-Regierungsorganisationen wieder eine halbwegs be­rechen­bare Basisorientierung für ihre Aufgaben zur Verfügung zu stellen.

Das Dreijahresprogramm hat formal auf die Milleniumsziele Rücksicht genommen und ist vielfach darauf ausgerichtet.

Insbesondere möchte ich das Kapitel 7 hervorheben, in dem die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, die Bildungs- und Kulturarbeit besonders herausgestrichen werden, wofür diesmal auch ein klarer Ansatz vorgesehen ist. Es wird erkannt, dass die Aufklärung der österreichischen Bevölkerung, die Bewusstseinsbildung der öster­reichischen Bevölkerung wesentliche Erfolgskriterien, wesentliche Erfolgsfaktoren für die Erreichung der Milleniumsziele sind. Das bedeutet, das Einverständnis der Bevölkerung zu erobern für die Erreichung der Milleniumsziele, die ja, in Zahlen festgemacht, mehr als 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens ausmachen sollten.

Und nun zu den Begründungen, warum die sozialdemokratische Fraktion es trotzdem ablehnt, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Wir lehnen ab mit folgender Begrün­dung:


Bundesrat
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Erstens, Frau Ministerin: Sie bedienen sich zwar in Ihrem Vorwort und der Einleitung einer wohlklingenden und überschwänglichen Programmatik, kündigen einerseits eine höhere Dotierung an (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Wald­ner) – darauf komme ich gleich zu sprechen –, kündigen eine deutliche Erhöhung der Leistungen der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit an, die Wahrheit verbirgt sich aber im Anhang!

Sie bekennen sich zu den Milleniumszielen, behaupten, dass Sie sich im Einklang mit den Beschlüssen des Europäischen Rates von Barcelona befinden, in denen vorge­geben wird, dass die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit auf 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens erhöht werden sollten. – Operativ, praktisch können diese Ankündigungen aber nicht erfüllt werden. Im Gegenteil! Österreich entfernt sich leider wieder mehr von den Milleniumszielen. Allerdings versuchen Sie sehr gekonnt – und das spricht für die Qualifikation der Beamten in Ihrer Abteilung –, zu verschleiern. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner.)

Man kommt dem auf die Schliche, wenn man den Kontakt mit Praktikern sucht. Von diesen wird man darauf aufmerksam gemacht, dass im Anhang, Annex 2: Progno­se­szenario 2003–2006, in der ODA Gesamtrechnung und der Tabelle A nach wie vor für das Jahr 2003 ein Kredit mitgezählt wird, der nicht gewährt werden konnte – aus mir nicht bekannten Gründen, aber vielleicht können Sie mich aufklären! Es wird noch immer ein Betrag von 267 Millionen €, der nicht in Auszahlung gebracht wurde, mitgezählt. Wenn man diese Summe abzieht, so ist Österreich weit entfernt von den Milleniumszielen, dann bewegen wir uns wieder bei 0,2 Prozent.

Es handelt sich, in milden Worten ausgedrückt, um eine beschönigende Darstellung.

Es fehlt auch der Plan, wie Sie das Milleniumsziel 2006 konkret erreichen wollen. Für das Jahr 2006 weisen Sie im Anhang 226 Millionen € aus – mit sehr vagen Hinweisen in den Anmerkungen, dass in bilateralen, multilateralen und interministeriellen Ver­handlungen diese 226 Millionen € zu stabilisieren sind. Also das ist mehr als vage. Wenn man den offenen Betrag von 226 Millionen € herausrechnet, sind wir im Jahr 2006 wieder bei 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens. (Zwischen­bemer­kung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner.) – Ja, Sie können mich aufklären.

Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die sozialdemokratische Fraktion diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen will: eben weil die Transparenz fehlt.

Zweiter Grund: Das Dreijahresprogramm schreibt eine gewaltige Strukturveränderung fest. – Es ist nach wie vor aber Skepsis angebracht, ob Sie, wie Sie ankündigen und versprechen, mit der so genannten Ada, einer eigenen Agentur, die Verwaltungs­abläufe tatsächlich effizienter und flexibler werden gestalten können.

Dritter Punkt: Die in Kapitel 5, Wirtschaft und Entwicklung, angeführten Absichten sind in ihrer endgültigen Absicht nicht wirklich durchschaubar. Die Nicht-Regierungs­organisationen, die Praktiker dort befürchten, dass sich dahinter noch einiges verbirgt, was letztendlich dazu führen könnte, dass die Aufgaben jener Organisationen, die an der Front der Entwicklungszusammenarbeit stehen, durch die Ausschreibungspolitik und ähnliche Maßnahmen in Zukunft erschwert werden und die Förderpolitik weniger durchschaubar bleibt.

Zusammenfassend zum vorgelegten Bericht, mit dem Sie vorgeben, Frau Minister, dass das Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik fortgeschrie­ben werden soll: Es ist offensichtlich sehr engagierten und auch kompetenten Mitarbeitern in Ihrem Ministerium zu danken, dass unzulängliche finanzielle Vorgaben der Politik der Bundesregierung halbwegs kaschiert wurden und trotzdem ein Pro-


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gramm geformt werden konnte, das man zumindest nicht verstecken muss. Der programmatischen Ausrichtung jedenfalls ist zuzustimmen.

Frau Minister, Sie werden, wenn man den Medien glauben darf, als Kandidatin für die Bestellung zur Kommissarin der Entwicklungszusammenarbeit für Brüssel genannt – das ist sicher eine ruhmreiche Aufgabe, für Österreich und auch für Sie persönlich, denke ich –, und daher wäre es wünschenswert, dass Sie, wenn Sie diese Funktion erobern – und ich gehe davon aus –, es leichter haben, sich durchzusetzen, als das für Sie im Moment in der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit Entwicklungsfragen der Fall ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.29

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 


14.29

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich spreche jetzt zu Punkt 15 der heutigen Tagesordnung – Sie, lieber Kollege Gumplmaier, waren, glaube ich, bei einem anderen Punkt, aber das kann auch einmal passieren! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Bei Punkt 15 geht es um die Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Öster­reichischen Entwicklungspolitik, und das ist insgesamt eine Erfolgsgeschichte. Ich darf zu Beginn meiner Ausführungen die primären Ziele und die Prinzipien der öster­reichischen Entwicklungspolitik kurz anschneiden:

Bekämpfung der Armut, Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit, Erhaltung der Umwelt und Schutz natürlicher Ressourcen; weiters die Prinzipien Partner­schaft mit Eigenverantwortung, Integration in das soziokulturelle Umfeld, eine angepasste Technologie – das ist auch sehr wichtig, wie wir wissen –, die Gleich­stellung von Frauen und Männern – das haben Sie, Herr Gumplmaier, anscheinend nicht gelesen, das wird Ihnen nicht gefallen haben – und die Rücksicht auf Bedürfnisse von Kindern und Menschen mit Behinderungen.

Tatsache ist, dass mit dem neuen Entwicklungszusammenarbeitsgesetz 2002 verbes­serte Grundlagen für österreichische Aktivitäten geschaffen wurden. Mit der Schaffung der ADA, der Austrian Development Agency, werden viel effizientere und flexiblere Verwaltungsabläufe gegeben sein. Ich verstehe auch nicht, warum das von vornherein kritisiert wird. Ich bin jedenfalls ein Mensch, der Neuem, natürlich auch einer neuen Agentur, zunächst einmal die Chance geben möchte, zu beweisen, dass damit die Dinge richtig gemacht werden. Aber man kann natürlich schon von Beginn an alles in Frage stellen und beispielsweise pessimistisch sagen: Wenn ich da jetzt hinausgehe, fällt mir ein Dachziegel auf den Kopf; ich bin dann tot, und es ist alles so tragisch! – Aber so sollte man, wie ich meine, nicht denken und auch nicht agieren.

Meine Damen und Herren! Überlegungen in Bezug auf Umschichtungen und Gewich­tungen, warum dieses oder jenes Land mehr beziehungsweise weniger bekommt, werden immer subjektiv sein. Zuwendungen sind dem einen immer viel zu hoch und dem anderen viel zu niedrig; das liegt nun einmal in der Natur der Sache. Das wird man nicht so schnell ändern können.

Entscheidend und wichtig ist dabei jedenfalls, wie ich meine, Kontinuität zu gewähr­leisten bei der Setzung inhaltlicher und regionaler Schwerpunkte, und zwar Kontinuität über Jahre, denn es nützt doch nichts, ein Land einmal zu unterstützen – dort gewöhnt man sich sozusagen daran –, dann aber wird die Unterstützung plötzlich weggenom­men! Damit würde man ein Land doch mehr strafen als unterstützen!


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Im Jahre 2004, also heuer, lieber Kollege Dr. Gumplmaier, wird es die höchste bisher da gewesene Steigerung an Finanzmitteln für bilaterale Projekte geben – und daher ist es wichtig, dieses Erfolgsrezept bis 2006 fortzuschreiben, damit eben Kontinuität gegeben ist.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Zusammenarbeit mit den NGOs – und damit komme ich auf einen Punkt, den Sie, Kollege Gumplmaier, hier ange­schnitten haben; ich habe es mir aufgeschrieben, Sie haben gemeint: es gebe wieder halbwegs eine Zusammenarbeit.

Ich möchte diese Zusammenarbeit ausdrücklich betonen – von manchen hier wird ja immer so der Anschein zu erwecken versucht, als ob in Österreich die Zusam­menarbeit zwischen Bundesregierung und Nicht-Regierungsorganisationen nicht be­sonders gut wäre – und dazu sagen: Nirgendwo in Europa spielen in der Entwick­lungszusammenarbeit NGOs eine so wichtige Rolle wie bei uns in Österreich. Die Stellung der österreichischen NGOs wurde rechtlich abgesichert; das ist eine Tat­sache. 50 Prozent, also die Hälfte aller bilateralen Projektgelder, werden in Öster­reich – in Zusammenarbeit mit dem dafür zuständigen Außenministerium – über NGOs abgewickelt.

Deshalb arbeiten in der neu gegründeten ADA sowohl neue als auch bewährte Mit­arbeiter des Außenministeriums Hand in Hand mit Persönlichkeiten, die bei renom­mierten NGOs einen langjährigen Erfahrungsschatz gesammelt haben. Und das ist, wie ich meine, gut so, denn das bringt die ganze Sache sozusagen erst richtig ins Werden. Im Übrigen: Dafür kann es nie genug Hilfe geben, und daher geben wir diese.

Der diesbezügliche Bericht 2003 der Vereinten Nationen zeichnet, liebe Freunde, ein sehr bedrückendes Bild der Lage der Menschen in vielen Entwicklungsländern und zeigt uns auch, dass wir auf diesem Gebiet gemeinsam – die Betonung liegt auf gemeinsam – noch viel zu tun haben.

So darf ich beispielsweise nur erwähnen, dass in 21 Ländern der Erde ein Großteil der Bevölkerung Hunger leidet; in 14 Ländern sterben heute mehr Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, als das noch vor zehn Jahren der Fall war! In 34 Ländern ist die Lebenserwartung gesunken, was zumeist auf die Ausbreitung von AIDS zurück­zuführen ist.

Österreichs Entwicklungspolitik wird daher in Zukunft die Entwicklung sowie die Sicherheit der Menschen noch stärker in den Vordergrund stellen; etwas, das, wie ich meine, nicht nur Ausdruck von Solidarität mit den vielen Not leidenden Menschen in Entwicklungsländern ist – Solidarität, die wir alle haben sollten! –, sondern gleichzeitig auch einen gewissen Selbstschutz, einen gewissen Eigenschutz aller entwickelten Staaten darstellt, sich vor „weichen Bedrohungen“, wie Sie es genannt haben, Frau Bundesministerin, zu schützen: so unter anderem vor extremer Armut, der Verbreitung tödlich endender Krankheiten beziehungsweise auch der Verschlechterung der Umwelt, et cetera; alles Dinge also, die ja nicht halt machen vor Grenzen.

Wir alle wissen, dass dieses Ungleichgewicht zwischen verschiedenen Teilen, zwi­schen verschiedenen Regionen der Welt stets einen Nährboden für Konflikte, für Terrorismus, Kriminalität, illegale Drogen, Waffenhandel und oft unkontrollierbaren Zuzug und Migration darstellt.

Europas Entwicklungszusammenarbeit geht längst nicht mehr nur nach Afrika, Asien oder Lateinamerika, sondern: Zuwendungen in den Mittelmeerraum, in ehemalige Sowjetstaaten, vor allem aber auch nach Südosteuropa binden einerseits Energien und finanzielle Mittel der EU, dienen aber auch, wie ich meine, dem Abbau einer Zwei-Klassen-Gesellschaft in Europa; etwas, was zweifelsohne auch sehr wichtig ist.


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Die gemeinsamen Milleniumsentwicklungsziele, lieber Herr Dr. Gumplmaier, sind für 2015 gesteckt – und wir sind auf einem guten Weg dorthin. Heuer im Frühjahr, und zwar bei einer Sitzung in Rom im Zusammenhang mit Millennium Development Goals, konnte ich mich persönlich davon überzeugen, welch guten Ruf Österreich, und zwar bei allen Entwicklungsländern, wegen seiner Hilfsbereitschaft und auch seiner tüchtigen Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner hat. Das ist immer wieder betont worden!

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen und folgenden Dank sagen – dieser ist ja bereits ausgesprochen worden –: ein großes Dankeschön an den Herrn Generalsekretär des Außenamtes Dr. Johannes Kyrle sowie an seinen Stell­vertreter, Herrn Botschafter Dr. Hans Winkler, dem ja heute hier schon einmal gedankt wurde, aber ich glaube, es tut sicherlich nicht weh, wenn dieser Dank mehrfach erfolgt. Dem ganzen Team im Außenamt: vielen herzlichen Dank! Da wird gute Arbeit geleistet, und diesem Ressort steht eine gute Ministerin vor; das ist beruhigend für uns. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Freunde! Meine tiefste innere Überzeugung ist, dass sich das Thema Entwick­lungszusammenarbeit sicherlich nicht für parteipolitisches Gezänk eignet – und lassen Sie mich dazu anhand des Beispiels Wasser Folgendes sagen: Sauberes Trinkwasser ist das höchste Gut im 21. Jahrhundert; diesbezüglich sind wir ja, wie ich meine, alle einer Meinung. Bitte, hören wir auf, in reißerischen Schlagzeilen immer vom „Aus­verkauf des heimischen Trinkwassers“ zu sprechen, sondern denken wir doch gemein­sam darüber nach, wie wir unseren Reichtum an sauberem und frischem Trinkwasser vielleicht in einer Partnerschaft mit so manchem wüstenähnlichen Land teilen könnten! Ich glaube, das wäre auch eine schöne Aufgabe.

Abschließend: Jede Hilfe ist notwendig und wichtig, gerade und im Besonderen auch, wie Sie das gemacht haben, verehrte Frau Bundesministerin: der Wirtschaft dieser Länder zu helfen und diese anzukurbeln, weil das einfach Hilfe zur Selbsthilfe darstellt.

Ganz zum Schluss noch: Vergessen wir bitte nicht all jene Menschen in unserem Nahbereich, die dort und da nicht ganz mit dem Tempo unserer schnelllebigen Leis­tungsgesellschaft zurechtkommen! Vergessen wir auch diese Menschen nicht, denn sie bedürfen unserer besonderen Hilfe und Unterstützung! – Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.39

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

 


14.39

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Wir besprechen hier und heute ein engagiertes Ziel, ein Drei­jahres­programm für die Entwicklungshilfe. Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner hat ja einleitend festgehalten, dass im Zusammenhang mit Entwicklungs­zusam­menarbeit seitens Österreichs weltweit rund 6 Millionen Menschen Hilfe zuteil werden konnte.

Kollege Gumplmaier hat die unzulänglichen finanziellen Vorgaben für die Ent­wick­lungshilfe kritisiert. Stimmt das, Herr Kollege Gumplmaier? – So ähnlich hast du es vorher gesagt.

Ich glaube, Kolleginnen und Kollegen, es gibt kaum ein Ressort, kaum einen Auf­gabenbereich, wo wir Parlamentarier nicht immer unzulängliche finanzielle Vorgaben feststellen müssten. Es wäre eigenartig, wenn wir zufrieden wären. Wir müssen ständig eine Engpasssituation meistern. Ich kann nur sagen, Kollege Gumplmaier, wenn wir uns im Pensionsbereich und bei Ähnlichem darauf einigen, dass dort unzulängliche


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finanzielle Vorgaben sind, dann müssen wir vielleicht auch feststellen, dass wir wo­anders etwas wegnehmen müssen, um im Inland die Sache zusammenzubekommen. Also es wird uns schwer fallen, im Inland und im Ausland humanitäre Wunsch­vorstellungen gleichgewichtig zu erfüllen. Die Grätsche ist einer Balletteuse nicht zumutbar und erst recht nicht einer Außenministerin. Die Problematik ist bekannt.

Wenn wir gerade in den letzten zwei, drei Tagen feststellen müssen, dass ein UNIDO-Bericht festhält, dass sich die Länder Schwarzafrikas in den vergangenen Jahrzehnten kaum weiterentwickelt haben, während in allen anderen Regionen erfreulicherweise Fortschritte bei ihrer industriellen Entwicklung zu verzeichnen sind und waren, dann stellt sich die Frage – vielleicht geht die Frau Bundesminister ein bisschen darauf ein –, warum das so ist, warum sich die Länder Schwarzafrikas mehr oder stärker einer Entwicklung – wenn ich sage: verweigere, ist es so, als geschähe es bewusst, natürlich geschieht das nicht bewusst – vielleicht entziehen.

Was ist die Ursache dafür, dass es in anderen Ländern besser funktioniert und dass man dem österreichischen Steuerzahler daher auch sagen kann: Der Anteil der Entwicklungshilfe bilateral, der Anteil der Entwicklungshilfe multilateral, also über die EU, ist berechtigt und trägt Früchte!? Es mögen keine sehr großen sein, aber es sind Früchte, die wahrnehmbar sind.

Dann gibt es eine Ländergruppe in Schwarzafrika, die Länder südlich der Sahelzone, wo sich diese Entwicklung großteils nicht feststellen lässt. Natürlich haben wir als Volksvertreter auch das Recht, zu erfahren, warum das so ist und ob es in Zukunft weiterhin so sein wird, dass man in ein Fass, welches keinen Boden hat, gutes Steuergeld hineinsteckt, das vielleicht woanders eher Früchte trüge. Das muss von uns legitimerweise gefragt werden, und das wird sicherlich auch beantwortet werden können.

Es hilft zu wenig, wenn man uns dann sagt: Trotz Fehlschlägen Kontinuität. Das war vorgestern ein Wort im Ausschuss. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das tönt tapfer, das tönt durchhaltewillig, aber wenn wir feststellen können, Herr Kollege, dass man 20 oder 30 Jahre lang diese Fehlschläge und Kontinuität hat, wird man sich überlegen müssen, ob es zweckmäßig ist, weiterhin in gleichem Maße in jene Fässchen, die eigentlich den Boden nicht dicht machen können, einzuzahlen.

Wir wissen, Bürgerkriege sind etwas Fürchterliches. Trägt Österreich zu Bürgerkriegen bei? – Nein! Kriege, also über die Grenzen gehende Kriege sind etwas Fürchterliches. Trägt Österreich dazu bei? – Nein! Oftmals ist es eine Mischform von Kriegen in Afrika, weil es Stammesauseinandersetzungen, religiöse Auseinandersetzungen sind. Ich war noch nie in Afrika, aber wenn man die Berichte liest, kann ich mir vorstellen, dass das recht kompliziert ist.

Österreich ist im Wesentlichen auch nicht am Waffenhandel beteiligt. Es sind auch nicht die großen Waffen, die in diesen Auseinandersetzungen das Blutvergießen herbeiführen. Es sind jene Waffen, die international als small arms, als kleine Waffen, Handfeuerwaffen bezeichnet werden. Es gibt Bemühungen, diesen Handel mit kleinen Waffen, mit Handfeuerwaffen zu unterbinden.

Es würde mich interessieren, Frau Bundesminister, wie weit die Bemühungen Öster­reichs gediehen sind, eine internationale Konvention zur Unterbindung des Handels mit kleinen Waffen zu erreichen. Unterbinden werden wir ihn nicht, dazu sind wir nicht in der Lage. – Wenn das der Fall ist, dann hat es wahrscheinlich Sinn, in jene Bereiche, die derzeit grundlos, bodenlos zu sein scheinen, weiter Entwicklungshilfe hinein­zugeben.


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Oder gibt es Überlegungen – in den Medien waren sie zum Teil auch lesbar, um nicht zu sagen hörbar –, jene Staaten, die vor 40 Jahren etwa einen gewissen Ent­wick­lungsstand hatten – es gibt ja österreichische Diplomaten, die ihre Laufbahn in einem schwarzafrikanischen Land begonnen haben und dann als Botschafter Jahre später in einen schwarzafrikanischen Staat wieder zurückkehrten und feststellen mussten, dass alles schlechter geworden ist in diesem Staat; ich erinnere da an Kenia, mir fällt da dieses eine Beispiel ein; der Herr Botschafter ist jetzt nicht mehr dort, er sitzt in Brüssel; es sind eben Entwicklungen, die einen unglücklichen Verlauf genommen haben –, ob es nicht besser wäre – jetzt tönt es schon sehr gewagt, Kollege Schen­nach wartet nur darauf, bis ich das sage, aber ich sage es Ihnen nicht, lieber Kollege Schennach (Bundesrat Schennach: Nur heraus!) –, Staaten, die sich so der Entwicklung entziehen, obwohl sie unser und der anderen europäischen Länder Geld bekommen, unter ein UNO-Protektorat zu stellen, um den Feind im eigenen Lande niederzuhalten.

Es stellt sich die Frage – Sie haben es erst erwähnt, Kollege Schennach, Sie haben heute vor einer übergroßen Liberalisierung gewarnt –, ob nicht in diesen schwarz­afrikanischen Staaten das, was wir als Liberalisierung, als Segnungen der Demokratie bezeichnen, noch nicht greifen kann, solange nicht ein gewisser Entwicklungsschritt auch industrietechnologisch vollzogen worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.48

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


14.48

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin Gehrer, ent­schuldigen Sie, ich habe nicht gesehen, dass Sie schon hereingekommen sind! Ja, Herr Kollege Gudenus, Sie machen es mir jetzt natürlich ein bisschen schwer, Ihnen nicht doch direkt eine kleine Antwort zu geben. Nach der dunklen Periode der kolonialen Ausbeutung (Ruf bei der ÖVP), dann nach den schwierigen Perioden der Eigenstaatlichkeit und gleichzeitigem Ausgeliefertsein an den internationalen Markt wollen Sie jetzt irgendwie das Jahrhundert des Protektionismus herbeiführen, indem Sie Protektorate machen wollen. Das ist eine falsche Brille, die Sie hier aufsetzen.

Das hat schon im ersten Satz begonnen. Sie haben von Entwicklungshilfe geredet, das heißt aber Entwicklungszusammenarbeit, ein work together. Es geht nicht! Die eine Hälfte dieser Erde, lieber Herr Kollege Gudenus, kann sich ohne die andere nicht entwickeln. Und Afrika fängt nicht jenseits des Mittelmeers an, Afrika ist schon längst mitten in Europa und auch Asien (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus), Herr Kollege Gudenus.

Sie müssen sich einmal überlegen, was Sie hier gesagt haben. Sie haben gesagt: Wenn das ein Fass ohne Boden ist, dann müssen wir die Mittel streichen. Was heißt das? Denken Sie eigentlich an die Menschen auch noch? (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie haben ja nichts davon! Schauen Sie hin!) – Sie haben nichts davon. Sie würden sie also sozusagen dem Schicksal überlassen. Ich verstehe schon.

Das Nächste, was Sie gesagt haben – und ich finde es von Ihnen als Angehörigem des Militärs sehr löblich, dass Sie das sagen – war: Wir müssen diesen Kleinwaffenhandel verbieten. – Okay, das können wir sofort machen, das ist auch eine sehr gute Sache, aber die beginnt einmal hier! Hier werden die Waffen erzeugt. Ich freue mich auf den ersten Antrag der FPÖ-Fraktion auf ein Verbot von Privatwaffen hier, denn wenn Sie hier die Privatwaffen nicht verbieten, dann können Sie nicht den weltweiten Handel verbieten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Eine Waffe in Ihren Händen oder in der Hand eines schwarzafrikanischen Politikers – das ist beides gleich gefährlich oder ungefährlich. Es tut mir Leid, Herr Kollege Gudenus, aber was wir im Süden nicht wollen, können wir auch für den Norden nicht wollen. Es ist eine Welt. Sie müssen diese Dinge gemeinsam, zusammen sehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gu­denus.) – Nein, nein! Herr Kollege Gudenus, ich würde Ihnen wirklich empfehlen, fahren Sie einmal nach Afrika, es lohnt sich! Sie sprechen hier von ganz finsteren Vorgängen. Ich meine ... – Nein, das wäre polemisch. Es rentiert sich jetzt nicht, das zum Bericht zu sagen. Das haben wir beide auch gar nicht notwendig.

Sie haben mehrfach die SADCC-Staaten angesprochen, und ich nehme an, die Frau Bundesministerin wird Ihnen darauf eine Antwort geben. Aber lassen Sie mich auch etwas sagen: Gerade in den SADCC-Staaten, die eine lange Periode der Erkämpfung auch der eigenen Unabhängigkeit hinter sich haben, wo es das Problem der wirt­schaftlichen Destabilisierung und der unterschiedlichen inneren Entwicklungen gibt und die Tatsache, dass in diesem Gürtel der südlichen Sahara eine enorme Belastung insofern auftritt, als gerade in der jungen Bevölkerung, bei einem Bevölkerungsanteil von 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung in manchen Ländern „slim disease“, Aids-Erkrankungen festzustellen sind – und zwar sind davon ganze Ökonomien und vor allem die Jugend, die Jugendlichen, die dort nachwachsen, betroffen –, brauchen wir verstärkt medizinische Programme, um die Ökonomien in diesen Ländern für die Zukunft abzusichern. Herr Kollege Gudenus! Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum die Entwicklung in den SADCC-Staaten stagniert und warum es notwendig ist – und das ist etwas, worüber ich sehr froh bin in diesem Dreijahresbericht –, dass im Bereich der bilateralen Hilfe Afrika, in diesem Fall Schwarzafrika, ein klares Schwer­punktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ist und bleibt.

Die Verschuldung von Ökonomien, von Ländern, von Entwicklungsländern, wenn man das so salopp sagen darf, ist überall hart. Aber in Afrika wiegt die Verschuldung der Volkswirtschaften um ein Vielfaches mehr, und es schlägt sich viel unmittelbarer auf die Bevölkerung des einzelnen Staates durch. Deshalb ist es wichtig, dass Österreich etwas tut, und Österreich hat ein großes Know-how. Ich verweise nur auf das, was Österreich zum Beispiel in Mosambic geleistet hat, wie viel Österreich auch vor dem fürchterlichen Bürgerkrieg – übrigens, Kollege Gudenus, Bürgerkriege werden auch vielfach von außen geschürt und von außen gewollt – im Bereich Burundi und Ruanda getan hat. Und es ist wichtig, dass diese Programme weitergehen. Ich nenne jetzt einmal Uganda, immerhin ist die heutige Verfassung des Staates Uganda in Nieder­österreich geschrieben worden, in einem kleinen Gasthaus in Niederösterreich. All diese Dinge fordern uns geradezu auf, uns an Afrika zu orientieren.

Wenn ich nun das Vorwort der Frau Bundesministerin genau lese, dann meint sie, die österreichische Entwicklungspolitik befinde sich klar im Aufwind. – Diese Behauptung ist ein bisserl schwierig, Frau Bundesministerin, denn wenn man an drittletzter Stelle bei der OECD rangiert, dann frage ich mich, wie man im Aufwind ist. Ich verstehe schon, es gibt dann viele, die man noch überholen kann, das ist auch gut so, aber wir müssen es tun. Und die Zahlen, Frau Bundesministerin – das hat Kollege Gumplmaier schon gesagt –, in diesem Bericht stimmen nicht wirklich.

„Im Jahr 2004 wird es die höchste bisher da gewesene Steigerung an Finanzmitteln für bilaterale Projekte geben.“ – Das ist nicht nachvollziehbar. Gut, ich freue mich auf Ihre Beantwortung. Sollte ich im Irrtum sein, nehme ich es jetzt schon zurück. Ich bin da immer fair, das wissen Sie. Und ich freue mich, wenn Sie das sagen. Der Kamerun-Kredit, der hier drinnen steckt – das wissen Sie auch – verzerrt die Statistik erheblich.

Kollege Busek – ein Mensch, den ich sehr schätze und den Sie, Kollege Ager, spätestens in Alpbach kennen gelernt haben – hat in der Diskussion um die zukünftige


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Kommission und auch um Ihre Person gemeint, er hält das Ressort Entwicklungshilfe – leider heißt es hier noch so – für wenig attraktiv. „In der Entwicklungshilfe sind wir selber nicht sehr eindrucksvoll, was die Mittel betrifft.“ – Kollege Ager, ich habe das Gefühl gehabt, Sie haben einen falschen Bericht da zitiert. Sie haben gesagt, wir seien extrem eindrucksvoll! – „Außerdem wird dieser Bereich sehr stark von jenen Länder bestimmt, die einmal Kolonien hatten. Die eigentliche Kraft der Entscheidung liegt im französischen, englischen Bereich.“ – Das würde ich mir ja nicht wünschen.

Das würde ich mir nicht wünschen, dass dort die Entscheidungen getroffen werden. Aber insofern hat er schon Recht, dass Österreich und die Bemühungen ... Herr Kollege Gudenus, bitte hören Sie mit diesem alten Waschlappen, alten Hut auf, hängen Sie das irgendwann einmal weg! Es geht nicht darum, die Pensionen in Österreich den Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit gegenzurechnen. Es geht nicht darum, Maßnahmen im Inland der Entwicklungszusammenarbeit gegen­zurechnen. Es gibt internationale Verpflichtungen. Die österreichische Wirtschaft und Ökonomie hat sich so wie alle anderen industrialisierten Ökonomien dadurch heraus­gebildet, dass sie über Jahrhunderte Potential aus den Landwirtschaften und den Rohstoffen des Südens abgezogen hat, wodurch sie zu diesem Reichtum gekommen ist.

Lieber Herr Kollege Gudenus! Alles, was Sie anhaben, ist aus Baumwolle, hoffe ich zumindest. Die Industrialisierung des Nordens hängt mit der Geschichte der Baum­wolle eng zusammen, sie hat nämlich damit begonnen. Der gesamte rote Faden der Industrialisierung liegt nämlich quasi in der Baumwolle. Ohne Baumwolle, meine Herren und Damen von der ÖVP, gäbe es keine Industrialisierung.

Nun frage ich: Welchen fairen Preis zahlt Herr Gudenus für seine Kleidung? Was verdient man für diese Kleidung im Norden? Und was haben die Produzenten im Süden bekommen? Herr Gudenus! Wir können uns gerne einmal zusammensetzen und einmal diese Rechnung machen. Schutzzölle zum Beispiel.

Nicht zuletzt – und das ist schon eine Diskussion – ist es über EZA-Programme und NGOs – die Rolle der NGOs möchte ich hier in ganz besonderem Maße erwähnen – dazu gekommen, dass es so etwas wie Fair Trade gibt und dass große Handels­gesellschaften – Herr Kollege Gudenus, da können Sie übrigens auch die Baumwolle kaufen – heute auch schon nach Fair Trade eingerichtet sind, auch die Produkte. Und es ist äußerst wichtig, dass man schon bei Kindern von klein auf dagegen ankämpft, dass sie Weltbilder haben, wie sie heute ein bisschen beim Kollegen Gudenus durch­geklungen sind – ich hoffe, Ihre Kinder haben da mehr in der Schule mitbekommen –, und aufzeigt, dass die Austauschverhältnisse, die dort vorherrschen, andere sind, als Sie es heute hier erzählt haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich muss ganz ehrlich sagen, Frau Bundesministerin, wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen. Das, was Kollege Gumplmaier gesagt hat, gilt in gleicher Weise für die Grünen.

Die programmatische Ausrichtung ist richtig, die gesamte Orientierung, die hier zum Ansatz kommt: Programm für die Frauen, Programm „Hilfe zur Selbsthilfe“, Nachhaltig­keit in der Entwicklung, Schutz, Achtung, Stärkung der Menschenrechte – all das kön­nen wir mit unseren Mitteln, die derzeit zur Verfügung stehen, in den Schwerpunkt­ländern sowohl im bilateralen als auch im multilateralen Bereich tun und leisten.

Ein bisschen Sorge machen mir, Frau Bundesministerin, Zwischenbemerkungen im Bericht, wo plötzlich eine Verbindung mit politischen und wirtschaftlichen Zielen Österreichs hergestellt wird. Wollen wir es ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, nach wirtschaftlichen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja nicht verboten!) – Nein, es ist nicht verboten!


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Werden als thematischer Schwerpunkt dann sogar politische und wirtschaftliche Inter­essen Österreichs genannt werden? – Herr Kollege Kneifel! Entwicklungs­zusam­menarbeit ist keine Marketing-Geschichte, damit man nachher etwas verkauft, sondern eben Entwicklungszusammenarbeit. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) Wenn sich daraus, Herr Kollege Kneifel, langfristige Beziehungen entwickeln, so ist das interessant und soll auch so sein. Aber es soll nicht zuerst im Interesse der Wirt­schaft ... (Bundesrat Kneifel: Verhindern soll man nicht, ausschließen!) – Nein! Verhindern, Herr Kollege Kneifel? Niemand will etwas verhindern! Ausschließen soll man nie! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Frau Bundesministerin! Ich glaube, seit Jahren steht das in Diskussion: Bitte nehmen Sie die Stipendien heraus, damit die bilaterale Hilfe dann tatsächlich auf das ent­sprechende Niveau angehoben wird – die Stipendien sind nach wie vor eingerechnet. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Es wird ein bisschen zu viel hineingerechnet, Herr Kollege! Dann müssen Sie es um diesen Betrag erhöhen, da viele andere Länder, die sich da mit uns vergleichen, die Stipendien nicht hineinrechnen!

Frau Bundesministerin! Wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen, haben aber eine ganze Reihe von Fragen gestellt, zum Beispiel: „... die Projekte werden höher dotiert sein als je zuvor“, schreiben Sie. – Da würde mich interessieren, aus welchem Ansatz Sie das haben.

„Die Stellung der österreichischen“ NGOs „wurde rechtlich abgesichert.“ – Da frage ich mich: Waren sie denn all die Jahre nicht rechtlich abgesichert?

„Im Jahr 2004 wird es die höchste bisher da gewesene Steigerung an Finanzmitteln für bilaterale Projekte geben.“ – Das würde mich ebenfalls interessieren.

Frau Bundesminister! Sie schreiben weiters: „Personaloffensive zum Aufbau leben­diger Informationsnetzwerke“. – Bedeutet das, dass es hier zu einer personellen Aufstockung kommt, oder nicht? – Das sind Fragen, die mich in diesem Zusammen­hang noch interessieren.

Den Bericht nehmen wir zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.03

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner das Wort.

 


15.03

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Die Entwicklungspolitik liegt mir, verehrte Damen und Herren, seit neun Jahren sehr am Herzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.) Und Sie haben gesehen: Seit neun Jahren machen wir gute Entwicklungspolitik!

Wir haben jetzt eben das Programm für die nächsten drei Jahre vorgelegt, und ich darf Ihnen hier einen kurzen, aber doch umfassenden Bericht geben.

Zum Ersten haben wir ein neues Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, das unsere Arbeit nun auch auf internationaler Ebene in Einklang mit den großen Zielen, auch den Millenniumszielen, bringt, nämlich: Armutsbekämpfung, Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit sowie Umweltschutz. – Das eine bedingt das andere, und nur so können wir gemeinsam zur Erreichung guter Ziele kommen.

Zum ersten Mal, verehrte Damen und Herren – und ich wundere mich schon, dass Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen –, zum ersten Mal erhöhe ich die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2004 um 30 Millionen €! Das hat es in keiner sozialdemokratisch geführten Regierung je gegeben. Nehmen Sie das zur Kenntnis!


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(Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gruber: Wahrscheinlich hat die ÖVP dagegen gestimmt!)

Wenn man hier auf die früheren Zahlen zurückgeht, dann muss man eines wissen: Es wird immer im nächsten Jahr das frühere Jahr abgerechnet. Und Sie wissen auch sehr gut, dass in die DAC-Mittel selbstverständlich – und das ist DAC-konform, Herr Kollege Schennach – auch die Studienkosten eingerechnet werden; das ist so mit der OECD vereinbart. Es sind aber auch immer die Umschuldungen zu berücksichtigen. Und die Umschuldungen – verehrte Damen und Herren, das wissen Sie alle – werden im Pariser Club ausgehandelt. Einmal kommen die Umschuldungen, ein anderes Mal noch nicht. Hier ging es um eine Kamerun-Umschuldung, die dann noch nicht ge­kommen ist, die aber in der Zukunft selbstverständlich kommen muss, die Millionen­beträge ausmachen wird und die selbstverständlich auch von Österreich zu tragen sein wird, die aber DAC-anrechenbar ist. Sie selbst sind ja – wie ich übrigens auch – immer der Meinung, dass man auf der einen Seite entschulden und auf der anderen Seite fresh money – also neues Geld – zuführen muss.

Wir haben auch – ich meine, wir haben das gut gemacht – eine Ausgliederung in die so genannte ADA – die Austrian Development Agency – durchgeführt, weil wir zum ersten Mal über zusätzliche Gelder verfügen und weil das innerhalb der Administration des Außenministeriums nur noch sehr schwierig abzuwickeln gewesen wäre. Ja, es ist in Zukunft möglich, die ADA auch personell aufzustocken. Hier sind nicht dieselben Vorgaben wie in der Administration mit der Planposten-Reduzierung, aber ich sage auch dazu: Ich stocke nur dann auf, wenn ich die Notwendigkeit dazu sehe. Selbst­verständlich! Ich habe mich immer für eine effiziente Führung eingesetzt.

Zur Frage von Wirtschaft und Entwicklung – die hätte ich sehr, sehr gerne ein bisschen näher ausgeführt, denn ich halte sie für ganz wesentlich.

Wenn wir heute auf der einen Seite den Ansatz verfolgen – wie übrigens alle in der Europäischen Union –, dass die Länder – nicht nur Afrikas, sondern alle Entwicklungs­länder der Dritten Welt – selbst ihre Wirtschaft entwickeln müssen, damit sie dann self-sustainable sind, dass sie also nachhaltige Entwicklung haben, dann ist es doch selbstverständlich, dass wir einen Ansatz Wirtschaft und Entwicklung entwickeln, der gleichzeitig der österreichischen Wirtschaft zugute kommt! Das ist ja selbstverständ­lich! – Und viele andere Länder, die hier immer als „die Großen“ angesprochen werden, machen das seit Jahren und Jahrzehnten. – Ich sehe überhaupt nicht ein, warum wir das nicht tun sollten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Zielsetzung wird auf drei Ebenen verfolgt: erstens: Verbesserung der politisch-institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliches Engagement, wie eben Rechtsstaatlichkeit, Stabilität, leistungsfähiger Finanzsektor, effektive staatliche Institu­tionen und wettbewerbsfördernde Regulierung – hier beteiligen wir uns aktiv auch an internationalen Vorhaben –; zweitens: direkte Unterstützung lokaler Unternehmen durch die Instrumente der Klein- und Mittelbetriebsförderung und durch Mikrofinanz­institutionen.

Seit 1998 werden hier langfristige Kooperationen zum Teil zwischen österreichischen Unternehmungen und Betrieben in den Entwicklungsländern gefördert, die dann auch eine möglichst hohe Wertschöpfung im Partnerland sowie auch einen Know-how-Transfer zum Ziel haben, der langfristig dort Wirtschaftsunternehmen fördert.

Schließlich: Partnerschaften wollen wir auch in Zukunft zwischen der österreichischen Wirtschaft und der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit eingehen, wobei die Grundidee eben auch ist, dass die Wirtschaft ein Partner ist. Es ist nicht so sehr die Förderung österreichischer Exporte, die im Mittelpunkt steht, sondern vor allem die Investitionsförderung per se. Und damit ist ein Verbinden öffentlicher Leistungen mit


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privaten Institutionen vorgesehen. – Das wollte ich einmal generell ansprechen, ver­ehrte Damen und Herren.

Daher möchte ich erstens widersprechen: Es ist keinesfalls so, dass hier Transparenz fehlt. Transparenz ist sehr wohl gegeben. Sie brauchen nur in den Budgetvoranschlag zu schauen: Dort sind die 30 Millionen € klar ausgewiesen, und sie werden durch die ADA in Form von Projekten umgesetzt.

Zweitens gibt es ein Budgetprogramm der Bundesregierung. Das ist im Regierungs­programm enthalten, und da gibt es eben entsprechende Vorgaben.

Drittens gibt es eine internationale Verpflichtung der Europäischen Union, die ich eingegangen bin, und zwar so eingegangen bin, dass nach uns die Deutschen zugestimmt haben, weil die Österreicher zugestimmt haben, damit wir auf die 0,33 Prozent kommen – selbstverständlich auf der einen Seite mit bilateralen, mit multilateralen Mitteln, auf der anderen Seite aber auch mit Umschuldungen, denn beides entlastet natürlich die Länder der Entwicklungszusammenarbeit.

Ich glaube, das muss man klar so sehen, und Sie sollten das genauso sehen.

Im Übrigen freue ich mich, dass Sie meiner Administration gute Arbeit bescheinigen. Ich glaube, die Administration beginnt immer ganz oben. Wenn irgendetwas schlecht ist, wird die Administration gerügt, wenn etwas gut ist, dann sind nur die Beamten gut und die Führung wird nicht erwähnt oder sogar trotzdem schlecht gemacht. – Das nehme ich nicht ganz so ernst. (Beifall bei der ÖVP.)

Verehrte Damen und Herren! Nun zu Afrika. – Ich glaube nicht, Herr Bundesrat Gudenus, dass man Afrika betreffend pauschal sagen kann: Alle Länder in Afrika entwickeln sich zurück. – Das ist nicht richtig! (Ruf bei der ÖVP: Er war ja noch nie dort!) Was richtig ist: dass es eine sehr unterschiedliche Einschätzung der verschie­denen Länder gibt, was ja auch schon Bundesrat Schennach gesagt hat. Es ist so, dass es in manchen Ländern eine gute Regierungsführung gibt, die für einen Fort­schritt natürlich sehr wesentlich ist – wenig Korruption, gute Regierungsarbeit –, aber gleichzeitig auch die Ausnutzung all jener Mittel, die durch die Europäische Union vorhanden sind, sowie der bilateralen Mittel, wie sie auch Österreich gibt.

Wenn ich an unsere EZA-Fokusländer oder -Prioritätsländer denke, muss ich folgende erwähnen: Uganda, Südafrika, durchaus ein Land des südlichen Afrikas, Mosambik, Tansania, Burkina Faso – das sind Länder, wo wir auch wirklich Fortschritte sehen. Es gibt andere Länder, wo Rückschritte zu verzeichnen waren, zum Beispiel in Ruanda, weil es dort einen Bürgerkrieg und – Sie wissen das – diese große ethnische Säube­rung gab, die natürlich die gesamte EZA zurückgeworfen hat. Aber ich glaube, man kann da nicht hergehen und sagen: So, deshalb machen wir dort Tabula rasa!, im Gegenteil, man muss dort einen Ansatz finden.

Was ich aber immer für richtig halte, ist: dass man erstens möglichst vor Ort kontrolliert, dass man zweitens laufend evaluiert, sodass man möglichst wenig Projekte hat, die sozusagen den Bach hinunter gehen, und dass man drittens versucht, nach­haltige Entwicklung zu leisten, sustainable development, in dem Sinne, dass man auch mit kleineren Projekten so arbeitet, dass sie später übernommen werden können.

Wir haben gerade in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit immer auch den Ansatz der Menschenrechtsentwicklung eingebracht. Sie kennen meinen Enthusiasmus für das Menschenrechtshandbuch, das ich für ganz wesentlich halte und das nicht nur in der EZA in Afrika überall eingesetzt wird und auch in Nahost, sondern zum Beispiel jetzt auch in der Ostzusammenarbeit. Dieses Manual on Human Rights Education wird jetzt übersetzt ins Serbische, ins Kroatische – übrigens auch mit der


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Hilfe meiner lieben Kollegin Gehrer, die neben mir sitzt. Sie sehen, da wird schon einiges getan.

Man muss auch sagen, warum es da Rückschritte gibt. Diese gibt es unter anderem auch deshalb, weil es riesige Epidemien gibt: HIV, Aids. UNO-Generalsekretär Kofi Annan war ja gerade erst in Wien, und wir haben darüber gesprochen – er kam gerade von der Aids-Konferenz in Bangkok. Auch Aids ist einer dieser Faktoren. Gebiete werden dort „entvölkert“, und da müssen wir natürlich genauso ansetzen. – Oder Malaria. Es sind sehr viele Faktoren, die da zu berücksichtigen sind.

Wir brauchen reines Wasser in diesen Ländern, Erziehung, Gesundheit, ländliche Entwicklung und Frauenförderung; ich könnte Ihnen die ganz Palette aufzählen. Wir müssen hier parallel ansetzen, aber wenn es dort keine gute Regierungsführung gibt, dann können wir ansetzen, soviel wir wollen – es wird nichts nützen. Wir müssen aber immer wieder sagen: Dort ist das Geld nicht gut überwacht, nicht gut eingesetzt worden!

Machen wir daher bitte einen flexiblen und vor allem einen selektiven Ansatz. Das heißt, wir müssen uns anschauen, wo wir etwas machen, und dort müssen wir gut arbeiten.

Wir arbeiten ja – auch das ist angesprochen worden, verehrte Damen und Herren – viel mit unseren Nicht-Regierungsorganisationen. Es hat mich gestört, dass Sie gesagt haben, wir seien auf der Basis wieder halbwegs zur Verfügung – das hat Bundesrat Ager auch schon angesprochen –: keineswegs nur „halbwegs“, sondern Österreich ist vielleicht das Land, das in der Entwicklungszusammenarbeit überhaupt am meisten mit NGOs arbeitet. Ich glaube, man soll die Tatsachen so benennen, wie sie wirklich sind.

Verehrte Damen und Herren! Ich denke, dass der Fokus, den wir auf Afrika richten, grundsätzlich richtig ist. Afrika ist der Kontinent, der unsere Hilfestellung braucht, aber wir müssen dabei auch sehr genau kontrollieren, wie die einzelnen Länder dort selbst regieren. Das wird gemacht, indem wir einen politischen Dialog haben, das wird gemacht, indem wir mit den AKP-Ländern einen so genannten Kontrollmechanismus haben, wo man auch einmal die EZA aussetzen kann, wenn nicht gearbeitet wird. Und wir müssen auch im Rahmen der UNO für einen gesamthaften Ansatz arbeiten.

Ich möchte hier nur noch ein Beispiel nennen, und zwar den Sudan. Sie alle wissen, dass es im Sudan derzeit enorme Menschenrechtsverletzungen gibt und dass die ganz große Schwierigkeit darin besteht, wie humanitäre Organisationen Zugang erhalten. Ich habe dieses Thema ja sowohl mit Colin Powell als auch mit Kofi Annan, als er vor etwa einer Woche in Wien war, eingehendst diskutiert – wir haben es in der Euro­päischen Union laufend diskutiert, und am Montag ist wieder ein Sonderrat der Außenminister, an dem ich auch teilnehmen werde, bei dem dieses Thema auf der Tagesordnung steht.

Kofi Annan hat gesagt – das möchte ich auch sagen, weil bei uns immer gleich über Sanktionen geredet wird –, nachdem er dort war und dort mit der Regierung natürlich auch ein Programm ausgearbeitet und Druck ausgeübt hat: Es ist ganz wesentlich, dass wir der Regierung auch ein bisschen Zeit lassen, das, was er dort ausgehandelt hat, umzusetzen. Auf der einen Seite ist der access der humanitären Organisationen, also der Zugang, besser geworden, auf der anderen Seite weiß man auch, dass die Sicherheitssituation noch immer nicht gut ist. Geben wir ein bisschen Zeit und schauen wir uns das an, Sanktionen kann man dann immer noch ergreifen. Aber ich sage auch: In einem Moment, in dem die internationale Gemeinschaft mit ihren eigenen Truppen in anderen Teilen der Welt steht, wird es nicht wahrscheinlich sein, dass man im Sudan verstärkten, nämlich auch militärischen Druck ausüben kann. Das ist der Hintergrund,


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warum man auch eine gewisse Zusammenarbeit von Seiten der sudanesischen Behörden braucht.

Sie sehen, wie diffizil und komplex diese Dinge sind. Das heißt, Schwarzweißmalerei ist hier nicht angebracht.

Ich danke für diese Diskussion, aber ich finde es schade, dass hier weder die Sozial­demokraten noch die Grünen mitgehen wollen. (Bundesrätin Kerschbaum: Ich glaube, Sie haben nicht zugehört!) Ich glaube, wir machen gute Arbeit.

Sie gehen mit? – Dann freue ich mich und danke Ihnen dafür. Dann habe ich das falsch verstanden und möchte nur noch sagen: Ich glaube, wir sollten hier weiterhin auf einer Linie bleiben, nämlich gemeinsam mit der Dritten Welt zu gehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.18

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Ent­schädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schul­unterrichtsgesetzes geändert wird (495 d.B. und 570 d.B. sowie 7101/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Unterrichtspraktikum geändert wird (496 d.B. und 571 d.B. sowie 7102/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geändert wird (497 d.B. und 572 d.B. sowie 7103/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 bis 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich bitte ihn um die Berichte.

 



Bundesrat
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Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schul­unterrichtsgesetzes geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich darf zum Antrag kommen: Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über das Unterrichtspraktikum geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich darf zum Antrag kommen: Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geändert wird, liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Ich darf daher zum Antrag kommen: Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Saller das Wort.

 


15.22

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Bildungsbereich geht es uns grund­sätzlich um Reformen mit richtigem Maß, wir treten für Qualität in der Schule ein. Wir wollen ja alle miteinander hoffentlich keinen Einheitsbrei, sondern vielmehr hohe Bildungsstandards und auch mehr Demokratie in der Schule.

Bildungschancen hängen auch sehr stark von den regionalen Angeboten ab, die sich nicht nach Besucherzahlen richten, und dieses Angebot ist in Österreich aus­gezeichnet. Wir haben dank weitblickender Bildungspolitik viele und sehr, sehr gute Bildungsangebote.

Zu den vorliegenden Gesetzen möchte ich kurz hervorstreichen: Der Fernunterricht spielt in der heutigen Zeit eine immer wichtiger werdende Rolle. In einer Zeit der Medien bekommt gerade die Weiterbildung für Berufstätige immer eine neue Gewich­tung. Sozial- und Individualphasen sind besonders zu berücksichtigen, und daher ist natürlich hier eine finanzielle Abgeltung unerlässlich.

Weiters ist ein Lehramtszeugnis für Menschen mit Behinderung besonders zu begrüßen. Es ist sehr gut, dass diese Möglichkeit geschaffen wird, eine Unterrichts­berechtigung zu erwerben und mit einem Lehramtsdiplom abzuschließen.


Bundesrat
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Besonders wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang auch die genaue und ausführliche Beratung bei Studienbeginn, auch über besondere Bildungserfordernisse.

Im Unterrichtspraktikumsgesetz ist die Altersgrenze zur Ablegung des Praktikums von 39 auf 45 Lebensjahre erhöht worden. Hier gab es in der Vergangenheit sehr oft Probleme und viele Härtefälle, gerade für Frauen, die eine Babypause gemacht haben und das Praktikum eventuell nachholen mussten. Diese gesetzliche Änderung ist daher sehr zu begrüßen. Für spezielle Fälle, die über die Grenze hinaus noch ein Praktikum machen müssten, gibt es auch die Möglichkeit der Sonderverträge.

Abschließend stelle ich fest, dass diese Gesetzesänderungen wirklich sinnvolle Bausteine in unserer wichtigen und richtigen Bildungsvielfalt sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.24

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Blatnik das Wort. – Bitte.

 


15.25

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Minister! Gospod predsednik! Gospa ministrica! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich möchte zum Unterrichtspraktikumsgesetz Stellung nehmen, das jetzt unter diesen Punkten auch verhandelt wird.

Worum geht es? Herr Kollege Saller hat es schon gesagt: Es geht um die Erweiterung der Altersgrenze für jene Personen, die in schon fortgeschrittenem Alter ein Lehramtsstudium absolviert haben und dann auch unterrichten wollen. Bislang war das mit 39 Jahren begrenzt, jetzt soll es auf 45 Jahre erhöht werden. Dies ist zu begrüßen. Meine Damen und Herren, dies ist ein Fortschritt!

Herr Kollege Saller hat die so genannten Härtefälle angesprochen, er hat sie auch erklärt. Persönlich möchte ich sagen, dass ich mit diesem Begriff „Härtefälle“ schon meine Schwierigkeiten habe, denn diese so genannten Härtefälle können auch Normalfälle werden, die jeden Tag vorkommen.

Wie vorhin bereits gesagt: Ich finde es positiv, dass die Altersgrenze erhöht worden ist. Es wäre aber ein großer, wichtiger Fortschritt, wenn wir die Altersgrenze überhaupt abschaffen würden. Dies wäre wirklich eine große, richtige Reform, eine Reform, wie Herr Kollege Saller gesagt hat, „mit richtigem Maß“. Diese Reform würde für alle Geltung haben, ohne Altersbegrenzung. Schade, dass wir dies heute verabsäumen!

Wir alle haben freien Studienzugang, und wenn uns die jetzige Bundesregierung vorgegeben hat, dass wir länger arbeiten müssen und erst später in Pension gehen können, dann soll jemand auch später die Möglichkeit haben, sein beziehungsweise ihr Unterrichtspraktikum zu machen.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird diesem Gesetz trotzdem zustimmen, weil wir uns der Wichtigkeit des Bildungssystems bewusst sind und wir jeden Fortschritt, der für den Bildungsbereich positiv ist, unterstützen.

(Die Rednerin setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.) – Danke.

15.28

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Universitätsprofessor Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.28

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Aus Zeitgründen gehe ich


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auf den Tagesordnungspunkt 16, auf die Neuregelung der Abgeltung von Prüfungs­tätigkeiten im Bereich des Schulwesens und der Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes, nicht näher ein, wohl aber auf den Tagesordnungspunkt 17, auf das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Unterrichtspraktikum geändert wird.

Das bisher bestehende Höchstalter für die Zulassung zum Unterrichtspraktikum von 39 Jahren ließ immer wieder einzelne Härtefälle auftreten. Ich nehme zur Kenntnis, dass Frau Kollegin Blatnik den Begriff „Härtefall“ nicht schätzt. Absolventinnen von Lehramtsstudien konnten insbesondere durch Kindererziehungsarbeiten bedingt den Lehrerberuf dann, wenn sie diese Altersgrenze überschritten hatten und das Praktikum nicht nachholen konnten, nicht mehr ausüben.

Absolventen der Studienrichtung Selbständige Religionspädagogik und Katholische Religionspädagogik werden künftig weiterhin zum Unterrichtspraktikum zugelassen. Gleiches gilt auch für die Einfachstudien Biologie und Erdwissenschaften und Biologie und Warenkunde, deren Absolventen/Absolventinnen ebenfalls schon bisher zugelas­sen waren.

Die vorliegende Novelle – das haben die Vorredner und Vorrednerinnen schon hervor­gehoben – hebt das Höchstalter für die Zulassung zum Unterrichtspraktikum auf 45 Jahre an. Das ist zu begrüßen. Zudem werden die studienrechtlichen Grundlagen für Lehramts- beziehungsweise Diplomstudien bezüglich des Universitätsgeset­zes 2002 ergänzt.

Gewiss wird es wohl wenig konkret Betroffene geben – im Ausschuss haben wir gehört, im Durchschnitt zirka vier bis fünf betroffene Personen pro Jahr. Aber jeder Härtefall – ich entschuldige mich, dass ich den Begriff nochmals verwende – ist einer zu viel.

Mit dem im Tagesordnungspunkt 18 umschriebenen Gesetzesvorhaben soll in den Bereichen, in denen der Einsatz von Lehrbeauftragten vorgesehen ist, eine bisher fehlende gesetzliche Grundlage für die Vergütung der Tätigkeit der Lehrbeauftragten bei der Einbeziehung von Formen des Fernunterrichts beziehungsweise Fernstudiums geschaffen werden. Dass diese neue Regelung dennoch jährlich Einsparungen von 125 000 € bewirken wird – so die Einschätzung –, ist dabei ein erfreulicher Neben­aspekt.

Meine Fraktion wird allen drei Gesetzesvorhaben gerne ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.31

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.31

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass wir heute noch zwei Dringliche vor uns haben und meine Vorredner und Vorrednerinnen im Prinzip inhaltlich schon alles zu den vorliegenden Punkten gesagt haben, möchte ich mich relativ kurz fassen.

Zum Punkt 16, der Frage der Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens: Es handelt sich hier im Grunde um eine reine Anpassung an die Praxis. Die Grünen werden dem zustimmen.

