Stenographisches Protokoll

713. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 7. Oktober 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

713. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 7. Oktober 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 7. Oktober 2004: 9.04 – 16.13 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Wahl von einem Vizepräsidenten und von Schriftführern für den Rest des 2. Halbjahres 2004

2. Punkt: Erklärung des Landeshauptmannes von Wien, Bürgermeister Dr. Michael Häupl, zum Thema „Finanzausgleich und Österreich-Konvent“

3. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Bericht 2004)

4. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2005 gemäß § 9 LWG

5. Punkt: Siebenter Umweltkontrollbericht

6. Punkt: Bericht über die Auswirkungen des Rechtsschutzes auf den Bereich unter­halb der Schwellenwerte

8. Punkt: Wahl von Ausschüssen

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 32

7. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Andreas Schnider, Günther Molz­bichler, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ab­haltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schule und Bildung – Entwicklungschancen des österreichischen Schulsystems“ (138/A-BR/2004)

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ............................................................................... 10


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 2

Angelobung der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Edgar Mayer und Jür­gen Weiss                     11

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes in den Bundesrat ......................................................................................................................................... 30

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Nominierung eines Mitgliedes der Europäischen Kommission gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bun­des-Verfassungsgesetz                         31

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) der Geschäftsordnung des Bun­desrates ............................................. 31

Antrag der Bundesräte Dr. Andreas Schnider, Günther Molzbichler, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen An­trag 138/A-BR/2004 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schule und Bildung – Entwicklungschancen des österreichi­schen Schulsystems“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ...............................................  32, 32

1. Punkt: Wahl von einem Vizepräsidenten und von Schriftführern für den Rest des 2. Halbjahres 2004             ............................................................................................................................... 32

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 34

8. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................... 115

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 10

Fragestunde (105.)

Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ..................................... 11

Karl Bader (1359/M-BR/04); Engelbert Weilharter, Eva Konrad, Theodor Binna

Theodor Binna (1355/M-BR/04); Martina Diesner-Wais, Mag. John Gudenus, Dr. Ruperta Lichtenecker

Mag. John Gudenus (1363/M-BR/04); Elisabeth Kerschbaum, Theodor Binna, Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger

Ferdinand Tiefnig (1360/M-BR/04); Roland Zellot, Dr. Ruperta Lichtenecker, Theodor Binna

Johann Kraml (1356/M-BR/04); Ing. Hermann Haller, Ing. Siegfried Kampl, Stefan Schennach

Elisabeth Kerschbaum (1364/M-BR/04); Werner Stadler, Ferdinand Tiefnig, Ro­land Zellot

Martina Diesner-Wais (1361/M-BR/04); Ing. Siegfried Kampl, Stefan Schennach, Werner Stadler

Werner Stadler (1357/M-BR/04); Johann Höfinger, Mag. John Gudenus, Dr. Ru­perta Lichtenecker


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 3

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (1362/M-BR/04); Roland Zellot, Elisabeth Kerschbaum, Werner Stadler

Günther Prutsch (1358/M-BR/04); Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg, Ing. Sieg­fried Kampl, Eva Konrad

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  31, 116

Verhandlungen

2. Punkt: Erklärung des Landeshauptmannes von Wien, Bürgermeister Dr. Mi­chael Häupl, zum Thema „Finanzausgleich und Österreich-Konvent“ ................................................................... 34

Landeshauptmann Dr. Michael Häupl ....................................................................... 34

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 39

Redner:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 39

Manfred Gruber ............................................................................................................ 41

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 45

Stefan Schennach ........................................................................................................ 48

Landeshauptmann Dr. Michael Häupl ....................................................................... 51

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 56

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 59

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 62

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 63

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 66

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Bericht 2004) (III-262-BR/2004 d.B. sowie 7125/BR d.B.) .............. 67

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 67

4. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2005 gemäß § 9 LWG (III-263-BR/2004 d.B. sowie 7126/BR d.B.) ........................................ 67

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 67

Redner:

Ana Blatnik .................................................................................................................... 68

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 69

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  72, 82

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 75

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 76

Werner Stadler .............................................................................................................. 78

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 80

Roland Zellot ................................................................................................................. 84


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 4

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 86

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 87

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 87

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, den Bericht III-262-BR/2004 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-263-BR/2004 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 90

5. Punkt: Siebenter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-259-BR/2004 und Zu III-259-BR/2004 d.B. sowie 7127/BR d.B.)                    90

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 90

Redner:

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 90

Ernst Winter .................................................................................................................. 92

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 93

Elisabeth Kerschbaum .......................................................................................  96, 107

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .............................................................  100, 104

Karl Bader ................................................................................................................... 102

Günther Molzbichler .................................................................................................. 104

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 105

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-259-BR/2004 und Zu III-259-BR/2004 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................... 108

6. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Aus­wirkungen des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte (III-261-BR/2004 d.B. sowie 7128/BR d.B.)                         108

Berichterstatter: Ing. Siegfried Kampl ....................................................................... 108

Redner:

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg .......................................................................... 109

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 109

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 111

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 111

Dr. Karl-Heinz Dernoscheg ....................................................................................... 111

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-261-BR/2004 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 115

7. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Andreas Schnider, Günther Molzbichler, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schule und Bildung – Entwicklungschancen des österreichischen Schul­systems“ (138/A-BR/2004) ........................................................................................................... 115

Annahme des Antrages auf Abhaltung einer Enquete ................................................ 115


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 5

Eingebracht wurden

Entschließungsantrag der Bundesräte

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung des Berech­tigungsumfanges für das Gewerbe der Zahntechniker sowie Direktverrechnung der Sozialversicherung mit den Zahntechnikern (139/A-BR/2004)

Anfragen der Bundesräte

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen (2236/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesministeriums für Justiz (2237/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesministeriums für Inneres (2238/J-BR/04)

Manfred Gruber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend die weitere Zukunft der Rollenden Landstraße und des unbegleiteten Kombiverkehrs in Österreich und insbesondere im Land Salzburg (2239/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesministeriums für Ge­sundheit und Frauen (2240/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vermittlungstätigkeit der Plech & Plech Immobilientreuhänder Ges.m.b.H. (2241/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesministeriums für Wirt­schaft und Arbeit (2242/J-BR/04)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Freizeitunfälle (2243/J-BR/04)

Johann Giefing, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend weitere Schließungen von Postämtern in Nieder­österreich (2244/J-BR/04)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Eisenbahnlinie Spielfeld-Strass–Bad Radkersburg (2245/J-BR/04)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Südbahnstrecke im Bereich Graz (2246/J-BR/04)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzierbarkeit öffentlicher Leistungen (2247/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Verschwendung von Steuergeldern für Geburts-


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713. Sitzung / Seite 6

tagsfeste von Regierungsmitgliedern bzw. Staatssekretären durch den Direktor des Kunsthistorischen Museums Hofrat Wilfried Seipel (2248/J-BR/04)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Forschungsförderung in den Jahren 1999 – 2004 (2249/J-BR/04)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend die Technologiepolitik (2250/J-BR/04)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die „Reformpolitik“ an Österreichs Univer­sitäten (2251/J-BR/04)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend die Arbeitsmarktpolitik von 1999 – 2004 (2252/J-BR/04)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend die Veränderungen der Einnahmestruktur des Landes OÖ und die Auswirkungen auf die Gemeinden (2253/J-BR/04)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Breitbandinitiative in Österreich (2254/J-BR/04)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend die Frauenpolitik seitens der Bundesregierung (2255/J-BR/04)

Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erlass des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angele­genheiten vom 6. Juni 1990 an den Landeshauptmann von Kärnten betreffend Vorkeh­rungen bei der notwendigen Erneuerung von Straßenverkehrszeichen (2256/J-BR/04)

Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Planstellenbesetzung (2257/J-BR/04)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Führerschein im Scheckkartenformat (2022/AB-BR/04 zu 2203/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Folterungen im Irak (2023/AB-BR/04 zu 2186/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Anna Elisabeth Haselbach, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Grenzgänger- und Praktikantenabkommen mit Tsche­chien (2024/AB-BR/04 zu 2204/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Alb­recht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2025/AB-BR/04 zu 2224/J-BR/04)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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713. Sitzung / Seite 7

drohende Benachteiligung für Spezialkulturen – am Beispiel Kürbisanbau (2026/AB-BR/04 zu 2205/J-BR/04)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von „Schnüffelsoftware“ in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2027/AB-BR/04 zu 2219/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Güterverkehr auf der Donau (2028/AB-BR/04 zu 2209/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend den beabsichtig­ten Postbusverkauf (2029/AB-BR/04 zu 2212/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2030/AB-BR/04 zu 2214/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hochwasserschutz­bauten in Österreich (2031/AB-BR/04 zu 2210/J-BR/04)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (2032/AB-BR/04 zu 2233/J-BR/04)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kasernen-Standorte und Liegen­schaftsverkäufe (2033/AB-BR/04 zu 2207/J-BR/04)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Staatszielbestimmung (2034/AB-BR/04 zu 2208/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Straßenverkehrszeichen in Kärnten (2035/AB-BR/04 zu 2230/J-BR/04)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2036/AB-BR/04 zu 2222/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoft­ware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2037/AB-BR/04 zu 2215/J-BR/04)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend unverständliche Vorgangsweise des Innenminis­ters im Rechtsstreit zwischen dem Bund und Salzburg um Kosten für die Bergung von Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg (2038/AB-BR/04 zu 2227/J-BR/04)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öf­fentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2039/AB-BR/04 zu 2221/J-BR/04)


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713. Sitzung / Seite 8

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Alb­recht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2040/AB-BR/04 zu 2218/J-BR/04)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2041/AB-BR/04 zu 2216/J-BR/04)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Öster­reich (2042/AB zu 2223/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Wolf­gang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend personelle Ausstattung der Bundeswettbewerbsbehörde (2043/AB-BR/04 zu 2228/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2044/AB-BR/04 zu 2217/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanierung der Bahnlinie von Korneuburg nach Ernstbrunn (2045/AB-BR/04 zu 2235/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend ÖBB-Beratungs­honorare (2046/AB-BR/04 zu 2229/J-BR/04)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2047/AB-BR/04 zu 2220/J-BR/04)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Schnüffelsoftware in öffentlichen Dienststellen der Republik Österreich (2048/AB-BR/04 zu 2213/J-BR/04)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesminis­teriums für Justiz (2049/AB-BR/04 zu 2237/J-BR/04)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verluste für die „Wiener Zeitung“ durch den Kauf des „Wiener Journal“ (2050/AB-BR/04 zu 2225/J-BR/04)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Benennung einer Einrichtung des Bun­desheeres nach Oberstleutnant Robert Bernardis (2051/AB-BR/04 zu 2226/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderabgabe auf Alcopops (2052/AB-BR/04 zu 2234/J-BR/04)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Alb­recht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (2053/AB-BR/04 zu 2240/J-BR/04)


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713. Sitzung / Seite 9

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesminis­teriums für Finanzen (2054/AB-BR/04 zu 2236/J-BR/04)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vermittlungstätigkeit der Plech & Plech Immobili­entreuhänder Ges.m.b.H. (2055/AB-BR/04 zu 2241/J-BR/04)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesminis­teriums für Inneres (2056/AB-BR/04 zu 2238/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Manfred Gruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die weitere Zukunft der Rollenden Landstraße und des unbegleiteten Kombiverkehrs in Österreich und insbe­sondere im Land Salzburg (2057/AB-BR/04 zu 2239/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Alb­recht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bespitzelung der Bediensteten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (2058/AB-BR/04 zu 2242/J-BR/04)

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 713. Sitzung des Bundes­rates.

Das Amtliche Protokoll der 712. Sitzung des Bundesrates vom 22. Juli 2004 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Ewald Lindinger.

Einlauf

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt ist ein Schreiben des Vorarlber­ger Landtages betreffend die Wahl der Mitglieder Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner sowie der Ersatzmitglieder Dr. Magnus Brunner, Lukas Feur­stein und Helmut Pech in den Bundesrat.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

„Gebhard Halder

Landtagspräsident

Bregenz, 05.10.2004

Frau

Anna Elisabeth Haselbach

Präsidentin des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

ich darf Ihnen mitteilen, dass der XXVIII. Vorarlberger Landtag in seiner 1. Sitzung in diesem Jahr am 05.10.2004 folgende Bundesräte gewählt hat:

Herrn Jürgen Weiss, Bregenz, Froschauerstraße 4 (ÖVP)

Herrn Edgar Mayer, Feldkirch, Egelseestraße 83 (ÖVP)

Herrn Ing. Reinhold Einwallner, Hörbranz, Ruggburgstraße 4 (SPÖ)

Als Ersatzmitglieder wurden gewählt:

Herr Dr. Magnus Brunner, Höchst, Konsumstraße 34

Herr Lukas Feurstein, Schwarzenberg, Heuberg 222

Herr Helmut Pech, Rankweil, Vorderlandstraße 25

Mit freundlichen Grüßen

Gebhard Halder

Präsident des Vorarlberger Landtages“

*****


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 11

Angelobung

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Das wieder gewählte Mitglied und die neu gewählten Mitglieder sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Ange­lobung dieser drei Mitglieder vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


Schriftführerin des Bundesrates Johanna Auer: „Sie werden geloben unverbrüch­liche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungs­gesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Ing. Reinhold Einwallner.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Ich gelobe.

 


Schriftführerin des Bundesrates Johanna Auer: Edgar Mayer.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Ich gelobe.

 


Schriftführerin des Bundesrates Johanna Auer: Jürgen Weiss.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Ich gelobe.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich möchte ganz, ganz herzlich zur Wieder­wahl und zur jetzigen Wahl beziehungsweise auch zum Leisten des Gelöbnisses gratu­lieren und vor allem auch für das Gelöbnis danken.

Wir begrüßen die neuen Mitglieder und insbesondere unseren Kollegen Jürgen Weiss ganz, ganz herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzler­amt über die Entschließung des Herrn Bundespräsidenten folgende Mitteilung gemacht hat:

Innerhalb des Zeitraumes vom 1. bis 8. Oktober 2004 wird der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz durch die Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Ursula Haubner, und am 6. und 7. Oktober 2004 der Bundeskanzler und der Vizekanz­ler für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung durch den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit, Dr. Martin Bartenstein, und am 6. und 7. Oktober 2004 die Bundes­ministerin für Justiz durch die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Maria Rauch-Kallat, vertreten.

Fragestunde

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.10 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis auf 120 Minuten erstre­cken kann.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 12

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zur 1. Anfrage mit der Zahl 1359/M an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Ich darf den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Karl Bader, um die Verlesung seiner An­frage bitten.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1359/M-BR/2004

„Welche umweltpolitischen Maßnahmen zur Reduktion der Emissionsbelastung im Ver­kehrssektor wurden in dieser Regierungsperiode bereits umgesetzt?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesrat! Wir haben eine Reihe von Maßnahmen zur Gegensteuerung der Emissionen im Verkehrsbereich getroffen, so in letzter Zeit eine Verordnung, die in den nächsten Tagen hinausgehen wird, rund um die Frage Beimischung von Biotreibstoffen zu fossilen Treibstoffen. Wir werden damit eine qualitative Verbesserung erreichen können. Wir werden bis 2008 5,75 Prozent fossilen Treibstoff ersetzen und damit eine Million Tonnen CO2 für die Klimastrategie bringen können.

Der zweite Punkt, der für die Emissionen entscheidend ist, ist die Feinstaubproblema­tik. Wir werden ab Mitte des nächsten Jahres mit der Begünstigung von Dieselpartikel­filtern im Rahmen der NOVA entsprechende Akzente setzen, um die Feinstaubproble­matik besser in den Griff zu bekommen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zu einer weiteren Zusatzfrage, die Herr Bundesrat Weilharter stel­len wird.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! In der Steiermark hat das im heurigen Frühjahr verhängte temporäre Geschwindigkeits­limit, also Stundenkilometerlimit, auf den Autobahnen nicht den erhofften Erfolg ge­bracht. Nunmehr überlegt man, in Tempo-30-Zonen auf den so genannten Rollsplitt zu verzichten. Ich frage Sie daher: Welche konkreten Auswirkungen auf die Umwelt und zur Verringerung der Belastung der Gesundheit der Bevölkerung erhofft man sich durch diese Maßnahme?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so, dass die Länder jetzt gefordert sind, durch ver­schiedene Maßnahmen in Problemzonen Antworten zu finden. Es ist nicht immer nur monokausal, dafür zu sorgen, dass der Verkehr als einzige Quelle identifiziert wird, sondern wir müssen eine Standortbestimmung haben. Da können mehrere Faktoren ausschlaggebend sein, bis hin zu Industrieemissionen und anderen Dingen. Sie haben den Verkehrsbelag erwähnt. Es obliegt jetzt den Ländern, einzelne Maßnahmen zu setzen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 13

Was die Frage konkret betrifft, verweise ich darauf, dass in Graz der dort zuständige Umweltlandesrat die entsprechenden Maßnahmen setzen wird. Wenn sich erweist, dass eine politische Maßnahme nicht zum gewünschten Erfolg führt, muss man auch andere Antworten geben. Das liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Nächste Zu­satzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche weitergehenden Maßnahmen zur Emissionsreduktion werden Sie im Einzelnen ergrei­fen, um sicherzustellen, dass die Erreichung des Kyoto-Ziels nicht an der Emissions­bilanz des Verkehrs scheitert?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 



Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 14

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben jetzt einen ersten wichtigen Schritt gesetzt bei der Frage der Beimischung. Damit werden wir eine Million Tonnen CO2 reduzieren können. Wir werden auch in einer eigenen Studie berechnen, welche Auswirkungen auf die CO2-Emission allein der Tanktourismus hat. Insgesamt bin ich auch mit der eigenen Kampagne „Spritsparend fahren“ und anderen Themen dabei, in der Frage der persön­lichen Mobilität Akzente zu setzen, da natürlich das Verhalten jedes Einzelnen entspre­chend gesehen werden muss. Ich erinnere nur an die kontroversielle Debatte „Auto­freier Tag in Wien“.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Wann wird es zu einer Euro-5-Regelung zur weiteren Emissionsbegrenzung gemäß dem Stand der Technik von Neufahrzeugen EU-weit kommen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich kann die Frage nur indirekt beantworten. Wir diskutieren sehr intensiv im Umweltministerrat darüber. Klar ist, dass in der Frage Euro 5 die Stan­dardisierung für die Zukunft wichtig ist, dass aber auch andere Räte, wie Wettbewerbs- und Wirtschaftsrat, in die Diskussion mit eingebunden sind. Die Diskussion läuft. Ich kann momentan nicht absehen, wann Euro 5 definitiv umgesetzt werden kann.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur nächsten Anfrage, diese stellt Herr Bundesrat Binna. Ich darf ihn um die Verlesung seiner Frage bitten.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1355/M-BR/2004

„Warum belasten Sie angesichts überaus hoher Benzinpreise die Autofahrer nochmals mit einem Malussystem für Dieselautos ohne Partikelfilter, was zu geschätzten Mehr­einnahmen für den Finanzminister von 13 Millionen € führen wird, anstatt den Ankauf von modernen Dieselfahrzeugen mit Partikelfiltern ausschließlich zu fördern, wie dies die Bundesrepublik Deutschland vorhat?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Gemessen an der Zahl der Gesamtzulassungen der PKWs in Österreich beträgt der Anteil der Diesel-PKWs bei den Neuzulassungen 70 Prozent. Wir haben damit eine Antwort zu geben, wie wir aus dem Diesel heraus die Feinstaub­belastung reduzieren. Der Dieselpartikelfilter oder adäquate technische Vorrichtungen schaffen die Möglichkeit. Wir werden also alle Fahrzeuge, die es schaffen, unter 5 Milli­gramm pro gefahrenen Kilometer zu emittieren, in der NOVA entsprechend begünsti­gen und bei all jenen Fahrzeugen, die das nicht tun, die NOVA entsprechend erhöhen. Jeder wird die Chance haben, sich ab Mitte des nächsten Jahres für ein Auto zu entscheiden, das diese Technologie hat, und damit den richtigen umweltpolitischen Ak­zent zu setzen.

Ich halte es umweltpolitisch für richtig, jene zu belohnen, die etwas für die Umwelt in­vestieren, und den anderen eine andere Antwort zu geben. Die Möglichkeit, sich zu entscheiden, muss gegeben sein.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Der LKW-Ver­kehr nimmt auf nicht bemauteten Straßen ständig zu – diese verlaufen hauptsächlich in touristischen Regionen. Welche Maßnahmen können Sie sich als Umweltminister vorstellen, um die verstärkte Umweltbelastung in diesen Regionen zu verbessern?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich habe bereits veranlasst, dass zum Beispiel in der Frage Verkehrsbelastungen in sensiblen Regionen, auch durch den LKW-Verkehr, gemein­sam mit Ungarn – ein Beispiel ist die sensible Region Neusiedler See, auch touristisch genutzte Region –, Antworten gefunden werden. Es laufen entsprechende Koopera­tionsgespräche.

Ich bin auch dabei, zum Beispiel mit Bischofshofen und Werfenweng einen autofreien Urlaub zu ermöglichen. Wir haben dort schon eine eklatante Verringerung der Zahl von PKWs von Urlaubern, weil sie mit der Bahn anreisen, auch aus Deutschland. Ich denke, dass wir mit solchen Musterbeispielen vorangehen können. (Beifall des Bun­desrates Boden.)

Sonst tue ich alles, um in der Regierung dafür zu sorgen, dass die Umlenkung des LKWs von der Straße auf die Schiene auch funktionieren kann.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals, Herr Bundesminister.

Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage. – Frau Bundesrätin Diesner-Wais, bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sind derzeit weitere steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung umwelt­politischer Ziele im Verkehrsbereich geplant?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so, dass wir in der Frage der Beimischung genau die­selbe Logik aufmachen wie in der Frage des Diesel-Partikelfilters. Wir werden jene Treibstoffe, die beigemischt werden, die einen beigemischten Prozentanteil haben, Bio­diesel und Ethanol, entsprechend steuerlich, also bei der MÖSt, begünstigen und bei jenen Treibstoffen, die das nicht haben, die Steuer entsprechend erhöhen.

Es wird jedem Österreicher möglich sein, ab dem ersten Tag der Beimischung überall in Österreich dieses beigemischte Produkt zu tanken. Damit erspart er sich 0,5 Cent


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 15

MÖSt pro Liter, das gewähren wir. Jener, der freiwillig zu einem anderen Produkt greift, das ökologisch nicht den entsprechenden Nutzen bringt, hat damit zu rechnen, mehr zu zahlen. Die Wahlfreiheit wird gegeben sein.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm (den Vorsitz übernehmend): Zu einer weiteren Zu­satzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Inwieweit gibt es bereits internationale Erfahrungen hinsichtlich von konkreten Umwelt verbes­sernden Auswirkungen einer steigenden Anzahl von Dieselfahrzeugen, die einen Die­selpartikelfilter eingebaut haben?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 



Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 16

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Das ist direkt ablesbar an den Emissionsdaten. Wir setzen nicht auf den Dieselpartikelfilter als Anreizsystem, sondern wir setzen auf den Emissions­wert: 5 Milligramm pro gefahrenen Kilometer. Es gibt verschiedene Technologien. Der Partikelfilter ist momentan die tragende Säule. Egal, mit welchem Modell man die 5 Milligramm pro Kilometer unterschreitet, man wird dafür entsprechend belohnt im Be­reich der NOVA des Fahrzeuges, egal, welche Technologie. Wir sehen zum Beispiel, dass französische Autohersteller das schon seit langem anbieten, sogar offen in ihrer Werbung als umweltfreundliche Maßnahme hinstellen. Wir können damit die Fein­staubbelastung enorm senken.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bun­desrätin Dr. Lichtenecker gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Die Deckelung des Steuertarifs im Normverbrauchsabgabegesetz halten wir für ökologisch kontraproduktiv. Die Frage ist: Welche Schritte setzen Sie bezüglich Streichung oder Anhebung dieser Deckelung?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 



Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 17

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben in dieser Frage nichts vorgesehen, sondern wir wol­len jetzt mit der NOVA eine Spreizung für jene Fahrzeuge, die die Emissionsgrenzen unterschreiten, belohnen: minus 300 €. Jene, die das nicht tun, im ersten Jahr plus 150 €, und im zweiten Jahr minus 300 € für jene, die die Emissionsgrenzen einhalten. Für jene Fahrzeuge, die darüber liegen, plus 300 €. Wir haben damit 600 € Unter­schied in der NOVA für Fahrzeuge, die umweltfreundlich fahren im Dieselbereich, und jene, die nicht umweltfreundlich unterwegs sind.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Gudenus, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage:

1363/M-BR/2004

„Welche konkreten Maßnahmen werden Sie seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Förderung von Dieselpartikel­filtern setzen?“

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich habe bereits mehrmals versucht, auf diese Frage eine Ant­wort zu geben. Da muss ich auf die Vorrednerin eingehen, weil sie sich über das Wort „Steuerspreizung“ gewundert hat. Das ist ein steuertechnischer Begriff; wenn man zwei Steuersätze von einem einheitlichen Satz auseinander gibt, um Anreizsysteme zu schaffen, dann ist der Name so zu wählen. Deswegen ist er auch von mir so gewählt worden.

Das ist auch die Antwort auf die Frage des Herrn Bundesrates Gudenus. Wir haben ein Steuerspreizungsmodell in der Endausbaustufe von 600 €, um jene Fahrzeughalter zu belohnen, die auf umweltfreundliche Dieselfahrzeuge setzen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Welche Abgase sind in geschlossenen Räumen am gefährlichsten? (Allgemeine Heiterkeit.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Bundesrat! Das ist eine sehr einfache Frage, die sehr schwierig zu beantworten ist, weil ich auch ganz klar sagen muss, dass es einen Mix von Maßnahmen gibt. Man sieht das auch an der Debatte rund um die Chemikalienge­setzgebung beim REACH-System in Europa, wo eine breite Palette von gasförmigen Chemikalien gesundheitsgefährdend sein kann. Wir müssen auf alle Antworten geben.

Ich kann jetzt ad hoc keine Reihung vornehmen, sondern wir müssen schauen, dass die Grenzwerte in der Luftbelastung, die vorgegeben sind, auch für den Arbeits- und Wohnbereich durch den Einsatz entsprechender Baustoffe und durch andere Maßnah­men eingehalten werden.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bun­desrätin Kerschbaum gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Minister! Ich komme noch einmal zu den Dieselpartikelfiltern zurück. Mir geht es um die Gebraucht­fahrzeuge und um die LKWs. Was werden Sie da tun und wann?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so, dass uns auch Techniker sagen, dass es nur Sinn macht, Dieselpartikelfilter dort zu fördern, wo Neuzulassungen vorhanden sind, weil da die Technologie ausgereift ist. Bei der Umrüstung der alten Flotte haben wir im PKW-Bereich nichts vorgesehen. Bei den LKWs wird bei der Frage Euro-5-LKWs die ent­scheidende Antwort auf europäischer Ebene zu geben sein, ob wir es schaffen, Euro 5 verpflichtend einzuführen; ich kämpfe dafür. Dann gibt es noch eine massive flächen­deckende Reduktion, wobei uns die LKWs ja in diesem Bereich die größten Sorgen bereiten. Ab dem nächsten Jahr stellen wir mit der neuen Dieselflotte sukzessive um.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Binna gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Warum wird es nicht eine Förderung für die technisch machbare freiwillige Nachrüstung von Diesel­fahrzeugen mit Partikelfiltern geben?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Weil ich in zwei Punkten ein Problem sehe: Erstens ist die tech­nische Effizienz für Altfahrzeuge nicht in der Höhe gegeben, wie sie notwendig wäre. Wir wollen zweitens versuchen, bei den neuen PKWs die Trendwende zu schaffen. Außerdem sind damit natürlich auch extreme Kosten verbunden, das muss man ganz klar sehen. Wichtig ist, dass ab dem nächsten Jahr die Flotte sukzessive umgestellt wird.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Dipl.-Ing. Bogensperger gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminis­ter! Was waren die Gründe dafür, dass seitens der Bundesregierung eine Initiative zur Forcierung von Technologien zur Reduktion der Partikelemissionen bei Diesel-PKWs gestartet wird?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Internationale Studien zeigen, dass durch den Ausstoß von Feinstaub und anderen Partikeln vor allem Kinder sehr stark betroffen sind, und das besonders in den konzentrierten urbanen Räumen. Damit ist eine hohe Zahl an Asth­mafällen – man schätzt für Österreich 14 000 Fälle – verbunden. Darauf ist eine gesundheitspolitische, umweltpolitische und verkehrspolitische Antwort mit der Einfüh­rung des Dieselpartikelfilters zu geben, um eben diese Belastung vor allem im Sinne der Kinder und jener älteren Menschen, die an sich schon belastet sind, entsprechend zu reduzieren.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Tiefnig, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Meine Frage lautet:

1360/M-BR/2004

„Welche umweltpolitischen Auswirkungen erwarten Sie sich durch die forcierte Umset­zung der Biokraftstoffrichtlinie in Österreich?“

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Umsetzung der Biokraftstoffrichtlinie in Österreich erfolgt ambitionierter als in der Europäischen Union. Das Ziel ist nämlich, 5,75 Prozent bereits im Jahr 2008 zu erreichen und nicht erst im Jahr 2010. Das wird erstens dazu führen, dass wir eine Million Tonnen an CO2-Ausstoß einsparen, weil wir regenerative Kreis­läufe schließen können. Und das wird zweitens dazu führen, dass wir in den nächsten Jahren stufenweise auch österreichische Produktion sichern können, was die Frage des ländlichen Raums betrifft. Wir brauchen dafür Rapsflächen, wir brauchen dafür Getreide- und Zuckerrübenflächen und geben damit nicht nur eine umweltpolitische, sondern auch eine agrarpolitische Antwort.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Das hat sich durch die Antwort des Herrn Ministers erübrigt. Danke.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Zellot gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 



Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 18

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Ist aus Ihrer Sicht die österreichische Produktionsbasis zur anteiligen Biodieselbeimischung gege­ben?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Man muss ganz klar sagen, dass uns das Verhältnis Biodiesel für die Dieselbeimischung und Ethanol für die Benzinbeimischung ganz besonders for­dern wird. Nach den jetzigen Berechnungen müssen wir davon ausgehen, dass Import­bedarf bestehen wird, aber dass wir auch riesige Flächen in Österreich zur Verfügung haben werden, die zum Beispiel jetzt stillgelegt sind. Diese können wir künftig für die Biospritproduktion nutzen, was den Diesel und Ethanol betrifft.

Deswegen habe ich auch in meiner Verordnung vorgeschlagen, nicht von einem Tag auf den anderen 5,75 Prozent Substitution zu machen, sondern bis 2008 stufenweise in diese 5,75 Prozent hineinzuwachsen, um technologisch und produktionstechnisch in Österreich die Grundlagen dafür zu schaffen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bun­desrätin Dr. Lichtenecker gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Werden die Mehr­belastungen durch den Materialimport und die zunehmenden Emissionen durch den zunehmenden Stickstoffdüngereinsatz berücksichtigt, und was bleibt Ihrer Meinung nach noch vom vielzitierten Umweltvorteil?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sie sprechen die Umweltbilanz an. Sie vergessen aber dabei – und das sage ich jetzt als einer, der in der Landwirtschaft aufgewachsen ist –: Es gibt einen Unterschied in der Bewirtschaftung dieser Kulturen für Nahrungsmittelzwecke und für die Energiegewinnung, nämlich in der Intensität und Ertragssituation, weil die Reinheit, die Wachstumsfähigkeit der Ware für die Energiegewinnung nicht so sein muss wie im Nahrungsmittelbereich. Dadurch wird in den Bereichen Biosprit- und Bio­dieselproduktion extensiver gewirtschaftet werden. Es zahlt sich jedenfalls aus, dass wir einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Zieles schaffen. Das sind eine Million Tonnen CO2, auf die ich nicht verzichten kann, vor allem dann nicht, wenn damit auch noch Wertschöpfung im ländlichen Raum in Österreich garantiert ist.

Wir werden eine Ethanolanlage um 100 Millionen € brauchen, die ungefähr hundert Menschen in Österreich Arbeit geben wird. Das dürfen wir auch nicht vergessen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Binna gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! In welchem Aus­maß werden 2005 und 2006 Biokraftstoffe nach Österreich importiert werden, sodass die Förderung nicht den österreichischen Landwirten zu Gute kommen wird?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir werden natürlich in den Jahren 2005 und 2006 Importbedarf haben, aber die Produktion überwiegend in Österreich sicherstellen können. Deswegen starten wir auch erst mit 1. Oktober 2005, um der Landwirtschaft in Österreich die Mög­lichkeit zu geben, mit Verträgen mit den Abnehmern OMV oder jenen, die das Produkt erzeugen, im Produktionszyklus möglichst viel aus Österreich sicherzustellen. Sie


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 19

können davon ausgehen, dass die österreichische Landwirtschaft bis an das machbare Limit liefern wird – alles andere ist dann zu importieren. Der Umweltnutzen ist jeden­falls gegeben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Kraml, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister!

1356/M-BR/2004

„Worin sehen Sie die Gründe, dass es im Rahmen der GAP-Verhandlungen für Öster­reich nicht gelungen ist, eine gerechtere Umverteilung der Agrarförderungen, einen merklichen Bürokratieabbau und eine stärkere Berücksichtigung der menschlichen Arbeitskraft zu erreichen?“

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Bundesrat Kraml! Ich muss ein Thema explizit ansprechen, die Frage der Umverteilung. Diese Agrarreform hat die Umverteilung nicht zum Ziel. Wir haben eine Agrarreform gemacht, um die Produktion von den Ausgleichszahlungen zu entkoppeln, um damit auf internationaler Ebene die richtigen Antworten zu geben. Es kommt zu keinen Ungerechtigkeiten, sondern das, was Betriebe in einem Beobach­tungszeitraum von drei Jahren erwirtschaftet haben, wird für die Zukunft festgeschrie­ben und von der Produktion entkoppelt. Die Bauern können damit auf den Märkten auch stärker reagieren.

Was die Frage der Bürokratie betrifft, setzen wir uns in diesen Monaten sehr stark mit Umstellungen auseinander. Die Kammern arbeiten da hervorragend. Es ist viel Auf­wand zu tätigen, um das System umzustellen. Wenn es umgestellt ist, wird es für die bäuerliche Bevölkerungsgruppe in Zukunft aus dem Titel der GAP-Prämien einen geringeren Aufwand geben. Der höchste bürokratische Aufwand besteht auf Grund des Umweltprogramms ÖPUL, aber darauf wollen wir hoffentlich nicht verzichten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Wenn man sich den Grünen Bericht durchliest, sieht man, dass immer noch rund 20 Prozent der Betriebe an die 80 Prozent der Fördermittel bekommen. Gedenken Sie, hier Änderun­gen einzuführen?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Das Europäische Agrarsystem, zu dem ich mich auch bekenne, stellt klar ab auf Prämie pro Fläche und Prämie gemessen am Einkommensverlust. Wir haben in Europa politisch die Preise auf Weltmarktniveau gesenkt und dafür für jeden Landwirt – ob klein, ob groß – pro Hektar Einkommensverlust einen Ausgleich ge­geben. Es ist daher völlig falsch, davon auszugehen, dass man da eine Umverteilung vornehmen sollte. Jeder war von der Kürzung der Preise betroffen – ob er 5 Hektar oder 100 Hektar hatte. Jeder hat für den fünften oder den hundertsten Hektar seine gerechten Ausgleichszahlungshöhe bekommen. Deswegen ist dieses System mit der Entkoppelung die richtige Antwort.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Ing. Haller zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 



Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 20

Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Herr Lebensminister! Mich würde Folgendes interessieren: Aus der Modulation werden ab 2005 Geldmittel frei. Wie werden diese schwerpunktmäßig in Österreich eingesetzt werden?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Bundesrat! Die Frage der Modulation ist eine direkte Folge der Umsetzung der Europäischen Agrarreform. Wir werden damit zusätzliche Mittel im Bereich der ländlichen Entwicklung zur Verfügung haben, die ich schwerpunktmäßig für Investitionsförderungen und Bildungsmaßnahmen einsetzen will.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Ing. Kampl zu Wort gemeldet.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Es ist erfreulich, das in Österreich die Zahl der Bergbetriebe in der Zone 4 im Einkommen zugenommen hat. Bei den Zonen 1, 2 und 3 gab es eine leichte Abnahme.

Meine Frage lautet: Wie wird sich die Änderung bei den Agrarförderungen in den kom­menden drei bis fünf Jahren konkret auf die Höhe der durchschnittlichen Einkommen in der Landwirtschaft, vor allem in Berggebieten auswirken?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Bundesrat! Das hängt mit zwei entscheidenden Fragen zu­sammen. Wir dürfen angesichts der Debatte um Prämienhöhen eines nicht vergessen: Auch der Markt entscheidet zu großen Anteilen über die Einkommen der bäuerlichen Bevölkerungsgruppe. Die Schwankungen von einem Jahr zum anderen, die im Grünen Bericht angeführt sind, geschehen nicht auf Grund unterschiedlicher Ausgleichszah­lungen, die relativ konstant sind, sondern nur auf Grund von Marktpreisschwankungen in einzelnen Produktionsbereichen. Diese Frage wird für die Bergbauern wie für alle anderen Bauern auf den Märkten entschieden.

Was die Frage der Ausgleichszahlungen betrifft, kämpfe ich dafür, dass in der neuen ländlichen Entwicklungsperiode 2007 bis 2013 die Ausgleichszulage für die Bergbau­ern erhalten bleiben kann. Es ist ein wichtiges Instrument, Steuerungsinstrument für benachteiligte Gebiete. Dafür trete ich auch in der Europäischen Union ein.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Bei aller Wertschätzung, Herr Minister, aber da gibt es schon ein Problem. Sie haben gesagt, die Agrarförderung dient nicht der Umverteilung, aber wenn jetzt 88 Betriebe 163 000 € bekommen und der ganze große Rest bekommt nicht einmal 1 300 €, dann ist das zwar eine Art von Umvertei­lung, aber in eine ganz andere Richtung.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Man muss die Geschichte der Agrarreform, die Geschichte der europäischen Agrarentwicklung sehen. Wir hatten sehr hohe Preise, gestützte hohe Preise, als in Europa die Grenzen dicht waren. Im Jahr 1990 hat man dann politisch diese Grenzen auf null gesetzt, die Preise massiv reduziert und für den Entfall pro Hektar, den jeder Landwirt zu verzeichnen hatte – egal, ob er 5 Hektar oder 100 Hektar hatte –, hatte er pro Hektar einen massiven Einkommensverfall. Diesen hat man pro Hektar ausgeglichen. Man hat mit 100 Hektar 100 000 € verloren, wobei man 8 000 €,


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sagen wir 10 000 € – auf Grund des Einkommens hat man 8 000 € verloren –, als Prä­mie bekommen hat. Man hat mit 5 Hektar 500 € verloren und 400 oder 500 € als Aus­gleichszahlung bekommen. Das ist die Geschichte der europäischen Agrarentwicklung. Es gab keine Umverteilung, sondern es gab einen Ausgleich für Einkommensentfall. Für jenen mit 5 Hektar fehlte ein Einkommen und für jenen mit 500 Hektar fehlte ein Einkommen. Das ist die Geschichte, und deswegen ist es auch fair, dass man das über Prämien gleichermaßen zurückgibt.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Kerschbaum, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

1364/M-BR/2004

„Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit die Milchkühe der NÖM künftig keine gentechnisch veränderten Futtermittel zu sich nehmen müssen?“

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Bei gentechnisch veränderten Futtermitteln gibt es seit April dieses Jahres eine Kennzeichnungspflicht. Jeder hat die Möglichkeit, im Lebensmittelbereich, aber auch im Futtermittelbereich seine Wahl zu treffen. Es gibt auch keine Studien in der Europäischen Union, die zeigen, dass gen­technisch verändertes Futter eine Auswirkung auf das Endprodukt Fleisch oder Milch hat.

Wir haben das in Europa sehr intensiv diskutiert, vor allem auch mit meiner Kollegin aus Deutschland. Es gibt europäische Regelungen, die diesen Konnex nicht herstellen. Wenn heute milchverarbeitende, fleischverarbeitende und sonstige Firmen auf freiwilli­ger Basis mit ihren Produzenten zu anderen Ergebnissen kommen, dann soll mir das recht sein. Ich sage aber ganz klar und deutlich dazu: Auf europäischer Ebene ist die Entscheidung eine andere gewesen. Es gibt, wie gesagt, auch keine Studien, die das entsprechend untermauern. Ich greife auch nicht in das Verhältnis einer privaten Firma mit ihren Lieferanten ein.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Dass die NÖM bezie­hungsweise Raiffeisen private Firmen sind, lassen wir einmal dahingestellt.

Wenn Sie die Studien nicht kennen, die besagen, dass diese Futtermittel in der Milch nachweisbar sind, soll ich sie Ihnen zuschicken?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Hinsichtlich der Frage betreffend private Firmen kann ich, glaube ich, sagen: Raiffeisen ist eine Genossenschaft und bekannt dafür; die NÖM ist eine Aktiengesellschaft, soweit ich das jetzt aus dem Stegreif sagen kann.

Ich sage ganz klar: Als Politiker greife ich in diese Systeme nicht ein! Das hat sich jener, der vermarktet, veredelt und aufkauft, mit jenen auszumachen, die zuliefern.

Was immer Sie mir zuschicken, ich werde es aufmerksam lesen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Stadler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 22

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Es gibt ja nicht nur Milchkühe der NÖM, sondern ich glaube, das gilt für alle Milchkühe. (Heiter­keit bei der SPÖ und den Grünen.) Aber abgesehen davon, ist uns allen und auch Ihnen bekannt, dass es mehrere Bundesländer gibt, die für sich die Gentechnikfreiheit beschlossen haben. Daher die Frage: In welcher Weise kommt Ihr jetzt vorliegender Gesetzentwurf den Wünschen und Interessen dieser Bundesländer nach?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Was die Frage der Gentechnik in der Landwirtschaft im Anbau betrifft, müssen wir unterscheiden. Da gibt es die Gentechnik in Lebensmitteln. Wir haben betreffend Gentechnikgesetz vor kurzem im zuständigen Ausschuss des Natio­nalrates beschlossen, ein wichtiges Gesetz national umzusetzen. Den Bundesländern obliegt es jetzt, auch in ihren Gesetzgebungen durch Gentechnikvorsorgegesetze andere Maßnahmen zu setzen und die entsprechenden Antworten zu geben. Bundes­länderinteressen und nationale Interessen werden von uns gemeinsam koordiniert. Wir sind sehr weit vorne, was die Frage gentechnikfreier Zonen betrifft. Diese sind laut europäischer Ausrichtung nur auf freiwilliger Basis zu etablieren – siehe Oberöster­reich, wo jetzt zwar noch eine letzte Klage anhängig ist, sie ist aber im Wesentlichen bis dato rechtlich gescheitert.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Tiefnig zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Minister! Darf in Österreich Gentechnik verändertes Soja angebaut werden?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Nein. Es gibt derzeit keine Zulassung von Gentechnik veränder­ten Produkten in Österreich. Wir haben in Europa eine intensive Diskussion diesbezüg­lich, wir werden das sehr genau verfolgen. Wir haben mit dem Gentechnikgesetz von Maria Rauch-Kallat die entsprechende Vorsorge getroffen, um Gentechnik klar zu regeln und möglichst von Österreich fernzuhalten.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Zellot zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Vor nicht allzu langer Zeit mussten im Lagerhaus Villach fünf Waggons polnischer Gerste zurückge­schickt werden, weil Restbestände von nicht erlaubten Pflanzenschutzmitteln darin festgestellt wurden. In diesem Zusammenhang meine Frage: Ist die Futtermittelkon­trolle in den anderen EU-Mitgliedstaaten ähnlich streng wie in Österreich?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es steht mir nicht zu, über die Strenge und vor allem die Prüf­dichte anderer EU-Mitgliedsländer zu urteilen. Ich sage aber ganz klar dazu: Wir haben höchstes Interesse – und ich werde alles daransetzen, dem zum Durchbruch zu verhel­fen – daran, dass das, was für Österreichs Bäuerinnen und Bauern gilt, was in der Kontrolle gilt, nämlich in der Umsetzung des europäischen Rechtsrahmen, auch in allen anderen Ländern zu gelten hat.

Was mich an einer solchen Sache natürlich entsprechend freut, ist, dass wir offensicht­lich eine sehr gute Kontrolle in Österreich haben, dass wir solche Chargen finden und auch entsprechend zurückweisen. Ich denke, dass aus marktwirtschaftlichen Gründen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 23

auch in den zehn neuen EU-Mitgliedsländern der Druck höher sein wird, sich in Zukunft an den europäischen Rahmen zu halten. Ich sage aber auch dazu: Wir müssen wissen, dass auch sehr viele agrarische Produkte von uns – ich werde das in den nächsten Wochen und Monaten präsentieren – mittlerweile in die zehn neuen EU-Mit­gliedstaaten exportiert werden und wir eine sehr gute Bilanz werden vorlegen können. (Bundesrat Schennach: Das war aber nicht die Frage!) – Das ist aber eine schöne Geschichte.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage. Ich bitte die An­fragestellerin, Frau Bundesrätin Diesner-Wais, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Ich komme aus dem ländlichen Raum, und daher ist die ländliche Entwick­lung für mich sehr wichtig. Meine Frage dazu:

1361/M-BR/2004

„Welche Prioritäten werden Sie bei der Programmplanung Ländliche Entwicklung 2007 bis 2013 setzen?“

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Frage der Ländlichen Entwicklung im neuen Europa wird für den ländlichen Raum in Österreich eine ganz zentrale Herausforderung. Wir starten am 2. November mit einer breit angelegten Diskussionskampagne, wie wir Ländliche Ent­wicklung neu gestalten wollen.

Ich habe schon gesagt – was den Landwirtschaftsbereich betrifft –: Stärkung der Inves­titionsförderung – auch für die örtliche Wirtschaft wichtig –, Frage der Bildung, Bewah­rung der Ausgleichszulage für die Bergbauern und ein Umweltprogramm, so wie wir es hatten, das auch in Zukunft Umweltleistungen für Österreichs Bauern entsprechend honoriert. (Bundesrat Wiesenegg: Schließung der Schulen!)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Nein.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl zu Wort gemeldet. Ich bitte um diese Zusatzfrage.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Im ländlichen Raum ist es immer schwieriger, Arbeitsplätze zu erhalten; vor allem junge Menschen wandern in Zentralräume ab. Welche Schwerpunkte werden Sie in Bezug auf die Förderung von Jugendlichen im ländlichen Raum, im ländlichen Bereich setzen, damit die Abwanderung gebremst beziehungsweise verhindert werden kann?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe gerade gesagt: In der Ländlichen Entwicklung neu wird ein Schwerpunkt auf Investitionsförderung gelegt werden. – Das ist gerade für Hofübernehmer im bäuerlichen Bereich extrem wichtig, eine Antwort für die bäuerliche Jugend.

 


Man kann und darf Agrarpolitik aber nicht so verstehen, dass wir quasi die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt und andere Probleme, Infrastrukturprobleme, aus dem Agrartopf nehmen und in der Ländlichen Entwicklung abhandeln können. Da wäre Agrarpolitik überfordert. Dafür sind andere politische Bereiche da, darauf Antworten zu geben. Auf integrative Projekte zu setzen, dazu bin ich jedenfalls immer bereit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 24

Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Minister! Wir müssen das Thema Biodiesel von verschiedenen Seiten angehen. Frau Diesner-Wais hat eine Frage zur Ländlichen Entwicklung gestellt, und es wird auch das ÖPUL-Programm in diesem Zu­sammenhang neu konzipiert. Ich glaube, es nehmen nur 75 Prozent der Betriebe daran teil, und es geht, glaube ich, auch nur um 88 Prozent der Nutzfläche. – Da gibt es genug Möglichkeiten, auch Schattendasein zu entwickeln.

Wie werden Sie sicherstellen, dass wir tatsächlich zu einem gentechnikfreien Saatgut, zu einem generellen Verzicht von Gentechnik kommen?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Man muss klar sehen: Wenn Europa Gentechnik zulässt – ich werde mich, das sei ganz klar gesagt, bis zur letzten Möglichkeit dagegen wehren, und zwar auf allen Ebenen, die mir politisch in Europa zur Verfügung stehen –, dann brauchen wir Gesetze, die für alle gelten. Dieses Gen­technikgesetz – von Maria Rauch-Kallat initiiert, vor kurzem beschlossen – bildet den rechtlichen Rahmen für den Fall der Fälle. – Wichtig!

ÖPUL ist eine freiwillige Maßnahme, deswegen auch nicht flächendeckend angenom­men, weil es eben Bauern gibt, die nicht daran teilnehmen wollen, Umweltleistungen zu bringen, um damit Ausgleichszahlungen zu lukrieren. Deshalb ist ÖPUL als Antigen­technik- oder Gentechnikverhinderungsprogramm nicht geeignet. Jene, die mit­machen, müssen zwar darauf verzichten, aber was ist mit jenen, die jetzt schon nicht mitmachen? Dann haben wir Gentechnik, und wir können somit keine Antwort geben.

Aus diesem Grund: ganz klare Trennung, rechtliche Rahmenbedingungen auf Bundes- und Länderebene, um die Gentechnik möglichst abzuwehren! ÖPUL ist eine freiwillige Maßnahme, muss freiwillig bleiben, weil es keine andere Möglichkeit in Zukunft gibt, und kann die Gentechnik nicht verhindern. Es könnte ein Baustein sein – wir werden natürlich gemeinsam auch diese Frage in der Werdung der Ländlichen Entwicklung neu nicht nur in Österreich, sondern in Europa diskutieren.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Stadler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Die Pro­grammplanung Ländliche Entwicklung betrifft ja sehr viele Menschen, daher meine Frage: In welcher Form werden Sie das Parlament in die zukünftige Programmplanung Ländliche Entwicklung einbinden?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so, dass ich am 2. November eine breit angelegte Kam­pagne mit den Bundesländern, mit jenen, die dieses System bis jetzt auch finanziell getragen haben, starte. Es wird eine laufende, transparente Berichterstattung, auch von meiner Seite, darüber geben, wie sich das Programm darstellt, und diese Informa­tionen stehen natürlich auch dem Parlament zur Verfügung.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Stadler, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 25

1357/M-BR/2004

„Welche Auswirkungen sind auf das Klimaschutzziel Österreich zu erwarten, wenn die Ökostromförderung, wie in der Regierungsvorlage zum neuen Ökostromgesetz vorge­sehen, in der Zukunft deutlich gekürzt wird?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter! Wir haben es bei dieser Frage mit einer Alli­anz zwischen Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung und Wirtschaft zu tun, die im Wesentlichen darauf abzielt, Ökostromentwicklung zu verhindern. Deswegen wundert mich jetzt Ihre Frage in diese Richtung.

Ich bin dabei, genau diese Allianz zu durchbrechen, um Ökostromentwicklung möglich zu machen – für den Klimaschutzbeitrag! Dass das auch Geld kostet, jeden einzelnen Haushalt, jedes Industrie- und Wirtschaftsunternehmen, ist klar. Ich will, dass Öko­strom einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Ich rechne mit einem Bei­trag von 2 Millionen Tonnen CO2. Das ist mein Ziel, und darauf muss auch im Öko­stromgesetz neu Antwort gegeben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Da es die künftige Förderung be­treffend Auffassungsunterschiede gibt, Auffassungsunterschiede auch mit Ihrem Par­teikollegen Bartenstein, meine Zusatzfrage: Wie wird das deutlich gekürzte Fördergeld für Biomasseanlagen, Biogasanlagen, Windkraftanlagen und andere Ökostromformen in Zukunft verteilt?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie können davon ausgehen, dass ich einem Regelwerk nur dann zustimmen kann und zustimmen werde, wenn es eine Entwicklung der Biomasse-, Biogas- und auch Windenergie zulässt. Bei Wind­energie stoßen wir an die Grenzen auch vor Ort: Naturschutz und andere Themen.

Sie können bei mir davon ausgehen, dass wir weit über die 6 Millionen Zuwachsrate, von denen im Entwurf ausgegangen wird, zu liegen kommen werden. Dafür kämpfe ich, und ich freue mich auch schon auf Ihre Unterstützung hier im Parlament, wenn es um die Frage geht, wer die Kosten trägt. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 26

Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Höfinger zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.

 


Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Welchen Beitrag zur Erreichung des Richtlinienziels, 78,1 Prozent Strom aus er­neuerbaren Energieträgern zu gewinnen, leistet das derzeit geltende Ökostromgesetz?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Das Ökostromgesetz muss einen wesentlichen Beitrag leisten. Wir sind mit 78,1 Prozent absoluter Spitzenreiter in Europa, weil wir einen hohen Anteil an Wasserkraft haben. Derzeit liegt der Zielwert des Anteils von Ökostrom am Strom­kuchen bei 4 Prozent bis 2008; im Vorschlag von Minister Bartenstein ist kein explizites Ziel mehr für 2010 genannt. Mein Ziel ist es, deutlich über 4 Prozent zu liegen zu kom­men. Das wird sich in den nächsten Stunden zeigen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Mag. Gudenus zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Einsatz von Windrädern zur Stromerzeugung in den kommen­den Jahren entwickeln?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter! Es ist so, dass wir beim Ökostrom insge­samt in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung im Bereich Windenergie zu ver­zeichnen hatten. Drei Viertel der Entwicklung im Bereich Ökostrom geht zurück auf die Windenergie. Wir stoßen damit an die machbaren Grenzen der besten Windgebiete, der Naturschutzgesetzgebung, der Menschen vor Ort.

Wenn wir jetzt Ökostrom neu diskutieren, so möchte ich zwar das Thema Windkraft noch zulassen, will aber ab 1. Jänner 2005 keine überbordende Entwicklung mehr zu­lassen. Alle Anlagen – das ist mein Ziel –, die bis Ende 2004 bewilligt werden und bis Mitte 2006 errichtet sein werden, werden noch nach dem alten Regelwerk bedient werden; es stehen da noch etliche an.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bun­desrätin Dr. Lichtenecker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Wann werden die Verhandlungen abgeschlossen sein beziehungsweise mit welchem Ergebnis rechnen Sie persönlich?

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich werde im Anschluss an diese Fragestunde gemeinsam mit Martin Bartenstein das Ergebnis im Wesentlichen präsentieren können. Wir sind sehr, sehr weit, haben nur noch ganz, ganz wenig zu erledigen, und ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind, um Ökostrom auch in Zukunft zu ermöglichen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur 9. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg, um die Verlesung seiner Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1362/M-BR/2004

„Welche Initiativen haben Sie zur Stärkung einer GVO-freien österreichischen Land­wirtschaft ergriffen?“

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben uns in allen europäischen Gremien konsequent ge­gen die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen ausgesprochen. Wir konn­ten mit dem Moratorium, das Österreich federführend getragen hat, die richtige Antwort in der Vergangenheit geben.

 


Derzeit bin ich dabei, die Saatgutschwellenwerte – in Österreich sehr restriktiv: 0,1 Pro­zent – auch in Europa zu verankern. Europa hat ja völlig andere Vorstellungen; viele Länder wollen höhere Grenzwerte. Das ist eine der wichtigsten Weichenstellungen, für die ich momentan kämpfe.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 27

Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundes­minister! Gibt es schon Grenzwerte für GVO-Verunreinigungen im konventionellen Saatgut auf EU-Ebene?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir diskutieren dieses Thema derzeit auf EU-Ebene sehr inten­siv; es waren Werte von 0,5 bis 0,7 Prozent im Gespräch. Jetzt hat die Kommission es auch nicht geschafft, 0,3 Prozent – was unseren Vorstellungen schon eher entspricht – durchzubringen. Es gibt kontroversielle Diskussionen.

Wir haben 0,0 beziehungsweise 0,1 Prozent als nachweisliche Grenze. Dieses öster­reichische Modell hat sich bewährt, und ich stelle dieses Modell in Europa auch überall, wo ich kann, als positives Beispiel dar.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Zellot zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Mit welchen konkreten Maßnahmen stellen Sie sicher, dass aus dem Ausland keine gentechnisch verunreinigten oder gentechnisch veränderten Lebensmittel nach Österreich gelangen?

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 28

Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es gibt seit April dieses Jahres eine klare Kennzeichnungs­pflicht für gentechnische Verunreinigungen oder Gentechnik in Lebens- und Futtermit­teln. Der Konsument hat die Wahlfreiheit. Wir können damit aber gentechnisch verän­derte Lebens- und Futtermittel nicht mehr aktiv von Österreich fern halten. Konsument und Bauer haben im Einkauf auf Grund der Kennzeichnungspflicht die Wahlfreiheit.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bun­desrätin Kerschbaum zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Minister! Warum findet sich die Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft nicht in den Zielbestimmungen des Gentechnikgesetzes?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Maria Rauch-Kallat hat mit diesem Gesetz eine klare Linie ver­folgt: Derjenige, der Gentechnik in Zukunft – wenn sie auf europäischer Ebene zuge­lassen wird – anwenden will, muss einen strikten Kurs von Eintragungen in Register, von Haftung und so weiter einhalten. Wir hoffen, Gentechnik dadurch möglichst fern zu halten.

Wenn Sie das Gesetz im Gesamten lesen, werden Sie erkennen, dass es nur eine ein­zige Zielsetzung gibt, nämlich Gentechnik möglichst restriktiv von Österreichs Grenzen fern zu halten. Das ist die einzige Intention des ganzen Gesetzes.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Stadler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Wie wir alle wissen, ist der Aufwand für Bio-Bauern deutlich gestiegen. Daher meine Zusatzfrage: Warum haben Sie seit dem Jahr 2000 das Förderbudget des Dachverbandes der Bio-Bauern nicht mehr erhöht oder unterstützt?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich weiß nicht, was Sie jetzt mit Aufwandserhöhung bei den Bio-Bauern meinen, ich sage nur: Die zur Verfügung stehende Summe an Bio-Förde­rung für unsere bäuerlichen Betriebe wurde von Jahr zu Jahr gesteigert. Es gibt 2003 im Vergleich zu 2002 wieder wesentlich mehr Bio-Betriebe, es gibt 30 Prozent mehr Ackerfläche. Die Förderungen für Bio-Bauern werden wesentlich mehr erhöht als für alle anderen.

Zur Frage der Bio-Verbände eine klare Antwort: Es gibt in Österreich 14 Bio-Verbände, und seit kurzem gibt es mit der „Bio Austria“ ein gemeinsames Dach. Ich habe immer gesagt, ich halte es für wichtig, dass es, bevor man über eine Erhöhung von Geldmit­teln für 14 Verbände spricht, einmal ein Zusammenwachsen, eine neue, klarere Struk­tur geben muss, und dann können wir uns auch darüber unterhalten, wie diese neue Struktur finanziert wird.

Das, was für die Bio-Bauern gilt, gilt auch für alle anderen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur 10. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Prutsch, um die Verlesung seiner Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1358/M-BR/2004

„Wie lauten die Begründungen, dass Sie als zuständiger Ressortminister nach dem Zwangsverkauf von 14 000 Hektar Wald, Zahlung beträchtlicher Sonderdividenden nunmehr einer Zwangsverpfändung der Pensionsverpflichtungen der Österreichischen Bundesforste in der Höhe von 100 Millionen € zugestimmt haben?“

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Bundesrat, da müssen wir ein paar Dinge klären! Die Bundesforste mussten 100 Millionen € Rücklage halten, um die Pensions­leistungen decken zu können. Wissen Sie, was wir jetzt tun? – Gerade Sie müssten das wissen! Wir übergeben 100 Millionen € Rücklagen aus einem Unternehmen an das Finanzministerium und damit aber auch alle Pensionsverpflichtungen für die Zukunft. Die Bundesforste sind damit in Zukunft von Pensionsleistungen entbunden, die Summe gleicht sich. Wir haben damit die Pensionsleistungen aus privaten Händen, wenn Sie so wollen, in die öffentliche Hand gegeben. – Wollen Sie das Gegenteil? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Eine Zusatzfrage wird offensichtlich nicht ge­wünscht.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Österreichische Bundesforste AG hat seit Anfang des Jah­res 2004 ein neues Unternehmenskonzept. Wie werden die darin festgelegten Ziele und Strategien mit der geplanten Übertragung der Pensionsverpflichtungen der Öster­reichischen Bundesforste AG an den Bund unterstützt?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 29

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Das Unternehmenskonzept der Bundesforste sieht eine klare Strategie bis 2010 vor. Sie wird durch den Transfer der Rücklagen für die Pensions­rückstellungen nicht beeinflusst werden, weil ja damit auch die Pensionsleistungen pro Jahr für die Bundesforste wegfallen.

Eines ist Ihnen auch noch entgangen – das möchte ich Ihnen sagen, denn darüber spricht offensichtlich niemand –: Es ist mir in diesen Verhandlungen gelungen, freie Rücklagen in fast gleicher Höhe ins Grundkapital zu transferieren, damit dem Zugriff aus öffentlichen Bereichen zu entziehen und das Unternehmen zu stärken.

Wenn wir über die Bundesforste diskutieren, dann sagen wir bitte auch dazu: Ich habe in den Budgetverhandlungen mit diesen beiden Maßnahmen die Bundesforste in ihrer strategischen Ausrichtung für die Zukunft massiv gestärkt – und nicht geschwächt. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Ing. Kampl zu Wort gemeldet. – Ich bitte um diese Zusatzfrage.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wie viele Personen, Pensionspflichtige, sind von der Zwangsverpfändung bei den Österreichischen Bundesforsten für den Betrag von 100 Millionen € betroffen?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, wie viele von der Pensionsregelung betroffen sind. Es hat für die Betroffenen keine Auswirkung! Die Bundesforste mussten 100 Millionen zurückstellen, aus diesem Topf die Pensionsleistungen erfüllen – und das übernimmt in Zukunft der Staat. Wenn das keine Sicherung (Rufe bei der SPÖ: Der Steuerzahler!), wenn das keine Sicherung ... (Bundesrat Konecny: Wer ist „der Staat“? – Rufe bei der SPÖ: Wir!)

Dafür kommen 100 Millionen in das Finanzministerium, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn Sie diese Rechnung nicht ver­stehen, dann kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen.

Es hat keine Auswirkung!

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesminister, sind die Ausführungen be­endet? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ja!) – Danke. Die Fragestunde ist damit auch beendet. (Bundesrätin Konrad: Nein!) – Entschuldigung!

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Konrad zu Wort gemeldet. Ich bitte nochmals um Nachsicht. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Herr Bundesminister! Vielleicht sind wir nicht die Einzigen, die die Rechnung nicht ganz verstehen können. Meine Frage lautet: Wie beurteilen Sie die kritischen Anmerkungen des Rechnungshofes zum Entwurf der No­velle des Bundesforste-Gesetzes?

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich setze mich mit den Fragen des Rechnungshofes und der Berichte zu einzelnen Themen – auch zu den Bundesforsten – sehr, sehr intensiv aus­einander, gehe auf die Bedenken natürlich im Detail ein und versuche auch, die ent­sprechenden Antworten zu geben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
713. Sitzung / Seite 30

Zu Ihrer Frage, Frau Bundesrätin: Es gibt im Zusammenhang mit den Bundesforsten keine Beurteilung seitens des Rechnungshofes. (Widerspruch bei den Grünen.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Die Fragestunde ist nun beendet.

*****

Ich gebe bekannt, dass der Herr Landeshauptmann von Wien, Bürgermeister Dr. Mi­chael Häupl, gemäß § 38 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates seine Ab­sicht bekundet hat, eine Erklärung zum Thema „Finanzausgleich und Österreich-Kon­vent“ abzugeben. Diese Erklärung wird den Punkt 2 der Tagesordnung bilden.

Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Hinsichtlich der eingelangten, entsprechend ver­vielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2022/AB bis 2058/AB und des Schreibens des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes sowie des Schreibens des Bundeskanzlers betreffend Nominierung von Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG für die Funktion eines Mitgliedes der Euro­päischen Kommission für die Amtsperiode 1. November 2004 bis 31. Oktober 2009 verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Absatz 1 GO-BR, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6.)

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmit­gliedes:

„Johann Hatzl

Erster Präsident des Wiener Landtages

Frau Präsidentin des Bundesrats Anna Elisabeth Haselbach

im Wege der Bundesratsdirektion

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Wien, 24. September 2004

03766-2004/0001-MDALTG

Wahl eines Ersatzmitglieds des Bundesrates

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Das Mitglied des Bundesrates Dr. Elisabeth Hlavac hat mit ihrer Wahl in den National­rat mit Wirkung vom 30. Juni 2004 ihr an sechster Stelle gereihtes Mandat im Bundes­rat zurückgelegt. Das Ersatzmitglied Angela Lueger ist mit Wirkung vom 1. Juli 2004 auf diese Stelle nachgerückt.

Auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtages und Gemein­derates wurde in der Sitzung des Wiener Landtages vom 24. September 2004 Frau Abgeordnete Martina Ludwig als neues Ersatzmitglied für die sechste Stelle gewählt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl“


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An die Präsidentin des Bundesrates

Frau Anna Elisabeth Haselbach

Wien, am 10. August 2004

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

GZ: 405.828/0015-IV/5/2004

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG kann ich Ihnen mitteilen, dass der Ministerrat entspre­chend den diesbezüglich stattgefundenen Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien in seiner Sitzung vom 10. August 2004 gemäß Art. 23c Abs. 2 B-VG beschlossen hat, die Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vorausgesetzt, Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner für die Funktion eines Mitgliedes der Europäischen Kommission für die Amtsperiode 1. November 2004 bis 31. Oktober 2009 zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Den eingelangten Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2003 habe ich dem Ausschuss für Verfassung und Födera­lismus zugewiesen.