Selbiges trifft zu beim Tagesordnungspunkt 18. Auch das ist eine Anpassung an die Praxis. Ich bin persönlich der Meinung, dass Fernunterricht noch nicht in aus­reichendem Maße angeboten wird. Ich weiß, dass es an den Universitäten auch sehr


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oft an der technischen Umsetzung hapert, vielleicht auch am Willen derer, die das technisch umsetzen müssten. Es sollten aber alle Methoden angewendet werden, die zur Verfügung stehen. Fernunterricht ist generell eine sehr gute Idee, da er vor allem für Berufstätige, aber zum Beispiel auch für Körperbehinderte oder chronisch kranke Menschen eine große Erleichterung und eine weitere Möglichkeit zum Zugang zur Bildung darstellt.

Zum Tagesordnungspunkt 17, der Erhöhung des Höchstalters für den Antritt des Schulpraktikums auf 45 Jahre. – Ich habe mich am Dienstag im Ausschuss erkundigt, wie viele Personen das betrifft, und habe die Antwort erhalten, es handle sich pro Jahr vielleicht um fünf Personen. Umso schöner finde ich es, dass, auch wenn es nur eine kleine Zahl von Personen betrifft, diese Änderung trotzdem vorgenommen wird und dass man es auch dieser kleinen Anzahl von Menschen ermöglicht, dieses Praktikum zu absolvieren. Ich glaube, es ist sehr wohl nötig, dass man auch an kleine Personengruppen denkt, und das stellt ja auch keinen großen Aufwand dar. Wir werden auch diesem Punkt zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.33

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend Änderung des Bundesgesetzes über das Unterrichtspraktikum.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bun­desministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


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19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Akademien-Studiengesetz 1999 geändert wird (413/A und 573 d.B. sowie 7104/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (415/A und 574 d.B. sowie 7105/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 und 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Wimmler. Ich bitte sie um die Berichte.

 


Berichterstatterin Herta Wimmler: Der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Akademien-Studiengesetz 1999 geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Höfinger das Wort. Bitte.

 


15.36

Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Themenbereiche stehen jetzt zur Diskussion, die zum einen für das landwirtschaftliche Bildungswesen und zum anderen für viele Pädagogen und Päda­goginnen von großer Bedeutung sind. Lassen Sie mich kurz auf diese zwei Tages­ordnungspunkte eingehen.

Die Umsetzung der Möglichkeit, den Pädagogen und Pädagoginnen in Österreich die Wahl für die Berufsbezeichnung „Diplompädagoge“ oder „Diplompädagogin“ zu geben, ist nicht nur die Bestätigung für ihre gute Ausbildung, die sie durchlaufen haben, sondern ich sehe das auch als Beitrag, den Stellenwert der Lehrer und Lehrerinnen in der Öffentlichkeit entsprechend zu verankern.

Die Lehrer in unserem Land leisten jeden Tag hervorragende Arbeit, oft weit über ihre dienstlichen Pflichten hinaus, und daher möchte ich an dieser Stelle auch allen danken, die das ganze Jahr über für die Ausbildung und Entwicklung der jungen Menschen und somit für die Zukunft dieses Landes Großes leisten.


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Es ist mit der Änderung dieses Gesetzes nun die Grundlage geschaffen für all jene, die die sechssemestrige Ausbildung oder eben eine gleichwertige durchlaufen haben, auf Eigeninitiative die Berufsbezeichnung „Diplompädagoge“ oder „Diplompädagogin“ zu beantragen. Und ich gratuliere von hier aus schon jetzt allen, die das tun werden.

Zu Punkt 20. – Die Änderung des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes ist unter dem Aspekt, dass sich die Land- und Forstwirtschaft weit über die EU-Produktion hinaus entwickelt hat und sich noch dazu verstärkt in einem internationalen Agrarhandel befindet, geradezu eine Notwendigkeit.

Die Zusammenführung von höheren landwirtschaftlichen Bundeslehranstalten mit Bundesversuchsanstalten sowie mit Bundesämtern der Forschung und Wissenschaft, also die Zusammenführung von Theorie und Praxis, soll eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Ausbildung ermöglichen und ist daher umso mehr zu begrüßen.

Eine Orientierung der Fremdsprachenkompetenz an der internationalen Ausrichtung des Agrarsektors vor dem mehrsprachigen Hintergrund der Europäischen Union ist von großer Bedeutung und wird in diesem Gesetz besonders berücksichtigt. Konkret heißt das, dass in allen Fachrichtungen mit Ausnahme der Fachrichtung Land- und Ernäh­rungswirtschaft zusätzlich zum Pflichtgegenstand „Lebende Fremdsprache“ alternativ die Pflichtgegenstände „Zweite lebende Fremdsprache“ beziehungsweise ein Englisch-Fachseminar eingeführt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Novellierungen dieser beiden Gesetze sind zeitgemäße, praktische Anpassungen – ich werde ihnen mit Freude zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.39

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.39

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf auch gleich vorweg sagen, dass wir beiden Gesetzesvorlagen unsere Zustimmung geben werden. Ich möchte allerdings zum ersten Gesetz ganz kurz ein paar Dinge sagen.

Schwerpunkt dieses Gesetzes – Kollege Höfinger hat es schon ausgeführt – ist, dass jemand auf seinen Antrag hin, wenn er eine insgesamt sechssemestrige Lehramts­ausbildung absolviert hat, den Diplomgrad erwirbt, also Diplompädagogin oder Diplom­pädagoge wird.

Für bemerkenswert halte ich allerdings auch den Hinweis, dass diese Gesetzes­änderung keine Kostenauswirkungen nach sich ziehen wird. Damit wird von den Regierungsparteien klar zum Ausdruck gebracht, dass man jene Lehrergruppen, die für die 10- bis 14-Jährigen zwar die gleiche Arbeit verrichten, aus Kostengründen nicht gleichstellen will und wird. Daher hat man sich entschlossen – nach alter österreichi­scher Tradition, würde ich sagen –, einen Titel zu verleihen. Ich will nicht sagen, einen Titel ohne Mittel, aber es gibt trotzdem sehr unterschiedliche Ansätze in den Gehalts­schemata.

Wir gratulieren allen neuen Diplompädagoginnen und Diplompädagogen zu ihrem neuen Titel und bedanken uns für ihre Leistungen zum Wohle unserer Schüler. Die pädagogischen sowie die schulorganisatorischen Voraussetzungen sind allerdings unserer Meinung nach nicht besser geworden.

Es ist nicht die Sehnsucht der Opposition, unser Schulwesen permanent schlechtreden zu wollen, der Grund für die Kritik am österreichischen Schulwesen, Frau Bundes-


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minister, sondern der Grund dafür sind Maßnahmen, die von dieser Regierung gesetzt wurden, wie etwa Stundenkürzungen, Klassenzusammenlegungen, Wegfall von Förder- und Stützunterricht – alles Dinge, die zu einem permanenten Qualitätsverlust im Bildungsbereich führen.

Die Folge davon ist, dass Tausende Schülerinnen und Schüler dieses Schuljahr negativ abgeschlossen haben. Laut einer Studie der Arbeiterkammer müssen die Eltern dieser Schüler zirka 100 Millionen € jährlich für Nachhilfestunden ausgeben. Allein diese Tatsache stellt der österreichischen Schul- und Bildungspolitik zum Schul­schluss kein gutes Zeugnis aus.

Und weil immer wieder behauptet wird, die Opposition würde die Schulpolitik schlecht­reden: Da kann ich Ihnen, Frau Bundesminister, auch Unterlagen zukommen lassen, wo sich renommierte österreichische Tageszeitungen mit unserem Schul­system befassen, und ich muss sagen: Deren Urteil ist nicht gerade schmeichelhaft!

Dass Sie laut „Salzburger Nachrichten“ auch das Gespräch darüber verweigert haben, darf ich hier ganz offen sagen. Aber das ist ja nichts Neues. Ähnlich machen Sie es auch mit Ihren Parteifreunden, und zwar mit Herrn Bundesrat Schnider – er ist leider momentan nicht hier –, der Sie aufgefordert hat, in der Bildungspolitik auf Bundes­ebene endlich umzudenken. Sie erteilen seinen berechtigten Vorschlägen via TV-Medien eine deutliche Abfuhr.

Kollege Schnider meint in der heutigen Ausgabe des „Standard“ – ich zitiere –: „Es braucht Mut, über die eigene Positionierung und den eigenen Schatten zu springen.“

Dieser Mut fehlt Ihnen anscheinend, Frau Bundesminister! Und darunter leidet das ganze österreichische Bildungs- und Schulsystem. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

15.43

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Universitätsprofessor Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.43

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Akademien-Studiengesetz 1999 geändert wird, soll die Möglichkeit geschaffen werden – darauf wurde schon hingewiesen –, den Diplom­grad „Diplompädagoge“ beziehungsweise „Diplompädagogin“, der seit 1999 mit dem erfolgreichen Abschluss eines Diplomstudiums für das Lehramt erworben wird, auch den Absolventen der früheren Lehramtsausbildung, also jener vor 1999, zugänglich zu machen. Sie sollen unter Nachweis des erfolgreichen Abschlusses der sechssemestrischen Lehramtsausbildung oder einer gleichwertigen Ausbildung das Recht erlangen, gleichfalls den Diplomgrad zu führen. Sie können künftig an einer Akademie, die ein dem Lehramt entsprechendes Diplomstudium anbietet, die Verleihung dieses akademischen Grades beantragen.

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundessschul­gesetz geändert wird, soll das Lehrplanwesen im land- und forstwirtschaftlichen Schulwesen reformiert werden. Dabei ist im curricularen Bereich der Ausbau der fremdsprachlichen Kompetenz in Form des Unterrichts von zwei lebenden Fremd­sprachen das Lehrziel. – Auch darauf wurde schon hingewiesen.

Eine zweite lebende Fremdsprache ist auch außerhalb der Schulautonomie möglicher Pflichtgegenstand. Das ist allein schon im Hinblick auf die heute erforderliche Mobilität und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit überaus zu begrüßen. Es hat mich dabei überrascht – das wurde aber im Ausschuss vom zuständigen Fachreferenten


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bestätigt –, dass dies keine Mehrkosten verursachen wird. Sollte das durch Um­schichtungen innerhalb des Lehrplanes bewirkt werden, melde ich sozusagen meine Hoffnung an, dass das nicht zu sehr zu Lasten allgemeinbildender oder die Kreativität fördernder Fächer geht.

Jedenfalls aber begrüßen wir diese entscheidende Verbesserung des Lehrplanes und werden beiden Gesetzesvorhaben gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.46

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.46

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die Grünen werden beiden Gesetzesvorlagen ihre Zustim­mung erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 19, der Verleihung des Diplomgrades „Diplompädagogin“ beziehungsweise „Diplompädagoge“ auch an AbsolventInnen gleichwertiger Lehr­gänge möchte ich sagen: Da geht es um vergleichbare Ausbildung und gleichwertige Arbeit. Die Verleihung dieses Titels ist sicher ein Schritt, der zu einer weiteren Aner­kennung dieser Berufsgruppe führen wird. Andererseits ist aber bei der Besoldung damit noch immer keine Gleichstellung verbunden. Wenn man bedenkt, dass es sich um gleichwertige Arbeit handelt, so muss man sagen, dass das sicher überdenkens­wert ist.

Tatsache ist: Die Verleihung von Berufstiteln ist etwas Erfreuliches. Da in Österreich Titel automatisch mit Anerkennung verknüpft sind, wird das für jene Lehrerinnen und Lehrer, die diesen Titel führen werden, sicher auch zu einer zusätzlichen Anerkennung führen. Allerdings müssen sie sich mit zunehmend schwierigen Rahmenbedingungen für ihre Berufstätigkeit auseinander setzen, etwa, was Schülerhöchstzahlen betrifft, aber auch, was ihre Wertschätzung in der Öffentlichkeit betrifft.

Lehrer werden immer wieder – vor allem in den Sommermonaten geschieht das allzu oft; insbesondere von Seiten der FPÖ werden immer wieder kritische Stimmen laut – in der Öffentlichkeit abgewertet und auch gerne als Sündenböcke missbraucht. Es heißt immer wieder, sie hätten zu lange Ferien, sie sollen doch mehr unterrichten und so weiter.

Ich denke, so darf es eigentlich nicht sein, denn Lehrer sein ist ein derart wichtiger Job, dass darüber nicht in dieser Art und Weise gesprochen werden sollte. Dieser Berufsgruppe sollte mit der nötigen Achtung begegnet werden, denn die Lehrer sind es, die unsere Kinder unterrichten und junge Menschen auf ihren weiteren Lebensweg vorbereiten. Diese dann für mediale Schlachten zu verwenden – es ist jetzt nicht aktuell passiert, aber es passiert immer wieder, und ich bin schon gespannt, wann es das nächste Mal sein wird –, halte ich eigentlich für verwerflich.

Zum Tagesordnungspunkt 20, der Anpassung von Lehrplänen, möchte ich sagen: Ich halte es für eine ausgezeichnete Idee, in allen Schulen den Sprachunterricht auszu­weiten. Ich kann mich noch erinnern – meine Schulzeit liegt noch nicht sehr weit zurück, es dürfte acht oder neun Jahre her sein –, dass man, als ich im Gymnasium gemeinsam mit meinen Schulkolleginnen und -kollegen versucht habe, das Sprach­angebot an unserer Schule auszuweiten – es gab da eine Gruppe, die großes Interesse an einem Spanischunterricht hatte –, uns gesagt hat: Wir haben keinen Spanischlehrer! Dann haben wir uns auf die Suche begeben und nachgeforscht, ob es in der Stadt, in der ich in der Schule war, in den anderen Schulen jemanden geben


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würde, der Spanisch unterrichten könnte. Das gab es, es war aber dann auf Grund von Verwaltungsschwierigkeiten, soviel ich weiß, nicht möglich, diese Fremdsprache zusätzlich anzubieten.

Etwa vier Jahre später war Spanisch dann ein ganz normales Freifach an unserer Schule. Ich hoffe, dass es Schülerinnen und Schüler heutzutage leichter haben, als ich es damals hatte. Ich musste das nämlich dann auf der Uni nachholen.

Fremdsprachen sind ein ganz wichtiger Teil unserer Bildung, egal auf welcher Schule, egal in welcher Berufssparte. Deshalb muss Fremdsprachenunterricht forciert werden, und wir werden daher auch diesem Tagesordnungspunkt zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

15.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Gehrer das Wort. – Bitte.

 


15.49

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur einige Bemerkungen machen, was das Schlechtreden der Schule betrifft. Es tut mir wirklich Leid, dass ununterbrochen von SPÖ-Vertretern gesagt wird, wie schrecklich alles im Bildungs­bereich ist.

Wenn wir uns die internationalen Vergleiche anschauen, dann können wir sagen: Wir liegen bei den Stundenkontingenten und bei den Dienstpostenkontingenten im oberen Drittel der Werteskala aller europäischen Länder. Das ist gut so! Wir haben damit für unser Bildungswesen gute Rahmenbedingungen.

Zu den Klassenzusammenlegungen ist schlicht und einfach festzustellen: Wenn Länder derartige Entscheidungen treffen, dann sind sie dazu genötigt, weil immer weniger Kinder da sind. Wo keine Kinder, da keine Schule und auch keine Klasse! Und wenn es immer weniger Kinder gibt, dann muss man eben schauen, wie man vernünftigerweise wieder Schulen und Klassen zusammenbringt.

Es werden von mir auch keine Förderstunden gestrichen. Dass man alles glaubt, was in der Zeitung steht, ist für mich eine neue, interessante Erkenntnis. Wenn Sie die „Salzburger Nachrichten“ eine Woche später gelesen hätten, dann hätten Sie das Interview mit Herrn Schliesselberger gelesen, wo ich auf alle Fragen geantwortet habe.

Folgendes möchte ich abschließend festhalten: Unsere Lehrer und Lehrerinnen leisten gute Arbeit. Sie haben sich ihren Sommer verdient. Sie erholen sich, sie bilden sich weiter. Wir sind stolz auf die Arbeit unserer Lehrer und Lehrerinnen. Was sie brauchen, das sind stabile Rahmenbedingungen, auf die sie sich verlassen können.

Sie können mir eines glauben, Herr Bundesrat Gruber: Es erfordert Mut, nicht jedem Modetrend nachzulaufen. Das ist wichtig! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Gruber.)

15.51

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird vom Berichterstatter ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.


Bundesrat
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Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 9. Juli 2004 betreffend die Änderung des Akademien-Studiengesetzes 1999.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es sieht so aus, als ob es die Stimmeneinhelligkeit wäre, wenn nicht widersprochen wird. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend Änderung des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschul­gesetzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowaki­schen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (517 d.B. und 602 d.B. sowie 7106/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte ihn um die Erstattung des Berichts.

 


Berichterstatter Karl Bader: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowakischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit liegt Ihnen, wie alle anderen Berichte, ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich darf mich daher auf die Verlesung des Ausschussantrages beschränken.

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. den Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungs­be­reiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Da um 16 Uhr die Besprechung der Dringlichen Anfrage durchzuführen ist und es zum Tagesordnungspunkt 22 mehrere Wortmeldungen gibt, schlage ich vor, dass wir die Sitzung kurz bis 16 Uhr unterbrechen.

(Die Sitzung wird um 15.54 Uhr unterbrochen und um 16 Uhr wieder aufgenom­men.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die Sitzung wieder auf und unterbreche die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „Scheinharmonisierung“ der Pensionssysteme (2231/J-BR/2004)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nunmehr Herrn Bundesrat Professor Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (von seinem Platz aus sprechend): Herr Präsident! Ich begründe gerne. Herr Staatssekretär Morak ist im Hause, aber ich würde es eigentlich begrüßen, wenn er auch da wäre.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Dann unterbreche ich kurz bis zum Eintreffen des Herrn Staatssekretärs. (Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen.)

Ich nehme die Sitzung wieder auf.

Ich erteile Herrn Professor Konecny das Wort.

 


16.01

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wir haben gehört, dass der Herr Bundeskanzler, der sich auch sonst vertreten hätte lassen können, ins EU-Ausland ausgewichen ist. Wahrscheinlich hat er in Lindau Mittag gegessen. Aber er hätte sich naturgemäß auch sonst durch Sie, Herr Staatssekretär Morak, vertreten lassen können.

Ich kann nicht umhin, einleitend meine Bewunderung zum Ausdruck zu bringen, Herr Staatssekretär. Experte für alles zu sein ist nicht wirklich schlecht. Also der Kultur­staatssekretär ist Pensionsexperte – Respekt! (Staatssekretär Morak: Da bin ich wie Sie! – Heiterkeit.) Bei Kulturthemen nehme ich mich bewusst zurück; da haben Sie mir etwas voraus.


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Meine Damen und Herren! Jenseits dieser leicht sommerlichen Einleitungsworte kommen wir zu einem ganz zentralen Thema, von dem wir meinen, dass einmal mehr die Bundesregierung nicht nur ihre großspurigen Ankündigungen in gröblichster Weise falsifiziert, sondern auch in verantwortungsloser Art und Weise mit einem Element gespielt wird, das naturgemäß für die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ein ganz zentrales Element ihrer Lebensplanung bedeutet.

Es mag Menschen geben – aber ich rede von einem sehr kleinem Prozentsatz –, die in der Lage sind, sich gewissermaßen aus den nicht existenznotwendigen Überschüssen ihrer aktuellen Einkünfte eine Altersversorgung aufzubauen, die es ihnen ermöglicht, die öffentlichen Systeme mitleidig zu betrachten: Für die große Mehrheit der Menschen ist das jedoch nicht der Fall. Sie sind im Alter, kleine Zubußen durchaus einkalkuliert, darauf angewiesen, dass der Sockel ihrer Altersversorgung aus jenen Pensions­systemen geleistet wird, in die sie ein Arbeitsleben lang einzahlen.

Es sind, so sagt eine aktuelle Umfrage, die das „FORMAT“ veröffentlicht hat, drei Viertel der Österreicher, die auf ein wirklich gleiches Pensionssystem hoffen oder dieses erwarten, was jedoch durch die Harmonisierungsbemühungen der Bundes­regierung nicht erreicht werden wird. Ich würde das an Ihrer Stelle als ein ziemlich eindeutiges Misstrauensvotum der österreichischen Bevölkerung betrachten. Und die Menschen haben guten Grund zu dieser Skepsis. Das, was Sie als Pensionsreform, als Zukunftssicherung des ASVG-Systems verkauft haben, war nichts anderes als ein Abkassieren bei denen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, und das, was Sie jetzt offensichtlich vorhaben, ist ein Abkassieren bei jenen, die später in Pension gehen werden.

Meine Damen und Herren von der Regierungsseite: Es geht mir nicht darum, Polemik zu üben. Die Sozialdemokratische Partei hat von allem Anfang an ihre Bereitschaft bekundet, an runden, eckigen oder sonstwie geformten Tischen teilzunehmen, die diese außerordentlich wichtige, aber ungeleugnet auch schwierige Frage lösen sollen. Von einem kurzem Besuch – ich würde einmal sagen: als Gastdelegierte – abgesehen hat es diese Regierung nicht für notwendig gehalten, die parlamentarische Opposition als Parteien in diesen Prozess einzubinden.

Es hat Verhandlungen, Gespräche, einen immer wieder fortgesetzten Runden Tisch mit den Sozialpartnern gegeben. Gar keine Frage. Dass dieser Runde Tisch auch auf Anforderung oder auf den Wunsch, den öffentlich gemachten Wunsch des damaligen Bundespräsidenten Klestil zustande kam, soll in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden.

Ich habe über diese Verhandlungen kein Urteil abzugeben, was ihren Verlauf anlangt. Ich war nicht Mitglied dieser Runde, aber ich habe naturgemäß meine Informationen. Was sich dort von Regierungsseite abgespielt hat, hat schon in den Verhandlungen und erst recht in den öffentlichen Präsentationen, deren wir in den letzten Tagen teilhaftig wurden, klar gemacht, dass von Harmonisierung im engeren Sinn des Wortes nicht gesprochen werden kann. Die ASVG-Pensionisten, um das einmal volkstümlich zu sagen, sind vor zwei Jahren abgeräumt worden wie die berühmten Christbäume. Ein – um beim Bild des Chrisbaumes zu bleiben – all seines „Schmuckes“ beraubtes Pensionssystem für die unter 55-Jährigen sicherzustellen, war erkennbar die Absicht der Bundesregierung.

Es soll dabei nicht geleugnet werden, dass die Bundesregierung in dem einen oder anderen Fall auf Argumente der Sozialpartner, auch und gerade der Arbeitnehmer­vertreter, eingegangen ist. Ja, keine Frage. Es ist das Wesen solcher Gespräche, dass man Anregungen der Teilnehmer aber nicht nur freundlich anhört, sondern auch eine Umsetzung vorsieht. Sonst brauche ich keine Gespräche. Alles andere ist eine


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Verkündigungsveranstaltung, wo die Leute möglicherweise pfeifen statt applaudieren. (Bundesrat Bader: Aber umgekehrt muss es auch gelten!)

Herr Kollege, ich komme schon dazu! Sie brauchen nicht ungeduldig werden. Ich habe die Absicht, noch eine Zeit lang zu sprechen; ich werde auch zu diesem Thema kommen. (Oje-Rufe bei der ÖVP.)

Was sich herausgestellt hat, ist, dass die Bundesregierung, von kleinen, nicht unwesentlichen – ich sage das ehrlich – Zugeständnissen abgesehen, nicht bereit war, auf die Vorschläge der Arbeitnehmervertreter, die naturgemäß darauf aufbauten, dass die gröbsten Ungerechtigkeiten – ohnehin nur die gröbsten Ungerechtigkeiten – der letzten Pensionsreform nicht auch für die unter 55-jährigen perpetuiert werden, einzugehen.

Ich brauche über die letzte Pensionsreform nicht sehr lange zu sprechen, um Sie jetzt wieder versöhnlich zu stimmen. Das Urteil der Bevölkerung ist klar und hat seinen Ausdruck in zahlreichen Wahlergebnissen gefunden. (Bundesrat Bieringer: Abwarten!) Das brauche ich nicht abzuwarten; das ist geschehen! (Bundesrat Bieringer: National­ratswahlen haben wir erst!) – Lieber Kollege Bieringer, auch diese Entscheidung warten wir gerne ab! Herr Staatssekretär Morak hat sich nicht zu Wort gemeldet; der ist sich da offensichtlich nicht so sicher. Du, Kollege Bieringer, kandidierst ja nicht auf der Nationalratsliste; du bist ja „unbedroht“. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Die Niederlage in Salzburg hat dich, Kollege Bieringer, zwar mögliche künftige Präsidentenwürden, aber nichts anderes gekostet! – Ich gebe jedoch zu, dass ich auch da ein gewisses persönliches Element einzubringen habe: Also gut, ich bin ein Mensch, der sein Leben lang in einem ordentlichen ASVG-Versicherungsverhältnis – kein doppelter Boden, keine Tricks – gearbeitet hat, aber: Auf die Idee, mich als „Hackler“ zu bezeichnen, wäre ich bis vor wenigen Wochen nicht gekommen! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)

Entschuldigen Sie: Sie haben gesagt, dass dieses System eine Regelung beinhalten soll – gerade auch die FPÖ hat darum durchaus gekämpft; das ist anerkennenswert; ich bedanke mich auch persönlich, aber ich war ganz offensichtlich nicht das Zielobjekt –, mit der besondere Erschwernisse in bestimmten Arbeitsbereichen abge­golten werden sollen. – Davon kann aber jetzt keine Rede sein!

Die Wahrheit ist – das war mir, das gebe ich offen zu, in dieser Deutlichkeit nicht klar –, dass das gute alte Rechtsinstitut der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versiche­rungszeiten unter dem pompösen Rahmentitel „Hackler-Regelung“ weiter besteht, und dass daher jemand, der 45 Jahre lang Versicherungszeiten erworben und brav eingezahlt hat – was bei mir der Fall ist –, ein „Hackler“ ist und daher ohne Abschläge – in meinem Fall sind es neun Monate früher – in Pension gehen kann.

Wenn Sie von den Koalitionsparteien das als „Schwerarbeiter-Regelung“ bezeichnen, dann kann ich Sie – mit Verlaub! – nur auslachen. Das ist Etikettenschwindel! Sie haben für einen begrenzten Zeitraum ein altes, ein wohl bewährtes, sage ich dazu, Rechtsinstitut des Pensionsrechtes in Geltung gelassen – und haben diesem, weil da tatsächlich relativ viele Menschen, die im Alter von 15 Jahren zu arbeiten begonnen haben, darunter fallen, in wirklich etikettenschwindlerischer Tatsache die Bezeichnung „Hackler-Regelung“ verpasst.

Ich gebe zu, das war in dieser Drastik für mich eine unerwartete Erfahrung; so genau habe ich das vorher nicht analysiert. Aber ich muss sagen: Es tut mir weh, wie da Menschen letztlich an der Nase herumgeführt werden. Und die so genannte Harmonisierung ist der nächste Versuch in diese Richtung.


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Meine Damen und Herren! Der Gedanke, historisch gewachsene und in vielen Bereichen völlig unterschiedliche Pensionssysteme unter einen Hut zu bringen, ist im Prinzip begrüßenswert und stellt eine große Aufgabe dar. Es ist schon klar, dass das nicht leicht ist. Ein Pensionssystem wie im öffentlichen Dienst, das von einem völlig anderen Grundgedanken ausgeht – auch wenn es dort relativ hohe Beiträge gibt –, ist nicht als Versicherung konstruiert, sondern da geht es um ein Alimentationssystem, das sagt, dass auch jener, der nicht mehr beruflich aktiv ist, wobei rein theoretisch auch die Möglichkeit bestünde, ihn wieder zur Dienstleistung einzuberufen ... (Bun­desrätin Bachner: Weil er nie in Pension ist!) Bitte? (Bundesrätin Bachner: Weil er nie in Pension ist!) –Ja, weil er nie in Pension ist; völlig richtig! Im öffentlichen Dienst ist das folgerichtig ein völlig anders konstruiertes Arbeitsverhältnis – einem völlig anders konstruierten Ruhestandsverhältnis, um keinen falschen Ausdruck zu verwenden.

Die verschiedenen Systeme unter einen Hut zu bringen, ist eine verdienstvolle Aufgabe, gerade in einer Situation – ich sage das ganz ehrlich –, in der eine Weiter­entwicklung zum Besseren nicht absehbar ist. Der Hintergedanke, den große Teile der Bevölkerung in vergangenen Jahrzehnten hatten – wir brauchen denen, die etwas anderes und in einem Punkt etwas Besseres haben, nicht neidig sein, denn, so wie das in Österreich ist: irgendwann bekommen wir es auch –, einfach keine realistische Option für die Mehrheit der Bevölkerung ist.

Um jetzt Kollegin Bachner anzusprechen: Gewerkschaftliche Kollektivvertragspolitik hat immer wieder Unterschiede zwischen Berufsgruppen produziert, und zwar durchaus bewusst produziert – nicht jedoch, um Privilegien zu schaffen, sondern um eine Bresche zu schlagen und zu sagen: In dieser – meist gewerkschaftlich gut organi­sierten – Gruppe haben wir das und das erreicht, und der nächste Schritt wird sein, diesen Fortschritt auch für andere Gruppen durchzusetzen! Und das hat ja in vielen Fällen funktioniert; in manchen Fällen hat es jedoch nicht funktioniert.

In einer Situation, in der wir eine substanzielle Ausweitung der Pensionsansprüche nicht erwarten können, ist es durchaus legitim, darüber nachzudenken: Auf welchem Niveau führen wir die Ansprüche zusammen, um eine als gerecht empfundene, halbwegs gleichartige Altersversorgung aller Berufsgruppen zu erzielen?

Nochmals: Gegen diese Aufgabenstellung gibt es keinen Einwand! Um so ent­täuschter sind wir jedoch, dass das, was dazu bisher von dieser Regierung zustande gebracht wurde, uns nun als ein Konzept für eine Pensionsharmonisierung zu präsentieren versucht wird. – Davon, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, kann wirklich keine Rede sein!

Wir haben es auf der einen Seite – ich sage das sehr direkt – mit der Landwirtschaft zu tun, die sich sicherlich, gar keine Frage, in einer schwierigen Situation befindet: Die Zahl der beruflich aktiven Landwirte ist im Verhältnis zu den Pensionisten eine relativ kleine, und ich verstehe schon, dass daher schwierige Finanzierungssituationen ent­stehen. (Ruf bei der ÖVP: Beim ASVG ist es das Gleiche!) – Wenn die land­wirtschaftliche Versicherung den Deckungsgrad des ASVG produzieren würde, dann hätten wir kein Problem, Herr Kollege! Bleiben Sie auf dem Boden der Tatsachen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Bachner: Dann hätten wir keine Probleme!)

Das Problem dadurch zu lösen, dass man auf der einen Seite, was sicherlich not­wendig ist, Beiträge erhöht, wird als „heroischer Akt“ präsentiert; Herr Minister Pröll hat ja darüber gestern sehr ausführlich im Fernsehen gesprochen. Wenn dieser „heroische Akt“ darin bestanden hätte, dass die Beiträge in der landwirtschaftlichen Versicherung auf ASVG-Niveau erhöht würden, dann würde ich den Hut ziehen!, aber: Ein bisschen etwas drauflegen und ansonsten eine massive Bundessubvention zu bekommen, ... (Ruf bei der ÖVP: Wer zahlt den Pensionsbeitrag für die Arbeitslosen? Das macht viel


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mehr aus!) Da Sie, Herr Kollege, gerade so einen „intelligenten“ Zwischenruf gemacht haben: Auf diese Art löse ich Ihnen alle Probleme. Wenn die Subvention groß genug ist, da habe ich kein Finanzierungsproblem! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.) – Auch das ist sachlich unrichtig!

Worin liegt denn das Problem? – Ein Versicherungssystem, nämlich die Arbeitslosen­versicherung, übernimmt bei diesem System, das aus Beiträgen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gespeist wird, gewisse Versorgungspflichten, die über die Auszahlung von monatlichen Finanzbeträgen hinausgehen. Ich weiß nicht, wie Sie draufkommen, dass das der Steuerzahler ist. (Bundesrat Ing. Haller: Der Staat ...!)

Herr Kollege, Sie irren! Und ich würde Ihnen vorschlagen, zunächst einmal Fakten zu studieren, bevor Sie Zwischenrufe machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es hier mit einem Bereich zu tun – damit das jetzt außer Streit steht –, in dem das Prinzip eines Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung von dieser Seite des Hauses (der Redner deutet Richtung SPÖ) nicht in Zweifel gezogen wurde.

Jedes System – das ist gar keine Frage, Herr Kollege – bezieht auch Bundes­zuschüsse, also Subventionen, wenn Sie wollen. Die Frage ist jedoch die des Ausmaßes; darum habe ich das Wort „Eigendeckungsgrad“ verwendet. In der Zeit, als ich politisch in die Lehre gegangen bin, hat es für den ASVG-Bereich die Faustregel gegeben: ein Drittel Arbeitnehmer, ein Drittel Arbeitgeber, ein Drittel der Staat. (Bundesrätin Bachner: Richtig!) – Davon sind wir im Verlauf der Jahrzehnte weit weggekommen! Aber es gibt einen Bundeszuschuss, gar keine Frage; ich sehe darin auch nichts Illegitimes. (Bundesrätin Bachner: Genau!) Ich sehe auch nichts Illegitimes darin, wenn es einen Bundeszuschuss zur Pensionsversicherung der Bauern gibt. Die Frage ist die der Dimension und ob man mit einer willkürlich festgesetzten Erhöhung ein Problem, das man dort hat, löst.

Wenn wir von Harmonisierung sprechen, dann geht es vor allem darum, sicher­zustellen, dass die Beiträge gleich sind und dass daher die Leistungen gleich sein können. Und davon sind wir in den Bereichen der Selbständigen und der Land­wirtschaft noch weit entfernt!

Sagen Sie mir jetzt bitte nicht als Gegenargument: Die Bauern und die Selbständigen zahlen sich ihre Beiträge doch selbst! – Die Kolleginnen und Kollegen aus der Wirtschaft – Kollegin Zwazl ist derzeit nicht im Raum, wenn ich das richtig sehe – versichern bei allen Gelegenheiten, wie unerträglich hoch die Lohnnebenkosten sind. Ja, was sind sie denn, die Lohnnebenkosten, die Sie natürlich – ich verstehe das kalkulatorisch – den Lohnkosten zurechnen? – Der Arbeitnehmer kostet das, was sein Lohn und die Lohnnebenkosten sind! Also ich weiß ja nicht, worin der Unter­nehmerbeitrag in der ASVG-Versicherung besteht: Er wird vom Unternehmer überwie­sen, aber er ist in Wirklichkeit genauso ein Bestandteil des Lohnes und des Gehaltes, wie es die Eigenleistung des Arbeitnehmers ist – und in Ihrer Argumentation, in der Argumentation der gewerbetreibenden Unternehmer, wird er auch genau so behandelt! Ich glaube, dass wir uns in diesem Punkt zu 100 Prozent einig sind.

Also: Wenn jeder Arbeitnehmer einen Beitrag leistet, wobei rein technisch die Ein­zahlung aus zwei Quellen erfolgt, dann ist es wohl zumutbar, dass der Selbst­beschäftigte – der gewerblich Selbstbeschäftigte, der Freiberufler und der Bauer – einen gleich hohen Beitrag, der zur Gänze von derselben Stelle überwiesen wird, nämlich von ihm, entrichtet, um eine gleichartige – völlig richtig (Bundesrat Mag. Baier: Nicht gleichartig! Gleiche Leistung!) – nein, entschuldigen Sie: gleichartige Leistung zu erreichen.


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„Gleichartig“ nicht, weil ich ihm weniger Geld geben will, sondern weil naturgemäß Berufskarrieren zu berücksichtigen sind. Wir haben vernünftigerweise das System mit Überweisungsbeiträgen zwischen den Kassen. Selbständige sind in aller Regel eine kürzere Zeit berufstätig als Unselbständige, weil sie davor häufig als Unselbständige tätig sind. Die gleiche Leistung entsteht dadurch, dass ein Anspruch, der erworben wird, mit einem zweiten Anspruch zusammengefügt wird.

Der Automechaniker, der viele Jahre unselbständig gearbeitet hat, dann seine eigene Werkstätte gründet, hat zuvor als Arbeitnehmer Ansprüche erworben. Er macht sich dann selbstständig. Beide Ansprüche zusammen – da gebe ich Ihnen Recht – müssen das Gleiche ergeben, wie wenn er als 18-Jähriger – beziehungsweise wenn er mit 65 in Pension geht, geht es mit 20 Jahren auch noch – die Werkstätte seines ver­storbenen Vaters übernommen hätte oder wenn er sein Leben lang als unselbständiger Automechaniker gearbeitet hätte. Aber „gleichartig“ heißt, dass die Lebenssituation zu berücksichtigen ist. Die Summe muss ein gleiches Ergebnis bringen! Der, der ein Leben lang als selbständiger Bauer tätig war, erwirbt – je nachdem, wie lang dieses Leben gedauert hat – einen Anspruch. Ich gebe zu, dass ein wichtiges Sonder­problem – ich will das überhaupt nicht heruntermachen – die pensionsrechtliche Behandlung der mithelfenden Familienangehörigen ist. Das gebe ich schon zu. Es gibt überall ein Sonderproblem. Aber im Prinzip heißt „gleichartig“ für mich im Endergebnis durchaus dasselbe wie „gleich“, wenn wir dieses Zusammenwirken der Systeme berücksichtigen.

Aber in diesen drei Bereichen – oder eigentlich vier Bereichen, weil die Freiberufler ja wieder zum Teil in eigenen Systemen leben – ist es noch relativ einfach, weil da die gesetzliche Situation in den letzten Jahren immer im Gleichschritt entwickelt wurde.

Schwierig wird es, das gebe ich zu, im öffentlichen Dienst – ich habe schon davon gesprochen –, weil dort eine völlig andere pensionsphilosophische Grundlage gegeben ist, obwohl Beiträge entrichtet werden, und zwar Beiträge, die über dem Niveau auch des ASVG liegen. Aber es ist eben kein Versicherungsprinzip, es ist ein Alimen­tationsprinzip. Und es ist keine Pension, sondern eine Außerdienststellung aus Altersgründen, oder wie immer jetzt der dienstrechtliche Fachausdruck heißt. (Bundes­rätin Bachner: „Gehalt in Ruhe“! – Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gu­denus.) „Gehalt in Ruhe“. Danke.

Sehen Sie, nun lässt sich das alles umkonstruieren – das ist keine unmögliche Aufgabe –, nur eines geht nicht: dass diese Regierung sagt, sie hat eine Har­monisierung erreicht, und in Wirklichkeit das Problem des öffentlichen Dienstes – es ist das ein Riesenproblem! – nicht einmal angegriffen hat! Es hat mit den Interessen­vertretern des öffentlichen Dienstes keinerlei wie immer geartete inhaltliche Gespräche gegeben.

Nun weiß ich auch, warum das so ist. – Herr Staatssekretär Morak, Sie werden das dementieren, falls Sie hier sozusagen einen politischen Auftrag mitgebracht haben. – Ich halte es für unverantwortlich, auf der einen Seite mit Geltungsbeginn 1. Jänner nächsten Jahres ein wie immer aussehendes Harmonisierungsgesetz beschließen zu wollen und gleichzeitig mit Rücksicht darauf, dass es im öffentlichen Dienst am 1. und 2. Dezember dieses Jahres Personalvertretungswahlen gibt, nur ja kein rohes Ei zu zerschlagen. Das, Herr Staatssekretär, wird es nicht spielen! Da müssen Sie die Karten auf den Tisch legen! Da muss es ein Angebot geben. – Derzeit gibt es ja eher nicht ein Angebot, sondern drei bis vier, die sehr unterschiedlich aussehen.

Da gibt es den Minister Haupt – nein, ich muss chronologisch korrekt anfangen: es gibt den Herrn Finanzminister Grasser, der erstens nichts von der Pensionsreform 2003 zurücknehmen will – gut, oder besser gesagt: nicht gut, aber das ist halt seine


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Meinung –, der sich aber gleichzeitig nicht vorstellen kann, dass es bei einer Änderung für den öffentlichen Dienst beispielsweise zu einer Anhebung der Anfangsbezüge kommen könnte.

Dann gibt es den Herrn Sozialminister Haupt, der meint, die Meinung des Finanz­ministers deckt sich nicht mit den Verhandlungsergebnissen der Regierung. – Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, was in der Regierung verhandelt wurde.

Dann gibt es die Meinung des Herrn Bundeskanzlers, der sich im Gegensatz zu seinem Finanzminister – sehr vorsichtig, aber immerhin – vorstellen kann, Anfangs­bezüge im öffentlichen Dienst zu erhöhen.

Aber was es jedenfalls nicht gibt, ist ein Kurs der Regierung. Sie müssen verstehen, dass wir im Interesse der künftig Betroffenen verlangen müssen – nicht von Ihnen persönlich, Herr Staatssekretär Morak, denn auch bei Ihrer Fähigkeit, das hier inhaltlich darzustellen: konzeptiv ist es vermutlich nicht Ihre Aufgabe, die Harmonisierung in einen Text zu bringen –, nämlich vom Bundeskanzler, an den diese Umfrage gerichtet ist, dass er die Karten auf den Tisch legt. (Bundesrat Hösele: Ist das jetzt schon eine „Umfrage“?)

Sie meinen, ich versuche herauszufinden, wer zuständig ist? – Also der Herr Staats­sekretär nicht! Sie sind es? (Bundesrat Mag. Himmer: Sie haben einfach „Umfrage“ statt „Anfrage“ gesagt!) Oh, Entschuldigung! Das ist ein Versprecher. Ich bitte um Vergebung! Aber die Idee, eine Umfrage zur Harmonisierung zu machen – das war die Einleitung –, hatten andere schon (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Bundesräten der SPÖ), und die 75 Prozent Misstrauensvotum rufe ich Ihnen gerne noch einmal in Erinnerung, wenn ich mir schon durch einen Sprechfehler das Stichwort dafür geliefert habe. (Bundesrat Mag. Himmer: ... eine Umfrage zur Anfrage!) – Diese würde nicht so schlecht ausgehen!

Meine Damen und Herren! Es gibt viele Sonderprobleme. Wir haben in unserem Kreis die schwierige Frage diskutiert – sie wird auch in der Öffentlichkeit massiv diskutiert –, wie das eigentlich mit dem Pensionsschicksal von Akademikern ist, die auf Grund ihrer längeren Ausbildung große Probleme haben werden, auf eine entsprechende Anspruchsvoraussetzung von 45 Jahren zu kommen. Die Zeiten, wo das erfolgreiche Studium gewissermaßen der „Freifahrschein erster Klasse“ in der Gehaltslaufbahn war – das war vor Jahrzehnten tatsächlich so –, sind lange vorbei. Und ich glaube nicht, dass Sie dieses Problem so einfach ignorieren können. (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich sage auch persönlich dazu, dass ich, obwohl das politisch durchaus von meiner Partei zögernd und zurückhaltend mitgetragen wurde, ein Problem damit habe, nicht mit der 45-jährigen Anwartschaft, aber mit dem gewissermaßen Durchrechnungs­zeitraum von 45 Jahren, weil das eine Regelung ist, die keinen Absturz in der Berufs­laufbahn ohne pensionsrechtliche Folgen toleriert. Ich halte das – das ist meine persönliche Meinung – für das System einer solidarischen Versicherung für problema­tisch, dass es Tatsachen ignoriert, die viele Menschen betreffen. Das ist ganz einfach: 45 Jahre Anwartschaft, 40 Jahre Durchrechnung auf 45 Jahre hochgerechnet – das verzeiht die Tatsache, dass es Arbeiter geben wird, bei denen die wahrhaft nicht opulente Lehrlingsentschädigung in dieser Bemessungsgrundlage drinnen sein wird, das würde auch im Bereich der Akademiker ein bisschen helfen, und es würde den vielen Menschen helfen, die – auch aus ganz persönlich verschuldeten Gründen – einmal einen zeitweisen Absturz produzieren. Der muss sich ja nicht unbedingt in ihrer Altersversorgung widerspiegeln! – Das sei nur nebenbei bemerkt.

Herr Staatssekretär! Ich könnte zusätzlich zu diesen Überlegungen persönlich noch ein paar weitere anstellen, wie zum Beispiel die Frage: Wenn es offenbar so ist, dass ein


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45-jähriger Beitragszeitraum ausreicht, um ab 65 eine Pension zu beziehen, warum ist dann niemals in dieser Debatte der Gedanke aufgetaucht, Menschen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben, von weiteren Pensionsbeiträgen – nicht aber von der Arbeits­verpflichtung – freizustellen? Das wäre ein interessanter Beitrag zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit! – Das ist auch wieder eine sehr persönliche Bemerkung und nicht der Standpunkt meiner Partei, den ich hier vertrete. Aber wenn ich sage: Im Laufe meines Lebens muss ich 45 Beitragsjahre ansammeln, und ich darf mit 65 in Pension gehen – was ist dann also mit jenen Hacklern, die mit 15 Jahren anfangen, die auch in Zukunft mit 60 ihre 45 Jahre haben werden und die nach Ihrem Modell weiterhin nur mit massiven Abschlägen in Pension gehen können? (Bundesrat Kritzinger: Nein, da gibt es ...! – Bundesrat Ing. Kampl: Da gibt es keine Abschläge!) Natürlich! (Bundesrat Kritzinger: Die „Korridor-Regelung“!) Bitte, wie? (Bundesrätin Bachner: Einen Bonus gibt es erst nach 65!)

Herr Kollege, Sie irren! Sie irren! Schauen Sie sich die Unterlagen an: Es ist einfach falsch, was Sie sagen. Der „Korridor“ ermöglicht den Pensionsantritt vor 65 mit Abschlägen, nach 65 mit Zuschlägen. – Es ist einfach falsch, was Sie sagen! Es tut mir Leid. (Ruf: ... keine Zuschläge und keine Abschläge!) Nein! (Bundesrat Reisenberger: Der redet von heute! – Ruf bei der SPÖ: Da gibt es nur Niederschläge!) – Herr Kollege, lassen wir’s.

Ich wollte sagen: Es ist nicht einzusehen, warum jemand, der diese 45 Jahre vorzeitig eingezahlt hat, nicht für den Rest seiner durch das Pensionsantrittsalter erzwungenen Berufstätigkeit von einer weiteren Beitragsleistung freigestellt wird, wenn wir schon – wir nicht; wenn Sie schon – eine frühere Pensionierungsmöglichkeit nicht in Betracht ziehen wollen.

Das, was Sie vorlegen, ist wie die Pensionsreform 2003 unsozial, undurchdacht und daher ein zweites Mal unsozial. Wir können Ihnen vorrechnen, wo Sie in Fällen, an die Sie vermutlich gar nicht gedacht haben – das würde ich ehrlich einbekennen –, mit Ihren Bestimmungen extrem unsoziale Regelungen produzieren, weil Sie die gesell­schaftliche Auswirkung nicht berücksichtigen.

Eine Diskussion über die Frage, wie nun eine wirkliche Schwerarbeiterregelung aussehen kann, einzuleiten mit der Festsetzung eines Prozentsatzes, das ist ja nun etwas besonders Paradoxes! (Bundesrat Bader: ... ist aber vereinbart, bitte, mit der Gewerkschaft!) Nein! Frau Kollegin Bachner wird Ihnen dazu alle gebührenden Antworten geben. Sie ist dazu besser geeignet, weil sie ... (Zwischenruf bei der ÖVP. – Gegenruf des Bundesrates Reisenberger: Wer wann spricht, werden nicht Sie entscheiden! Sicher nicht!) Sie weiß es besser, aber die Antwort wird nicht anders ausfallen. Herr Kollege, wir könnten das Gesundheitssystem problemlos sanieren, wenn wir durch Bundesgesetz festlegen, dass pro Jahr nur 5 Prozent der Bevölkerung Krebs- und Herzerkrankungen haben dürfen. Und was Sie vorschlagen, ist dasselbe im Pensionssystem! Das ist doch absurd!

Wir wissen, wie sich die Arbeitswelt verändert. Wir wissen, dass sie sich nicht in die Richtung einer zunehmenden Schonung der Arbeitnehmer entwickelt, dass es Berufe gibt, in denen die Anforderungen entsetzlich – und zwar im eigentlichen Sinn des Wortes „entsetzlich“ – gestiegen sind.

Wenn wir eine echte Lösung wollen – ich weiß nicht, ob Sie sie wollen –, dann geht es auch nicht um Berufe, sondern es geht um Tätigkeiten, konkret definierte Tätigkeiten. In einer Berufsgruppe gibt es sehr unterschiedliche Berufspositionen. Wir haben jahrelang eine öffentliche Diskussion darüber gehabt, ob es gerecht ist – Antwort: natürlich nicht! –, dass im Bereich der Bundesbahn Frühpensionsberechtigungen nicht nur für das fahrende und unter einer hohen Belastung stehende Personal, sondern


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auch für andere gelten sollen. – Und jetzt sprechen Sie von Berufen. Das ist doch absurd, einfach absurd!

Ich lade Sie ein, Herr Staatssekretär – falls Sie mir zuhören können –, an diesem Punkt einfach zurück an den Start zu gehen! Sie können von uns mitnehmen: ein absolut ehrliches Bekenntnis zu einer Harmonisierung. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wie meinen, Herr Kollege? (Bundesrätin Zwazl: Er bezweifelt das!) Er bezweifelt das; gut.

Wir werden also nach der Nationalratswahl 2006 den entsprechenden Wahrheits­beweis erbringen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja der Grund, ...! – Bundesrat Gruber: Nein, notwendig ist es! Nicht: der Grund!)

Herr Kollege, nach der Nationalratswahl 2006 gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir werden jene Harmonisierung, die Sie mit Geltungsbeginn 1. Jänner 2005 beschließen, ändern, oder, wenn Sie scheitern – wofür ich die Wahrscheinlichkeit für gleich groß halte –, werden wir an die Lösung dieses Problems herangehen. Eine dritte Möglichkeit gibt es eigentlich nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber wir sind dagegen, und das ist einer der Gründe für diese Anfrage – nicht Umfrage – und dafür, dass wir Sie heute auffordern, von jenen Positionen, auf die Sie sich am Ende dieser Verhandlungsrunde versteift – um es einmal so zu formulieren – und die Sie seither in der Öffentlichkeit vertreten haben, abzugehen. Es geht darum, für etwas, was für die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ein Lebens­element ist, eine solide und haltbare Grundlage zu schaffen und die Menschen nicht zu verunsichern, sondern ihnen eine seriöse Perspektive zu offerieren. Diese ist für uns nicht erkennbar. Aber Sie haben zahlreiche Fragen zu beantworten, Herr Staats­sekretär – vielleicht wird es dann erkennbar sein. Ich zweifle – in diesem Fall: ich – daran.

Zurück an den Start! Zurück zur Einbindung der Sozialpartner! Zurück auch zu dem, was nie stattgefunden hat: zur Einbindung der Oppositionsparteien! Aber vor allem: Verhandlungen in einem Geist, in dem Sie die unsägliche und unselige Pensionsreform 2003 nicht als sakrosankt betrachten!

Eine Harmonisierung, die darin besteht, dass an diesem verhängnisvollen Schritt nicht gerüttelt werden darf, wird sicherlich niemand von uns mittragen. Sie wird auch den Österreicherinnen und Österreichern nicht zu vermitteln sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.40

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zur Beantwortung hat sich Herr Staatssekretär Morak zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.40

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich geben Ihnen Recht, Herr Professor Konecny, es ist wirklich ein zentrales Thema: Bei der Zuwendung, die jeder einzelne Österreicher seiner Pensionsvorsorge entgegenbringt, ist dieses Wort vom „zentralen Thema“ wirklich nicht untertrieben.

Wissen Sie, deswegen hat es auch 22 politische Verhandlungsrunden mit den Sozial­partnern gegeben, und es hat über 70 Verhandlungsrunden auf Expertenebene gegeben. Die Gespräche zur Harmonisierung der Pensionen sind am vorletzten Wochen­ende abgeschlossen worden, und es ist gelungen, das neue Modell der Harmonisierung der verschiedenen Pensionssysteme außer Streit zu stellen! Strittig bis zum Schluss blieb das Übergangsrecht. Teile der Sozialpartner wollten eine Rück­nahme der Pensionsreform 2003. (Bundesrat Konecny: Ja! – Bundesrätin Bachner: Richtig!) Auch Sie haben das hier von der Rostra aus dem Hohen Haus gesagt.


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Die Bundesregierung arbeitet nun mit den Experten der verschiedenen Pensions­versicherungsträger einen Entwurf aus und wird diesen in Begutachtung schicken. Der Entwurf soll im Herbst dem Parlament vorgelegt werden. Ich hoffe, dass dann auch jene Teile, die bisher noch nicht konsensfähig waren und sind, gemeinsam umgesetzt werden können. Die Zielsetzung, das neu harmonisierte System mit 1. Jänner 2005 in Kraft treten zu lassen, bleibt aufrecht.

Damit wird ein Projekt umgesetzt, an dem bisher viele Regierungen gescheitert sind. Schon am 30. August 1988 hatte der damalige Sozialminister Dallinger die Harmoni­sierung eingeläutet. Sozialminister Geppert stellte im Juni 1989 treffend fest:

Dem Solidaritätsprinzip im Generationenvertrag kann nur dann zum Durchbruch ver­holfen werden, wenn es gelingt, eine Harmonisierung der verschiedenen Pen­sionssysteme zustande zu bringen. – Zitatende.

Im Sommer 1997 hat Bundeskanzler Klima die Harmonisierung „bis Jahresende“ angekündigt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Hört! Hört! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Todt: Da war die ÖVP auch in der Regierung!)

Diese Bundesregierung hat die oftmalige Ankündigung nunmehr in zwei Schritten um­gesetzt: in der Pensionssicherungsreform 2003, die eine Harmonisierung der Durch­rechnungszeiten und der Steigerungsbeträge gebracht hat, und in dem nunmehr in Ausarbeitung befindlichen zweiten, abschließenden Schritt der Harmonisierung.

Die Bundesregierung hat sich bemüht – wie schon bei der Pensionssicherungsreform –, die Sozialpartner intensiv einzubinden. Die nunmehr vorliegende Punktation ist nicht nur Ausdruck intensiver Verhandlungen, wie ich sie vorhin dargestellt habe, sondern auch Ausdruck des konsensualen, des sozialpartnerschaftlichen Klimas, in dem sie entstanden ist.

Nachdem wir schon vergangenen Sommer, unmittelbar nach der Pensions­sicherungs­reform, am 30. Juni 2003 mit den Sozialpartnerpräsidenten Tumpel, Verzetnitsch, Leitl und Schwarzböck Einigung über den Grundsatz „80 Prozent mit 65 Jahren nach 45 Versicherungsjahren“ erzielen konnten, haben wir um diesen Grundkonsens ge­mein­sam die Harmonisierung entwickelt. Es wird daher ab dem Jahre 2005 für alle Versicherten ein transparentes Pensionskonto eingerichtet, in das keine rückwirkenden Eingriffe erfolgen können.

Diese Leistungsgarantie bringt für die zukünftigen Pensionistinnen und Pensionisten die Sicherheit, dass ihre erworbenen Ansprüche im Alter ungeschmälert erhalten bleiben. Gleichzeitig sorgt ein neu eingeführter Nachhaltigkeitsfaktor dafür, dass bei demographischen Veränderungen, die das prognostizierte Ausmaß übersteigen, zukünftige Anpassungen des Beitragssatzes, des Steigerungsbetrages, des Antritts­alters, der Pensionsanpassung und der Höhe des Bundesbeitrages automatisch erfol­gen, sodass auch für zukünftige Generationen die Leistungsfähigkeit des Systems gewährleistet ist.

Durch die Neuregelung der Aufwertung – sie erfolgt zukünftig mit der Beitrags­grund­lagensteigerung – ist sichergestellt, dass alle Berufsgruppen hinsichtlich ihrer lebens­langen Durchrechnung fair behandelt werden. Die Aufwertung mit der Beitrags­grundlagenentwicklung stellt gegenüber der derzeitigen Aufwertungsregel eine wesent­liche Verbesserung dar. Gleichzeitig werden wir zukünftig die Pensionsanpassung mit dem Verbraucherpreisindex vornehmen, was sicherstellt, dass die Kaufkraft der Pen­sionisten ungeschmälert erhalten bleibt.

Zum Beitragssatz: Dieser beträgt zukünftig einheitlich für alle Berufsgruppen 22,8 Pro­zent. Während Dienstnehmer derzeit 10,25 Prozent bezahlen und die Dienstgeber 12,55 Prozent als Dienstgeberbeitrag abführen, wird für Selbständige und Bauern der


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vorhin genannte Beitragssatz von 22,8 Prozent gelten. Schon derzeit erhalten Dienst­nehmer im ASVG Pensionsleistungen, für die keine oder nur geringe Beiträge durch den Versicherten bezahlt werden; als Beispiele seien hier Arbeitslosen- und Kranken­geldbezug genannt. Diese Leistungen stehen Selbständigen und Bauern nicht zur Verfügung. Darüber hinaus führen diese Berufsgruppen zweckgewidmete Abgaben wie zum Beispiel die Abgabe aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ab, die durch unselbständig Erwerbstätige nicht erbracht werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Unter Berücksichtigung dieser Aspekte haben sich die Sozialpartnerpräsidenten daher auf entsprechende Ausgleichsleistungen des Bundes für die Berufsgruppen der Selbständigen und Bauern geeinigt; das war Konsens.