Eingelangt und von mir zugewiesen sind jene Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Vorlagen und die Wahl von einem Vizepräsidenten und von Schriftfüh­rern beziehungsweise Schriftführerinnen für den Rest des 2. Halbjahres 2004 sowie die Erklärung des Landeshauptmannes von Wien, Bürgermeister Dr. Michael Häupl, und die Wahl von Ausschüssen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

 


Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag auf Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Vor­schlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforder­lichen Zweidrittelmehrheit angenommen.


Bundesrat
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Behandlung der Tagesordnung

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Auf Grund eines weiteren mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Wir werden da­her so vorgehen.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die Bundesräte Dr. Andreas Schnider, Gün­ther Molzbichler, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Selbständigen Antrag 138/A-BR/2004 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates zum Thema „Schule und Bildung – Entwicklungschan­cen des österreichischen Schulsystems“ eingebracht.

Weiters wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Dr. Andreas Schnider, Günther Molz­bichler, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, den gegenständlichen Antrag 138/A-BR/2004 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der GO des Bundesrates zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag, den Antrag 138/A-BR/2004 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforder­lichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich ergänze daher die Tagesordnung um den Antrag 138/A als Tagesordnungs­punkt 7. Somit wird die Wahl von Ausschüssen zum 8. und letzten Punkt der Tagesord­nung.

1. Punkt

Wahl von einem Vizepräsidenten und von Schriftführern für den Rest des 2. Halbjahres 2004

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Diese Wahl ist auf Grund der vom neu konstituierten Vorarlberger Landtag durchge­führten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Ich werde zunächst die Wahl eines Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen.

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, Herrn Bundesrat Jürgen Weiss für den Rest des 2. Halbjahres 2004 zum Vizepräsidenten zu wählen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, sich von den Sitzen zu erheben. – Danke. Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Ich danke allen Kolleginnen und Kolle­gen für das Vertrauen und nehme die Wahl an.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals. (Allgemeiner Beifall. – Die Bundesräte der ÖVP spenden stehend Beifall.)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Ich möchte mich diesem Applaus mit den Worten „Ganz herzliche Gratulation!“ anschließen. Ich danke Ihnen für die gute Zusammen­arbeit, die wir bisher pflegen konnten, und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. Ganz, ganz herzliche Gratulation zu Ihrer Wahl! Ich freue mich, dass Sie wieder bei uns sind.

Wir gelangen nun zur Wahl der Schriftführer. Diese Wahl werde ich durch Hand­zeichen vornehmen lassen.

Es liegen mir die Wahlvorschläge vor, Frau Bundesrätin Sissy Roth-Halvax zur erst­gewählten Schriftführerin, Herrn Bundesrat Josef Saller zum drittgewählten Schriftfüh­rer und Frau Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth zur viertgewählten Schriftführerin für den Rest des 2. Halbjahres 2004 zu wählen.

Sie sehen, wir werden in Zukunft – so dieser Wahlvorschlag angenommen wird – über vier Schriftführer verfügen; drei davon sind zu wählen, Frau Schriftführerin Bundesrätin Auer, die ja schon als Schriftführerin gewählt wurde, bleibt im Amt.

Ich werde die Wahl dieser Schriftführer, sofern sich dagegen kein Einwand erhebt, unter einem vornehmen. Gibt es einen Einwand dagegen? – Das ist nicht der Fall.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesen Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Die Wahlvorschläge sind somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Frau Bundesrätin Roth-Halvax.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Ich danke für das Votum und nehme gerne an.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Ich nehme die Wahl an und danke allen für das Vertrauen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Ich danke für das Vertrauen. Ich nehme die Wahl an.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals für Ihre Zusagen. Ich danke vor allem auch dafür, dass Sie bereit sind, die Arbeit hier am Pult des Präsidiums zu übernehmen. Herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Den 2. Punkt der Tagesordnung, Erklärung des Landeshauptmannes von Wien, haben wir für 10.30 Uhr geplant, da wir angenommen


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haben, dass wir für die Fragestunde 120 Minuten brauchen werden. Ich darf Sie bitten, dafür Verständnis zu haben, dass der Herr Landeshauptmann von Wien um 10.30 Uhr kommt. Ich schlage daher eine Sitzungsunterbrechung bis 10.30 Uhr vor.

(Die Sitzung wird um 10.09 Uhr unterbrochen und um 10.35 Uhr wieder aufgenom­men.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wie­der auf.

2. Punkt

Erklärung des Landeshauptmannes von Wien, Bürgermeister Dr. Michael Häupl, zum Thema „Finanzausgleich und Österreich-Konvent“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesord­nung.

Ich begrüße dazu ganz besonders herzlich den Herrn Landeshauptmann von Wien, Bürgermeister Dr. Häupl. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bürgermeister! Ich erteile Ihnen zur Abgabe einer Erklärung zum Finanzausgleich und Österreich-Konvent das Wort. – Bitte.

 


10.36

Landeshauptmann von Wien Dr. Michael Häupl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Zunächst einmal darf ich mich sehr herzlich bedanken für die Möglichkeit, heute zu den Themen des Österreich-Konvents und den weitreichen­den Diskussionen zur Erneuerung der österreichischen Verfassung und zu Fragen des Finanzausgleichs Stellung nehmen zu können. Ich weiß schon, dass dies rechtlich so vorgesehen ist, trotzdem gebietet es mehr als die Höflichkeit, sich für diese reale Möglichkeit auch zu bedanken.

Ich weiß, dass ich Ihnen im hohen Ausmaß diesen Besuch und diese Diskussion im Bundesrat schuldig bin, ist doch nach einem kurzen Blick in die Statistik erkennbar, dass der letzte Wiener Landeshauptmann hier im Bundesrat vor mehr als zwanzig Jahren gesprochen hat. (Heiterkeit.) Bevor dies in der folgenden Debatte angemerkt wird, mache ich es lieber gleich selbst. (Neuerliche Heiterkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Frage der Arbeit im Österreich-Konvent möchte ich vorausschicken, dass die österreichischen Landeshauptleute – Sie erlau­ben, dass ich dies auch als derzeitiger Vorsitzender der österreichischen Landeshaupt­leutekonferenz sage – diese Arbeit ganz außerordentlich begrüßen. Wir wissen vor allem sehr klar zu unterscheiden zwischen dem, was die Landeshauptleutekonferenz unter der Bundesstaatsreform definiert hat und mit dem sie sich auf der Basis des Perchtoldsdorfer Abkommens doch über geraume Zeit hinweg beschäftigt hat, und dem, was die Aufgabe dieses Konvents ist. War die eine Aufgabe in erster Linie darauf zentriert, sich mit einer Verwaltungsreform, einer Verwaltungsänderung zu beschäfti­gen, ist die Arbeit des Konvents wesentlich größer, wesentlich breiter angelegt, denn eine Überarbeitung, eine Erneuerung, eine Neuformulierung, eine Neuschaffung, wie immer man dies auch beschreiben will, der österreichischen Bundesverfassung ist zweifelsohne eine nachgerade herkulische Aufgabe.

Von der österreichischen Bundesstaatsreform, basierend auf dem Perchtoldsdorfer Ab­kommen, ist einiges auch umgesetzt worden. Ich darf nur beispielhaft erinnern etwa an die Änderungen im Bereich der Verantwortung für den Bundesstraßenbereich, der den


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Ländern übergeben wurde, auch mit der – füge ich als Ländervertreter natürlich leise hinzu – nötigen finanziellen Ausstattung.

Zur Arbeit an der österreichischen Verfassung in diesem Konvent darf ich eines vor­ausschicken und eines in Erinnerung rufen, denn dies scheint mir in manchen Diskus­sionsbeiträgen etwas verloren zu gehen. Die österreichische Bundesverfassung sieht vor, dass Österreich ein Bundesstaat ist.

Dies heißt, dass man davon ausgeht, dass es eine relativ autonome Landesverfas­sungsgesetzgebung gibt, dass es eine relativ autonome Landesverwaltung gibt, dass die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes durch den Bundesrat gewährleistet ist und dass die Mitwirkung der Länder an der Verwaltung des Bundes im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung gegeben ist. Sollte es diesbezüglich am Ende des Tages Änderungen geben, so bin ich der tiefen Überzeugung – und mit mir alle Kolleginnen und Kollegen Landeshauptleute –, dass dies eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen würde, die eine obligatorische Volksabstimmung nach sich zu ziehen hätte. Ich weise darauf auch deshalb hin, weil ich der tiefen Über­zeugung bin – und zwar der tiefen föderalistischen Überzeugung –, dass an diesen Grundprinzipien der österreichischen Verfassung nicht gerüttelt werden soll.

In Zeiten eines größeren Europa erachtet es die gesamte Landeshauptleutekonferenz als geboten, die österreichische Bundesstaatlichkeit – allerdings auch in einem moder­nen Föderalismus – weiterzuentwickeln. Es gibt eine Reihe von wissenschaftlich abge­sicherten Erkenntnissen, die besagen, dass bürgernah organisierte Einheiten effizien­ter arbeiten als zentralisierte Apparate. Eine moderne Staatsorganisation sollte daher auch diesen Erkenntnissen entsprechen, wobei stets angeführt werden muss, dass dann, wenn die Länder zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger neue Aufgaben über­nehmen, auch für eine entsprechende finanzielle Absicherung dieser Aufgabenüber­nahme gesorgt werden muss.

Der Österreich-Konvent wurde auf einer Basis einer Vier-Parteien-Einigung ins Leben gerufen, und dessen Ziel ist es, eine moderne, transparente, bürgernahe und kosten­günstige Verfassung zu erarbeiten, wobei – ich betone dies noch einmal – an den Grundprinzipien der bestehenden österreichischen Bundesverfassung, und zwar ge­rade an jenem, das den Föderalismus und die föderalistische Organisation unseres Staates betrifft, festgehalten werden soll.

Aus der Sicht der Länder erscheinen daher folgende Punkte von besonderer Bedeu­tung:

Erstens: Stärkung der Verfassungsautonomie der Länder.

Ziel muss es sein, dass in Hinkunft dem Landesverfassungsgesetzgeber nur verboten sein soll, eine Regelung zu erlassen, die der Bundesverfassung widerspricht. In den übrigen Bereichen soll der Landesverfassungsgesetzgeber autonom agieren können. So soll den Ländern zukünftig jedenfalls mehr Spielraum bei landesgesetzlichen Wahl­rechtsregelungen eingeräumt werden.

Zweitens: Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.

Positiv sehe ich in den Beratungen des Ausschusses V des Österreich-Konvents die Entwicklung dahin gehend, dass es in Hinkunft abgerundete Kompetenzfelder geben wird und dass die derzeit bestehenden unzähligen, viel zu detaillierten Kompetenztat­bestände zu diesen breiten Kompetenzfeldern zusammengefasst werden.

Des Weiteren begrüße ich den Gedanken des so genannten Drei-Säulen-Modells: die erste Säule: die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes, die zweite Säule: die aus-


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schließliche Zuständigkeit der Länder, und die dritte Säule: die konkurrierende Gesetz­gebung zwischen Bund und Ländern mit primärer Landeszuständigkeit.

Die Beratungen im zuständigen Ausschuss V des Österreich-Konvents sind in dieser Frage vom Konsens geprägt, und das freut mich.

Die Schaffung einer dritten Säule soll die Möglichkeit eröffnen, in bestimmten Materien im unbedingt erforderlichen Ausmaß bundesweite Homogenität sicherzustellen und gleichzeitig den Ländern Raum zur regionalen Gestaltung zu geben.

Der Vorschlag sieht derzeit so aus, dass in Angelegenheiten der dritten Säule grund­sätzlich die Länder zuständig sind. Sieht jedoch der Bund einen Bedarf nach einheit­lichen Vorschriften, so darf er diese Kompetenz in Anspruch nehmen. Meiner Ansicht nach muss aber in diesem Zusammenhang sichergestellt werden, dass der Bund diese Möglichkeit nicht ohne Einbindung der Länder nützen kann.

Ich vertrete daher im Unterschied zu manchen Konvents-Mitgliedern, die da ein verfas­sungsgerichtliches Verfahren andenken, die Auffassung, dass über diese Frage eine politische Entscheidung getroffen werden muss und dass die dritte Säule möglichst restriktiv ausgestaltet werden soll. Meines Erachtens erscheint der Bundesrat beson­ders geeignet, diese politische Frage zu entscheiden.

Es wurde daher von Seiten Wiens im Ausschuss V des Österreich-Konvents vorge­schlagen, die Zuständigkeit des Bundesrates um die Funktion eines Kompetenzfest­stellungsorgans zu erweitern. Der Bundesrat müsste in seiner Mehrheit für die Fest­stellung eines Bedarfs einer bundesgesetzlichen Regelung für eine gewisse Materie votieren, damit die Kompetenz von den Ländern auf den Bund übergehen kann.

Kombiniert mit diesem Erfordernis wäre denkbar, dass zusätzlich eine qualifizierte Mehrheit der Länder im Bundesrat für den Kompetenzübergang stimmen müsste, aber es wäre auch eine Bindung der Bundesräte an die Beschlüsse der jeweiligen Landtage denkbar.

Dieses Modell böte ausreichend Gewähr dafür, dass die Länder nicht eine unnötige Einschränkung der selbständigen Landesgesetzgebung erfahren, umgekehrt aber bei einem tatsächlichen Bedarf im Interesse des Staatsganzen eine Bundeskompetenz wahrgenommen werden kann.

In diesem Zusammenhang erlauben Sie mir, einen weiteren wichtigen Punkt – nicht nur für Sie wichtigen, sondern auch für das Staatsganze – anzusprechen, nämlich die Reform des Bundesrates.

Wie anfangs erwähnt, ist ein Merkmal des Bundesstaates die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes durch den Bundesrat. Eine von manchen Konvents-Mitgliedern kolportierte Abschaffung des Bundesrates würde eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen.

Die Landeshauptleutekonferenz ist nicht der Auffassung, den Bundesrat abzuschaffen, sondern sie stimmt dahin gehend überein, dass bei einer Reform des Bundesrates auf einen ausreichenden Einfluss der Länder Bedacht zu nehmen ist. Insbesondere muss ein effektives Mitwirkungsrecht – entweder Zustimmungsrecht oder absolutes Veto – bei jenen Akten der Bundesgesetzgebung bestehen, die sich auf die Zuständigkeit der Länder oder auf ihre Vollziehung auswirken oder die wesentliche finanzielle Folgen für die Länder nach sich ziehen, wie zum Beispiel das Finanzausgleichsgesetz.

Mitwirkungsrechte, die letztlich vom Nationalrat übergangen werden können, werden in diesen Fällen nicht als ausreichend betrachtet. Gerade im Hinblick auf die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen, in denen die verhandelnden Länder wiederholt mit der Drohung konfrontiert wurden, dass es ja kein Paktum braucht, um ein Finanzaus-


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gleichsgesetz zu beschließen – etwas, was im Übrigen einmalig in der Geschichte der Zweiten Republik wäre –, erscheint mir eine Stärkung des Bundesrates genau in dieser Frage von enormer Wichtigkeit.

Ich könnte mir daher für diesen Bereich entweder die vorgeschlagene Form oder auch einen Vermittlungsausschuss, wie er im Bonner Grundgesetz vorgesehen ist, sehr gut vorstellen – einerseits zur Absicherung der Stellung der Länder und andererseits zur Stärkung der zweiten Kammer, denn nur dann, wenn der Bundesrat eine Aufwertung seiner Stellung erfährt, können die Diskussionen über seine Abschaffung auch in der Tat beendet werden.

Dazu auch gleich eine Forderung der Länder an die Reform der Finanzverfassung: Wir verlangen eine Verankerung einer echten Parität in der Finanzverfassung. Grund­sätzlich sollte bei der Neukonzeption dieses Themas das bundesstaatliche Prinzip ver­stärkt Berücksichtigung finden. Das heißt, dass prinzipiell von einer Parität und Auto­nomie von Bund und Ländern sowie Gemeinden auszugehen ist. Das würde auch die ausdrückliche Normierung des Verhandlungsgebots im Bereich des Finanzausgleichs in der Finanzverfassung bedeuten.

Vorzusehen sind auch Regelungen in der Finanzverfassung für den Fall, dass nicht rechtzeitig ein neues Finanzausgleichsgesetz in Kraft tritt. Dies könnte in der Form erfolgen, dass die Geltung des gesamten Finanzausgleichsgesetzes automatisch ver­längert wird, bis ein neues Finanzausgleichsgesetz in Kraft tritt.

Erlauben Sie mir damit die Überleitung zum Finanzausgleich mit ein paar Worten, wiewohl es der Wunsch der Länder und auch der Gemeinden gewesen ist, diese bei­den Materien nicht zu vermischen. Bei der einen Frage geht es um die Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben, im anderen Fall geht es um die Festlegung der Regeln in der Finanzverfassung zu dieser Aufteilung. Daher war es auch richtig und gut, dass man dies nicht vermischt hat.

Die Länder haben sich im „Paktum 2001“ im Sinne einer gesamtstaatlichen Verantwor­tung bereit erklärt, in der laufenden Finanzausgleichsperiode einen überproportionalen Anteil zur Konsolidierung des Bundes beizutragen und damit den Bund massiv bei der Erreichung seiner Budgetziele zu unterstützen. Unter anderem verpflichteten sich die Länder zu einem jährlichen Überschuss von 0,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beziehungsweise mindestens 1 671 500 000 € gemäß österreichischem Stabilitäts­pakt 2001.

Seitens des Bundes wurden im Jahre 1997 und im Jahre 2002 im Zuge der Budget­konsolidierung erhebliche Steuererhöhungen beschlossen, an denen die Länder nur unzureichend beteiligt waren. In der Folge sank der Anteil der Länder an den Steuer­einnahmen von 13,2 Prozent auf 12,1 Prozent. Das entspricht auf Basis 2004 Minder­einnahmen von 682,1 Millionen € pro Jahr. In derselben Zeit verzeichnete der Bund Mehreinnahmen von 1 488 300 000 € pro Jahr.

Darüber hinaus hat der Bund eine Steuerreform erlassen, die erneut zu Lasten der Länder geht, während der Bund zusätzliche Mehreinnahmen verzeichnen konnte.

Die zunehmenden Belastungen aus der Krankenanstaltenfinanzierung bringen immer mehr Länder in massive finanzielle Probleme.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erstaunt es daher, dass in den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen wenig Bereitschaft signalisiert wird, die Mindereinnah­men der Länder auszugleichen beziehungsweise zusätzliche Mittel, insbesondere für die Krankenanstaltenfinanzierung, zur Verfügung zu stellen. Dennoch bin ich – insbe­sondere nach der gestrigen Runde der Finanzausgleichsverhandlungen – guten Mutes, dass wir am Ende des Tages zu einer positiven Lösung für alle Gebietskörperschaften


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bei diesen Finanzausgleichsverhandlungen kommen werden. Der Wille ist erkennbar – ob es in der Tat zu einem Ergebnis kommt, wird im Wesentlichen auch von der Bereit­schaft und vom Willen des Herrn Finanzministers abhängen, insbesondere den Städ­ten und Gemeinden jene Verluste auszugleichen, die sie in der abgelaufenen Finanz­ausgleichsperiode erlitten haben. Wir alle wissen, dass gerade die Städte und Gemein­den diejenigen öffentlichen Investoren sind, die sehr wesentlich durch ihre Nachfrage zur Sicherung des Arbeitsmarktes und zur Belebung der Wirtschaft beitragen. Zur Erfüllung der Aufgaben gerade der Städte und Gemeinden – gestatten Sie mir hier diesen Einschub! – ist es daher notwendig, die Städte und Gemeinden auch mit den nötigen Finanzmitteln auszustatten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Länder – wie im Übrigen auch die Städte und Gemeinden – vertreten daher in den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen folgende Positionen:

Erstens: Erhöhung der Ertragsanteile.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Länder, neben den Gemeinden, sehr viele ausgabendynamische Aufgaben – Soziales, Kinderbetreuung, Fachhochschulen und vieles andere mehr – zu erfüllen haben, fordern die Länder eine Beteiligung an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben in jenem prozentuellen Ausmaß, wie dieses bis zum 31. Dezember 2000 bestanden hat. Damit verbunden wurde in Verhandlungen an­gedacht, einen einheitlichen Schlüssel für alle gemeinschaftlichen Bundesabgaben be­ziehungsweise die Einbeziehung der ausschließlichen Bundesabgaben einzuführen – dies vor allem deshalb, weil es in den letzten Jahren Praxis wurde, dass ausschließlich Bundesabgaben erhöht und im Rahmen von Steuerreformen insbesondere jene ge­meinschaftlichen Bundesabgaben gesenkt wurden, an denen Länder und Gemeinden mit einem hohen Ertrag beteiligt waren. Die Länder und Gemeinden finanzierten daher in einem hohen Ausmaß die Steuerreformen mit. An den Steuererhöhungen konnten sie aber kaum mitpartizipieren. Ein einheitlicher Schlüssel hat jedenfalls zur Folge, dass Bund, Länder und Gemeinden künftig Steuerreformen gleichermaßen gerecht zu tragen hätten.

Zweitens: Krankenanstaltenfinanzierung.

Auf Grund einer Prognose von Professor Lehner werden die Nettoausgaben der Län­der für die Spitalsfinanzierung bis 2008 um 76,65 Prozent steigen. Die Länder sehen daher in der Krankenanstaltenfinanzierung den, wie man in Österreich so schön sagt, Knackpunkt in den tatsächlichen Verhandlungen. Sie fordern einerseits eine Aufhe­bung der bestehenden Deckelung durch den Bund und andererseits die Bereitstellung zusätzlicher Mittel, um zumindest den gesamten Anstieg der bereits 1994 bestehenden Unterdeckung auszugleichen, sprich zusätzliche Mittel in der Höhe von über 1 Milli­arde €, wobei dabei die weiteren Steigerungen von 2002 bis 2008 noch nicht berück­sichtigt sind. Darüber hinaus lehnen es die Länder strikt ab, die laufende Reform des Gesundheitswesens mit den Verhandlungen über das Finanzausgleichsgesetz zu kop­peln – dies vor allem deshalb, weil dazu auch die Sozialversicherung und die Sozial­partner in die laufenden Verhandlungen eingebunden werden müssen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der dritte wesentliche Punkt in den laufenden Verhandlungen, den Sie mir erlauben anzuschneiden, ist der Bereich der Landeslehrer.

Der Bundesminister für Finanzen geht in den Finanzausgleichsverhandlungen davon aus, dass sinkende Schülerzahlen automatisch auch sinkende Infrastrukturkosten zur Folge haben müssen, und daher ist eine Senkung der so genannten Verhältniszahl unter anderem sein erklärtes Ziel. Völlig unberücksichtigt bleibt dabei die Tatsache, dass es auf die Strukturkosten nur unwesentliche Auswirkungen hat, ob in einer Klasse


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28 oder 26 Schüler sitzen, und des Weiteren wird völlig vernachlässigt, dass es durch den Anstieg des Durchschnittsalters bei den Lehrern zu Kostensteigerungen kommt.

Darüber hinaus stellte der Finanzminister die Übertragung der Zuständigkeit für die Landeslehrer an die Länder und damit verbunden eine ausschließliche Pauschalabgel­tung durch den Bund zur Diskussion. Wozu solche Deckelungen führen können, sehen wir am besten am Beispiel der Krankenanstaltenfinanzierung bereits jetzt. Die Länder lehnen diese Vorschläge ab und fordern vielmehr – auch zur Absicherung des österrei­chischen Bildungsniveaus – eine ausreichende finanzielle Ausstattung für den Bereich der Landeslehrer.

Erlauben Sie mir, abschließend noch eine Bemerkung zum Stabilitätspakt zu machen.

Die Länder werden die Vorgaben des österreichischen Stabilitätspaktes 2001 hinsicht­lich des Maastricht-Ergebnisses und des Schuldenabbaues in der Periode 2001 bis 2004 nur unter Ausschöpfung aller denkbaren Einzelmaßnahmen erfüllen können. Diese Möglichkeiten stehen ab dem Jahre 2005 nicht mehr zur Verfügung, sondern es werden enorme budgetäre Vorbelastungen aus diesen Einzelmaßnahmen zu verkraf­ten sein. Es hat daher der österreichische Stabilitätspakt mit 31. Dezember 2004 aus­zulaufen.

Zusammengefasst möchte ich festhalten: Die finanzielle Lage der Länder hat sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert, und in sehr vielen Bereichen lassen sich starke Zentralisierungstendenzen feststellen. Fraglich ist, ob dies mit der Bundesstaat­lichkeit noch verträglich ist. Wenn Österreich in der Realität weiterhin ein Bundesstaat bleiben soll, dann müssen die Länder sowohl im Österreich-Konvent als auch in ihrem finanziellen Spielraum durch den Finanzausgleich entsprechend gestärkt werden.

Ich bedanke mich nochmals sehr herzlich für die Einladung und bedanke mich dafür, dass Sie mir zugehört haben. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

10.57

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Landeshauptmann, Herr Bürgermeis­ter, ich danke ganz herzlich für Ihre Ausführungen.

Es liegt ein ausreichend unterstütztes schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die von Herrn Landes­hauptmann Dr. Häupl abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Dieses Ver­langen ist genügend unterstützt, und ich werde daher diesem ohne weiteres statt­geben.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


10.58

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Landes­hauptmann und Bürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Landeshauptmann, dass Sie sich zum Österreich-Konvent geäußert haben, war sicherlich nicht nur sehr erfreulich, sondern man hat auch von einem sehr kompetenten Politiker einige Anregungen auf diesem Sektor bekommen.

Es ist zweifelsohne sehr wichtig, dass die Verwaltungsreform in Österreich weiter vor­angetrieben wird. Man muss aber auch festhalten, dass es zwingend notwendig ist, dass nicht zu viele Steuermittel in die Verwaltung hineingepumpt werden, denn es ist auch wichtig, dass Gelder für Investitionen zur Verfügung gestellt werden.

Herr Landeshauptmann, Sie haben auch auf das Perchtoldsdorfer Abkommen hinge­wiesen. Da ist es vor allem darum gegangen, den Staat schlanker zu machen, auch die


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Kompetenzfelder und so weiter in gewissem Maße zu bestimmen. Der Österreich-Kon­vent ist aber etwas breiter angelegt. Dass der Österreich-Konvent eingerichtet wurde, wird von meiner Fraktion in jeder Hinsicht unterstützt, weil eine Verfassung, die über 80 Jahre alt ist und die im Großen und Ganzen im Jahre 1929 eine gewisse General­überholung erhalten hat und seither höchstens mit zusätzlichen Verfassungsbestim­mungen angereichert worden ist, einer Neukonzeption in jeder Richtung bedarf. Dass, wenn der Konvent zu einem Ergebnis kommt – hoffentlich zu einem zufrieden stellen­den Ergebnis –, dieses dann einer Volksabstimmung zu unterziehen ist, ist für jeden Verfassungsjuristen, aber auch für jeden Politiker, wie ich meine, klar. Eine solche hat stattzufinden.

Nun ein wenig ins Detail. – Sie haben von den autonomen Ländern gesprochen. Österreich ist ein Bundesstaat. Im Großen und Ganzen hat sich diese Konstruktion bewährt, aber sie hat natürlich in 84 Jahren einiges – sagen wir es ganz brutal – an Verkalkung angesetzt. Und da muss einfach der Kalk hinaus, wie es früher in einer bekannten Waschmaschinen-Werbung hieß.

Sie haben davon gesprochen, dass die Länder gerne neue Aufgaben übernehmen wollen. Wenn neue Aufgaben übernommen werden sollen, ist meines Erachtens die Grundsatzfrage zu stellen, ob das vom wirtschaftlichen Standpunkt und vom Effizienz-Standpunkt her vernünftig ist, denn – und diese Dimension, Herr Bürgermeister, habe ich ausgesprochen vermisst, nämlich, dass Sie in irgendeiner Weise auf die euro­päische Ebene eingegangen wären – seit 1995 ist Europa für uns Gegenwart in jeder Richtung geworden, und da ist Brüssel mit all seinen Einrichtungen auf jeden Fall zu berücksichtigen.

Ein weiteres Wort, das meiner Ansicht nach sehr wichtig wäre, hat in Ihren Ausfüh­rungen gefehlt, nämlich das Wort Subsidiarität, dass die Dinge dort geregelt werden sollen, wo sie am vernünftigsten anzusiedeln sind.

Wenn ich die Gesetzeslandschaft in Österreich betrachte, muss ich zum Beispiel in den Bereichen Fischereigesetz, Jagdgesetz, Bauordnung feststellen, dass diesbezüg­lich in jedem Bundesland Regelungen bestehen, die durchaus unterschiedlich sind. Daher ist da die Frage nach der Sinnhaftigkeit auf jeden Fall zu stellen.

Sie haben dann vom Drei-Säulen-Modell gesprochen – vom theoretischen Ansatz her sehr gut, nur darf man eines nicht aus den Augen verlieren: Es darf nicht zu einer Blockierung der einzelnen Säulen kommen.

Und weil Sie von Konsens gesprochen haben: Meinten Sie damit die Einstimmigkeit, oder ist es doch möglich, wie in der Demokratie üblich, mit Mehrheitsentscheidungen zu einer Lösung zu kommen? Wenn nämlich der absolute Konsens verlangt wird, dann wissen wir eines ganz genau: dass immer der kleinste gemeinsame Nenner Realität wird. Und ob das immer die beste Lösung ist, ist die große Frage.

Selbstverständlich haben wir mit Wohlgefallen zur Kenntnis genommen, dass Sie bezüglich des Bundesrates einige Ideen entwickelt haben. Diese möchte ich aber auch als Jurist lieber schriftlich sehen, um sie dann einer Beurteilung zuzuführen, aber zu­mindest sind sie einmal auf dem Tisch, und das ist durchaus positiv zu sehen.

Ich bin aber auch Kommunalpolitiker – im 1. Bezirk, wie Sie wissen, Herr Landeshaupt­mann –, und ich hätte doch auch ganz gerne, dass die Subsidiarität in den Wiener Bezirken ein bisschen Platz greifen würde, zum Beispiel, dass die Mitwirkungs- und Anhörungsrechte, die in der Stadtverfassung enthalten sind, zumindest teilweise in echte Entscheidungsrechte umgewandelt werden. Das Weisungsrecht eines Bezirks­vorstehers in bestimmten Angelegenheiten wäre sicher auch sinnvoll, nicht dass man durch komplizierte Verwaltungswege zu einer Entscheidung kommen muss, die im


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Grunde genommen nicht erzwungen werden kann, sondern im Großen und Ganzen eine Gefälligkeit darstellt.

Ein weiterer Wunsch in diese Richtung wäre – im Jahre 2001 ist uns das versprochen worden –, dass die Bezirke eine Verordnungsermächtigung im Rahmen des Ge­brauchsabgabengesetzes erhalten. Eine solche ist bis heute nicht definiert worden. Und da muss ich immer auf meinen 1. Bezirk hinweisen: Sie sagen, Wien ist anders. Ich darf mir erlauben zu sagen, auch der 1. Bezirk ist ein bisschen anders als die ande­ren Bezirke.

Als Letztes in diesem Zusammenhang der Wunsch, dass man den Rathausplatz, der nicht allzu weit von hier entfernt ist, nicht zu einer Spielwiese für alles Mögliche macht, sondern sich überlegt, wie man eine Entlastung für die Bewohner herbeiführen kann, indem man ihn etwas weniger „bespielt“. (Bundesrat Schennach: Seien Sie froh, wenn die Leute wo zusammenkommen!) – Wenn Sie dort wohnen würden, Herr Kollege Schennach, und nicht im 19. Bezirk, dann würden Sie das sicher etwas anders sehen.

Als Letztes möchte ich einen Appell an Sie, Herr Landeshauptmann und Bürgermeis­ter, richten, und zwar im Zusammenhang mit der Kulturstadt Wien. – Das hat jetzt mit dem 1. Bezirk etwas zu tun, aber nicht alleine. – Wir brauchen in Wien unbedingt eine Verstärkung auf dem Sektor der Musikschulen. Wenn Sie sich heute die Spitzen­orchester ansehen – die Wiener Philharmoniker, die Wiener Symphoniker, das Radio-Symphonieorchester –, dann müssen Sie feststellen, dass – und das bitte jetzt nicht falsch zu interpretieren – immer weniger Österreicher, immer weniger Wiener in diesen Orchestern spielen; Sie brauchen sich nur die Namensliste bei den philharmonischen Konzerten durchzusehen. Das ist darauf zurückzuführen, dass Wien im Vergleich zu den anderen Bundesländern viel zu wenige Musikschulen hat. Daher die Bitte, ob Sie nicht das Geld, das Sie für das Ronacher vorsehen – Wien ist nun einmal keine Musi­cal-Stadt, sondern eine Konzert-, eine Opernstadt –, in die Musikausbildung investieren könnten, damit die Wiener Orchester auch von Österreichern, speziell von Wienern, besucht werden.