Alle Experten sind sich darüber einig, dass ein Pensionsantritt zukünftig zum Regel­pensionsalter erfolgen muss, will man die Tragfähigkeit unseres sozialen Sicherungs­systems nicht überfordern. Gleichzeitig war es ein besonderer Wunsch der Sozial­partner, einen „Pensionskorridor“ zu schaffen. Die zukünftige Möglichkeit, schon mit 62 Jahren in Pension zu gehen, muss jedoch nach den Grundsätzen der Versiche­rungsmathematik erfolgen, um nicht jene schlechter zu stellen, die das Regelpen­sionsalter einhalten. Die Experten haben sowohl für die Abschläge als auch für den zukünftig erwerbbaren Bonus einen Prozentsatz von 4,2 Prozent festgelegt.

Ein wesentlicher Diskussionspunkt der Sozialpartner waren die Auswirkungen der Pen­sionssicherungsreform 2003. Daher kam man überein, den derzeit bestehenden Schutzdeckel von 10 Prozent dahin gehend abzuändern, dass er für das Jahr 2004 auf 5 Prozent halbiert wird; er wird bis zum Jahr 2024 langsam auf die alte Höhe ansteigen. Diese sehr lange Übergangsfrist deckt sich mit dem schon 1997 im Beamtendienstrecht verankerten Verlustdeckel und führt in diesem Zusammenhang zu einer Gleichbehandlung aller Berufsgruppen.

Zur Frage 1:

Das Pensionssystem des öffentlichen Dienstes und die gesetzliche Pensions­ver­sicherung hatten ursprünglich sehr unterschiedliche Berechnungssysteme. Die Schutz­mechanismen der Pensionsreform 1997, die erstmals die Durchrechnung im öffent­lichen Dienst mit sich brachte, konnten daher auf ASVG-Versicherte nicht angewendet werden, da sie sich allein auf die Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume be­ziehen, die im ASVG zu diesem Zeitpunkt schon bestanden haben. Gleichzeitig wirkt der Steigerungsbetrag im öffentlichen Dienst anders als im ASVG. Es war daher notwendig, in der gesetzlichen Pensionsversicherung mit einem Gesamtdeckel zu arbeiten.

Zu den Fragen 2 bis 4:

Bei der Ausarbeitung der Punktation wurden Gespräche und Verhandlungen der Bun­des­regierung mit den Sozialpartnern geführt. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ist Teil des von Präsident Verzetnitsch vertretenen Gewerkschaftsbundes. Jetzt wird ein Begutachtungsentwurf erarbeitet, und im Zuge der Begutachtung haben alle Beteiligten die Möglichkeit, ihre Standpunkte einzubringen.

Zur Frage 5:

Ich darf darauf hinweisen, dass die Pensionssicherungsreform 2003 im Bereich des Durchrechnungszeitraumes eine vollständige Harmonisierung mit sich gebracht hat. Weiters wurden im öffentlichen Dienst die Steigerungsbeträge derart angepasst, dass sie mit jenen im System der gesetzlichen Pensionsversicherung identisch sind. Weiters wurde der bestehende Pensionssicherungsbeitrag im öffentlichen Dienst erhöht, sodass die Pensionssicherungsreform in dieser Gruppe mindestens die gleichen Aus­wirkungen wie im ASVG hat.


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Zur Frage 6:

Vorweg möchte ich klarstellen, dass die bestehenden Regelungen des Nachtschwer­arbeitergesetzes nicht geändert werden. Zusätzlich wird es allerdings die Möglichkeit geben, bis zu fünf Jahre früher in Pension zu gehen. Dass dies nicht den versiche­rungsmathematisch errechneten Abschlag von 4,2 Prozent, sondern von 3 Prozent für jedes Jahr des früheren Pensionsantrittes zur Folge hat, ist ein Ergebnis von Sozial­partnergesprächen und wurde von der Bundesregierung so in die Punktation übernommen.

Zur Frage 7:

Da haben die Sozialpartner angeboten, Tätigkeiten zu definieren, die zu den Möglich­keiten des vorzeitigen Pensionsantrittes führen. Der Sozialminister wird auf Vorschlag der Sozialpartner die entsprechende Verordnung erlassen.

Zur Frage 8:

Der unterschiedliche Beitragssatz wurde, wie ich schon oben dargestellt habe, von Experten der Sozialpartner ermittelt. Er war in den Gesprächen nachvollziehbar und ist gerecht.

Zur Frage 9: nein.

Zur Frage 10:

Die derzeit bestehende Regel nach der Pensionsreform 2003 ist verfassungskonform. Die Einführung eines neuen „Pensionskorridors“ kann nicht zwischen Frauen und Männern differenzieren, dies wäre nach Ansicht aller maßgeblichen Experten sowohl innerstaatlich verfassungswidrig als auch europarechtswidrig. Ich verweise auf die Richtlinie 79/7/EWG und auf die Rechtssache Buchner, EuGH vom 23. Mai 2000, zur vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit, in welcher der EuGH die Zulässigkeit eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Alters verneinte.

Zur Frage 11: Ja; wie ich schon oben ausgeführt habe.

Zur Frage 12:

Wie bei jeder Mehrfachversicherung gilt auch für die additive Anrechnung die Höchstbeitragsgrundlage.

Zur Frage 13:

Auch das Partnereinkommen soll freiwillig gesplittet werden können. Die detaillierten Regelungen dazu werden derzeit ausgearbeitet.

Zur Frage 14:

Die Ausformulierung dieses Grundsatzes zur Parallelrechnung erfolgt derzeit durch Experten.

Zur Frage 15:

Diese Bundesregierung hat durch die Schaffung der Hospizkarenz wesentlich zur Verbesserung der Lage pflegender Angehöriger beigetragen. Die Harmonisierung führt zudem zu einer besseren Bewertung dieser Zeiten. Weiters werden die Leistungen des Familienlastenausgleichsfonds für die Pflege behinderter Kinder ausgedehnt.

Zur Frage 16:

In der Parallelrechnung wird die Besserstellung für Zeiten der Notstandshilfe auch rückwirkend gelten.


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Zur Frage 17:

Wie ich dargelegt habe, wird ein Bündel von Maßnahmen – von der besseren Ersatzzeitenbewertung bis hin zur Notstandshilfeanrechnung – zu einer wesentlichen Verbesserung der eigenständigen Alterssicherung der Frauen führen.

Weiters haben wir im Rahmen der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ein umfangreiches Paket geschnürt, das vor allem Frauen nach der Kindererziehung einen besseren Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht. Leider gibt es durchaus noch größere Unterschiede im Bereich der Kindergartenbetreuungsmöglichkeiten, die besonders im Bereich der Bundeshauptstadt Wien teilweise so teuer sind, dass der Wiedereinstieg der Frau oftmals als unrentabel erscheint. (Bundesrat Konecny: Das ist ja ungeheuerlich!) Andere Bundesländer, wie zum Beispiel Niederösterreich, haben gezeigt, wie durch flächendeckende kostenlose Kinderbetreuung der Wiedereinstieg erleichtert werden kann und Frauen somit gerechtere Karrierechancen vorfinden. (Bundesrat Konecny: ... eine Ungeheuerlichkeit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei der ÖVP.)

Österreich braucht ein gerechtes und solidarisches Modell für eines der wichtigsten Zukunftsthemen, damit auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten das Zusam­menleben der Generationen auf einer guten Basis funktioniert. Für all jene, die künftig in Pension gehen, sollen Klarheit und Planbarkeit herrschen. Es ist wichtig, dass nicht in jeder Legislaturperiode, alle drei bis vier Jahre eine Pensionsreform notwendig wird. Genau deshalb wäre ein parteienübergreifender Konsens wichtig, der klarstellt, dass alle wesentlichen politischen Gruppen eine gemeinsame Verantwortung für die soziale Absicherung aller Generationen tragen.

Für die Jüngeren soll mit der Harmonisierung sichergestellt werden, dass auch sie später eine Pension erhalten, mit für sie leistbaren Beträgen. Damit auch zwischen den Berufsgruppen Gerechtigkeit gegeben ist, braucht es Übergangsfristen, die es den Bauern, Selbständigen und Beamten ermöglichen, sich in das neue System einzu­gliedern. Das Prinzip heißt nach wie vor: Gleiche Beiträge bringen gleiche Leistungen. (Bundesrätin Bachner: Aber das stimmt ja nicht! – Bundesrat Konecny: Das ist einfach falsch!) Das ist allerdings nur dann möglich, wenn das System auf Dauer finanzierbar bliebt. Dabei müssen sämtliche Faktoren der demographischen, wirtschaft­lichen und sozialen Entwicklung berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren! Darf ich noch einmal kurz erwähnen, was Herr Bundesrat Konecny gesagt hat: Es ist dies tatsächlich ein zentrales Thema, es ist ein Thema, das mit Organisation von Zukunft zu tun hat! Ich glaube, das österreichische Volk, der österreichische Staat ist immer gut beraten gewesen, wenn wir für zentrale Fragen, wie die Pensionsfrage eine ist, eine gemeinsame Vorgangsweise finden, die im Interesse aller Österreicherinnen und Österreicher ist.

Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern haben uns Mut gemacht. Ich hoffe, dass wir diesen Mut weitertragen können und zu einer Lösung kommen, sodass wir im nächsten Jahr ein gerechtes, ein besseres Pensionssystem haben, das saubere Übergangs­zeiten und klare Abgrenzungen zum alten System schafft. Wir haben eine Arbeit vor uns, dies den Menschen zu erklären und nicht die Menschen zu verunsichern in einem – wie Sie sagten, Herr Konecny – sehr zentralen Thema dieser Republik! – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.56

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.


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Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates/einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

 


16.57

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Herr Staatssekretär Morak hat erwähnt, dass die Sozialpartner am Runden Tisch teil­genommen haben. Sie, Herr Staatssekretär, haben auch bei fast jeder Anfrage­beantwortung mit erwähnt, wo es bereits eine Zustimmung der Sozialpartner gegeben hat. Dem möchte ich von dieser Stelle aus erst einmal massiv widersprechen. (Staats­sekretär Morak: Die Sozialpartnerpräsidenten, habe ich gesagt!) – Okay, dem möchte ich aber trotzdem widersprechen, was die Seite der Arbeitnehmervertretung, was also ÖGB und auch Arbeiterkammer betrifft.

Wo ich Ihnen Recht gebe, Herr Staatssekretär, ist Folgendes – und das möchte ich hier auch positiv erwähnen –: Bereits im Oktober 2003 hat der ÖGB bei seinem Kon­gress ein Pensionsmodell ausgearbeitet, die so genannte Österreich-Pension. Dieses Modell verdient auch den Namen „Harmonisierung“, weil in diesem Modell wirklich ein Konzept entwickelt wurde, das für alle derzeit unterschiedlichen Pensionssysteme eine Harmonisierung möglich gemacht hätte.

Ich muss sagen, erfreulicherweise gab es – obwohl auf Seiten der Regierung anfänglich doch sehr großes Misstrauen gegenüber diesem Modell bestanden hatte – dann in den Gesprächen am Runden Tisch sehr häufig auch die Erkenntnis, dass die Vorschläge, die in diese Konzept enthalten sind, gar nicht so schlecht sind. Viele Punktationen, die wir jetzt kennen, resultieren in Teilen auch aus diesem Konzept, das der ÖGB damals beim Kongress veröffentlicht hat.

Ich gebe Ihnen auch darin Recht, dass wir uns in vielen Punkten näher gekommen sind, wobei „näher gekommen sind“ noch lange nicht Zustimmung heißt. Folgendes muss man schon festhalten: Sie werden keinen Gewerkschafter und keinen Käm­merer/keine Kämmerin finden, die eine Zustimmung zu Verhandlungen erteilen, bevor sie den Gesetzestext darüber kennen. Eine Endzustimmung zu solchen Verhandlun­gen kann es also immer erst dann geben, wenn auch der Gesetzestext vorliegt. Viele von uns, die mit Gesetzen zu tun haben, wissen, dass dann genau im Detail oft die schwierigen Fragen auftreten. Deshalb gab es zwar eine Annäherung – das ist voll­kommen richtig und auch positiv zu bewerten –, jedoch ist es schade, dass es zum Schluss wegen, sage ich jetzt einmal, weniger Punkte, die für uns aber sehr gravierend waren, doch zu keiner Einigung bei den Runden Tischen kam.

Wir haben von Anfang an gesagt, wenn wir eine Harmonisierung machen wollen, die den Jungen Zukunftsperspektiven geben soll, die auch halten soll, damit wir nicht wieder in zwei, drei Jahren über neuerliche Pensionsreformen diskutieren müssen, dann müssen wir das gescheit machen. Unsere Voraussetzung war, dass wir die Pensionsreform 2003 zurücknehmen müssen, denn die Pensionsreform 2003 hat gerade für die ASVG-Versicherten maßgebliche Verschlechterungen gebracht. Wenn wir da noch aufdoppeln und darauf aufbauend harmonisieren, kann nichts Gescheites daraus werden. In Teilen haben das auch Regierungsvertreter anerkannt, denn sie sind von der derzeitigen Deckelung der Verluste von 10 Prozent auf 5 Prozent zurückgegangen. Es ist also bereits die Erkenntnis da gewesen, dass man die so genannten Grausamkeiten von 2003 zumindest reduzieren muss, um wirklich ordentlich harmonisieren zu können.


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Die Regierung ist dann aber leider doch nicht von all den Punkten abgerückt, von denen wir gemeint haben, dass man abrücken müsste, um ordentlich darauf aufbauen zu können. Das mag dadurch bedingt sein, dass man in der Öffentlichkeit einfach nicht das Gesicht verlieren möchte, oder es sind sonstige Gründe dahinter gestanden. Mir tut das Leid, denn ich denke mir, auch die Regierung ist daran interessiert. Sie haben zumindest in Ihren Schlussworten gerade erwähnt, dass wir ein System finden müssen, das für alle gleich gilt, das Zukunftsperspektiven für alle Menschen in diesem Land bringt und vor allem auch die Sicherheit, nach einem langen, arbeitsreichen Leben im Alter abgesichert zu sein, und zwar egal, in welcher Berufsgruppe man davor beschäftigt war.

Wir von Seiten der Arbeitnehmervertretung haben dann letztendlich den Runden Tisch verlassen, und zwar aus mehreren Gründen. Drei Schwerpunkte möchte ich hier erwähnen: Der eine Schwerpunkt sind die Abschläge. Wir können sie nicht akzeptieren, auch wenn die Regierung, wie schon erwähnt, dazu bereit war, die Verlustdeckelung von 10 auf 5 Prozent zu senken. Man muss zur Erklärung hin­zufügen, dass es sich nur um eine vorübergehende Senkung handelt, denn sie wird pro Jahr wieder um 0,25 Prozent angehoben. Das bedeutet, dass wir im Jahr 2024 wieder diesen zehnprozentigen Verlustdeckel erreicht haben werden.

Sie haben den Pensionskorridor erwähnt. Weiters ist es so, wenn jemand, speziell Männer – Frauen haben ohnedies erst ab 2033 die Chance –, mit 62 in Pension geht, dann hat er pro Jahr mit einem Abschlag von 4,2 Prozent zu rechnen. Das heißt im schlimmsten Fall, wenn jemand also erst 2024 in Pension geht – das ist die Generation, die jetzt gerade im Berufsleben steht –, hat er, wenn er mit 62 in diesen Pensionskorridor eintritt, bereits mit über 22 Prozent Abschlägen zu rechnen. Das ist etwas, wo wir gesagt haben, das kann es ja wohl nicht sein. Das betrifft auch Menschen – und jetzt bin ich bei den typischen Hacklern, die Professor Konecny erwähnt hat –, die mit 15 Jahren zu arbeiten begonnen haben, also mit 62 Jahren im besten Fall sogar 47 Beitragsjahre haben – ich rede jetzt gar nicht von Versicherungs­jahren – und trotzdem, wenn sie mit 62 in diesen Pensionskorridor eintreten, diese Abschläge in Kauf zu nehmen haben. Da haben wir gesagt, das kann es ja wohl nicht sein!

Herr Staatssekretär! Ihre Erklärung in Beantwortung der Frage, warum man den sozial gestaffelten Abschlag der Beamten nicht auf die ASVG-Versicherten oder auch andere Versicherte übertragen kann, war mir nicht ganz klar. Was das mit der Durchrechnung zu tun hat, weiß ich jetzt nicht. Ich zumindest habe es nicht verstanden, denn die Durchrechnung gibt es mittlerweile bei den ASVGlern genauso wie bei den Beamten. Die Beamten haben mit der Durchrechnung nur später begonnen als die ASVGler. Aber im Prinzip wäre es auch hier bei einigem guten Willen möglich gewesen, diese Abschläge zumindest so sozial zu staffeln, wie das auch bei den Beamten der Fall ist. (Bundesrat Konecny: Richtig!)

Ich komme noch einmal zurück auf diesen Pensionskorridor, und da möchte ich auch widersprechen, Herr Staatssekretär. Da sind wir unterschiedlicher Meinung! Ich bin sehr wohl der Meinung, dass es jetzt verfassungswidrig ist, wenn Frauen nicht die Möglichkeit gegeben wird, diesen Pensionskorridor ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Gehen wir einmal davon aus, und wir alle wissen das, dass, wie ich bereits gesagt habe, durch die Pensionsreform 2003 massive Eingriffe vorgenommen wurden, die auch den vorzeitigen Pensionsantritt für Frauen betreffen. Ab 2014 gibt es für Frauen keine Möglichkeit eines vorzeitigen Pensionsantritts mehr. Frauen haben also ab dem Jahr 2014 keine Möglichkeit mehr, vorzeitig in Pension zu gehen. Es gibt jedoch auch Frauen mit langen Versicherungszeiten, zwar sehr wenige, da gebe ich Ihnen schon Recht. Ich etwa bin auch eine typische Hacklerin, habe mit 15 Jahren zu arbeiten


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begonnen und bis dato, obwohl ich ein Kind auf die Welt gebracht habe, Beitragszeiten erworben. Wenn ich mit 60 gehen muss, werde ich 45 Beitragsjahre einbringen. Man hat also nicht einmal auf Frauen oder überhaupt Menschen Rücksicht genommen, die lange Versicherungszeiten aufweisen, und ihnen die Möglichkeit genommen, vorzeitig in Pension gehen zu können.

Das ist eine massive Kritik, denn es gibt doch noch einige, und das sind durchaus nicht nur Hackler. Der Begriff „Hackler“ im traditionellen Sinn rührt ja daher, dass früher üblicherweise all jene, die mit 15 eine Lehre begonnen haben, einen Arbeiterberuf ergriffen haben. Letztlich sind aber viele andere Gruppen auch unter die Hackler­regelung gefallen. Das wurde von Seiten der Regierung bei der Änderung der Pen­sionsreform 2003 auch stark bekrittelt. Man hat gesagt, da seien ohnehin schon alle anderen erfasst, nur nicht die Hackler, denn die erreichen ohnehin keine 45 Beitrags­jahre. Und das stimmt auch teilweise, aber eben nicht immer, weil es bei den Begriffen Arbeiter und Angestellte sehr häufig Begriffsverschiebungen gibt. So hat sich beispiels­weise längst eingebürgert, dass in manchen Berufsgruppen deren Angehörige – ich denke zum Beispiel an die sozialen Dienste, die Heimhilfen –, die eine typische Arbeitertätigkeit ausüben und bis vor einiger Zeit auch noch als ArbeiterInnen beschäftigt waren, als Angestellte angemeldet werden, weil das eben eine Zeit lang günstiger gewesen ist. Das fällt jetzt zwar weg, das gebe ich schon zu, aber eine Zeit lang war es eben doch so, dass man bestimmte Beschäftigte als Angestellte ange­meldet hat, weil es günstiger war, obwohl sie in Wahrheit eine typische Arbeitertätigkeit ausgeübt haben. Das heißt, dass die Behauptung nicht stimmt, dass nur diejenigen erfasst werden, die nur Bürotätigkeiten ausüben, und diese die 45 Jahre erreichen, denn da haben sich die Begrifflichkeiten doch zu sehr verschoben.

Der nächste Punkt, warum wir vom Runden Tisch aufgestanden sind, ohne zuzu­stimmen, war die Schwerarbeiterregelung. Dass es für Menschen, die in Berufen arbeiten, die als Schwerarbeit zu bezeichnen sind, möglich sein soll, mit 60 (Männer) beziehungsweise mit 55 Jahren (Frauen) in Pension zu gehen, sofern sie 20 Jahre mit Schwerarbeit verbracht haben – das ist die Maximumregelung –, das ist nicht in Frage gestellt, da sind sich Regierung und Sozialpartner einig geworden. Für uns ist jedoch absolut nicht akzeptabel, das sie zwar fünf Jahre früher in Pension gehen können, dafür aber 3 Prozent Abschläge pro Jahr in Kauf nehmen müssen. Jetzt erklären Sie einmal einem Schwerarbeiter oder einer Schwerarbeiterin, und die gibt es auch, wieso sie, wenn sie 20 Jahre, und das ist das Maximum, das sie haben müssen, um überhaupt fünf Jahre früher gehen zu können, pro Jahr noch 3 Prozent Abschläge hinnehmen müssen! Das können Sie niemandem draußen erklären! (Bundesrat Mag. Himmer: Was haben Sie für einen Finanzierungsvorschlag?)

Herr Kollege Himmer! Finanzierungsvorschläge gibt es immer. Es kommt ganz darauf an, welchen Wert man bestimmten Themen beimisst. Eine Regierung hat sich zu fragen, was ihr die Menschen wert sind, welche Leistungen sie sich erwartet, welche Leistungen sie zurückgibt und wo sie die Schwerpunkte setzt. Wenn es Menschen gibt, die für unsere Gesellschaft Aufgaben übernehmen, die unter den Begriff Schwerarbeit fallen, die sich viele von uns in diesem Raum nicht antun würden oder nicht aushalten würden, das sage ich auch ganz offen, und wenn dann hier darüber gesprochen wird, ob wir uns das leisten können oder nicht, Herr Kollege Himmer, dann höre ich auf zu diskutieren. Ich möchte jetzt nicht polemisch werden ... (Bundesrat Höfinger: Sie sind schon polemisch!) Nein, ich werde nicht polemisch. Wenn allerdings die Frage auftaucht ... (Bundesrat Mag. Himmer: Und warum sind dann keine tollen sozial­demokratischen Lösungsmodelle aus Deutschland bekannt?)


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Herr Kollege Himmer! Kommen Sie mir nicht mit diesen polemischen Argumenten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Herr Kollege Himmer! Erstens einmal bin ich eine österreichische Abgeordnete und rede auch für die österreichische Bevölkerung. Ich sage Ihnen noch etwas. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konecny: Reden wir doch über Dinge, für die der Bundesrat zuständig ist! – Gegenrufe bei der ÖVP.) So ist es, Sie brauchen mir das auch nicht vorzuwerfen. Diskutieren wir doch über die Situation, die wir hier haben! (Bundesrat Mag. Himmer: Natürlich sind Sie nicht für Deutschland verantwortlich! Es war auch lediglich eine Frage! Es hätte ja sein können, dass Sie von dort zumindest den einen oder anderen Lösungsvorschlag mitteilen hätten können!)

Noch einmal: Beruhigen Sie sich! Sie dürfen sich ja eh zu Wort melden, wenn Sie etwas zu sagen haben. Melden Sie sich zu Wort, wenn Sie etwas zu sagen haben! Beruhigen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich sage es Ihnen noch einmal: Die Frage, wer das finanzieren wird oder wie man das finanzieren soll, ist eine Frage des Wollens: Was sind mir die Menschen wert, die bestimmte Aufgaben übernehmen? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Himmer! Auch wenn Sie das nicht so wahrnehmen wollen, die Bevöl­kerung sieht das auch so.

Also noch einmal: Wir können dem nicht zustimmen, dass Schwerarbeiter oder Schwerarbeiterinnen 3 Prozent Abschläge pro Jahr hinnehmen müssen. Dem können wir absolut nicht zustimmen, weil das einfach nicht unserem sozialen Empfinden entspricht. Dafür muss es ein Finanzierungskonzept geben. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sozialdemokraten erhöhen dann einfach die Steuern!)

Was die Harmonisierungsfrage generell betrifft, sage ich Ihnen noch eines; Kollege Konecny hat bereits vieles erwähnt. Das betrifft den Beamtenbereich. In Beantwortung der Fragen zwei bis vier haben Sie gesagt, dass die Sozialpartner am Tisch gesessen sind, Verzetnitsch und Tumpel als Vertretung der Arbeitnehmerseite. Na ja, fragen Sie einmal Kollegen Neugebauer, ob er das auch so sieht. Ich denke nicht, dass Kollege Neugebauer – und das liest man ja mittlerweile in den Zeitungen – sich damit zufrieden gibt, dass mit ihm persönlich bis dato nicht verhandelt wurde. Mein Wissensstand datiert von gestern, und bis dato hat es zwar einmal ein kurzes Zwischengespräch mit Kollegen Neugebauer gegeben, was für mich auch deswegen sehr interessant und bezeichnend ist, weil die Vertretung des öffentlichen Dienstes nicht nur von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst wahrgenommen wird, sondern in diesem Bereich sind auch noch andere Gewerkschaften tätig. Mit denen wurde nämlich noch nicht einmal ein Vorgespräch geführt. Verhandlungen haben aber weder mit Kollegen Neugebauer noch mit anderen stattgefunden. Wenn der Herr Bundeskanzler glaubt, dass er damit davonkommen und sich Kollege Neugebauer das für seine Gruppe gefallen lassen wird, wird er sich täuschen. (Zwischenruf des Bundesrats Mag. Himmer.)

Kollege Himmer! Sagen Sie ihm das dann selber! Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, ich bin ja nicht Ihre Botin. Machen Sie sich das mit ihm selber aus! – Also von dort wird es sicherlich keine Zustimmung geben. Sie haben über die Medien bereits ausgerichtet bekommen, welche Vorstellungen die Beamten haben. Und ich sage hier von dieser Stelle aus auch, weil es mir zutiefst zuwider ist, dass immer wieder verschiedene Berufsgruppen untereinander ausgespielt werden ... (Bundesrat Höfin­ger: Aber Sie tun es! Wer spricht denn immer von Beamten, Bauern und Arbeitern?!)

Ich mache das überhaupt nicht! Es ist falsch, was Sie da sagen, das ist nicht richtig. Sie werden in meiner Ausführung auch nichts Negatives über die Beamten oder über


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die Bauern oder über die Gewerbetreibenden gehört haben. Ich bin sehr wohl dafür, dass wir in einem solidarischen System, und ich bin für solidarische Systeme und Versicherungssysteme, für Gruppen, die bedingt durch ihre Biographien oder des­wegen, weil ihnen nicht mehr so viele angehören, schwächer sind, Ausgleiche durchführen. Allerdings, und das hat Kollege Konecny richtigerweise bereits gesagt, muss die Politik hier auf Ausgewogenheit achten und darf nicht immer nur einseitig vorgehen. (Bundesrat Höfinger: Das war aber jetzt polemisch!)

Das Problem ist – und das hat die Bevölkerung, vor allem die ASVG-Versicherten schon sehr zornig gemacht –, dass es bisher sehr unausgewogen war. Deshalb ist es an der Zeit, nicht zu polemisieren, nicht Gruppen unter- oder gegeneinander auszu­spielen, sondern wirklich ein System zu finden, das für alle gilt und niemanden ausschließt. Da ist es mir auch recht, wenn es solidarische Prozesse gibt. Nur müssen die schon für alle gelten, und es darf nicht so sein, dass die eine Gruppe immer abgecasht wird und die andere Gruppe immer dazubekommt. Das ist ungerecht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Höfinger: Sie redet von Abcashen, aber sie will nicht polemisch werden! – Bundesrat Dr. Kühnel: Wenn „abcashen“ nicht polemisch ist!)

Ich nehme zur Kenntnis, dass „abcashen“ polemisch war. Ich ziehe es aber trotzdem nicht zurück, weil es Tatsache ist. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.15

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


17.15

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Pensionen sind ein heißes Thema. (Bundes­rätin Bachner: So ist es!) Ein paar Dinge sind schon klarzustellen. Wir haben in Österreich sicherlich eines der besten Pensionssysteme (Bundesrat Konecny: Noch!), es ist aber, Herr Professor, auch eines der teuersten Pensionssysteme weltweit, und daher muss man etwas tun. (Zwischenrufe bei der SPÖ: Das ist aber ein Irrtum! Bei den Bauern und Gewerbetreibenden vielleicht!)

Zweitens ist festzustellen, dass die Österreicher immer früher in Pension gehen. Vor 30 Jahren war die durchschnittliche Lebensarbeitszeit zirka 42,7 Jahre. Bis heute hat sich dieser Wert um sechs Jahre vermindert. Frühpensionierungen waren nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme. Herr Professor Konecny! Jetzt darf ich Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen. Sie haben die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit so kritisiert. (Bundesrat Konecny: Nein!) Ja, in Ihrer Rede schon! (Bundesrat Konecny: Nein! Nein!) Darf ich ausreden? (Bundesrat Konecny: Nein, wenn Sie etwas sagen, was nicht stimmt, dann ...! Davon habe ich nicht gesprochen! Kein Wort! Sie können natürlich sprechen, wovon immer Sie wollen, aber beziehen Sie sich dann nicht auf meine Ausführungen! – Bundesrätin Bachner: Mit keinem Wort hat er davon gesprochen!) Darf ich einmal feststellen: Die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Bundesrat Konecny: Die habe ich nicht erwähnt!) – macht nichts, ich sage es so! – hat es früher ja gar nicht gegeben. (Bundesrat Konecny: Ich habe sie nicht erwähnt!)

Herr Professor! Es hat auch Zeiten gegeben, vielleicht darf ich Ihnen das sagen ... (Bundesrat Konecny: Nein! Das war nicht mein Thema!) Es hat auch Zeiten gegeben, in denen in der verstaatlichten Industrie Arbeitnehmer frühzeitig, und zwar mit 50, gekündigt worden sind, in der Voest, in der Chemie Linz und auch in anderen Betrieben. Was war die Folge? Man hat diese Menschen ... (Bundesrat Konecny:


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Warum erzählen Sie das mir?) Weil es dazugehört! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Man hat diese Menschen in die Langzeitarbeitslose geschickt. (Bundesrat Konecny: Wir haben dann noch eine zweite Dringliche! Dort können Sie das dann sagen, dort passt es nämlich!) Und dann hat man sie, um sie von der Langzeitarbeitslosigkeit wegzubringen, in die Invaliditätspension geschickt. Das war Tatsache! Hunderte, tausende Arbeitnehmer haben früher auf diese Weise in Pension gehen müssen, weil es diese Pensionsarten nicht gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Was war die Folge? Dass Österreich bei den Frühpensionierungen innerhalb der Europäischen Union an der Spitze war. Und wenn man Vergleiche anstellt, dann stellt man fest, dass wir, wie schon gesagt, die niedrigste Anzahl an Beschäftigten im Alter von 55 bis 65 Jahren haben. (Zwischenruf bei der ÖVP: Das waren alles Schwer­arbeiter!) Das hat daher nicht so weitergehen können, denn es war eine enorme Belastung für die Wirtschaft, und es hätte auch andere Dinge gefährdet. So ist das! Das wollen Sie nicht hören, aber das ist so! (Bundesrat Konecny: Entschuldige! Sie von der Wirtschaft zahlen das Defizit der Pensionsversicherungen? Ich werde das weitermelden! – Bundesrätin Bachner: Die Wirtschaft zahlt das also! Dann brauchen wir ohnehin nicht mehr weiterzudiskutieren!)

Jetzt zur Harmonisierung: Dass das ein ganz schwieriges Thema ist, wissen wir alle. (Bundesrat Konecny: Das ist richtig!) Es braucht die Zusammenarbeit aller, um hier vernünftige Lösungen zusammenzubringen. (Ruf bei der SPÖ: So ist es!) Und es ist ja hiezu auch das letzte Wort noch nicht gesprochen. (Beifall und Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Dieser Meinung sind wir auch! – Rufe bei der SPÖ: Bravo! Sehr gut!) Herr Staatssekretär! Ich denke ... (Bundesrat Wiesenegg: Morak, aufpassen! – Staatssekretär Morak: Er hat eure Seite gemeint! Von eurer Seite ist das letzte Wort noch nicht gesprochen! – Bundesrat Konecny: Er hat Ihnen so treuherzig ins Auge geschaut! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Warten wir einmal ab, was die FPÖ dazu sagen wird! Das wird erst spannend!)

Eine Harmonisierung der Pensionssysteme ist dringend notwendig. Wenn man feststellt, dass im Jahre 1955 der Staatsvertrag abgeschlossen wurde und im Jahre 1955 auch das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz in Kraft getreten ist, das heute über 500 Paragraphen hat und 61mal novelliert wurde, dann kann man wirklich sagen, nach 50 Jahren bekommen wir für viele ein allgemeines Pensionsgesetz.

Ich glaube, man muss allen Verantwortlichen hier ein Lob aussprechen, dass sie darangehen, die Pensionsprobleme, die anstehen, für die Zukunft zu lösen. Ich glaube auch sagen zu können, dass die Reformen der Vorgänger nur halbherzig waren und zum Teil in die falsche Richtung gegangen sind. Die Unterschiedlichkeiten der ein­zelnen Pensionssysteme wurden verstärkt statt abgebaut. Man hat das Problem einfach weitergeschoben, statt es zu lösen, und jetzt versucht man, das auf neue Beine zu stellen.

Wir brauchen, um auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten das Zusammenleben der Generationen zu gewährleisten, nicht ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Das Pensionssystem für alle Berufsgruppen muss vereinheitlicht werden. Alle, die künftig in Pension gehen werden, müssen Klarheit und eine Planbarkeit haben. Das muss ausgesprochen werden. Die Leute brauchen auch eine Sicherheit. Da bin ich ganz bei Ihnen.

Wenn man jetzt feststellt, dass es nach 22 Verhandlungsrunden und über 70 Experten­gesprächen gelungen ist, einmal die Eckpunkte für ein einheitliches Pensionssystem zu erarbeiten, dann ist, glaube ich, einmal der richtige Schritt getan.

Für die Jüngeren wird mit der Harmonisierung sichergestellt, dass sie später einmal auch eine Pension bekommen, und zwar mit leistbaren Beiträgen. Damit aber auch


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zwischen den Berufsgruppen Gerechtigkeit gegeben ist, braucht es lange Übergangs­fristen, die es den Bauern, den Gewerbetreibenden und den Beamten ermöglichen, sich in das neue System einzugliedern. Die Formel 45/65/80 und eine Pension in der Höhe von 80 Prozent des Lebensdurchschnittseinkommens, das ist, glaube ich, das richtige Ziel.

Auch zu den Beitragssätzen, wo Sie unterschiedlicher Meinung sind, ist festzustellen, dass als einheitlicher Beitragssatz 22,8 Prozent vorgesehen sind. Natürlich muss es für die bäuerlichen Versicherten, für die Gewerbetreibenden Ausgleichszahlungen durch den Bund geben, und das ist auch so vereinbart worden. (Bundesrat Konecny: Womit begründen Sie das Wort „natürlich“? Natürlich ist das überhaupt nicht!) Das heißt, dass in Zukunft für die Bauern ein Beitragssatz von 15 Prozent, für die Selbständigen ein Beitragssatz von 17,5 Prozent vorgesehen ist. Die Beitragsanpassung erfolgt in Schritten um 0,25 Prozent pro Jahr ab 1. Jänner 2006.

Ich glaube, positiv ist auch festzustellen, dass ein Pensionskonto eingeführt wird, dass für jeden Versicherten ein transparentes Pensionskonto eingerichtet wird, auf dem seine einbezahlten und aufgewerteten Beiträge ausgewiesen werden.

Das Zweite: die Leistungsgarantie. Der Bund bürgt im Rahmen einer Ausfallshaftung vor allem für die Risiken der Erwerbsminderung oder anderer Dinge.

Drittens: Die Pensionsanpassung ist, glaube ich, auch der richtige Schritt in die richtige Richtung. Das bedeutet, dass bestehende Pensionen ab dem Jahr 2006 an den Verbraucherpreisindex angepasst werden. Bezieher höherer Pensionen sollen aber – das ist, glaube ich, auch gerechtfertigt – nur einen Fixbetrag für die nächsten drei Jahre bekommen. Ich glaube, das ist wichtig.

Weiters wird es einen Schutz für Neupensionen geben. Das heißt, für Neupensionisten im Jahre 2004 wird die Anhebung des Krankenversicherungsbeitrages verschoben, und zwar auf den 1. Jänner 2006 um 0,5 Prozent.

Darüber hinaus wird auch, wie Sie, Frau Kollegin, schon angesprochen haben, der 10‑prozentige Verlustdeckel weggenommen und auf 5 Prozent abgesenkt. In den folgenden Jahren wird er um 0,25 Prozent ansteigen. Das heißt, dass er im Jahre 2024 wieder auf die 10 Prozent, die jetzt vorgesehen sind, ansteigen wird.

Eine Regelung erfolgt auch bei den Schwerarbeitern. Hat ein Versicherter 40 oder 45 Versicherungsjahre zurückgelegt, davon gewisse Zeiten im Tätigkeitsbereich einer Schwerarbeit – wobei natürlich hier noch ausgehandelt werden muss, wer als Schwerarbeiter gelten soll –, dann können Angehörige jener Berufsgruppen zum nor­malen Regelpensionsalter – bei den Frauen mit 55, bei den Männern mit 60 Jahren – die Frühpension beantragen.

Sehr positiv finde ich, dass die Bundesregierung dem Parlament alle drei Jahre einen Bericht über die Entwicklung und Finanzierbarkeit des Systems vorzulegen hat. Ich glaube, das ist eine richtige Maßnahme.

Ich komme zum Schluss. Die Harmonisierung im Sinne der Generationensolidarität zur langfristigen Sicherung unseres Pensionssystems ist zu begrüßen. Gleiche Beiträge bringen gleiche Leistungen. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Insgesamt hat, glaube ich, die Bundesregierung ein Konzept vorgelegt, das vielleicht im Detail noch nachverhandelt werden muss, aber das sicherstellt, dass auch die Jungen eine Pension bekommen.

Schade ist, dass von Seiten der Opposition, die mit den Sozialpartnern in die Verhand­lungen des neuen Systems eingebunden war, am Ende ein Nein steht. Gesamtpolitisch


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ist das sicherlich schade, muss ich sagen. (Bundesrätin Bachner: Das sehen wir auch so! Es wäre anders möglich gewesen!)

Verantwortungsvolle Zukunftssicherung sieht zwar anders aus (Bundesrätin Bachner: Das glaube ich auch!), aber ich glaube, wir werden uns hier sicherlich noch des Öfteren über dieses Thema unterhalten.

Das waren nur einige Bemerkungen zur Harmonisierung. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.26

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.27

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! An und für sich geht es hier jetzt um eine Dringliche Anfrage und nicht um eine Abstimmung über ein Gesetz. Insofern ist die Behauptung, dass die Opposition jetzt dagegen stimmt, sachlich nicht unbedingt richtig. (Bundesrat Konecny: Nicht unbedingt!) – Das nur kurz zu meinem Vorredner.

Inhaltlich ist das, was jetzt vorliegt, wie meine Vorrednerinnen und Vorredner von der SPÖ schon ausgeführt haben, nicht unbedingt das, was wir uns vorstellen. Es gibt eine „profil“-Umfrage, die darauf hindeutet, dass nicht nur die Opposition, sondern auch ein Großteil der Bevölkerung hier eine ähnliche Meinung vertritt. 2 Prozent glauben, dass diese Pensionsharmonisierung einen sehr positiven, und 6 Prozent glauben, dass sie einen eher positiven Effekt auf sie selbst haben wird. Das sind 8 Prozent. Das ist nicht sehr viel. (Bundesrat Konecny: Doch! Für einzelne Nationalräte reicht es schon!)

Sie sollten entweder an den Inhalten dessen arbeiten, was vorliegt, oder Sie sollten ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie wollen den Leuten Angst machen!) Ich glaube nicht, dass man die österreichische Bevölkerung für so dumm halten kann, dass sie ständig auf Angstpropaganda hereinfällt. (Bundesrätin Haselbach: So kann nur einer reden, der in einer geschützten Werkstätte arbeitet!) Wenn Sie jetzt behaupten, dass Existenzängste nur auf Angstpropaganda zurückzuführen sind, dann wundert es mich allerdings nicht, dass die Meinung der Bevölkerung über die Regierungsparteien keine besonders gute ist. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also noch einmal: 8 Prozent der Bevölkerung glauben, dass das, was jetzt auf sie selbst zukommt, positive oder eher positive Auswirkungen auf sie haben wird. (Ruf bei der ÖVP: Aber wie viel Prozent der Bevölkerung meinen, dass diese Reform notwendig ist? Das sind 70 Prozent! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Entschuldigung! Einmal langsam! Reformen – ich weiß schon, das ist so ein Zauberwort der Regie­rungsparteien. (Bundesrat Konecny: Das ist eine Drohung!) Reform – das ist der Schlüssel schlechthin. Aber es geht schon darum, was in der Reform enthalten ist, nicht wahr? Ich glaube, dass es eine Reform dessen, was es momentan gibt, geben muss, das ist schon klar, aber wie die ausschaut, das ist die Frage. (Bundesrat Dr. Kühnel: Reform kann nicht nur sein, dass man mehr bekommt!) Das ist das, was die Parteien unterscheidet, dass sie unterschiedliche Vorstellungen von dem haben, wie ein Staat ausschauen soll, wie er dann auch funktionieren soll und wie Reformen ausschauen sollen. In diesem Punkt, glaube ich, werden wir ganz schwer zu einer gemeinsamen Meinung kommen.

Aber jetzt einmal kurz zu den Inhalten dessen, was wir hier diskutieren. Der ÖGB und die AK sagen vor allem nein zu dem, was die Regierung vorgelegt hat, weil in der Übergangsphase mit sehr hohen Verlusten zu rechnen ist. Abschläge werden nicht in


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Deckelungen eingerechnet, und dadurch entstehen höhere Einbußen, als man ursprünglich erwartet hatte. Laut Verzetnitsch sind Verluste bis zu 20 Prozent möglich. 20 Prozent Verluste, das sind in Prozentzahlen doch um einiges mehr als die 8 Prozent, die glauben, dass diese Harmonisierung einen positiven Effekt haben wird. (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Völlig ungeklärt ist bisher auch – und das halte ich schon für schwierig –, was mit den Beamten passieren wird. Wir wissen bisher nur, was die Beamten sich wünschen, und es ist schon zu erwarten, dass die Regierung mit dem, was sie mit den Beamten plant, doch wartet, bis die Personalvertretungswahlen im Herbst vorbei sind. Das wäre auch keine neue Maßnahme.

Es wird auch weiterhin unterschiedliche Beitragssätze geben. Mein Vorredner hat jetzt gesagt: Gleiche Beiträge, gleiche Leistung. – Ich weiß nicht, wie er darauf kommt. ASVG-Versicherte werden 22,8 Prozent für die Pensionen einzahlen, der Eigenanteil der Selbständigen liegt bei 17,5 Prozent und der von Landwirten bei 15 Prozent. Das sind keine gleichen Zahlen. Ich weiß nicht, worauf sich mein Vorredner bezogen hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganz kurz zum Thema Schwerarbeiter. Hier soll eine willkürliche Grenze von 5 Prozent eingezogen werden: Es gibt 5 Prozent Schwerarbeiter, Schwerarbeiterinnen. Wobei ich denke, dass in der Planung bis jetzt wahrscheinlich eher nur an Männer gedacht ist. Das ist schon ein wenig absurd meiner Meinung nach. Schwerarbeiter und Schwer­arbeiterinnen haben eine massiv kürzere Lebenserwartung. Das sind Menschen, die Tätigkeiten leisten, die körperlich sehr belastend sind, das sind Menschen, die auf jeden Fall mit gesundheitlichen Auswirkungen im Alter zu rechnen haben. Sie haben eine kürzere Lebenserwartung. Wenn die jetzt auch noch Abschläge dafür zahlen müssen, dass sie früher in Pension gehen, wobei sie wahrscheinlich ihre Arbeit gar nicht bis zum Schluss, bis zum Pensionsalter ausführen könnten, weil sie körperlich dazu nicht mehr in der Lage sind, dann halte ich das wirklich für eine eigentlich unmenschliche Maßnahme.

Ich finde es bedenklich, dass mit den Sozialpartnern keine Einigung zustande gekommen ist. Jetzt weiß ich schon, eine Einigung oder eine Zustimmung wird es erst geben, wenn auch ein Gesetzespapier vorliegt – das ist ja auch eine sehr intelligente Vorgehensweise, weil ja der Teufel wirklich immer im Detail liegt –, allerdings ist das, was wir jetzt vorliegen haben, eigentlich ein Alleingang der Regierung. Das ist ein Thema, bei dem es um sehr, sehr viel geht, und das ist nichts, was die Regierung im Alleingang machen sollte. Tut sie es, dann darf sie sich auch nicht wundern, dass die Zustimmung in der Bevölkerung derart gering ausfällt, wie es hier der Fall ist.

Was mich sehr interessieren würde, ist – vielleicht kann mir das dann jemand oder können mir das mehrere von der FPÖ noch beantworten –, wie denn eigentlich jetzt die FPÖ zu diesem Vorschlag steht. Erste Zwischenrufe haben wir ja schon vernommen. Ich nehme an, es werden nicht die letzten gewesen sein. Jetzt bin ich die Letzte, die für Meinungsdiktatur ist, aber bei einer Regierungspartei wäre es doch schön, wenn man eine einheitliche Linie, eine einheitliche offizielle Linie finden könnte. Ob der Landes­hauptmann von Kärnten dann eine andere Meinung hat, das ist seine Privatsache (Bundesrat Kraml: Das ist keine Privatmeinung!), aber welche Linie die Regierung hat, wäre doch zumindest interessant. Also da werde ich dann ganz gespannt zuhören. (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Ich denke nämlich auch, dass man das der Bevölkerung auf Dauer nicht zumuten sollte, dass diese Schlachten zwischen den beiden Regierungsparteien oder Teilen der einen Regierungspartei und Teilen derselben Regierungspartei medial ausgetragen


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werden. Diese Dinge sollten doch in den Grundzügen schon im Vorfeld geklärt werden, damit die österreichische Bevölkerung nicht noch weiter verunsichert wird.

Jetzt möchte ich noch darauf eingehen, was diese Pensionsharmonisierung für Frauen bedeutet. Das ist nämlich wieder sehr interessant. Einerseits gibt es Gender Mainstreaming, und man sagt, es sollen Gesetze daraufhin untersucht werden, wie sie sich auf die verschiedenen Geschlechter auswirken. Vielleicht könnte man das auch in diesem Fall einmal anwenden. Es wird nämlich sehr schnell zutage treten: Das, was hier vorliegt, trifft – wie viele andere Dinge – einmal mehr vor allem die Frauen. Einerseits ist es so, dass die Belastungen für Frauen, die durch die Reform im Jahr 2003 entstanden – also Verlängerung des Durchrechnungszeitraums, die Ab­senkung der Steigerungsprozente und höhere Abschläge bei vorzeitigem Pensions­eintritt –, nicht abgebaut werden. Die Maßnahmen, die jetzt vorliegen, vergrößern die Einkommensschere und werden die Altersarmut von Frauen fördern, die auch jetzt schon um einiges größer ist als die von Männern.

Es gibt zwar eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten, die ist allerdings nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, denn sie wird gleichzeitig durch andere Maß­nahmen der Regierung, wie zum Beispiel Elternteilzeit, konterkariert. Teilzeit – das haben wir an dieser Stelle schon einige Male diskutiert – wird halt vor allem von Frauen wahrgenommen. Diese Berufe werden vor allem von Frauen ausgeübt, und das wird dann einfach dazu führen, dass die Frauen im besten Falle eine Mindestpension erhalten. Die Frauen gehen in Teilzeit, damit sie ihre Familie und ihren Beruf verein­baren können. Sie brauchen auch einen Beruf, weil sie sonst nämlich endgültig in die Altersarmut abrutschen. Und das Ergebnis dessen ist: Sie bekommen im besten Fall eine Mindestpension. Das ist eindeutig eine negative Auswirkung auf Frauen. (Bundesrat Dr. Böhm: Und von den Familien reden Sie überhaupt nicht!?) – Also ich nehme doch an, man sollte sich um eine Verbesserung bemühen, oder? Vor allem für Frauen. Das ist es nicht wirklich. Die Situation für Frauen wird sich nicht bessern. Ich weiß nicht, wo Sie das herhaben wollen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)

Besonders schlimm wird diese Situation für Akademikerinnen sein. Eine Frau, die ein Studium abgeschlossen hat, wird, sofern sie Kinder kriegt, nie im Leben genug Anrechnungszeiten zusammenkriegen, um irgendwann einen Pensionsanspruch zu haben. Und diese Entscheidung, entweder akademische Bildung oder Kinder, sollte man, glaube ich, keiner Frau zumuten müssen. Es soll doch bitte möglich sein, dass nicht nur Beruf und Familie, sondern auch ein Studium und eine Familie vereinbar sind. (Bundesrat Dr. Böhm: Sehr richtig!)

Die Anhebung der angerechneten Kinderbetreuungszeiten schafft auch keinen Aus­gleich zu den mangelnden Kinderbetreuungsplätzen und dem dadurch entstehenden Verlust von Pensionen beziehungsweise den Einkommensverlusten bei Wiedereinstieg ins Berufsleben. Vor zwei oder drei Sitzungen wurde ein Bericht über die unter­schiedlichen Einkommen von Männern und Frauen diskutiert, und aus diesem Bericht war ganz klar ersichtlich, dass Frauen, die Kinder haben und später wieder ins Berufsleben einsteigen, bedeutend geringere Lebenseinkommen haben als Frauen, die nicht in Karenz gehen. Das werden wir in diesem Fall wieder sehen: Diese Frauen werden, vor allem weil sie eben ihre Kinder zum Beispiel auch nicht in eine ganztägige Betreuung geben können, massiv in die Altersarmut abrutschen.

Die Tatsache, dass der Pensionskorridor nur für Männer gelten soll, ist eine weitere Maßnahme, die Sie mir bitte erst erklären müssen. Das ist auf jeden Fall eine Ungleichbehandlung von Frauen, die mir logisch nicht nachvollziehbar ist. Vielleicht kann es mir noch jemand von Ihnen erklären.


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Eine Frage habe ich auch noch bezüglich Schwerarbeit. Ich habe schon vorher gesagt, Schwerarbeit wird wahrscheinlich hauptsächlich männlich gedacht. Das ist eine sehr einseitige Betrachtungsweise, denn Schwerarbeit ist keinesfalls rein männlich, wie es oft dargestellt wird. Es gibt auch viele Frauen, die Berufe ausüben, die massive körperliche Beeinträchtigungen mit sich bringen, und ich hoffe sehr, dass das auch bei der Schwerarbeiterregelung dann mit einbezogen wird.

Grundsätzlich ist zur Situation von Frauen zu sagen: Momentan beträgt die durch­schnittliche Pension von Frauen nur 44 Prozent der durchschnittlichen Pension von Männern. 400 000 Frauen in Österreich leben ohne eigenen Pensionsanspruch im Alter.

Ich habe schon erwähnt, wieso die pensionsrechtlichen Benachteiligungen entstehen, nämlich durch den hohen Anteil von atypischen Beschäftigungsverhältnissen und/oder Teilzeit und die damit verbundenen niedrigen Einkommen. Das heißt in Folge auch: Wenn ich ein niedriges Einkommen habe, werde ich mir massiv schwer tun, mir eine private Altersvorsorge leisten zu können. Woher soll zum Beispiel eine allein erziehende Mutter, die Teilzeit arbeitet, das Geld haben, um sich dann zu ihrer eventuellen staatlichen Pension zusätzlich noch eine teure private Pension leisten zu können?

Zum Abschluss noch eine kleine Medienlese. Ich habe in der „Presse“ vom 21. Juli zwei sehr interessante Äußerungen gelesen, die ich jetzt hier auch noch zitieren möchte. Einerseits von Lopatka, welcher der Meinung ist, Studierende beziehen während der Ausbildung länger staatliche Transferleistungen als Lehrlinge, und wenn sie dann zu arbeiten beginnen, verdienen sie mehr, sodass sie eine Eigenvorsorge abschließen können. – Ich frage mich, woher er das hat, denn dass Akademiker und Akademikerinnen automatisch mehr verdienen, das entspricht leider nicht mehr der Realität. Schauen Sie sich mal um! Was machen Jungakademiker, Jungakademikerin­nen? Sie suchen sich einen Job und sind erst einmal zu einem Großteil eine Weile arbeitslos. Sie finden gar keine Arbeit, und wenn sie dann eine Arbeit finden, ist es in vielen Fällen in einem Beruf, für den sie eigentlich überqualifiziert sind. Und auch Stellen, die ihrer Qualifikation entsprechen, sind nicht automatisch besser entlohnt als Nichtakademikerstellen. Das ist einfach eine Illusion. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie brauchen manchmal zu lang zum Studium!) – Zur Länge des Studiums werde ich in einer Minute etwas sagen, wenn Sie so lange Geduld haben.

Und weiters steht hier: Der FPÖ ist es überhaupt egal, ob Akademiker ein oder zwei Prozent ihrer Pension verlieren. Die verdienen eh genug! So Scheuch. – Gut, zur Höhe des Einkommens von Akademikerinnen und Akademikern habe ich ja gerade gesagt, dass das nicht mehr der Realität entspricht. Ich weiß nicht, vielleicht leben die Herren in einem Paralleluniversum. In meinem schaut das jedenfalls anders aus. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Und zur Frage der Dauer des Studiums: Wenn 72 Prozent – 72 Prozent! – der Stu­dierenden neben ihrem Studium arbeiten müssen, weil sie sonst nicht in der Lage sind, sich die Ausbildung zu leisten, das Studium, die Studiengebühren und ihren Lebens­unterhalt zu bezahlen, dann dürfen Sie sich ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich rede jetzt von Studierenden, die während ihrer Ausbildung berufstätig sind. Das müssen sie nämlich sein. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die wollen lang studieren, kurz arbeiten und dann 40 Jahre in Pension sein! – Bundesrat Gruber: Das sagt ein pensionierter Bundesheerler!) Hören Sie zu! Der Staat Österreich hat doch sehr wohl ein Interesse daran, dass es Studierende gibt, und wir hören immer wieder, die Akademiker­Innenquote müsse gesteigert werden. Das wird dann mit irgendwelchen Tricks versucht – egal. Jedenfalls wenn es dann ans Eingemachte geht, dann kommt heraus: Eigentlich sind alle Studierenden sowieso nur Sozialschmarotzer, die uns auf der


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Tasche liegen und die dann quasi ihre Pension ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Na dann sagen Sie es nicht! Wie soll man das sonst sehen, wenn dann solche Regelungen herauskommen, dass es in der Praxis so ausschaut, dass Frauen, die studieren, schon gar keine Familie mehr haben können, weil sie dann nie im Leben eine Pension erhalten werden, und dass Studierende es generell schon sehr schwer haben werden, eine Pension zu erreichen? Die werden ohne den Zukauf von Pen­sionszeiten auch nicht auskommen, und ob sie sich diesen Zukauf von Pensionszeiten leisten können, ist eine andere Frage. Ihr Studium dauert übrigens vor allem deshalb so lang, weil die Studienbedingungen nicht so sind, wie sie sein sollten, und weil sie schon während des Studiums sehr viel arbeiten müssen, um sich überhaupt dieses Studium leisten zu können. Da können Sie jetzt argumentieren, so lange Sie wollen, das ist eine Tatsache, und die ist auch belegbar! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Auch die Arbeiten während des Studiums sind nicht automatisch solche, die später zu einer Anrechnungszeit führen, beziehungsweise bringen sie ein derart geringes Ein­kommen, dass sich das Lebenseinkommen dadurch dramatisch senkt. Das führt dann dazu, dass jeder, der während des Studiums nicht nur wirklich sehr kurz einen klassischen Studentenjob ausübt, entweder mit mangelnden Anrechnungszeiten für die Pension zu kämpfen haben wird oder damit, dass sein Lebenseinkommen durch diese Jobs massiv gesenkt wird. (Bundesrat Dr. Kühnel: Oder man studiert kurz! Kurz studieren und lange arbeiten, dann ist ja alles in Ordnung!) – Kurz studieren! Das ist eine wunderschöne Vorstellung. Wenn Sie das Stipendienwesen so ausweiten, dass es sich die Studierenden leisten können, einfach nur zu studieren, ohne zu arbeiten, dann wäre das wunderschön. (Bundesrat Schennach: Das ist nur beim Bundesheer so! Beim Bundesheer geht das!)