Abschließend, weil die rote Lampe schon blinkt, möchte ich Ihnen, Herr Bürgermeister, auch im Namen meiner Fraktion sehr dafür danken, dass nach 20 Jahren Sie als der erste Landeshauptmann von Wien vor diesem Bundesrat sprechen; das ist eine beson­dere Auszeichnung. Wir hoffen aber, dass nicht weitere 20 Jahre vergehen müssen, bis wieder jemand kommt. (Bundesrat Schennach: „Jemand“?! – Heiterkeit bei den Grünen.)

Als Letztes noch ein Dank dafür, dass Sie eine Grundsatzrede gehalten haben. Das ist immer etwas Schönes, denn darüber kann man dann ganz besonders diskutieren. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.07

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Gruber. – Bitte.

 


11.07

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Landeshauptmann! Herr Bürgermeister, lieber Freund! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorerst einmal recht herzlichen Dank für deine klaren Worte im Zusammen­hang mit dem Konvent und auch im Zusammenhang mit dem Bundesrat im Allgemei­nen, mit einer möglichen Stärkung des Bundesrates. Wir alle wären sehr froh, wenn es dazu käme, damit wir als Vertreter des Bundesrates in der Öffentlichkeit nicht als etwas Zahnloses dastehen.


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Danke auch dafür, dass du im Bereich des Finanzausgleichs einen gröberen Über­blick gegeben hast. Ich darf am Beispiel Salzburg den Finanzausgleich vielleicht etwas näher erläutern. Und was für das Bundesland Salzburg gilt, gilt ja auch für alle anderen Bundesländer, entweder etwas mehr für Wien, Niederösterreich, die Steiermark, Ober­österreich, gleich für Tirol, Kärnten und etwas weniger für das Burgenland und für Vor­arlberg.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Sache ist, dass 62 Milliarden € zur Ver­teilung anstehen und dass es bei einer solchen Finanzmasse natürlich sehr harte Verhandlungen gibt. Wenn man sich zu Gemüte führt, wie in den letzten vier Jahren dieser Finanzausgleich abgehandelt wurde – der Herr Bürgermeister ist schon darauf eingegangen –: Die Länder haben sich etwas zurückgenommen, um Budgetziele des Bundes zu unterstützen, die Gemeinden zwangsläufig auch. Das hat letzten Endes dazu geführt, zusammen mit Steuermaßnahmen, die der Bund zusätzlich gesetzt hat, dass der Bund im Jahr 2001 aus diesem gemeinsamen Topf um 866 Millionen € mehr herausgenommen hat. Im Gegensatz dazu haben die Länder 444 Millionen € und die Gemeinden 421 Millionen € eingebüßt.

Das setzt sich fort bis zum Jahr 2004. In Summe waren es ungefähr 3,7 Milliarden €, die der Bund in diesen vier Jahren mehr aus diesem Topf bekommen hat – zum Nach­teil der Länder und zum Nachteil der Gemeinden.

Was natürlich im Zuge dieser Verhandlungen etwas überrascht, ist eine weitere Forde­rung des Finanzministeriums beziehungsweise des Finanzministers. Ich habe mir das angeschaut am Beispiel Salzburg: Wenn man dem Wunsch Rechnung tragen würde, der vom Finanzminister kommt, würde Salzburg in Zukunft – und jedes andere Bun­desland kann sich das hoch- oder „nieder“-rechnen – jährlich in der nächsten Phase des Finanzausgleiches 107,4 Millionen € verlieren.

Das setzt sich zusammen aus 50,2 Millionen für Bedarfszuweisungen für die Länder, 21,4 Millionen für mindere Ertragsanteile, 21,6 Millionen für eine Deckelung bei den Landeslehrern und 14,2 Millionen durch den Entfall von Bundeszuschüssen für die Krankenanstaltenfinanzierung. In Summe wären das also 107,4 Millionen Schilling. (Rufe bei der ÖVP: Euro!)

Das bedeutet für das Land Salzburg eine satte ... (Bundesrat Bieringer: Euro!) – 107,4 Millionen €, Herr Kollege, bitte um Entschuldigung! Das sind ungefähr 1,5 Milliar­den Schilling – jetzt hat es gestimmt; Kopfrechnen geht noch einigermaßen.

Aber das heißt im Klartext: Für Salzburg ergibt sich bereits für das Jahr 2004 eine Finanzierungslücke von 28,8 Millionen €. 12 Millionen waren es bis zum Jänner, im Mai waren es schon 18,7 Millionen, und im Oktober sind wir bei 26,8 Millionen gelandet.

Da im Jänner die Konjunktur mit 2,1 Prozent noch ganz gut gelaufen ist, im Mai auf 1,5 Prozent zurückgefallen ist, hat es einen entsprechenden Rückgang bei den Steuer­einnahmen gegeben. Auch der Benzinpreis spielt hier eine Rolle, ebenso die Steuer­reform, also der Vorgriff auf das Familienpaket, und auch die Gewinne der Oesterrei­chischen Nationalbank haben sich verringert. Das alles ergibt eine Finanzierungslücke von 28,8 Millionen €.

Wenn man diese Rechnung fortsetzt – und der Finanzausgleich geht meistens über vier Jahre –, kommt man im Jahr 2005 zu einer Finanzierungslücke von 71,7 Millio­nen €. Davon sind 31 Millionen € aus der Steuerreform, 22 Millionen € aus den Minder­einnahmen der Ertragsanteile, und 15 Millionen € sind auf den Betriebsabgang der Landeskliniken zurückzuführen.


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Für 2006 erhöht sich dieser Abgang auf 75 Millionen €, und für 2008 – das ist jetzt eine geschätzte Zahl – geht es in Richtung 95 Millionen €, wobei der Anteil der Steuerre­form bereits 39 Millionen € ausmacht.

Eine weitere Belastung für die Bundesländer stellt der zukünftige EU-Beitrag dar. Wir haben schon bisher eine Steigerung feststellen müssen: 2003 waren es noch 28,2 Mil­lionen, im Jahr 2004 sind es bereits 31,3 Millionen für das Land Salzburg. Und die Vorausschau: Im Jahr 2006 wird dieser Beitrag etwa 34,3 Millionen ausmachen. – Also innerhalb von drei Jahren eine Steigerung von 6,2 Millionen € für das Bundesland Salz­burg! Und man kann das dann wieder entsprechend für die anderen Bundesländer umrechnen.

Die Kosten für die Flüchtlingshilfe werden sich verdoppeln. Salzburg hat im Jahr 2004 1,7 Millionen € dafür aufgewendet. Hochrechungen und Schätzungen erge­ben, dass das Land Salzburg im Jahr 2006 3,6 Millionen € dafür aufwenden wird müssen.

Angesichts dieser Zahlen kann man natürlich mit dem Wunsch des Finanzministers nicht ganz einverstanden sein – nicht einverstanden sein aus Sicht der Länder, aber auch nicht aus Sicht der Gemeinden. Sie alle wissen – und der Herr Bürgermeister hat es hier angesprochen –, die Gemeinden sind direkt, was die Mitarbeiter angeht, einer der größten Arbeitgeber in dieser Republik, und die Gemeinden sind indirekt durch Investitionen, vor allem in die heimischen Firmen vor Ort, in die Klein- und Mittelbe­triebe, die größten Investoren in diesem Land. Daher ist es ganz wichtig, dass bei einem Finanzausgleich eine gerechte Verteilung dieser Finanzmasse erfolgt.

Es kann nicht sein – und das ist auch wieder ein Beispiel aus dem Bereich der Steuerreform –, dass, während der Bund bei den Einnahmen mit 71 Prozent beteiligt ist, die Länder mit 12,6 Prozent und die Gemeinden mit 16,4 Prozent, der Bund bei der Steuerreform nur 63,9 Prozent übernimmt. Er nimmt 71 Prozent aus den Steuermitteln, ist aber bei der Steuerreform nur mit 63,9 Prozent beteiligt. Die Länder, die nur mit 12,6 Prozent der Einnahmen beteiligt sind, sind aber mit 23,1 Prozent an der Steuer­reform beteiligt. Das ist um 10,5 Prozent mehr.

Also auch hier sollten im Rahmen des Finanzausgleichs Lösungen gefunden werden, die zu einer gerechten Verteilung führen.

Wenn man bedenkt, dass 75 Prozent der Einnahmen des Landes Salzburg, also des Gesamthaushaltes, Zuwendungen von Seiten des Bundes sind, weiß man, wie be­deutend diese Finanzausgleichsverhandlungen sind. Und wenn man weiß, dass 93 Prozent dieses Gesamthaushaltes unter Pflichtaufgaben fallen und nur 7 Prozent Ermessensausgaben sind, dann kann man sich auch vorstellen, dass, wenn sich die finanzielle Situation der Länder, aber natürlich auch der Gemeinden weiterhin ver­schlechtert, der finanzielle Spielraum, der Spielraum für Investitionen, für Aktivitäten, für Impulse für die Wirtschaft immer enger wird, und irgendwann einmal stoßen wir an eine Grenze, wo dann eben nicht mehr investiert werden kann.

Anhand dieser Zahlen lässt sich ableiten, dass in Zukunft – ich habe es bereits ge­sagt – von den Ländern und von den Gemeinden bezüglich Aktivitäten oder auch Impulse nicht mehr allzu viel zu erwarten ist – außer es gelingt, einen vernünftigen Finanzausgleich zu Stande zu bringen. Wir alle leiden in den Regionen vor Ort unter den verschiedenen Sparmaßnahmen, ob es die Schließung von Gendarmerieposten, ob es die Schließung von Postämtern ist oder was auch immer da zugesperrt wurde, Gerichte, Dienststellen der Bundesforste, Finanzdirektionen. Wir leiden sehr unter diesen Maßnahmen, und wir sollten daher trachten, dass zumindest die notwendige Infrastruktur vor Ort gegeben ist.


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Man hört derzeit schon wieder, dass geplant ist, eine weitere – bereits die dritte – Reihe von Postämtern zuzusperren. Und ich habe gerade vor ein paar Tagen erfahren, dass im Gasteinertal acht Regionalzüge aus dem Fahrplan gestrichen werden. – All diese Dinge sind nicht sehr erfreulich, und ich glaube, dass hier vernünftig verhandelt werden muss. Es ist nicht zu verstehen, dass wir Milliardenbeträge für Eurofighter aus­geben. Es ist nicht zu verstehen, dass wir Millionen € für externe Berater ausgeben, sei es bei der Bundesbahn, sei es im Finanzministerium, wo auch immer, und es ist auch nicht zu verstehen, dass bei einer Pensionsreform, bei einer Pensionsharmonisierung, die letztlich ja auch eine Kürzung der Pensionen bedeutet, gleichzeitig hoch qualifi­zierte Beamte mit 50 in die Frühpension geschickt werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Arbeitslose, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind in unserem Land offenbar kein Thema mehr. Einzelschicksale interessieren niemanden. Und im Übrigen ... (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Bitte lassen Sie mich fertig reden, ich zitiere hier nur Ihren Herrn Minister Bartenstein! Im Übrigen, hat er gesagt, stehen wir gegenüber den anderen EU Staaten sehr gut da. – Originalton Bartenstein. Und das bei 254 000 Menschen in diesem Land ohne Job! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist Originalton Bartenstein! Bitte sich nicht bei mir zu beschweren, sondern bei Ihrem Regierungskol­legen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir leisten uns einen Finanzminister, der nicht mehr weiß, was das Wort „Nulldefizit“ bedeutet. Heuer haben wir das Budgetdefizit von 0,7 auf 1,4 Prozent erhöht. Es fehlt 1 Milliarde € – er sucht mit seinen Beamten und findet sie nicht.

Wir haben einen Finanzminister, der nicht den Mut hat, sich am Österreichischen Gemeindetag den Bürgermeistern zu stellen. Wenn die Bürgermeister dann demonst­rieren, zieht er sich beleidigt zurück. (Bundesrat Molzbichler: Das ist skandalös!) Ich glaube, auch hier sollte man einmal darüber nachdenken, dass sich ein Finanzminister dieser Republik sehr wohl – wenn dort auch der Herr Bundespräsident auftritt –, wenn dies gewünscht wird, dort der Diskussion stellen sollte. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Es ist traurig für diese Regierung, wenn ein Finanzminister dazu nicht bereit ist, wenn er auf der anderen Seite im Design Center Linz oder wo auch immer seine Show abzieht, für alles Zeit hat, was möglich ist – aber den Bürgermeistern bei der österreichischen Bürgermeisterkonferenz stellt er sich nicht. Das ist traurig, würde ich sagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluss komme, noch Folgendes sagen: All jene von uns, die aus der Kommunalpolitik kom­men, wissen: Aufgaben des Bundes werden zum Teil an Länder und Gemeinden über­tragen, meistens ohne Abgeltung. Wir haben einen Konsultationsmechanismus, den man als „tote Hose“ bezeichnen kann: Bei 66 Eingaben (Zwischenruf des Bundesrates Weiss), Herr Präsident Weiss, hat die Bundesregierung nur einmal darauf reagiert. Ich frage mich daher, wofür wir den Konsultationsmechanismus überhaupt haben.

Eine äußerst wichtige Aufgabe – der Herr Bürgermeister hat das ja bereits angespro­chen – sehe ich für den Österreich-Konvent darin, die Allmacht des Finanzministers beim Finanzausgleich zu beseitigen. Es kann nicht sein, dass sich der Bund über Län­der und Gemeinden einfach hinwegsetzen kann. Hier wäre dringend eine Verfassungs­lücke zu schließen.

Pensionskürzungen, eine Pensionsharmonisierung, die in Wirklichkeit – ich habe es schon einmal gesagt – eine zweite Pensionskürzung war, verunsichern die Menschen in diesem Land (Rufe bei der ÖVP: Sie! Sie haben ...!) und lassen sie auch an der Redlichkeit und der Verantwortlichkeit dieser Politiker zweifeln.


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Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zu unserem Finanzminister sagen. Ich wollte ursprünglich zu der leidigen Homepage-Affäre nichts mehr sagen (Bundesrat Bieringer: Das hätte mich doch gewundert, wenn Sie nichts mehr sagen! Das hätte mich doch gewundert!), aber, Herr Bürgermeister, es ist beson­ders interessant, dass in Seekirchen eine Familie mit zwei Söhnen – einer sieben, einer neun Jahre alt – bei einer Veranstaltung mitgespielt hat, und der neunjährige Sohn hat eine Playstation im Wert von 199 € gewonnen. Da Kinder nicht mitspielen dürfen, ist die Mutter eingesprungen: Sie hat die Playstation übernommen und hat sie dann dem Sohn weitergeschenkt.

Wissen Sie, Herr Bürgermeister, Herr Kollege: Drei Wochen nach diesem Schenkungs­vorgang war vom zuständigen Finanzamt der Bescheid über die Schenkungssteuer in der Höhe von 14,30 € da. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Ko­necny: Das ist ja ungeheuerlich!) Und in dem Bescheid wurde noch darauf hinge­wiesen, dass man die Familienbande da schon berücksichtigt habe, denn sonst wären es 16,10 € gewesen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich frage mich daher: Wo sind wir? Bei der Homepage des Herrn Finanzministers wer­den Richter zu Staatsanwälten und Staatsanwälte zu Verteidigern. Wo sind wir wirk­lich? Was ist in dieser Sache wirklich los? – Traurig ist nur, dass in einer Sache wie jener in Seekirchen – du kannst das nachprüfen – innerhalb von drei Wochen der Be­scheid da war, nur: Wenn es etwas weiter oben ist, dann geht das anscheinend nicht. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

11.24

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

 


11.24

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Kollegen und Kolleginnen! Wir freuen uns alle, dass der Herr Bür­germeister bei uns ist. Er hat erwähnt, dass seit 20 Jahren das erste Mal ein Bürger­meister und Landeshauptmann von Wien hier im Bundesrat ist, und ich freue mich auch, dass er das selbst von sich aus zugegeben hat. – Es ist aber nicht seine Schuld, dass seine Vorgänger nicht hier waren (Landeshauptmann Dr. Häupl: Na ja, auch! Auch!), das muss man gleich sagen.

Der Herr Bürgermeister hat mehrfach die Landeshauptleutekonferenz erwähnt. Man muss nur bei der Landeshauptleutekonferenz fairerweise dazusagen, dass sie ein in­formelles Gremium ist, welches wohl tüchtige Überlegungen ausarbeitet, die jedoch im Grunde genommen noch gar keine – ich betone: noch gar keine – Auswirkungen haben, außer sie werden in weiterer Folge in Gesetze der Länder oder des Bundes ge­gossen.

Etwas ist mir in Ihren Ausführungen abgegangen, und das ist vielleicht mein Stecken­pferd, Herr Bundesminister – nein: noch nicht! –, Herr Landeshauptmann (allgemeine Heiterkeit – Ruf: Ein bisserl warten noch! – Bundesrat Boden: Im Jahr 2006! – Landes­hauptmann Dr. Häupl: Es geht nichts über einen gesunden Pessimismus!): Es ist mir abgegangen, dass der Herr Landeshauptmann eine Finanzhoheit für die Länder, und als Landeshauptmann von Wien eine Finanzhoheit für das Land Wien, gefordert hat. Es ist natürlich einfach, immer den Herrn Bundesminister für Finanzen für allfällige Missstände verantwortlich zu machen, aber nicht selbständig zu fordern: Wir wollen Finanzhoheit!, denn das stellt erst die Autonomie eines Bundeslandes sicher. Ständig am Tropf des Bundes zu hängen – wenn man das Geld kriegt, hat man einen tüchtigen Landesfinanzreferenten gehabt, wenn man es nicht kriegt, ist der Bundesminister für


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Finanzen der Beelzebub –, das halte ich für etwas zu einfach. Und vielleicht sagen Sie mir ja nachher: Jawohl, Gudenus, Sie haben Recht, das wollen wir in der Zukunft haben! Wir wollen sowohl den Vorteil als auch natürlich den Nachteil der eigenen Finanzhoheit haben. – Dass sie nicht nur Vorteile bringt, ist klar.

Ich habe in der gestrigen Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ im Wirt­schaftsteil einen Beitrag von Carsten Schneider – er ist stellvertretender haushaltspoli­tischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion – gelesen. Ich lese nur den Titel vor – der Artikel ist interessant genug –: „Wir brauchen ein Verschuldungsverbot in der Ver­fassung und ein Vetorecht für den Finanzminister.“ – Das sagt er, als SPD-ler. Ob Sie das für einen ÖVP-Bundesminister für Finanzen auch so fordern würden, ist eine Frage, aber nehmen wir es einmal intellektuell redlich: Warum auch nicht? Aber dann stimmt das auch für die „Landesfinanzminister“, also die Landesräte. Die müssten ebenso kraft ihres Amtes ein Verbot der Verschuldung aussprechen können.

Wir wissen, dass die Finanzierung das Wichtigste ist in Bezug auf die Frage, wie ein Land gesteuert wird. Aber es ist nicht nur der Finanzausgleich, der dabei zu bedenken ist, Herr Landeshauptmann.

Die heurigen massiven Budgetkürzungen des Landes Wien reichen nicht mehr aus, eine Neuverschuldung zu verhindern. Ab 2004 muss sich die Stadt erstmals wieder neu verschulden. Das Jahr 2004 markiert somit eine negative Trendwende in der stadt­eigenen Budgetpolitik.

Die stark steigenden Kosten der Wiener Sozialhilfe werden bereits auf dem Kreditwege finanziert. (Bundesrätin Bachner: Und? Warum sind die da?) Die Kostenexplosion im Sozial- und Gesundheitswesen der Stadt musste nämlich durch Kürzungen bei beson­ders beschäftigungswirksamen Ausgaben kompensiert werden. Der Rechnungsab­schluss 2003 zeigt, dass das Wiener Budget durch die Kostenexplosion im Sozial- und Gesundheitswesen seine Funktion im Bereich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik überhaupt nicht mehr erfüllen kann. Wien hat sich daher auch bei der Wirtschafts­dynamik in den letzten Jahren zum österreichischen Schlusslicht entwickelt.

Der Bund finanziert auch zunehmend die kommunale Infrastruktur in Wien. Seit der Er­weiterung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel werden nämlich Mittel aus dem Zweckzuschuss des Bundes für die Finanzierung der Infrastruktur in Wien umge­leitet. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Konecny.) 2003 wurden durch diese Umwidmung städtische Investitionen im Volumen von 140 Millionen € direkt vom Bund finanziert.

Ich stimme Ihnen zu, lieber Herr Kollege Professor Konecny: Das ist gut. Aber ist es in unserem Sinne, dass man Budgetmittel anders verwendet, als vielleicht vorgesehen?

Die Budgetpolitik der Stadt hat die Abschwungtendenzen der Wirtschaft noch zusätz­lich verstärkt. Die Schlusslichtposition der Wiener Wirtschaft ist daher durch die fal­sche, prozyklische Wirtschaftspolitik in Wien hausgemacht worden. Das ist ein Fehler, der von vielen Finanzministern und Finanzlandesräten gemacht wird, aber er muss auch hier erwähnt werden. Es wird nicht besser, wenn alle einen Fehler machen.

Die Stadtregierung hat das Volumen der Förderung für die Wiener Klein- und Mittel­betriebe seit ihrem Amtsantritt um 10 Millionen € gekürzt.

Tatsächlich wurden im Budgetvollzug nur 5,5 Millionen ausgegeben: 20 Millionen für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen der Stadt fielen dem Rotstift zum Opfer.

Herr Bürgermeister! Sie erwähnten auch die Spitalsfinanzierung. – Die Finanzierung des Wiener Gesundheitssystems ist nicht mehr gesichert! Durch das geltende Finan­zierungsübereinkommen werden die Spitäler der Stadt kaputtgespart. Der Krankenan-


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staltenverbund muss Rücklagen auflösen und lebt damit auf Kosten der Substanz. So mussten zur Finanzierung der Wiener Spitäler im Jahre 2003 24 Millionen € bei der Wirtschaftsförderung gekürzt und für die Spitäler umgewidmet werden. Der Jahresab­schluss 2003 des KAV zeigt, dass die Wiener Spitäler ohne Kapitalzuschuss von außen bereits heuer zahlungsunfähig sind. (Ironische Heiterkeit des Landeshaupt­mannes Dr. Häupl.) Unsere Prognose, dass die Wiener Spitäler im Jahre 2004 ohne Zuschuss konkursreif sind, ist daher punktgenau eingetroffen. (Landeshauptmann Dr. Häupl: Das ist jedes Spital!)

Ein durchschnittlicher Wiener Haushalt wird durch rund 25 Maßnahmen der Wiener sozialistischen Stadtregierung mit etwa 450 € pro Jahr belastet – das sind Mietenerhö­hungen, Essen auf Rädern, Wirtschaftsförderungen werden gesenkt, Tarife der Wiener Linien erhöht, Wiener Müllsteuer plus 26 Prozent, Abschleppgebühr für Autos 7 bis 27 Prozent höher, Feuerwehrgebühr überhaupt um 150 Prozent erhöht. – Ich lese nicht alle 25 Punkte vor, der Herr Bürgermeister kennt sie sicherlich. (Ruf bei der SPÖ: Ist das eine Gemeinderatssitzung?)

Eine Wohnung suchende Jungfamilie muss zusätzlich 480 € an Wohnkosten verkraf­ten. Sie wird in Zukunft also mit gesamten Mehrkosten von 930 € im Jahr belastet werden.

In den letzten drei Jahren ist die Belastung durch die Wiener Wasser-, Kanal- und Müll­steuer um 37,8 Millionen € auf insgesamt 120,8 Millionen angestiegen – das ist gegen­über dem Jahr 2000 ein Plus von 46 Prozent. 

2004 muss daher neuerlich eine Budgetüberschreitung für die Wiener Sozialhilfe in der Höhe von 46 Millionen beschlossen werden. Auf Grund der immer enger werdenden Budgetspielräume können diese Mehrausgaben 2004 nicht mehr, so wie im Vorjahr, durch Umschichtungen gedeckt werden. Die Stadt musste daher diese Überschreitung bei der Sozialhilfe durch Kreditaufnahmen und damit erstmals seit Jahren wieder durch zusätzliche Neuverschuldung finanzieren.

Mit der beschlossenen Ausgliederung des Sozialbereiches per 1. Juli 2004 flüchtet die sozialistische Stadtregierung aus ihrer politischen Verantwortung. Diese Rechnungs­abschluss-Debatte, die wir jetzt im Wiener Landtag geführt haben, wird somit ... (Bun­desrat Konecny: Ist die Rede auch von dort? Hat man Ihnen die abgetreten, Herr Kollege? – Bundesrat Prutsch: Ist das eine Gemeinderatssitzung da?) – Bitte?

Die Rechnungsabschluss-Debatte im Wiener Landtag war somit die letzte, in der die Opposition Einblick in das Budget bekam. Durch die Gründung des Fonds Soziales Wien sollen die geplanten Kürzungen vor dem Gemeinderat verschleiert werden. – Es müssen jene Informationsrechte, die jedem privaten Aktionär im Sinne des Anleger­schutzes zustehen, in Hinkunft auch dem Wiener Gemeinderat eingeräumt werden, Herr Bürgermeister!

Es stimmt nachdenklich, dass die strukturschwachen Bundesländer Burgenland und Kärnten – eines mit einem sozialdemokratischen Landeshauptmann, eines mit einem freiheitlichen Landeshauptmann – die Bundeshauptstadt überholen konnten (Landes­hauptmann Dr. Häupl: In was?): Bereits im Jahr 2001 hatte Kärnten mit seiner Wirt­schaftspolitik Wien überholt! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und Bravoruf bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Wo?)

Und im Jahr 2002 wurde die Bundeshauptstadt sogar vom Ziel -1-Fördergebiet Bur­genland überholt. Seither hat Wien die höchste Arbeitslosenquote.

Von den 16 000 verlorenen Wiener Arbeitsplätzen (Bundesrat Konecny: ... 25 000 von den Bundesländern ...!) entfallen lediglich 3 000 auf den öffentlichen Dienst – den


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öffentlichen Dienst hat ein Vorredner erwähnt –, aber 13 000 Arbeitsplätze sind in der Wiener Privatwirtschaft der falschen sozialistischen Standortpolitik zum Opfer gefallen.

Von der gesamten Zunahme der Zahl der arbeitslosen Österreicher um 54 000 entfällt mit einem Plus von 27 000 die Hälfte auf die Bundeshauptstadt Wien. Oder – anders ausgedrückt –: Jeder zweite neue Arbeitslose in Österreich ist ein Wiener Arbeitsloser. (Bundesrätin Bachner: Das bezweifle ich!)

Dieser Negativ-Trend ist durch die falsche Arbeitsplatzpolitik in Wien hausgemacht. Es ist dies eine Weiterentwicklung, die sich seit 30 Jahren abgezeichnet hat. (Bundesrat Reisenberger: Darum ist auch jeder vierte Arbeitsplatz in Wien!)

Der Wifo-Vergleich zeigt, dass Wien auch im internationalen Vergleich Schlusslicht in der Arbeitsmarktpolitik ist. (Bundesrat Prutsch: Das ist aber Bundesaufgabe!) Im direk­ten Vergleich von 38 europäischen Großstädten belegt die Bundeshauptstadt Wien den Rang 33 – im Bericht steht „blamabler“ Rang, aber das erwähne ich lieber nicht, und ich hoffe, es kommt nicht ins Protokoll. (Bundesrat Konecny: Dann hätten Sie es nicht sagen dürfen!)

Eine Innovationserhebung kommt zu dem Schluss, dass der Innovationsrückstand Wiens gegenüber den deutschen Metropolen zum Großteil auf standortbedingte Ein­flussfaktoren zurückzuführen sein muss. Daraus leitet die Studie einen enormen tech­nologiepolitischen Handlungsbedarf für Wien ab.

Herr Bürgermeister! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kollegen! Es be­wahrheitet sich hier, dass man mit einer symbolischen Politik die Folgen nicht beheben kann – und die Folgen einer symbolischen Politik sind keineswegs symbolische Fol­gen. Und die merken wir hier in Wien, und wir werden sie in den nächsten Jahren ver­stärkt merken. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.36

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.37

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Bürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, Kollege Gudenus, ob Sie sich die heutige Rede bei Herrn Strache ausgeborgt haben (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ), aber ich habe mich irgendwie ein bisschen am falschen Platz gefühlt.

Ich meine, Sie haben hier Aufgaben und Leistungen einer Gemeinde beschrieben, und ich wundere mich immer, dass hier immer mit großem Hurra zum Beispiel eine Steuer­reform bejubelt wird – ich kann mich ja noch an Ihr schwieriges Abstimmungsverhältnis hier im Bundesrat erinnern –, die ja letztlich dazu führt, dass die Gemeinden in Öster­reich „SOS!“ rufen, dass die Gemeinden um Hilfe rufen. Und das sind nicht nur die roten Gemeinden – nur weil jetzt der rote Städtebund-Präsident hier sitzt –, das ist auch Herr Kollege Mödlhammer. Da gibt es, glaube ich, kein Blatt Papier, das man zwischen die beiden schieben kann.

Die Zeche zahlen die Gemeinden, die Zeche zahlen die Städte – und Sie stehen da und applaudieren. Und dann sitzen so viele wunderschöne und kluge Bürgermeister da, und nachher gehen sie zum Gemeindetag und jammern. – Es ist Ihre Regierung, die das zu verantworten hat, und all das, was Sie uns jetzt erzählt haben, Herr Kollege Gudenus, hat natürlich Ursachen! – Aber zurück zum Landeshauptmann von Wien.

Es ist gut so – da ja immer der latente Vorwurf an Wien gerichtet ist, mit dem Födera­lismus nicht so viel am Hut zu haben –, wenn heute der Herr Landeshauptmann von


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Wien in dieser „Weihehalle des Föderalismus“ ein Bekenntnis abgegeben hat, das nahezu wortidentisch ist mit jenem, das Landeshauptmann Pühringer von Oberöster­reich hier abgegeben hat, insbesondere in jenem Punkt, der die Beteiligung und die Mitwirkung des Bundesrates beim Finanzausgleich betrifft. Das zeigt eigentlich, dass zwei starke Landeshauptleute in der – zugegeben – inoffiziellen, informellen Landes­hauptleutekonferenz vielleicht dann doch ihr Gewicht so weit einbringen, dass es möglich wird, diese wichtige Materie hier hereinzubekommen.

Ich meine, wovor steht im Konvent die Debatte um eine neue Finanzverfassung? – Einerseits ist das derzeitige Kennzeichen dieses Föderalismus, dass er einnahmen­zentriert ist, und andererseits ist er ein Ausgaben-Föderalismus. Es ist tatsächlich so, dass die Einnahmen der Gemeinden in den letzten Jahren, eigentlich seit 1990, aber insbesondere seit dem Jahr 2000 dramatisch – dramatisch, meine Damen und Her­ren! – gesunken sind. Der Bund macht Steuergeschenke – und die Städte, Länder und Gemeinden zahlen die Zeche: Nahezu 40 Prozent haben die Länder und Gemeinden davon bezahlt. (In Richtung der Bundesrätin Zwazl:) Frau Präsidentin, Sie können es nicht wegleugnen, es ist so!

Im Jahr 2000 wurde dann noch einmal die Verhandlungsgrundlage einseitig geändert. 450 Millionen € – das wurde hier einseitig geändert. Mödlhammer – Kollege Bieringer kennt ihn ja bestens –, der nicht unbedingt in der linken Reichshälfte angesiedelt ist, meint dazu: Die Gemeinden und Länder sind die großen Verlierer der vergangenen Jahre! – Und diese vergangenen Jahre standen unter der politischen Verantwortung des Bundeskanzlers Schüssel und seines Finanzministers Grasser. Das heißt, Schüs­sel und Grasser machen eine Politik gegen die Gemeinden und gegen das Wohl der Länder! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es gibt ja einen Gemeindeminister. Wissen Sie das, meine Damen und Herren? Es gibt einen Gemeindeminister. Manchmal frage ich mich: Wieso schreit der nicht? Er ist seines Zeichens Innenminister mit Gemeindeagenden. Warum schreit er nicht im Ministerrat auf? Gleichzeitig gibt es nicht nur die 38 Prozent Beteiligung der Gemein­den, nicht nur die Verringerung bei den Erträgen, sondern es kommt auch noch eine ganze Reihe von Aufgaben auf die Gemeinden zu, deren sich der Bund nahezu ersatz­los entledigt hat. Ich sage jetzt einmal: Passwesen, Meldewesen, Fundamt. Zweitens, die Daseinsvorsorge, die Krankenanstalten haben wir schon besprochen, Soziales und dazu noch der Riesenpacken, um den sich Herr Gudenus Sorgen macht, wie ihn Herr Bürgermeister Häupl bewältigt, nämlich den gesamten Bereich der Infrastruktur von Abwasser, Abfall und Verkehr.

Herr Professor Lehner – um hier jemanden zu nennen, der über uns allen schwebt – meint: Die Anteile der Länder und Gemeinden an der Finanzmasse sind seit 1990 gesunken, die des Bundes gestiegen, und zwar von 59,2 auf 61,9. – Es liegt jetzt eine Studie von Schönbäck/Bauer/Bröthaler vor, die man – Gudenus hat vorhin ganz „groß­zügig“ daraus nur ein Zitat genannt – mit folgendem Satz zusammenfassen kann: Die Gemeinden sind die Verlierer des Transfersystems des Finanzausgleichs. (Zwischen­ruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Und was macht der Bund? Was macht unser „genialer“ Herr Finanzminister? – Er ver­sucht die Gemeinden gegeneinander auszuspielen. Er bietet an, den finanzschwachen Gemeinden etwas zu geben. Was meint er damit? Bundesmittel? – Nein! Er meint damit, aus der Summe jenes Geldes, das wir dafür zur Verfügung haben, den einen Gemeinden etwas weg- und den anderen etwas dazuzugeben.

Es ist zwar richtig, wir haben Probleme, es gibt extrem finanzschwache und struktur­schwache Gemeinden, nämlich rund 200, in Österreich. Hier muss tatsächlich etwas geschehen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber – wie zum Beispiel auch der


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Wiener Bürgermeister beim Gemeindetag wörtlich gemeint hat – der Bund hat sich noch nie für die Verteilung der Gemeindemittel interessiert, dass das jetzt kommt, ist eine vordergründige Taktik! Und jetzt gehen wir vom roten Bürgermeister zum schwar­zen: Mödlhammer sagt – an die Adresse der Bundesregierung, also nicht an irgend­jemanden, sondern an die Bundesregierung und damit an den Lieblingssohn von Schüssel gerichtet –: Österreichs Gemeinden stehen zusammen, sie lassen sich nicht gegeneinander ausspielen!

Ganz offensichtlich wird hier ein ganz perfides Spiel getrieben, nämlich die Gemeinden im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen aufzusplitten, die Gemeinden auseinan­der zu dividieren, um sich dann letztlich doch in relativer Deutlichkeit durchzusetzen.

Und das war der Grund, Kollege, warum Karl-Heinz Grasser den Gemeindetag in Linz gescheut und seinen Staatssekretär hingeschickt hat, der das irgendwie „abgewettert“ hat. Aber der Herr Staatssekretär trägt ja nicht in der Form die Verantwortung. (Bun­desrat Gruber: Er scheut auch den Bundesrat, der Herr Finanzminister!) – Er scheut natürlich auch den Bundesrat, da haben Sie völlig Recht!

Aber noch nie ist ein Finanzminister dermaßen arrogant über die Interessen und über die Sorgen der österreichischen Gemeinden drübergefahren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich bin kein Bürgermeister – und ich kann das sagen; ich bin jedoch auch Kommunal­politiker –, aber wenn die Bundesregierung hundertmal sagt, sie schaffe Arbeitsplätze: Arbeitsplätze, Innovation, Infrastruktur, Investition schaffen in erster Linie die Gemein­den! (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die haben das Geld und sind bürgernah. Deshalb geht es jetzt in dieser Debatte ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Natürlich schaffen das die Gemeinden, natürlich schaf­fen das die Gemeinden! Dort wirkt sich die Beschäftigung aus (Bundesrat Dr. Kühnel: Nicht ausschließlich!), sowohl im Non-profit-Bereich als auch bei den Gemeinden, meine Damen und Herren! Dort zählen die Arbeitsplätze, dort zählt die Beschäftigung, dort kommt das Geld direkt in die kleinräumige Wirtschaft, dort kommt es direkt in die Beschäftigung von Gemeinden, Kollege Kneifel. (Bundesrat Kneifel: In den Gemein­den!) – In den Gemeinden, in den Gemeinden, selbstverständlich!

Deshalb geht es beim Finanzausgleich aus der Sicht der Gemeinden um Folgendes: Es geht um Gerechtigkeit, meine Damen und Herren, und es geht um Rechtssicher­heit!

Es gibt ja keine Rechtssicherheit. Eine der wichtigsten Forderungen – auch wenn, glaube ich, ein Vorredner gesagt hat, mit dem Konsultationsmechanismus habe man so seine Probleme, aber es gebe ja einen Konvent, um aus dem Konsultationsmecha­nismus vielleicht doch ein Kätzchen mit Zähnen zu machen und nicht nur einen zahn­losen Papiertiger – ist, einen echten Konsultationsmechanismus einzusetzen. Und des­halb geht es um Rechtssicherheit und darum, den Finanzausgleich diesem Konsultati­onsmechanismus zu unterwerfen.

Für die Gemeinden geht es noch um etwas anderes – wenn ich Gemeinden sage, so meine ich natürlich damit auch die Städte –: Es geht um Gestaltungsfreiheit vor Ort! Wir alle reden von „bürgernah“, wir wollen eine „bürgernahe Verfassung“, wir wollen eine „bürgernahe Politik“ und so weiter, eine „bürgerInnennahe Politik“, eine „bürgerIn­nennahe Verfassung“. Eben das sind die wichtigen Dinge, die jetzt auf die Gemeinden zukommen, und deshalb bedarf es hier auch einer Gestaltungsfreiheit.

Lassen Sie mich noch ein, zwei Worte zum Spitalsthema sagen. Bis 2009 eine Verdrei­fachung des Abganges – das kann nicht auf den Schultern der Gemeinden liegen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das stimmt doch nicht!) – Es stimmt! Sie werden Ihre Berech-


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nungen haben ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Es gibt Gemeindespitäler, Landesspitäler, Ordensspitäler ...!) – Natürlich! Natürlich gibt es unterschiedliche Spitäler, aber die Krise der Spitäler und des Sozialsystems und – nach Ihrer Pensionsreform – auch des Systems der sozialen Sicherheit ist evident, meine Damen und Herren!

Daher müssen wir in der Daseinsvorsorge reagieren, gerade was die Betreuung der Senioren und Seniorinnen betrifft, sind die Gemeinden auf Grund Ihrer Pensionsreform in den nächsten 20 Jahren sowieso überfordert. Deshalb lautet die Frage: Wie wird das künftig finanziert, nämlich einerseits das Spitalswesen, andererseits die Betreuung der Senioren und Seniorinnen?

Nur einfach Augen zu, Ohren zu, Nase zu! Die Gemeinden sollen sich doch „der­steßen“, aufhängen, irgendetwas tun – so kann es nicht gehen, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und ein Letztes: Es ist ja nicht so, dass die Gemeinden so unwillige Böcke sind! Der innerösterreichische Stabilitätspakt wurde nämlich im Gegensatz zu Bund und Ländern als Einzige von den Gemeinden erfüllt. Die Länder sind mit 0,87 Prozent im Rückstand, der Bund leistet sich sogar, den vorgegebenen Stabilitätspakt um fast 2 Prozent nicht zu erfüllen. Dass also die Gemeinden im Winkerl stehen und „Ätschi-bätschi“ schreien, stimmt nicht. Sie haben ihren Anteil geleistet.

Deshalb, Herr Gudenus, hat Wien auch eine übergroße Leistung erbracht, am Stabili­tätspakt Ihres ehemaligen Parteikollegen hier mitzuwirken, weil sich die Gemeinden – die, wie wir ja wissen, Keimzelle der Demokratie, als sie gegründet wurden – als Teil der Gesamtheit dieses Landes gesehen haben und auch einen Anteil daran tragen. Und dann kommen Sie heraus, halten eine eher lustige als ernsthafte Rede – das ist die Frage, die ich mir hier stelle! (Bundesrat Mag. Gudenus: Wenn das lustig war, dann ...!) – Ich nehme das auch gerne zurück!

Herr Bürgermeister, ein Punkt stört mich jedoch schon. Warum wird in den Finanzaus­gleichsverhandlungen von den Gemeinden immer ein bestimmtes Goldenes Kalb zum Sturm auf den Bund, nämlich die Frage der Werbeabgabe, herumgetragen? – Das ist meiner Meinung nach das Sinnloseste, für das die Gemeinden jemals gekämpft haben. Es ist eine Strafsteuer für die Wirtschaft, die es im gesamten europäischen Umfeld nicht gibt. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Zwazl.) Auf diese 5 Prozent darf es doch bitte nicht ankommen! Es gibt doch sinnvollere Objekte des „Heiligen Krieges“ als diese sinnlose, dumme und gerade jetzt auf dem angespannten Werbemarkt so fatal wirkende Werbesteuer!

Es wurde sogar das Protokoll der letzten Finanzausgleichsverhandlung auf Wunsch der Gemeinden berichtigt. Sie wollen diese Werbesteuer nicht nur wieder drinnen haben, sondern auch noch ausweiten. So einen Unfug, diese Werbesteuer! Wir sind in einer angespannten Situation, dieser Unfug muss weg! Ich hoffe, dass am Ende dieser Finanzausgleichsverhandlungen dieser Unfug, über den wir uns, glaube ich, schon 20 Jahre unterhalten, endlich wegkommt. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.51

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Herr Landeshauptmann hat sich zu Wort gemeldet. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

 


11.51

Landeshauptmann von Wien Dr. Michael Häupl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre jetzt unglaublich verführerisch, mich mit den Wien-Spezifika, die hier erwähnt wurden, auseinander zu setzen – allerdings weniger mit der Wiederholung einer Presseaussendung des Pressereferenten des FPÖ-Landtagsklubs in Wien; es


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handelt sich nämlich nicht um eine Rede von Strache, sondern das hat ein Presse­referent als solcher gemacht. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Mit diesen Argumentationen setzen wir uns schon in Wien auseinander.

Es hat aber durchaus darüber hinausgehende sehr wichtige Punkte gegeben. Ich ver­hehle nicht, dass ich mit Mühe an mir halten muss, mich jetzt nicht auf diese Wien-Spezifika einzulassen. Es ließe sich eine Menge dazu sagen, wieso Wien beispiels­weise ein ausgeglichenes operatives Budget hat, wieso Wien selbstverständlich ge­mäß dem Stabilitätspakt seinen Maastricht-Überschuss abliefert, wieso es in Wien etwas mehr als 800 000 Arbeitsplätze gibt, 200 000 davon für Nichtwiener, 100 000 für Ausländer in dieser Stadt, und vieles andere mehr. – Wenn Wien so wäre, wie Sie es geschildert haben, Herr Bundesrat Gudenus, dann wären wir mit Sicherheit Ziel-1-Gebiet! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir können auch durchaus darüber reden, wer zum Beispiel Arbeitsplätze schafft. Es ist eine sehr vernünftige Argumentation – ich kann dieser Position eine ganze Menge abgewinnen –, zu sagen, die Unternehmer schaffen die Arbeitsplätze. Aber dass die Unternehmer die Arbeitsplätze schaffen, die Gemeinde Wien aber die Arbeitslosigkeit – damit können Sie mich nicht wirklich begeistern, Herr Bundesrat! Das werden Sie hoffentlich auch verstehen. (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Verführung hin, Verführung her – ich widerstehe ihr und will versuchen, an jene Punkte noch etwas anzuhängen, was das eigentliche Thema meiner Erklärung, auch meiner Einleitung dazu gewesen ist. Das will ich im Prinzip auch gerne.

Erster Punkt: Jawohl, ich stimme mit Ihnen überein, dass mit Steuermitteln besonders verantwortungsvoll und besonders effizient umgegangen werden muss! Sie werden in mir keinen Befürworter einer Verschleuderung von Steuergeldern finden. Dass man in der politischen Debatte, im Diskurs unterschiedlicher Auffassung darüber sein kann, wo Steuermittel am effizientesten eingesetzt werden können, das liegt in der Natur der Demokratie und der Politik. Dagegen ist auch nichts zu sagen.

Aber es ist schon das ursächliche Interesse eines Bürgermeisters oder auch eines Landeshauptmannes, auf den effizienten Mitteleinsatz zu achten, denn je effizienter die Mittel eingesetzt werden, umso mehr kann er machen und umso mehr kann in diesem Land auch passieren.

So ist es selbstverständlich, dass eine Verwaltung so schlank wie möglich sein muss. Ich habe auch intensiv meinen Anteil an dem, was als Bundesstaatsreform, also als Verwaltungsreform diskutiert wurde. Ich habe mich beispielsweise nie geweigert, wesentliche Teile der Sicherheitsverwaltung, also aus der Polizei, in Wien zu überneh­men, so wie das die anderen Kollegen auch gemacht haben – und diese Teile sind in erster Linie zu den Gemeinden, zu den Städten gekommen und nicht von den Ländern übernommen worden.

Also: Jawohl, ich bin der Auffassung, Subsidiarität ist nicht nur eine Frage des Lippen­bekenntnisses, sondern eine Frage des realen Tuns und des realen Lebens in unse­rem Land – und gemeinschaftlich in unserem Land. Ich bitte jedoch, anzuerkennen – und gerade ein Wiener wird mir da hohes Verständnis entgegenbringen –, dass nicht alles Verwaltung ist, was Verwaltung heißt. Da gibt es sehr viel an Dienstleistung. Gerade in Wien sind in diesem Bereich rund 86 Prozent öffentliche Dienstleistung und lediglich 14 Prozent das, was man tatsächlich als Verwaltung bezeichnen könnte.

Diese öffentlichen Dienstleistungen bedürfen meiner Ansicht nach in Zeiten wie diesen und in Diskussionen, wie sie nun in diesem Europa geführt werden, auch einer beson­deren Aufmerksamkeit. Investitionen in diesen öffentlichen Dienstleistungsbereich


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heißt unmittelbar Dienst am Bürger. Was sind nämlich diese öffentlichen Dienstleistun­gen? – Das sind Fragen der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Müllent­sorgung, des öffentlichen Verkehrs, der Spitäler, sehr vieles in Schulen.

Spitäler sind in hohem Ausmaß Landessache, denn Bundessache sind lediglich die Universitätslehrer, die etwa an den Universitätskliniken tätig sind. Das AKH, aber ge­nauso die hervorragenden Universitätskliniken in Innsbruck und andere sind im We­sentlichen auch in Verwaltung der Länder. Nicht zufällig ist es nicht ausschließlich der Wunsch Wiens, sondern genauso jener Innsbrucks und anderer, dass man zur Grün­dung von gemeinsamen Gesellschaften in Form von Ges.m.b.Hs kommt, um so noch effizientere Verwaltungseinheiten etwa in diesem Bereich zu schaffen, durchsichtigere und in den Finanzausgaben nicht so einseitig orientierte Finanzkonstruktionen, Gesell­schaftskonstruktion. Eine Ges.m.b.H. zu gründen ist natürlich auch von Vorteil für diese Stadt, weil sie nicht einseitig für den Großteil der Kosten aufkommen muss.

Die Diskussionen über die so genannten Ausgleichszahlungen des Bundes für den kli­nischen Mehraufwand bitte ich, sich in der Realität anzuschauen. Auch hier rufe ich als Zeugen die Innsbrucker Bürgermeisterin im gegenständlichen Fall auf, respektive den Herrn Landeshauptmann von Tirol, der ein Lied darüber zu singen weiß, was es heute heißt, mit jenem Angebot der Ausgleichszahlung für den klinischen Mehraufwand ge­rade bei solchen effizienten, aber natürlich auch aufwendigen Spitälern zu arbeiten.

Es gilt dies für vieles, auch für die Kinderbetreuung, auch für Sozialeinrichtungen. Es gilt diese Daseinsvorsorge für vieles und für viele, und denen gilt unser besonderer Schutz! Wenn ich mir die jüngsten Äußerungen der neuen Frau Wettbewerbskommis­sarin in der Europäischen Kommission zu den Fragen der Daseinsvorsorge anschaue, so befürchte ich Schlimmstes. Dieser Verantwortung, das möchte ich betonen, sind wir uns als Städte und Gemeinden im besonderen Ausmaß bewusst, wir haben auch die Pflicht dazu.

Wir haben die Pflicht, dort, wo der Markt nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse der Men­schen, der Bewohner in unseren Städten und Gemeinden zu befriedigen, dafür zu sor­gen, dass all dies da ist. Letztendlich sind das auch Wirtschaftsdienstleistungen, die wir zu erfüllen haben. Wir wollen das tun, dazu muss man uns allerdings auch finanziell in die Lage versetzen.

Lassen Sie mich zur Frage des europäischen Rechts, der europäischen Verfassung und deren Auswirkungen auf die österreichische Verfassung noch ein Wort sagen. Auch der Verfassungskonvent hat so seine Schwierigkeiten bei den Rahmenbedingun­gen. Eine davon ist zweifelsohne das europäisches Recht, eine davon ist zweifelsohne auch die europäische Verfassung, von der ich als überzeugter Europäer hoffe, dass sie möglichst bald in Kraft tritt, möglichst bald beschlossen wird.

Ich befürworte gerade als Föderalist, gerade als Ländervertreter diese neue euro­päische Verfassung in besonderem Ausmaß, denn erstmals ... (Bundesrat Mag. Gude­nus: Kennen Sie die Verfassung schon?) – Ich hoffe, Sie kennen sie auch! (Bundesrat Mag. Gudenus: Nein! ... Das sind 870 Seiten, die kriegt man nicht einmal im Bundes­kanzleramt! ...!) – Herr Bundesrat! Ich bin gerne bereit, Ihnen im Sinne einer Service­leistung der Stadt Wien auf dem Informationswege auszuhelfen – auch Ihren Bundes­räten! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sie dürfen ganz sicher sein, dass ich weiß, wovon ich rede. Da geht es nämlich nicht nur darum, das Endergebnis zu kennen, sondern ich kenne auch die einzelnen Wege dorthin. In einer Unzahl von Veranstaltungen – ich bedauere es sehr, dass sich die Freiheitliche Partei so wenig damit beschäftigt – haben wir diesen Weg nicht nur be­gleitet, sondern auch gestaltet. Es ist kein Zufall, dass in diesem neuen europäischen Verfassungsentwurf den Regionen und auch den Städten eine besondere Rolle einge-


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räumt wird – in diesem Sinne haben wir auch vehementest dafür gearbeitet! Den öster­reichischen Vertretern, egal von welcher Fraktion, sei auch ein besonderer Dank gesagt. Sie haben in diesem Konvent auch ausgezeichnete Arbeit im Sinne des Föde­ralismus geleistet, daher sei dies auch anerkannt.

Aber es ist dies eine wesentliche Rahmenbedingung für unsere Verfassung und auch europäisches Recht. Sehr viel haben sowohl die Gemeinden als auch die Länder als auch der Bund nach Brüssel delegiert, vieles, dessen man sich wahrscheinlich gar nicht bewusst ist. Ich habe beim vorletzten Österreichischen Gemeindetag in Wiener Neustadt darauf hingewiesen, dass man sich diesem Europa positiv zuwenden soll, denn eine Unzahl von Beschlüssen, die in Brüssel gefasst werden, haben unmittelbare Auswirkungen auf die Gemeinden und in die Gemeindestuben hinein. Dessen soll man sich bewusst sein, und mit dem soll man sich letztendlich auch auseinander setzen.

Aber es gibt ein Überschneidungsgebiet – und darauf möchte ich letztendlich hinaus –, das zwischen dem Finanzausgleich und dieser Diskussion im Europäischen Konvent besteht. Gar keine Frage, natürlich wäre es vernünftig, darüber zu diskutieren: Was sind heute staatliche Aufgaben? Welche Gebietskörperschaft hat diese Aufgaben zu erfüllen? Und letztendlich: Wie schaut die finanzielle Sicherstellung für diese Aufgaben­erfüllung tatsächlich aus? – Ausschuss X, Finanzverfassung; das wäre zweifelsohne eine vernünftige Vorgangsweise.

Es steht aber bis zu einem gewissen Grad dazu im Widerspruch, dass parallel dazu über die Verteilung der Mittel, nämlich den Finanzausgleich, Diskussionen geführt wer­den, und zeitgleich soll dies abgeschlossen sein. Das heißt, wenn das Ergebnis positiv ist und wir tatsächlich zu einer grundlegenden Neuorganisierung unseres Staates kommen, dann wird dies mit dem Ergebnis des Finanzausgleichs, das natürlich auf der alten, derzeit gültigen Verteilung basiert, nicht kompatibel sein und nicht kompatibel sein können.

Daher hat es schon vor geraumer Zeit den Vorschlag gegeben, dass man diesem Umstand Rechnung trägt. Durch eine entsprechende Abgeltung des so genannten grauen Finanzausgleichs, über den auch heute viel zu hören gewesen ist, nämlich die Erhöhung der Anteile des Bundes und die Senkung der Anteile insbesondere der Städte und der Gemeinden, aber auch der Länder, also durch einen Ausgleich – Wie­derherstellung der Geschäftsgrundlage am Beginn des letzten Finanzausgleichs – und eine Lösung der Krankenanstaltenfinanzierung hätte man zu einer entsprechenden Verlängerung des bisherigen Finanzausgleichs kommen können. Das wäre aus meiner Sicht eine vernünftige Vorgangsweise gewesen, weil es die Ergebnisse des Konvents mit der entsprechenden realen Mittelzuteilung im Finanzausgleich selbst hätte kompa­tibel machen können.

Es ist schade, dass dies nicht möglich war und abgelehnt wurde, obwohl es eine ziem­lich breite Zustimmungsfront gegeben hat. Vielleicht ist es im Interesse von manchen pädagogisch sinnvoll, dass man daran sieht, dass etwas selbst dann, wenn Landes­hauptleute bei einem Thema übereinstimmen, in diesem Land noch immer nicht Wirk­lichkeit werden muss. Auch das ist dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn es als solches passiert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollte auf dies auch noch eingehen und es hier zusätzlich berichten.

Nun darf ich noch zur Frage der Werbeabgabe respektive des horizontalen Finanzaus­gleichs einige Worte sagen. Der horizontale Finanzausgleich ist traditionellerweise ein Verhandlungsgegenstand zwischen dem Städtebund und dem Gemeindebund. Wir haben uns vorgenommen – und in diesem Fall spreche ich nicht als Landeshaupt­mann, sondern als Städtebundpräsident –, der Gemeindebund und der Städtebund ge­meinsam haben sich vor geraumer Zeit vorgenommen, dass wir nicht nur eine Dis-


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kussion führen wollen, wie sie schon seit ewigen Zeiten geführt wird, nämlich über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel, sondern dass wir eine Diskussion darüber führen wollen, wie wir zu einer Systemänderung kommen, weg von dem, was eigentlich aus der Nachkriegsordnung geboren ist, hin zu einer aufgabenorientierten Gemeindefinan­zierung, die dem nun in der Tat auch gerecht wird.

Das ist natürlich eine mühselige Diskussion, weil sie weit über das hinausgeht (Ruf bei der ÖVP: Sie ist notwendig!), aber – ich stimme überein – sie ist eine notwendige und richtige Diskussion. Sie geht auch in die richtige Richtung, weil sich dann wechselsei­tige Vorwürfe – ich sage dazu: auch wenn sie von meinen Freunden kommen, werden sie nicht richtiger – aufhören, denn weder wird in den Städten Geldverschwendung be­trieben, noch macht man in den Gemeinden lauter goldene Türschnallen. Es ist daher richtig ... (Bundesrätin Zwazl: Das ist übertrieben dargestellt! – Bundesrat Konecny: Beides wohl, nicht!) – Ich weiß nicht, was da jetzt angesprochen worden ist.

Es ist daher aus meiner Sicht richtig, von diesen wechselseitigen Vorwürfen wegzu­kommen. Es ist daher aus meiner Sicht auch richtig, zu einer vernünftigen Diskussion über die Aufgaben der Gemeinden zu kommen, jeweils nach ihrer Finanzkraft und ihrer spezifischen Aufgabenstellung, und danach die Finanzierung zu bestellen.

Die vordergründige Taktik, die hier zu Recht erwähnt wurde, ist diesem Diskussions­prozess nicht dienlich. Ich kann nur noch einmal betonen: Da geht es nicht um Rot, Schwarz, Blau oder Grün, da geht es darum, gemeinsam ein System zu erarbeiten, das zukunftstauglich ist und das die Gemeindefinanzierung einfach auch auf gesunde, verlässliche Beine stellt, die der Autonomie, der bei uns verfassungsmäßig festgeleg­ten Autonomie der Gemeinden, in der Tat gerecht wird und sie mit entsprechendem Leben erfüllt. Das ist dabei die Absicht.

Das allerletzte Wort nun zur Werbeabgabe: Die Werbeabgabe wurde vor einiger Zeit geändert. Sie ist nunmehr eine Steuer, die der Bund einhebt und die den Gemeinden zugute kommt, wobei aber der Bund für seine großartigen Aufwendungen, die er hier­bei hat, quasi eine angemessene Entlohnung bekommt (Bundesrat Schennach: Eine Vermittlungsgebühr!), also eine Vermittlungsgebühr bekommt. Soll so sein – man hat sich damals darauf geeinigt.

Der Vorschlag des Städtebundes und des Gemeindebundes lautet natürlich auf Beibe­haltung dieser Abgabe, weil hier entsprechende Sorgen bestehen. Die Sorgen sind nicht unbegründet, ich nenne hier nur das Stichwort Getränkesteuer. Diese war eine wesentliche Einnahmequelle der Gemeinden und ist – Sie gestatten mir diese Wer­tung, obwohl ich mich mit Wertungen heute sehr zurückhalte – den Gemeinden nur sehr mangelhaft abgegolten worden. Hierdurch waren auch erhebliche Verluste in den Einnahmenstrukturen der Gemeinden gegeben. Die Gemeinden verfügen also mit dem Aufheben solcher Steuern über negative Erfahrung und machen sich daher Sorgen.

Ich darf aber versichern – das entspricht meiner Position, die ich für mich selbst habe, die ich als Wiener vertreten kann und die ich auch immer wieder geäußert habe –, die Werbesteuer, die Werbeabgabe kann man sofort abschaffen, wenn man den Gemein­den einen adäquaten Ersatz gibt, das ist kein Problem! (Heiterkeit des Bundesrates Bieringer.) Das ist überhaupt kein Problem. (Bundesrat Bieringer: So ist es, genau!) Nur eines kann nicht sein: Jedes Mal, wenn man darüber redet, dass es zu Steuerent­lastungen kommen wird, was fällt einem als Erstes ein? – Die Werbeabgabe! Und dann kommt noch eine Kommunalsteuer: die Lohnsummensteuer. Das sind nämlich Steuer­aufkommen, die ausschließlich oder fast ausschließlich den Gemeinden zugute kom­men. Daher ist das im Prinzip kein Problem: Ja, Abschaffung der Werbeabgabe, kein Problem – adäquater Ersatz für die Gemeinden, schon haben wir das Problem gelöst, und wir sind alle glücklich und zufrieden! (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich schon jetzt, nach dieser ersten Runde der Diskussion, sehr herzlich für Ihre freundliche Aufnahme bedanken. (In Rich­tung des Bundesrates Mag. Gudenus:) Wir, Herr Bundesrat, werden zweifelsohne noch Gelegenheit haben, uns über Ihre tatsächliche Meinung zu unterhalten (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), und nicht über die wiedergegebene, denn ich kann mir per­sönlich nicht vorstellen, dass das tatsächlich Ihre Meinung ist, da ich Sie kenne als ein begeisterter Wiener, als ein fröhlicher Wiener, als ein freundlicher Wiener. (Neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber das können Sie ja nicht sein nach dem, was Sie hier erzählt haben! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Das weiß ich ja, Herr Bundesrat, dass Sie ein begeisterter Wiener sind; aber nach dem, was Sie erzählt haben, müssten Sie ein selbstmordgefährdeter Wiener sein. (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Daher weiß ich ja, dass dies aus der Propaganda Ihrer Partei stammt, und das ver­stehe ich auch. Wir werden uns darüber unterhalten, was tatsächlich Ihre Meinung über Wien ist, was Sie tatsächlich über Wien meinen. Ich freue mich sehr auf diese Ge­legenheit, aber ich freue mich vor allem auch auf eine passende Gelegenheit, mich im Kreis von Föderalisten wieder über Föderalismus unterhalten zu können. – Ich danke Ihnen sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

12.10

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Himmer. – Bitte.

 


12.10

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Es freut mich auch außerordentlich: Ich bin seit neun Jahren im Bundesrat, und zum ersten Mal habe ich den leibhaftigen Landeshauptmann von Wien hier zu Gast. Wie überhaupt heute ein besonderer Tag ist: Auch Abgeordne­ter Cap ist mit Krawatte in diesem Saal anwesend. (Heiterkeit.) Das ist ein Anblick, den nicht einmal der Heilige Vater haben durfte, das finde ich eine ganz besondere Aus­zeichnung für den Bundesrat. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Es ist natürlich so: Auch wenn ich in Wien der Opposition angehöre, heißt das nicht, dass ich nicht viele Meinungen teile, die der Herr Bürgermeister hat. Zum Beispiel hat er die völlig richtige Einstellung, was den Fußballverein betrifft: Er ist ein Austrianer. (Heiterkeit.) Das, möchte ich betonen, ist etwas, was in Wien wirklich nicht populistisch ist, weil es mindestens zwei Drittel Rapid-Anhänger gibt. Für etwaige Wahlempfehlun­gen und so weiter hätte er sich damit also falsch positioniert, aber er ist sozusagen auch bereit, eine unpopuläre, jedoch richtige Meinung einzunehmen. (Heiterkeit. – Lan­deshauptmann Dr. Häupl: Das ist ein Defätist! Wie er über den künftigen österreichi­schen Meister redet!)

Daher möchte ich das aufgreifen, was er angeführt hat, nämlich dass er im Prinzip ein Föderalist ist und also einer derjenigen, die sich dafür einsetzen, dass im Rahmen der Kompetenzen die Länder nicht zu kurz kommen. Es ist von Vorrednern schon an­gesprochen worden: Föderalismus hat immer auch einen gewissen Nahebezug zur Subsidiarität. Deswegen wäre es in Wien durchaus fein, wenn man die Subsidiarität ein bisschen fortsetzen könnte in Richtung der Bezirke. Es hat mich gewundert, dass Kollege Schennach – selbst Bezirksrat im 19. Bezirk – das nicht erwähnt hat, aber vom Wiener Landesbudget ist, wenn ich richtig informiert bin, ungefähr ein Prozent in die Bezirke dezentralisiert. (Bundesrat Schennach: Ich bin hier nicht in einer Gemeinde­ratssitzung!) Die roten Bezirksvorsteher haben nicht so viel Interesse daran, dass sich


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etwas ändert, weil sie über gute Kontakte zum Bürgermeister und zum Finanzstadtrat verfügen. Aber auch hier wäre an Subsidiarität und an Föderalismus im weiteren Sinn noch einiges an Steigerungsmöglichkeiten offen. (Beifall des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Was das Thema Bundesstaatsreform und Bundesratsreform betrifft, begrüße ich es außerordentlich, dass der Herr Landeshauptmann angeführt hat, dass es im Zuge der Kompetenzverteilung so sein muss, dass der Bundesrat bei der dritten Säule mitspre­chen können muss. Ich darf aber auch auf die aktuell geltende Fassung hinweisen, wo­nach wir auch heute schon, würde es zu Änderungen kommen, bei dieser Materie ein Zustimmungsrecht mit zwei Dritteln haben, sodass auch heute bereits ein Drittel der Bundesräte über die Möglichkeit verfügen würde, Kompetenzänderungen zu Lasten der Länder zu verhindern. Das ist also durchaus Status quo.

Die Bestrebungen, im Rahmen des Finanzausgleichs den Bundesrat stärker mit einzu­beziehen, möchte ich außerordentlich begrüßen. Es ist heute schon einmal gesagt worden, dass die Probleme nicht unbedingt an den Parteigrenzen aufhören, sondern da geht eigentlich sehr oft nach Gebietskörperschaften. In diesem Zusammenhang mag dann wieder das Thema auftauchen, wie die Gemeinden vertreten sind. Sie sind zwar sozusagen durch einzelne Mitglieder im Bundesrat, die Gemeindefunktionen haben, vertreten, aber nicht in der Kammer selbst. Der Herr Landeshauptmann, der ja auch der Herr Bürgermeister ist, hat beide Hüte auf, insofern kann er hier vielleicht auch mediative Dienste erbringen, um diese Problematik etwas zu entkrampfen.