In Amerika gibt es ein Modell, das würde Ihnen wahrscheinlich gefallen. Da ist es so, dass die Armee sehr vielen Studierenden die Studiengebühren finanziert, wenn sie sich danach für das Militär verpflichten. Das würde ich nicht unbedingt für Österreich empfehlen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Tatsache ist: Das, was hier vorliegt, ist für Frauen schlecht, ist für Akademikerinnen und Akademiker schlecht und wird von einem ganz geringen Prozentsatz der Bevölkerung akzeptiert. – Das sollte Ihnen zu denken geben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.41

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zellot. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.42

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! (Bundesrat Dr. Kühnel: Die Grünen schaffen den Fleiß ab! – Bundesrat Gruber: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!) Ich glaube, diese Pensionsreform und die Pensionshar­moni­sierung ... (Bundesrat Reisenberger – in Richtung des Bundesrates Dr. Kühnel –: Wenn Sie Ihre unqualifizierten Äußerungen so laut von sich geben! Sie sind doch bitte so was von unqualifiziert in diesen Sachen!) – Wen meinen Sie jetzt damit? Ihn oder mich? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Gut, dann bin ich wieder beruhigt.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, wenn man die Vergangenheit betrachtet und schaut, wie die verschiedenen Berufsgruppen behandelt worden sind – vor allem in der Ruhestandsversetzung –, so muss man eigentlich zur Erkenntnis kommen, dass es natürlich immer für gewisse Gruppen Nachteile gegeben hat, ob es jetzt im Beamtenbereich oder im ASVG-Bereich war.


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Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn vor 20 Jahren ein Beamter wegen Berufs­unfähigkeit – den Grund möchte ich vielleicht nicht nennen – nicht mehr in der Lage war, seinen Dienst auszuüben, so ist er mit Zuschlägen und mit Zurechnung von Dienstjahren noch mit 80 Prozent der Bezüge in Pension gegangen. – Das ist in verschiedenen geschützten Bereichen geschehen.

Heute sagen die Menschen, die in diesen geschützten Bereichen noch tätig sind, sie müssen jetzt leider das büßen, was in der Vergangenheit passiert ist, ob es jetzt bei der ÖBB ist, wo man zuschauen musste, wie der Schwerarbeiter beim Verschub und der Mitarbeiter in der Direktion im gleichen Alter in Pension gegangen sind ... (Bun­desrat Boden: Du hast ja keine Ahnung!) – Sehr geehrter Herr Kollege! Das sind nicht Meldungen, die ich erfinde, das haben mir ÖBB-Beamte aus der Direktion in Villach erzählt, und das wird ja wohl glaubhaft sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Boden: Du solltest zu etwas reden, wovon du was verstehst!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Sie gebrauchen hier die Pensions­harmonisie­rung ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe meine Anständigkeit bei der Debatte um die Pensionsharmonisierung so gezeigt, dass ich keinem einzigen Redner dreingesprochen habe. Sie können dann hier heraußen weitersprechen, Herr Kollege!

Sie sagen immer, es sei verantwortungslos, was diese Regierung macht. – Das ist nicht verantwortungslos! Das ist verantwortungsvoll! (Bundesrat Gruber: Darum hat die ÖBB 300 Leute in Frühpension geschickt!)

Sie sagen auch bei verschiedenen Wahlveranstaltungen, wir würden abkassieren. Wir kassieren nicht ab! Wir sichern ab!

Sie sagen, wir machen einen Pensionsraub. – Wir machen keinen Pensionsraub! Wir machen einen Pensionsschutz, geschätzte Damen und Herren! Da müssen Sie einmal die Unterschiede erkennen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP! – Bundesrat Gruber: Am Ende kriegen die Leute gar nichts mehr, aber das ist sicher!)

Was die Opposition auch verschweigt: Die Harmonisierung ist gegenüber den bishe­rigen unterschiedlichen Pensionssystemen insgesamt ein Gewinn. Tatsächlich wird mit der Harmonisierung der Pensionssysteme erstmals in der Geschichte eine Pen­sionsgerechtigkeit für alle Berufsgruppen in Österreich hergestellt.

Den Versuch wollte die Sozialdemokratische Partei Österreichs ja auch durchführen. Der Herr Staatssekretär hat es schon erwähnt. Auch der ehemalige Beamten­staats­sekretär der SPÖ Kostelka hat die Harmonisierung schon in den neunziger Jahren angekündigt. Aber Sie von der SPÖ sind ja hier Profis, Sie sind die Weltmeister im Verschub. Sie haben diese Probleme auf das Abstellgleis geschoben. Sie sind dadurch Verschubmeister Nummer eins der Republik Österreich geworden! Damit soll nun Schluss sein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Im Liegen sind wir aber noch nicht umgefallen! – Bundesrat Gruber: Eine Summe von Grauslichkeiten, hat der Haider gesagt! Das, was Sie da sagen, ist noch viel schlimmer!)

Nicht nur die Mitglieder der Bundesregierung, sondern auch Wirtschaftsforscher wie Bernhard Felderer betonen, dass die Harmonisierung natürlich ein Gewinn ist und somit – und das ist ja das Wichtigste! – die Pensionen auch längerfristig finanzierbar sind.

Wenn ich mir die einzelnen Diskussionsbeiträge von der linken Reichshälfte anhöre, so muss ich feststellen – denn ich habe immer zugehört, ich habe mir keine Zwischenrufe erlaubt –, dass Sie mit der Basis nicht sprechen. Die Basis, die Menschen, auch die Jugend, sie wollen Sicherheit für die Zukunft, und diese Sicherheit kann nur mit einer


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vernünftigen Harmonisierung erreicht werden, sonst nicht! (Beifall bei den Freiheit­lichen. – Bundesrat Gruber: Das ist ja keine vernünftige Harmonisierung!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Wie vernünftig die Vergangenheit war, zeigt sich ja jetzt daran, dass Sie außer Kritik nichts mehr beitragen können, und mit diesen Kritikpunkten allein ist die Bevölkerung, sind die Menschen draußen nicht zufrieden.

Es wurde von meinen Vorrednern ja schon vieles aufgezeigt. Zum Beispiel verstehe ich nicht, wieso in so einer lässigen und läppischen Manier Punkte kritisiert werden, die besonders für Frauen wesentlich sind. Für die Erlangung einer Pension ist eine Versicherung auf Grund von 7 Jahren Erwerbstätigkeit notwendig – bisher waren es 15 Jahre. Generell werden Männer und Frauen gleichgestellt, und es kommt bei der Pensionsbemessung zu keiner Anrechnung des Partnereinkommens. Das sind ja wesentliche Punkte zum Wohle der Familie und vor allem der Frau!

Ich verstehe es auch nicht, dass man es so herabwürdigend bringt, dass die Ersatz­zeiten für Kindererziehung von zwei auf vier Jahre pro Kind verdoppelt werden. Ja sind das keine Leistungen? Zählt das nichts? (Bundesrat Gruber: Ihr habt keine Ahnung!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Argumente, die Sie hier zur Pensions­harmonisierung einbringen, sind sehr schwammig. Das hat man ja schon beim Erstredner bemerkt. Der hat einmal der Regierung geschmeichelt, und dann hat er nicht das richtige Gegenargument gefunden. Da hat man sich gefragt: Was ist eigentlich mit dieser Dringlichen Anfrage? Ich glaube, das war nur eine Scheinanfrage, aber keine betreffend Scheinharmonisierung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bun­desrat Gruber: Das ist keine Harmonisierung, das ist eine Pensionskürzung!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Zur Schwerarbeiterregelung: Ich hoffe – weil Sie das auch von mir hören wollten und mich somit auch herausfordern –, dass noch eine gute Regelung für die Schwerarbeiter zustande kommt. Man sieht schon allein bei der Schwerarbeiterregelung, welche Arbeit sich die Bundesregierung antut, um genau festzustellen, wer unter diese Regelung fällt. – Das ist Gerechtigkeit, meine geschätz­ten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Kraml: 5 Prozent! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das will das österreichische Volk: die Vorbildfunktion einer Bundesregierung, die auch an jene denkt, die es bei ihrer Arbeit im Leben etwas schwerer haben. Das zeichnet diese Regierung natürlich auch aus. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Gruber: Frag einmal deinen Chef in Kärnten, was der dazu sagt!) Es wird nicht leicht sein. (Bundesrat Schennach: Darum geht euch das Volk bei den Wahlen ab! – Heiter­keit und Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ.) Es freut mich, dass die Gegenrufe immer stärker werden. Dadurch geht es mir heraußen auch immer besser. (Bundesrat Gruber: Weil er so viel Blödsinn geredet hat!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Bei der Schwerarbeiterregelung wird es natürlich noch darauf ankommen, wer genau dazu zählt. Ich denke, das Positive, dass dabei herauskommen soll, ist, dass sie keine Abschläge haben.

Ich glaube, die Gewinner dieser Pensionsharmonisierung werden alle Österreicherin­nen und Österreicher sein, inklusive der SPÖ! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Du bist ein Träumer!)

17.51

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



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17.51

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich schon fast peinlich, wenn man diese Diskussion, die von einzelnen Personen aus dieser Ecke immer wieder geführt wird, mit anhören muss. Es ist ja unwahr­scheinlich, mit welcher Gelassenheit da über Dinge hinweggeredet wird, die ganz einfach schwarz auf weiß am Tisch liegen. (Bundesrat Schennach: In diesem Fall schwarz-blau!)

Wenn ich mir den Kollegen Wolfinger anhöre, dann muss ich sagen, das war nett, war wirklich nett. – Was soll man auch anders machen? Für mich hat es geklungen wie – ich würde sagen – die Festrede bei der Weihnachtsfeier vom oberösterreichischen Seniorenbund. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Nur niemandem weh tun und versuchen, das Ganze irgendwie zu beschönigen, denn wohl fühlen wir uns nicht dabei, weil wir genau wissen, was auf uns zukommt und was es eigentlich wirklich bedeutet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist es doch nicht, was für uns in Zukunft an Politik gemacht werden kann: dass wir beschönigen, dass wir über Sachen hin­wegreden und dass wir Gesetze machen, die in Wirklichkeit nicht funktionieren. (Bundesrat Kritzinger: Das stimmt ja nicht!)

Zellot spricht als Heeresverwaltungsbeamter – was er ja sein darf – jetzt von Gewinnen für alle. Sie wissen offensichtlich nicht einmal, dass Sie von Dingen reden, lieber Herr Kollege Zellot, die Sie selbst betreffen! Sie wollen offensichtlich wider besseres Wissen nicht mehr das wahrnehmen, was in diesen Gesetzen steht, was Ihre Zukunft ist.

Es wurde gesagt, eine Harmonisierung wurde schon lange versucht. – Das ist schon richtig. Und dass das Ganze nicht einfach ist, das ist auch richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das sage ich als Gewerkschafter genauso wie auch als Sozial­demokrat.

Aber eine Harmonisierung zu machen, die eigentlich gar keine ist, das ist jedoch etwas anderes! Dafür haben wir uns nie hergegeben, und daher sind wir auch zu keinem Ergebnis gekommen – auch nicht mit Ihnen von der ÖVP, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Herr Staatssekretär, Sie werden sich sicherlich auch daran erinnern können. Das war in einer Zeit, als Sie noch nicht Staatssekretär waren, aber die politischen Vorgänge sehr intensiv verfolgt haben.

Man spricht von einer Scheinharmonisierung, die hier stattfinden soll. (Bundesrat Ing. Kampl: Wer spricht davon? – Ruf bei der ÖVP: Sie! – Bundesrat Boden: Die Medien!) Ich spreche nicht von einer Scheinharmonisierung. Ich glaube, es ist eine Geheimharmonisierung. Sie ist nämlich so geheim, dass von einer Harmonisierung nichts zu merken ist und die Leute nichts anderes bemerken können als eine Aufdop­pelung von Verlusten, die 2003 durch diese unsägliche Pensionsreform tatsächlich entstanden sind.

Wenn ich zuerst gesagt habe, dass da Gesetze geplant und gemacht werden, die nicht halten, so ist das nicht nur eine Aussage, sondern eine Tatsache. Der „Kurier“ – und das ist nur eines von vielen Beispielen – berichtet in seiner Ausgabe von morgen bereits: „Höchstgericht: Wieder Watschen für Schwarz-Blau: Gendarmen klagten. Die geänderte Bestimmung zur Zwangspensionierung von Beamten wird aufgehoben.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist die Politik, die Sie seit Jahren betreiben! Das sind die Gesetze, die Sie seit Jahren machen! Das ist das Chaos, das Sie in Österreich verursachen, tagtäglich, immer wieder! (Beifall bei der SPÖ und den


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Grünen. – Bundesrätin Giesinger: Aber Sie wissen schon auch, wie verschuldet wir waren!?)

Ungerechtigkeiten zwischen Berufsgruppen werden mit dieser Geheimharmonisierung noch verschärft, da die ASVG-Versicherten zum zweiten Mal zur Kasse gebeten werden. Das ist alles, was von dem Ganzen übrig bleibt! – So schaut es in Wirklichkeit aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Verluste bis zu 22 Prozent! – Das ist fast ein Viertel der Pension! Das sind die Spitzen, schon zugegeben, aber dass es so weit überhaupt kommen kann, stellen Sie sich das einmal vor! Es gibt ja in Ihren Bereichen auch einige Pensionisten. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen um ein Viertel weniger Pension! Dann beziehen Sie aber kein Bundesratseinkommen, Herr Kühnel! Ich glaube, da werden Sie ganz schön aufstampfen mit den Fußerln, wenn Sie um ein Viertel weniger kriegen als jetzt! (Bundesrätin Giesinger: Reden Sie konkret, wer ein Viertel weniger kriegt!) Diese Verluste sind also ungerecht und unsozial. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Würden Sie, meine Damen und Herren, nicht nur die Pensionisten, einem Gesetz zustimmen, mit dem Sie beschließen würden, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab nächstem Jahr einen Einkommensverlust von, sagen wir, 20 Prozent haben? Und dann vielleicht noch in den Verhandlungen sagen: Aber das machen wir auf zwei, drei Mal und teilen uns das auf!? – Würden Sie dem zustimmen? Ich glaube es nicht, und ich kann es mir auch nicht vorstellen.

Die Hauptverlierer bei dieser so genannten Harmonisierung und diesen Reformen, die den Namen nicht verdienen, denn das ist in Wirklichkeit eine „Aussackelungspartie“ und nichts anderes, sind vor allem die 35- bis 55-Jährigen. Ganz stark sind natürlich auch die Frauen betroffen. Das ist ein Großteil derjenigen, die jetzt aktiv in Beschäftigung stehen. Vergessen Sie das nie, meine Damen und Herren!

Frauen schädigt man durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes massiv, und was man hier als Alternative anbietet – die 150 € für die Pension je Kind –, ist fast schon ein Hohn, wenn man sich durchrechnet, was tatsächlich mit dem Durch­rechnungszeitraum und allem anderen den Frauen für ein Schaden angerichtet wird und wie viel weniger an Pension tatsächlich zustande kommt. (Bundesrätin Giesinger: Aber von Ihrer Regierung wurde für die Familien nicht viel getan!)

Bei den Beamten, liebe Frau Kollegin, ist ein Großteil derer, die bereits bei der Pen­sionsreform 2003 verschont geblieben sind, auch jetzt nicht betroffen. Das ist eine sehr selektive Gruppe. Sie wird auch nicht zumindest auf den Stand von 2003 – wie alle anderen – gebracht. Davon nur Finger weg!

Aber auch bei den Beamten versuchen wir ja in Zukunft, Veränderungen vorzunehmen. Die über 55-jährigen Beamten sind überhaupt nicht betroffen – auch nicht für die Zukunft, mit allem, was zurzeit da ist. Da ist alles im Reinen, und da wird nichts passieren.

Allerdings werden Beamte, die unter 55 sind, überdurchschnittlich stark betroffen sein. – Das sind die ersten Vorstellungen. In der Zwischenzeit hören wir aber, wir müssen über alles noch reden, und es wird noch alles diskutiert. Wir werden dann noch andere Meinungen hören aus Ihren beiden Parteien, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind Ihre Vorstellungen, nicht unsere Vorstellungen! Damit müssen Sie leben. (Bundesrat Ing. Kampl: Ihre Experten waren ...!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Beste dabei ist: Wenn man von Harmonisierung spricht, geht man davon aus, dass es zu gerechten, gleichen Situationen kommt. Ein Euro ist aber bei einem Unternehmer oder bei einem Bauern plötzlich um 30 Prozent mehr wert als bei einem ASVG-Versicherten. (Bundesrätin


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Giesinger: Das stimmt ja überhaupt nicht!) Das ist schon sehr interessant, wie man hier Harmonisierung versteht beziehungsweise wie man sie verstehen kann. Es ist ja fast ein Bühnenstück – ein schlechtes Bühnenstück allerdings! Und die Inszenierung wird ja in der Zwischenzeit ganz klar und deutlich erkennbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr als 27 Prozent aller Neupen­sions­zugänge verlieren über 5 Prozent. 77 Prozent aller Männer mit langer Versicherungs­dauer sind betroffen – jetzt bereits, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese ganz aktuellen Zahlen kommen durch die bereits vorhandenen Regelungen zustande. Sie stammen von der Pensionsversicherungsanstalt und besagen ganz klar, dass mehr als 27 Prozent der Neupensionisten mehr als 5 Prozent verlieren, bei Männern mit langer Versicherungsdauer sind es fast 77 Prozent.

Von 10 377 Fällen, die bereits nach dem Recht der Pensionsreform 2003 beurteilt waren, kommen 2 828 NeupensionistInnen – 27,25 Prozent der Fälle – auf Verluste gegenüber der Rechtslage vor der Pensionsreform 2003 von zwischen 5,1 und 10 Prozent. Zu diesen Verlusten kommt übrigens noch der ebenfalls lebenslang wirkende Ausfall der Pensionserhöhung im Jahre 2005, was sich je nach Pensions­höhe und Inflationsrate mit einem weiteren Verlust von rund 1,5 Prozent auswirkt – bereits jetzt! Da ist das neue große Stück noch gar nicht dabei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sollte uns doch irgendwo zu denken geben, auch Ihnen von der Regierungspartei! Schauen Sie sich das doch noch einmal an! Bei Ihren Zwischenrufen habe ich nämlich das Gefühl, dass Sie sich nicht sehr intensiv damit beschäftigt haben. Sie kommen nach mir dran: Versuchen Sie wirklich, uns das zu erklären! Ich würde es nämlich gerne verstehen!

Nehmen Sie diese Zahlen doch ernst und versuchen Sie, damit für sich selbst zu einem Ergebnis zu kommen! Die Zahlen der BVA, die bis jetzt vorliegen, sind für mich nämlich die Bestätigung dafür, dass gerade für die „Hackler“, die ihr Leben lang geschuftet haben, die Forderung von AK und ÖGB, dass die Kürzung der Pensionsreform 2003 großteils rückgängig gemacht werden soll, absolut notwendig war. Die Ergebnisse liegen heute, wie gesagt, leider Gottes bereits auf dem Tisch, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Herr Bundeskanzler fordert Verständnis für die Situation der Bauern und Selbständigen. – Jederzeit! Das Ganze darf aber nicht einseitig sein! Für die anderen von den niedrigen Beitragssätzen des ASVG Betroffenen und insbesondere für die Schwerarbeiter hat er nämlich offensichtlich kein Verständnis. Wahrscheinlich kennt er diese Leute nicht und weiß nicht, wovon er spricht, beziehungsweise hat er wirklich keine Ahnung, worum es da geht. – Vereinheitlichung bedeutet gleiche Beiträge und gleiche Leistungen – oder sollte es zumindest bedeuten. Bei den Regierungsparteien bedeutet es aber offenbar ein Aufdoppeln der Verluste; das kommt jedenfalls dabei heraus. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Morak.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sind Sie wirklich so weit von der Realität entfernt? Ich glaube es nicht beziehungsweise kann es mir nicht vorstellen. In Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP oder auch mit einigen von der FPÖ mache ich nämlich immer wieder andere Erfahrungen: Sie sagen dann sehr wohl, dass das nicht so gemeint ist und nicht so sein kann, und beteuern, dass Sie das ja selbst nicht vertreten können. Bei den Abstimmungen wird dann aber das Handerl brav gehoben, und von der christlich-sozialen Einstellung bleibt dann offensichtlich nichts mehr über!

Dass der Kanzler und die Frau Staatssekretär keinerlei frauenpolitische Sensibilität haben, das haben sie schon öfters bewiesen. Aber wenn sie mit den Damen und


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Herren von den Regierungsparteien so etwas mit beschließen, dann sind sie auch dafür mitverantwortlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch einmal kurz zusammengefasst: Was sind denn unsere Kritikpunkte? – Die Beamten-Sonderstellung bleibt, die Beamten­pension 2003 wird ausgespart, die Beamten behalten auch jetzt ihren Sonderstatus. Das kann es ja wohl nicht sein! Hier gibt es nach wie vor gleiche Beiträge für gleiche Leistungen. Im Gegensatz dazu erfolgt bei den Bauern eine Erhöhung der Beitrags­sätze von 14,5 Prozent auf 15 Prozent, bei den Gewerbetreibenden von 15 Prozent auf 17,5 Prozent, dennoch bleiben sie deutlich niedriger als im ASVG-Bereich, wo eine Erhöhung auf 22,8 Prozent erfolgt.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas in Erinnerung bringen, weil es heute schon angesprochen wurde, nämlich die ursprüngliche Dritteldeckung, dass also ein Drittel der Arbeitnehmer, ein Drittel der Arbeitgeber und ein Drittel der Staat abdeckt. Der Staat hat nie das eine Drittel tatsächlich dazu gezahlt! So wenig wie in den letzten Jahren hat er allerdings auch noch nie gezahlt! Auch das muss man zur Kenntnis nehmen, wenn man davon ausgeht, dass die „böse“ Sozialversicherung diesbezüglich so daneben ist! So hat es in Wirklichkeit ja nicht ausgeschaut, da stehen doch noch einige andere Dinge im Hintergrund! (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Worum geht es noch? – Ich nenne jetzt einmal die hohen Verluste bei einem vorzei­tigen Pensionsantritt. Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kann es ganz einfach nicht sein! Es geht doch nicht, dass man mit 62 Jahren in Pension geht und dann Abschläge von 12,6 Prozent hat, wobei ab dem Jahr 2005 noch Einbußen hinzukommen, die mit 5 Prozent – unter Anführungszeichen – „gedeckelt“ sind. Die Verlustdeckelung wird dann allerdings bis 2024 auf 10 Prozent angehoben, und ab 2024 verlieren die Arbeitgeber, die drei Jahre vor dem gesetzlichen Pensionsalter in Pension gehen, rund 22 Prozent, damit also knapp ein Viertel des Pensions­anspruches. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Kollege Himmer! Es wird nicht ganz so lang sein, aber wir zwei sind in dieser Partie ganz aktuell drin, und so auch unser Bekannten- und Freundeskreis! Das sollte man auch in unserem Alter etwa zwischen 45 und 50 durchaus zur Kenntnis nehmen! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Ich rede von mir, und ich bin ein wenig älter, in Ordnung! Irgendwann einmal haben aber wir alle einen Vertrag geschlossen, der da lautete: Ich arbeite, ich zahle ein, ich habe diese und jene Rechte und diese und jene Pflichten. Und dieser Vertrag, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird jetzt von dieser Bundesregierung ganz eindeutig gebrochen! Das ist Vertragsbruch und nichts anderes! Ich habe das bereits im Jahr 2003 hier gesagt, und ich muss es jetzt wiederholen: So ist es!

Über die hohen Abschläge bei den Schwerarbeitern wurde heute auch schon ge­sprochen. Wenn pro Jahr vorzeitiger Pension 3 Prozent in Abzug gebracht werden, dann bedeutet das, dass bei einem 60-jährigen 15 Prozent plus 5 bis 10 Prozent Verlust zum Tragen kommen. Das ist auch deswegen unvertretbar, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil Schwerarbeiter eine signifikant geringere Lebens­erwartung haben als andere Menschen. Auch das darf man nicht vergessen!

Die Benachteiligung von Frauen habe ich schon kurz angesprochen. Die Frauen haben einerseits große Verluste durch die lebenslange Durchrechnung zu gewärtigen, andererseits gäbe es für Frauen keine Möglichkeit zur vorzeitigen Alterspension. Der Durchrechnungszeitraum betrifft unsere Kolleginnen tatsächlich wesentlich massiver als die Männer. Wer das nicht versteht, hat von der Materie wirklich keine Ahnung! Ich bin überzeugt, dass das auch die Kolleginnen im Bereich der Regierungsparteien wissen, aber geflissentlich darüber schweigen.


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Wir von der SPÖ und der FSG sind also nicht die Einzigen, die diese Schein- oder Geheimharmonisierung kritisieren, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus Ihren eigenen Reihen gibt es mehr als genug an Kritik, und das nicht nur von dem vom jetzigen Nationalratspräsidenten Khol so benannten siebenten Zwerg von links, der als ein Mensch, der an der Realität nicht vorbei geht, eben mit Kritik nicht gespart hat. Dirnberger sagte nämlich: Das neoliberale Schüssel-Regime steht gerechten Pen­sionen im Wege. Und er sprach auch vom „fortgesetzten Unrecht gegen ASVG-Versicherte“.

Aber, wie gesagt, nicht nur der von eurem Khol so liebevoll als siebenter Zwerg Bezeichnete übte Kritik, sondern auch Amon sagt: 45 Beitragsjahre müssen genug sein, um ohne Abschläge in Pension gehen zu können.

Karl Klein, ÖGB-Vizepräsident, FCG und ÖAAB, sagt, dass wesentliche Punkte noch offen sind, und beklagt die mangelnde Einbindung der Gewerkschaften in Fach­gespräche. Bitte: Nicht die Sozialisten haben das gesagt, sondern die Schwarzen haben das gesagt!

Weiter sagt Klein: Das ist keine echte Harmonisierung. Eine Harmonisierung ohne Einbindung aller Berufsgruppen und Länder hat keinen Sinn. – Auch das macht Sinn, was er sagt!

Neugebauer fordert nachhaltige Korrekturen. – Es ist ja bisher noch zu keinen Verhandlungen gekommen. Meine Vorrednerin von der grünen Fraktion hat bereits darauf hingewiesen, dass es in Wirklichkeit auch von Seiten der schwarzen Gewerk­schafter, des schwarzen Gewerkschafters Neugebauer kein großes Verständ­nis dafür gibt, was einige hier gemacht haben. Das heißt also: Auch in den eigenen Reihen wird man sich damit klar und deutlich auseinander setzen müssen!

Neugebauer sagt, dass die bisherigen Ansprüche und Erwartungshaltungen ent­sprechend zu berücksichtigen sind. Platzer, Finanzgewerkschafter, kritisiert die geplan­te Pensionsregelung für Beamte grundsätzlich. Amon ist gegen die Deckelung bei den anspruchsberechtigten Schwerarbeitern mit 5 Prozent. Auch das ist nicht ganz unlogisch, denn ich frage mich, wie man eigentlich in Prozenten feststellen kann, ob jemand Schwerarbeiter ist oder nicht. Für mich war und wird das auch in Zukunft immer die Tätigkeit sein, in Anbetracht derer ich das feststellen kann, aber nicht mit Zahlen und Prozenten! Aber auch darin besteht eben offensichtlich der Unterschied zwischen denjenigen, die am grünen Tisch ohne Fachkenntnis verhandeln, und denjenigen, die mit diesen Leuten auch noch reden können und deren Tätigkeiten tatsächlich kennen.

Amon sagt: Für Schwerarbeiter darf es keine Abschläge geben. Aber auch die Frei­heitlichen sparen nicht mit Kritik, und zwar zu Recht, wie ich meine. Scheuch sagt: Die ÖVP ist auf dem sozialen Holzweg. – Ich gebe ihm vollkommen Recht! Scheuch stellt weiters klar: Der grenzenloser Wirtschaftsliberalismus ist mit uns nicht zu machen! Und er spricht von der Optimalforderung von 0 Prozent Abschlägen für Schwerarbeiter. Scheuch sagt aber auch: Die ÖVP hat nicht das Recht der reinen Lehre für sich gepachtet.

Haider sagt: Für Schwerarbeiter soll es Pensionen ohne Abstriche geben. Er fordert weiters eine Staffelung der Abschläge ohne gänzlichen Verzicht. Und er meint: Es gibt bestimmte erschwerende Bereiche, und dort soll es auch ohne Abstriche gehen.

Und so geht es munter weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren. Haider hat die unterschiedlichsten Meinungen zu vertreten, manchmal für seine Schwester, manch­mal gegen seine Schwester, manchmal für die Regierung, manchmal dagegen. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Aber auch in der ÖVP sind gewichtige


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Landeshauptleute wie zum Beispiel Pröll nicht der Meinung, dass dieses System eins zu eins umgesetzt werden kann. Er legt sich noch nicht fest, wenn er meint: Ich möchte zuerst einmal Ergebnisse sehen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist auch ein ganz wichtiger Punkt, dass man eben auch mit den Ländern zu einer Harmonisierung kommt, denn es macht ja wirklich keinen Sinn, wenn es ganz unterschiedliche Ansichten gibt, je nachdem, welche Landeshauptleute beziehungsweise Landeshauptfrauen gerade regieren, und ich meine jetzt nicht nur die roten.

Harmonisierung bedeutet eben ganz einfach, dass man gemeinsam übergreifend zu einem Ergebnis kommt. Wenn man dann aber die diesbezügliche Meinung des Herrn Bundeskanzlers hört, der sagt: Ich gehe keinen Schritt zurück, mir ist das alles Wurscht, ich bleibe, wo ich bin, die Zustimmung der Gewerkschafter ist nicht ent­scheidend – das ist übrigens für die Zukunft auch für die Gewerkschafter interessant, die im Bereich des öffentlichen Dienstes tätig sind! –, dann darf ich zum Abschluss nur noch Rauch-Kallat zitieren, die ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch „klassische männ­liche Unlogik“ unterstellt hat, als er nämlich zu der von ihr so toll gefeierten Früh­pension für Frauen sagte: Was hier gefeiert wird, das verstehe ich nicht!

Ich habe heute schon angesprochen, was auf die Frauen damit tatsächlich zukommt. Wir werden noch einiges darüber hören, wie viele Verschlechterungen es gerade für die Frauen geben wird. Und alles, was bis jetzt darin enthalten ist, ist gerade ein Mindestforderungsprogramm, damit die Frauen nicht in der Armutsfalle landen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das die klassische männliche Unlogik ist, dann bin ich sehr froh darüber ...

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrter Herr Bundesrat! Ich darf Sie daran erinnern: Die 20 Minuten sind einzuhalten!

 


Bundesrat Harald Reisenberger (fortsetzend): In Anbetracht dessen bin ich froh, dass ich diese Unlogik besitze und mit mir auch der Großteil der Frauen, bei welchen es sich nicht nur um die von Ihnen so bezeichneten „klassischen linken Emanzen“ handelt, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es ist schlimm, aber Sie haben die Chance, noch etwas zu ändern. Ergreifen Sie sie! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

18.13

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Baier. – Bitte.

 


18.13

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich bin einigermaßen beein­druckt von dem, was Kollege Reisenberger soeben hier am Rednerpult dargeboten hat, und ich bin auch deswegen beeindruckt, weil ich mich des Eindruckes nicht erwehren kann, dass Sie glauben, die alleinige Wahrheit gepachtet zu haben.

Ich werde den Eindruck einfach nicht los, dass man offenbar gar nicht über Dinge diskutieren will beziehungsweise kann, die auf dem Tisch liegen, dass man über Fakten nicht diskutieren will und dass man von vornherein gleich alles vom Tisch wischt. Und wenn Sie beklagen, dass es noch keinen Gesetzentwurf gibt, den wir heute hier diskutieren können, dann stelle ich die Frage in den Raum, wer denn diese Anfrage gestellt hat: Das waren nicht wir, das war Ihre Fraktion! Sie haben eine Dringliche Anfrage gestellt!


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Es ist richtig: Es gibt noch keinen Gesetzesvorschlag! Aber Sie können uns jetzt nicht vorwerfen, dass es keinen Vorschlag gibt, obwohl Sie jetzt schon eine Anfrage gestellt haben. (Bundesrat Reisenberger: Das habe ich nicht getan!) Da verstehe ich die Welt nicht ganz! Aber wir wollen doch die Kirche im Dorf lassen!

Das Schlagwort von der Polemik ist ja auch schon gefallen. Ich werde mich jetzt bemühen, in meinem Debattenbeitrag sachlich zu sein. Ich bin mir sicher, dass es, wenn Sie das Gefühl haben, ich sei nicht sachlich, Zwischenrufe sonder Zahl gibt, welche Sie ja grundsätzlich, wenn Sie am Rednerpult stehen – nicht Sie persönlich, sondern Mitglieder Ihrer Fraktion! –, immer besonders dezidiert zurückweisen und sagen, dass man doch selbst das Wort ergreifen soll; währenddessen ergießt sich jedoch von Ihrer Fraktion stets ein reger Zwischenrufhagel über den Redner. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Das mag Sie erheitern, aber das ist die Wahrheit, und das kann man auch nicht so einfach vom Tisch wischen wie manch andere Dinge, die Sie gerne hier lapidar ab­schmettern wollen! (Bundesrat Boden: Austeilen und nicht einstecken!) Ich habe jetzt noch gar nicht ausgeteilt, Herr Kollege Boden! – Sie sind übrigens auch nicht zimper­lich beim Austeilen!

Lassen Sie mich nun aber in meinen eigentlichen Debattenbeitrag eingehen, denn Sie werden sich vorstellen können, dass ich mich jetzt nicht 20 Minuten lang über Ihre Gewohnheiten hier unterhalten möchte, sondern eigentlich auf das eingehen will, was auf der Tagesordnung steht, und insbesondere jetzt auf Ihre Anfrage. (Bundesrat Winter: Dann fangen Sie an!)

Es ist unbestritten, dass wir eine Reform des Pensionssystems brauchen, und da gibt es ein paar Fakten, die man auch von Oppositionsseite nicht ganz vom Tisch wischen kann. Diese wurden heute noch nicht angesprochen, und darum möchte ich sie extra noch einmal erwähnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

Frau Kollegin Lichtenecker! Ich komme zur Frage der Bevölkerungspyramide. Wir alle wissen, dass es einen Bauch in der Bevölkerungspyramide gibt, und zwar bei den derzeit 30- bis 45-Jährigen. Herr Kollege Kraml! Das können nicht einmal Sie leugnen! Ansonsten schauen Sie sich die Fakten von Statistik Austria an!

Sie kennen die Geburtenraten Mitte der sechziger Jahre: Die Zahl der Geburten betrug jährlich 130 000. Und es wird Ihnen auch bekannt sein, dass wir derzeit bei zirka 70 000 Geburten halten. Das heißt, dass die Pyramide nach unten schmal wird, weiter oben entsteht hingegen ein Bauch. Und wenn wir jetzt sagen, dass das Umlagesystem für uns überhaupt keine Rolle mehr spielt, weil es eine politische Entscheidung ist, wie viel wir vom Staat zuschießen oder nicht – ich habe heute von den Grünen sogar schon gehört, dass sie sozusagen die Einnahmen und Ausgaben nicht außer Acht lassen wollen –, dann müssen wir uns aber auch die Frage stellen, wie wir langfristig absichern können.

Daher auch mein Zugang als junger Mensch – ich bin noch unter 30 –, den ich hier und heute wählen möchte: Es geht eindeutig darum, wie wir langfristig absichern können. Und dass das nicht ganz ohne – ich spreche es aus – Schmerzen, auch finanzielle Schmerzen, abgehen wird, das ist auch dem viel zitierten kleinen Mann bewusst, mit dem Sie ja in besonderes gutem Kontakt stehen beziehungsweise zu stehen vorgeben. (Bundesrätin Bachner: Das sind die Freiheitlichen!) Das können Sie gar nicht leugnen! (Bundesrat Kraml: Da leben Sie auf dem Mond, Herr Kollege!) Wenn Sie sich auf der Straße mit den Menschen unterhalten, dann werden Sie feststellen, dass das gar niemand leugnet. (Bundesrat Kraml: Den müssen Sie mir zeigen!)


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Es geht jetzt darum, einen sinnvollen Weg zu finden, wie wir diesen Entwicklungen im Sinne einer zukunftsorientierten Reform entgegenwirken können. (Weiterer Zwischen­ruf des Bundesrates Kraml.)

Lassen Sie mich noch einen Satz zur Lebenserwartung sagen. Ich sage gleich zu Beginn: Es ist nicht so, dass ich das negativ fände, dass die Menschen länger leben. Ganz im Gegenteil: Ich finde, dass das etwas ganz Positives ist; auch aus eigenem Ansatz heraus würde ich meinen, dass das eine gute Perspektive ist!

Anfang der siebziger Jahre hatten Männer eine Lebenserwartung von 68 Jahren, derzeit sind es 76 Jahre. Frauen hatten Anfang der siebziger Jahre eine Lebens­erwartung von 74 Jahren, derzeit sind es 82 Jahre. Und auch das spielt natürlich ins Pensionssystem mit hinein, nicht nur die heutige Momentaufnahme der Jahre 2003/2004, sondern die langfristige Perspektive. (Bundesrat Konecny: Wollen Sie ändern, dass die Leute älter werden?)

Herr Kollege Konecny! Wären Sie nicht eben erst von der rechten Seite in den Saal gekommen, dann hätten Sie gehört, dass ich gerade gesagt habe, dass ich das nicht negativ, sondern sogar sehr positiv finde. Aber ich sage es Ihnen gerne noch einmal, auf die Gefahr hin, dass ich einige wertvolle Sekunden meiner Redezeit damit vertun werde. (Bundesrat Kraml: Ob diese Sekunden so wertvoll sind, ist eine andere Frage!) Aber auch das ist ein Punkt, den man nicht einfach wegwischen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Wenn Sie das erheitert, Herr Kollege Reisenberger, dann kann ich Ihnen nur sagen: Überlegen Sie, dass wir hier eine langfristige Perspektive brauchen! Wir brauchen ein Bekenntnis zur Notwendigkeit einer gerechten, solidarischen und vor allem nach­haltigen Pensionsreform, wobei „nachhaltig“ nicht nur ein Lippenbekenntnis sein darf. (Bundesrat Reisenberger: Nachhaltig, aber nicht einseitig!) Es genügt nicht zu sagen: Ja, ja, da machen wir jetzt eine Österreichpension. – Das klingt ja alles wunderbar, dagegen gibt es überhaupt nichts einzuwenden. Die Frage ist nur, wie wir einen gewissen Standard langfristig absichern können.

Ich bin froh, dass Sie jetzt da sind, Herr Kollege Konecny, denn Sie haben vorhin in Ihrem ersten Debattenbeitrag ein bisserl den Eindruck gemacht, also ob Sie ein wenig selbstkritisch in Richtung der Formel 45/65/80 wären, wenn Sie auch von der langen Durchrechnung und so weiter gesprochen haben. – Sie werden jetzt doch bitte nicht Kindesweglegung betreiben! Das ist ja die Formel, die die Sozialpartnerschaft aus­verhandelt und auspaktiert hat!

Und jetzt wird man nicht einfach so hergehen und sagen: Nein, das wollen wir eigentlich gar nicht! – Das grenzt ja schon ein wenig an Kindesweglegung. Das kann man nicht so stehen lassen.

Die Kindererziehungszeiten wurden immer wieder angesprochen, auch von Kollegin Konrad. – Wenn wir jetzt im neuen Pensionsrecht tatsächlich 1 350 € für vier Jahre und pro Kind als Beitragsgrundlage haben – und das ist immerhin mehr als eine Ver­doppelung, von 650 € auf 1 350 €; das sind Fakten –, dann können wir nicht einfach nur sagen: Das ist pfui, furchtbar, schlimm und schrecklich und alles!, sondern ich denke, dass das – wenn man davon ausgeht, dass es mehr als eine Verdoppelung ist – wohl eher eine große Leistung denn ein Rückschritt ist. Das würde ich jedenfalls mit meiner bescheidenen Meinung hier konstatieren.

Einige in Ihren Reihen haben das durchaus schon erkannt. Ich spreche hier gerade von den Jungen – jetzt ist er nicht im Saal, der Kollege Gumplmaier –, denn wir haben in Oberösterreich so etwas wie eine Jugend-Allianz geschmiedet. Vielleicht ist das Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit entgangen. Die Junge ÖVP hat gemeinsam mit der


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Gewerkschaftsjugend, gemeinsam mit der SPÖ-Jugend, gemeinsam mit der Jungen Wirtschaft, gemeinsam mit den Jungbauern und gemeinsam mit der Landjugend eine Allianz geschmiedet. Wir haben uns Gedanken gemacht: Wo soll die Reise hingehen?

Wir haben uns doch auch die Mühe gemacht, eine Gegenüberstellung dessen zu machen, was wir zum einen gefordert haben und was andererseits jetzt einmal zumin­dest fragmentarisch auf dem Tisch liegt, weil es noch kein Gesetzesvorschlag ist. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sind draufgekommen, dass wir mit dem aus Sicht der Jugend durchaus zufrieden sein können!

Jetzt bin ich bei Frau Kollegin Bachner. – Sie haben vorhin in Ihrem Redebeitrag gesagt: Wir müssen eine Reform aus Sicht der Jungen machen. (Bundesrätin Bachner: Für die Jungen auch!) – Ja! Nicht nur für die Jungen, sondern in besonderer Weise für die Jungen!

Sie sprechen immer so ein bisschen elegant von den Jungen, meinen aber meistens die Alten. Ich habe genau aufgepasst (Bundesrat Kraml: Was soll das?): Im nächsten Satz haben Sie gesagt: Aber wir haben nicht zugestimmt, weil die Pensions­reform 2003 wird nicht so und so abgeändert. (Bundesrätin Bachner: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?) – Das werde ich Ihnen sagen, was das damit zu tun hat! Sagen Sie mir, wie viele Junge die Pensionsreform 2003 tatsächlich betrifft? (Bundesrätin Bachner: Sehr wohl!) Das ist nämlich der Punkt, Frau Kollegin! (Bun­desrat Konecny: Sie sollten sich das genau anschauen!) Da müssen Sie schon ein wenig selbstkritisch in sich hineinhorchen und sagen: Schauen wir uns an, für wen diese Reform tatsächlich gemacht wird und wohin die Reise geht! – Das darf man ja nicht verleugnen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die vorliegenden Vorschläge, die in dem einen oder anderen Punkt noch diskutiert werden – das haben wir ja bereits gehört und auch den Medien entnommen –, dann bei einer letztgültigen Beurteilung der Gesetzes­vorlage auch der Kritik der Opposition standhalten werden, weil ich glaube, dass das eine gerechte, sinnvolle, notwendige und nachhaltige Reform im Interesse der gesamten Bevölkerung und nicht nur im Interesse der Alten ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.23

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker.

 


18.24

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vielleicht ist uns der Herr Staats­sekretär heute behilflich, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, auch wenn wir erst Juli haben und nicht Dezember. (Bundesrat Mag. Himmer: Aber dunkel ...!) – Na ja, wir haben immerhin Sommerzeit, Herr Kollege Himmer. Machen Sie sich nicht so viele Sorgen, Sie werden noch nach Hause finden! (Ruf bei der ÖVP: Bei uns scheint immer die Sonne!)

Es gibt eine Menge Unklarheiten, wann immer diese Regierung etwas anpackt, immer und überall. Aber was klar ist, ist, dass es Nachteile für die Bevölkerung gibt. Mich verwundert schon sehr, wenn ich die Fraktion der Freiheitlichen anschaue, dass es noch keine einzige Aussage zu der Schwerstarbeiterregelung gegeben hat. (Bundesrat Ing. Kampl: Kollege Zellot sehr wohl!) – Zur Schwerstarbeiterregelung?

Dann ist es für die FPÖ-Fraktion okay, dass Schwerstarbeiter mit Abschlägen von 3 Prozent zu rechnen haben, obwohl Fakt ist, dass ihre durchschnittliche Lebens-


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erwartung wesentlich geringer ist, in manchen Branchen teilweise um bis zu zehn Jahre?

Wenn Sie sich vorstellen, dass Männer im Schnitt eine Lebenserwartung von 75 Jahren haben: Die werden gar nicht in den Genuss kommen, ihre Pension zu genießen beziehungsweise einige Jahre im wohlverdienten Ruhestand zu sein. Und wenn Sie das gerecht nennen, dann frage ich mich wirklich, was Ihr Gerechtig­keitsbegriff ist!

Letztendlich ist das ja nicht einmal eine Frage der Gerechtigkeit, sondern das ist wirklich eine zynische Herangehensweise. Ihr heimlicher Parteiobmann sagt: Okay, es geht nicht mit Abschlägen. – Wir haben heute nichts Gegenteiliges von der FPÖ-Fraktion gehört, dass die 3 Prozent Abschlag sozusagen nicht mehr ein Thema sind. Bei der ÖVP-Fraktion findet auch der Vertreter des Seniorenbundes aus Oberöster­reich die Regelung mit den 3 Prozent Abschlägen in Ordnung. Von unserer Seite her ist das untragbar!

Aber generell, Herr Mag. Baier – weil Sie gefragt haben: Wie trifft diese Pensions­regelung die Jungen? –, möchte ich doch noch einmal zum Thema Akademiker und Pension kommen.

Herr Dr. Kühnel, es geht nicht um die Langzeitstudierenden; von denen rede ich überhaupt nicht. Ein Drittel der Studierenden beendet sein Studium vor dem 24. oder bis zum 24. Lebensjahr. (Bundesrat Dr. Kühnel: Es sollen mehr sein, Frau Dr. Lichten­ecker!) – Herr Dr. Kühnel! Das ist ja ein anstrebenswertes Ziel, aber nicht nur schnelles Studieren bringt die Menschen weiter im sozialen, im ökonomischen, im gesell­schaftlichen Bereich, sondern auch andere Dinge. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... auch länger arbeiten!)

Aber gehen wir dieses Beispiel durch! Ich möchte gerne, dass der Herr Staatssekretär zu diesem Beispiel dann auch kurz Stellung nimmt. Beispiel: 24 Jahre. Wenn er – ich bleibe jetzt bei der männlichen Variante – mit 65 Jahren in Pension geht, hat er 41 Dienstjahre. Das wären vier Jahre minus. Wenn ich jetzt 4,5 Prozent Abschläge pro Jahr nehme, komme ich auf 18 Prozent. Heißt das sozusagen, dass dieser Akademiker mit 18 Prozent minus – von den 80 Prozent noch herunter – auskommen muss, oder was heißt das im Konkreten? – Ich möchte das einfach wissen, weil das in den verschiedensten Akademikerkreisen Diskussionsthema ist.

Klarerweise sollen Menschen gleich behandelt werden, aber Studien- und Schulzeiten in dieser Form in keinerlei Weise mehr zu berücksichtigen, das ist, denke ich, nicht wirklich die richtige Herangehensweise in einer bildungs- und wissensbasierten Gesell­schaft.

Herr Mag. Baier, Sie sagen, dass das keine Auswirkungen auf die Jungen hätte. Das finde ich bewundernswert. – Das mag für manche Teile der Beamtenschaft stimmen, aber nicht für den Großteil der Akademikerinnen und Akademiker. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Und es ist durchaus ... (Bundesrat Mag. Baier: Die Reform 2002/03, von der habe ich gesprochen! – Bundesrat Gruber: Wo ist da eine Reform?) – Ich rede von den Vorschlägen, die jetzt auf dem Tisch sind. Ja, Herr Mag. Baier, Sie müssen ein bisschen aktuell sein! Sie können nicht immer diskutieren, was schon längst beschlos­sen ist, sondern worum es jetzt geht! Das ist der politische Diskurs! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Schennach.) Der politische Diskurs muss aktuell sein, Herr Magister!

Aber wenn ich das Drei-Säulen-System betrachte – ja, ich habe es selbst schon hier an dieser Stelle gesagt –, so muss ich feststellen: Wir stehen dazu, dass es in gewissen


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Ausmaßen auch andere Säulen außer der staatlichen geben muss. Der Punkt ist folgender: Es gibt wissenschaftliche Studien, die belegen, dass es ökonomisch als effizientestes System – und „ökonomisch effizient“ wird in der Volkswirtschaft anders definiert als in der Betriebswirtschaft – durchaus Sinn machen würde, das staatliche System zu stärken. Letztendlich ist es spannend, dass die Diskussion nie so läuft, dass man auch solche Studien mit in Betracht zieht, sondern sich immer sozusagen an einem Rürup oder an sonstigen Experten aufhängt, die teilweise auch heftigst umstritten sind und kritisiert werden.

Es muss einem auch klar sein: Wenn man von dem staatlichen Prinzip abgeht und auf die betriebliche und private Vorsorge zählt, dann ist das an Aktien, an Fonds mit bestimmten Risken gebunden. Da gibt es in Amerika – wo sowohl im Bildungssystem für die Kinder beim Ansparen als auch im Pensionssystem darauf gezählt wird – schon die ersten nachteiligen Effekte. Und das können wir uns ja nicht wirklich für unser österreichisches System wünschen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: Wenn es in den Bankrott geht, wie ist denn dann die Pension gesichert, wenn ...? – Bundesrat Konecny: Herr Kollege, melden Sie sich zu Wort, bitte !)

Herr Dr. Kühnel, es ist wichtig, in einer Volkswirtschaft immer alle Gesamteinnahmen und alle Gesamtausgabenströme, aber auch – das Thema ist jetzt auch wieder Kostenwahrheit – externe Effekte zu betrachten und das genau in diesem Kontext zu diskutieren und nicht sozusagen immer Dinge in den Raum zu werfen und schnell durchzuziehen. Darum ist der Herr Staatssekretär heute da, er kann uns auch Ant­worten auf offene Fragen geben.

Wenn man eine gesamthafte Änderung machen will, dann wäre es doch wichtig, das gemeinsam zu machen und nicht nur die ÖVP alleine, denn anscheinend ist nicht einmal mehr die FPÖ mit in diesem Boot der Reform. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.31

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


18.31

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Geschätzte Damen und Herren! Zur Dringlichen Anfrage betreffend „Schein­harmonisierung“ der Pensionssysteme: Die Harmonisierung – davon sollten wir ausge­hen – sollte alle gleich betreffen, nämlich Bund, Länder, Gemeinden, Beamte und alle sonstigen Mitarbeiter. Nur eine Pensionsharmonisierung wird in Zukunft allen Öster­reichern eine gerechte Altersversorgung sichern. Das Drei-Säulen-Modell der FPÖ, das seit Jahrzehnten von der FPÖ zur Diskussion gestellt wurde, beginnt jetzt Früchte zu tragen.

Aber wenn ein Landeshauptmann eines Bundeslandes meint, eine Harmonisierung komme für sein Bundesland nicht in Frage, dann heißt das auch, dass jener Landes­hauptmann auch in Zukunft eine Mehr-Klassen-Gesellschaft haben will. (Bundesrat Gruber: Das ist ja kein Unterschied zu dem, was die Regierung meint!) – Ihr wisst schon, wen ich meine.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es muss endlich damit Schluss sein, wenig in den gemeinsamen Topf hineinzuzahlen, aber voll herauszuschöpfen. Beginnen wir endlich damit, es anders zu machen! – Gemeint sind wir alle.

Wir sollten alle bedauern, dass der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer trotz konstruktiver Verhandlungen, solange sie dabei waren, nicht bereit sind, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Ich bedauere auch, dass der


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Österreichische Gewerkschaftsbund seinen Mitgliedern einen 21-prozentigen Pen­sionsverlust durch die Harmonisierung einzureden versucht. Wir wissen, dass es viele zu hohe Pensionen gibt. Das System muss besser und gerechter werden. Davon reden wir immer bei allen diesbezüglichen Diskussionen.

Dass es aber 22 Verhandlungen mit 70 verschiedenen Experten gegeben hat, bei denen meist auch der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer vertreten waren, es aber leider Gottes zu keiner gemeinsamen Ausschöpfung aller zeitgemäßen Möglichkeiten gekommen ist, tut mir persönlich sehr Leid.

Zur Frage von Frau Dr. Lichtenecker. Sie haben sicher Recht. Die Frage bleibt offen: Wer ist in Österreich Schwerarbeiter? – Diese Definition sollten wir einmal finden, diese müssen Fachleute erst erarbeiten. Ich könnt in fast allen Berufen nachweisen, dass es Schwerarbeiteranteile gibt. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Bauarbeiter ...!)

Es gibt Bergbauern, es gibt Forstarbeiter, es gibt Eisenbahner, es gibt Leute in der Stahlindustrie – überall gibt es Schwerarbeiter, aber wir brauchen einmal eine Defini­tion! (Bundesrat Schennach: Pflegeberufe!) Eine entsprechende Auflistung wird man uns in Zukunft geben müssen, damit wir wissen, wovon wir überhaupt reden und nicht nur sagen, Prozente hin und her. Es muss klar sein: Wer fällt da hinein? – Exekutivbeamte fallen genauso ... (Bundesrat Gruber: Es gibt nur 5 Prozent!) – Bitte schön, darüber werden wir noch reden.

Meine Freunde, wir alle kennen die verschiedensten Berufe, aber: Was sind wirklich Schwerstarbeiter? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gruber.)

Herr Professor Konecny, lieber Herr Bundesrat, warum kommen Sie denn immer mit dem Fähnlein Neuwahlen, mit dem roten Fähnlein Neuwahlen? Warum? Wieso wird diese Diskussion heute so akut vom Zaun gebrochen? – Das ist sehr interessant: Man will etwas ansprechen, das gar nicht zur Diskussion ansteht. Man bringt einfach in Diskussion, dass es in Österreich nicht harmonisch weitergeht, und ein bisschen Sand in das Gesamtgetriebe. Das ist meiner Meinung nach, Herr Professor, Herr Bundesrat, sehr bedauerlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Herr Professor! Für Sie und für uns alle gibt es eine Demokratie und eine Meinung der Mehrheit, die momentan die Verantwortung trägt. Wir haben, als es eine andere Mehrheit in Österreich gegeben hat, diesen Umstand selbstverständlich akzeptieren müssen. Wir haben versucht, das Beste beizutragen. Das war unsere Aufgabe, unsere demokratische Pflicht. (Bundesrat Gruber: Ihr habt auch kritisiert!)

Es gehört dazu, demokratisch das Beste zu tun, aber ich erwarte, liebe Kollegen von der linken Seite, dass man auch bereit ist, wenn eine Zukunftsperspektive für junge Menschen, von denen wir heute reden, gegeben sein soll, diesbezüglich etwas zu tun – nicht für uns ältere, denn wir ältere, meine Damen und Herren, wissen genau, dass vor über 60 Jahren die Pensionspflicht erst eingeführt wurde. In den positiven Jahren, in den siebziger und achtziger Jahren, in der Zeit der Hochkonjunktur hat es gewisse Auswüchse bei den Beiträgen und im Konsum der Pensionen gegeben. Heute müssen wir schauen, dass wir wieder Ordnung in das System hineinbringen und dass unsere jungen Leute, die unsere Pensionen zahlen, noch Vertrauen in die Zukunft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Liebe Freunde! Ich möchte wirklich folgenden Appell an euch richten: Es ist noch nicht zu spät! Auch die Bundesregierung wird in Zukunft sicher bereit sein, mit der linken Reichshälfte zu reden, weil das einfach erforderlich ist für eine gesunde Republik, die wir ja haben und die wir vertreten. Wir haben andere, viel, viel größere Probleme zu


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bewältigen, aber wenn wir das nicht bewältigen, dann wird es in Zukunft noch viel schwieriger sein, an andere Probleme heranzugehen.

Ich bitte daher: Gehen wir gemeinsam in die Zukunft, damit junge Menschen Vertrauen in unser schönes Vaterland haben, das wir gemeinsam aufgebaut haben, damit sie eine Zukunft haben! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.38

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


18.38

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Es war ein prophetisches Wort, das Kollege Konecny am Anfang gesagt hat, ein zentrales Thema. – Jawohl, es ist ein zentrales Thema; wir sehen, mit welcher Leidenschaft hier diskutiert wird. (Bundesrat Konecny: Herr Kollege, Sie irren! Das prophetische Wort war das vom Wahlausgang! – Bundesrätin Roth-Halvax – in Richtung des Bundes­rates Konecny –: Sie haben zuerst gesagt, er kann sich zu Wort melden!)

Meine Damen und Herren, bei all der Debatte, die wir hier führen, sollten wir manchmal auch daran denken, mit welch ähnlicher Erbitterung wir über das Problem der Arbeitslosigkeit diskutieren und darüber, wie wichtig es einerseits für die Menschen ist, arbeiten zu gehen, über Arbeit glücklich zu sein.

Andererseits reden wir dauernd – und diese Redebeiträge wiederholen sich hier sehr häufig – über das Problem der Frühpensionierung und darüber, dass man möglichst früh in Pension gehen kann, so als wäre Arbeit etwas Grauenvolles. Glauben Sie mir – ich nehme das auch hier wahr, wie Sie Ihre Arbeit verrichten –: Arbeit kann auch schön sein! – Erster Punkt.