Ich möchte hier, weil auch Kollege Schennach die Möglichkeit, dass heute der Wiener Landeshauptmann hier ist, sehr schwungvoll für etwas genützt hat, wofür auch im Wie­ner Landtag die Sitzungen immer verwendet werden, nämlich über die Bundesregie­rung zu schimpfen, auf die Gesamtzusammenhänge hinweisen. Wenn wir heute her­gehen und sagen: im Rahmen des Finanzausgleiches, dann ist es wohl nur recht und billig, dass sich der Wiener Landeshauptmann hier für seine Stadt und für sein Bundes­land einsetzt, und das darf auch jede Wienerin und jeder Wiener erwarten. (Bundesrat Konecny: Auch Wiener ÖVP-Bundesräte!) Vom Systemansatz abgesehen, darf man aber auch darüber sprechen, wie mit dem öffentlichen Geld in Wien umgegangen wird und wie man mit dem Geld, das man zur Verfügung hat, auch anders umgehen kann.

Es ist jetzt unbestritten so, dass Herr Landeshauptmann Häupl in Wien nicht zuletzt deshalb regiert, weil er einen großen Wahlerfolg gehabt hat und weil laut Umfragen un­gefähr 50 Prozent der Wiener ihn wählen würden. Und mit diesen rund 50 Prozent an Unterstützung gibt es rund 100 Prozent rote Gemeindebedienstete in Wien. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Dort haben wir auch eine Pensionsreform gehabt (Landeshauptmann Dr. Häupl: Bei uns kann die FCG wenigstens kandidieren, im Unterschied zur FSG in Niederösterreich!), und dieser darf man schon die Pensionsreform gegenüberstellen, die der Bund durchgeführt hat.

Es ist sehr leicht – und das ist hier von Vorrednern wieder so gekommen –, locker vom Hocker auf den Finanzminister zu schimpfen. Es ist auch ein guter Einstieg in Verhand­lungen, das Verhandlungs-Gegenüber einmal hinauf, hinunter, kreuz und quer zu belei­digen. Aber wenn wir schon über die Sache selbst sprechen, dann darf man einmal festhalten, dass das auf Bundesebene über einen sehr langen Zeitraum sehr harte Verhandlungen waren, aber dass am Ende des Tages eine Pensionsreform herausge­kommen ist, von der einige meinen, es ist dies zu wenig, und andere, es ist zu viel. (Bundesrat Konecny: Die Mehrheitsmeinung ist kritisch!)

Jedoch auch in Wien hat es eine Pensionsreform gegeben, und dort ist bei weitem nicht so durchgegriffen worden, wie das auf Bundesebene der Fall ist. (Bundesrat Ko­necny: Ja!) Sie sagen: Bravo und wunderbar, ja! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Bachner: Gott sei Dank! – Bundesrat Gruber: Der Bund macht


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Reformen, die sind unsozial und ungerecht! – Zwischenruf der Bundesrätin Bachner. – Bundesrat Gruber: Ungerecht und unfair!)

Freilich, Sie sind aber diejenigen, die noch nicht wirklich erklären konnten, wie es zur wundersamen Geldvermehrung kommt. Und Sie sind diejenigen, an denen ich nicht habe erkennen können, dass Sie die Verteidiger etwa der Bundesbediensteten sind; das habe ich an Ihnen eigentlich noch nie erkennen können. (Bundesrat Konecny: Lassen Sie das Bundes- und Gemeindepersonal darüber abstimmen ...!) Wenn man bedenkt, welche Reformen es auf Bundesebene gegeben hat – da sind nicht Sie als Verteidiger hergekommen –, und dann vergleicht – Sie sagen auch immer, die Pensi­onsreform muss ausgewogen, sozial gerecht und das alles sein –, dann ist es doch wohl so, dass man insgesamt in eine Richtung gehen muss, dass man sagt: jeder Österreicher – und die Vereinheitlichung des Pensionssystems ist etwas, was Sie vom Ansatz her durchaus nicht für falsch halten –, und dann gehören doch wohl auch die Pensionssysteme der öffentlich Bediensteten harmonisiert.

Wenn man dann jedoch hergeht und sagt: na ja, so ist das aber nicht, denn in Wien – das gilt natürlich auch für andere Bundesländer, aber heute reden wir eben im Speziel­len von Wien – machen wir das anders, in Wien machen wir eine Pensionsreform „light“ und „soft“ oder „super soft“, weil es sich dabei um unsere Wähler handelt, und über die fehlenden Finanzmittel können wir uns dann immer noch im Finanzausgleich herumstreiten, da können wir den Finanzminister anschütten!

Wir haben einen Vergleich gemacht: Was wäre, wenn die Pensionsreform, die auf Bun­desebene durchgeführt worden ist, auch für die Stadt Wien stattgefunden hätte? – Zu diesem Zweck habe ich zum ersten Mal in neun Jahren ein Taferl mitgebracht. (Der Redner hält ein großformatiges Balkendiagramm in die Höhe. – Bundesrat Konecny: Welche Seite, bitte? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Darauf können Sie sehen, dass Sie bis zum Jahr ... (Bundesrat Konecny: Was kann man sehen? Jahre?) Ja, schauen Sie ruhig auf die Jahre, das sind nicht so wenige. (Bundesrat Konecny: Sie müssen es weiter vor geben!) Danke schön. – Dann sehen Sie, dass Sie, akkumuliert für die nächsten zwölf Jahre, 768 Millionen € mehr zur Verfügung stellen. (Bundesrat Konecny: Aber Sie sehen nicht, dass das rote Lamperl leuchtet!)

Meine Damen und Herren! Das sind in etwa zehn Milliarden Schilling, die der Herr Bürgermeister – nicht als Weihnachtsmann, aber sozusagen als einer, der mit seinen Gemeindebediensteten großzügiger umgeht – bereit ist, in den nächsten zwölf Jahren mehr auszugeben. Rechnen Sie sich einmal aus, was Sie um dieses Geld für den Wirt­schaftsstandort tun hätten können, rechnen Sie sich einmal aus, was Sie für die Arbeitsplätze in Wien machen hätten können!

Schließlich möchte ich noch auf die Ausführungen von Kollegen Schennach Bezug nehmen, der heute wirklich jede Rechtfertigung erarbeitet hat, Ehrenmitglied der Sozi­aldemokratie zu werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Ko­necny: Das muss ich mir noch überlegen!) Er hat erklärt, dass die Gemeinden der größte Dienstgeber seien. – Es sind hier viele Bürgermeister anwesend, und niemand bestreitet die wichtige Rolle der Bürgermeister. Es bestreitet auch niemand, dass Arbeitsplätze letztendlich vor Ort entstehen beziehungsweise abgesichert werden.

Dazu darf ich jedoch schon bemerken, weil immer unterschieden wird zwischen den Gemeinden, für die Arbeitnehmer/gegen die Arbeitnehmer und für die irgendwie abs­trakte Wirtschaft: Bedenken Sie, dass diese Bundesregierung zur Standortsicherung die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent absenkt hat! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das war ein Fehler!) Wer zahlt denn die Abgaben, die die Gemeinden bekommen? Diese Gemeindeabgaben kommen doch maßgeblich von den Unternehmen. Also darf man das wohl auch bitte einmal in die Rechnung miteinbeziehen.


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Kollege Schennach hat also behauptet, dass die Gemeinden der größte Arbeitgeber seien. Ja bitte, in Gottes Namen, natürlich kann es sein, dass hier auch einmal die Ge­meinde durch Investitionen beziehungsweise als Arbeitgeber öffentlich Bediensteter tätig wird. Das ist ja auch alles in Ordnung. Aber die Gemeinden sozusagen strukturell zum größten Arbeitgeber auszurufen, das ist wirklich nicht Wirtschaftspolitik vom Feinsten, sondern von vorvorgestern. (Bundesrat Gruber: Das hat er ja nicht gemeint!)

Ich habe nur Luft geholt, Herr Kollege! Aber da fällt mir ein – jetzt sind Sie ja wieder da –: Sie waren genau derjenige, der gemeint hat, dass der Herr Finanzminister so schrecklich sei.

Wenden wir uns zum Abschluss dem Beispiel Werbeeinnahmen zu! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Die Werbeabgaben!) Herr Schennach hat den Finanzminister dafür geprügelt, dass er sagt: Schauen wir doch, dass wir den Gemeinden, die ein bisschen ärmer sind, mehr Geld geben! Von wo nehmen wir das Geld? (Bundesrat Gruber: Von den „reichen“ Gemeinden!) – Von den reicheren Gemeinden. Was war der Tenor der Reaktion hier? – Skandal! Das darf nicht sein! Das muss er also aus der wundersamen Geldvermehrung nehmen.

Welche Aussage hat es zu den Werbeeinnahmen gegeben? Wie war es da? – Bei den Werbeeinnahmen ist es so – für diejenigen, die es vielleicht nicht wissen –, dass Herr Dr. Häupl bei den Medientagen im letzten Herbst auch selber die Abschaffung der Werbesteuer gefordert hat. Die Gemeinde Wien ist mit ungefähr 45 Prozent der Haupt­nutznießer dieser 5-prozentigen Werbesteuer. Natürlich ist daher sein Finanzlandesrat beziehungsweise -stadtrat nicht so ganz glücklich darüber.

Was sagt der Herr Bürgermeister? – Der Bürgermeister sagt: Wunderbar! Ihr könnt die Werbesteuer gerne abschaffen. Ich bin der Erste, der die Werbesteuer abschafft. Gebt mir einfach in einem kleinen Kuvert dasselbe Geld zu einer anderen Tür herein! (Lan­deshauptmann Dr. Häupl: Nein, auf das Konto!) – Oder auf das Konto. Wunderbar! (Landeshauptmann Dr. Häupl: Schon auf das Konto! Für Kuverts seid eher ihr zustän­dig!) Ja, stimmt! Es ist tatsächlich ein großer Unterschied. Ich bin auch überzeugt davon, dass er das Kuvert selbstverständlich treuhändig in die Stadtkassa legen würde. Verzeihen Sie den bildhaften Vergleich! – Er sagt also: Wunderbar! Schaffen wir es ab, wenn ich etwas Adäquates dafür bekomme. Und Sie sitzen alle da und sagen: Bravo! Bravo! Super, Dr. Häupl!

Wenn aber der Finanzminister genau das Gleiche sagt, wenn er also feststellt, dass er nur eine bestimmte Finanzmasse zu vergeben hat, und darauf aufmerksam macht, dass, wenn es welche gibt, die etwas wollen, man das wiederum von woanders weg­nehmen muss, dann heißt es nicht: Bravo! Bravo!, sondern: Skandal! Skandal! Darüber sollten Sie einmal nachdenken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.25

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte. (Bundesrat Dr. Kühnel – in Richtung des sich zum Red­nerpult begebenden Bundesrates Konecny –: Das wird wieder lang!)

 


12.25

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Landeshaupt­mann! Lieber Kollege Kühnel, dessen Geduld ich offensichtlich wieder überstrapazie­ren werde! Mehr als 60 Sekunden Konecny pflegen Sie nicht auszuhalten.

Ich meine, dass diese Debatte ein bisschen eine vergebene Chance war. Was ich an der Wortmeldung des Herrn Landeshauptmanns so geschätzt habe, war nicht nur der Inhalt – den sowieso! –, sondern vor allem die Tatsache, dass hier nicht ein Landes­hauptmann vor uns hingetreten ist, um sein Land, aber vor allem sich selbst zu beweih-


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räuchern – es ist auch keine Straßenbahner-Musikkapelle im Haus aufmarschiert –, sondern dass ein Landeshauptmann und Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz zu zwei ganz zentralen Sachthemen, die auf Bundesebene politisch zu debattieren sind, seine Meinung kundgetan hat.

Mit Verlaub gesagt habe ich immer tiefe Schmerzempfindungen, wenn uns Landes­hauptleute in lyrischen Formulierungen versichern, wie wichtig der Bundesrat sei, und uns gleichzeitig nichts Substantielles erzählen, weil Sie uns offensichtlich nicht ernst nehmen. Und ich habe es geschätzt, dass der Herr Landeshauptmann zwar zum Bun­desrat etwas gesagt hat – was ich auch unterschreiben kann –, aber nicht in lyrischen Formulierungen, sondern in hard facts, und dass er uns zu zwei zentralen Themen zu einer Auseinandersetzung mit ihm eingeladen hat, in der es um wichtige Fragen der Republik geht.

Die Funktion des Zweitredners ist üblicherweise auch die, auf die Redner der anderen Fraktionen ein wenig zu replizieren, womit ich mir – nicht aus Argumentationsnot­stand! – außerordentlich schwer tue. Die Kollegen Kühnel, Gudenus und jetzt auch Kollege Himmer haben Reden gehalten, angesichts derer ich mich schon fragen muss, ob ihre respektiven Parteien noch im Wiener Landtag vertreten sind. Meinem Wissens­stand nach ja, aber nichts von dem, was sie gesagt haben, hat irgendetwas mit den hier zu unterbreitenden Punkten zu tun. Ich verstehe, dass Oppositionsparteien ein gewisses Interesse haben, einem Landeshauptmann, der von ihnen nicht hochgejubelt wird, ein bisschen etwas ans Bein zu tun, um das in einer ordentlichen Sprechweise auszudrücken. (Bundesrat Mag. Himmer: Was soll das gewesen sein?) – Also zum Beispiel das Taferl. (Bundesrat Mag. Himmer: Da sind ja nur Zahlen drauf!) – Ist schon gut! Zahlen haben wir alle zu bieten, Herr Kollege! Drehen Sie es nur irgendwie um, dann stimmen die Zahlen immer noch.

Der Punkt ist jedoch: Wenn wir eine Debatte über die Finanzierung der Gebietskörper­schaften in Österreich zu führen haben, dann gibt es dazu – und so viel Vertrauen habe ich in diese Sprecher – doch wohl auch von Ihrer Seite etwas zu sagen, was fruchtbringend sein kann. Das hat mir einfach Leid getan. Das ist eine durch Sie und nicht durch uns vergebene Gelegenheit.

Das Zweite ist: Wir haben tatsächlich im Konvent – und ich gehöre jenem Arbeitsaus­schuss V an, der releviert wurde, weil es dort genau um die Frage der Kompetenzver­teilung geht – einen Punkt erreicht, wo wir tatsächlich eine neue Dimension erreichen könnten. Nur um Kollegen Kühnel aufzuklären: Von Konsens hat der Herr Landes­hauptmann gesprochen, weil wir ihn im Arbeitsausschuss erreicht haben, und nicht weil die künftigen Entscheidungen im Konsens fallen sollen. Die Vorschläge des Herrn Landeshauptmanns liegen natürlich schriftlich auf dem Tisch des Konvents. Sie können auch von Ihnen gerne eingesehen werden. Das ist ja auch so eine Technik, zu sagen, Sie müssten das zuerst einmal sehen. Natürlich ist das zu sehen, und dazu ist auch von Vertretern Ihrer politischen Couleur Stellung genommen worden.

Es muss klar sein, dass das eine vielfache Neuorientierung im bundesstaatlichen Prin­zip bedeutet. Auf der einen Seite geht es natürlich darum, dass nicht durch die Kom­petenzverteilungen Entwicklungen unmöglich gemacht werden. Die dritte Säule, für die ein wesentlicher Vorschlag ist, dass dort auch die Generalkompetenz für sozusagen durch die gesellschaftliche, ökonomische Entwicklung neu entstehende oder neu not­wendig werdende Kompetenztatbestände liegt, daher primäre Landesverantwortung, aber durchaus auch die Möglichkeit, zu sagen – und wir haben ja solche Beispiele, Tierschutz war eines –: Hier sind bundeseinheitliche Regelungen sinnvoll, politisch not­wendig, dem heutigen moralischen Stand der Gesellschaft entsprechend. Und dass hier nicht ein verrechtlichtes Verfahren stattfinden sollte, womit die Politik die Kompe­tenzentscheidung aus der Hand gäbe, sondern ein politisches Verfahren, in dem der


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Bundesrat Kraft seiner Funktion eine besondere Rolle spielen sollte, das scheint mir ein zwischen den Fraktionen dieses Hauses konsensfähiger Vorschlag, wenn wir letzt­endlich einmal darüber abzustimmen haben werden.

Im Kontext der Finanzausgleichsverhandlungen ist aber auch noch dazuzusagen: Es kann nicht so sein, dass es einen Finanzausgleich gibt, wie immer der jetzt auch in der Bundesverfassung ordentlich untergebracht wird, und dann kleinweise die Kompeten­zen hinüber zu den Gemeinden wandern, ohne dass es eine entsprechende Abgeltung gibt. Das Passwesen ist ein Beispiel. Ich bestreite überhaupt nicht, dass das dort wahr­scheinlich besser aufgehoben ist. Das ist überhaupt keine Frage. In Wien funktioniert das bei der Gemeinde um einiges besser, als es vorher auf den Bezirkspolizeikom­missariaten, die es ja auch inzwischen zum Teil nicht mehr gibt, funktioniert hat. Und wenn es sie nicht mehr gibt, wäre es ja noch schwieriger geworden.

Natürlich bedeutet das einen Aufwand, natürlich – wer hat das gesagt? – bedeutet das Verwaltung, auch wenn es eine Verwaltung ist, die eine Dienstleistung für den Bürger erbringt. Die Abgeltung dieser Kosten ist mitzureichen, wenn die Aufgabe übertragen wird. Ich kann auch nicht jemanden um eine Wurstsemmel schicken, ohne ihn mit dem entsprechenden Geldbetrag auszustatten oder es ihm zumindest nachher zu geben.

Sehen Sie, dieses Grundprinzip des Föderalismus, dass man nicht einen Baustein verändern kann ohne auch die Kassa zu verändern, den müssen wir im Interesse des Ganzen verteidigen. Es mag ja nun sein, dass bei manchen der Vertreter der Regie­rungsparteien hier quasi in Befolgung des alten marxistischen Lehrsatzes, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt, in den letzten vier Jahren eine starke zentralistische Orientierung Platz gegriffen hat. Die Sozialdemokraten sind die einzige Fraktion in diesem Haus, die Vertreter aus allen Bundesländern umfasst. (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben halt für den Föderalismus um ein Neuntel mehr Verständnis, und wir werden sehr gründlich darauf achten. (Bundesrat Ing. Kampl: Das weise ich zurück!) – Gut, dann weisen Sie es zurück! Das ist nicht das, was uns wirklich kränkt.

Wir sehen uns als die Vertreter eines Ganzen, in dem es natürlich eine Fülle von Inter­essenkonflikten gibt. Kollege Schennach hat sich hier auch ein bisschen zum Lobby­isten gemacht. Dagegen ist nichts zu sagen. Wir vertreten alle Interessen. Es geht um einen vernünftigen Interessenausgleich im Rahmen eines Systems, das auch dazu zwingt. Das ist der Sinn des Konvents, und das ist der Sinn eines Finanzausgleichs, der nicht par ordre du mufti vom Finanzminister deklariert werden kann.

Ich nehme mir an meinen Vorrednern insofern ein Beispiel, als ich in Befolgung eines alten Ratschlags von Kurt Tucholsky ankündige, dass ich jetzt zum Schluss komme. Kurt Tucholsky hat schon gesagt – der Text heißt: „Ratschläge für einen schlechten Redner“, ich zitiere daraus –: „Kündige den Schluß deiner Rede lange vorher an, damit die Hörer vor Freude nicht einen Schlaganfall bekommen.“ – Es geht bei den nächsten Schritten, also bei den Verhandlungen über den Finanzausgleich und dann eben bei der Verfassungsabschlussdebatte, um ein kohärentes System einer lebensfähigen Republik, die auch dann zusammenhält, wenn wir in den konkreten Fragen Interessen­gegensätze haben.

Wir haben sie, und wir sollen sie austragen. Das ist das Wesenselement der Demo­kratie. Wir sollten aber nicht mutwillig durch Finanzentzug oder durch Mundtotmachen die Argumentationsgrundlage oder die Handlungsgrundlage des anderen untergraben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.35

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 



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12.35

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Hoch geschätzter Herr Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! In der Zeit, in der wir hier polemisieren – und das muss ich gerade in Richtung meines Kollegen Konecny sagen, denn entweder wird alles schlecht gemacht oder man weiß alles um so und so viel besser –, wandern in Österreich 150 Menschen aus dem ländlichen Bereich ab. Sie wandern aber nicht ab, weil es ihnen dort nicht gefällt, sondern sie wandern ab, weil wir nicht in der Lage sind, einen echten Finanzausgleich herbeizuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Herr Bürgermeister! Als Mitglied des Österreich-Konvents verstehe ich schon, dass man umfassende Möglichkeiten zur Verbesserung anpeilen kann, die aber wahrschein­lich nicht durchgehen werden. Mir gefällt, dass das Drei-Säulen-Modell – Bund, Länder und Gesetzgebung – immer stärker in den Mittelpunkt rückt. Das würden wir einfach brauchen, um die Zukunft bewältigen zu können. Vielleicht sollten wir aber auch immer daran denken, was uns mit dem Beitritt zur EU vorgegeben ist. Damit haben wir eine andere Situation. Für große Teile der Gesetzgebung sind ja nicht mehr wir in Bund, Ländern oder Gemeinden kompetent, sondern man hat sie uns abgenommen. Ob gut oder schlecht – vieles werden wir erst im Laufe der Zeit erfahren.

Herr Bürgermeister! Eine Zahl hat man heute eigentlich noch gar nicht gehört: Wir reden von 62,1 Milliarden Schilling. Über dieses Budgetvolumen reden wir in Öster­reich. Ich sage das nur, weil es Faktum ist, nur zur Aufklärung; es soll kein Vorwurf sein: Wien hat 1,8 Millionen Menschen und bekommt 8 Prozent aus diesem Topf. Die übrigen österreichischen Gemeinden, 6,2 Millionen Menschen, haben 10 Prozent. Der Bund behält sich 35,2 Prozent vor und die Länder 13 Prozent. Ich will damit nur sagen, dass wir sehr wohl wissen sollten, wo die Probleme sind.

Und nun zu Ihnen, Herr Bürgermeister! Wir sind stolz auf Wien! (Allgemeiner Beifall.) Wien genießt weltweit hohe Anerkennung. Die Bürger von Österreich, die Bürger von Wien haben große Leistungen erbracht, einen hohen Lebensstandard erreicht, um den uns viele, viele in der Welt beneiden. Wir liegen international im Spitzenfeld. Aber in Österreich gibt es neben Wien, Herr Bürgermeister, noch über 2 300 Gemeinden. Und bei diesen 2 300 Gemeinden beginnt bereits das Problem. Man hat uns die Getränke­steuer genommen, man hat uns die Kommunalsteuer genommen. Ich spreche hier für die ländlichen Gebiete, die nicht ausreichend Arbeitsplätze anbieten können.

Herr Bürgermeister, das Problem des abgestuften Bevölkerungsschlüssels besteht seit 1948. Es war berechtigt nach dem Krieg, Wien wesentlich mehr zu geben, denn es war ausgebombt und seine Infrastruktur total zerstört. Dafür haben ja alle Verständnis gehabt. Aber inzwischen sind 60 Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg vergangen. In­zwischen ist überall alles in Ordnung, und so meine ich, dass wir schön langsam zu einer gerechten Lösung für Österreich kommen sollten. Diese gerechte Lösung kann nur sein, dass jeder in Österreich, ganz gleich, wo er wohnt, ob in Wien, in Bregenz, in Lustenau oder unten bei den Karawanken oder am Neusiedler See, auch gleich viel wert sein muss. Und das, Herr Bürgermeister von Wien und Obmann des Österreichi­schen Städtebundes, vermisse ich ein bisschen.

So haben wir immer den Krieg zwischen Gemeindebund und Städtebund. Der Städte­bund ist wesentlich stärker, und wir als Gemeindebund – ich bin auch Mitglied des Ge­meindebundes – haben natürlich unsere Probleme. Wir kommen mit unseren Fakten, mit unserer Überzeugung einfach nicht durch.

Ich verstehe schon, dass wir gemeinsam mehr Geld brauchen würden, aber zuerst, Herr Obmann des Städtebundes, Herr Wiener Landeshauptmann, Herr Wiener Bürger-


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meister, sollten wir in der Lage sein, einmal den Ausgleich innerhalb der Gemeinden durchzuführen. So kann es ja nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich war beim Finanzminister und habe versucht, ihm alles in freundschaftlicher Über­legung – weil wir auch gewisse freundschaftliche Beziehungen haben – zu erklären. Er hat mir gesagt: Lieber Freund, bitte schön, es ist der Städtebund, es ist der Gemeinde­bund. Und ich habe ihm gesagt: Lieber Freund, du bist in erster Linie für jeden Öster­reicher verantwortlich, ganz gleich, wo er wohnt, du bist verantwortlich dafür, dass wir dasselbe Einkommen haben.

Mit dieser Vorgangsweise, Herr Bürgermeister, glaube ich, könnten wir gemeinsam etwas erreichen, und zwar für alle Österreicher. Das muss unser Ziel sein.

Es ist einfach nicht haltbar, liebe Freunde – auch diese Feststellung muss ich wieder einmal erneuern –, dass man vier Abstufungen hat, und zwar bis 10 000 Einwohner, von 10 000 bis 20 000 Einwohner, von 20 000 bis 50 000 Einwohner und über 50 000 Einwohner. Das ist das Problem, das geht einfach nicht.

Wenn Sie mit dem Österreichischen Gemeindebund gemeinsam – wir waren schon einige Male mit diesem Ansinnen beim Städtebund – versuchen, doch vielleicht einmal die untersten Stufen wegzubringen, vielleicht einmal bis 20 000 Einwohner, wäre das gut für jene Gemeinden, in denen wir 15 bis 17 Prozent Abwanderungen haben. Die Leute gehen ja nicht nur wegen des Arbeitsplatzes allein weg, sondern wir als Bürger­meister wissen, dass kleine Gemeinden sehr schwer in der Lage sind, für diese Men­schen das Umfeld in der Gemeinde zu gestalten. Dazu gehört der ruhige Dorfplatz, dazu gehört die Kulturaufgabe und so weiter dazu. Wir können das nicht mehr erfüllen.

Das ist aber nicht, Herr Bürgermeister, wie Sie sagen, erst in den letzten zwei oder drei Jahren so, seit es eine Freiheitlichen-ÖVP-Regierung gibt (ironische Heiterkeit des Landeshauptmannes Dr. Häupl) – es könnte vielleicht die Antwort kommen, aber, Herr Bürgermeister, wir wissen ja wohl, wir sollten uns nicht gegenseitig den Ball zuschie­ben –, sondern das geht schon seit 15 bis 20 Jahren so. Die kleinen Gemeinden krie­gen immer mehr Probleme. Deshalb würde ich Sie wirklich allen Ernstes einladen, mit uns, mit den kleinen Gemeinden, zu versuchen, einen gemeinsamen Weg zu gehen – für alle Österreicher. Die würden uns alle sehr dankbar sein.

Ich glaube, die Polemik, die es zum Teil bei uns gibt, ist in dieser Frage, meine Damen und Herren, nicht gefragt. Wir als Bürgermeister draußen in ländlichen Gemeinden er­leben, dass wir wirklich die ersten Ansprechpartner sind. Ich respektiere jeden Bürger­meister – wir haben ja Gott sei Dank das direkte Wahlsystem; die Gemeinden sollen den Bürgermeister haben, dem sie Vertrauen schenken –, aber dieser Bürgermeister muss auch in der Lage sein, für seine Bürger etwas zu tun, etwas zu leisten und glei­che Lebensqualitäten und Lebensmöglichkeiten zu schaffen wie in Zentralräumen. – Ich danke Ihnen, Herr Bürgermeister. Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.43

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


12.43

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien! Hohes Haus! Ich hoffe, man verzeiht mir, dass ich dieses Gremium heute nicht so sehe wie einen Wiener Landtag oder Gemeinderat, sondern als den Bundesrat der Republik Österreich, und dass ich zentral auf die Themen des Finanzausgleichs, des Konvents eingehen werde, ebenso auf die Kritikpunkte, die aus unserer Sicht zu vermerken sind, beziehungsweise auf die Vorschläge, die wir für wichtig und für konstruktiv halten.


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Herr Kampl, ganz kurz noch zu den Regionen und Gemeinden: Ich denke, es ist nicht die zentrale Aufgabe des Finanzausgleichs, sozusagen dafür zu sorgen. (Bundesrat Ing. Kampl: Ein Steuerungsmodell!) Ich gebe Ihnen in der Einschätzung Recht, dass es einer Stärkung der Regionen bedarf. Aber dazu braucht es einen Maßnahmenmix, der dem entspricht. Mit dem Instrumentarium des Finanzausgleichs kann diese große und wichtige Aufgabe nicht erfüllt werden. (Bundesrat Ing. Kampl: Einen Teil davon!)

Ein Teil mag es sein, aber bislang haben wir schon das Problem gehabt, dass der Finanzausgleich im Wesentlichen fiskalische und verteilungspolitische Ziele und Auf­gaben wahrgenommen hat und nicht so sehr auch allokationspolitische Aufgaben. Es ist auch eine Frage der Effizienz und auch eine Frage des Wachstums, wie man Finanzausgleichsmechanismen gestaltet. Genauso könnte das Thema der Konjunktur­stabilisierung Thema im Finanzausgleich sein und mit einbezogen werden.

Im Wesentlichen ist man hergegangen und hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten nach dem Ausgleichsprinzip gehandelt und die Umverteilung von den reicheren zu den ärmeren Gemeinden vorgenommen, wobei man aber – so sehr es gerechtfertigt ist, die Regionen und die schwächeren Gemeinden zu stärken – eines nicht vergessen darf: Die Städte, die sozusagen ihren Obolus dazu beigetragen haben, mit dieser Maß­nahme zu schwächen, hat dann auch zur Folge, dass Sie damit auch zentrale wirt­schaftliche, kulturelle, bildungspolitische Zentren schwächen. Fakt ist: Die Städte – Sie können sich die Analysen anschauen – haben auch einen sehr wichtigen Stellenwert im internationalen Standortwettbewerb. In Bezug auf Verteilung muss man also auf solche Aspekte ebenfalls Rücksicht nehmen. Künftig sollte im Finanzausgleich der Verteilungsaspekt ein Aspekt sein, der fiskalische Aspekt ein zweiter, aber die anderen Aspekte wie wirtschafts-, sozial- und umweltpolitische Zielsetzungen sollten ebenfalls Berücksichtigung finden.

Eine zentrale Forderung unsererseits ist es, dass es mehr an Transparenz und mehr an Datenqualität gibt. Momentan ist es ein teilweise sehr undurchsichtiges Instrument mit vielen, vielen Subsystemen, die sich überschneiden. In manchen Ländern gibt es nur einige wenige, nur eine Handvoll Menschen, die tatsächlich den Überblick haben, was hinter diesem System steckt. Also hier halten wir es für essentiell, tatsächlich die Datenlage zu verbessern, die Transparenz zu verbessern, wobei hinsichtlich der Finan­zierung der öffentlichen Aufgaben im Allgemeinen unserer Meinung nach der größte Handlungsbedarf gegeben ist. Letztendlich gibt es da ganz gemischte Trägerschaften und Finanzierungen von öffentlichen Aufgaben, die eben zu dieser Intransparenz und auch zu einem absoluten Transferchaos führen.

Dieses System ist zu ändern, und wir bedauern es, dass es im Konvent nicht maßgeb­liche Fortschritte in diesen Bereichen gibt. Es muss einfach Thema sein, dass Auf­gaben, Einnahmen und Ausgaben zusammenfallen. Diese Kompetenzen tatsächlich zusammenzuführen, hielten wir persönlich für eine wichtige allokationspolitische Errun­genschaft, die auch den Effizienzkriterien entsprechen würde.

Wie weit es tatsächlich zu diesen Auflösungen bei den Mischfinanzierungen kommt, werden wir wahrscheinlich spätestens in ein paar Wochen sehen. Es gibt ein wenig Bewegung beziehungsweise ein geregeltes Problem mit den Lehrern. Bei dem großen Problem der Krankenanstalten, wie es heute schon vielfach zitiert wurde, sehen wir derzeit noch keiner essentiellen Lösung entgegen.

Und was ich durchaus spannend finde – Kollege Gudenus, wir sind ja selten auf einer Linie mit Vorschlägen –: Es ist schon interessant, dass sich die Landeshauptleute nicht wirklich mit einer Diskussion zum Thema Steuerautonomie anfreunden können. Mit Steuerautonomie meine ich nicht, dass jetzt sozusagen der große Wettbewerb aus­bricht – das halte ich für völlig kontraproduktiv, dem kann man auch entgegentreten, in-


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dem man sagt, man macht gewisse Bandbreiten –, aber generell ist es durchaus anzu­denken, dass man sagt: Okay, wer das Geld einnimmt, gibt es auch aus für bestimmte Aufgaben, die auch genau definiert sind. So wie es jetzt läuft, dass die Aufgaben immer mehr in die Länder und Gemeinden verschoben werden, der Bund aber gleich­zeitig sagt: Sorry, tut mir Leid, ich habe nichts dafür weiterzuvermitteln, das ist schwer.

Kollege Himmer, zur Geschichte mit dieser Steuerreform – ich habe in diesem Gremi­um mehrmals darauf hingewiesen –: Diese Steuerreform hat unglaublich hohe Minder­einnahmen für alle Länder und Gemeinden zur Folge. Beim oberösterreichischen Budget sind es derzeit „flotte“ 170 Millionen, die wir suchen. Es wird in den anderen Ländern, nehme ich an, nicht anders sein, es wird auch dem Herrn Bürgermeister in Wien so gehen. Und das ist ja wohl nicht wirklich sozusagen der tolle Output einer Steuerreform. Wenn Sie jetzt sagen, okay, das kommt in einer nächsten Periode, dann sage ich Ihnen: Fragen Sie die Experten! Die sagen Ihnen, 2006 wird es auch nicht anders ausschauen.

Und das halte ich wirklich nicht für eine gangbare Möglichkeit, die Finanzierung von wesentlichen öffentlichen Aufgaben auch tatsächlich zu gewährleisten, denn letztend­lich ist das System, das die Bundesregierung anwendet, ja ein – aus ihrer Perspek­tive – durchaus intelligentes: Man macht eine Steuerreform, die Länder haben die Mindereinnahmen und können sich dann sozusagen entscheiden, wo sie kürzen und streichen. Das, denke ich mir, hat System und wird insofern auch Früchte tragen, dass essentielle Aufgaben im Wesentlichen zu kurz kommen werden.

Ein dritter Bereich des Finanzausgleichs ist das Thema des verbesserten Mittelein­satzes beziehungsweise der verbesserten Steuerung des Mitteleinsatzes. Dabei geht es sehr viel um Managementmethoden, die in der Verwaltung in den verschiedenen Bereichen einzusetzen sind. Ich denke, es gibt verschiedene Ansätze in den Ländern, in den Städten und in den Gemeinden, die bereits umgesetzt werden beziehungsweise in Einführung sind, aber das gilt es auch festzuschreiben und eben einzuführen.

Ganz kurz noch einmal sozusagen zusammengefasst: Was sind die Kernanliegen? Wo sehen wir Reformbedarf beim Finanzverfassungsgesetz? – Es geht einerseits darum, diese vermischten Trägerschaften aufzulösen und die Finanzierungen klarzulegen, weiters um eine verstärkte Zielorientierung des Finanzausgleichs. Die Verbesserung und Steuerung des Mitteleinsatzes habe ich bereits genannt, ebenso auch die Verbes­serung der Datenbasis. Und natürlich geht es auch um die Ausweitung des Geltungs­umfanges des Konsultationsmechanismus.

Aber jetzt noch einmal ein Wort – am Ende der Fahnenstange dieses Finanzaus­gleichs: Seitens des Bundes gibt es konzeptionell nicht Neues. Es wird letztendlich etwas fest- und fortgeschrieben, was man schon lange gehabt hat. Ein bisschen Bewe­gung gibt es mit den Ländern in Bezug auf die Landeslehrer und auf die Spitäler, aber im Wesentlichen wird der Finanzausgleich so fortgeschrieben. Den größten Part der Steuerreform tragen die Länder und Gemeinden. Die werden sich in dieser Form herz­lich bedanken.

Dass der Finanzminister die Spitäler sozusagen weghaben will, ist verständlich. Wenn es jedoch nicht tatsächlich zu einem guten Ausgleich dieser Lasten kommt, wird die Versorgung in den Ländern zunehmend schwierig werden. Aber eines, denke ich mir, ist dem Finanzminister durchaus gelungen: auch dort, wo sich die beiden, nämlich die Gemeinden und die Städte, sehr einig sein sollten, ein Stück Zwietracht zu säen, um so leichter mit seinen Interessen und seinen Intentionen vorwärts zu kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


12.53


Bundesrat
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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. – Herr Bundesrat Kneifel, bitte.

 


12.54

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Landeshauptmann! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich freue mich über das klare Bekenntnis des Landeshauptmannes und Bürgermeisters der Stadt Wien zum Bundesstaat, zum Bundesrat und in weiterer Folge auch zur Stärkung der Länderrechte. Ich halte das für ein positives Signal. Auch Ihre Bewertung der jüngsten Runde der Finanzausgleichsverhandlungen, die auf ein positives Ergebnis hindeuten, halte ich für eine ganz wichtige Botschaft heute hier im Bundesrat.

Ich sehe nur in einem Punkt noch Erklärungsbedarf – da hätte ich Sie um eine Präzi­sierung gebeten –, nämlich bezüglich Ihrer Aussage zum Thema Abschaffung der Wer­beabgabe. Ich erinnere mich noch an Ihr Referat anlässlich der Werbewirtschaftlichen Tagung dieses Jahres, in dem Sie auch zu diesem Thema Stellung bezogen haben. Allerdings ist mir damals in Ihrer Stellungsnahme jener Halbsatz abgegangen, den Sie heute hinzugefügt haben, nämlich Abschaffung der Werbeabgabe nur im Falle eines Äquivalents, nur unter Abgabe eines gleichen Betrages an die Gemeinden. Ich halte diese Klärung deshalb für sinnvoll beziehungsweise für wichtig, weil ich glaube, man sollte überall dieselben Botschaften aussenden und nicht Hoffnungen wecken bei der Werbewirtschaft, die seit Jahren gegen diese einzigartige Steuer kämpft. Diese Steuer gibt es in ganz Europa nicht, nur in Österreich. Diese Steuer ist ein ausgesprochenes Austriacum, die gibt es nur bei uns. Diese Belastung, diese Steuer verzerrt auch den Wettbewerb in dieser Branche, denn wir wissen, dass heute schon weit über Gemein­de-, Landes- und Bundesgrenzen hinaus auch europaweit geworben wird. Deshalb glaube ich, dass man, wenn man Hoffnungen macht, diese auch entsprechend erfüllen sollte.

Die Werbewirtschaft insgesamt kurbelt wie kaum eine andere Branche auch den Auf­schwung an, den wir dringend brauchen. Wir haben heute von den Arbeitsplätzen in den Gemeinden gesprochen. Ich kann dem nur zustimmen und das zweimal unterstrei­chen. Ich glaube, das ist ganz wichtig, und ich halte es für sinnvoll, diese Abgabe abzu­schaffen.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass diese Summe, die den Gemeinden freilich auch wichtig ist, durch Einsparungen in der Verwaltung, durch länderübergreifende oder gemeindeübergreifende Einrichtungen oder Verbünde in der Verwaltung wettgemacht werden kann. Das wäre doch gelacht! Dieses Einsparungspotential ist, glaube ich, sicher zu erzielen, wenn man es will.

Die Werbeabgabe insgesamt ist ja auch eine Ungleichbehandlung und eine unfaire Behandlung der verschiedenen Gemeinden. Gemeinden, die ein großes Verlagsunter­nehmen haben, schöpfen daraus enorme Summen, und Kleingemeinden oder mittlere Gemeinden, die kein Verlagshaus und keine große Agentur haben, wo große Umsätze erzielt werden, die schauen durch die Finger.

Deshalb, glaube ich, wäre es ein Akt der Gerechtigkeit und der Chancengleichheit auch im Sinn der Behandlung unserer österreichischen Gemeinden, diese Werbeab­gabe abzuschaffen. Die Euros, die dann in den Gemeinden, die große Verlage haben, zweifellos fehlen, sind durch Verwaltungsvereinfachungen, Verbünde, Zusammen­legung von Buchhaltungen oder anderen Einrichtungen, die man miteinander betreiben kann, einzusparen. Ich halte das für eine sinnvolle Vorgangsweise, und ich glaube, man sollte hier eine gemeinsame Sprachregelung finden, wenn man von dem Thema Abschaffung der Werbeabgabe spricht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


12.58


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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf dem Herrn Landeshauptmann von Wien ganz herzlich dafür danken, dass er zu uns gekommen ist, dass er sich die Zeit genommen hat, die gesamte Debatte mitzu­verfolgen, und auch zwischendurch einmal das Wort ergriffen hat. – Vielen herzlichen Dank, Herr Landeshauptmann. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder! (Allgemeiner Bei­fall.)

3. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Bericht 2004) (III-262-BR/2004 d.B. sowie 7125/BR d.B.)

4. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2005 gemäß § 9 LWG (III-263-BR/2004 d.B. sowie 7126/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. und 4. Punkt der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung zu Punkt 3 hat Herr Bundesrat Höfinger übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht, und ich bitte, auch gleich den Bericht zu Punkt 4 zu bringen, denn es handelt sich um denselben Berichterstatter. – Bitte.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Frau Präsidentin! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Bericht der Bundesre­gierung über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Bericht 2004).

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag:

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2004 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Bericht 2004) zur Kenntnis zu nehmen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2005 gemäß § 9 Landwirtschafts­gesetz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme daher zum Antrag:

 


Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2004 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2005 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz zur Kenntnis zu nehmen.


Bundesrat
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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke vielmals für die Berichte und die Antragstellung.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


13.01

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Minister! Gospod minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Ich möchte zum Bericht der Bundesregierung über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003 – Grüner Bericht 2004 – Stellung beziehen.

Der Grüne Bericht ist ein detailliertes Nachschlagewerk über die wirtschaftliche und soziale Lage der Land- und Forstwirtschaft sowie der Agrarpolitik in Österreich.

Im Bericht werden Beispiele zum Einkommen und zu den Förderungen dargestellt. Das ist auch im Internet nachzulesen. Das Herz dieses Grünen Berichtes 2004 sind die Buchführungsergebnisse. Leider wurde da eine Systemumstellung vorgenommen, die durch neue Definitionen und neue Gewichtungen bestimmt wurde.

Diese Systemumstellung hat aber zur Folge, dass die Einkommen im Durchschnitt geringer sind als früher. Ein Beispiel: Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Jahres 2002 sind nach dem neuen System um 10 Prozent geringer als nach dem alten.

Die Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft sind im Jahr 2003 um 4 Prozent je Betrieb gesunken. Im Ausschuss wurde uns erklärt, dass dafür die Senkung der Erzeu­gerpreise für Schweine und niedrige Milcheinnahmen verantwortlich sind, was auch selbstverständlich ist.

Bei den Bergbauern war der Rückgang noch größer, und zwar 7 Prozent. Bei den Nicht-Bergbauern betrug er 2 Prozent. Das Minus ist also bei den Bergbauern um 5 Prozent größer als bei den Nicht-Bergbauern, obwohl wir alle wissen, dass der Arbeitsaufwand bei den Bergbauern viel intensiver und die Arbeit viel schwieriger ist.

Aus der Analyse ist ersichtlich, dass die in den Beispielen genannten Betriebe weniger Förderung bekommen haben, obwohl die öffentlichen Gelder im Durchschnitt je Betrieb ein Plus von 0,6 Prozent zu verzeichnen haben.

Früher wurden die öffentlichen Gelder im Grünen Bericht in Prozentsätzen angegeben. Im Grünen Bericht 2004 ist diese Kennzahl verschwunden. Ich frage mich, warum. Jetzt werden die öffentlichen Gelder nur mehr als Anteil am Ertrag dargestellt. Ich frage mich: Wo bleibt da die gerechte Transparenz?

Meine Damen und Herren! Ich möchte euch einen Auszug aus dem Grünen Bericht vorlesen, und zwar über aktuelle Forschungsarbeit zu Frauen als Akteurinnen in der Agrar- und Regionalpolitik. Sie finden das auf Seite 273 und 274: eine Situationsana­lyse im Hinblick auf die Umsetzung von GM in Österreich – übrigens von einer Frau gemacht –, eine Situation, die realistisch aufgezeigt wird. Ich zitiere:

„Mit der von der Europäischen Union 1999 beschlossenen Strategie des Gender Main­streaming (GM) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, bei allen politischen Pro­zessen, Entscheidungen und Maßnahmen auf die bewusste Einbeziehung einer ge­schlechterspezifischen Sichtweise zu achten und deren Auswirkungen auf die Gleich­stellung von Frauen und Männern zu berücksichtigen. Diese Strategie des GM wird auch in den sozialen und regionalen Zielen der EU-Strukturfondsförderung verfolgt.“

Wie schaut es in Österreich aus? – Es gibt neun Kammerpräsidenten – alle männlich. Es gibt 14 Vizepräsidenten – elf männlich, drei weiblich. Alle Kammeramtsdirektionen sind männlich besetzt. Der Großteil der Abteilungsleiter ist männlich. In den 80 öster­reichischen Bezirksbauernkammern sind ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Der Bundespräsi-


Bundesrat
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dent ist ein Mann!) – Der Herr Bundespräsident ist männlich; vielleicht gibt es auch ein­mal eine Bundespräsidentin. (Bundesrat Kritzinger: Da hätten Sie eine Frau wählen können! Da hätten Sie eine Chance gehabt!) – Wir hätten die Chance gehabt, nur glaube ich, dass der Herr Bundespräsident wirklich sehr qualifiziert ist, deshalb haben wir ihn gewählt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich möchte da keine Diskussion über den Bundespräsidenten abwickeln, und ich werde auch nicht zulassen, dass man die Qualifikation unseres Herrn Bundespräsidenten in Frage stellt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Dann müssen Sie anders argumentieren, Frau Kollegin! Das ist doch lächerlich!)

Herr Kollege! Die Agrarpolitik in Österreich ist ganz einfach Faktum, und wenn Sie den Grünen Bericht gelesen haben, dann müssen Sie wissen, dass wirklich 90 Prozent der höheren Positionen von Männern besetzt werden. – Das ist Faktum. Ein Beispiel: Von 261 Delegierten in der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer sind 14,6 Prozent Frauen – 225 Männer und 36 Frauen. (Bundesrat Kritzinger: Was soll ich denn tun? Die Männer entlassen? Wir schaffen die Männer ab!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen da jetzt schon ein Beispiel nennen. Es ist Realität, dass Männer die höheren Positionen besetzen. Das entspricht nicht dem Vor­satz des GM. Ich frage mich ganz einfach: Was wird getan, um diese ungleichgewich­tige Situation zu beheben?

Ein Nebenerwerbsbauer – und in Österreich gibt es sehr viele Nebenerwerbsbauern – geht zum Beispiel tagsüber arbeiten. Wer verrichtet dann tagsüber die Arbeit am Hof? – Die Bäuerin. Dies beweist, dass auch Bäuerinnen selbstverständlich über die notwendige Erfahrung und Kompetenz verfügen und auch bei der Interessenvertretung ganz vorne vertreten sein sollten.

Ich möchte mich bei allen, die an diesem Grünen Bericht mitgearbeitet haben, für die hervorragende Arbeit bedanken. Aus dem Bericht ist jedoch ersichtlich – und das ist jetzt kein Protest gegen die Beamten und gegen die Mitarbeiter, die diesen Bericht gemacht haben –, dass die Verteilung der öffentlichen Gelder ungleich und ungerecht erfolgt ist. Die Reichen werden reicher, und die Armen werden ärmer. Deswegen kann unsere Fraktion diesem Bericht nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: Das glaubst du doch selbst nicht!)

Herr Kollege! Bitte, schauen Sie den Bericht hinsichtlich geschlechtsspezifischer The­matiken noch einmal durch, dann werden Sie auch feststellen können, dass wirklich die hohen Positionen männlich besetzt werden. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist doch alles generalisiert! – Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.10

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


13.10

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Ein paar Worte zu meiner Vorrednerin: Der Verlust, der im Grünen Bericht ausgewiesen wird, resultiert nicht aus der Systemumstellung, sondern es ist richtig, was Sie auch im Ausschuss gehört haben: Ursache sind sicher die schlechten Schweine- und Milchpreise und auch die Dürrekatastrophe des vergangenen Jahres.

Sie haben sich sehr detailliert über die Frauenproblematik im Grünen Bericht geäußert, und dazu möchte ich sagen: Ich glaube, gerade die Bäuerinnen sind eine Gruppe, die


Bundesrat
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sehr engagiert ist. (Bundesrätin Blatnik: Welche Arbeiten verrichten sie? Welche Ar­beiten verrichten zum Beispiel Bäuerinnen?)

Ich würde sagen: bis in alle Gremien, sowohl auf Ortsebene, Gemeindeebene und, wie Sie sehen, auch im Bundesrat, denn ich kann mich selbst als ... (Bundesrätin Blatnik: Warum nicht Präsidentinnen? Warum gibt es elf männliche Vizepräsidenten und drei Frauen?) – Da müssen Sie bei Ihnen im Land selbst nachschauen! Wir in Niederöster­reich haben eine Vizepräsidentin. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben auch von höheren Positionen gesprochen. Darauf muss ich jetzt auch noch antworten. – Wir hätten heuer die Chance gehabt, eine Frau, die sowohl qualifiziert ist als auch die höchste Position des Staates Österreich angestrebt hat, zu wählen. Sie hätten ihr ja Ihre Stimme geben können, dann wäre die Chance vielleicht da gewesen und dann hätten wir jetzt eine Präsidentin. (Bundesrat Weilharter – in Richtung SPÖ –: Dann wären Sie glaubwürdig! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gehen wir jetzt aber zum Grünen Bericht über, den wir heute behandeln. Er zeigt uns die Situation der Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003, und gleichzeitig schließen wir daraus die Maßnahmen für das Jahr 2005.

Ich meine, es handelt sich wirklich um einen ausführlichen und gut gestalteten Bericht, der uns wichtige Informationen gibt, die uns helfen, die richtigen politischen Weichen­stellungen für die Zukunft der Land- und Forstwirtschaft vorzunehmen.

Dieser Bericht zeigt uns deutlich, dass die österreichische Landwirtschaft klein struktu­riert und meist im Berggebiet gelegen ist. Wenn 90 000 Betriebe oder 41 Prozent der Bauern weniger als 10 Hektar bewirtschaften und 85 000 Betriebe im Berggebiet lie­gen, dann wissen wir, dass die Ausgangslage einfach schwierig ist. Europaweit beträgt die durchschnittliche Flächenausstattung zirka 18,7 Hektar.

Uns ist es aber vor allem wichtig, eine umweltorientierte bäuerliche Landwirtschaft zu haben, die für den Inlandsmarkt Produkte höchster Qualität erzeugt und auch verstärkt exportiert.

Betrachten wir zum Beispiel den Rindfleisch-Bereich, der mir sehr am Herzen liegt – denn gerade für die benachteiligten Gebiete ist das ein wichtiger Wirtschaftsfaktor –, dann müssen wir feststellen, dass im Jahr 2003 die Produktion um 3 Prozent zurück­gegangen ist, der Verbrauch in Österreich aber um 1,5 Prozent gestiegen ist. Schauen wir uns jetzt noch die Rindfleisch-Importe an, so müssen wir feststellen, dass sie um 21,3 Prozent gestiegen sind.

Ich glaube, dahin gehend ist uns mit dem Tierschutzgesetz eine wichtige Weichenstel­lung gelungen, aber das soll nicht die einzige sein, sondern es müssen für die Zukunft noch weitere Maßnahmen in diesem Bereich folgen.

Im Bereich der Milch konnten wir eine Steigerung der Importe, aber auch der Exporte um 13,1 Prozent feststellen. Was im Jahr 2003 sicher auch eine Schwierigkeit dar­stellte, das war der Milchpreis. Was den Schweinemarkt betrifft, so haben die interna­tionalen Entwicklungen unseren österreichischen Markt sehr stark beeinflusst, und die rückläufige Preisentwicklung von 2002 hat sich fortgesetzt.

Das Jahr 2003 war von einer extremen Trockenheit und einer extremen Hitzeperiode geprägt, die in vielen Teilen Österreichs zu Ertragseinbußen bis hin zu Totalausfällen bei allen Kulturen geführt haben. Österreichweit konnten wir einen Getreiderückgang um 10 Prozent feststellen, der durch die Trockenheit entstand. Im Grünland mussten wir deswegen Einbußen von bis zu 30 Prozent hinnehmen. – Bund und Länder reagier­ten darauf – wie ich meine, gut – mit der Raufutter-Aktion, die sehr vielen geholfen hat, das Ärgste abzufedern.


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Da bis zum Jahr 2010 auch im Hinblick auf das Kyoto-Protokoll die erneuerbaren Ener­gieträger von 6 auf 12 Prozent erhöht werden sollen, ist das Ökostromgesetz ein wich­tiger Punkt, das eine gute Basis legt, das Ziel von 4 Prozent des Stromverbrauchs aus Biomasse, Biogas, Wind, Photovoltaik und Kleinwasserkraftwerken zu erreichen. Wir müssen aber alles daransetzen, dass sich das Ökostromgesetz auch in Zukunft so weiterentwickelt. Da können wir unserem Minister schon danken, denn soviel ich weiß, wurde da wieder eine gute Basis für die Zukunft gelegt.

Ich glaube, gerade der Einsatz der Biomasse ist wichtig. – Wenn ich nur das Beispiel Niederösterreich hernehme: Wir haben in Niederösterreich 200 Fernheizwerke, die für 3 000 Bauern Einkommen sichern. Das ist eine gute Sache, und so soll es bei Biogas auch weiterhin der Fall sein.

Wir konnten im Jahr 2003 aber auch die Anzahl der Biobetriebe um 10 Prozent erhö­hen, und das zeigt uns, dass die Landwirtschaft in Österreich wirklich Wert darauf legt, biologisch, naturnah, gut und qualitativ hochwertig für unsere Bevölkerung zu produzie­ren.

Mit 47,2 Prozent der Staatsfläche hat der Wald in Österreich einfach eine wichtige Stel­lung. Die Nutzungsintensität im Kleinwald ist zurückgegangen, was nicht besonders er­freulich ist. Das ist aber besonders auf die niedrigen Holzpreise zurückzuführen, die im vergangenen Jahr um 5,6 Prozent gefallen sind. Im Jahr 2003 erhöhte sich der Holz­einschlag aber trotzdem um 15 Prozent. Das ist auf die Windwürfe und den großen Schädlingsbefall zurückzuführen, denn gerade der Borkenkäfer hat sehr viel Unheil angerichtet.

Ein Punkt im Grünen Bericht ist den Frauen gewidmet, wie wir heute auch schon gehört haben. Er zeigt uns den Frauenanteil in den politischen Gremien. Da sehen wir, dass es auf regionaler Ebene am schlechtesten aussieht, dass es in den letzten Jahren jedoch trotzdem deutliche Verbesserungen gab. Daher sind wir positiv gestimmt. In Bezug auf Frauen ist es meiner Meinung nach wichtig, die Vernetzung zu verstärken, damit da mehr geschieht. Gerade, was die regionale Ebene betrifft, ist es jedoch oft so, dass die Frauen sich eben zu Hause verstärkt um die Kinder kümmern und daher oft das Interesse der Frau selbst nicht so groß ist.

Bedingt durch den schlechten Schweinepreis, den gesunkenen Milchpreis, den niedri­gen Holzpreis und die Dürreschäden mussten wir insgesamt ein Minus von 4 Prozent der Einkünfte hinnehmen. – Im Berggebiet war es, wie wir gehört haben, noch mehr.

Da es uns besonders wichtig ist, die Nahrungsmittelproduktion aufrechtzuerhalten und den ländlichen Raum zu stärken, ist es notwendig, diese Bereiche durch Ausgleichs­zahlungen aus dem Agrarbudget zu unterstützen. Diese Zahlungen werden in drei Blöcke gegliedert, und zwar Ausgleichszahlungen für Strukturmaßnahmen, Ausgleichs­zahlungen in Form von GAP-Prämien und Umweltprogramm ÖPUL.

2003 erfolgte der Beschluss zur GAP-Reform in Österreich, und wir begannen mit einer Diskussion und auch mit der Umsetzung. Das gewählte Modell war das Betriebsprä­mienmodell. Es hat die vollständige Entkoppelung der Kulturpflanzen- und der Tierprä­mien – außer der Mutterkuhprämien – zum Inhalt. Dieses Modell soll uns einfach eine nachhaltige Bewirtschaftung der österreichischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sichern und die ländlichen Räume erhalten.

Wir können dadurch auch gestärkt in die WTO-Verhandlungen gehen und die Erweite­rung, die im heurigen Jahr erfolgt ist, bestmöglich bewältigen.

Um wirklich die Chancen der Erweiterung wahrzunehmen, reiste unser Minister im heu­rigen Jahr bereits in die neuen Länder, um unsere landwirtschaftlichen Produkte dort auf den Märkten zu positionieren. Dies ist sicher als gute Maßnahme zu erwähnen.


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Weitere gute Maßnahmen sind sicher die Steuerreform, die wir beschlossen haben, mit dem Agrardiesel und der Abschaffung der Schaumweinsteuer, das bfu-Bildungspro­gramm, das sehr gut angenommen wird, die Errichtung der Tiergesundheitsdienste – wichtig ist sicher noch eine Verstärkung des Marketings und der Positionierung auf dem Markt –, die gute Vorbereitung des Programms der ländlichen Entwicklung, die gentechnikfreien Zonen mit der klaren Haftungsfrage für jene, die sich für Gentechnik entscheiden, die Biomasse und der Fremdenverkehr, der dem ländlichen Raum eben­falls eine große Chance bietet.

Als positiv hervorzuheben ist die Beimischung von Raps und Methanol im kommenden Jahr. Ich ersuche den Herrn Minister, den Waldviertler Roggen dabei nicht zu verges­sen.

Dies sind sicher nur einige Ansätze – im Maßnahmenkatalog finden wir noch viel mehr –, die wir in Zukunft auch umsetzen müssen.

Abschließend kann ich nur sagen, der Grüne Bericht ist eine unverzichtbare Informa­tionsquelle, die alle Entwicklungen darstellt. Ich möchte allen recht herzlich danken, die daran mitgearbeitet haben. Unsere Fraktion stimmt dem Grünen Bericht und den Maß­nahmen für 2005 zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.22

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.22

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich muss jetzt etwas loswerden, denn ich ärgere mich ganz fürchterlich. Ich habe gerade diese OTS-Meldung bekommen, aus der hervorgeht, dass Sie, Herr Minister, sich mit dem Herrn Bundesminister Bartenstein über das Öko­stromgesetz geeinigt haben. Sie erzählen uns da vor ungefähr einer Stunde, das sei eine Aktion, ein Angriff der Arbeiterkammer auf das Ökostromgesetz und auf die er­neuerbaren Energien gewesen. Jetzt lese ich, dass Sie genau das, was Herr Minister Bartenstein vorgeschlagen hat, die Deckelung und alle möglichen anderen einschnei­denden Kürzungen, einfach hinnehmen und sich mit ihm einigen, ohne dies auch nur beiläufig zu erwähnen. Da hätte ich gerne eine Erklärung von Ihnen, was da jetzt von Ihren Versprechungen, dass sich das Ökostromgesetz nicht verschlechtern wird, wirk­lich umgesetzt wurde oder wo Sie sich wirklich angestrengt haben. Aus den Presse­meldungen geht keine Anstrengung Ihrerseits hervor.

Aber jetzt zum Bericht, obwohl sich das bis jetzt Gesagte auch ein bisschen auf den Bericht bezogen hat. Der Bericht ist an sich sehr interessant und umfangreich. Interes­sant ist die Studie von Herrn Hoppichler zu den Auswirkungen der Gentechnik.

Ich verweise Sie auch auf eine Studie, die ganz leicht auf der Homepage von Green­peace zu finden ist. Ich habe eigentlich angenommen, dass Sie diese Studie kennen, denn ich habe in letzter Zeit so schöne Plakate gesehen mit einer netten Kuh, wo draufsteht: „Weil wir trinken, was sie isst.“

Letztendlich ist das auch in dieser Studie von Greenpeace nachgewiesen, nämlich dass, wenn eine Kuh über längere Zeit gentechnisch veränderte Organismen zu sich nimmt, das dann in der Milch – und auch im Fleisch, bei Hühnern zum Beispiel – nach­weisbar ist. Da kann man sagen, Kennzeichnungsverordnung hin oder her: In der Kennzeichnungsverordnung steht nicht, dass diese Lebensmittel dann gekennzeichnet werden. Das heißt, sie hilft uns Konsumenten nicht.

Zum Thema NÖM: Die NÖM ist laut Bericht die zweitgrößte Molkerei in Österreich, also nicht unbedingt so unwichtig. Ich glaube nicht, dass die Österreicherinnen und


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Österreicher davon ausgehen, dass sie, wenn sie Milch aus einem Packerl der NÖM trinken, indirekt gentechnisch veränderte Organismen zu sich nehmen. Es ist so, dass Vertreter der NÖM, als Greenpeace dort war, gesagt haben, sie haben noch 24 000 Tonnen Gensoja auf Lager.

Ich glaube also nicht, dass es wirklich so eine freiwillige Entscheidung des Konsumen­ten ist, ob er Gentechnik will oder nicht. Ich denke mir, der Konsument bekommt schon einiges vorgesetzt, wo er wirklich nicht ahnt, was dahinter ist.

Kollege Schennach hat Sie gefragt, warum die ÖPUL nicht an Gentechnikfreiheit ge­bunden wird. Sie haben erklärt, ÖPUL sei eine freiwillige Sache, und das könne ja nicht alles sein. – Da stimme ich Ihnen schon zu. Allerdings wäre es ein Schritt in die richtige Richtung. Die Frage war ja: Warum nicht? Und die Erklärung, das könne nicht alles sein, ist keine Antwort auf: Warum nicht? Ich würde Sie bitten, dass Sie das vielleicht doch noch irgendwie mit aufnehmen, ebenso wie das Ziel der Gentechnikfreiheit im Gentechnikgesetz. Auch wenn Sie mir sagen, das ganze Gentechnikgesetz zielt darauf ab: Wenn es in den Zielen anders steht – in den Zielen steht jetzt die Förderung der Gentechnik –, dann frage ich mich, warum man „Gentechnikfreiheit“ nicht reinschreiben kann, wenn es so ist.

In den Unterlagen, in den Berichten, in diesem Grünen Bericht und auch im Umwelt­bericht steht eigentlich nur mehr etwas über Koexistenz. Wie das mit der Koexistenz funktionieren soll, darüber steht nichts in den Berichten. Wahrscheinlich müsste man die Felder luftdicht abschließen, damit da keine Pollen fliegen können. Vorschläge dafür habe ich noch nicht gesehen, immer nur das Schlagwort Koexistenz. Aber höre nichts mehr von gentechnikfreier Zone in Österreich.

Was im Grünen Bericht noch sehr interessant ist, ist der Vergleich Biolandbau und kon­ventioneller Landbau, woraus man auch sieht, dass Biolandbau sich nicht nur für den Konsumenten auszahlt, sondern auch für den Bauern.

Das Thema Einkommen haben wir heute schon gehabt – die sind zurückgegangen. Dass im Bericht steht, dass diese zurückgegangenen Einkommen durch Einkommens­zuwächse im Nebenerwerb kompensiert werden, finde ich schon etwas seltsam, denn ich denke, für mehr Einkommen im Nebenerwerb müssen die Bauern auch mehr arbei­ten im Nebenerwerb.

Ein großer Teil der Einkommen sind Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln. Da gibt es diverse Beihilfen, Ausgleichszahlungen, Prämien, Strukturmaßnahmen. – Ich bin froh, dass ich kein Bauer bin, denn ich würde da wahrscheinlich nicht ganz durchblicken. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Sicher, so wie das an­dere.

Was mir als Grüne bei diesen Prämien schon auffällt, denn wir Grüne haben immer die Gleichstellung von Frauen im Kopf, ist die Einteilung: Auf der einen Seite gibt es Son­derprämien für die männlichen Rinder, jederzeit, und bei den „Frauen“ gibt es nur Sonderprämien für Mutterkühe und Mutterschafe. Es freut mich natürlich, dass die Sonderprämien für die männlichen Rinder ein bisschen niedriger sind als die für die Mutterkühe.

Aber ich denke mir, insgesamt sieht man schon, dass man es als Frau auf dem Land nicht wirklich leicht hat, wenn man nicht Mutter ist oder nicht nur Mutter sein will. Frau Kollegen Blatnik hat es vorher schon ziemlich genau erklärt mit den Sitzverteilungen in den Kammern. (Zwischenruf von Bundesrätin Gansterer.) – Nein, das war jetzt kein Vergleich. Ich meine nur, in der Landwirtschaft wird auch bei den Kühen schon darauf hingewiesen: Da ist die Mutterkuh und da das männliche Rind.


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Es ist ja so, dass 30 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt wer­den. Wir haben schon von Kollegin Blatnik gehört, wie viele Frauen in den politischen Gremien vertreten sind. Bezüglich Ihrer Nachfrage, wie das mit dem Herrn Bundes­präsidenten ist, und dass es natürlich nur deshalb ist, weil der besser geeignet ist als seine damalige Gegenkandidatin: Also dass die Qualifikation ausschlaggebend dafür ist, dass es neun Kammerpräsidenten gibt, darunter keine einzige Frau, das können Sie mir nicht erzählen! (Bundesrat Höfinger: Wie viele Bäuerinnen sind von Ihrer Fraktion oder der SPÖ hier herinnen?) Das liegt vielleicht daran, dass der Bauernbund in erster Linie ÖVP-dominiert ist.