Zweiter Punkt. Glauben Sie mir! Wir werden die Versicherungsmathematik à la longue nicht Lügen strafen können. (Bundesrat Gruber: 50 Jahre am Bau ist nicht schön – und hat Folgen! – Bundesrätin Roth-Halvax – in Richtung des Bundesrates Gruber –: Melden Sie sich zu Wort!)

Die Frage, die an mich gerichtet wurde – lassen Sie mich dies kurz beantworten –, war: 24 Jahre plus 41 sind 65, das bedeutet 73 Prozent, 73 Prozent von möglichen 80 Pro­zent. Wenn derselbe Mann oder dieselbe Frau nicht mit 65, sondern mit 66 Jahren in Pension geht, kommen 1,78 Prozent dazu, plus, weil er oder sie sich im so genannten Korridor befindet, 4,2 Prozent. Dann sind wir bei 79 Prozent. Sie können sich locker ausrechnen, wie das ist, wenn er/sie zwei Jahre länger in Arbeit bleibt. Glauben Sie mir: Universitätsprofessoren gehen mit 70 in Pension. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ja, aber es sind nicht alle ...! – Rufe bei der SPÖ: Schichtarbeiter und ...! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Gruber: ... nicht mit 70 in Pension geht, Herr Staatssekretär!)

18.40

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich habe noch eine Wortmeldung, stelle aber dann die Frage, ob noch weitere Wortmeldungen vorliegen.

Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Bundesrätin Lueger. – Bitte.

 


18.40

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hauptverlierer dieser Pensionsreform, das haben wir heute schon einige Male gehört, sind die Frauen.


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Durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes sind die Zeiten der Berufs­unterbrechung Verdienst- und Pensionsentgang. Frauen, die Kinder zur Welt bringen, werden mit dem Kinderbetreuungsgeld aus der Arbeitswelt hinausgedrängt, von ihr fern gehalten, der Wiedereinstieg wird unüberwindlich schwer. Schaffen sie diese Hürde, dann übernehmen es aber auch wieder die Frauen, die Arbeitszeit zu redu­zieren, um Kinder und ältere Angehörige zu pflegen. Wie soll man dann mehrere Kinder bekommen? Was kriege ich dann an Pension? Das sollte man sich dann überlegen! (Bundesrat Ing. Kampl: ... Das müssen Sie der ÖVP sagen!)

Frauen, die jetzt Kinder haben und dann auch noch die Möglichkeit in Anspruch nehmen, Ältere und Kinder zu pflegen, haben Nachteile. Sie haben berufliche Nachteile, sie haben Nachteile in ihrer Karrierechance, und sie nehmen in Kauf, dass sich diese Nachteile durchziehen bis zur Pension!

Wie kann ich das jetzt noch weiter ausführen? – Es ist heute schon so viel gesagt worden. Ich möchte mich im Prinzip auf zwei Beispiele beschränken, und zwar:

Durch die Änderung des Mutterschutzgesetzes 1979 wurde ein Anspruch auf Teilzeit­beschäftigung geschaffen. Ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung ist – im ersten Moment – ein positiver Meilenstein, nur: Wenn wir uns das dann genau anschauen – wir haben das ja heute schon öfters gehört, die Crux liegt immer im Detail, die Crux liegt immer darin, wie das Gesetz ausgelegt gehört –, dann werden auf einmal die Eltern geteilt, in solche, die einen Rechtsanspruch auf Elternteilzeit haben, und solche, die keinen haben.

Wovon hängt das ab? – Ich muss dafür zwei Punkte erfüllen. Einen Anspruch auf Elternteilzeit, und zwar bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes oder zu einem späteren Schuleintritt, habe ich, wenn ich drei Jahre ununterbrochen in einem Dienst­verhältnis beim selben Dienstgeber stehe, oder wenn ich in einem Betrieb arbeite, der über 20 Bedienstete hat. (Bundesrat Ing. Kampl: Oder in Kärnten leben ...!)

Wissen Sie, was schon allein die Einschränkung durch diese zwei Punkten bedeutet? – 77 Prozent der Beschäftigten in der Altersklasse von 20 bis 45 Jahren sind von diesem Anspruch ausgeschlossen! 77 Prozent!

Was macht jetzt eine Mutter oder ein Vater, die oder der nicht zu denjenigen gehört, die einen Anspruch haben? – Er kann sich mit dem Dienstgeber auf eine Vereinbarung einigen, eine Vereinbarung, die nicht bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes geht, sondern diese Vereinbarung geht nur bis zum vierten Lebensjahr des Kindes. Ist das fair? Ist das gerecht, dass dieser Zeitrahmen nicht gleich ist?

Kommt es auch bei dieser zu vereinbarenden Teilzeitbeschäftigung zu keiner Einigung, dann gibt es noch eine Variante, sowohl für Mütter als auch für Väter: Der Dienst­nehmer oder die Dienstnehmerin hat die Möglichkeit, den Dienstgeber beim Arbeits- und Sozialgericht zu klagen. Na den müssen Sie mir einmal zeigen, der bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation seinen Arbeitsplatz dermaßen aufs Spiel setzt!

Dieses Gesetz wurde damals zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gemacht; dieses Modell aber ist für mich ein Minderheitenprogramm, denn wenn es nur 33 Prozent nutzen können, ist es nicht wirklich für die Mehrheit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Weiters wirkt es sich natürlich nachteilig auf die Pensionshöhe aus. Solange es keine bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten und dieser Zeiten der Abwesenheit vom Dienst gibt, kann man dem nicht zustimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, mein zweites Beispiel – und, Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen sehr dankbar für das Stichwort –: Familienhospizkarenz. Die Familien-


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hospizkarenz wurde zur Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen oder zur Betreu­ung eines im gemeinsamen Haushalt lebenden, schwerst erkrankten Kindes, gegen Entfall der Bezüge und im Höchstausmaß von sechs Monaten pro Anlassfall, geschaf­fen.

Ist jemand in der bedauerlichen Lage, diese Familienhospizkarenz in Anspruch zu nehmen, gibt es wieder zwei Varianten:

Ich kann auf einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten die Arbeitszeit um drei Viertel reduzieren. Jetzt geht diese Frau Teilzeit arbeiten und reduziert um drei Viertel. Rechnen Sie sich einmal bei der lebenslangen Durchrechnung aus, was sie an Pensionshöhe rauskriegt! Das kann nicht ganz stimmen.

Die zweite Variante ist: Ich kann mich zur Gänze vom Dienst freistellen lassen. Dazu muss ich mich aber wieder fragen, ob ich mir das überhaupt leisten kann.

Zum Kündigungsschutz. – Der Kündigungsschutz beginnt sofort, ab Antritt der Pflege­freistellung – also kein Problem! –, endet aber nach einem Monat. Und sollte die Karenz nicht im Gesamtausmaß von sechs Monaten sein, dann habe ich nur eine Woche Kündigungsschutz – eine Woche! Bin ich in der bedauerlichen Lage, in der Familie zwei Fälle hintereinander zu haben, und mir dann mein Dienstgeber sagt: Jetzt tut es mir aber Leid, jetzt warst du zwei Mal ein halbes Jahr nicht da, ich muss mich von dir trennen!, dann kann ich nicht von einem herausragenden Erfolg sprechen.

Das Positive an diesem Gesetz ist jedoch, dass wir es in Wien geschafft haben, Stiefkinder in der Familienhospizkarenz zu verankern, die gleichgeschlechtlichen Lebens­gemeinschaften zu verankern und auch darauf zu pochen, dass keine Urlaubsaliquotierung kommt, wenn ich diese in Anspruch nehmen muss. Weiters sind diese Menschen, die die Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen müssen, kranken- und pensionsversichert.

Eines stört mich aber noch an der Familienhospizkarenz, und zwar dass die mit den Kindern an den gemeinsamen Haushalt gebunden ist. Mit 1. 7. 2001 wurde das Familienrecht insofern geändert, als bei einer Scheidung die gemeinsame Obsorge beider Elternteile aufrecht bleibt. Jetzt ist die gesetzliche Voraussetzung ganz einfach nicht mehr da, dass sich dann Vater und auch Mutter, wenn sie nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind leben, gleichzeitig um das Kind, das leider sehr krank ist, kümmern können. Auch das ist nicht wirklich eine Errungenschaft.

Wie sieht das jetzt aus mit der lebenslangen Durchrechnung? – Dieses halbe Jahr, das ich in Anspruch nehmen muss, wirkt sich auf meine Pensionshöhe aus. Und niemand kann sagen, wie das weitergeht. Es sind nach wie vor überwiegend Frauen, die die Betreuungsaufgaben übernehmen. Das ist in unserer Gesellschaft nach wie vor so verankert. Sie stellen sich dem finanziellen Nachteil. Man drängt sie aber damit in eine finanzielle Abhängigkeit, und wenn diese Möglichkeit nicht vorhanden ist, dann drängt man sie in die Altersarmut.

Solange keine bessere Bewertung dieser Zeiten, die man vom Dienst fern bleiben muss oder soll, erfolgt, ist dieser Vorschlag für mich in höchstem Maße unfair und unsozial! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.49

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Boden.

 


18.49

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herren Staats­sekretäre! Geschätzte Damen und Herren! Da ich von der letzten Reihe aus auf-


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gefordert worden bin, keine Zwischenrufe zu machen, sondern mich zu Wort zu melden, tue ich dies hiermit. Ich war schon in der Schule ein braves Kind und habe den Anweisungen meiner Lehrerin immer Folge geleistet, deshalb auch hier. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)

Herr Staatssekretär Morak, Ihre Ausführungen hier haben mich dazu bewogen, jetzt zum Rednerpult zu gehen. Ich glaube nicht, dass die Österreicherinnen und Öster­reicher Angst vor der Arbeit haben beziehungsweise dass sie nicht gerne arbeiten würden, sondern meine, dass die Österreicherinnen und Österreicher wirklich sehr gerne arbeiten, nur: Man muss bedenken, dass mit dieser „Pensionsreform“ die Men­schen geradezu dazu getrieben werden, so schnell wie möglich in Pension zu gehen, denn je länger sie arbeiten, desto mehr Abschläge haben sie – und desto weniger Pension erhalten sie! (Widerspruch bei der ÖVP.) Das ist das große Problem! (Bundesrat Mag. Himmer: Nein, das hast du falsch verstanden! Na geh, jetzt haben wir so lange diskutiert und jetzt hast du es immer noch nicht ...! – Rufe bei der ÖVP: Das Gegenteil ist der Fall! – Zwischenruf des Bundesrates Ager.) – Du verstehst mich schon richtig, auch wenn ich mich vielleicht falsch ausgedrückt habe! Wenn man über 65 Jahre hinaus arbeitet, bekommt man natürlich mehr, keine Frage! Aber der Durchrechnungszeitraum wird immer länger, je länger man arbeitet – und daher auch höhere Abschläge. Du verstehst mich sicherlich, Herr Kollege! (Ruf bei der ÖVP: Das müssen Sie uns jetzt erklären! Erklären Sie uns das! Das verstehe ich nicht ...! – Zwischenruf des Bundesrates Gruber.) – Weil der Durchrechnungszeitraum immer länger wird – und daher sind die Abschläge mehr, daher gibt es immer weniger Pen­sion. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Morak.) Sie werden das sehen, wenn Sie in Pension gehen, Herr Staatssekretär! (Ruf: Er ist ja ein Beamter!)

Weiters: Wie lässt es sich vereinbaren, wenn man das Pensionsantrittsalter erhöht, die Jugendarbeitslosigkeit aber immer größer wird?! Auch in diese Richtung muss man einmal nachdenken, Herr Staatssekretär!

Das Zweite, das auch nicht ganz geklärt ist: Was macht man beispielsweise mit den Piloten, die alle bis 65 Jahre arbeiten müssen, jedoch ab 60 Jahren nicht mehr fliegen dürfen?! Müssen die dann am Boden Dienst machen, müssen sie Flugzeuge reinigen, müssen sie dann die Reifen aufpumpen?! Was geschieht dann mit den Piloten? Schicken Sie sie in Frühpension – oder verlangen Sie dann, dass die Piloten doch wieder länger fliegen? Vielleicht können Sie mir das noch erklären, Herr Staats­sekretär. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Hösele: Eine selbst beantwortete Frage!)

18.53

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. Ich darf Sie darauf hinweisen, Sie haben noch 13 Minuten Rest­redezeit. – Bitte.

 


18.53

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): So lange brauche ich nicht, Hohes Haus! – Herr Staatssekretär, die Frage nach den Auswirkungen der geplanten Pensionsreform auf die Akademikerinnen und Akademiker in unserem Lande damit zu beantworten: Universitätsprofessoren gehen mit 70 Jahren in Pension!, halte ich schlichtweg für eine Kombination aus Zynismus und Ignoranz! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Universitätsprofessor begleitet uns ja hier sozusagen, der uns das daher auch bestens erzählen kann. Jedoch: Universitätsprofessoren sind, so sehr wir sie schätzen, a) nicht besonders repräsentativ für unsere Gesellschaft, was ihre Anzahl betrifft, b)


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gehen sie nicht Pension, sondern emeritieren, und c) tun sie das mit 100 Prozent – und nicht weniger! (Beifall und Bravorufe bei den Grünen und der SPÖ.)

18.54

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Dringliche Anfrage  

der Bundesräte Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Skandalreihe in den ÖBB: Chaos im Management, mangelhafte Umsetzung der Reform, ungerechte Frühpensionierungen und Explosion von Kosten für externe Berater (2232/J-BR/2004)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Karl Boden als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

 


18.55

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssek­retär! Geschätzte Damen und Herren! Ein Paradeunternehmen wie die Österreichi­schen Bundesbahnen wurde innerhalb kürzester Zeit von dieser blau-schwarzen Bun­desregierung – um im Jargon unseres Kollegen Weilharter zu sprechen – zu einem „Scherbenhaufen“ degradiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Vier verschiedene Minister sind innerhalb kürzester Zeit diesem Paradeunternehmen vorgestanden! Der Vorstand, der Aufsichtsrat, wurde von dieser Regierung um teures Geld bestellt, wobei diese Bundesregierung unfähig ist, dieses Unternehmen zu leiten.

Unter dem Deckmantel „ÖBB-Reform“ wird dieses Unternehmen in kleine Teile zerteilt, sozusagen filetiert, um es für die Privatisierung, um es für den Verkauf vorzubereiten. Anstatt mit Sorgfalt und mit Weitsicht zu handeln, wird nur auf Postenschacher, auf Einfluss und Macht geachtet.

Herr Staatssekretär Kukacka, ich kann dieses ewige Jammern schon fast nicht mehr hören: Wir müssen sparen!, heißt es immer von Ihnen. Wo spart denn diese Regierung eigentlich?! – Das Geld wird von dieser Bundesregierung zum Fenster hinaus­geworfen!

Man braucht sich ja nur den sehr teuren Vorstand bei den Österreichischen Bundes­bahnen anzuschauen, dazu ebenso teure bis noch teurere Berater, die das Unter­nehmen ÖBB beraten, ja dorthin bringen sollten, dass es wieder auf Erfolgskurs kommt. Nur eines will man sich ganz offensichtlich nicht leisten: die Arbeiter. Die müssen bei den ÖBB „wegrationalisiert“, müssen eingespart werden!

Herr Staatssekretär Kukacka, machen wir doch einmal den Versuch: Schicken wir den ÖBB-Vorstand für zwei Monate auf Urlaub! Ich glaube, es würde niemandem auffallen,


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dass die ÖBB keinen Vorstand haben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bun­desrates Gruber.)

Jeder Arbeiter hingegen, der bei den ÖBB eingespart wird, jeder Posten, der nicht nachbesetzt wird, ist ein wichtiger Posten; und genau da aber würde jede einzelne Kraft abgehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Innovative Verkehrspolitik wäre gefragt! Ich erwähne in diesem Zusammenhang etwa nur die so genannte Liberalisierung des Schienennetzes von Rail Cargo Austria: Eine tatsächliche Liberalisierung wurde total verschlafen! Die ÖBB sind auf dem Markt praktisch nicht mehr vorhanden!

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, mit Einsparungen, mit einem Aushungern und einem „Gesundschrumpfen“ von bestimmten Linien kann man, wie Sie fälschlicherweise meinen, keinen Betrieb sanieren! Nur durch vermehrten Einsatz, durch Engagement und vor allem durch Motivation der Kolleginnen und Kollegen kann man dieses Ziel erreichen.

Meiner Ansicht nach sind Ihre ständigen Sager, dass man versuchen werde, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, lediglich Lippenbekenntnisse! Seit Jahren reden Sie davon – und in Wirklichkeit wird nichts in diese Richtung getan!

Sehen wir uns einmal die Schweiz an! Herr Kollege Himmer, Sie sind ja so auslands­freundlich, indem Sie immer auf die Situation in Deutschland hinweisen. Schauen wir uns jetzt einmal an, wie viel in der Schweiz auf der Schiene transportiert wird! Im Inlandsverkehr werden in der Schweiz 38 Prozent der Güter auf der Schiene transportiert; im durchgehenden Transitverkehr werden dort 65 Prozent auf der Schie­ne transportiert. – In Österreich hingegen haben wir nicht einmal 10 Prozent auf der Schiene, wobei bei uns immer wieder darüber gejammert wird, dass der Straßen­verkehr ständig steigt!

Grund für diese Dringliche Anfrage ist die Tatsache, dass trotz der Anhebung des Pensionsantrittsalters ein Personalchef im Alter von 47 Jahren in Frühpension ge­schickt wird. Man kann sich doch nicht – wir haben es eben erst gehört – eines Personalmanagers entledigen, indem man ihn ganz einfach in Frühpension schickt!

Herr Staatssekretär! Nicht das pragmatisierte Dienstverhältnis des Kollegen ist Grund dafür. Man kann auch einen anderen Job für ihn suchen, man muss nicht alle, die man nicht brauchen kann, in Frühpension schicken.

Unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten. – Wo gibt es diese nicht immer wieder? Stein des Anstoßes war ein Protokoll, das der Personalchef übermittelt und in dem er kritisiert hat, dass der Vorstand bei der ÖBB-Reform in Bezug auf Personal­angelegenheiten säumig gewesen sei. Die Personalangelegenheiten bei den ÖBB sind sicherlich ein zentrales Thema, und dass Personalchef Moldaschl ein Fachmann auf diesem Gebiet ist, ist unumstritten. Wenn man bedenkt, dass jetzt gleich sechs Personen seine Arbeit übernehmen sollen, weiß man, was dieser Mensch eigentlich geleistet hat. Es braucht sechs Personen, die die Arbeit eines Einzelnen übernehmen sollen!

Im „Kurier“ vom 18. Juli 2004 ist auf Seite 2 zu lesen, dass man sich nicht nur dieses einen Mitarbeiters entledigt hat, sondern dass es in den letzten Jahren mehrere Per­sonen gegeben hat, die dem Unternehmen nicht zu Gesicht gestanden sind und in Frühpension geschickt wurden. 2001 zum Beispiel wurden 74 Mitarbeiter in Früh­pension geschickt, 2002 waren es 103, 2003 noch einmal 38, und 2004 spricht man von 70 Mitarbeitern, die in die Frühpension geschickt wurden.


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Doch nicht genug! Kaum einen Tag später wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass die ÖBB eine Goldgrube für Beraterfirmen sind. Der „Standard“ vom 19. Juli 2004 berichtet:

„Die ÖBB sind in den vergangenen beiden Jahren ein sattes Geschäft für Unter­nehmensberater geworden. ... erhöht, konkret um 154 %, wie ein Sprecher des Unter­nehmens bestätigt hat. Gemessen an den konstanten Consulting-Ausgaben von um die 8 Mio. Euro per anno 2000 und 2001 heißt das, dass die Berater an den ÖBB im Vorjahr mehr als 20 Mio. Euro verdient haben.“ (Bundesrat Mag. Himmer: Wie hoch ist der Bundeszuschuss?)

Meine Damen und Herren! Weshalb muss man beim Personal sparen, während man auf der anderen Seite Millionen an Beratungskosten ausgibt, obwohl man doch einen hoch bezahlten Vorstand hat, Herr Staatssekretär? Wir leisten uns einen Vorstand um teures Geld, und zusätzlich brauchen wir Beraterfirmen? – Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Zukunft sein soll.

Außerdem bin ich der Meinung, dass man den Betroffenen nichts Gutes tut, wenn man sie in Frühpension schickt. Wer möchte schon im Alter von 47 Jahren Pensionist sein? Ich jedenfalls nicht! Noch dazu, wo jeder – das ist heute schon in der Debatte über die Pensionsharmonisierung angesprochen worden – genau das bekommt, wofür er eingezahlt hat beziehungsweise was ihm zusteht. Das heißt: nach zehn Jah­ren 40 Prozent, nach 20 Jahren 57 Prozent des Bruttogehaltes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin selbst ein Betroffener. Ich bin seit 35 Jahren bei den Österreichischen Bundesbahnen tätig, und ich bin nach wie vor ein motivierter Mitarbeiter – trotz meiner 35-jährigen Tätigkeit! Ich mache diesen Job gerne, und ich würde mich wirklich kränken, wenn ich ihn aus dienstlichen Gründen nicht mehr verrichten könnte. Ich bin auch froh, hier als Politiker zu sprechen. Wenn unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten – und auch ich pflege diese derzeit mit den Österreichischen Bundesbahnen – mich nun zur Aufgabe zwingen würden, so wäre das für mich wirklich nicht sehr angenehm.

Herr Staatssekretär! Wir haben einige für uns sehr wichtige Fragen an Sie gestellt, und ich bin schon gespannt, wie Sie uns auf diese Fragen antworten werden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.06

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, ich darf Sie um die Beantwortung bitten.

 


19.06

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Boden! Wenn man über die Bundes­bahnen spricht, dann muss man natürlich auch sehen, welche Veränderungen sich insgesamt in der Verkehrspolitik in den letzten Jahren, im letzten Jahrzehnt ergeben haben und dass sich die grundlegenden Voraussetzungen auch für den Schienen­verkehr sehr verändert haben.

Das ist das, was von Ihnen und von Ihren Fraktionskollegen leider viel zu wenig berücksichtigt wird: dass es sich hier um kein Monopolunternehmen mehr handelt, das den Schienenverkehr für sich gepachtet hat, sondern dass sich die europäischen Rahmenbedingungen geändert haben. Es gibt auch auf diesem Markt – und das wird zunehmend der Fall sein – Liberalisierung, es wird zunehmend mehr Wettbewerb geben, und die Bahn wird sich auf diesen Wettbewerb einstellen müssen.


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Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, und das ist auch der Grund dafür, dass wir diese Reformen durchführen – im Interesse der Bahn, im Interesse eines modernen Schienenverkehrs. Es ist nicht so, dass wir in Österreich eine Ausnahmesituation herstellen oder Reformen durchführen wollen, wie es sie in anderen Ländern nicht gibt, sondern das ist ein europäischer Trend, und dieser Trend weist eben in die Zukunft. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Reformen entsprechend durchführen.

Ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen Details, weshalb die Bahnreform genau so und nicht anders gemacht werden muss, eingehen. Wir haben schon einmal darüber diskutiert, und das würde jetzt auch diesen Rahmen sprengen, aber Sie haben die Schweiz als Beispiel genannt. – Okay, ich akzeptiere das, aber genau dorthin wollen wir kommen, wo die Schweiz jetzt auch ist. Nehmen Sie daher zur Kenntnis, dass die Schweizer Bahn nun einmal eine drei Mal so hohe Produktivität aufweist wie zum Beispiel die Österreichischen Bundesbahnen!

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das Pensionsantrittsalter bei der Schweizer Bahn bei 65 Jahren liegt und nicht wie bei uns nach wie vor im Durchschnitt bei 52 Jahren! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: 47! – Bundesrat Gruber: Mit 47 mit Gewalt in Pension geschickt!)

Nehmen Sie also zur Kenntnis, dass die Schweiz andere grundlegende Voraus­setzun­gen bietet, und zwar auch ihren Mitarbeitern! Und genau dorthin, meine Damen und Herren, wo die Schweiz heute schon ist, müssen wir kommen! Dann werden die ÖBB ein ähnlich vorbildliches Verkehrsunternehmen, und genau in diese Richtung wollen wir gehen.

Meine Damen und Herren! Wir haben auch im letzten Sommer einmal ganz heftig über das Thema ÖBB, über das Dienstrecht der ÖBB und das Pensionsantrittsalter bei den ÖBB diskutiert, denn schon vor rund einem Jahr hat es derartige Schlagzeilen in den Zeitungen gegeben: „Bahn zwingt Mitarbeiter in Pension“, „Die ÖBB pensionieren sogar 37-Jährige“. – Sie können sich an die Diskussion, die es voriges Jahr in diesem Zusammenhang gegeben hat, erinnern?

Heuer haben wir ein ähnliches Phänomen, nur geht es nicht um eine 37-Jährige, sondern es geht um einen 47-Jährigen. Ein Jahr ist in der Zwischenzeit vergangen, und in diesem Jahr ist sehr viel geschehen. Die Bahn ist grundlegend auf neue Beine gestellt worden, hat neue Strukturen bekommen, kann sich nun dem Weg in die Zukunft anpassen, hat alle Voraussetzungen dafür, ein modernes, leistungsfähiges, auf dem Markt tätiges Unternehmen zu sein. Aber es gibt noch einige wenige Probleme, die wir in diesem Zusammenhang eben auch lösen müssen.

Beim Dienstrecht ist auch einiges Wichtiges geschehen, meine Damen und Herren – nicht nur bei den Strukturen, auch im Dienstrecht, auch gemeinsam mit der Gewerk­schaft, das möchte ich durchaus anerkennen. Es wurden weitgehende Anpassungen an das ASVG vorgenommen. Denken wir an die Lohnfortzahlung, an die Entgelt­fortzahlung im Krankheitsfall – Anpassung im Wesentlichen an die ASVG-Richtlinien!

Insgesamt konnten wir durch die Abschaffung so mancher Sonderrechte im Dienst­recht über 100 Millionen € jährlich einsparen. Das ist wichtig für die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit dieses Unternehmens. Wir konnten das Drohpotential in Bezug auf Arbeitszeitbestimmungen, das es durch die EU gegeben hat, weitgehend abwenden. Das heißt, wir haben ein moderneres Dienstrecht geschaffen und damit auch die Bahn verstärkt in Richtung Normalität geführt. Wir haben versucht – und das werden wir auch weiterhin tun –, die ÖBB zu einem ganz normalen Unternehmen zu machen, sowohl in betriebswirtschaftlicher Hinsicht als natürlich auch betreffend ihre Arbeitsrechtsordnung und ihr Dienstrecht.


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Aber es gibt einen wichtigen Punkt, den wir noch nicht ausreichend geklärt haben, nämlich die Frage der Pragmatisierung der so genannten Alt-ÖBBler und der Reform der speziellen Kündigungsschutzbestimmungen bei den ÖBB. Genau darum geht es heuer wieder. Im vorigen Jahr ist es schon darum gegangen, als diese 37-Jährige von den ÖBB gekündigt wurde, nein – falsch –, in die betriebliche Pension geschickt wurde, und auch jetzt geht es wieder um einen ähnlichen Fall.

Wir müssen dieses Problem einfach konkret angehen und können uns – und das ist auch ein Appell an Sie – nicht immer wieder darüber hinwegturnen. Schon im „Kurier“ vom 2. August des vorigen Jahres ist gestanden:  „Wer von 365 Tagen im Jahr 290 im Krankenstand ist, aber trotzdem nicht chronisch krank ist, der würde in jedem Unternehmen der Welt früher oder später gekündigt werden. Nicht so bei den ÖBB, dort wird man frühpensioniert.“

Meine Damen und Herren! Das ist ungerecht. Das ist auch ungerecht gegenüber all jenen ASVG-Mitarbeitern, die sich das nicht leisten können, die bei der Voest oder bei jedem anderen Betrieb selbstverständlich gekündigt werden, wenn dort ähnliche Verhältnisse einreißen wie bei den ÖBB.

Ich denke, dieses Beispiel illustriert doch sehr klar, dass im ÖBB-Dienstrecht einiges geändert werden muss. (Bundesrat Stadler: Herr Staatssekretär! Wissen Sie den Grund, warum der in Krankenstand gewesen ist? Das muss man schon dazusagen!) – Es geht ja gar nicht um diesen einen Fall! (Bundesrat Stadler: Sie reden von diesem einen Fall!)

70 Prozent der ÖBB-Mitarbeiter gehen aus Krankheitsgründen in Pension! (Bundesrat Kraml: Fragen Sie sich, warum!) Durchschnittsalter: 52 Jahre. Sie werden mir doch nicht erzählen wollen, dass bei den ÖBB 70 Prozent der Mitarbeiter krank sind, weil die Belastungen so arg sind – im Vergleich zu anderen Unternehmen wie etwa der Voest, wo die Leute am Hochofen arbeiten müssen! (Bundesrat Stadler: Und die arbeiten bis 65!) Hier gibt es einen Systemfehler, den Sie doch endlich einmal eingestehen müssen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Aber den Krankenstand muss ja ein Arzt bestätigen! Sie stellen die Ärzte in Frage!)

Das ist eben der Punkt auch in diesem Fall mit Herrn Dr. Moldaschl. Dem ÖBB-Vorstand steht nämlich die Frühpensionierung aus betrieblichen Gründen als einzige Möglichkeit zur Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses dieses Mitarbeiters zur Verfügung. Für 90 Prozent der ÖBB-Mitarbeiter gibt es die Möglichkeit der Kündigung gar nicht, weil sie eben ihre alt-pragmatisierten Rechte haben, meine Damen und Herren!

Ich will mich jetzt gar nicht einmischen bei der Frage, ob diese Kündigung – wieder falsch –, ob diese betriebliche Pensionierung gerechtfertigt war oder ob es nicht auch andere Möglichkeiten gegeben hätte (Bundesrat Gruber: G’scheiter, der Vorstand wäre gegangen!), denn das ist Sache des Vorstandes. Es ist nicht Sache der Politik, sich hier einzumischen. (Bundesrat Stadler: Das ist schade!) Wir werden uns nicht einmischen.

Aufgabe der Politik ist es, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen, nämlich dafür zu sorgen, dass es bei den ÖBB auch jene ganz normalen arbeits-, sozial- und dienstrechtlichen Rahmenbedingungen gibt wie in jedem anderen Unternehmen auch und dass die Mitarbeiter nicht mangels Alternativen in Frühpension geschickt werden müssen, meine Damen und Herren! Das ist das Thema.

Sie hätten auch schon einmal die Möglichkeit gehabt, hier entsprechend mitzuwirken. Sie wissen ja, dass wir die Möglichkeit der Kündigung unter ganz bestimmten


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Voraussetzungen in unserem Entwurf zur Abänderung des Dienstrechtes ursprünglich vorgesehen gehabt haben. Sie wissen auch, zu welchen Reaktionen das geführt hat. Sie wissen, dass die SPÖ und die Gewerkschaft sofort ganz entschieden dagegen waren, meine Damen und Herren! Bis zum Streik haben sie diese Ablehnung sogar getrieben (Bundesrat Gruber: Aus guten Gründen, Herr Staatssekretär!), obwohl uns der Verfassungsgerichtshof Recht gegeben und gesagt hat: Selbstverständlich sind auch bei den ÖBB gesetzliche Eingriffe in das Dienst- und Pensionsrecht aus öffent­lichem Interesse zulässig.

Genau das, meine Damen und Herren, halten wir auch in Zukunft für notwendig und richtig. Sie sollten sich auch selbst einmal überlegen, ob dieser Zustand dort immer so fortgeführt werden soll oder ob es nicht eine Frage der Gerechtigkeit und auch der Solidarität mit anderen Mitarbeitern, mit anderen Arbeitnehmern wäre, dass diese Sonderprivilegien bei den ÖBB abgeschafft werden!

Sie wissen genau, dass wir es uns nicht leicht gemacht haben, diese speziellen Kün­digungsmöglichkeiten vorzusehen. Wir hätten den Eingriff jedenfalls so vorgenommen, wir hätten ihn so konzipiert, dass er auch in Übereinstimmung mit dem verfas­sungs­mäßigen Vertrauensgrundsatz möglich gewesen wäre. Wir haben enorm hohe Sonderabfertigungen vorgesehen, wie es sie in anderen Bereichen nicht gegeben hat. Wir hätten eine Altersgrenze eingeführt, bis zu der spätestens eine Kündigung möglich wäre, nämlich 40 Jahre. Und wir haben uns auch noch durch entsprechende verfas­sungsrechtliche Gutachten abgesichert, meine Damen und Herren! (Bundesrat Boden: Damit man die Mitarbeiter wegbringt!)

Ich denke, wir haben wirklich alles gemacht, um eine vernünftige Lösung anzustreben, meine Damen und Herren! Ich meine, dass Sie sich überlegen sollten, ob Sie dieser wirklich vernünftigen Lösung nicht auch zustimmen könnten, nämlich der Aufhebung dieses speziellen Kündigungsschutzes und der Dauerpragmatisierung der ÖBB-Mit­arbeiter.

Deshalb ist diese Dringliche Anfrage natürlich auch für uns wichtig, und sie sollte auch für Sie wichtig sein, um sich sozusagen noch einmal ins eigene Gewissen zu reden, meine Damen und Herren, denn Sie haben es auch in Ihrer Macht, mit uns gemeinsam eine Zwei-Drittel-Lösung zu schaffen, also eine verfassungsmäßige Mehrheit zustande zu bringen, um diese ungerechtfertigten Privilegien abzuschaffen und diese wirklich völlig unpassende Altlast auch endlich zu beseitigen!

Ich glaube, das ist es, was Sie sich in diesem Zusammenhang und im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage auch überlegen sollten. Meine Damen und Herren! Bringen Sie den Mut auf, bringen Sie die Verantwortung auf, in diesem Bereich auch einmal etwas zu ändern! Ich sage Ihnen, alle anderen Arbeitnehmer, die nicht bei den ÖBB sind, werden Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie dazu in der Lage und bereit sind.

Meine Damen und Herren! Auf die anderen Fragen, die Sie an mich gerichtet haben, darf ich kurz antworten.

Zur Frage 1:

Kapitalvertreter im Aufsichtsrat der ÖBB-Holding sind: Dr. Wolfgang Reithofer, Vor­standsvorsitzender Wienerberger AG, Dr. Siegfried Dillersberger, Rechtsanwalt der Rechtsanwalts-Gemeinschaft Dillersberger & Atzl, Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Hermann Egger, Vorstand der KELAG, Ing. Mag. Rudolf Fischer, Vorstand der Telekom Austria AG, Kommerzialrat Dr. Reinhard Iro, Vorstand der Treibacher Industrie AG, Dr. Kari Kapsch, Vorstand und Geschäftsführer der Kapsch BusinessCom AG, Nikolaus Lauda, Geschäftsführer von Flyniki und Do & Co, Prof. Dr. Fredmund Malik, Geschäftsführer des Malik Management Zentrums St. Gallen, DDr. Regina Prehofer,


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Vorstand der Bank Austria-Creditanstalt, Kommerzialrat Franz Rauch, Geschäftsführer der Rauch Fruchtsäfte GmbH & Co.

Das sind die vom Eigentümer ausgewählten Personen, die die Interessen des Eigen­tümers, das heißt der Republik Österreich, vertreten und die das Wohl des Unter­nehmens entsprechend dem Aktiengesetz zu wahren haben.

Zur Frage 2:

Über die Geschäftsvorhaben der ÖBB sind der Verkehrsminister und ich informiert, denn diese werden im Jahr 2004 von den bestehenden ÖBB, also den ÖBB alt, abge­wickelt. In den Aufsichtsrat der ÖBB ist ein Staatskommissär bestellt, der regelmäßig mündlich und schriftlich über die laufenden Geschäfte der ÖBB informiert.

Die ÖBB Holding AG ist nicht mit den laufenden Geschäften, sondern mit der Umstrukturierung des Unternehmens gemäß Bundesbahnstrukturgesetz beauftragt. Gemäß § 39 dieses Bundesgesetzes ist regelmäßig und eingehend über alle im Umgründungsplan vorgesehenen Maßnahmen zur Durchführung der Umstrukturierung zu berichten. Bisher ist der Vorstand der ÖBB Holding AG dieser gesetzlichen Ver­pflichtung nachgekommen, und ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft so sein wird.

Zur Frage 3:

Diese Darstellung ist unrichtig und in sich widersprüchlich. Es gibt keine „Befehls­ausgabe“ an die Vorstände der ÖBB Holding AG. Dies würde allein schon dem Aktien­gesetz widersprechen. Das Aktiengesetz sieht für die einzelnen Organe einer AG eine klare Aufgabentrennung vor, sodass der Eigentümer nur im Wege der Hauptver­sammlung eine – unter Anführungszeichen – „Befehlsausgabe“ durchführen kann.

Der Widerspruch in Ihrer Anfrage entsteht dadurch, dass optimale Auslastung des Schienennetzes und Sparsamkeit nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern einander bedingen. Nur bei optimaler Auslastung des Netzes entstehen keine unnötigen Erhaltungs- und Reinvestitionskosten, was das Ziel der Sparsamkeit ver­wirkl­ichen hilft. Optimale Auslastung heißt auf der anderen Seite allerdings nicht, dass wir leere Züge hin und her führen. Genau dies würde dem Ziel der Sparsamkeit widersprechen.

Hinsichtlich der Neuinvestitionen ist in einer Vereinbarung mit dem Finanzminister dafür vorgesorgt, dass die Projekte des Generalverkehrsplans mit einem jährlichen durchschnittlichen Investitionsvolumen von 1,2 Milliarden € umgesetzt werden können. Höhere Investitionsquoten sind nicht wünschenswert, weil sie zu einer Überhitzung der Baukonjunktur vor allem im Tiefbau führen können und damit die Baupreise in die Höhe treiben würden.

Zur Frage 4:

Da die so genannte Befehlsausgabe nicht stattfindet, erübrigt sich hier eine Antwort.

Zur Frage 5:

In den bisherigen Führungsstrukturen des staatlichen Eisenbahnsektors, also bei den ÖBB, bei der Brenner Eisenbahn Gesellschaft, bei der HL-AG und bei der SCHIG, gab es auf Vorstandsebene zwölf Direktoren und in der ersten Berichtsebene 18 Direktoren als Geschäfts- und Zentralbereichsleiter, insgesamt also 28 Führungspositionen. Die entsprechenden Kosten für die Vorstandsgehälter können Sie dem jährlichen Einkom­mensbericht des Rechnungshofes entnehmen. Diese waren schon bisher zumeist höher als die Gehälter der Mitglieder der Bundesregierung.


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In der neuen Struktur gemäß Bundesbahnstrukturgesetz wird es auf Vorstandsebene der Holding und der operativen AGs zehn bis zwölf Direktoren geben. Die Ent­scheidung über deren Anzahl liegt bei den dafür verantwortlichen Organen, das heißt bei den Aufsichtsräten der einzelnen Gesellschaften. Dazu kommen noch fünf GmbHs, bei denen die Geschäftsführerpositionen zu besetzen sind. Diese sind durchaus in Funktion und Gehalt mit den bisherigen Geschäfts- und Zentralbereichsleitern vergleichbar, sodass es zu keiner Vermehrung der Zahl der Führungspositionen und daher auch nicht zu einer Vermehrung des Aufwandes für Gehälter kommen soll.

Zur Frage 6:

Diese Zahlen wurden im Rahmen des Geschäftsberichtes 2003 veröffentlicht. Diese belaufen sich auf 1,5 Millionen €. Die Nebenleistungen für Dienstauto und Chauffeur betrugen rund 0,2 Millionen €.

Zur Frage 7:

Wie schon in der Antwort zu Frage 5 ausgeführt, erwarte ich mir aus den dort ange­gebenen Gründen keine Steigerung des bisherigen Aufwandes für die Vorstandsfunk­tionen samt Nebenleistungen.

Zur Frage 8:

Die Verteilung, Besetzung und Zahl der Vorstände ist Angelegenheit der verant­wortlichen Organe, das heißt des Aufsichtsrates der jeweiligen Gesellschaft. Wie mir die ÖBB Holding AG und die einzelnen operativen AGs mitgeteilt haben, ist folgende Besetzung geplant: ÖBB Holding AG: drei Vorstände, ÖBB-Personenverkehr AG: zwei Vorstände, Rail Cargo Austria AG: zwei Vorstände, ÖBB Infrastruktur Betrieb AG: zwei Vorstände, ÖBB Infrastruktur Bau AG: drei Vorstände, ÖBB Traktion GesmbH: ein Geschäftsführer, ÖBB Technische Services GesmbH: ein Geschäftsführer, ÖBB Immo­bilienmanagement GesmbH: ein Geschäftsführer, ÖBB Dienstleistungs GesmbH: ein Geschäftsführer.

Zur Frage 9:

Die Verteilung, Besetzung und Zahl der Vorstände ist Angelegenheit der verant­wortlichen Organe, das heißt des Aufsichtsrates der jeweiligen Gesellschaft. Wie mir die ÖBB Holding AG und die einzelnen operativen AGs mitgeteilt haben, besteht der­zeit folgende Besetzung: Holding: zwei Vorstände, und zwar vorm Walde und Dr. Söllinger. Ein Vorstand ist auszuschreiben. Rail Cargo Austria AG: zwei Vorstände. Bestellt ist Herr Schmidt, ein Vorstand ist auszuschreiben. Infrastruktur Betrieb AG: zwei Vorstände, einer ist bestellt, nämlich Zimmermann, einer ist vom Aufsichtsrat noch zu bestellen. Infra Bau AG: drei Vorstände, diese sind vom Aufsichtsrat noch zu bestellen. Traktion GesmbH: ein Geschäftsführer, nämlich Wiltberger. Technische Services GesmbH: ein Geschäftsführer, nämlich Seiser. Dienstleistungs GesmbH: ein Geschäftsführer ist auszuschreiben. Immobilien GesmbH: ein Geschäftsführer ist auszuschreiben. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Zur Frage 10: Bisher wurden bei allen Vertragsabschlüssen die Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes und der Schablonenverordnung sowie des § 54 Abs. 10 Bundesbahnstrukturgesetz eingehalten. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Bestim­mungen ist auch der Grund, warum der Aufsichtsrat der ÖBB-Holding AG den durch den Abgang von Dr. Moser frei gewordenen Vorstandsposten ausgeschrieben hat, auch wenn in der Umstrukturierungsphase die Holding AG dringend einen dritten Vorstand benötigt.

Zur Frage 11: Diese Funktionen sind derzeit in Ausschreibung oder müssen noch ausgeschrieben werden oder müssen noch vom Aufsichtsrat bestellt werden.


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Zur Frage 12: Über Ausschreibungszeit und -datum, Anforderungsprofil, Qualifikation und Kriterien entscheidet das für die Vorstandsbesetzung zuständige und laut Aktien­gesetz verantwortliche Organ, nämlich der Aufsichtsrat. Ich halte mich an die Organ­disziplin. Wie mir die ÖBB-Holding AG mitgeteilt hat, erfolgt die Ausschreibung dieses Wochenende in den Zeitungen.

Herr Ing. Matthias Reichhold ist derzeit in einer Managementfunktion in einem großen renommierten Privatunternehmen tätig. Eine frühere politische Funktion kann nicht von vornherein ein Ausschließungsgrund für eine Vorstandsfunktion in einem Unternehmen sein, sei es privat oder staatlich.

Zur Frage 13: Frühpensionierungen sind nicht nur bei den ÖBB, sondern in sehr vielen Unternehmen ein Weg gewesen, Personal sozial verträglich abzubauen. Erinnern wir uns nur an die verstaatlichte Industrie, die überhaupt erst in großem Stil damit be­gonnen hat. Wie Sie wissen, ist bei den ÖBB eine Kündigung der pragmatisierten und noch dazu mit Einzelverträgen abgesicherten Mitarbeiter nicht möglich. Daher hat man schon vor längerer Zeit – und das wurde auch bei keiner der im Nationalrat vorge­nommenen Novellierungen des Bundesbahnpensionsgesetzes verändert – diese Möglichkeit der Frühpensionierung pragmatisierter Mitarbeiter von Dienstes wegen unter ganz bestimmten Bedingungen geschaffen. Damit wollte man dem Unternehmen die Möglichkeit geben, Mitarbeiter, für die keine Verwendung mehr möglich ist, sozial verträglich abzubauen. Davon haben die ÖBB nur in sehr kleinem Umfang Gebrauch gemacht, wie Sie den Zahlen im Vergleich zur Gesamtanzahl der Beschäftigten von derzeit zirka 47 000 entnehmen können. 2001: 74 Frühpensionierungen aus betrieb­lichen Gründen, 2002: 103, 2003: 87, 2004: 79 Frühpensionierungen – Stand 22.7.2004.

Frühpensionierungen von Dienstes wegen sind kein durch den Aufsichtsrat geneh­migungspflichtiges Geschäft. Daher hat der Vorstand den Aufsichtsrat auch nicht über diese Frühpensionierungen informiert.

Zur Frage 14: Da die Frühpensionierungen nicht aufsichtsratspflichtig sind, kann der Staatskommissär mir darüber auch nicht berichten. Die ÖBB teilen mir mit, dass diese Daten dem Datenschutz unterliegen. Jeder Einzelfall wird individuell betrachtet. Eine Kategorisierung ist nicht möglich.

Zur Frage 15: Wie mir der ÖBB-Vorstand mitteilte, „stimmen der Vorstand und Herr Direktor Moldaschl darin überein, daß durch die Umstrukturierung die Position des Zentralbereichsleiters PAS“ – Personal, Ausbildung und Services – „entfällt. Ein adäquater Ersatzdienstposten steht nicht zur Verfügung, daher ist der Tatbestand des § 2.2.5. Bundesbahnpensionsgesetz erfüllt. Herr Dir. Moldaschl wird daher mit Wegfall seiner Funktion von Dienstes wegen in dauernden Ruhestand versetzt.“ – Zitat aus dem Schreiben des Vorstandes vom 15. Juli 2004.

Zur Frage 16: Das ist ausschließlich Sache der Organe. Einen Hauptversamm­lungsbeschluss in dieser Angelegenheit werde ich nicht herbeiführen.

Zur Frage 17: Aus diesem Titel heraus sind den ÖBB keine Kosten entstanden. Die Pensionsansprüche sind geringer als die Aktivbezüge. Da die ÖBB nicht unbeträchtlich aus dem Bundesbudget finanziert werden, wirkt sich dieser Effekt auch auf das Bun­desbudget aus. Allerdings kommt es im Kapitel 55 (Pensionen) zu Mehraufwendungen, im Kapitel 65 (Zahlungen an die ÖBB) dafür zu höheren Minderausgaben.

Zur Frage 18: Es ist klar, dass in der Phase der Umstrukturierung jedenfalls höhere Kosten anfallen. Das geht von der Ausarbeitung der entsprechenden Verträge zwischen den einzelnen operativen Aktiengesellschaften über die Erstellung von Plan­bilanzen und Umgründungsplänen bis zur Erstellung der Businesspläne der neuen


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Gesellschaften. Dabei werden naturgemäß die Beraterleistungen von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatern erforderlich sein. Die Komplexität des Umstrukturierungsprozesses bedingt daher auch ein Ansteigen der Beratungskosten. Ich bin aber davon überzeugt, dass diese Kosten nach erfolgter Umstrukturierung wieder auf dem vorherigen Niveau oder darunter liegen werden.

Zur Frage 19: Wie mir die ÖBB mitteilen, betragen die Beraterkosten zirka 0,5 Prozent des Gesamtaufwandes. Dies entspricht in etwa den Umstrukturierungskosten der Jahre 1994 und 1995: 1995 nominell 13,7 Millionen €. Die Beraterkosten betrugen 2001 7,4 Millionen €, 2002 12,7 Millionen €, 2003 16,2 Millionen € und 2004 – Jänner bis Juni – 5,1 Millionen €.

Ich habe schon mehrfach auf das Aktiengesetz verwiesen. Als Eigentümer ist mein Instrument nur die Hauptversammlung. Es ist die Verantwortung des zuständigen Organs, nämlich des Aufsichtsrates, die Beraterkosten zu genehmigen und zu über­prüfen.

Bei den ÖBB alt ist der Eigentümervertreter in Form des Staatskommissärs anwesend. Aufsichtsrat und Eigentümer werden über Aufsichtsratssitzung, Geschäftsordnung Vorstand, Geschäftsordnung Aufsichtsrat, Annex Geschäftsordnung Aufsichtsrat über die Beraterleistungen bei den ÖBB laufend informiert.

Zur Frage 20: Wie mir die ÖBB mitteilen, für Power 2005, Cross-Border-Leasing-Verträge im Zusammenhang mit dem Bundesbahn-Strukturgesetz 2003, Dienstrecht, Postbus/Bahnbus-Integration, Streikfragen, steuerliche Eröffnungsbilanzen und Körper­schaftsteuerpflicht. Aus Power 2005 werden 290 Millionen € bis 2005 generiert, 2003 wurden bereits 36 Millionen € ergebniswirksam realisiert.

Im Vergleich zu namhaften Unternehmen, wie zum Beispiel der DB-AG und der Lufthansa, liegen die ÖBB deutlich unter deren Werten. Ich möchte nochmals betonen, dass in der Umstrukturierungsphase erhöhte Beraterkosten notwendig sind. Die Kon­trolle der Höhe und Angemessenheit ist Angelegenheit der zuständigen und gemäß Aktiengesetz verantwortlichen Organe, nämlich des Aufsichtsrates.

Zur Frage 21: Es steht dem Nationalrat jederzeit frei, einen Prüfauftrag an den Rechnungshof zu geben, wenn er diesen für notwendig und angebracht hält.

Zur Frage 22: Ich bin überzeugt davon, dass die Vorstände der ÖBB-Holding AG, die der Aufsichtsrat nach sorgfältiger Prüfung bestellt hat, diese Umstrukturierung zeit­gerecht und gesetzeskonform durchführen werden. Ich bin auch davon überzeugt, dass es unter Mitwirkung der Betriebsräte und der Gewerkschaft gelingen wird, den vereinbarten Generalkollektivvertrag zu errichten.

Ebenso bin ich davon überzeugt, dass der Vorstand der ÖBB-Holding AG in gemein­samer Anstrengung und in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem von mir bestell­ten Aufsichtsrat dieses komplexe Werk so umsetzt, dass am 1. Jänner 2005 alle neuen Gesellschaften, ausgestattet mit dem ihnen zugehörigen Personal, Vermögen und Grundstücken und ihren erforderlichen Organen, voll zu arbeiten beginnen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.41

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nun in die Debatte ein, wobei die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.42

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe


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Kolleginnen und Kollegen! Es war jetzt wirklich bemerkenswert – und das ist aus dieser Anfragebeantwortung hervorgegangen –, wie unwissend eigentlich der Eigentümer dieses großen Unternehmens ist. Ich habe hier schon einmal gesagt: Für mich sind die wahren Eigentümer dieses Unternehmens, repräsentiert durch Ihr Ressort, Herr Staatssekretär, das hier quasi als Treuhänder fungiert – die Eigentümer dieses Unter­nehmens sind ja nicht jene Organe, die dort jetzt nach dem Aktiengesetz tätig werden –, für mich also sind die Eigentümer dieses Unternehmens die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Ich bin ein wenig entsetzt darüber, mit wie wenig an Wissen und Information der Eigentümervertreter dieses großen Unternehmens ausgestattet ist. Ich gehe davon aus, dass der Eigentümervertreter die Organe primär mit Persönlichkeiten beschickt, zu denen er entsprechendes Vertrauen hat, wo es Informationspflichten, Treuepflichten und dergleichen mehr gibt. Es ist hochinteressant, wie wenig an Information da vorhanden ist und dass wir hier eigentlich nur das zu hören bekamen, was ohnehin im Aktiengesetz nachgelesen werden kann. Das ist eigentlich erschütternd! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) – Ich glaube, der Kollege kann sich zu Wort melden, wenn er etwas sagen möchte. (Bundesrat Bieringer: ... hätten Sie zuhören müssen!)

Herr Staatssekretär Kukacka, wenn Sie hier sagen, dass die Pensionierung des Herrn Direktors Wolfgang Moldaschl rechtens war, darf ich Ihnen im Anschluss an meine Worte einen Artikel aus der Abendausgabe des morgigen „Kurier“ zu lesen geben, in dem steht, dass es bereits einen ersten Crash gab, was Ruhestandsversetzungen ver­schiedener Führungspersönlichkeiten – nicht in Ihrem Ressort, Herr Staatssekretär Kukacka, sondern im Bundesministerium für Inneres – betrifft. Da gibt es bereits eine Entscheidung: Der Verfassungsgerichtshof hat wieder ein Gesetz der schwarz-blauen Regierung aufgehoben, das schon beim Beschluss umstritten war. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Tatsache ist also, dass diese gesetzlichen Bestimmungen, die Sie hier zitiert haben, Herr Staatssekretär, umstritten sind. (Bundesrätin Giesinger: Wer hat dieses ÖBB-Recht verhandelt? Da war doch die SPÖ dabei!) Das, meine Damen und Herren, können Sie auf der Homepage der Gewerkschaft der Eisenbahner nachlesen.

In diesem Artikel heißt es, der Spruch des Verfassungsgerichtshofes sei nicht auf die ÖBB zu übertragen. Die Ruhestandsversetzung des 47-jährigen ÖBB-Personalchefs Wolfgang Moldaschl, die zuletzt für Schlagzeilen gesorgt hat, bleibt davon unberührt. Die ÖBB hat ein eigenes Dienstrecht.

Das heißt nichts anderes – das wird mir Herr Professor Böhm bestätigen –, als dass es Wolfgang Moldaschl beziehungsweise seiner Gewerkschaft, seiner Vertretung unbe­nommen ist, genau den gleichen Weg zu gehen, wie ihn bereits verschiedene Landes­gendarmeriekommandanten, Direktoren von Polizeidirektionen, Sektionschefs und so weiter gegangen sind: den Weg zum OGH beziehungsweise zum Verfassungs­gerichtshof. (Bundesrätin Giesinger: Wer hat denn das ÖBB-Recht gemacht?) Das wird, wie ich meine, eine peinliche Sache, wenn dann wieder von der Regierung jemand hier sitzen wird und das zu erläutern versucht.

Eine ganz interessante Aussage von Ihnen, Herr Staatssekretär Kukacka, hat es zu einer Frage schon gegeben: Na ja, meinten Sie, das werde alles nicht teurer, denn wenn Moldaschl in Pension sei, komme das ja billiger, denn dessen Pensionsanspruch liege unter dem Aktivbezug. – Eine bemerkenswerte Aussage. Herr Staatssekretär, Sie kommen ja aus einem produktiven Unternehmen und wissen daher sicherlich: Wenn man den Drucker bei der Druckmaschine in Pension schickt, so ist es so, dass, wenn dieser eine Betriebspension hätte, diese wahrscheinlich geringer wäre als sein Aktivbezug, nur: Einleuchtend wird sicherlich sein, dass man dann dort einen neuen


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Drucker einstellen muss. (Bundesrat Konecny: Oder sechs andere!) – Ja, in diesem Fall müssen wir sogar mit dem Faktor 6 rechnen, was auch ganz bemerkenswert ist und was sich, wie ich meine, ein privates Unternehmen sicher nicht leisten könnte.

Herr Staatssekretär, wir hatten hier ja schon einmal eine sehr interessante Diskussion über Produktivität. Eingangs Ihrer Ausführungen betonten Sie ja, man müsse sich verändern, müsse sich einstellen auf die Wettbewerbsbedingungen, die die Euro­päische Union mit sich bringe. Ich habe mir das daher noch einmal angesehen, Herr Staatssekretär: Die von Ihnen behauptete schlechte Produktivität der österreichi­schen Eisenbahner schaut ganz anders als von Ihnen angenommen aus. In der Schweiz, wo Sie, Herr Staatssekretär, eine ach so hohe Produktivität orten, gibt es ein sehr reduziertes Schienennetz, und es wird teilweise von Privaten betrieben. Im Üb­rigen ist der Eisenbahnbetrieb in der Schweiz viel teurer als bei uns, weil die Bezüge der Schweizer Eisenbahner viel, viel höher sind. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Darauf müsst ihr euch jetzt einigen: Ist es in der Schweiz vorbildhafter oder ist es schlechter als bei uns?! Darauf müsst ihr euch zuerst einmal einigen! Herr Boden hat das Gegenteil von Ihnen gesagt!)

Herr Staatssekretär, Sie kommen ja so wie ich aus Oberösterreich. (Bundesrat Boden: Ich habe gesagt, dort wird mehr transportiert als bei uns!) – Ganz richtig! Wir haben bei uns in Österreich ein breites Schienennetz und damit eine gute Versorgung von großen ländlichen Bereichen. Wenn wir das Schienennetz reduzieren, dann wird das natürlich seine Auswirkungen haben. Sie brauchen ja nur in die Westbahn einzusteigen, dann sehen Sie dort ein allerhöchstes Ausmaß an Produktivität! Sie sehen nahezu überfüllte Eisenbahnwaggons.

Die Frage ist nur: Sehen wir die Eisenbahn weiterhin als eine Form der Daseins­vorsorge, die die Bewohner Österreichs, die die Menschen in den Regionen brauchen? In diesem Zusammenhang denke ich natürlich auch an ältere Menschen, die dem Individualverkehr oft wenig abgewinnen können, aber auch an Familien sowie an die Wirtschaft. Meiner Überzeugung nach hat die Eisenbahn auch einen unglaublich großen touristischen Effekt! Wenn Sie jedoch angesichts dieser Tatsachen immer nur von Stilllegungen reden, dann wird das Ganze wirklich sehr, sehr problematisch werden.

Sie, Herr Staatssekretär Kukacka, haben vorhin auf eine Frage die einzelnen ÖBB-Organe schön brav aufgezählt: allen voran Herrn Dr. Wolfgang Reithofer, einen sicher anerkannten österreichischen Manager, vor dem man sich nur verneigen kann, aber: Was hat Herr Dr. Reithofer vor einigen Tagen mitgeteilt: Woher die Mittel kommen und so weiter, das ist alles nicht seine Sache, so Dr. Reithofer, sondern die der Hoheits­verwaltung! – Und damit, Herr Staatssekretär, ist der Ball wieder bei Ihnen! Mit dem Aktiengesetz wird Ihnen nicht die Verantwortung als Eigentümer abgenommen; auch nicht durch Herrn Dr. Wolfgang Reithofer! Das ist definitiv so, das ist sicher!

Sie, Herr Staatssekretär Kukacka, haben dann das Pensionsalter verglichen und gemeint, dass es da bei uns bei den ÖBB schlecht ausschaue. Da muss man schon aufklären: Es war Ihr Regierungschef Dr. Wolfgang Schüssel, Herr Staatssekretär, der im Jahre 1997 eine Anhebung des Pensionsbeitrages mit ausgehandelt hat! Dazu müssen Sie schon stehen!

Heute wurde ja bereits gesagt, es wird jetzt sozusagen neues Klassenrecht geschaf­fen. Es wird künftig mehr Reformen für Selbständige geben, für jene, die auf der Scholle stehen, für jene hinter dem Ladentisch beziehungsweise hinter der Schank – da wird es überall verschiedene Sätze geben; so wird das ausschauen.

Jedenfalls wurde für die ÖBB eine Anhebung auf über 15 Prozent ausgemacht! Ich glaube, da kann sich Ihr Regierungschef Dr. Schüssel, der das alles mit unterschrieben


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hat, jetzt nicht verabschieden und sagen: Die zahlen zu wenig ein, gehen bald in Pension!, und so weiter. Das wurde damals, im Jahre 1997, ausgemacht! Und ich glaube, wir leben in einem „Verfassungsbogen“, in dem Rechtsstaatlichkeit herrschen sollte.

Dazu ganz konkret ein Beispiel, Herr Staatssekretär, das ich mir dazu gestern heraus­gesucht habe. Im Technischen Service Linz gibt es einen ausgebildeten Elektrotech­niker, einen Meister, im 45. Lebensjahr, der eine Gruppe von 30 bis 50 Mitarbeitern leitet: Nettoeinkommen 1 400 €. Derselbe Meister – er würde mit 45 Jahren sogar noch einen Job finden, was ja heute bei uns nicht so einfach ist – würde bei Plas­ser & Theurer, diesem Linzer Paradeunternehmen, bei dem man sich mit Ähnlichem beschäftigt – man produziert dort Schienenreinigungsmaschinen, die in die ganze Welt exportiert werden –, zwischen 2 100 € und 2 500 € netto verdienen! Das sind die Fakten! (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger sowie Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.)

Wenn Sie meinen, man müsse sich von wertvollen Mitarbeitern dieses Parade­unternehmens verabschieden, wird es interessant sein, wo man deren Leistungen dann wieder – noch dazu sicherlich teurer! – zukaufen wird. Also hier bitte ein bisschen zu rechnen! Rechnen Sie mit Ihren Eigentümervertretern! Da sind die meisten sicherlich gute Manager; diese stehen Ihnen bestimmt gerne zur Seite.

Zu einem Punkt, Herr Staatssekretär, weil Sie meinten, einigt euch in Bezug auf die Schweiz: Darum geht es nicht, Herr Staatssekretär, sondern darum, dass die Schwei­zer Bahnen mit nur 29 267 Mitarbeitern trotz eines ganz stark eingeschränkten Netzes einen Personalaufwand in Höhe von 2,2 Milliarden € haben. Das heißt unterm Strich, dass die viel weniger Mitarbeiter der Schweizer Bahnen – Sie haben es vorhin gesagt: rund 47 000 aktive ÖBBler – einen um 164 Millionen € höheren Personalaufwand als bei uns in Österreich zur Folge haben.

Zu einem weiteren Punkt: Unsere Bundesbahnen, Herr Staatssekretär Kukacka, sind im Güterverkehr die Nummer eins in Europa! Das muss man sich vorstellen: Europa­weit haben wir mit den ÖBB den größten Güterbeförderer! Ihnen als Eigentümer­vertreter stünde es schon an, Herr Staatssekretär, diese Leistung der ÖBB auch einmal in die Auslage zu stellen!

Kollege Bieringer hat sein Leben, glaube ich, auch sozusagen im öffentlichen Dienst verbracht, und mir ist unerklärlich, dass es zwischen einem Bürgermeister und den ÖBB so wenig Kontakt geben kann, dass sich das bis Salzburg nicht durchspricht, welches Paradeunternehmen wir in unserem Lande mit den ÖBB haben! (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. – Gegenruf bei der SPÖ.)

Herrn Staatssekretär Kukacka und seinen Ressortchef Gorbach sollte es schon nach­denklich machen, dass es wahrscheinlich nur ganz wenige Eigentümer eines Unternehmens geben wird, die ihr eigenes Unternehmen schlecht machen! Warum gehen Sie nicht mit diesen Zahlen an die Öffentlichkeit?! Ich glaube, Ihre 47 000 Mit­arbeiter – wobei ich gar nicht weiß, ob Sie diese eigentlich als Ihre Mitarbeiter empfinden; sind diese vielleicht jetzt auch irgendwie im Aktiengesetz „vergraben“ – würden Ihnen sehr dankbar dafür sein, denn die würden in der Öffentlichkeit ein besseres Image bekommen, was wiederum ein hohes Maß an Motivation zur Folge hätte. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Und das, Herr Staatssekretär, hätte man, glaube ich, in diesem Unternehmen sehr, sehr nötig.

Noch zwei Zahlen, Herr Staatssekretär. Bereits im Jahre 2001 fuhr das Unternehmen ÖBB einen Betriebserfolg in Höhe von 122 Millionen € ein. Das muss man sich bitte einmal auf der Zunge zergehen lassen! Und Sie wissen, meine Damen und Herren,


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dass das Jahr 2002 von der wirtschaftlichen Betrachtung her sicherlich nicht das lustigste für viele Unternehmen war. – Wenn Sie lachen, Kollege Himmer, sind Sie vielleicht in einer Branche, wo das völlig anders ist. Schauen Sie sich doch einmal die Kennzahlen anderer Betriebe an! – Herr Staatssekretär! Im Jahre 2002 ist es Ihren Mitarbeitern gelungen – ich sage jetzt wieder: „Ihren Mitarbeitern“; egal, ob Sie das so empfinden oder nicht –, einen Betriebserfolg in Höhe von 125 Millionen € zu erwirt­schaften!

Herr Staatssekretär, Sie sollten eigentlich stolz darauf sein, dass das Unternehmen ÖBB jetzt doch noch irgendwie Ihrem Ressort zugerechnet wird, wenn Sie auch meinen, zwischen Ihnen als Eigentümer und dem Betrieb stehen verschiedene Organe, Organe, die im Aktienrecht nachzulesen sind.

Ich glaube, in diese Richtung sollte es gehen, und zwar sollte es da zu einem rapiden Umdenken kommen.

Was sich in diesem Zusammenhang in den letzten Tagen ereignet hat, ist eigentlich eine Bankrotterklärung, denn: Wenn es einen hervorragenden Fachmann an der Spitze des Personalwesens gibt, man sich von diesem einfach verabschiedet und dazu ÖBB-Generaldirektor Rüdiger vorm Walde meint – ich nehme an, dass Sie, Herr Staats­sekretär, doch irgendwie eingebunden waren, als dieser von Ihren Organen bestellt wurde –, dieser Mitarbeiter habe sich vom Unternehmen „entfernt“, so stimmt das mehr als nachdenklich. Dem Vernehmen nach wusste ja nur ein einziges weiteres Vor­standsmitglied von dieser Lösung des Dienstverhältnisses mit Personalchef Moldaschl. Generaldirektor vorm Walde sagte dazu, er habe innerbetrieblich die „Notbremse“ ziehen müssen, so ist das Leben. – Herr Staatssekretär, da wird mir eigentlich ein wenig schwindlig, denn eine solch gravierende Entscheidung sollte schon ein wenig fundierter sein.

Erwähnen möchte ich nur kurz, welche Qualität gerade das mittlere Management in unserer gemeinsamen Heimatstadt Linz, Herr Staatssekretär Kukacka, leistet. Dort gibt es 4 500 Mitarbeiter der Österreichischen Bundesbahnen, ein Großteil davon sind hervorragende Logistiker, Techniker, Speditionsfachleute et cetera. Wenn ich mir vorstelle, welch breit gestreute Ressourcen dieses Unternehmen hat, muss ich schon die Frage stellen: Welches Management, Herr Staatssekretär, haben Sie da geholt und an die Spitze dieses Unternehmens gestellt, wenn dieses nicht einmal weiß, welch enorme innerbetriebliche Ressourcen da zur Verfügung stehen!?

Herr Staatssekretär Kukacka, es wäre angebracht, dass Sie ein wirkliches Zukunfts­modell für die Österreichischen Bundesbahnen auf die Schiene stellen, denn gerade Oberösterreich könnte eine Brücke, eine Drehscheibe zwischen „alten“ und „neuen“ EU-Ländern bilden. Dazu bräuchten wir jedoch dringendst ein Zukunftskonzept, einen Ausbau sowie eine Modernisierung von Schiene und Bahn. Daran sollten Sie dringend arbeiten! (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger.)

Wenn es gilt, Herr Staatssekretär, da die „Notbremse“ zu ziehen, so sollte das keine hingeworfene Floskel Ihres Generaldirektors sein, sondern dann sollten Sie und Ihr Ressortchef das machen: die Notbremse ziehen, das Steuer herumreißen und an einer erfolgreichen Zukunft der Österreichischen Bundesbahnen arbeiten. Herr Staats­sekretär, ich darf Ihnen hiemit symbolisch eine „Notbremse“ überreichen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Schimböck überreicht Staatssekretär Mag. Kukacka eine Tafel mit der Aufschrift „Notbremse“ und einer Abbildung der­selben. – Staatssekretär Mag. Kukacka überreicht seinerseits Bundesrat Schimböck eine Tafel.)


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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.57

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass die „Verwandtschaft“ zwischen diesen beiden Dringlichen Anfragen, über die es heute eine Diskussion gibt, wohl auch darin liegt, dass es sich bei diesen beiden Bereichen um große Reformprogramme handelt, die von dieser Bundesregierung in Angriff genommen werden mussten.

Ich möchte diese Gelegenheit, zu einer dieser Dringlichen zu sprechen, auch dazu nutzen zu sagen, dass ich mir bei der Dringlichen vorher erlaubt habe, in einem Zwischenruf auf Deutschland hinzuweisen, es mir jedoch selbstverständlich, Frau Kollegin Bachner, äußerst fern liegt, Sie auch nur in Ansätzen dafür verantwortlich machen zu wollen, was die deutsche Bundesregierung tut! Es ist wohl überhaupt keine Frage, dass wir für Österreich verantwortlich sind.

Diesen Hinweis auf Deutschland habe ich nur deshalb gemacht, weil man sich im Rahmen großer Reformvorhaben – das macht jedes Unternehmen – Best-Practice-Beispiele in der ganzen Welt anschaut und analysiert, wie andere Unternehmen mit ähnlichen Problemstellungen umgehen. Ebenso kann man natürlich schauen, wie andere Länder mit ähnlichen Problemstellungen umgehen.

Damit wollte ich ansprechen, dass es sich aus diesem Grund heraus eignet zu sagen: Wenn Regierungen anderer Länder, die zufälligerweise derselben politischen Richtung nahe stehen, etwas machen, dann eignet sich das für eine Analyse, weil man eben dort vielleicht erkennen kann, wie wir es besser machen könnten.

Mitunter schaue ich auch deutsches Fernsehen – und natürlich gibt es da sozusagen verschobene Rollenbilder: dass auf der einen Seite eine konservativ geführte Regierung diese Reformen durchführen muss, auf der anderen Seite eine sozial­demokratisch geführte Regierung. Ich gehe davon aus, dass, wenn Sie von der SPÖ jetzt in der Regierung wären – gerade Sie, Frau Kollegin Bachner, ebenso Kollege Reisenberger –, Sie vermutlich einiges mit Ihren eigenen Amtsträgern in der Regierung auszuringen hätten. (Bundesrätin Bachner: Wovon Sie ausgehen können!) Das billige ich Ihnen auch absolut zu.

Aber ich kann trotzdem nicht umhin, das zu wiederholen, was ich von Sozialdemo­kraten in Deutschland in den unterschiedlichsten Debatten immer wieder höre. Sie fragen dringend nach Alternativen, wenn sie kritisiert werden. In Deutschland ist es bereits so weit, dass man nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in die Sozialhilfe fällt. Die deutsche SPD-Präsidentschaftskandidatin sagte bei „Sabine Christiansen“ – man kann sich das ja alles anschauen, das ist ja in der modernen Welt so super –: Wunderbar, sie ist auch für alles zu haben, was für die Menschen besser ist, aber bitte dringend die Alternativen auf den Tisch zu legen!

Was die Bundesbahnreform betrifft, so ist wohl klar, dass es uns hier um die Schaffung einer modernen und wettbewerbsfähigen Unternehmensstruktur für die Bahn geht. Das ist die Intention der Regierung, der Koalition und des Ressorts. Selbstverständlich ist das ein Bekenntnis zu diesem Unternehmen, selbstverständlich ist das ein österreichi­sches Unternehmen, selbstverständlich hat man ein Interesse an einer positiven Entwicklung dieses Unternehmens. Wenn hier gesagt wird, der einzelne Österreicher ist der Eigentümer dieses Unternehmens, dann stimmt das natürlich in einer gewissen Art und Weise, aber für den Einzelnen bedeutet das in dem Fall eher, dass er Schulden hat. Das ist kein wirklich attraktives Erbe, das es anzutreten gilt, wenn, ich


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glaube, 2,9 Milliarden € an Schulden in der Bahn angehäuft wurden und wir 4 Milliar­den Bundeszuschuss im Jahr benötigen.

Daher denke ich, dass man mit solchen Vergleichen etwas vorsichtig sein sollte und dass man nicht hergehen und jenen Personen – seien es Politiker oder seien es Manager –, die hier mit Reformen, die ja letztendlich auch durch die Internationalisie­rung zustande kommen, versuchen, etwas in die richtige Richtung weiterzubringen, gleich unterstellen kann, dass sie hier einem österreichischen Unternehmen Schaden zufügen wollten.

Und darf ich mir bitte den Vergleich erlauben: So, wie Sie den Staatssekretär kritisieren, weil er mutige Reformen bei der Bahn angeht, und ihm damit unterstellen, er hätte etwas gegen die Österreichischen Bundesbahnen, das ist dieselbe Debatte, wie wenn Sie sagen, wie schlecht diese Republik ist. Da denken wir auch oft: Von welcher Republik reden Sie eigentlich? Sie machen das eigene Land nieder, und dann beanspruchen Sie für sich, dass zwischen Regierung und Opposition in dieser Betrachtung unterschieden wird. Diese Art von Wortwechsel haben wir wahrscheinlich dreißig Mal im Jahr, und das gilt für die Bundesbahnen genauso.

Ich möchte hier als Wiener Bundesrat etwas anmerken, weil hier immer mit besonderer Häme darauf hingewiesen wird, wenn gerade wieder einmal etwas vom Verfassungs­gerichtshof aufgehoben wurde. Wir alle miteinander wissen aber, dass, wenn man das einer statistischen Betrachtung unterzieht, sich diese Bundesregierung in diesem Punkt nicht von anderen Bundesregierungen unterscheidet. Wir haben ja deswegen einen Verfassungsgerichtshof, dass die Verfassungshüter ihre Aufgabe wahrnehmen kön­nen. Ich darf in diesem Zusammenhang schon anmerken, dass das von der Wiener Stadtregierung initiierte und vom Wiener Landtag beschlossene Ausländerwahlrecht vom Verfassungsgerichtshof nicht in irgendeinem Punkt, sondern in allen Punkten aufgehoben worden ist – in allen! Und wenn ich hier gewillt bin, etwas als Blamage zu bezeichnen, dann, muss ich sagen, ist das zumindest eine ganz heftige, die den Verdacht nahe legt, dass hier Steine aus dem Glashaus fliegen.

Generell ist die Thematik von Kündigungen oder der Trennung eines Unternehmens von einem Mitarbeiter nie etwas Sympathisches. Klar ist, dass die Arbeitnehmer­vertreter und damit eine Gewerkschaftsvertreterin in dieser Frage eine besondere Sensibilität haben. Dafür hat jeder Verständnis. Würde man jetzt aber hier ein bisschen wissenschaftlich auf die Suche gehen und schauen, was bei den unterschiedlichen im Eigentum der BAWAG befindlichen Unternehmen so passiert, dann wird man nicht lange suchen müssen – davon bin ich fest überzeugt –, um zu sehen, dass es auch dort Kündigungen gibt und dass auch dort Konflikte des Topmanagements, sprich des Vorstandes, mit der ersten Berichtsebene in der Regel zu Lasten der ersten Berichts­ebene ausgehen.

Das ist in einem Unternehmen so, in dem der Vorstand die Verantwortung trägt, und das ist eben auch ein Unterschied zu einer politischen Partei: In einem Unternehmen ist es halt nicht so, dass, wenn ein Vorstand die Verantwortung trägt, welche sagen können: Wir sind zu dritt, wir haben eine andere Meinung, und jetzt stimmen wir dich nieder!, oder dass man etwas in einen Verteiler haut, damit ein bisschen Stimmung aufbaut und schaut, wie lange er es aushält. Da sind wir alle vielleicht – ich möchte da jetzt gar nicht nach Parteien differenzieren – nicht unerfahren, haben alle solche Erleb­nisse schon gehabt. Ich darf aber schon festhalten, dass zumindest in gut geführten Unternehmen andere Gesetzmäßigkeiten herrschen als in Parteikadern und hier auch andere Verantwortlichkeiten organisiert sind.

Und wenn Sie jetzt in diesem Zusammenhang einen Namen bringen: Ich kenne diesen Herrn Moldaschl nicht. Auch wenn ich ihn kennen würde, wüsste ich nicht, ob ich ihn


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unter sehr gut, gut, großartig, schwach, sehr schwach, schwach und nett oder schwach und nicht einmal nett einordnen würde. Ich weiß es einfach nicht, aber Tatsache ist, dass Kündigungen prinzipiell in einem Unternehmen – so unsympathisch Kündigungen immer sind – etwas Normales sind. Es muss möglich sein, dass sich die Unterneh­mensspitze von jemandem trennen kann, der nicht an der Strategie mitziehen möchte. Wenn das zum Beispiel der Fall gewesen wäre, dann wäre das der geeignete Weg gewesen, aber bei den Bundesbahnen ist es eben so, dass Kündigungen nicht möglich sind.

Ich möchte wirklich ohne Polemik, sondern nur zum Festhalten von Fakten sagen: Freilich wird es bei der Bahn die unterschiedlichsten Frühpensionierungs-Fälle von Mitarbeitern geben, die tatsächlich auf Grund der gesundheitlichen Situation, die möglicherweise stark korreliert mit der Tätigkeit, die sie ausgeübt haben, in die Frühpension gehen, aber wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, dann ist es in etwa so, dass in der Privatwirtschaft, also im ASVG-Bereich, 20 Prozent in die Frühpension gehen, bei den Bundesbeamten rund 23 Prozent und bei der Bahn 70 Prozent. Angesichts dessen darf man schon die Frage stellen: Warum ist das so?

Wenn Sie heute hier monieren, dass es nicht klug ist, wenn ein 47-Jähriger in die Frühpension geschickt wird, dann gebe ich Ihnen Recht, gebe ich Ihnen absolut Recht! Angesichts der Größe der Zahlen, von denen wir bei den Bundesbahnen sprechen in Bezug auf die Schulden, in Bezug auf die Bundeszuschüsse, die natürlich auch die Zuschüsse zu den Pensionen und so weiter inkludieren, ist das natürlich ein ver­gleichsweise kleines Beispiel, aber es ist nicht minder interessant zu diskutieren.

Der gemeinsame Punkt zwischen Regierungsfraktionen und Opposition in diesem Fall ist also wohl eindeutig der, dass wir es alle mitsammen falsch, falsch und nochmals falsch finden, dass ein 47-Jähriger in die Frühpension geschickt wird! Wir wissen aber, dass so etwas deshalb stattfindet, weil diesem Unternehmen Österreichische Bundes­bahnen nicht die Möglichkeit gegeben ist, sich von jemandem mittels Kündigung zu trennen. Es ist das Beispiel Plasser & Theurer zitiert worden. Wenn ein Mitarbeiter sagt, ich bekomme wo 3 000 € statt 2 000 €, dann muss er eben zu dem gehen, wo er 3 000 € bekommt! Das ist ein normales Verhalten, wenn es ihm das wert ist, er unbedingt diese 3 000 € will und es ihm dort besser gefällt. Es gibt dann die Möglichkeit, dass ihm sein alter Dienstnehmer sagt: Ich zahle dir auch 3 000 €, oder: Ich wünsche dir alles Gute, du solltest das machen!

Nicht so bei den Bundesbahnen im angesprochenen Fall, um auf das Wesentliche zurückzukommen. Hier ist es nicht möglich, einem Mitarbeiter zu sagen: Du kannst nicht mit diesem Unternehmen, du findest den Vorstand säumig – möglicherweise interpretiert der Vorstand das als illoyal, so, dass ein wichtiger Mitarbeiter nicht bereit ist, wichtige Dinge mitzutragen –, wir wollen uns von dir trennen! – Das geht nicht bei der gegenwärtigen Gesetzeslage.

Daher würde ich sagen: Werden wir gemeinsam initiativ in diesem Punkt, und machen wir gemeinsam dieser dankenswerterweise von der Opposition hier heute in die Dis­kussion eingebrachten Problematik ein Ende, stellen wir gemeinsam, fraktionenüber­greifend einen Entschließungsantrag, mit dem wir den Minister und den Staatssekretär in dieser Frage unterstützen und zum Ausdruck bringen, dass wir nicht wollen, dass solche Frühpensionierungen ex lege notwendig sind! Schaffen wir das gemeinsam ab! Ich appelliere an Sie: Machen wir das! Wenn wir es schaffen, einen gemeinsamen Ent­schließungsantrag zu dieser so wichtigen Frage für das für uns alle so wichtige Unternehmen Österreichische Bundesbahnen zustande zu bringen, haben wir heute wirklich etwas weitergebracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


20.12


Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


20.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Lieber Herr Vorredner! Allgemein möchte ich feststellen, ich habe ein bissel den Eindruck, dass die Diskussion jetzt mit der Anfrage an und für sich nimmer allzu viel zu tun hat. Ich habe das Gefühl, es handelt sich hier zum Teil um Themenverfehlungen, denn in der Anfrage geht es um Vor­standsposten, um Frühpensionierungen, in der Beantwortung hingegen hat der Herr Staatssekretär von Anfang an darauf hingewiesen, wie dringend wir jetzt diese ÖBB-Reform brauchen. Meiner Meinung nach ist das schlichtweg eine Themenverfehlung.

Der zweite Punkt, der mich etwas verwundert: Der Herr Staatssekretär sagt uns – auch ich kenne den Herrn Moldaschl übrigens nicht und weiß auch nicht, ob er besonders gut oder besonders schlecht oder sonst was ist, das gebe ich zu –, vom Herrn Moldaschl habe man sich getrennt, weil es für einen Personalmanager bei den ÖBB keinen Bedarf gibt. Das verwundert mich doch etwas angesichts von 44 000 Mit­arbeitern. Ich habe mir das mitgeschrieben, das war Ihre Antwort auf die Frage, warum man sich von Herrn Moldaschl getrennt hat.

Das ist für mich also nicht wirklich eine logische Erklärung, da erscheint mir die Erklärung von Kollegen Himmer doch etwas logischer oder etwas nahe liegender, dass der Grund gewesen sein könnte, dass er dem Vorstand nicht übermäßig sympathisch war, und man sich deshalb von ihm getrennt hätte.

Ich frage mich nur: Warum kann man nicht eine konkrete Antwort auf eine Frage geben? Die Frage war, wenn ich das richtig gelesen habe: Warum ist dieser Mensch in Frühpension geschickt worden? Eine wirklich konkrete Antwort von Ihnen darauf habe ich nicht gehört. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Auch auf eine andere Frage, nämlich wie viele Vorstandsposten durch die Reform 2003 zusätzlich geschaffen worden sind, habe ich nicht wirklich eine konkrete Antwort gehört. Ich habe vernommen, dass es jetzt zwölf Direktoren gibt und es dann soundso viele Vorstände und soundso viele Aufsichtsräte gibt, insgesamt werden es nicht mehr. Eine wirklich konkrete Antwort habe ich nicht gehört. (Zwischenbemerkung von Staats­sekretär Mag. Kukacka.) – Nein, das war nicht wirklich konkret! Wenn gefragt wird, wie viele zusätzlich geschaffen worden sind, dann hätten Sie einfach eine Zahl nennen sollen und nicht eine Aufzählung machen. Sie haben gesagt, es gibt jetzt 18 Direktoren und zwölf Direktoren, aber um wie viele mehr oder weniger es werden, haben Sie nicht gesagt. (Weitere Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) Vielleicht geben Sie mir die Antwort dann schriftlich, vielleicht finde ich es noch heraus.

Auch auf die Frage nach den Beratungskosten und wie sich diese weiterentwickeln sollen, ist keine klare Antwort gekommen. Insgesamt habe ich das Gefühl, Sie fühlen sich nicht mehr wirklich zuständig für die ÖBB. Im Vorspann zu jeder Antwort ist gekommen: Das geht mich eigentlich nichts mehr an, das macht der Vorstand oder das macht der Aufsichtsrat! Das Einzige, was den Bund noch zu betreffen scheint, sind die 1,2 Milliarden, die Sie vom Herrn Finanzminister für die Infrastruktur bekommen sollen. Mehr darf es nicht werden, damit sich die Baupreise nicht überhitzen. Wir haben ein paar Tagesordnungspunkte später den Brenner-Basistunnel zu behandeln, ich glaube, da geht es um 50 Milliarden. Wenn Sie jetzt von Investitionskosten von maximal 1,5 Milliarden jährlich reden, dann werden wir ziemlich lang an diesem Brenner-Basistunnel bauen. Die angepeilte Fertigstellung im Jahr 2015 kann ich mir schon gar nicht mehr vorstellen.


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Abschließend möchte ich sagen: Die Beantwortung der Fragen finde ich ziemlich mangelhaft und nicht wirklich ausreichend, und ich hoffe, dass es bei dieser ganzen ÖBB-Reform am Ende nicht heißt: Außer Spesen nichts gewesen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.16

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.16

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Diese ÖBB-Reform wird in Wahrheit schon jahrzehntelang diskutiert, dieser Reform sind jahrelange Diskussionen vorausgegan­gen. Man muss der Fairness halber sagen, dass auch zahlreiche sozialistische Verkehrsminister in der Vergangenheit diesen Reformbedarf erkannt haben, nur ist es unter den sozialistischen Verkehrsministern nie zur Umsetzung einer Reform gekom­men.

Es war – das muss man auch zugeben – der Kontakt zwischen sozialistischen Verkehrsministern und der Gewerkschaft vielleicht ein intensiverer als heute, was erklärt, warum hier nichts geschah: weil sich die Eisenbahner-Gewerkschaft immer gegen jede Reform gewehrt hat und immer dagegen war.

Schon 1992, meine Damen und Herren, hat der damalige Eisenbahner-Gewerkschafter Franz Hums die Pläne des damaligen Verkehrsministers Rudolf Streicher abgelehnt. Ein Jahr später wurden die Reformpläne von Verkehrsminister Mag. Viktor Klima wieder in die Diskussion gebracht – diese wurden ebenfalls wieder von der Eisen­bahner-Gewerkschaft abgelehnt. Verkehrsminister Caspar Einem wollte eine Struktur­reform der ÖBB, die der heutigen Strukturreform sehr ähnlich ist. Er wollte eine operative Aktiengesellschaft, die eine Trennung bewirkt zwischen dem Personen- und Güterverkehr einerseits und der Schiene und Infrastruktur auf der anderen Seite. Auch damals, wie heute, war die Eisenbahner-Gewerkschaft dagegen.

Meine Damen und Herren! Man sollte in dieser Debatte festhalten, dass die Eisen­bahner-Gewerkschaft zwar immer gegen die Reformen war und ist, man muss aber auch feststellen, dass sich die SPÖ jetzt gegen die Ziele ihrer eigenen Verkehrs­minister ausspricht, im Besonderen gegen jene Ziele, die Verkehrsminister Caspar Einem damals verfolgt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Bemerkenswert!) Das ist bemerkenswert, das ist wirklich bemerkenswert!

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn Ihnen die Wähler eine andere Rolle zugeordnet haben, das heißt, nicht mehr in der Regierung, sondern in der Opposition, dann könnten Sie wenigstens den Mut haben, zu Ihren sachlichen Themen von damals zu stehen und diesen Zielen treu zu bleiben. Aber das ist Ihre Sache. Ich weise deshalb darauf hin, weil dieser Sinneswandel in der SPÖ wirklich bemerkenswert ist.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, unbestritten ist und Konsens herrscht in der Frage, dass in den ÖBB ein ständiger Reformbedarf gegeben ist. Das steht, glaube ich, für alle politischen Parteien außer Zweifel, außer Diskussion. Das beweist ja auch die von mir kurz angesprochene Geschichte. Kein Konsens herrscht natürlich darüber, dass wir, die Vertreter der Regierungsparteien mit Verkehrsminister Gorbach und Staatssekretär Kukacka an der Spitze, die Reformen nicht nur erkennen wie die SPÖ-Minister damals, sondern wir die Reformen auch durchführen und umsetzen.

Und das, meine Damen und Herren, ist das Problem der SPÖ: Sie sind es nicht gewöhnt, dass Reformen, wenn sie als notwendig befunden werden, auch umgesetzt


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werden. Sie haben zwar die Themen immer erkannt, haben aber nie den Weg zum Ziel gefunden – Sie sind daher auch nie zum Ziel einer ÖBB-Reform gekommen.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ hat immer wieder erkannt – und so lauteten heute auch die Aussagen von Karl Boden als dem Begründer der Dringlichen, und auch Kollege Schimböck hat es gesagt –, dass bei den ÖBB ein permanenter Finanzbedarf besteht. Das steht außer Zweifel: Ein Finanzbedarf war immer gegeben! Nur: SPÖ-Verkehrsminister und SPÖ-Regierungen haben diesen Bedarf zwar erkannt, aber sie hatten keine Lösung dafür, weil sie nie den Mut zu Reformen hatten, obwohl bei den ÖBB ein ständiger Finanzbedarf bestand, der weit über der Inflation gelegen ist.

Meine Damen und Herren! Der Unterschied des neuen Regierens ist, dass man die Reform bei den ÖBB angegangen ist. Man hat nicht nur den Finanzbedarf erkannt, sondern die ganze Sache in die Verantwortung des dortigen Managements gelegt und letztlich den Zuschuss gedeckelt. Trotzdem wird der öffentliche Auftrag bestens erfüllt.

Da könnten Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, Nachhilfeunterricht bei der Bundesregierung nehmen!

Meine Damen und Herren! Weil von Seiten der SPÖ und von den linken Gewerk­schaftern dauernd das Wort im Mund geführt wird – ich glaube, in der Dringlichen wurde es auch so formuliert –, die Bundesregierung wolle die ÖBB zerschlagen, sie wolle die ÖBB zertrümmern, möchte ich Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, auffordern: Schauen Sie sich in Europa um!

Faktum ist, dass 18 Staaten rund um Österreich auch eine solche Reform durchgeführt haben. Österreich ist bei der Reform der ÖBB in der Frage der Trennung von Per­sonenverkehr und Güterverkehr, von Schiene und Infrastruktur nicht Vorreiter. Nein, meine Damen und Herren, wir hinken da weit nach! Da bedarf es wirklich dringender Reformmaßnahmen. Nun zeigen sich die Versäumnisse aus der Vergangenheit. Wie gesagt: Bei diesen Reformmaßnahmen sind 18 Staaten rund um Österreich schon wesentlich weiter.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend, eine Bitte an die SPÖ-Fraktion zu richten. Ich ersuche die Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, das Thema „ÖBB“ so oft wie möglich zu thematisieren, weil ich glaube, dass mit dieser Thematisierung immer mehr und immer deutlicher dokumentiert wird, dass in der Vergangenheit nur wenig für die ÖBB getan wurde. Der Reformrückstand seit 1992 beweist dies.

Ich bitte um die, würde ich sagen, permanente Thematisierung dieses Themas, denn dadurch tritt immer wieder zutage, dass die Reformnotwendigkeit zwar von allen Verkehrsministern erkannt wurde, aber eine Reform von den sozialistischen Verkehrs­ministern nie durchgeführt wurde.

Ich bitte um die Thematisierung der ÖBB-Reform deshalb, weil damit auch dokumen­tiert und vorgezeigt werden kann, dass die jetzigen Regierungsmitglieder, die jetzigen Verantwortlichen – von Verkehrsminister Gorbach bis Staatssekretär Kukacka – nicht nur von Reformen reden, sondern sie auch durchführen, dass Ziele formuliert werden und wir auch den Weg dorthin zeigen.

Meine Damen und Herren! Weil vom Kollegen Boden als dem Begründer dieser Dringlichen Anfrage die Frage des Kündigungsrechtes in den ÖBB angesprochen wurde – Herr Staatssekretär Kukacka hat es in seiner Beantwortung angesprochen, Kollege Himmer hat in seinem Beitrag darauf hingewiesen –, darf ich, meine Damen und Herren von der SPÖ, folgenden Vorschlag machen: Wenn wir es in dieser Frage wirklich ernst meinen, dann machen wir doch einen gemeinsamen Entschließungs­antrag zur Änderung des Kündigungsrechtes in den ÖBB! Machen wir das gemeinsam!


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Erfüllen wir doch diese Forderungen, die heute hier erhoben wurden! Lassen wir diesen Worten Aktivitäten folgen!

Meine Damen und Herren! Das entspricht nicht nur dem Wunsch der Regierungs­parteien, auch Karl Boden hat es dezidiert in seiner Begründung zum Ausdruck gebracht. Daher würde ich bitten, Herr Präsident, zu prüfen, ob es die Geschäfts­ordnung des Bundesrates zulässt, eine Unterbrechung der Sitzung zur Formulierung eines gemeinsamen Entschließungsantrages vorzunehmen, um eben, wie Karl Boden in seiner Begründung zur Dringlichen gesagt hat, das Kündigungsunrecht in den ÖBB endgültig abzuschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.24

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu der aufgeworfenen Frage hinsichtlich einer Sitzungsunterbrechung kann ich Ihnen mitteilen, dass diese natürlich möglich ist, aber wohl nur Erfolg versprechen und sinnvoll sein wird, wenn dahinter eine entsprechende Absicht der einzelnen Fraktionen steht. Insoweit sehe ich entsprechenden Willens­äußerungen der Fraktionsvorsitzenden entgegen.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.25

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Weilharter, du hast gesagt, es wären schon viel früher sehr viele Reformen beziehungsweise Umstrukturierungen bei den Österreichischen Bundesbahnen notwendig gewesen, es sei aber nie etwas in diese Richtung geschehen. – Ich glaube, da braucht man sich gar nicht sehr weit zurück­zuerinnern: Denken Sie nur an 1995 oder an 1997! Und immer war die ÖVP-Fraktion dabei, nur kann sie sich jetzt leider an sehr vieles von dem, was in der damaligen Regierungskoalition gemacht wurde, nicht mehr erinnern.

Zu Ihrem Tipp, Nachhilfeunterricht bei der derzeitigen Regierung zu nehmen, Herr Kollege Weilharter, möchte ich sagen: Damals sind, wie schon erwähnt, mit dem Koalitionspartner die Maßnahmen ausgemacht und besprochen worden, aber in dieser Koalition – wenn ich mir die Vorgangsweise der heutigen Regierung anschaue, so sehe ich das deutlich – wird die FPÖ nur mehr zum Abstimmen gebraucht. Gefragt wird sie in sehr vielen Fällen nicht mehr, weil man bei ihren Aussagen sehr oft an Unkenntnis stößt. Wie gesagt: Zum Abstimmen ist die FPÖ immer gut genug! Ich glaube, das mit dem Nachhilfeunterricht können wir uns wirklich sparen.

Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt wieder zum Thema zurück­kehren. Ich bin seit 32 Jahren bei Österreichs größtem Infrastrukturunternehmen, den Österreichischen Bundesbahnen, beschäftigt, und ich möchte Ihnen eines sagen, Herr Staatssekretär, geschätzte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist nicht nur meine Sorge, sondern auch die Sorge der 47 000 Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter der ÖBB um das Unternehmen Österreichische Bundesbahnen, die hier zu beachten ist – um ein Unternehmen, auf das die Österreicherinnen und Österreicher sehr stolz sein konnten. Aber dieser schwarz-blauen Regierung ist es in sehr kurzer Amtszeit gelungen, das Ansehen des größten österreichischen Infrastruktur­unterneh­mens völlig zu ramponieren.

Was besonders traurig ist – und das muss ich deutlich sagen; es ist ja heute nicht das erste Mal, dass ich mich hier herstelle und über die ÖBB rede –, das ist die Art und Weise, wie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Österreichischen Bundes­bahnen umgegangen wird. Es werden Aussagen getroffen und Presseaussendungen gemacht, die dazu beitragen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB so hingestellt werden, wie wenn sie die größten Sozialschmarotzer und Privilegienritter


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dieses Landes wären. Ich glaube, das haben sie sich wahrlich nicht verdient, und das gehört sich auch nicht!

Wenn heute der Herr Staatssekretär unzählige Male gesagt hat, die ÖBB müsse „normal“ werden, die Leute bei den ÖBB müssten „normal“ arbeiten, dann muss ich ihn fragen: Herr Staatssekretär, was verstehen Sie bei dieser Ihrer Feststellung unter „normal“? Glauben Sie, Herr Staatssekretär, dass diese Leute dort nicht „normal“, sondern „unnormal“ gearbeitet haben? – Traurig sind diese Aussagen, Herr Staats­sekretär! Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Herr Staatssekretär! Das zeigt, welche Einstellung Sie zu den ÖBB haben. Aber über Ihre Einstellung zu den ÖBB und über die Art und Weise, wie Sie mit den Öster­reichischen Bundesbahnen umgehen, wissen die meisten der 47 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB genau Bescheid. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Wenn man sich die Vorkommnisse der letzten Tage, die Hilflosigkeit und die Inkompetenz des ÖBB-Vorstandes – das ist heute von den meisten Rednern schon angesprochen worden –, die Zwangspensionierung des Personaldirektors und die Explosion der Managementkosten und der ÖBB-Berater­honorare anschaut, so kann man sagen: In Anbetracht dessen sind meine Sorgen, die ich zu Beginn meiner Ausführungen erwähnt habe, sicher nicht unberechtigt.

Herr Kollege Himmer! Sie haben hier ein Beispiel aus der Privatwirtschaft zitiert und gemeint, es sei in der Privatwirtschaft jedem möglich, wenn er glaubt, bei irgendeinem anderen Unternehmen mehr Geld verdienen zu können oder bessere Bedingungen vorzufinden, dies auch zu erreichen, nur bei den Österreichischen Bundesbahnen sei dies nicht möglich. Das stimmt nicht! (Bundesrat Mag. Himmer: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nur mein Mitleid nicht geteilt für den, der weniger verdient, denn der hat einen Kündigungsschutz!)

Herr Kollege Himmer! Auch bei den Österreichischen Bundesbahnen haben die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, auf eigenen Wunsch, wenn sie glauben, irgendwo anders besser gestellt zu sein, aus den Österreichischen Bundesbahnen auszuscheiden.

Aber ich glaube, Herr Staatssekretär, das hat mit der Zwangspensionierung des Per­sonaldirektors überhaupt nichts zu tun. Wenn man Ihrer Beantwortung der Dringlichen Anfrage genau zugehört hat, so konnte man erkennen – Kollegin Kerschbaum hat das auch angesprochen –, dass Sie uns weismachen wollten, dass man bei einem Unternehmen mit 47 000 Mitarbeitern keinen Personaldirektor braucht.

Meinen Sie, Herr Staatssekretär, das wirklich ernst? Ist diese Antwort wirklich ernst gemeint gewesen? Wer macht denn dann die Personalagenden in einem Unterneh­men? Unternehmen mit 100 oder 200 Mitarbeitern haben Personalchefs.

Herr Staatssekretär! Die Antwort auf diese Fragen sind Sie uns schuldig geblieben!

Es ist heute schon erwähnt worden, dass die Arbeit von Personaldirektor Moldaschl in Zukunft von sechs anderen Mitarbeitern gemacht wird. Wenn dem so ist, dann kann die Arbeit, die Herr Moldaschl geleistet hat, keine schlechte Leistung gewesen sein. Aber anscheinend wird in der Führungsetage der ÖBB nicht die Arbeit bewertet, sondern es werden andere Gesichtspunkte zur Postenbesetzung herangezogen, vielleicht sogar parteipolitische. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Abberufung des Personaldirektors ist ein Zeichen einer eklatanten Führungs­schwäche des Vorstandes, für die auch ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Reit­hofer mitverantwortlich ist, aber Sie, Herr Staatssekretär, und auch Herr Minister Gorbach als Eigentümervertreter der ÖBB schauen dabei tatenlos zu. Man muss fast


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annehmen, Sie seien mit diesen skandalösen Sachen, die sich dort abspielen, einverstanden. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Herr Kühnel! Ihre Wortmeldungen fallen heute schon den ganzen Tag auf. Sie sind bei jeder Thematik immer sehr schnell da mit Zwischenrufen. Aber ich glaube, von den ÖBB habe ich sicher – das zu sagen, möchte ich mir schon herausnehmen – nach 32 Dienstjahren ein Wissen, das Sie nicht anzweifeln können. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... total betriebsblind sein!)

Im Zusammenhang mit der Frühpensionierungsmöglichkeit muss man, geschätzte Damen und Herren, schon auch noch Folgendes sagen: Erst seit dem Jahr 2000 ist diese Möglichkeit in relevantem Ausmaß angewandt worden, und das obwohl angeblich Herr Vizekanzler Bundesminister Gorbach als Eigentümervertreter angeord­net hat, dieses Sonderrecht nicht anzuwenden. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Über die genauen Zahlen – das hat man auch schon gehört, und darüber hat man auch schon lesen können –, wie viele Mitarbeiter seit dem Jahr 2000 davon betroffen waren, gibt es ebenfalls die unterschiedlichsten Angaben vom Vorstand und auch seitens des Herrn Ministers. Dies zeigt wieder deutlich das Chaos in der derzeitigen Unternehmensführung in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Bundesminister. Da weiß wirklich die eine Hand nicht, was die andere macht.

Herr Staatssekretär! Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie Ihre Verantwortung für das Unternehmen und im Interesse der österreichischen Steuerzahler wahr!

Geschätzte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Jetzt noch einige Bemerkungen zu einem Thema, das uns sicher alle, vor allem die vielen Kommunalpolitiker, beschäftigt, und zwar zur geplanten Privatisierung von Postbus und Bahnbus. Darüber wurde heute hier noch gar nicht gesprochen, aber ich glaube, dass dieses Thema so wichtig ist, dass es hier auch angesprochen gehört.

Der geplante „Sommerschlussverkauf“ bei Postbus und Bahnbus wäre mittelfristig und langfristig eindeutig eine Arbeitsplatzvernichtung und würde für die verbleibenden Linien zwangsläufig Verluste in Millionenhöhe bringen. Die Privatisierung sollte deshalb nicht weiter hinausgeschoben werden, Herr Staatssekretär, sondern sie gehört sofort verhindert.

Die so genannte Arbeitsplatzgarantie, die bei den ersten Gesprächen von der Schüs­sel-Regierung den betroffenen 447 Mitarbeitern von Postbus und Bahnbus angeboten worden ist, ist meiner Meinung nach nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben steht. Das möchte ich hier wirklich betonen, weil ich glaube, dass dann, wenn Postbus und Bahnbus wirklich privatisiert werden und diese Unternehmen einen Teil des Personals nicht mehr brauchen, diese Beschäftigten dort weggeschickt werden und diese Arbeitsplatzgarantie sicher nicht mehr aufrecht ist.

Trotz der eindeutig negativen Erfahrungen in Großbritannien mit der Privatisierung des öffentlichen Verkehrs soll nach wie vor ein Drittel der heimischen Postbus- und Bahnbus­linien in maßgeschneiderten Paketen an Privatunternehmer verkauft werden. Logischerweise stehen dabei die attraktiven Linien im Zentralraum auf der Wunschliste der privaten Unternehmer. Wenn Postbus und Bahnbus, die bis heute Gewinne bringen, nur auf den unrentablen Linien sitzen bleiben, dann droht ihnen ein enormer wirtschaftlicher Rückschlag. Die Unternehmen werden nicht gestärkt, wie Verkehrs­minister Gorbach glaubt, sondern ganz entscheidend geschwächt.

Ein paar Zahlen noch: Die Bahnbusse und Postbusse legen heute pro Jahr zirka 115 Millionen Kilometer zurück, und es werden damit mehr als 150 Millionen Fahrgäste in ganz Österreich befördert.


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In 40 Prozent der oberösterreichischen Gemeinden ist der Postbus das einzige öffentliche Verkehrsmittel. Für die Infrastruktur im ländlichen Raum wäre eine Teil­privatisierung und die damit drohende Einstellung unrentabler Linien wirklich ein neuer schwerer Rückschlag.

Im Herbst soll bekanntlich auch noch die heimische Post ans Ausland verschleudert werden. In diesem Zusammenhang hat, wie Sie alle, meine Damen und Herren von der ÖVP, wissen, der Wirtschaftsberater der ÖVP Claus Raidl an die Regierung und an die ÖIAG appelliert, den sinnlosen Ausverkaufskurs zu beenden und die Post nicht zu verkaufen, weil eine derartige Privatisierung nichts bringen würde.

Postbus und Bahnbus sind genau wie die Post AG wirklich auf einem guten Weg. Daher gehört auch der Herr Minister aufgefordert – ich wollte dem Herrn Staatssekretär sagen, er solle ihm das ausrichten, aber der Herr Staatssekretär ist nicht mehr da –, diesen geplanten Ausverkauf nicht hinauszuschieben, sondern zu stoppen. Es geht dabei um gut funktionierende Unternehmen, um viele Bürgerinnen und Bürger und um Tausende Schülerinnen und Schüler, vor allem jene im ländlichen Raum.

Der Herr Staatssekretär, der leider nicht mehr da ist, hat davon gesprochen, dass Veränderungen im Schienenverkehr notwendig sind.

Herr Staatssekretär! (Staatssekretär Mag. Kukacka betritt soeben den Saal und begibt sich wieder auf die Regierungsbank.) Sie haben von Veränderungen im Schienen­verkehr gesprochen, davon, dass diese notwendig seien. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Die Monopolstellung der ÖBB darf es nicht mehr geben.

Wir Eisenbahnerinnen und Eisenbahner wollen uns dem Wettbewerb stellen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sicher mit ihrem persönlichen Einsatz dazu bereit. Aber eines hindert uns, ehrlich gesagt, daran: Mit der Verkehrspolitik der schwarz-blauen Regierung und mit der Art und Weise, wie Sie mit unseren ÖBB umgehen, die das eher behindert, ist das nicht möglich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

20.39

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Lindinger das Wort. – Bitte.

 


20.39

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Herr Prä­sident! Geschätzte Damen und Herren! Wenn man in der „Parlamentskorrespondenz“ kramt, stößt man auf erstaunliche Dinge. Am 13. Juni 2002 zum Beispiel wurde in der „Parlamentskorrespondenz“ unter der Überschrift „ÖVP und FPÖ hinterfragen Frühpensionierungen bei den ÖBB und der Post“ Folgendes geschrieben: „Riess-Passer: Antrag auf Sonderprüfung durch Rechnungshof gestellt.“

Des Weiteren heißt es:

„Abgeordneter Mag. Kukacka (V) führte als Erstunterzeichner der Dringlichen Anfrage u.a. aus: In den letzten Tagen ist bekannt geworden, dass die Anzahl an krank­heitsbedingten Ruhestandsversetzungen bei staatsnahen Unternehmen, insbesondere bei den ÖBB, aber auch bei der Post und der Telekom in den letzten zwei Jahren eklatant zugenommen hat.“

Und weiter heißt es: „Dies könne seiner Meinung nach nicht mit rechten Dingen zugegangen sein und müsse daher untersucht werden, fordert Kukacka, denn die Kosten für die Frühpensionen trage zur Gänze der Steuerzahler.“ – Da haben wir heute etwas anderes gehört. – „Was die ÖBB betrifft, so gebe es hier einen grundsätzlichen Reformbedarf, urteilte der V-Mandatar.“ „Ähnliche Entwicklungen gebe es aber auch


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bei anderen Unternehmen, zeigte Kukacka auf, so zum Beispiel bei der Telekom oder bei der Österreichischen Post AG, wo sich das Pensionsantrittsalter mittlerweile auf 48 Jahre reduziert hat.“ – Wie wir heute erfahren haben, schon auf 47 Jahre. – „Zweifelhafte Gutachten“ – und das muss man sich wirklich gut anhören: zweifelhafte Gutachten! – „von so genannten Vertrauensärzten“ – hier wird über Ärzte geurteilt; na ja – „waren oft die Grundlage für die Pensionierungen ...“, heißt es da.

Ich zitiere weiter aus der „Parlamentskorrespondenz“: „Abgeordneter Mag. Schweitzer (F) richtete schwere Vorwürfe an die SPÖ:“ – die war ja nicht in der Regierung; ich weiß nicht, wo die Vorwürfe an die SPÖ herkommen – „Die Sozialdemokraten hätten seit Jahrzehnten“ – das haben wir vom Kollegen hier gehört, das ist wahrscheinlich abgeschrieben worden von damals – „bei der ÖBB ihre Günstlinge versorgt und damit, wie die Betriebsratswahlergebnisse zeigen, kommunistische Zustände auf Kosten des Steuerzahlers aufgebaut.“

Und nun kommt der Gipfel: „Nun würden Beschäftigte nach Bedarf einfach krank geschrieben und in Pension geschickt,“ – gibt es das: in Pension schicken?! – „kritisierte Schweitzer und verwies auf konkrete Fälle.“

Und was sagte die damalige Vizekanzlerin? – „Der Rechnungshof und die Staats­anwaltschaft werden Licht in dieses Dunkel bringen, und wir werden dafür sorgen, dass dem Steuerzahler jeder Cent vergütet wird, schloss die Vizekanzlerin.“ (Bundesrat Gruber: Eine tüchtige Frau!)

Wo sind die Cents geblieben, Frau Vizekanzlerin? Die Frau Vizekanzlerin ist nicht mehr da – die Cents auch nicht.

Und weiter: „Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer sieht es anhand eines konkreten Beispiels belegt, dass kerngesunde Menschen,“ – so wie Herr Moldaschl – „die sich weigern, in Frühpension zu gehen, so lange gemobbt werden, bis sie aufgeben oder sich zur Wehr setzen.“ – Das hat auch die Frau Vizekanzlerin damals bestätigt.

Das war nur ein kleiner Auszug von Aussagen prominenter Mandatare und Regie­rungsmitglieder. Meine Damen und Herren! Mit welchem Maß wird hier gemessen? Man richtet sich’s halt, wie man es gerade braucht.

Seit dieser „Parlamentskorrespondenz“-Ausgabe sind schon zwei Jahre vergangen, aber heute wird noch genauso gehandelt wie vor zwei Jahren – und nichts ist geschehen, obwohl Handlungsbedarf bestand. Herr Staatssekretär! Heute werden sogar kerngesunde Mitarbeiter vom Vorstand zwangspensioniert, und der Aufsichtsrat deckt noch diesen Missbrauch des Sonderrechtes der Frühpensionierung.

Dieses Sonderrecht gibt es ja im Bundesbahngesetz, und im Bereich von Frühpen­sionierungen bei Beamten hat heute zum Beispiel bei ähnlichen Missbräuchen von Zwangspensionierungen die schwarz-blaue Regierung wieder einmal vom Verfas­sungsgerichtshof die rote Karte bekommen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Und Sie drei Wochen vorher!) Die Vorgangsweise der Bundesregierung war hier so unverschämt, dass der Verfassungsgerichtshof im heutigen Erkenntnis ein endgültiges Nein zu den skandalösen Vorgängen sagte.

Hier geht es darum, dass man sich von leitenden Beamten bewusst verabschieden wollte, und es wurde für zwei Jahre eine entsprechende Regelung eingeführt. Mit Ablauf von zwei Jahren ist dieses Gesetz wieder aufgelassen. Da hieß es: wenn wichtige dienstliche Interessen dafür sprechen. Dann hat man einen Beamten zwangs­pensionieren können. In der Neufassung heißt es jetzt: wenn keine wichtigen dienst­lichen Gründe gegen die Versetzung in den Ruhestand sprechen.


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Geschätzte Damen und Herren! Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Hier richtet man es sich, wie man es braucht, und von heute auf morgen werden da Gesetze gemacht. Wie hieß das entsprechende Gesetz so schön? – Das war das Bundes­bediensteten-Sozialplangesetz. Es wurde mit einem Ablaufdatum versehen – genauso wie diese Bundesregierung in der Zwischenzeit mit einem Ablaufdatum versehen ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ah-Rufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Hier hat der Verfassungsgerichtshof wieder als Reparaturwerkstatt für die blau-schwarze Regierung einspringen müssen. Hier wurden Sie wieder einmal in Ihre Schranken gewiesen.

Warum hat sich der Vorstand von Personalchef Moldaschl verabschiedet? War er eine „Altlast“, meine Damen und Herren, wie Vizekanzler Gorbach am 20. Juli im „Morgen­journal“ gesagt hat? War er wirklich eine Altlast? Oder wurde er dem ÖBB-Vorstand unangenehm, weil er offene beziehungsweise fehlende Entscheidungen einmahnte, weil er ein sehr konstruktiver und sehr fortschrittlicher Personalchef war?

Offene Entscheidungen gibt es noch immer. Zum Beispiel gehört der Kollektivvertrag umgesetzt; das ist seit November 2003 offen. Auch die Dienstrechtsreform ist offen. Es gab da langwierige Verhandlungen, aber es ist noch nichts unterschrieben. Es gibt noch keine Vereinbarung zum Abbau der hohen Anzahl von Überstunden bei den Österreichischen Bundesbahnen. Es gibt noch keine Vereinbarung über die Laufbahn in den neuen Betrieben, in den filetierten Betrieben. Es gibt keine Struktur, welche Geschäftsfelder in die neue Dienstleistungs GmbH aufgenommen werden.

Und es gibt noch viele andere offene Entscheidungen, wo der Vorstand fehlt, wo der Vorstand keine Entscheidungen getroffen hat. Seit über einem Jahr gibt es hier Handlungsbedarf. Der Personalchef mahnte immer wieder diese offenen Punkte ein, und es wurde Herrn vorm Walde und Kollegen wahrscheinlich zu bunt, ein Per­sonalchef, der sie immer wieder einmahnt. (Bundesrat Weilharter: Bringen Sie eine Entschließung ein für die Wiedereinstellung!)

Wer trägt denn hier die Verantwortung: der Vorstand oder der Aufsichtsrat, der sich auch sehr gerne ins operative Geschäft einmischt? Oder der zuständige Minister, der hier wieder fehlt? – Ich schätze Sie, Herr Staatssekretär, weil Sie immer wieder für den Minister einspringen und zu uns in den Bundesrat kommen, wenn es um die wesentlichen Fragen geht. Der Herr Minister scheut wahrscheinlich dieses Haus, wenn solche Fragen beantwortet werden müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Vermutlich, geschätzte Damen und Herren, wird niemand die Verantwortung über­nehmen – oder vielleicht doch der Personalchef, denn der ist ja nicht mehr da. Der ist weg, der ist in Pension, und dem können wir jetzt die gesamte Verantwortung aufbür­den.

Und auch der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft, Willi Haberzettl, meinte, es habe niemand die Bundesregierung daran gehindert, das Frühpensionierungsrecht im Bundesbahn-Pensionsgesetz zu ändern.

Das war nie eine Diskussion, dass sich hier die Eisenbahnergewerkschaft quer legen würde, ist doch hier allein die Bundesregierung verantwortlich, Herr Staatssekretär! Tragen Sie und der zuständige Minister Verantwortung und handeln Sie so, dass solch mutwillige Frühpensionierungen in Zukunft nicht mehr möglich sind! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.50

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Mag. Kukacka das Wort. – Bitte.