Wobei Frau Kollegin Diesner-Wais vorher erwähnt hat, dass eine Vernetzung zwischen den Frauen nicht so sehr stattfindet. Im Bericht steht aber, dass eine Vernetzung sehr wohl auf allen Ebenen stattfindet und dass sie vor allem bei den grünen und den sozia­listischen Bäuerinnen gut funktioniert. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich wollte nur darauf hinweisen: Ich kann nicht, so wie Frau Kollegin Diesner-Wais, glauben, dass es daran liegt, dass die Frauen kein Interesse haben. Ich kann auch nicht glauben, dass es so ist, wie es der Herr Bundesminister sagt, dass es daran liegt, dass Frauen weniger qualifiziert wären oder dass sich keine qualifizierten Frauen finden. Ich denke, es müsste möglich sein, den Frauen mehr Einfluss zu geben.

In den Empfehlungen der §-7-Kommission gibt es dazu auch einige Vorschläge, zum Beispiel: Im Sinne von Gender Mainstreaming als Topdown-Strategie sollte das Bun­desministerium die Gleichstellung von Frauen und Männern durch systematische Inter­ventionen und proaktives Handeln bewusst fördern und handlungsleitend umsetzen.

Das heißt: Vielleicht selber einmal anfangen, denn es ist ja nicht nur in den Kammern so. Es ist meines Wissens, wenn ich das richtig gelesen habe, auch im Bundesministe­rium so, dass das Generalsekretariat und alle sieben Sektionen von Männern geleitet werden und dass nur ein Viertel der Abteilungen von Frauen geführt werden. Ich denke mir, wenn Sie hier als Vorbildwirkung einen Schritt tun würden und schön langsam diese Statistik ändern könnten, dann würde sich vielleicht auch in den Kammern etwas ändern. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wie viele Pflegedirektorinnen gibt es und wie viele Pflegedirektoren?)

Diesen Punkt wollte ich auch noch ansprechen. In welchen Bereichen bekommen denn die Frauen ihre Zuständigkeiten? – Sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft ist es so: Alles, was mit Pflege zu tun hat, alles, was vielleicht noch mit Umwelt zu tun hat, alles, was mit Sozialem zu tun hat, und alles, was kein Geld bringt – da dürfen die Frauen sehr wohl hinein. (Bundesrätin Lueger: Das stimmt aber!)

Im Ausschuss hat man uns zugesagt, dass diese Empfehlungen der §-7-Kommission sehr ernst genommen werden und auch umgesetzt werden sollen. Darauf bin ich sehr gespannt. Es gibt nämlich noch eine zweite Empfehlung der §-7-Kommission, die ich anführen möchte, und zwar sollen vom Bundesminister der nationale Spielraum für die Einführung des notwendigen Arbeitseinsatzes als zusätzliches Kriterium bei der Zutei­lung der entkoppelten Marktordnungsprämien geprüft und konkrete Vorschläge in einer Studie erhoben werden.

Herr Bundesrat Schennach hat auf die Ungerechtigkeit der Förderungen hingewiesen. Sie meinen, es ist nicht ungerecht. 88 Betriebe bekommen durchschnittlich 163 000 €, 57 000 Betriebe bekommen durchschnittlich 1 282 €. Sie sagen, das ist erklärbar aus der Geschichte, weil es mehr oder weniger nur eine Entschädigung für „Verdienstent­gang“ ist. Ich denke, für die Bewirtschaftung von fünf Hektar wird man mehr Arbeits­kraft pro Hektar aufwenden müssen als für die Bewirtschaftung von 100 Hektar. Der Weltmarktpreis wird das wohl nicht ausgleichen und auch sonst kein Preis.


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Wenn Sie, wie Sie immer betonen, Wert auf unseren Feinkostladen Österreich und auf unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft legen, dann wäre es, denke ich, auch sinnvoll und wichtig, diese Mehrarbeit abzugelten.

Noch einmal: Ich würde Sie bitten, dass Sie diese §-7-Empfehlungen doch sehr ernst nehmen und dass Sie vielleicht hin und wieder einmal auf die Homepage von Green­peace schauen, um zu sehen, was es dort für neue Studien gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.33

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


13.33

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Es ist schade, aber anscheinend ist es Usus, dass, wenn Agrarpolitik zur Diskussion steht, nur wenige Kollegen im Saal sind. Das ist im Nationalrat auch so. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber drei Viertel von den Grünen!)

Liebe Kollegin! Ich danke, Sie haben es sehr gut gemeint, aber wenn Sie vielleicht ein­mal auf einem Bauernhof Urlaub machten, dann würden Sie vielleicht ein bisschen etwas von der Materie verstehen. Sie haben es gut gemeint, ich gestehe Ihnen das durchaus zu, aber die Zusammenhänge sind viel weiter und viel ernster und sehr problematisch. Eine bäuerliche Familie, wo die Bäuerin wirklich Bäuerin und Mutter ist und den Mann ersetzen soll, ist ein sensibler Bereich. Sie haben gesagt: Nebenerwerb, Zuerwerb betreffen 80 Prozent der bäuerlichen Bevölkerung. Da hätten wir viel zu tun!

Ich muss nun zu unserem Herrn Bundesminister kommen. – Geschätzter Herr Bundes­minister! Es ist seit dem 1. Mai auch bei den österreichischen Bauern große Sorge zu spüren. Die österreichischen Bauern sagen sich, gut, jetzt ist die Erweiterung da. Sie kennen die großflächige Landwirtschaft, die bei unseren neuen Beitrittsländern vor­herrscht. Unsere Bauern hoffen, dass die derzeitige Bundesregierung so wie bisher ihre Interessen mit Nachdruck vertreten wird, aber sie sind auch besorgt.

Und etwas, was mir sehr gut gefällt: Am 14. Juli 2004 hat die Europäische Kommission die Rahmenbedingungen für die künftige ländliche Entwicklung beschlossen. Ich freute mich auch, als ich gehört habe, dass die Bundesregierung 3 Milliarden € zur Verfügung stellt, damit unsere Böden gesund erhalten werden, damit auch die hohe Qualität erhalten bleibt und, liebe Kollegin, vor allem das österreichische Bioland und so weiter ausgebaut werden. Da sind wir Weltmeister, da sind wir an der Spitze. Herr Bundes­minister, diese Möglichkeit sollte von uns sehr ernst genommen werden, und wir sollten uns dort weiter bemühen.

Wie schaut es aus bei der Leistungsabgeltung unserer österreichischen Freunde? – Laut Grünem Bericht, sehr geehrter Herr Bundesminister, gibt es natürlich – ich hatte heute schon einmal die Möglichkeit, darauf hinzuweisen – große Einkommensverluste: Zone 2 10 Prozent, Zone 3 3 Prozent und – Gott sei Dank – in der Zone 4 6 Prozent plus. Da kann man nicht sagen, das ist einmal ein Auf und ein Ab, das zieht sich nämlich wie ein roter Faden durch. Gerade dort, wo wir einen sehr starken forstlichen Anteil haben, haben wir noch negativere Zahlen.

Das heißt, dass die Forstwirtschaft laut Grünem Bericht bei uns momentan in einer negativen Situation ist und nicht von der Landwirtschaft her gestützt und gefördert wird, was immer der Fall war. Darauf weisen auch die Buchhaltungszahlen der reinen Forst­betriebe hin.


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Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es gibt elf Punkte, die, im Jahr 2005 beginnend, umgesetzt werden sollten. Ich hoffe, dass diese Umsetzung auch stattfindet, denn diese elf Punkte, wie im Bericht festgehalten, sind sehr positiv. Außerdem muss ich feststellen – und das stimmt mich ein bisschen nachdenklich, Herr Bundesminister –, dass es noch alte Forderungen von der §-7-Kommission gibt, die einer Regelung zuge­führt werden sollen.

Und es gibt auch neue Forderungen. Es sind insgesamt 15 Empfehlungen, die einer Lösung zugeführt werden sollen, und ich hoffe, dass man die Lösung nicht wieder über die nächste Periode hinausschiebt.

Wir haben heute mit dem Wiener Bürgermeister eine sehr interessante Diskussion gehabt, betreffend Österreich-Konvent und so weiter. Der abgestufte Bevölkerungs­schlüssel macht uns einerseits große Probleme. Andererseits ist der ländliche Bereich sehr stark agrarmäßig strukturiert, und da ist natürlich die Agrarpolitik ein entscheiden­der Faktor. Herr Bundesminister! Ich würde Sie wirklich bitten, Ihr Gewicht im Rahmen der Bundesregierung dahin gehend einzusetzen, dass der ländliche Raum alles unter­nimmt, um die Abwanderung, die zum Teil 17 Prozent beträgt ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll ist in ein Gespräch vertieft.) – Schade, Herr Bundesminister, dass Sie nicht ein bisschen zuhören, denn das werden Sie nicht immer hören, dass wir eine Abwan­derung bis zu 17 Prozent haben.

Da können wir nicht einfach sagen, das nehmen wir zur Kenntnis, sondern es sind auch Bürgermeister und Kommunalpolitiker unter uns, die diese Sorge immer wieder im Reisegepäck haben. Dieses Reisegepäck, Herr Bundesminister, sollten Sie uns ein­mal erleichtern. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.39

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminis­ter. – Bitte.

 


13.39

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abseits der Frage des Grünen Berichtes wurden ein paar aktuelle Fragen aufgeworfen.

Zum Ökostrom: Es ist schon interessant, was die Grünen für eine Stellungnahme zur Ökostrom-Einigung abgeben. Ich glaube, Sie haben sich mit dem Ergebnis nicht aus­einander gesetzt. Ich kann Ihnen diese Kritik nicht ersparen.

Anlagenbetreiber, die bis Ende dieses Jahres Bewilligungen haben für Projekte, die bis Mitte 2006 errichtet sein werden, sind voll in der alten Regelung. Was konnte ich erzie­len? – Man muss sich in Erinnerung rufen: Begutachtungsentwurf, Ausschreibung für alle Anlagen. Wir wissen aus internationaler Erfahrung, dass Ausschreibungsmodelle Ökostrom auf null zurückstellen. Gewollt war eine Ausschreibung für alle. – 6,5 Millio­nen Zuwachs pro Jahr. Und im Begutachtungsentwurf die schwierigen Eckpunkte: Deckelung mit 6,5 und Ausschreibeverfahren. Was ist das Ergebnis?

Das Ergebnis sieht so aus: Keine Ausschreibung für Biomasse, für Biogas, eine neue positive Entwicklung für Photovoltaik, gemeinsam mit den Bundesländern, wobei der 15-Megawatt-Deckel bis jetzt keine Entwicklung mehr zugelassen hat. Es gibt eine Ausschreibung nur für die Windenergie und statt 6,5 Millionen Zuwachs pro Jahr 17 Millionen Zuwachs pro Jahr, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das führt dazu, dass wir in der Kostenbelastung für die Haushalte und für die Industrie nicht wie im ursprünglichen Entwurf bis zum Jahr 2010 400 Millionen € für den Öko­strom aufbringen müssen, sondern 1,2 Milliarden €, also das Dreifache dessen, was im


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Begutachtungsentwurf steht. Hier von einem Problem für die ökologische Entwicklung des Ökostroms zu reden, ist völlig verfehlt!

Noch dazu hatten wir ein konsensuales Ziel betreffend Ökostrom: bis 2008 4 Prozent. Wissen Sie, was das Ziel zwei Jahre darüber hinaus nun bis 2010 ist? – 7 Prozent, von 2002 bis 2008 4 Prozent! Wir verdoppeln bis 2010 innerhalb von zwei Jahren. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie liegen mit Ihrer Kritik völlig daneben! Setzen Sie sich mit den Daten auseinander und nicht mit der grünen Polemik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Weilharter.)

Was die Frage Gentechnik im ÖPUL betrifft – Frau Bundesrätin Kerschbaum, Sie haben zwar richtig zitiert, aber ich habe auch anderes dazu gesagt –: Wir werden diese Frage für die neue Periode gemeinsam besprechen. Ich habe nicht gesagt, das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass Sie den Wunsch, die Gentechnik von Österreich fernzuhalten, mit dem ÖPUL nicht zur Zufriedenheit erfüllen können. Wir werden uns darüber unterhalten – für die neue Periode ab 2007 –, ob das auch ein Instrument sein kann, ohne ja oder nein zu sagen, aber wir werden gemein­sam einen offenen Diskussionsprozess führen.

Zum Finanzausgleich. – Betreffend Finanzausgleich für die kleinen Gemeinden, Herr Bundesrat Kampl, kennen Sie meine Meinung, dass wir ein klares Signal im Finanz­ausgleich geben sollten, und zwar gerade für die strukturschwachen und finanziell schwachen Gemeinden. Ich habe mich mehrmals dafür eingesetzt und höre auch, dass in den Verhandlungen erstmals seit Jahren oder Jahrzehnten daran gedacht wird, hier richtige Weichenstellungen vorzunehmen, damit der ländliche Raum entsprechend gestaltet wird. (Beifall der Bundesrätin Diesner-Wais.) Das ist ein schwieriges Thema, auch angesichts der Tatsache, dass der Herr Bürgermeister vor mir natürlich andere Worte zu diesem Thema gefunden hat.

Nun zum Grünen Bericht. – Ich möchte eingangs meinen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern im Ressort ausdrücklich für die sehr, sehr gute Arbeit danken. Es ist ein um­fangreicher Bericht geworden.

Ich wundere mich über die sehr kontroverse Diskussion seitens der SPÖ. Sie wissen, dass eine breit angelegte Zustimmung zu diesem Grünen Bericht gegeben war; vier Sozialpartner sagten dazu ja. Ich nehme zur Kenntnis, dass nun einzelne Teile wieder herausbrechen. Ich sage Ihnen, dieses Standardwerk mit 320 Seiten kann sich inter­national sehen lassen. Es ist ein klarer Aufriss über die Entwicklungen in der öster­reichischen Land- und Forstwirtschaft.

Was sind die Eckpunkte? – Frau Bundesrätin Blatnik, Sie haben gesagt – spannend –: Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Wenn Sie sich den Bericht genau ansähen, sähen Sie, dass die Bergbauernbetriebe zwar um 7 Prozent niedriger liegen als im Vorjahr, jene in der höchsten Erschwerniszulage in der Bergbauernzone 4 aber nicht ein Minus haben, sondern als Einzige 6 Prozent plus. Die Ärmsten der Ärmsten haben ein Plus, die anderen ein Minus. Hier von reicher zu reicher und ärmer zu noch ärmer zu sprechen ist falsch, ist schlichtweg falsch, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dritter Punkt: In Europa lagen im Jahr 2003 die Agrareinkommen auf dem Niveau des Jahres 2002; da hat sich wenig verändert. Es gab ein Minus von 6,1 Prozent. Das ist natürlich auf das auch von Ihnen angesprochene Thema zurückzuführen. Das ist die problematische Situation bei den Preisen im Schweine- und Milchsektor. Obwohl die Zahlen nicht gut sind, können wir uns aber trotzdem noch darüber freuen, denn Däne­mark hat minus 10 Prozent. Und wohin rot-grüne Politik führt, sieht man in Deutsch-


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land: minus 13 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Widerspruch bei der SPÖ.) Auch das eine klare Ausrichtung. Dort, wo falsche Politik gemacht wird, gibt es einen doppelt so hohen Einkommensrückgang wie dort, wo wir richtig liegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir konnten noch dazu, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, im Jahr 2003 – es wundert mich, dass die Grünen da nicht draufgekommen sind, aber wahrscheinlich negieren sie positive Zahlen (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Tun wir nicht!) – einen Zuwachs bei den Bioflächen von 10 Prozent und bei den Bioackerflä­chen in den intensivsten Gebieten von 30 Prozent erzielen. Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Das ist eine wesentlich höhere Summe im Umweltprogramm für Bio­betriebe, das ist eine einmalige Erfolgsstory, die sich sehen lassen kann! Und wir wol­len natürlich auch heuer dafür sorgen, dass der Einkommensrückgang von 6,1 Prozent wieder entsprechend ausgeglichen wird.

Jetzt zu einem Thema, das sehr ernst ist und das man nicht mit einem Vergleich von Sonderprämien für männliche Rinder und Mutterkühe abhandeln kann, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da bin ich sehr sensibel. Wenn wir über die Gleichbe­rechtigung von Frau und Mann auch im ländlichen Raum und in bäuerlichen Betrieben reden, dann weigere ich mich, solch einen Vergleich zu akzeptieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das geht meiner Meinung nach entschieden zu weit!

41 Prozent der Betriebe werden von Frauen geführt. Es gibt eine hohe Kompetenz bei den Bäuerinnen und Bauern, sie verfügen über eine hervorragende Qualifikation und haben Engagement vor Ort. Sie sind die Säule im ländlichen Raum in vielen Regionen. 41 Prozent Frauen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Frau Bundesrätin Blatnik, ich habe mir das angeschaut, weil Sie einen Vergleich dahin gehend gezogen haben, wie viele Kammerpräsidenten und Kammerdirektoren der Landwirtschaftskammern weib­lich sind.

Ich frage Sie: Wie viele Kammerpräsidenten und wie viele Kammerdirektoren der Ar­beiterkammer sind weiblich? – Null, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), um auch hier die Realität ins richtige Licht zu rücken.

Im Übrigen bin ich ein klarer Verfechter (Zwischenruf des Bundesrates Prutsch) der Qualifikation bei der Bewerbung um bestimmte Positionen. Es steht jeder Frau, jeder Bäuerin frei, sich gemäß den demokratischen Abläufen in der Gemeinde, in der Re­gion, im Bezirk zu bewerben, gewählt zu werden und dann in einem Gremium vertreten zu sein. Das ist überhaupt kein Thema. Ich sage Ihnen ganz offen, weil Sie mein Res­sort angesprochen haben, Frau Bundesrätin Kerschbaum: Ich bin stolz darauf, dass ich der erste Minister bin, der bei acht Mitgliedern in seinem Kabinett zwei Frauen hat. Ich habe das Kabinett ohne eine Frau übernommen. Sie sehen also, dass ich sehr stark engagiert bin, um auch in den Führungsgremien die richtigen Antworten zu geben. Aber die Qualifikation ist der Maßstab! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.47

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stad­ler. – Bitte.

 


13.47

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Das ist natürlich auch eine Art, irgendetwas rhetorisch ins rechte Licht zu rücken. (Zwi­schenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Bitte, Herr Kühnel, Sie haben so viele Zwi-


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schenrufe gemacht! Wenn Sie diese zusammenfassen, könnten Sie sicher hier herau­ßen einen Debattenbeitrag abgeben. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... wenn Sie wollen!)

Herr Minister, wenn man Ihnen zuhört, scheint es ja so, als ob in der Landwirtschaft in unserem Land wirklich alles in Ordnung wäre. Aber ich glaube ... (Bundesrat Dr. Küh­nel: Ist es auch!) – Herr Kühnel, bitte! – Aber ich glaube, es ist nicht nur Polemik der SPÖ oder immer nur der SPÖ und der Grünen, sondern ich glaube, man braucht sich nur verschiedenste Pressemeldungen anzuhören, auch von ÖVP-Bauernbundfunktio­nären, die auch nicht immer sehr erfreut sind.

Ich habe mir im Grünen Bericht die Einkommenssituation und vor allem die Verteilung der Fördergelder angesehen. Sie ist ja heute schon ein paar Mal in der Fragestunde angesprochen worden, auch jetzt wieder. Ich möchte dazu auch noch ein bisschen etwas sagen. Ich möchte mich wirklich auch seitens unserer Fraktion bei den Beamten, die diesen Grünen Bericht erstellt haben, bedanken. Er ist für uns alle ein detailliertes Nachschlagewerk, wo wir uns die verschiedensten Dinge herausholen können.

Ich habe mir eben die Verteilung der Fördergelder und die Einkommenssituation ange­schaut. Wir haben ja schon gehört, die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft sind je Betrieb um 4 Prozent auf 18 513 € gesunken. Den Grund dafür haben wir auch schon gehört: die niedrigen Schweinepreise und die Mindereinnahmen bei der Milch. Bei den Bergbauern ist die Förderung ja besonders zurückgegangen, nämlich um 7 Prozent; das haben wir aber auch schon gehört.

Gleichzeitig stehen unsere Bauern aber vor enormen Herausforderungen, zum Beispiel vor der EU-Erweiterung, der Umsetzung der GAP-Reform, der weiteren Liberalisierung des Agrarhandels im Rahmen der WTO und strengeren Auflagen im neuen heimischen Tierschutzgesetz und vielem mehr.

Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Minister! Die diesbezügliche Verteilung der Fördergelder ist gerade für kleine und mittlere bäuerliche Betriebe nicht günstig. Sie haben zwar schon in der Fragestunde versucht, es anders darzustellen, und auch jetzt wieder, aber die Verteilung ist wirklich nicht günstig.

Man muss sich dazu ein paar Zahlen ansehen. Im Jahr 2003 wurden insgesamt 2 140 Millionen € an EU-, Bundes- und Landesmitteln für den Agrarsektor aufgewen­det. Nimmt man die von der AMA direkt an die Betriebe ausbezahlten Förderungen als Basis für die Vergleiche, so ergibt sich folgendes Bild: Die gesamten Direktzahlungen stiegen um 20 Prozent auf 1 523 Millionen € an. Aber während 32 Prozent der Betriebe im unteren Förderbereich im Durchschnitt nur 1 607 € je Betrieb erhielten und einen Förderanteil von zusammen nur 5,3 Prozent hatten, lukrierten 2,6 Prozent der Betriebe am oberen Ende im Durchschnitt 56 678 € und hatten mit 15 Prozent aller Mittel fast den dreifachen Anteil jenes Drittels der Betriebe in der unteren Kategorie. Eine Mehr­heit von 52 Prozent der insgesamt geförderten Betriebe erhielt zusammen nur 16 Pro­zent der Gelder, hingegen kamen 500 Betriebe in den Genuss von jeweils über 72 673 € an Direktzahlungen. Für diese Großbetriebe wurden zusammen 64 Millio­nen € aufgewendet.

Im Jahr 2003 hat die Höhe der gesamte Fördersumme zugenommen – das stimmt, allerdings ist auch die ungleiche Verteilung der Mittel leider gleich geblieben, meine ge­schätzten Damen und Herren! Wenn wir bedenken, wie wichtig für uns alle die bäuer­lichen Mittel- und Kleinbetriebe sind, Herr Minister, muss ich sagen: Die ungerechte Umverteilung von Groß auf Klein ist zu beenden und die von ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: „Von Groß auf Klein ist zu beenden“?) – Bitte? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie haben gesagt: Die Umverteilung von Groß auf Klein ist zu beenden!) – Von Klein auf Groß. Danke! – ... den Bauernvertretern, nicht nur von den SPÖ-Bauern­vertretern, in der Landwirtschaftskammer schon lange kritisierte Umverteilung hin zu


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den Großen zu beenden. Gerechtigkeit bei der Aufteilung der Fördergelder ist herbei­zuführen. Das derzeit gültige landwirtschaftliche Fördersystem bevorzugt eindeutig die Großbetriebe und ist zu wenig ökologisch beziehungsweise sozial ausgerichtet.

Herr Bundesminister, ich möchte Sie zum Abschluss meines Redebeitrages mit dem Slogan der SPÖ-Bauern: Lebt der Bauer, blüht das Land, stirbt der Bauer, stirbt das Land, bitten, diese Umverteilung abzustellen und in Zukunft die Klein- und Mittelbe­triebe im ländlichen Raum zu fördern, denn wir brauchen sie alle. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.53

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tief­nig. – Bitte.

 


13.54

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Minister! Frau Präsidentin! Geschätzter Bundesrat! Ich möchte mich recht herzlich bei dir, Herr Minis­ter, für die Ökostromverordnung bedanken. Für das, was jetzt erreicht worden ist, muss ich wirklich einmal danke schön sagen. Es gibt wieder Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft in diesem Bereich. Herzlichen Dank, Herr Minister! (Ironische Heiterkeit der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

Ich möchte eigentlich auch nicht mehr viel zum Grünen Bericht hinzufügen. Martina Wais ist zwar nicht mehr im Saal, aber da sieht man es wieder: Das ist eine Frau, die in der Landwirtschaft etwas bewegen kann, eine Bundesrätin, die aus der Landwirtschaft kommt und die vorhin eine sehr gute Präsentation geboten hat. (Beifall des Bundes­rates Ager.) Ich glaube, das ist auch erwähnenswert. Dem, was sie schon alles als Vorrednerin gesagt hat, ist eigentlich wenig hinzuzufügen.

Ich möchte vielleicht zu einem anderen Punkt etwas sagen, was auch im Grünen Bericht enthalten ist. Da ist zum Beispiel enthalten, dass das Wirtschaftswachstum im Jahr 2003 0,7 Prozent betragen hat. Die Inflation hat leider 1,3 Prozent betragen. Die Arbeitslosigkeit ist europaweit mit 4,4 Prozent in Österreich fast am niedrigsten. (Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Steht das alles im Landwirtschaftsbericht drinnen?) – Das steht drinnen. Haben Sie nicht hineingeschaut? Interessant. Das steht alles im Land­wirtschaftsbericht!

Das Einkommen in der Landwirtschaft ist um 4 Prozent zurückgegangen. Wenn man den Landwirtschaftsbericht ein wenig liest, kommt man eigentlich auf viele Dinge drauf, liebe Kollegen von der Opposition! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das steht woan­ders auch, nicht nur im Grünen Bericht!)

Aber bezüglich der Einkommenseinbußen ist schon erwähnt worden, dass das groß­teils auf die Hitzewelle des vergangenen Jahres zurückzuführen ist. Beim Getreide waren Ausfälle bis zu 10 Prozent gegeben, was nur durch eine Preissteigerung von 6,3 Prozent ausgeglichen wurde; dadurch ist auch ein Defizit entstanden. Besonders große Verlierer waren im letzten Jahr die Schweinebetriebe und besonders die Milch­lieferanten. Da war sicher ein großer Verlierer der Bezirk Braunau beziehungsweise das Innviertel, wo einige der größten Milchproduzenten in Österreich beheimatet sind. Darum ist auch die Einkommenssituation im Milchsektor ganz extrem schwierig, weil diese Betriebe kaum Mittel haben, Investitionen zu tätigen, da nur 5 Prozent des Gesamteinkommens ins Eigenkapital rückgeführt werden konnten. Das ist schon eine ziemlich kritische Situation für unseren Bezirk. (Bundesrat Stadler: Da gibt es ein För­derungssystem!)

Herr Stadler! Fördersystem hin oder her: Es wird immer kritisiert, dass von 2,1 Prozent der EU-Mittel 1 Prozent der Landwirtschaft zugute kommt; also fast die Hälfte der För-


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dermittel kommt der Landwirtschaft zugute. Nur die Landwirtschaft ist als einzige der Politiken auf EU-Ebene europäisiert. Es gibt ein einziges europäisches Programm und quasi einen einzigen europäischen Auftritt. Wenn es eine einzige europäische Verteidi­gungsstrategie gäbe, dann würde man das Zehnfache von dem brauchen, was der Landwirtschaft zufließen würde beziehungsweise zufließt. Ich glaube, es ist auch ein­mal darauf hinzuweisen, dass die Landwirtschaft nur deshalb so stark öffentliche Mittel aus dem EU-Haushalt erhält, um den Einkommensverlust, den sie durch Liberalisie­rung erleidet, auszugleichen. (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt wieder den Vor­sitz.)

Was mich gewundert hat, ist die Ernährungssicherheit. Das steht auch im Grünen Bericht drinnen. Da 1,8 Milliarden Menschen auf unfruchtbarem Boden leben, ist es auch unsere Verantwortung, auf diese Bevölkerungsgruppen oder auf diese Länder zu schauen. In diesen Ländern haben die Menschen auf Grund der dortigen Politik oft nicht die Möglichkeit, irgendwann eine Lebensgrundlage in dem Ausmaß, wie sie in Europa gegeben ist, zu erreichen.

Ich denke, wir müssen alle froh sein, in den Ländern Europas zu leben, in denen wir gewisse Vorteile haben. Wir haben keine so großen Naturkatastrophen, wie sie jetzt in den Vereinigten Staaten oder in der Karibik zu verzeichnen waren. Oder: die Ausbeu­tung der Landwirte in Brasilien. Dort werden die Kleinbauern ausgebeutet werden, werden ihre Felder niedergebrannt, damit billiges Zuckerrohr in den Weltmarkt geliefert werden kann. Ich glaube, da ist es unbedingt wichtig, dass man am Zuckermarkt die entsprechende Ordnung beibehält, um auch die Sicherung unserer Landwirtschaft zu gewährleisten.

Ich möchte zurückkommen zum Thema Frauen. – Das System in der Landwirtschafts­kammer ist vielleicht nicht so bekannt. Da gibt es einen Kammerpräsidenten, eine Lan­desbäuerin und eine Bundesbäuerin; das ist genau aufgeteilt. Das ist in männliche und weibliche Organisationen getrennt. Es besteht aber natürlich die Möglichkeit, dass genauso eine Präsidentin gewählt werden kann. Das haben meine Vorredner schon gesagt. Wenn sich eine Frau bewirbt, sich zur Wahl stellt, dann wird keiner hergehen und ihr durch Manipulation oder Schlechtmachen, wie es teilweise bei der Bundes­präsidentenwahl der Fall gewesen ist, als man eine Frau entsprechend schlecht hin­gestellt hat (Bundesrat Konecny: Was? Was? Was?), dass sie nicht fähig sei, als Bundespräsidentin aufzutreten, etwas verwehren. – Übrigens hat diese Frau aber jetzt im Europäischen Parlament hohe Anerkennung bei ihrem Hearing erfahren. (Bundesrat Konecny: Jetzt langt es mir langsam! Ungeheuerlich!) Da ist wirklich Handlungsbedarf gegeben (Bundesrat Konecny: Da ist Handlungsbedarf!), nicht aber bei uns, denn wir haben Frauen immer vorne gereiht. Das sieht man auch daran, dass wir mit Benita Ferrero-Waldner eine erste Kandidatin für das Bundespräsidentenamt hatten. (Bundes­rat Konecny: Kandidatin ist schon gut! ...!) Und jetzt ist sie eine der besten Repräsen­tantinnen der Europäischen Kommission als Kommissarin für Außenbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik. Ich gratuliere der Frau Außenminister, dass sie das erreicht hat.

Ich möchte noch einmal zum Frauenthema zurückkommen. Die Repräsentantin der Landwirtschaft auf europäischer Ebene ist von unserer Seite Agnes Schierhuber. Ich glaube, Agnes Schierhuber ist eine Frau, die unsere Landwirtschaft wirklich gut vertritt. Sie hat sehr gute Verbindungen in der EU – ob für benachteiligte Gebiete oder nicht, was ihr (in Richtung SPÖ) wahrscheinlich nicht einmal kennt –, sie hat in den letzten Jahren für Österreich sehr viel erreicht. (Bundesrat Konecny: Geh bitte!) Ich gratuliere und danke Agnes Schierhuber in diesem Sinne für ihren Einsatz für die bäuerlichen Aktivitäten.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Man sieht eigentlich schon: Die ÖVP, in diesem Fall der Bauernbund, weiß genau, was sie an ihren Frauen hat. Ich will sagen: Unsere Frauen leisten mehr als alle anderen in unserem Land. (Bundesrätin Dr. Lich­tenecker: Aber hallo!) Sie sind mit Kindererziehung beschäftigt, leisten öffentliche Ar­beit und bewirtschaften zum größten Teil unsere Betriebe. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was aufs Tablett gehört, muss einmal gesagt werden, und ich glaube, die Frauen werden sehr oft von Frauen diskriminiert, nicht von den Männern. So kommt es mir vor. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist das Lächerlichste überhaupt! – Bundesrat Konecny: Herr Kollege! Wollen Sie sich nicht einfach hinsetzen und ruhig sein?) Nein! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Wirklich! – Bundesrat Konecny: Wirklich! Sie reden sich in einen Wirbel hinein!)

Ich habe jetzt ein paar Themen, die mir wichtig gewesen und auf dem Herzen gelegen sind, angeschnitten. (Vizepräsident Mag. Pehm gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Konecny: Das ist gut! Gehen Sie bitte, und richten Sie nicht noch mehr Schaden an!) Wenn wieder Ruhe einkehrt bei den Kollegen der Sozialistischen Partei, kann ich noch etwas zur GAP-Reform sagen. Es ist wirklich hervorragend, dass die Umverteilung nicht so wie in Deutschland erfolgt ist. – Unsere Bauern haben durch die GAP-Reform Planungssicherheit für die nächsten Jahre erhalten.

Ich halte es weiters für richtig, in Zukunft auch noch die Bürokratie einzudämmen. Minister Pröll hat ja schon heute Vormittag gesagt, dass im Bereich der Bürokratie noch Maßnahmen gesetzt werden müssen. Das ist wichtig, weil die Bürokratie im