 



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20.50

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich glaube, da sind jetzt leider ein paar Klarstellungen notwendig, weil hier wirklich einiges vermischt und einiges auch völlig unrichtig dargestellt wurde.

Eines möchte ich einleitend vor allem sagen: Sie haben mir vorgeworfen, dass ich durch meine Tätigkeit sozusagen das Ansehen der Bundesbahn ramponiere. (Rufe bei der SPÖ: Ja!) Ich sage Ihnen: Wer wirklich die ÖBB und das Ansehen der ÖBB ramponiert hat, das war die eigene Gewerkschaft (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrat Konecny: Ungeheuerlich!), die nicht bereit war, den Reformweg, der bei den ÖBB notwendig ist, entsprechend mitzugehen (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), die sich auch nicht gescheut hat, bis hin zum Streik (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Konecny: Jawohl! Jawohl!) den Status quo zu wahren, und damit für die ÖBB große Chancen verspielt hat, meine Damen und Herren. (Bundesrat Reisen­berger: Das ist unglaublich! – Bundesrat Konecny: So viel Hass! Das ist unvor­stellbar!)

Das ist die Realität, und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! Niemand in der Bevölkerung versteht, dass Sie so an diesen Sonderrechten und Privilegien haften, obwohl diese eine Ungerechtigkeit gegenüber allen anderen Arbeitnehmern in diesem Land darstellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und ich verstehe auch überhaupt nicht, dass Sie heute hier beklagen, dass es zu dieser Vertragsauflösung beziehungsweise zur Pensionierung des Herrn Moldaschl gekommen ist. Sie beklagen das geradezu mit Krokodilstränen und haben doch die ganzen Jahre nichts anderes getan, als genau diese Praxis zu verteidigen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Wovon sprechen Sie?) Sie beharren ja auf dieser Regelung! Ändern Sie sie mit uns! Ändern Sie sie mit uns, dann ist das Problem sofort erledigt, und dann brauchen Sie nicht immer das zu beklagen, was hier geschehen ist. Das ist ja nur deshalb geschehen, weil es keine andere Möglichkeit gibt, meine Damen und Herren, solche Arbeitnehmer aus dem Unternehmen wegzubekommen. Das ist doch die Tatsache! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Dem ist es egal ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich verstehe, dass diese Fakten und diese Argumentation Sie treffen. (Bundesrat Konecny: Zur Sache, Herr Staatssekretär!) Herr Kollege, darf ich gleich einiges dazu sagen. (Bundesrat Konecny: Sie sind am Wort!)

Sie haben gesagt: Na, wie war das wirklich mit diesem Herrn Dr. Moldaschl? Wieso ist der entfernt worden? Wieso braucht man dort auf einmal nicht mehr die Position des Per­sonalchefs? – Weil es dort eine umfassende Umstrukturierung im Unternehmen gegeben hat! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Boden: Posten­schacher! – Bundesrat Konecny: Aber Herr Staatssekretär, da lacht doch die Republik!) Haben Sie das noch nicht zur Kenntnis genommen, dass diese Aufgabe der Personalverwaltung nun eine eigene Gesellschaft, nämlich die Dienstleistungsgesell­schaft übernommen hat?

Und in dem Schreiben, das der Vorstand unterschrieben hat – Walde, Söllinger, Zim­mermann, Schmidt –, steht: Sehr geehrter Dr. Moldaschl! Auf Grund der Umstruk­turierung entfällt die Position des Zentralleiters PAS. – Und sowohl der Vorstand als auch Dr. Moldaschl stimmen überein, dass durch diese Umstrukturierung die Position entfällt. Ein adäquater Ersatzdienstposten steht nicht zur Verfügung. Es ist somit der Tatbestand gemäß § 2 Absatz 2 Bundesbahn-Pensionsgesetz erfüllt. Herr Dr. Mol­daschl wird deshalb mit Wegfall dieser Funktion – die gibt es nämlich nicht mehr im


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Unternehmen! – ab 1. Oktober von Dienst wegen in den dauernden Ruhestand versetzt. (Bundesrat Kraml: Völlig neutral!)

Das ist das Faktum, meine Damen und Herren! Und Herr Dr. Moldaschl hat dem zugestimmt und hat auch erklärt: Jawohl, es ist klar, es ist evident. Durch diese Umstrukturierung, durch die Schaffung einer eigenen Dienstleistungsgesellschaft, gibt es eben diese Position des Zentralbereichsleiters-Personal bei den ÖBB nicht mehr. (Bundesrat Reisenberger: Herr Staatssekretär! Das ist nicht zu überbieten, was Sie da jetzt sagen!)

Das ist ein Faktum, meine Damen und Herren! So ist das zu beurteilen, und Sie liegen mit Ihrer Argumentation leider völlig falsch. Das muss ich Ihnen in diesem Zusam­menhang sagen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Bundesrat Stadler: Der Herr Kollege Kühnel weiß Bescheid! Ein Fachmann! – Bundesrat Konecny: Ja, so ein guter Fachmann wie der Herr Innenminister!)

Es hat Herr Kollege Schimböck auch darauf hingewiesen, dass die ÖBB im letzten Jahr einen Betriebserfolg von 122 Millionen gehabt haben. Das ist nicht ganz unrichtig. Aber er hat leider vergessen, auf die andere Seite der Medaille hinzuweisen. Die ÖBB haben zwar 122 Millionen Betriebsgewinn gemacht, sie haben aber darüber hinaus, allein damit der Betrieb aufrechterhalten werden kann, 2 Milliarden € vom Staat bekommen, meine Damen und Herren! Und darin sind nicht die Pensionen enthalten, und darin sind auch nicht die Mittel für die Investitionen enthalten! So schaut es nämlich in Wirklichkeit aus, meine Damen und Herren! Bleiben Sie also bei der ganzen Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Und jeder Einzelne von uns – jeder Einzelne von uns! – zahlt alleine für den öffentlichen Personennahverkehr, ob er jemals mit der Bundesbahn gefahren ist oder nicht, im Jahr 275 € gleichsam Nahverkehrssteuer. – Okay. Man kann darüber disku­tieren, ob das gerechtfertigt ist, ob die Bahn, ob die Zurverfügungstellung des Bahn­angebots sozusagen diese Leistung jedes einzelnen Bürgers wert ist. Darüber kann man diskutieren, und dazu bin ich auch bereit. Aber verschweigen Sie das nicht, sondern sagen Sie das auch, was das dem österreichischen Steuerzahler tatsächlich kostet: nämlich jedem einzelnen Steuerzahler 275 € im Jahr, meine Damen und Herren! (Bundesrat Reisenberger: Herr Staatssekretär! Wie viel zahlt jeder für die Straße?)

Ja, meine Damen und Herren, darüber können wir auch diskutieren! Ich weiß nämlich, dass die Straße vor allem durch die Einführung der Lkw-Maut ihre Kosten schon längst selbst zahlt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ja selbstverständlich! Ja was glauben Sie denn, wovon der Staat lebt und der Finanzminister lebt? – Von der Mineralölsteuer und von den gesamten Autosteuern, die wir hier einnehmen, meine Damen und Herren! Davon zahlen wir auch die Sozialleistungen in diesem Lande. Das ist ein Faktum. (Bundesrat Konecny: Was hat denn die Mineralölsteuer mit den Straßen zu tun?) Herr Kollege Konecny, Sie wissen genau, wie das zusammenhängt.

Ich bin sehr gerne bereit, darüber zu diskutieren, aber dann müssen selbstverständlich alle Fakten auf den Tisch, meine Damen und Herren. (Bundesrat Stadler: Alle! Alle!) Darüber diskutieren wir gerne, und dann wissen Sie, dass die besseren Argumente auf unserer Seite sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und eines verstehe ich wirklich nicht: Was haben Sie dagegen ... (Bundesrat Konecny: Sie verstehen vieles nicht, vor allem nicht von der Bundesbahn!) Eines verstehe ich wirklich nicht: Warum missgönnen Sie denn eigentlich den Mitarbeitern bei Plasser &Theurer, dass sie dort relativ viel verdienen, dass sie dort mehr verdienen als bei den ÖBB? Und wir wollen ja, dass es den ÖBB eines Tages auch so gut geht wie Plasser & Theurer, damit sie ihren Mitarbeitern genauso viel zahlen können wie bei


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Plasser & Theurer, und zwar ohne dass Steuergelder in dieses Unternehmen gesteckt werden müssen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Bachner: Das hat ihnen ja keiner missgönnt!)

Also reden wir, wenn wir über die ÖBB reden, über alle Fakten, legen wir alles auf den Tisch! Ich bekenne mich zu den Österreichischen Bundesbahnen. Ich weiß, dass wir dieses Verkehrsunternehmen brauchen, dass es auch notwendig ist für die Zukunft, um die Verkehrsprobleme der Zukunft zu lösen. Aber: Wir brauchen eine moderne Bahn, eine zukunftsorientierte Bahn, die nicht auf dem Status quo beharrt und glaubt, mit den Lösungen der Vergangenheit können wir die Probleme der Zukunft lösen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.59

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Profes­sor Konecny. Ich erteile ihm das Wort. (Rufe bei der SPÖ: Zurückgezogen!) Also dann die nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

 


21.00

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär, eines möchte ich mit Vehemenz zurückweisen, und zwar Ihre Vorwürfe gegenüber der Gewerkschaftsbewegung. Diese stimmen nämlich nicht! Gestreikt wurde von der Gewerkschaft der Eisenbahner und, in Solidarität, allen anderen Gewerkschaften, weil Sie – in Österreich unüblich! – per Gesetz in das Dienstrecht eingreifen wollten. Da haben die Menschen zu Recht gestreikt (Beifall bei der SPÖ und den Grünen), und es haben sich viele andere Berufsgruppen, und nicht nur die Eisenbahner, diesem Streik angeschlossen, weil sie erkannt haben, welches Ziel Sie damit verfolgt haben – und das werden wir, solange es in Österreich Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gibt, nicht zulassen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie, Herr Staatssekretär, in Ihren Schlusssätzen jetzt behauptet haben, wie sehr Sie zu den Bundesbahnen stehen (Bundesrat Prutsch: Das sind gefährliche Drohun­gen!), wie sehr Sie zu diesem Unternehmen stehen, dann verstehe ich nicht, wieso Sie geradezu mit Akribie gegen die Beschäftigten dieses Unternehmens vorgehen (Ruf bei der SPÖ: Richtig!) und eine gedeihliche Zusammenarbeit für das Unternehmen, im Sinne des Unternehmens nicht zulassen (Bundesrat Ing. Kampl: Das stimmt ja nicht!), denn auch die Verhandlungen, die jetzt nach den Streiks sehr wohl gelungen sind, wären nicht geglückt, wenn Sie dort das Sagen gehabt hätten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Kampl: Das stimmt ja nicht! – Bundesrat Reisenberger: Doch! Genau so ist es!)

21.01

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm (den Vorsitz übernehmend): Weitere Wortmeldun­gen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich nehme die Verhandlung zur Tagesordnung wieder auf.


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22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (414/A und 603 d.B. sowie 7085/BR d.B. und 7107/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen zur Verhandlung über den Tages­ordnungspunkt 22.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Karl Bader: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen, so wie auch die bisherigen Berichte, in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bitte.

 


21.02

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Universitätsgesetz 2002 muss geändert werden, und zwar weil – wieder einmal, sage ich – der Verfassungsgerichtshof den Teil, der die Leistungsvereinbarungen zwischen dem Bund und den Universitäten betrifft, als verfassungswidrig aufgehoben hat.

Grund für die Aufhebung dieser Bestimmung war das Fehlen eines den bundes­verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Rechtsschutzsystems. Die vorlie­gen­de Novelle hält nun prinzipiell an den Leistungsvereinbarungen fest, die ja ein zentrales Mittel für die Steuerung der autonomen Universitäten sind.

Einvernehmlich verhandelte wechselseitige Leistungsverpflichtungen sollen die Grundlage für eine sachgerechte Finanzierung der Universitäten durch den Bund sein. Das ist die Idee, die dahinter steht. Die Universitäten sind jetzt nach dieser Änderung beim Streit ums Geld in Zukunft nicht mehr letztendlich dem Urteil des Bildungs­ministeriums unterworfen. Für den Fall der Nichteinigung knüpft das vorliegende Gesetz nämlich an die bereits bisher gesetzlich vorgesehene Schlichtungskommission des Universitätsgesetzes an, die zu einer förmlich entscheidenden Kollegialbehörde ausgebaut wird.

Damit wird jetzt das bundesverfassungsrechtlich vorgezeichnete Rechtsschutzsystem aktiviert. Die Universitäten können also im Streitfall zu Gericht gehen. Somit werden Verfassungswidrigkeiten saniert, was eindeutig eine Verbesserung darstellt, aller­dings – und daran möchte ich ganz eindeutig erinnern – erst auf Anrufung des Verfas­sungsgerichtshofes durch die sozialdemokratische Nationalratsfraktion. Präzise Bestimmungen zu den Leistungsvereinbarungen und der Schlichtungskommission feh­len allerdings heute noch.

Auch eine zweite Änderung wurde quasi durch eine Verfassungsklage der SPÖ-Fraktion initiiert: Die Unvereinbarkeitsbestimmungen für die Mitglieder der Schlich-


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tungskommission werden in Zukunft jenen für die Universitätsräte angepasst. Weitere Punkte betreffen noch das Erlassen der Studienbeiträge für bestimmte ausländische Studierende und die organisationsrechtliche Zuordnung von Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung zum Facharzt zur Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen MitarbeiterInnen, womit sie das auch von der SPÖ geforderte Wahlrecht erhalten. – So weit, so gut.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPÖ findet die hier vorliegenden Veränderungen zwar prinzipiell begrüßenswert, sieht sich aber dennoch außerstande, dieser Novelle die Zustimmung zu erteilen, und zwar ganz einfach deshalb, weil wir bekanntlich das gesamte Universitätsgesetz 2002 ablehnen. Die Gründe sind, wie ich gesagt habe, bekannt und haben sich mit dieser Novelle natürlich auch in keinster Weise verändert.

Wir lehnen nach wie vor die Beseitigung der Mitbestimmung des Mittelbaues ab, genauso wie die starke Einschränkung der Mitbestimmung der Studierenden und die in unseren Augen ziemlich seltsame Konstruktion der Universitätsräte. Das Gesetz bietet in weiten Feldern mehr Scheinautonomie als wirkliche Autonomie und, meine sehr geehrten Damen und Herren – das weiß ich auch aus persönlicher Erfahrung –, wenn man mit jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern redet, dann kommt man sehr schnell drauf, wie demotivierend die Situation an den Universitäten ist. Das ist auch bei uns in Salzburg nicht anders.

Von den überfüllten Hörsälen, den unwürdigen Inskriptionsumständen im Herbst, von fehlenden Praktikaplätzen und verstecktem Numerus clausus rede ich heute gar nicht länger. Dass die Studierenden es ablehnen, unter diesen Umständen überhaupt mitzubestimmen in jenen Finanzbereichen, wo sie das können, wundert mich per­sönlich überhaupt nicht.

Ein weiterer gravierender Grund für die Ablehnung ist die finanzielle Situation der Universitäten, die zwar – glücklicherweise – die Katastrophenbudgets des Jahres 2003 irgendwie überlebt haben, aber immer noch nicht auf dem Stand von 2002 sind. Da fehlen immer noch 10 Prozent, um denselben Status zu erreichen, wenn man nämlich den Teil, der durch die organisatorische und wirtschaftliche Umstellung bedingt war, herausrechnet. (Bundesrat Ing. Kampl: Mehr Fachhochschulen sind geworden!) Ja, das hat aber nichts mit der Situation an den Universitäten zu tun!

Im heurigen Jahr zeigt sich zwar eine Steigerung um durchschnittlich 6 Prozent, aber das ist eigentlich auch noch viel zu wenig. Die Finanzprobleme, sehr geehrte Damen und Herren, sind damit mit Sicherheit noch lange nicht gelöst, denn es fehlt nach wie vor an Geld. Die Studiengebühren – Sie wissen, wie wir dazu stehen –, die auch von den Studentinnen und Studenten mehrheitlich abgelehnt werden, haben nichts, aber auch gar nichts an der Situation der Universitäten verbessert; Sie sind nach wie vor ungerecht! Das Bildungsland Österreich – das so genannte – täte gut daran, in wissenschaftlichen Nachwuchs und in Forschung zu investieren. – Davon aber sind wir weit entfernt, und auch weit entfernt davon, auf diesem Gebiet eine internationale Rolle zu spielen, womit wir uns ja gerne so sehr brüsten. (Bundesrat Ing. Kampl: Warum kommen dann so viele nach Österreich studieren?) Bitte? (Bundesrat Ing. Kampl: Warum kommen dann so viele nach Österreich? – Weil unsere Universitäten ... hervorragend sind!)

Österreich hat natürlich im Vergleich zu anderen Ländern immer noch sehr gute Universitäten. Dennoch, sehr geehrte Damen und Herren: Das, was wir wirklich brauchen, ist ein Forschungsstandort, ist wissenschaftlicher Nachwuchs, ist die Mög­lichkeit für junge Forscherinnen und Forscher, hier tätig zu werden. Aber diese wirklich intelligenten und talentierten Leute bleiben nicht in Österreich, die gehen nach Amerika, die gehen nach Deutschland, denn dort bekommen sie ihre Bedingungen –


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und nicht hier im Land. Das ist wohl auch jedem klar. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber in den USA gibt es keinen Nulltarif! Da gibt es geschmalzene Studiengebühren in den USA! – Bundesrätin Giesinger: Aber die Ausbildung haben sie schon in Österreich?)

Die Ausbildung haben sie natürlich auch woanders, nur: Unsere Forscher und Forscherinnen gehen dann ins Ausland, dann nämlich, wenn wir sie brauchen und wenn wir davon profitieren könnten – keine Frage.

Das, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, haben auch Sie zu verantworten. Wir von der SPÖ wollen bei diesem Bildungsprogramm an den Universitäten nicht dabei sein, und deshalb lehnen wir auch heute diese Novelle ab. (Beifall der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

21.09

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


21.09

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist hier schon einiges rund gelaufen, und wir haben auch schon sehr vieles von Schienen gehört. Ich möchte hier meiner Vorrednerin wirklich vehement widersprechen – aber gut, so ist es eben in einem Parlament –, denn ich glaube, dass mit dem Universitätsgesetz 2002 etwas sehr Gutes auf die Schienen gestellt worden ist, auch wenn wir dabei – und das sehen wir heute an der so genannten Novelle, was eben so heißt, aber ich würde sagen, es ist eine Ergänzung – das eine oder andere nachtragen müssen.

Aber warum glaube ich, dass das sehr gut auf Schienen läuft? Erstens: Ich bin, was Bildung betrifft, ein großer Verfechter von hoher Autonomie und Selbständigkeit. Und das ist nun an den Universitäten gegeben. Es gibt klare Rahmenbedingungen. Die Politik und der Staat haben nicht vor, sich aus dieser Verantwortung herauszudrücken, sondern sich ganz klar auch in die Verantwortung einzubringen.

Zweitens: Ich glaube, dass eine Universität, die autonom ist, viel schneller auf be­stimmte Anforderungen, die gestellt werden, reagieren kann. Ich denke – und das ist für mich ein sehr wesentlicher Punkt –, es kam vielleicht auch deshalb dazu, dass dieser Punkt, den wir heute hier verhandeln, nicht ganz verfassungskonform war, weil hier erstmalig Universitäten und Ministerium einander als gleichberechtigte Partner gegenüberstehen. Ich glaube, da muss man auch anerkennen, dass so eine Part­nerschaft auch da und dort erst zusammenwachsen muss und dass das eine oder andere, was die Rechtsordnung betrifft, eben auch da oder dort nachjustiert werden muss.

Ich möchte aber auch dazusagen, warum ich als Nicht-Jurist sage, dass man nicht unbedingt von einer Novelle, sondern von einer Ergänzung reden muss: weil es selbstverständlich beim Grundansatz der Leistungsvereinbarungen geblieben ist! Und das halte ich für etwas wirklich ganz Wichtiges, wenn zwei gleichberechtigte Partner sich auf Leistungsvereinbarungen einlassen und diese auch einzuhalten haben.

Selbstverständlich muss es dann auch Möglichkeiten geben, etwas einzuklagen oder da oder dort auch ein Gericht anrufen zu können. Nur möchte ich schon dazusagen, dass von diesen 57 angefochtenen Absätzen im Universitätsgesetz 2002, die von Seiten der SPÖ an den Verfassungsgerichtshof herangetragen wurden, letztlich dann nur drei nicht ganz verfassungskonform waren. Ich möchte also hier auch die Zahlen und Fakten klar auf den Tisch legen.


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Ich meine, diese Leistungsverpflichtungen und -vereinbarungen sind für uns, gerade, was Bildung betrifft, immer wichtiger. Ich persönlich könnte mir das auch für andere Bildungsinstitutionen in unserem Lande vorstellen.

Ich halte daher – und das haben ja auch Sie bereits angesprochen – die Regelung mit der Schlichtungskommission für eine ganz richtige Einführung, ebenso wie die Regelung, dass man, wenn es Differenzen über abgeschlossene Leistungsverein­barungen gibt, auch die Möglichkeit hat, sich dementsprechend zu melden und auch einzuschreiten.

Ich glaube daher – und bin felsenfest davon überzeugt –, dass es der einzig richtige Weg ist, dass wir Bildungsinstitutionen eine hohe Autonomie geben. Ich glaube auch, dass wir das nicht nur auf die Universitäten beschränken, sondern auch auf alle anderen Bildungsinstitutionen ein Stück ausdehnen sollten, denn dort, wo eine Bildungsinstitution selbständig über ihre inhaltlichen Schwerpunkte, über ihr Personal, über ihr Budget und über ihre Organisationsform bestimmen kann, dort kann sie auch das Maximum herausholen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.14

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


21.14

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grünen haben ja im Nationalrat den vorliegenden Änderungen des Univer­sitätsgesetzes zugestimmt – mit der Argumentation, dass es sich bei den vorliegenden Änderungen um eine Herstellung der Verfassungsmäßigkeit handelt.

Dagegen hat niemand etwas, dass ein Gesetz verfassungskonform ist. Das ist ja doch eher der Wunschzustand – sagen wir so –, das sollte ja auch zutreffen bei einem Gesetz. Das war also der Grund, warum die Grünen im Nationalrat zugestimmt haben. Wenn meine Fraktion hier im Bundesrat nun aber dagegen stimmt, dann heißt das nicht, dass wir uns in Zukunft noch mehr nicht verfassungskonforme Gesetze wün­schen, sondern dass einfach unsere Kritikpunkte, die wir schon in der Vergangenheit gegenüber diesem Gesetz geäußert haben, weiterhin aufrecht bleiben.

Es ist fast schon ein doppeltes Déjà-vu-Erlebnis, das ich habe, wenn wir dieses Gesetz jetzt hier diskutieren, denn einerseits diskutieren wir diesen Punkt, weil er vom Verfassungsgerichtshof beeinsprucht wurde – das ist nichts Neues –, andererseits diskutieren wir die wirklich prekäre Lage der Universitäten – und auch das ist nichts Neues.

Im Gegensatz zu meinem Vorredner halte ich es nicht gerade für ein Ruhmesblatt, wenn von 57 beeinspruchten Punkten, wie er sagte, dann doch nur drei nicht ganz verfassungskonform waren. Entweder ist ein Gesetz verfassungskonform – oder es ist das nicht. Da gibt es meiner Meinung nach keine großen graduellen Abstufungen. – Wie auch immer: Ich freue mich über jede Gelegenheit, die Situation der Universitäten zu diskutieren.

Ich habe schon gesagt, die prinzipielle Ablehnung der Grünen gegen das Universitäts­gesetz 2002 hat sich nicht geändert. Und auch was die Universitäten selbst betrifft, so hat sich dort die Ablehnung dieses Gesetzes auch nicht wesentlich geändert. Ja, die handelnden Personen mussten sich arrangieren, denn man muss irgendwie weiter­arbeiten, aber wer an den Universitäten ist wirklich zufrieden mit dem Universitäts­gesetz 2002? Auch wenn die Ministerin, die leider jetzt nicht da ist, sicher das Gegenteil behaupten wird: Ich bin mir sicher, an jeder Universität kann man diese


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Personen an den zehn Fingern abzählen; viel mehr wird man nicht zusammen­bekommen. Für die Universität Innsbruck bin ich mir sicher, dass das so ist.

Ich möchte an dieser Stelle einmal mehr wiederholen, wieso wir so sehr gegen dieses Gesetz auftreten. Erstens: Demokratische Instrumente der Meinungsbildung und Mit­bestimmung wurden weitestgehend abgeschafft. Was bleibt, ist ein lauwarmes Kunden- oder Kundinnenverhältnis zu Studierenden, die dadurch keinesfalls, wie behauptet, mehr Einfluss auf die Gestaltung ihrer Universität bekommen und die auch keinesfalls zufriedener sind, als sie es zuvor waren. Dafür fehlen den Universitäten übrigens auch die finanziellen Mittel, denn in einer Mängelverwaltung bleibt nicht sehr viel übrig für Verbesserung zum Beispiel von Studiensituationen.

Die Mitwirkung aller Gruppen an der Weiterentwicklung ihrer Universität ist beendet. Was bleibt, sind Chefs, Angestellte und Konsumentinnen und Konsumenten. Das ist nicht das Modell einer Universität, wie ich es mir vorstelle.

Zweitens: Wir kritisieren die hierarchisch-autoritären Strukturen mit demotivierenden Abhängigkeitsverhältnissen junger ForscherInnen. So wird Österreich keine Welt­klasse-Universitäten bekommen, auch wenn sie noch so verzweifelt herbeigeredet werden. Ja, es gibt Spitzenforschung in Österreich, es gibt hoch begabte Wissen­schaf­terinnen und Wissenschafter, die trotz schlechter Ausgangssituation Bemerkens­wertes erreichen. Aber die Wissenschaftspolitik darf sich nicht auf den Lorbeeren derer ausruhen, die aus eigener Kraft, trotz Widrigkeiten, Erfolge erzielen.

Die Wissenschaftspolitik muss Strukturen schaffen, in denen noch mehr solcher ausge­zeichneten Forschung möglich ist. Das alles beginnt als Allererstes mit einer ver­nünftigen Nachwuchsförderung. Das ist aber momentan keineswegs der Fall. Es sieht eher so aus, dass das, was früher einmal für viele eine interessante Perspektive war, nämlich an der Universität zu bleiben und sich dort eine Karriere aufzubauen, inzwischen alles andere als eine Perspektive darstellt, sondern im besten Falle eine Möglichkeit, sich das Doktoratsstudium zu finanzieren.

Was ebenso fehlt, ist ein innovatives Dienstrecht mit international vergleichbarem Gehaltsmodell und attraktiven Karriereperspektiven. Nur so wird es nämlich gelingen, auch international für Forscherinnen und Forscher ein attraktiver Standort zu sein, das heißt einerseits, österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier zu hal­ten, und andererseits, auch aus dem Ausland qualifizierte Personen zu gewinnen. Das gilt übrigens auch für Studierende, denn ich glaube nicht, dass eine hohe Anzahl von ausländischen Studierenden ein Problem für Universitäten darstellt, sondern vielmehr in sehr vielen Studienrichtungen als Bereicherung gesehen wird. Und es sollte auch als Qualitätsmerkmal unserer Universitäten betrachtet werden, wenn sie für Studierende aus dem Ausland interessant sind. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wie immer braucht es eines: Geld, denn die Universitäten sind chronisch unter­bud­getiert. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, vor einigen Monaten habe ich in der Fragestunde folgende Frage an Frau Ministerin Gehrer gerichtet:

„Was würden Sie jenen Universitäten raten, die trotz äußerster Sparsamkeit mit den zugeteilten Mitteln nicht über die Runden kommen?“

Die Antwort der Frau Bundesminister lautete: Am Ende des Budgetjahres sollten sich diese Universitäten alles noch einmal genau anschauen, dann werden sie feststellen, sie sind über die Runden gekommen.

Ich glaube nicht, dass diese Aussage für die Verantwortlichen einen großen Trost dar­stellt. Es ist nämlich so: Wenn die finanziellen Mittel beschränkt sind, dann beschrän­ken sich dadurch automatisch auch die Ausgaben. Und dann liegt es im Ermessen des


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Rektors und des Universitätsrates, wo diese Ausgaben am besten einzuschränken sind.

Die alten Strukturen, die dort hätten mitbestimmen können, wo diese Einschränkungen passieren, bestehen zum größten Teil nicht mehr, und der große Rest der Universität hat kaum eine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, muss aber mit dem Ergebnis leben. Sehen so Weltklasse-Universitäten aus: Mängelverwaltung und Demotiva­tion?! – Das wurde durch dieses Universitätsgesetz erreicht – und nichts anderes!

Die Tatsache, dass das Gesetz nun wenigstens verfassungskonform ist, stellt für mich noch lange keinen Grund dar, es jetzt mit unserer Zustimmung zu belohnen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Studiengebühren unsozial sind und abgeschafft werden sollten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.20

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

 


21.20

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich kann mich deshalb sehr kurz fassen, weil ich wirklich nur zum Gegenstand des heutigen Gesetzesvorhabens sprechen möchte und nicht – wie es meine Vorrednerinnen getan haben – eine allgemeine Universitätsreform-Debatte vom Zaun brechen möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Dazu würde die vorgerückte Stunde nicht reichen. (Bundesrätin Konrad: Ich hätte es schon noch weiter ausführen können!) Um nämlich auf dermaßen einseitige Kritik einzugehen, müsste man mindestens eine Stunde lang replizieren. (Bundesrat Schennach: Da sieht man, welchen Gehalt das gehabt hat!) Da wäre sehr viel zu sagen, aber es wird sich bei anderen Anlässen sicherlich ausreichend Gelegenheit dazu bieten. (Bundesrätin Konrad: Zweifellos! – Bundesrat Schennach: Wir könnten da eine Dringliche machen!)

Soweit Sie allerdings bei der Sache geblieben sind, haben Sie durchaus schon das Wesentliche vorgetragen. Ich kann mich daher auf eine sehr knappe Darstellung beschränken.

Die angesprochene Novellierung des Universitätsgesetzes 2002 trägt – das wurde ja mehrfach zu Recht betont – der Vorgabe des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2004 Rechnung. Zwar hat der Gerichtshof die von den Beschwerdeführern, nämlich der Opposition, aufgeworfenen Bedenken gegen die zwischen dem Bund und den Universitäten abzuschließenden Leistungsvereinbarun­gen als solche, also als öffentlich-rechtliche Verträge, keineswegs geteilt. Wohl aber vermisst hat er eine verfassungsrechtlich gebotene, weil rechtsstaatlich vorgegebene Rechtsschutzmöglichkeit zur Überprüfung dieser Leistungsvereinbarungen.

Leider konnte ich von dieser Rechtsauffassung, die von mir selbst schon bei der Gesetzwerdung vertreten wurde, meinen eigenen damaligen Wissenschaftssprecher nicht überzeugen. Daher freut es mich besonders, dass wir heute diese verbliebene Rechtsschutzlücke schließen können.

Auch das wurde schon zutreffend erwähnt: Es handelt sich um die Schlich­tungs­kommission, die jetzt im Streitfall, wenn sich die betreffende Universität mit dem Bund, also dem Ministerium, nicht einigen kann, in Bescheidform zu befinden hat. Gegen diesen Bescheid gibt es dann natürlich die Anrufungsmöglichkeit der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes.


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Selbstverständlich können Streitigkeiten auch aus abgeschlossenen Leistungsverein­barungen bei ihrer Umsetzung und Erfüllung entstehen. Aber diesbezüglich gab es ja von Anfang an keine Rechtsschutzlücke, denn diesbezüglich hätte gegebenenfalls der zuständige Minister, also im derzeitigen Fall unsere Frau Bundesminister, mit Bescheid zu befinden, wogegen ihrerseits wieder die Anrufung der beiden Höchstgerichte des öffentlichen Rechtes möglich ist.

Weil diese rechtsstaatlich gebotene Korrektur zustande gekommen ist und dieses Problem jetzt zweifellos in verfassungsrechtlich einwandfreier Form gelöst worden ist, wird meine Fraktion diesem Gesetzesbeschluss gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.24

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird (Chemikaliengesetz-Novelle 2004 – ChemGNov 2004) (474 d.B. und 566 d.B. sowie 7108/BR d.B.)

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend eine Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (503 d.B. und 568 d.B. sowie 7109/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltmanagementgesetz 2001 geändert wird (555 d.B. und 569 d.B. sowie 7110/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zu den Punkten 23 bis 25 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 23 und 24 ist Herr Bundesrat Binna. Ich bitte um diese beiden Berichte.

 


Berichterstatter Theodor Binna: Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird, Chemikaliengesetz-Novelle 2004.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher darf ich zum Antrag kommen.


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Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Nunmehr bringe ich den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend eine Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor. Ich komme daher wieder zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für die Berichte.

Berichterstatterin zu Punkt 25 ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Ich erstatte den Bericht des Umweltausschus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umweltmanagementgesetz 2001 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher den Antrag stellen.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


21.27

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegen heute drei Gesetzesbeschlüsse vor, die für die Umwelt und damit auch für uns alle besonders wichtig sind, nämlich das Chemikaliengesetz, die Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, und das Umwelt­managementgesetz. Den ersten beiden Gesetzen werden wir unsere Zustimmung geben, das Umweltmanagementgesetz werden wir ablehnen.

Meine Damen und Herren! Die Chemikaliengesetz-Novelle 2004 ist eine rechtliche Anpassung des österreichischen Chemikalienrechts an die Bestimmungen des EU-Chemikalienrechts. Das Chemikalienrecht ist für die Handhabung in diesem sensiblen Bereich ein wichtiges Regelwerk. Da geht es um das Verbot von Produktionen und die Verwendung von gefährlichen Chemikalien, und da geht es auch darum, dass es für die Industrie keine Ausnahme vom Chemikalienrecht gibt. Das Gesetz spricht auch die Alternativ-Chemikalienforschung an, die forciert werden soll, und ich glaube, das ist auch etwas ganz besonders Wichtiges.

Das Montrealer Protokoll über die ozonschichtschädigenden Stoffe wird entsprechend den Ergebnissen der Vertragsstaatenkonferenz von Peking abgeändert. Nach dem Produktionsverbot vollhalogenierter FCKW wird nun die Produktion von teilhalo­genierten FCKW bis zum Jahr 2004 auf dem Niveau des Jahres 1989 eingeschränkt sowie Bromchlormethan verboten. Darüber hinaus wird ein besseres Kontroll- und Berichtssystem auf internationaler Ebene eingeführt.

Meine Damen und Herren, das alles hört sich sehr schön an. Österreich ist gemeinsam mit Dänemark zum Beispiel auch Vorreiter in der Eindämmung der Emissionen von


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Klimaanlagen und Klimageräten. Da würde ich mir wünschen, dass wir mehrere Nachahmer finden, weil diese schädigenden Stoffe insgesamt die Ozonschicht schädigen, weil es da auch keine Grenzen gibt und dies von uns nicht abzuhalten ist.

Meine Damen und Herren! Nun zum Umweltmanagementgesetz – da können wir nicht mit. Diese Gesetzesnovelle dient einer weiteren Privatisierung und Erleichterung der Umweltkontrollen durch die Industrie. Für Betriebe mit relativ anspruchslosen betrieb­lichen Umweltmanagementsystemen wird das so genannte Anzeigeverfahren einge­führt, und das wiederum bringt keine Mitsprache der Anrainer mit sich. Eine derartige Aufweichung ist weder im Interesse der Umwelt noch im Interesse der Nachbarn.

Nach wie vor ist auch grundsätzlich zu bemerken, dass eine Privatisierung der Umwelt­kontrolle nicht nur weniger Kontrollsicherheit bringt, sondern damit geht auch eine größere Rechtsunsicherheit einher. So sind zum Beispiel die Haftungsfragen im Schadensfall weitgehend ungeklärt, weshalb sich auch schon bisher relativ wenige private Betriebe für diese Umweltkontrolle entschieden haben.

Herr Bundesminister! Ich erinnere mich noch ganz genau an die Aussagen Ihres Vorgängers am 6. Juni 2001 anlässlich der Diskussion zum Umweltmanagement­gesetz: Da hat er über die richtungweisenden Bereiche dieses Gesetzes gesprochen. Nur sind sie eben zum Teil bisher nicht eingetroffen! Heute ändern wir das Gesetz wieder, Herr Bundesminister, und Sie werden uns auch erklären, wie wichtig und wie gut das alles ist. Aber ich glaube nicht so recht daran.

Meine Damen und Herren! Wir werden daher diesem Gesetzesbeschluss die Zustim­mung nicht erteilen, weil wir glauben, dass wir Initiativen zur Verbesserung brauchen und weil uns schöne Worte des jeweiligen Bundesministers nicht weiterbringen. Wir brauchen keine Aufweichung der Umweltkontrolle, sondern wir brauchen einen stärkeren Schutz! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.31

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


21.31

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Umweltmanagementgesetz hat in erster Linie den Zweck, das EMAS-System in Österreich besser zu verankern. Seit 1993 ist EMAS das europäische System für Umweltmanagement. Es dient der Eigenverantwortung von Organisationen und ermöglicht es unseren Unternehmen, die Umweltleistung zu verbessern. Leider verzeichnen wir eine deutlich rückläufige Entwicklung der Eintragungen ins EMAS-System in Österreich und generell in ganz Europa.

Für die Zielgruppe Unternehmer ist es erforderlich, ausreichende Anreize zu schaffen, generell für umweltbewusstes Handeln und speziell für die Teilnahme am EMAS-System. Es geht sicher nicht nur durch einen Ausbau der Verwaltungsvereinfachung und durch einen weiteren Bürokratieabbau bei der Handhabung des Systems.

Neben diesem System gibt es zahlreiche Aktivitäten zur Förderung des nachhaltigen Denkens unserer Unternehmer. Wir von der Wirtschaftskammer haben da verschie­dene Maßnahmen gesetzt, zum Beispiel einen Wettbewerb. So haben wir erst vor kurzem in Niederösterreich den Wasserpreis an jene Unternehmen verliehen, die einen sorgsamen Umgang mit dem Lebensgut Wasser pflegen. Mit diesen Aktivitäten fördern wir die Bewusstseinsbildung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Umwelt – allerdings frei von Gesetzen, Zwängen und Formalismen!


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Innerhalb der Unternehmer gibt es auch die Gruppe der Gutachter und Berater. Es muss daher auch ein Ziel sein, die Zulassungs- und Aufsichtsbedingungen für diese Gruppe vernünftig zu gestalten. Ich war erst vor kurzem bei einem jungen Team in Laxenburg, das dort ein technisches Büro betreibt; dieses Team konzentriert sich auf den Bereich Abfallwirtschaft und berät Unternehmen auch im Umgang mit dem EMAS-System. Der Leiter dieses Teams hat mich eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass das EMAS-System von den Unternehmen nur dann angenommen wird, wenn es auch entsprechend handhabbar ist.

Wichtig ist mir als Wirtschaftsvertreterin daher auch, dass wir uns nicht nur auf das EMAS-System fixieren, sondern dass auch andere Systeme zulässig sind. Wir von der Wirtschaftskammer haben uns bereits im Vorjahr gemeinsam mit Experten sehr inten­siv mit diesem Thema auseinander gesetzt, gerade angesichts der hohen Ausstiegs­quote der an EMAS teilnehmenden Unternehmen.

Wir sind aber zusätzlich auch davon überzeugt, dass praktikable, unbürokratische Zu­gänge zu Umweltmanagementsystemen einen sinnvollen Beitrag zum Umweltschutz leisten, denn nur dadurch können wir die Teilnahme auch erhöhen. Mir ist es lieber, ein Unternehmer muss ein Formular weniger ausfüllen, nimmt aber dafür am System teil. Aus diesem Grund bin ich auch sehr froh über die Entscheidung, das ursprünglich geplante Zulassungs- und Aufsichtsmodell im Abfallbereich wegzulassen. Das hätte einen weiteren – völlig entbehrlichen! – Bürokratisierungsschub bedeutet.

Es ist sehr positiv, dass in der vorliegenden Novelle weitere Ansätze zum Ausbau der Verwaltungsvereinfachung enthalten sind. Ganz besonders positiv ist die grundsätz­liche Öffnung auch für andere Umweltmanagementsysteme.

Einige Punkte könnten zu Auslegungsschwierigkeiten führen, sodass wir in nächster Zeit sicherlich noch offene Fragen haben werden. So stellen zum Beispiel sektorielle Kenntnisse eine Zulassungsbedingung dar. Dies kann durchaus große Probleme aufwerfen, da Gutachter in der Regel nicht nur auf Sektoren beschränkt sind, sondern oft mehrere Sektoren übergreifen. Es ist mir wichtig, dass auch diese Unternehmen in Zukunft weiterhin die Möglichkeit haben, als Gutachter tätig zu sein. Jede andere Auslegung könnte eine Rechtsunsicherheit bei Gutachtern auslösen, was wiederum nicht das Ziel des Gesetzes sein kann.

Wichtig muss uns auch sein, dass durch dieses Gesetz keine Nachteile für öster­reichische Umweltgutachter im Vergleich zu Gutachtern aus anderen Ländern entste­hen, wie zum Beispiel solchen aus Deutschland. Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass EMAS nach wie vor ein freiwilliges Instrument darstellt, und das soll auch so bleiben.

Umweltmanagementsysteme können durchaus einen wertvollen Beitrag dazu leisten, im Unternehmen verstärkt die Aspekte des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit zu festigen. Auch aus der Sicht des Umweltschutzes sollte es daher ein Anliegen sein, den Unternehmen diese Systeme in optimaler Form anzubieten. Nur dadurch können wir wirklich eine hohe Beteiligung gewährleisten.

Ich begrüße die vorliegende Novelle zum Umweltmanagementgesetz, da wir damit eine Verwaltungsvereinfachung bewirken und neue Systeme zulassen. Aber es ist auch da notwendig, ständig den Erfolg des Gesetzes zu überprüfen. Ich werde jeden­falls den Dialog insbesondere mit unseren technischen Büros weiterführen. Wichtig ist mir nämlich, und gerade in diesen Bereichen besonders wichtig: ein Gesetz aus der Praxis für die Praxis! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

21.37

 



Bundesrat
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Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


21.37

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Frau Präsidentin Zwazl, bevor ich zum Thema Umweltmanagement komme, müssen Sie sich ein bisschen gedulden. Das geht schon, aber zuerst geht es um die beiden anderen Gesetze.

Selbstverständlich stimmen die Grünen der Änderung des Montrealer Protokolls zu. Es ist dies eine Anpassung der nationalen Rechtslage an internationales Recht.

Auch werden wir dem Chemikaliengesetz zustimmen – mit ein bisschen Nachdenken darüber, da es doch sehr kleine Schritte sind, die hier passieren, Herr Bundesminister, sehr, sehr kleine Schritte! Meine Kollegin Kerschbaum wird noch näher darauf eingehen, insbesondere auf die „Geschwindigkeit“, diese nahezu atemberaubende „Geschwindigkeit“, mit der Sie die Chemikalien, die derzeit in Verwendung sind, überprüfen. Sie dürften von dem „Speed kills“ der Anfangsjahre nun so ein Abbremsen machen, dass wir alle es nicht mehr erleben werden, bis einmal die in Bewertung befindlichen Chemikalien überprüft worden sind.

Nun kommen wir zum Umweltmanagementgesetz, liebe Frau Kollegin. Ja, wir stimmen dem Umweltmanagementgesetz nicht zu. Es ist eigentlich ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Nein, Herr Minister Pröll, das ist eigentlich nicht das hohe Output-Niveau, das Sie sonst zeigen, sondern das ist irgendwo missglückt! Das freiwillige Öko-Audit sollte für die Unternehmer, wie Frau Präsidentin Zwazl gesagt hat, ein Anreiz sein – richtig! Aber der Gesetzentwurf, den Sie ja, wenn man ein bisschen zwischen Ihre Zeilen hineingehört hat, auch selbst kritisiert haben, wird dem Ganzen nicht gerecht.

Auch für uns ist, wie für Sie, das EMAS-System ein wichtiges System. Da ist so vieles drinnen: Verantwortung, Dynamik, Erfolg, Innovation, Transparenz und letztlich auch Sicherheit. Aber das UMG 2001 weist Mängel auf. Ich kann mich daran erinnern, wie wir damals hier darüber diskutiert haben; es waren damals auch die Landeshauptleute nicht glücklich darüber. Ich kann mich erinnern, dass das nicht einmal in der erstfol­genden Sitzung des Bundesrates, sondern erst in der darauf folgenden behandelt wurde.

Diese Mängel jedoch, Herr Minister Pröll, werden jetzt nicht beseitigt. Im Gegenteil! Und das, Frau Präsidentin Zwazl, wollen Sie ja auch nicht, denn das führt zur Verunsicherung der Betriebe. Und wenn Sie schon sagen, dass Sie es bedauern, dass die Betriebe, die sich am Öko-Audit beteiligen, weniger werden, dann sagen Sie doch gleich dazu: Es ist dramatisch weniger! Wenn von 360 Betrieben nach so kurzer Zeit nur mehr 300 übrig bleiben, dann ist das schon ein Schwund, der uns alle bedenklich stimmten sollte.

Warum ist das so? – Es mangelt an der Garantie der Unabhängigkeit der Gutachten. Das ist eine wichtige Sache! Es ginge auch darum, die Qualität des Audit zu definieren. Das, was hier gebraucht würde, Herr Minister, steht nicht in dieser Novelle. Die De­regulierung des Umweltrechts verunsichert letztlich die Betriebe und Organisationen, und sie werden eher abgeschreckt.

Herr Minister Pröll! Wenn die Grünen Hand anlegen – und das haben sie in Ober­österreich getan –, dann bekommt das auf einmal einen anderen Touch. Und Sie wissen auch, dass jetzt in Oberösterreich ein umfassendes Umweltmanagement-System sichergestellt wurde, und zwar insbesondere, Frau Kollegin Zwazl, durch ein integriertes Management-System, wie es zum Beispiel jetzt gerade in der Voest


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implantiert wird. Berater, die in Oberösterreich definiert wurden, unterstützen jetzt jene Unternehmen, die ein Umwelt- und Management-System oder ein integriertes Mana­gement-System aufbauen wollen. Der Nutzen für die Unternehmen ist das Erkennen von Verbesserungspotentialen in den Bereichen Umwelt, Sicherheit, Qualität, Stand­ortsicherheit, Rechtssicherheit, Steigerung der Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen-Motivation, Imageverbesserung bei Kunden, Behörden und Anrainern.

Frau Kollegin Zwazl, wissen Sie, was ich mir wünschen würde? – Ich habe unlängst ein Unternehmen angerufen und habe gesagt: Sagt einmal, ich lese hier, ihr seid unter den Top 3 beim österreichischen Öko-Audit. Warum macht ihr nichts daraus? Die setzen das nicht ein! Es ist zwar toll, zu wissen: Da ruft man in einem verschlafenen Nest in der Steiermark an, und die haben ein Öko-Audit, zu dem man nur sagen kann: Ich ziehe meinen Hut davor, mit wie viel Phantasie da gearbeitet wurde. Sie haben nämlich sehr stark mit Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen-Motivation gearbeitet, und plötzlich haben die Leute aus dem Unternehmen – ich bin dann extra auch hingefahren – Ideen gehabt und das auch eingebaut, und dann plötzlich haben die solch ein Öko-Audit.

Dazu muss man sagen: Jetzt bräuchten sie Hilfe, zum Beispiel von Ihrem Haus, indem man sagt: Leute, das ist doch etwas, mit dem man auch eine Marke prägen kann, mit dem man in die Öffentlichkeit gehen, das man herzeigen kann! – „Römerquelle“ hat das immer geschickt gemacht. Ich denke, fast jedes Schulkind – zumindest in Ost­österreich – weiß ganz genau, dass aus den Verschlüssen der „Römerquelle“ die Kisten entstehen. Die haben das perfekt bis zum Kindergarten durch kommuniziert und haben dadurch natürlich auch eine Bindung – „Römerquelle“ hat eine hohe Bindung – geschaffen. So kann man damit umgehen! In Oberösterreich wurde das eben mit in das Regierungsprogramm hineingenommen, dass das eine ganz wichtige Ressource ist.

Herr Minister, das fehlt aber hier in diesem Bundesgesetz. Ich weiß, Sie werden mit unserer Ablehnung leben können, aber wenn wir das beim nächsten Gesetz von vornherein ein bisschen engagierter angehen, dann könnte vielleicht etwas daraus werden. Das Umweltmanagementgesetz ist immer so etwas „gehangen“, muss ich sagen. Ich glaube mich zu erinnern, dass schon 2001 beide Oppositionsparteien dagegen gewesen sind und darauf hingewiesen haben, dass es halbherzig ist. Es tut mir Leid, Herr Minister, beim nächsten Gesetz werden wir vielleicht wieder besser zusammenkommen. Bei diesem nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.44

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Auer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


21.44

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Mein Beitrag zu diesem unter einem behandelten Gesetzesblock gilt dem Chemikaliengesetz und dem Umweltmana­gementgesetz.

Reinigungsmittel, Kosmetika, Spielzeug, Bekleidung und Möbel – um nur einige Schlagworte zu nennen – sind alltägliche Produkte und Gebrauchsgegenstände, die immer wieder in die Schlagzeilen geraten, wenn sie gefährliche chemische Stoffe beinhalten. Das reicht von Allergenen bis hin zu krebserregenden und erbgut­verän­dernden Konservierungsstoffen, welche in Körperpflegeprodukten und Kosmetika nachgewiesen werden.

Auch Bekleidung enthält immer wieder gesundheitsgefährdende Chemikalien. Eine weltweite Untersuchung hat ergeben, dass in Disney-Bekleidung Schadstoffe enthalten


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sind, die ein großes Risiko für die Gesundheit darstellen. Bei den meisten der getesteten Produkte wurden hohe Konzentrationen von Risiko-Chemikalien wie zum Beispiel Schwermetalle festgestellt. Verantwortlich dafür sind die beliebten bunten PVC-Aufdrucke.

Dass es aber auch anders geht und gefährliche Chemikalien durch sichere Substanzen ersetzt werden können, zeigen immer mehr Textilketten vor. Sie verwenden bewusst keine gefährlichen Chemikalien und verzichten auf PVC in ihrer Kleidung und bei Aufdrucken. – Das, meine Damen und Herren, ist nur ein Beispiel, aber es zeigt meiner Meinung nach sehr gut die Problematik.

Wir brauchen in der Chemikalien-Politik strenge Gesetze zum Schutz unserer Gesund­heit und der Umwelt, denn dass Wirtschaft und Industrie mit strengen Richtlinien keine Freude haben und die Gefahr von Mehrkosten befürchtet wird, ist offensichtlich.

Auch wenn wir uns das natürlich nicht ständig ins Bewusstsein rufen: Ein modernes Leben ohne Chemie ist für uns unvorstellbar. Gerade deshalb müssen uns wir, die wir tagtäglich Produkte des Alltags kaufen, darauf verlassen können, dass diese nicht mit gefährlichen Chemikalien belastet sind, denn alles andere wäre verantwortungslos.

Das Chemikaliengesetz stellt für die Handhabung dieses Problems ein wichtiges Regelwerk zum Schutz von Gesundheit und Umwelt dar. Auch die heute vorliegende Novelle, welche vor allem Anpassungen beinhaltet und eine Aktualisierung des derzeitigen Gesetzes ist, halte ich für gut und richtig.

Eine Kritik möchte ich aber schon anbringen: Das Chemikaliengesetz wurde 1996 in der Absicht beschlossen, den vorsorglichen Schutz von Gesundheit und Umwelt im Umgang mit Chemikalien sicherzustellen. Herzstück dieses Gesetzes war und ist, dass Chemikalien entsprechend ihren gefährlichen Eigenschaften eingestuft und gekenn­zeichnet werden müssen. Wenn man sich aber jetzt ansieht, mit welchem Tempo die Einstufung und die Kennzeichnung der verschiedenen Chemikalien vor sich geht, habe ich den Verdacht, dass der Druck der Industrie enorm ist, denn von den insgesamt über 100 000 gelisteten alten, also bereits vor 1981 in der EU registrierten Chemi­kalien, wurde die Risikobewertung erst von 65 Chemikalien abgeschlossen. Damit fehlen allein aus dieser Gruppe von 999 935 Chemikalien grundlegende Daten über deren Gefährlichkeit für Mensch und Umwelt. Das, Herr Minister, ist eine Besorgnis erregende Zahl. Ich begrüße daher jetzt erst einmal den ersten Schritt, in diese Rich­tung etwas zu unternehmen. Wir werden deshalb dieser Änderung des Gesetzes unsere Zustimmung erteilen. (Bundesrat Bieringer: Vergelts Gott!)

Jetzt kurz, aber prägnant zum Umweltmanagementgesetz: Herr Kollege Kraml hat zuvor bereits unsere Position zu dieser Gesetzesänderung dargelegt, und auch Herr Kollege Schennach hat schon vieles davon aufgezeigt. Einige, Herr Kollege Bieringer, werden sich noch daran erinnern: Vor drei Jahren habe ich von diesem Rednerpult aus erstmals über das Umweltmanagementgesetz gesprochen. Schon damals habe ich darauf hingewiesen, dass es eine falsche Maßnahme ist, Betriebe durch Deregulierung zur EMAS-Zertifizierung zu motivieren, denn durch das Anzeigeverfahren für Anla­genveränderungen, bei dem ein Umweltgutachter garantieren soll, dass weder Umwelt- noch Nachbarinteressen verletzt werden, wollten Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien garantieren, dass es zu keiner Aufweichung der Nachbar- und Anrainerrechte und damit auch zu keiner Verringerung der Umweltkontrolle kommen wird.

Nicht genug damit, dass sich die Umweltgutachter gerade noch über die von Ihnen vorgegebene Situation hinwegretten, weil Sie Probleme lösen müssen, die an sich den zuständigen Behörden vorbehalten sein sollten, müssen sie auch für etwaige Fehl-


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entscheidungen haften. – Kollegin Zwazl hat das zwar kurz, aber eben nicht ausführlich angesprochen.

Ihnen, den Regierungsparteien, geht es meiner Meinung nach um eine neue, zusätz­liche Aushöhlung der sehr bedenklichen privaten Kontrolle, die im Jahre 2001 rechtlich ermöglicht wurde. Auch das beste Umweltmanagementgesetz kann allerdings die öffentliche Verantwortung und Kontrolle im Umweltschutzbereich nicht ersetzen. All das sind Gründe, weshalb wir diesem Gesetzesbeschluss nicht zustimmen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

21.51

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


21.52

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt, ein bisschen etwas fällt mir immer noch ein. Die Änderung des Montrealer Protokolls – darin geht es um eine Einschränkung von Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht führen – wurde 1999 beschlossen und durch einen EU-Vertrag, eine EU-Verordnung im Juni 2000 um­gesetzt. Dass wir erst jetzt, 2004 dieser Änderung zustimmen, kann nur ein formaler Akt sein, den irgendwer vergessen hat oder was auch immer. Mir ist jedenfalls nicht ganz klar, nicht ganz erklärlich, warum das Ganze so lange gebraucht hat. Natürlich werden wir trotzdem zustimmen.

Unter anderem habe ich auch herausgefunden, dass wir mit diesem Akt beschließen, dass die Produktion von teilhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffen bis zum Jahr 2004 auf das Niveau des Jahres 1989 reduziert wird. Da sollte man eigentlich jetzt schon wissen, ob das auch passiert ist, statt es jetzt erst zu beschließen. Das ist nämlich ein bisschen spät. Wir beschließen auch, die Produktion des Stoffs Brom­chlormethan bis zum Jahr 2002 einzustellen und den Verbrauch auf null zu reduzieren. 2002 ist auch schon relativ lange her, und wenn wir jetzt erst beschließen, dass wir das bis 2002 durchgeführt haben, hat das zwar einen gewissen „Charme“, aber auch eine seltsame Anmutung.

Mit der Zeit verhält es sich auch beim zweiten Gesetz so. Ich habe das Gefühl, mit dem Chemikaliengesetz hinkt die Politik auch ein bisschen dem Fortschritt hinten nach. Frau Kollegin Auer hat es bereits erwähnt: Seit 1981 sind in der EU alle neun Chemikalien unter Angabe eines Mindestdatensatzes anzumelden, und 1993 wurde beschlossen, die rund 100 000 alten Chemikalien einer Risikobewertung zu unter­ziehen. Von diesen 100 000 Chemikalien, ein bisschen mehr sind es sogar, konnte in den letzten zehn Jahren für immerhin 65 Chemikalien diese Risikobewertung abge­schlossen werden. Wenn man in diesem „Tempo“ weitermacht, dann ist man damit in ungefähr 15 000 Jahren fertig. Ich weiß nicht, ob das wirklich sinnvoll ist.

Offensichtlich dauert das sogar der EU zu lange, und deshalb gibt es jetzt auch neue Richtlinien, um diese Risikobewertungen ein bisschen schneller abzuwickeln.

Im Nationalrat haben wir dazu einen Entschließungsantrag eingebracht, mit der Bitte beziehungsweise Aufforderung an die Bundesregierung beziehungsweise an die Minister, besonders an Minister Pröll, sich in der EU für eine Beschleunigung dieser Vorgänge einzusetzen.

Einige Punkte sind in unserem Antrag konkret angeführt: Die Produktion und Verwen­dung gefährlicher Chemikalien muss verboten werden; alle Chemikalien müssen gründlich getestet sein; die Industrie soll zur gemeinsamen Datennutzung verpflichtet werden; die Entwicklung und Validierung von Ersatzmethoden zum Tierversuch ist


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verstärkt zu fördern; das REACH System muss für alle Stoffe gelten, von denen min­destens eine Tonne oder mehr pro Jahr produziert wird; keine Ausnahme für Polymere: der Einsatz von krebserregenden, erbgut- und fortpflanzungsschädigenden Chemi­kalien ist zu verbieten; die Regelung muss auch für importierte Chemikalien gelten und für fertig importierte Konsumprodukte; die Bewertung der Chemikalien muss durch eine gut ausgestattete, unabhängige Chemieagentur erfolgen.

Dieser Antrag, den wir gestellt haben, ist dann leider im Ausschuss abgelehnt worden. Ich habe ziemlich lange gesucht, aber keine Begründung für diese Ablehnung gefun­den. Ich vermute, irgendetwas an diesen Punkten wird Ihnen vielleicht nicht gefallen haben. Vielleicht können Sie es mir jetzt dann noch im Anschluss erklären, welcher dieser Punkte Ihrer Meinung nach nicht in der EU zu vertreten ist.

Ich bin an und für sich auch keine „Jesus-Patscherl-Grüne“ und keine „Fundamen­talistin“, ich will auch nicht zurück in die Steinzeit und weiß, dass man Chemikalien braucht und dass man sie nicht von heute auf morgen abschaffen kann. Das sieht man mir doch an! Als Konsumentin will ich aber schon einen gewissen Schutz vor gefährlichen Chemikalien und als Konsumentin will ich mir auch sicher sein können, dass gefährliche Chemikalien schlimmstenfalls dann eingesetzt werden, wenn es keine Alternativen dazu gibt. Und als Politikerin will ich sehen, dass in der EU das Thema Gesundheit und die Umwelt genauso ernst genommen werden wie das Interesse der Industrie, die nur durch strenge Vorschriften dazu gebracht werden kann, sich auch der Entwicklung von Alternativen zu widmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

21.56

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


21.57

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegen drei Vorlagen vor, die wichtig sind für die Zukunft der Umweltpolitik in Österreich, und ich möchte auf ein paar Themen eingehen. Ich beginne mit der Chemikalienpolitik und dem Chemikaliengesetz.

Frau Bundesrätin, es ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem, was wir hier heute diskutieren und beschließen, und dem, was momentan gerade unter dem Titel REACH in der Europäischen Union zwischen Umweltministern und Wettbewerbsrat zu verhandeln ist, nämlich wie die zukünftige Chemikalienpolitik Europas ausschauen wird. Hier trennen uns nur wenige Punkte. Wir müssen eine Lösung finden, die auf der einen Seite der ökonomischen Herausforderung, nämlich der Notwendigkeit, Chemikalien einzusetzen, Rechnung trägt und auf der anderen Seite zunehmend stärker auch aus gesundheitspolitischer Sicht wichtige ökologische Zielsetzungen in die Chemikalienpolitik einbringt.

Diese Punkte sind in der EU sehr, sehr umstritten und werden heiß diskutiert, und wir werden diese Debatte in den nächsten Monaten auf europäischer Ebene sehr intensivieren. Bei mir können Sie davon ausgehen, dass ich dafür sorgen und meinen Beitrag dazu leisten werde, dass zukünftig vorsorgliche Chemikalienpolitik in Öster­reich und in Europa gemacht wird.

Das Chemikaliengesetz, das heute hier vorliegt – und es wird dann, wenn REACH fertig ist, noch einmal zu nivellieren sein, weil die Themen, über die wir in Europa eine Einigung erzielen können, auch im Chemikaliengesetz ihren Niederschlag finden werden –, verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Die Aktualisierung des Chemikalien-


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gesetzes und die notwendige nationale Ergänzung von in der EU vorgegebenen Richtlinien zum Schutz der Bevölkerung und zur Präzisierung, was den Umgang mit Chemikalien betrifft, müssen umgesetzt werden.

Zweiter Punkt: Umsetzung des Montrealer Protokolls und seiner Änderungen. Hiebei geht es um nicht mehr und nicht weniger, als dass wir einen internationalen Prozess, der gemeinsam beschlossen und sehr erfolgreich war, jetzt auch im Parlament entsprechend umsetzen. Das was vorgegeben war, wurde zum Teil in der Praxis bereits erreicht und umgesetzt, nämlich ozonschädigende Stoffe, voll halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe zurückzudrängen und auch die von Ihnen angesprochenen Mittel wie Methylbromid sozusagen aus dem Rennen zu nehmen. Das ist gelungen, das ist zum Teil in Umsetzung, und es ist wichtig, dass wir dieses Protokoll auch in Österreich umsetzen.

Dritter Punkt: EMAS-Zertifizierung. EMAS steht für ein System in der Umweltpolitik, das von der Konzeption her nicht besser sein könnte. Da heute hier Oberösterreich angeführt wurde, möchte ich feststellen, dass Oberösterreich in seiner Regierungs­erklärung zum Umgang mit EMAS und Zertifizierung im Wesentlichen das übernom­men hat, was wir auf Bundesebene schon lange vorgegeben haben. Ich bin dankbar dafür, dass jetzt auch die Länder in die Phase der Umsetzung eintreten und sich ein Vorbild an unseren vorbildlichen Vorgaben nehmen.

EMAS ist ein Thema zwischen Ökonomie und Ökologie, und wenn man Umweltpolitik mit Hausverstand machen will, dann ist es klug, etwas freiwillig anzubieten, von dem die Unternehmer dann auch profitieren können, nämlich Öko-Audit-Systeme, sich dazu zu verpflichten, ökologische Standards einzuhalten, sich selbst Vorgaben zu geben, diese einzuhalten, was wir mit entsprechenden Gutachtern auch entsprechend überprüfen können, und daraus auch einen ökonomischen Nutzen zu ziehen. Das ist moderne Umweltpolitik: diesen Konsens zwischen ökologischer und ökonomischer Herausforderung zu finden und damit verbunden auch Vorteile für Unternehmen zu lukrieren – und EMAS ist so ein System.

Ich kann Ihnen auch sagen, ich habe heute Vormittag den Nachhaltigkeitsbericht des Lebensministeriums vorgelegt. Als erstes Ministerium in Europa legen wir einen Nachhaltigkeitsbericht vor, und da finden Sie auf der Seite 51: „Das Lebensministerium als EMAS-Betrieb“, und ich wünsche mir nicht mehr und nicht weniger, als dass viele – auch öffentliche Stellen, vielleicht auch die Landesregierung Oberösterreich – unserem Beispiel folgen und EMAS-zertifiziert dann Zukunft nachhaltig gestalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.01

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von den Berichterstattern ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend eine Chemikaliengesetz-Novelle 2004.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend eine Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltmanagementgesetz 2001 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft“ und mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“ geändert wird (511 d.B. und 578 d.B. sowie 7111/BR d.B.)

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Italienischen Republik zur Ver­wirklichung eines Eisenbahntunnels auf der Brennerachse (537 d.B. und 579 d.B. sowie 7112/BR d.B.)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Eisenbahngesetz 1957 geändert werden (423/A und 580 d.B. sowie 7113/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zu den Punkten 26 bis 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 26 bis 28 ist Herr Bundesrat Lindinger. Ich bitte um diese drei Berichte.

 


Berichterstatter Ewald Lindinger: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich erstatte Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bun­desgesetz zur Errichtung einer „Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft“ und mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“ geändert wird. – Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Beilage 7112: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkommen


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zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik zur Verwirklichung eines Eisenbahntunnels auf der Brennerachse. – Der Bericht liegt Ihnen ebenso vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Beilage 7113: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Eisenbahngesetz 1957 geändert werden. – Auch hier liegt Ihnen der Bericht schriftlich vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für diese Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein. Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


22.06

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Das wird jetzt ein bisschen eine Marathonrede, da das, was die Kollegin Konrad sagen wollte, auch noch dazukommt, aber ich werde mich trotzdem möglichst kurz halten.

Der Punkt, warum ich heute als Erste hier spreche, ist, dass wir nämlich die ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Weil Sie gegen den Brenner-Basistunnel sind!) Nein, nicht gegen den Basistunnel, sondern wir sind gegen das Bundesbahngesetz, und zwar aus folgenden Gründen (Bundesrat Schennach: Wie schnell er reagiert!): Es gibt in dieser Gesetzesänderung den § 54 Abs. 13 neu, der bei uns als eine Lex Postbus bezeichnet wird. Dieser Paragraph wird es jetzt ermöglichen, dass der Postbus und der Bahnbus ausgegliedert und zum Teil privatisiert werden können. (Bundesrat Schennach: Er hat mit jungen Frauen ein Problem! Er hat mit allen Frauen ein Problem! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Wir haben heute schon im Rahmen der letzten Diskussion mit dem Herrn Staats­sekretär erwähnt, was das Problem ist bei dieser Post- und Bahnbus-Privatisierung. Vorher waren es zwei getrennte Unternehmen, und es war keine Rede von einem Monopol. Dieses Monopol hat man erst damit geschaffen, dass im Vorjahr der Bahnbus den Postbus gekauft hat. Der kleine Bahnbus hat den großen Postbus gekauft, und jetzt haben wir insgesamt ein riesengroßes Monopol, weil ja die ÖBB auch noch dazukommt. Jetzt plötzlich muss das alles zersplittert werden, 30 Prozent müssen wahrscheinlich bis Ende des Jahres ausgegliedert werden.

Für die Ausgliederung gilt das Bundesgesetz über die Spaltung von Kapital­gesell­schaften, in dem steht, dass es eine genaue Beschreibung und Zuordnung von Vermögensteilen geben muss, wenn man so etwas macht. Da das jetzt bis Ende des Jahres erfolgen soll, sind wir schon gespannt, wie genau, detailliert und transparent das passieren wird. Ich kann mir schwer vorstellen, dass das so einfach sein wird.

Letztendlich ist es so, dass bei dieser Privatisierung wirklich die Gefahr besteht, dass die guten Linien verkauft werden, und die Linien, die man aus sozialen Gründen erhalten muss, damit eben ältere Menschen, Menschen, die kein Auto haben, auch mobil sind, werden wir uns behalten, und die werden uns dann weiterhin möglicher­weise rote Zahlen einfahren. (Bundesrat Schennach: Nicht nur möglicherweise!)


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Ich habe da auch eine Pressemeldung – ich weiß gar nicht genau, von welchem Datum, jedenfalls ist sie aus dem „WirtschaftsBlatt“. Da steht drinnen: Der geplante Teilverkauf von Postbus und Bahnbus wird den Betriebsgewinn von ÖBB und Postbus um bis zu 1,8 Millionen € verringern. Das geht laut APA aus internen Berechnungen von ÖBB und Postbus hervor. Der bei Postbus und Bahnbus für heuer erwartete Betriebsgewinn beträgt demnach 1,7 Millionen €, ohne Teilverkauf wären es 2005 knapp 3 Millionen €.

Das heißt, es ist offensichtlich schon Ende des Jahres so weit, dass, wenn Teile von Post- und Bahnbus privatisiert werden, wahrscheinlich die gewinnbringenden Teile privatisiert werden und Post- und Bahnbus dann eben keine schwarzen Zahlen mehr schreiben werden.

Aus diesem Grund lehnen wir das Bahngesetz ab, und aus diesem Grund darf ich als Erste hier sprechen.

Nun zum Brenner-Basistunnel. Diese beiden Vorlagen werden wir nicht ablehnen. Der Brenner-Basistunnel ist sicherlich unbestritten wichtig. Die Frage lautet aber: Geht es darum, einen Tunnel zu bauen, oder geht es darum, das Verkehrsproblem, unter dem die Tiroler Bevölkerung massiv und in zunehmendem Maß leidet, zu lösen?

Der Brenner-Basistunnel wird, selbst wenn er einmal gebaut wird, das Verkehrs­problem nicht lösen, dazu braucht es Begleitmaßnahmen. Damit müsste man nicht unbedingt warten, bis es den Tunnel gibt, die könnte man jetzt schon in Angriff nehmen.

Es gab in der letzten Nationalratssitzung wieder einen Antrag der Grünen, der wie folgt lautet:

 „Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die Zeit bis zur Inbetriebnahme von Unterinntaltrasse und Brenner-Basistunnel flankierende Maßnahmen – wie etwa den Aktionsplan ,Brenner 2005‘ – zur Attraktivierung der Schiene und Steigerung des alpenquerenden Schienengüterverkehrs umzusetzen.

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, die parallel zur Realisierung der Unterinntaltrasse und des Brenner-Basistunnels erforderlichen, geeignete Lenkungs­mechanismen zeitgerecht zu setzen, mit denen der angestrebte Verlagerungseffekt nach Schweizer Vorbild erreicht und zu einer dauerhaften spürbaren Entlastung der betroffenen Tiroler Bevölkerung beigetragen wird.“

Unser Antrag hat, wie immer, keine Mehrheit gefunden. Offensichtlich besteht kein Interesse daran, sich vorher zu überlegen, wie man dann, wenn dieser Basistunnel einmal vorhanden sein sollte, die LKWs wirklich auf die Schiene bringt, denn dass die Schiene teurer sein wird, ist ziemlich unbestritten, denke ich. Also ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das finanziell irgendwie so managen können, dass Sie die 50 Milliarden €, die der Basistunnel kosten wird, dann nicht irgendwo auch weiter­verrechnen. Überhaupt wird es, so wie die ÖBB-Reform ausschaut, wahrscheinlich eins zu eins an die Kunden weiterverrechnet werden. (Beifall bei den Grünen. – Staatssekretär Mag. Kukacka: Wie viele Milliarden kostet der Brenner-Basistunnel?)

Also ich habe eine Schätzung von 50 Milliarden, aber vielleicht können Sie mir eine genauere Schätzung sagen. Im Ausschuss ist es übrigens nicht bekannt gewesen. Ich weiß nicht, vielleicht haben Sie bessere Zahlen. (Bundesrat Schennach: Er hat ungenauere Zahlen!) Das sind die, die ich zuletzt bekommen habe. Aber ob 45, ob 40 – es wird wahrscheinlich ziemlich teuer werden. (Staatssekretär Mag. Kukacka: 5 Milliarden, nicht 50 Milliarden!) 5 Milliarden €? Mit 5 Milliarden € bauen Sie den


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Brenner-Basistunnel? Da bin ich gespannt. (Bundesrat Schennach: Da bauen Sie nur einen kleinen Zufahrtstunnel!) Aber das wird dann vielleicht auch der Rechnungshof prüfen, und vielleicht können wir das dann auch noch diskutieren. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Das steht alles in den Unterlagen! Ein bisschen etwas lesen!) In den Unterlagen steht es? Komisch, warum haben es dann die Herren im Ausschuss nicht gewusst? (Bundesrat Schennach: Sie kennen aber den Brenner schon?) Dann haben die Herren im Ausschuss die Unterlagen auch nicht gelesen. Aber vielleicht gibt es irgendwo noch Unterlagen, die wir noch nicht zu Gesicht bekommen haben.

Auf jeden Fall muss dieser Brenner-Basistunnel 75 Prozent des anfallenden Güter­verkehrs auch in der Zukunft aufnehmen können, und letztendlich nützt dieser Tunnel niemandem, wenn er zum Zeitpunkt der Fertigstellung bereits zu klein ist. Der Tunnel bringt auch nur dann etwas, wenn er benutzt wird, und das wiederum setzt voraus, dass die Straße nicht billiger ist als die Bahn.

Letztendlich ist es so, dass die Tiroler Verkehrsprobleme nicht von heute auf morgen entstanden sind. Es sind über Jahre massive Fehler gemacht worden, auch in Tirol. Aber das wird sich alles nicht von selbst lösen, indem man sagt, wir bauen, irgendwann einmal, im Jahre 2015, wird es den Tunnel geben, bis dahin müsst ihr euch halt durchquälen, und dann kommt die große Erlösung. Ich fürchte, das wird nicht ganz so funktionieren.

Das Problem, das ich persönlich auch noch mit dem Brenner-Basistunnel habe: Durch diese Großprojekte wie Koralm-Bahn und Brenner-Basistunnel werden zwar sicher viele Menschen vor Verkehrsproblemen ein bisschen besser geschützt, es gibt aber viele Menschen – zum Beispiel im Osten Österreichs, in der Umgebung von Wien, in Niederösterreich, in Oberösterreich und im Burgenland –, die nicht wirklich viel Entlastung zu erwarten haben. Wenn alle Gelder für die Schiene jetzt in Großprojekte fließen, dann wird eben für kleinere Projekte, die mit relativ geringen Mitteln zu finanzieren wären, das Geld fehlen.

Bei uns in Niederösterreich zum Beispiel gibt es diese Landesbahn, die von Korneu­burg nach Ernstbrunn fährt. Da habe ich gehört beziehungsweise auch miterlebt, indem ich eine Bahnfahrt gemacht habe, dass man dort derzeit auf Teilen der Strecke nur zirka 20 Stundenkilometer fahren kann. (Bundesrat Ager: Wo ist das? Auf welcher Strecke?) Das ist Korneuburg–Ernstbrunn. (Bundesrat Ager: Da bin ich ja zu Fuß schneller!) Auf dieser Strecke werden zum Beispiel vom Kalkwerk Ernstbrunn relativ viele LKW-Ladungen voll Kalk nach Korneuburg über die Schiene transportiert. Das wird aber nicht mehr lange gehen, denn der Unterbau ist derart kaputt, dass man über kurz oder lang diese Strecke wird einstellen müssen, wenn man nicht irgendwann etwas macht. (Bundesrat Schennach: Da muss sich die Frau Präsidentin Zwazl Sorgen machen!) Meines Wissens geht es da um keine Milliarden, sondern wahr­scheinlich nicht einmal um Millionen Euro, die zu investieren wären. (Bundesrat Dr. Kühnel: Frau Kollegin, machen Sie eine Bürgerinitiative!) Aber diese Maßnahmen sind offensichtlich einfach nicht möglich. Kein Wunder, wenn alles in Großprojekte fließt! Und das ist ein bisschen das Problem, das ich auch mit dem Brenner-Basis­tunnel habe. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka. – Bundesrat Kneifel: Die Donau ausbauen! – Bundesrat Schennach: Willst du die Donau umleiten nach Ernstbrunn?)

Ich bin natürlich für den Ausbau des Brenner-Basistunnels. Ich habe, glaube ich, von dem Ausbau des Brenner-Basistunnels das erste Mal gehört, da bin ich noch in die Schule gegangen. Wenn er jetzt endlich in Angriff genommen wird, ist das gut und schön. Ich denke, das zeigt aber auch, dass das eigentlich schon ziemlich lange ansteht.


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Im Generalverkehrsplan steht allgemein drinnen, dass unser Ziel die Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist. Das steht seit – ich weiß nicht – drei, vier, fünf Jahren im Generalverkehrsplan. Vielleicht wird auch das einmal wirklich produktiv angegangen und achtet man darauf, dass auch in kleine Eisenbahnstrecken, in Regionalbahnen und Nebenbahnen, die gerade auch für den Güterverkehr zur Entlastung der Anrainer wichtig sind, investiert werden kann und dass nicht alles kaputtgespart und nur eingestellt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

22.15

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


22.16

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! (Ruf: Hoch lebe Tirol!) Ja, bei dem Brenner-Basistunnel braucht es schon ein Hochleben Tirols, denn wir haben wirklich unter dem Verkehr sehr viel zu leiden. Die Bevölkerung erlebt das seit vielen Jahren und weiß es zu schätzen, dass jetzt endlich ein positives Signal von dieser Seite kommt, dass man diese Gesellschaft gegründet hat.

Jedenfalls hat der Lastwagenverkehr seit der Erweiterung der Union jetzt um 25 Pro­zent zugenommen. Es gibt Lärm und Gestank. Der starke Verkehr, der sich da durchzieht, hat auch auf die Gesundheit der Bevölkerung Auswirkungen. Aber alle Proteste, die Tirol bisher in Brüssel vorgebracht hat, waren erfolglos. Jetzt kommt ein Lichtblick, und wenn es auch wahrscheinlich 15 Jahre dauert. Die Planung allein dauert drei Jahre. Schauen wir, was sich tut!

Wir glauben, dass diese wichtige Nord-Süd-Straße auch nicht einfach durch Proteste abgesperrt werden kann. Man sagt uns, das würde eine unglaublich große Schädigung der Wirtschaft bringen. Über den Brenner geht die wichtigste Nord-Süd-Verbindung Europas, wichtiger als die Donau, lieber Gottfried. Ich will dir das sagen, dir als Vertreter von Oberösterreich. (Bundesrat Schennach: Der aber nicht weiß, dass Ernstbrunn nicht an der Donau liegt!) Das weiß er schon! Er wird schon gelegentlich einmal auftrumpfen.

Jedenfalls, unser Landeshauptmann Herwig van Staa hat schon einmal verlangt (Bundesrat Schennach: Er ist auch ein Oberösterreicher! Die Landeshauptleute kommen hauptsächlich aus Oberösterreich!), den Transport von Materialien wie Schrott und Aushubmaterial auf der Brenner Autobahn zu verbieten. Das hat kein Echo gefunden, sondern es wurde gleich mit allerhand Maßnahmen gedroht.

Es ist nämlich – da ich vorhin von Lärm gesprochen habe – auch ein Unterschied, ob der Lärm auf einer Ebene entsteht oder in einem Talkessel, wie das Inntal zum Beispiel einer ist, wo die Tausenden von Bewohnern, die Talbewohner eben, die dort auf ihren Höfen und so weiter leben, durch den Lärm belästigt werden. Interessanterweise – vielleicht hat der eine oder andere das schon selbst einmal erlebt – hört man auf einem Berg oben den Verkehrslärm stärker.

Man hat jedenfalls ganz gute Einfälle gehabt, die Transporteure sind findig. Weil wir Maßnahmen ergreifen wollten, die Autobahn mit bestimmten Ladungen nicht mehr befahren zu lassen, fahren die großen LKWs den Zirler Berg herunter. Wenn die Transportfirmen eine Niederlassung in der Nähe der Grenze nachweisen können – ob das Mittenwald oder Miesbach oder ein anderer Ort ist –, können ihre LKWs den Zirler Berg benützen. Manche vielleicht auch nur, um der Maut zu entgehen; jedenfalls ist das ein großes Schlupfloch.


Bundesrat
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Wir möchten es gerne aufheben, aber die EU kann jedes nationale Gesetz jederzeit aussetzen, was auch – muss ich sagen – etwas Befremden auslöst, um einen ganz vornehmen Ausdruck zu gebrauchen. Ob ein Land dann die Brüsseler Verfügung beachtet, ist eine andere Sache. So haben Deutschland und Frankreich die Brüsseler Richtlinien – das Budget – verletzt. Der Gerichtshof hat das festgestellt, und die Reaktion der beiden Staaten war ein lächelndes Achselzucken, zustimmendes Nicken. Sie haben das dabei bewenden lassen.

Das Verhalten dieser beiden Staaten ist jedoch auch für Österreich interessant: Wie kann man Brüssel unter Druck setzen – um konkret auf diese Planung einzugehen –, dieses Geld schnell zur Verfügung zu stellen? Wir haben laut Gesetz eine fünfzig­pro­zentige Zusage für die Planung und 20 Prozent für den Bau des Tunnels zu erhalten.

Was mich aber entsetzt – und viele Tiroler ebenfalls –, das war, dass Brüssel in den letzten Tagen lautstark verlangt hat, dass man die Maut in Tirol herabsetzt. Die Maut in Tirol sei viel zu hoch, wurde gesagt. Dabei ist die Brenner Autobahn nicht nur die billigste Mautstrecke, um nach Süden oder Norden zu kommen, sondern auch die kürzeste, wenn man jetzt Lyon, Chiasso und den Brenner oder die Tauern vergleicht.

Jedenfalls: Wenn wir Geld von Brüssel verlangen, so muss man ihnen auch ein bisschen Beine machen, wenn ich das jetzt vornehm ausdrücken soll, denn Geld hat Brüssel. Der größte Nettoempfänger ist ja Spanien mit über 9 Milliarden €, dann Griechenland mit über 3 Milliarden. (Bundesrat Schennach: Mit Polen wird das anders!) Der größte Zahler ist Deutschland mit 5 Milliarden. Großbritannien zahlt über 2 Milliarden, genauso wie Italien, die Niederlande und Frankreich. Österreich zahlt 226 Millionen. (Bundesrat Schennach: Das ist eine alte Statistik!) – Ich muss das sagen, lieber Kollege Schennach, weil das auch wichtig ist! (Bundesrat Schennach: Die Beträge stimmen nicht!) Wir müssen ja auch einmal wissen, wie viel Geld nach Brüssel fließt. Unsere Beträge, die wir herausnehmen möchten, sind ganz geringfügig.

Jedenfalls genießt Großbritannien da eine gewaltige Ausnahmestellung. Es kann näm­lich einen Rabatt von 4 Milliarden entnehmen. – Daraus ersieht man, dass es sehr wohl Ausnahmen gibt. Man könnte sich auch einmal überlegen, ob es nicht, was die Maut anbelangt, auch Ausnahmen geben müsste, nämlich dass wir es so machen wie die Schweiz, die für das nächste Jahr schon angekündigt hat, eine gewaltige Mauterhöhung vornehmen zu wollen. (Bundesrat Schennach – Beifall spendend –: Bravo, Schweiz!)

Man müsste sich wirklich auch einmal so einen Schritt überlegen, denn große Na­tionen, die den Stabilitätspakt verletzen und gegen ihn verstoßen, werden verschont, und ein Land wie Österreich oder ein Land wie Tirol (allgemeine Heiterkeit) – jawohl, ein Bundesland wie Tirol; wir haben ja am meisten darunter zu leiden! – muss sich das gefallen lassen. Da werden unsere ganzen Vorhaben erstickt. Hier herrscht Unge­rechtigkeit. Ich wünsche mir, dass unsere Stimme in Brüssel mehr und stärker gehört wird. Ich danke vielmals, dass jetzt zumindest ein erster Schritt durch diese Gründung getan worden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Wir werden uns das noch überlegen, ob wir das nicht machen. Das wäre zu überlegen.

22.25

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Binna. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 211

22.25

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden in Zukunft erleben, dass Tirol eine eigene Republik ist, oder? (Allgemeine Heiterkeit.)

Kollegin Kerschbaum hat leider den Saal verlassen. Ich möchte da ein bisschen etwas richtig stellen. Beim Bundesbahn-Pensionsgesetz, Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetz und Eisenbahngesetz geht es um die Umsetzung der Ergebnisse aus den Verhandlungen zum Dienstrecht. Wir Eisenbahnerinnen und Eisenbahner haben uns bereit erklärt, Einsparungen im Ausmaß von 100 Millionen € zu akzeptieren und auch hinzunehmen.

Ich zitiere ein paar Beispiele daraus: Einsparung bei der Entgeltfortzahlung im Krank­heitsfall: 12 bis 16 Millionen €; Einsparung durch den Entfall von Urlaubsregelungen – WUZ, FUZ und TUZ –: 22 Millionen €; Einsparung durch die Streichung des Nachzeit­zuschlages: 30 bis 35 Millionen €; Struktureffekte, Einsparung durch Änderungen bei Vorrückungen: 27 bis 35 Millionen €; und Einsparung durch Wegfall des Vetorechts der Gewerkschaft bei Entlassungen: 1 Million €.

Im Gegensatz dazu muss man natürlich sehen, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie – Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz – voraussichtlich durch die Ver­hand­lungen im Kollektivvertrag festgelegt wird und Mehrkosten von 43 Millionen € verursachen wird.

Kollege Kritzinger! Sie sind in der glücklichen Lage, in Tirol zu leben. Ihr Brenner-Basistunnel wird gebaut. Ich bin leider Gottes nur Steirer und würde mir auch wünschen, dass der Semmering-Basistunnel gebaut wird. (Beifall bei der SPÖ.) Er ist nämlich für den Wirtschaftsstandort Steiermark und Kärnten sehr wohl besonders wichtig. Wie viele schon erwähnt haben: ein Koralmtunnel ohne Semmeringtunnel ist wirklich nicht sinnvoll. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.28

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt. Ich möchte die KollegInnen aber ersuchen, vor den Abstimmungen ihre Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Basistunnel Aktien­gesellschaft“ und mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“ geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 212

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik zur Verwirklichung eines Eisenbahntunnels auf der Brennerachse.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Europäisches Über­einkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen (ADN) samt Verordnung und Erklärung (196 d.B. und 577 d.B. sowie 7114/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 29. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Angela Lueger. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Angela Lueger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen samt Verordnung und Erklärung liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Danke für den Bericht.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (24. KFG-Novelle) (557 d.B. und 581 d.B. sowie 7082/BR d.B. und 7115/BR d.B.)

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßen­polizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird (385/A und 582 d.B. sowie 7116/BR d.B.)


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 213

32. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (422/A und 583 d.B. sowie 7117/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen jetzt zu den Punkten 30 bis 32 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstattung zu Punkt 30 hat Frau Bundesrätin Fröhlich übernommen. Ich darf um den Bericht bitten.

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Zu Punkt 31 und Punkt 32 ist Herr Bundesrat Stadler Berichterstatter. – Ich bitte um beide Berichte.

 


Berichterstatter Werner Stadler: Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Inno­vation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

 


22.35

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden den Punkten 31 und 32 selbst­verständlich unsere Zustimmung erteilen.

Beim Punkt 30 – Kraftfahrgesetz-Novelle – gibt es leider ein Problem. Da geht es um das Mitführen und Tragen der Warnwesten. Grundsätzlich haben wir sicherlich nichts dagegen, aber in dieser Novelle steht, dass es nur in bestimmten Situationen vorgeschrieben ist, diese Warnwesten zu tragen. Wir würden uns wünschen, dass es dazu genauere Regelungen gibt.


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712. Sitzung / Seite 214

Wir hätten eher gedacht, dass eine Trageverpflichtung vor allem auch im Pannenfall im urbanen Gebiet in gefährlichen Kurven, also schlechthin überall dort, wo man im Falle einer Panne aussteigen muss und der Verkehr an einem vorüberzieht, normiert wird. Dort wäre es sicherlich sehr wohl sinnvoll, Warnwesten anzulegen.

Eine weitere Frage, die aus unserer Sicht noch nicht gänzlich geklärt wurde, war die der Haftpflichtversicherungen. Wenn man diese Weste auf Grund eines Unfalls – und weil der Fahrer sich vielleicht in einem Schockzustand befindet – zu tragen vergisst, und es passiert ein weiterer Unfall, so ist nicht klar, wie es mit der rechtlichen beziehungsweise der Haftpflichtsituation ausschaut.

Der nächste Punkt wäre die Erhöhung der Tonnagen bei Rohholztransporten von 38 auf 44 Tonnen. Wir befürchten einfach, dass die Forststraßen – speziell im länd­lichen Raum – dadurch mehr beschädigt werden. An dieser Stelle möchte ich mich aber auch speziell für unseren Raum bei den österreichischen Bundesforsten bedan­ken, die es wiederum der ÖBB ermöglicht haben, einen Auftrag über 10 000 m³ Rohholz zu übernehmen. Diese Verträge laufen noch. Das ist meines Erachtens eine tolle Sache und wäre in weiterer Folge fortzuführen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.37

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


22.37

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Einige Anmerkungen zur 24. Kraftfahrgesetz-Novelle. Mit dieser Gesetzesnovelle wird das Tragen von Warnwesten ab 1. Mai 2005 in Österreich verpflichtend eingeführt.

Es ist eine traurige Tatsache, dass jährlich über 55 000 Personen im Straßenverkehr verletzt werden und davon 1 000 Verkehrstote zu beklagen sind. Die Ursachen für das vermehrte Sterben auf Österreichs Straßen sind vielfältig. Eine davon ist das man­gelnde Gesehenwerden oder das Nicht-Gesehenwerden.

Es ist uns allen bekannt, dass vor allem auf Autostraßen und Autobahnen die Ge­schwindigkeiten der Fahrzeuge unterschätzt werden. Hohe Geschwindigkeiten in Kombination mit Nicht-Sehen oder Nicht-Gesehenwerden führen oft zu Unfällen mit schweren Folgen. Hat ein Autofahrer eine Panne, fährt er an den Fahrbahnrand einer Autobahn. Der Blick ist meistens nach vorne gerichtet, aber im Seitenwinkel werden die Gefahren wenig beachtet. Darum ist es richtig, die Warnwesten zu tragen.

Ich glaube, wenn wir mit der Einführung dieser Warnweste auch nur einen Verkehrs­toten im Jahr verhindern, hat dieses Gesetz seine Schuldigkeit getan. In verschiedenen Staaten Europas – wie Italien, Spanien und Portugal – gibt es bereits die gesetzliche Verpflichtung zum Mitführen und natürlich auch zum Tragen dieser Warnweste. Es sind Maßnahmen zu setzen, um die Zahl der Straßenopfer zu verringern und die Sicherheit zu steigern.

Es gibt Prognosen, wonach bis zum Jahre 2015 der Verkehr auf Österreichs Straßen um 30 bis 40 Prozent zunehmen wird. Ziel aller Maßnahmen muss es daher sein, dass die Zahl der Unfälle mit Personenschäden verringert und die Zahl der Verkehrstoten halbiert wird.

Daher halte ich die Einführung zum verpflichtenden Tragen der reflektierenden Warn­weste für den richtigen Schritt, um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu heben. Jeder Verkehrsteilnehmer wird schon zur Sicherheit seiner eigenen Person diese Warn­weste überziehen. An dieser Stelle ist auch dem Kuratorium für Verkehrs-


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712. Sitzung / Seite 215

sicherheit und den Autofahrerklubs ÖAMTC und ARBÖ zu danken, die sich hier wesentlich eingebracht haben.

Es ist mir daher unverständlich, dass von Seiten der Opposition keine Zustimmung kommt. Die SPÖ erklärt, dass dieses Gesetz das Tragen der Warnwesten einengt. Die Verwendungspflicht für die Warnwesten ist ganz klar geregelt: auf Autobahnen und Autostraßen immer beim Verlassen des Fahrzeuges sowie in jenen Fällen, in denen gemäß § 89 Straßenverkehrsordnung das Pannendreieck aufzustellen ist.

Was bezüglich des Pannendreiecks gilt, gilt auch für das Anlegen der reflektierenden Warnweste: Geltung also dann, wenn ein mehrspuriges Fahrzeug auf Freilandstraßen, auf unübersichtlichen Straßenstellen, bei schlechter Sicht, bei Dämmerung oder bei Dunkelheit zum Stillstand kommt und dadurch der Fahrstreifen blockiert wird. Es gelten also für die Warnweste dieselben Bestimmungen wie für das Pannendreieck.

Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder von uns ist täglich mit dem Straßenverkehr konfrontiert, ob als Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer. Daher ist jede Maßnahme, die zu mehr Sicherheit führt, zu begrüßen. Diese Warnweste, die man im Auto mitführt und die wenige Euro kostet, muss jedem von uns sein eigenes Leben wert sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.40

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


22.41

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Wolfinger hat schon einiges ausgeführt. Ich würde mich freuen, wenn diese Kraftfahr­gesetz-Novelle sich wirklich in erster Linie mit Sicherheitsmaßnahmen befassen würde. Ich habe mir das genauer angeschaut: Es sind genau sechs Zeilen in dieser Novelle, die sich auf diese Warnweste beziehen – die Warnweste ist sicher keine schlechte Idee –, aber ganze 15 Seiten umfasst die Novelle. Und darin sind wieder andere Dinge enthalten, die wir Grüne ablehnen müssen. Es ist schon erwähnt worden, dazu gehören die Rundholztransporte, wo einfach die Tonnagen erhöht worden sind. Das ist meiner Meinung nach eher eine Sache, die sich negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken wird.

Im Allgemeinen würde ich sagen, die Warnweste ist zwar lieb, gut, schön und nett; immerhin gibt es jetzt nicht nur eine Mitführverpflichtung, sondern man muss sie auch tragen. Das ist schon etwas. Aber der große Wurf punkto Verkehrssicherheit ist diese Gesetzesnovelle sicher nicht. Da gäbe es noch viele andere Ideen. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit macht immer wieder Vorschläge: Punkteführerschein, Straf­erhöhungen, „Vision Zero“.

Ich habe erst heute wieder in der „Kronen Zeitung“ gelesen – zum Glück habe ich nur die Überschrift gelesen, näher lese ich Artikel da drinnen üblicherweise nicht –: Es sind 700 000 €, die heuer an Strafgeldern nicht eingenommen werden, weil es einfach zu wenige Beamte auf der Straße gibt.

Ich denke, dass es auch ein Beitrag zur Verkehrssicherheit wäre, wenn Alkohol­kontrollen und andere Kontrollen wieder vernünftig durchgeführt werden könnten, und nicht, dass mangels Personal weniger kontrolliert werden kann.

Wie gesagt: Warnwesten sind eine gute Sache. Ich habe heute zufälligerweise im Internet Folgendes gefunden: Es gibt vom BMVIT eine Strategie für mehr Verkehrs­sicherheit auf der Straße. Diese stammt noch von einem anderen Minister, aber ich glaube, Staatssekretär waren Sie (in Richtung von Staatssekretär Mag. Kukacka)


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712. Sitzung / Seite 216

schon Sie anno dazumal. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) Im Jahr 2002 waren Sie nicht Staatssekretär? Habe ich mich schon wieder vertan? Ich habe gedacht, es haben nur die Minister gewechselt. Jedenfalls gibt es in diesem Programm, das trotzdem vom Verkehrsministerium ist und das offensichtlich noch gültig ist, da es auf der Homepage des Verkehrsministeriums steht, einige Schwer­punkte für das Österreichische Verkehrssicherheitsprogramm: Rückhaltesysteme, Alko­hol und andere Drogen, Geschwindigkeit, Führerscheinausbildung, Fahrtraining, Fußgängersicherheit.

Es sind unglaublich viele Punkte, die da umgesetzt werden sollten. Insgesamt wurde bis 2004 ein Ziel formuliert, nämlich minus 25 Prozent Getötete, und ein Subziel: minus 10 Prozent Unfälle mit Personenschaden. Ich habe mir das in der Statistik angeschaut. Inzwischen ist ein Jahr vergangen, aber die Statistik 2003 zeigt nur minus 2,6 Prozent Tote, bei den Verletzten sind es, glaube ich, sogar 0,3 Prozent plus. Die angestrebten 25 Prozent werden sich auf diese Art und Weise nicht ausgehen, wenn man nicht endlich etwas unternimmt.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat auch viele Ideen – ich habe mir jetzt nur die erste Seite ausgedruckt – und kommt zum Schluss: Zum Beispiel vermitteln 30 Prozent der Schutzwege trügerische Sicherheit. 700 Unfälle auf ungeregelten Schutzwegen sind zu viel. Eine konsequente Anwendung der neuen Richtlinien zum Schutz der Fuß­gänger ist erforderlich. – Das heißt, es wäre wirklich wichtig, dass man gerade für Fußgänger und Radfahrer etwas unternimmt und dass nicht nur Schutzwesten für Leute vorgeschrieben werden, die normalerweise auf der Autobahn oder auf der Freilandstraße mit dem Pkw unterwegs sind, denn sonst hätten sie ja keine Schutz­weste mit.

Österreicher sind auch Gurtenmuffel; das ist erst vor kurzem in den Medien herum­gegeistert. Ich denke, da ist Bewusstseinsbildung nötig. Man könnte sehr viel für die Sicherheit tun. Die Warnweste ist ein Punkt, der sicher sehr gut ist, aber es gibt noch sehr viele Dinge im Bereich der Verkehrssicherheit zu tun.

Wie gesagt: Das ist ein kleiner Teil eines großen Gesetzes, aber es ist für uns einfach etwas zu wenig. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

22.45

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wenn Sie (in Richtung des Bundesrates Kritzinger, der beim Präsidium steht) mit­stimmen wollen, dann bitte von Ihrem Platz aus.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (24. Kraftfahrgesetz-Novelle).


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 217

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden, geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Ich ersuche die Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch hier ist Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

33. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird (478 d.B. und 586 d.B. sowie 7118/BR d.B.)

34. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz geändert wird (516 d.B. und 587 d.B. sowie 7119/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 33 und 34 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Die Berichterstattung zu Punkt 33 sowie zu Punkt 34 hat Frau Bundesrätin Bachner übernommen. Ich bitte darum, beide Berichte zu erstatten.

 


Berichterstatterin Roswitha Bachner: Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte. Wortmeldungen liegen hiezu keine vor.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 218

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Ich nehme an, auch die Berichterstattung will nicht noch einmal das Wort ergreifen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energieabgaben­vergütungs­gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

 35. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über gegen­seitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen samt Erklärungen (477 d.B. und 585 d.B. sowie 7120/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 35. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Kraml übernommen.

 


Berichterstatter Johann Kraml: Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen samt Erklärungen liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht. Wortmeldungen liegen hiezu keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Ich nehme an, auch der Herr Berichterstatter wird nicht noch einmal das Wort ergreifen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

36. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und den Vereinigten Mexikanischen Staaten zur


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 219

Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Proto­koll (553 d.B. und 589 d.B. sowie 7121/BR d.B.)

37. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Reichshaftpflichtgesetz, das Rohrleitungs­gesetz und das Gaswirtschaftsgesetz geändert werden (556 d.B. und 590 d.B. sowie 7083/BR d.B. und 7122/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zu den Punkten 36 und 37 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Die Berichterstattung zu Punkt 36 und Punkt 37 hat Herr Bundesrat Prutsch über­nommen. Ich bitte ihn um die beiden Berichte.

 


Berichterstatter Günther Prutsch: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Mexikanischen Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, erstens gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zweitens dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Auch der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflicht­versicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Reichshaftpflichtgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Gaswirtschaftsgesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt dazu eine Wortmeldung vor, und zwar von Herrn Bundesrat Konecny. Ich darf ihn bitten, das Wort zu ergreifen.

 


22.54

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Unter jenen Gesetzen, die wir unter dem Tagesordnungspunkt 37 novellieren, findet sich auch das Reichshaftpflichtgesetz. Nun leben wir – wir haben das ja heute schon ausführlich diskutiert – eher in einer föderalen Republik und nicht in einem Reich. (Ruf bei der ÖVP: In Österreich!) – Okay, es heißt auch nicht „Österreich-Haftpflichtgesetz“. Herr Kollege! Falls Sie darüber nicht Bescheid wissen, erkläre ich Ihnen gerne, worum es geht. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) – Ich überlasse Ihnen gerne Zeit, ich habe sie, auch für den Applaus, ob er jetzt anregend oder nur Bemerkungen zu vorgerückter Stunde zuzurechnen ist.

Dieses Gesetz wurde 1871 für das Deutsche Reich erlassen. Es wurde im Jahre 1938 – was nahe liegend ist – in seinem Geltungsbereich auf das Gebiet der heutigen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 220

Republik Österreich, damals „Ostmark“, ausgedehnt. Mit dem Rechtsüberleitungs­gesetz 1945 wurde es in die österreichische Rechtsordnung übernommen.

Nichts gegen die Substanz dieses Gesetzes, aber es erscheint, 133 Jahre nach seiner Beschlussfassung in Deutschland – und immerhin auch 59 Jahre nach seiner Übernahme in den österreichischen Rechtsbestand –, angemessen, diesem Gesetz vielleicht einen etwas passenderen Titel zu geben. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das fällt Ihnen jetzt auf?) – Herr Kollege, Ihnen ist es gar nicht aufgefallen! Das ist der Unterschied zwischen uns! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Herr Kollege, ich habe das schon einem anderen Kollegen gesagt, aber ich widme Ihnen diesen Satz auch gerne: Sie sollten die Quantität Ihrer Zwischenrufe deren Qualität anpassen! (Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Ich darf trotz der lauten Stimme des Herrn Kollegen nun folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Prof. Konecny, Schennach und KollegInnen betreffend Wieder­verlautbarung des „Reichshaftpflichtgesetzes“

Gemäß Artikel 49a Abs. 2 Z 4 B-VG ist der Bundeskanzler gemeinsam mit den zuständigen Bundesministern ermächtigt, Gesetze wiederzuverlautbaren. Dabei kann er auch Kurztitel festsetzen. Eines der gegenständlichen Gesetze, nämlich das Gesetz betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken usw. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen stammt aus dem Jahre 1871. Es trägt den Kurztitel Reichshaftpflichtgesetz.

Mit Verordnung dRGBl. I S 713/1940 wurde die Geltung des gegenständlichen Geset­zes auf die „Ostmark“ ausgedehnt; mit dem Reichsüberleitungsgesetz wurde es 1945 in die österreichische Rechtsordnung übernommen.

Der Kurztitel ist jedenfalls mit dem Geist der Verfassung der Republik Österreich unvereinbar, weshalb die unterzeichneten Bundsräte folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

Der Bundeskanzler wird ersucht, durch eine Wiederverlautbarung das so genannte Reichshaftpflichtgesetz in seinem Kurztitel so zu ändern, dass dieser dem Geiste der Verfassung der Republik Österreich entspricht.

Unter einem wird der Bundeskanzler ersucht, auch alle anderen Gesetze, die ähnliche Titel tragen, so wiederzuverlautbaren, dass diese dem Geiste der Verfassung der Republik Österreich entsprechen.

*****

Ich gehe davon aus, dass der Entschließungsantrag überreicht ist.


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 221

Aber da wir vom Geiste der Verfassung sprechen und Herrn Staatssekretär Finz unter uns haben, so möchte ich trotz der späten Stunde – diese ist es, die Herrn Staatssekretär Finz eine Dringliche Anfrage erspart hat – doch mit ein paar Sätzen darauf verweisen, was im Finanzressort mit Beschäftigten passiert.

Wir haben in den letzten Tagen, ausgelöst durch eine Serienanfrage der sozial­demokratischen Bundesräte an den Bundeskanzler und an die Mitglieder der Bundesregierung, die Frage der Verwendung von „Schnüffel-Software“, die die völlige Überwachung der MitarbeiterInnen der Ministerien ermöglichen soll, releviert.

In der einschlägigen Fachpresse wurde berichtet, dass im Bundeskanzleramt und in anderen Ressorts eine solche Software im Einsatz ist. Jene im Bundeskanzleramt soll angeblich auf den „schönen“ Namen „Orvell“ hören, wobei der Erzeuger vermutlich Wert darauf legt, dass in der Mitte ein „v“ und kein „w“ steht.

Dieses Thema ist gestern in einer sehr konstruktiven Weise – das möchte ich aus­drücklich festhalten – im Datenschutzrat, der zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen wurde, behandelt worden. Es haben die Ministerien Informationen gegeben, und es hat dort tatsächlich die Hoffnung gegeben, dass es zu einer gemeinsamen, konstruktiven Überprüfung der verwendeten Software kommen wird.

Ich kann aber nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass der Vorsitzende der Finanz­gewerkschaft Klaus Platzer – nicht unser Mann! – heute in einer Erklärung davon gesprochen hat, dass etwa seit einem dreiviertel Jahr Finanzbeamte, vor allem vor einer Beförderung, einer Art Rasterfahndung unterzogen werden. Ich halte das für einen unvorstellbaren Missbrauch der Möglichkeiten, die die elektronische Daten­verarbeitung bietet! Es ist eine massive Verletzung dessen, was man als die „informationelle Selbstbestimmung“ bezeichnet.

Ich würde daher trotz der fortgeschrittenen Zeit und trotz der Tatsache – das räume ich ein –, dass lediglich die Präsenz des Herrn Staatssekretärs hier ein geschäfts­ordnungsmäßiger Anknüpfungspunkt ist, ihn darum ersuchen, einmal inhaltlich etwas dazu zu sagen und sich nicht, wie sein Minister, darauf zu beschränken, wieder einmal zu sagen: Das ist alles nicht wahr! – Was wir von Dementis des Herrn Finanzministers zu halten haben, wissen wir inzwischen zur Genüge.

Herr Staatssekretär, bisher war es so: Auch was wir von Ihren Dementis zu halten haben, haben wir gelernt! Aber Sie könnten ja dazugelernt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

23.02

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Professor Konecny, Schennach und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Wiederverlautbarung des Reichshaftpflichtgesetzes ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


23.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte zunächst eingangs festhalten: Weder im Bundeskanzleramt noch in anderen Ressorts wird irgendeine Schnüffelsoftware verwendet! Ich habe ausdrücklich den Präsidialchef des Bundeskanzleramtes kommen lassen, als ich diese Zeitungsartikel gelesen habe, und habe ihn diesbezüglich gefragt, weil ich zu meinen Agenden auch die IT-Verantwortlichkeit im Finanzressort gehört.

Zur anderen Frage, jene betreffend das Finanzministerium. Wir haben das Problem, dass es in Einzelfällen unter den Finanzbeamten unerlaubte beziehungsweise nicht


Bundesrat
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712. Sitzung / Seite 222

gemeldete Nebenbeschäftigungen gibt, etwa bei Steuerberatern, wo mitunter die Buchhaltung gemacht wird, und auf Konten abgefragt wird, für die der jeweilige Beamte nicht zuständig ist. Da das Steuergeheimnis nicht nur außerhalb der Finanzverwaltung, sondern auch innerhalb der Verwaltung gilt, haben wir im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht verfügt, dass wir fallweise kontrollieren, wie sich jeder Beamte bei seiner Bearbeitung von Akten in seinem Zuständigkeitsbereich verhält. Das ist, wie wir glauben, unsere Pflicht, weil das Steuergeheimnis für alle gilt und ein wichtiger Rechts­anspruch des Einzelnen an die Verwaltung ist.

Wie Sie vielleicht wissen, hat es in einem Finanzamt einen berühmten Vorfall gegeben, der zu einer gerichtlichen Verfolgungshandlung geführt hat. Mit der Buchhaltung beginnt es, dann gibt man gegenseitige Auskünfte, und das Nächste ist, dass man dann beim jeweils zuständigen Finanzbeamten interveniert, dass ein bestimmter Fall steuerrechtlich in eine bestimmte Richtung gelenkt wird.

All das hat uns jetzt veranlasst, dieser Tage an den Zentralausschuss unserer Finanz­verwaltung eine Neuregelung, einen entsprechenden Erlass zu schicken. Bevor jedoch der Vorsitzende des Zentralausschusses mit uns Verhandlungen aufnahm, sah er sich dazu veranlasst, in die Presse zu gehen – was ich persönlich sehr bedaure, denn auch für ihn gilt das Amtsgeheimnis. (Bundesrat Konecny: Na, er kennt Sie ja schon und weiß, wie Sie mit ihm umgehen!) Er hat auch Drohungen ausgesprochen, von Klagen geredet und so weiter – und das gilt es zu regeln! (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür, uns irgendetwas vorzuwerfen. Wir schnüffeln nicht, wir nehmen unsere Aufgabe, nämlich die Fachaufsicht und Dienstaufsicht, voll wahr. In den Gesprächen wird nun zu klären sein, ob wir unseren Aufgaben gesetzlich wirklich nachkommen. Ich habe da überhaupt keine Sorge, weise aber den Vorwurf zurück: Wir verwenden keine Schnüffelsoftware!

Ich war selbst zwölf Jahre lang Personalvertreter, Obmann des Dienststellen­aus­schusses, und ich sage Ihnen: Die Rechte der Bediensteten sind uns heilig! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

23.05

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

 


23.06

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute zu früher Stunde gemeinsam die Würdigung eines Offiziers ausgesprochen, der nicht unbedingt die Republik Österreich zu erringen trachtete. Trotzdem waren wir gemeinsam der Meinung, dass wir ihm eine Ehrung aussprechen sollen.

Wieso sollen wir dann nicht ein Gesetz, welches im Zweiten Deutschen Kaiserreich beschlossen worden ist und Reichshaftpflichtgesetz heißt, weiterhin als Reichs­haftpflicht­gesetz gelten lassen? – Wir haben in Österreich das Reichsgemeindegesetz, wir haben in diesem Haus erfreulicherweise einen Reichsratssitzungssaal, den wir gerne benutzen, weil er so hübsch ist. (Bundesrat Prutsch: 2004 haben wir, Herr Kollege, 2004!) Wir benutzen für viele, die des Rechtes kundig sind, und für manche, die des Rechtes leider Gottes nicht kundig sind, auch ein gemeinsames Handels­gesetzbuch, ohne zu motivieren, ob er jetzt ein eigenes Handelsgesetzbuch heraus­geben sollte.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 223

Ich bitte darum – und jetzt meine ich es fast schon „Hans Sachs“-artig: Lassen wir die Beckmesserei! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

23.07

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Kollege Bieringer.

 


23.07

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny hat für seine Fraktion und für die Fraktion der Grünen einen Entschließungsantrag eingebracht.

Ich habe schon heute Vormittag gesagt: Ein Entschließungsantrag ist ein Auftrag an die Vollziehung. Einen Auftrag an die Vollziehung brauche ich nur dann zu erteilen, wenn die Vollziehung nicht tätig wird. Ich halte fest, dass für das Reichshaftpflicht­gesetz im Bundesministerium für Justiz eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet wurde und der damalige Bundesminister den Auftrag gegeben hat, dass die Gesetzeslage zu durchforsten und das Reichshaftpflichtgesetz umzuwandeln ist, weil es nur mehr einen begrenzten Tatbestand beinhaltet, nämlich nach heutigem Recht nur mehr die Haftung für Anlagen zur Fortleitung und Abgabe von Elektrizität und Gas, dies allerdings nur insoweit, als nicht eine Gefährdungshaftung nach dem Gaswirtschaftsgesetz aus dem Jahr 2000 greift.

Das heißt, der Radius dieses Gesetz ist ganz minimal. Handlungsbedarf ist daher keiner gegeben. Wir gehen davon aus, dass die vom Bundesminister für Justiz ein­gesetzte Kommission bis zum Jahresende ihren Bericht vorlegt. Daher brauchen wir diesen Entschließungsantrag nicht mehr zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

23.09

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die einzelnen Beschlüsse natürlich getrennt erfolgt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Mexikanischen Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgebung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 224

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch hier ist wieder Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir stimmen nun ab über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Wiederverlautbarung des Reichshaft­pflicht­gesetzes vor.

Wir stimmen jetzt über diesen Entschließungsantrag ab, und ich bitte jene Bundes­rätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

38. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfandbriefgesetz und das Bausparkassen­gesetz geändert werden (416/A und 592 d.B. sowie 7123/BR d.B.)

39. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Buchhaltungsagenturgesetz geändert wird (417/A und 593 d.B. sowie 7124/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 38 und 39 der Tagesordnung, über welche die Debatte wieder unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstattung zu Punkt 38 hat Herr Bundesrat Giefing übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Giefing: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfand­briefgesetz und das Bausparkassengesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher zur Antragstellung: Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Die Berichterstattung zu Punkt 39 hat Herr Bundesrat Ager übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 225

Berichterstatter Hans Ager: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Buchhaltungsagenturgesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich komme daher sogleich zum Antrag: Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Juli 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen mir keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Ich nehme an, die Berichterstattung wird auch nicht noch einmal das Wort wünschen.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypotheken­bankgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Buchhaltungsagenturgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

40. Punkt

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 40. Tagesord­nungspunkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Es liegt ein Wahlvorschlag vor, der lautet, Herrn Bundesrat Ewald Lindinger als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekannt gegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Herr Bundesrat Lindinger ist somit als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Ver­sammlung des Europarates gewählt.

Herr Bundesrat! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Tätigkeit. Es ist die Parla­mentarische Versammlung des Europarates eines jener parlamentarischen Gremien, von dem man wirklich sagen kann, dass es eine hohe moralische Autorität besitzt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
712. Sitzung / Seite 226

Mitglied dieser Versammlung zu sein ist eine Ehre. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung ist erschöpft. (Rufe: Ich auch!) – Ich hoffe, Sie sind es nicht, denn einige von Ihnen haben ja noch die Heimreise anzutreten.

Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise, ich wünsche Ihnen allen einen erholsamen und guten Urlaub und vor allen Dingen, dass wir uns im Herbst dann alle gesund wieder treffen. (Neuerlicher allgemeiner Beifall.)

Einlauf

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich habe aber noch etwas bekannt zu geben, denn Ordnung muss sein: Seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung sind insgesamt 24 Anfragen eingebracht worden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 7. Oktober 2004, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie eben dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Für Mittwoch, den 6. Oktober, ab 14 Uhr sind die Vorberatungen für die Ausschüsse vorgesehen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass eine Abänderung zu jenem Arbeitsplan vorliegt, nach welchem die Ausschusssitzungen für Dienstag, den 5. Oktober, vorgesehen waren. Dies wurde geändert; der neue Termin ist bereits im Saal verteilt worden.

Nochmals: Kommen Sie gut heim und einen schönen Urlaub!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.19 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien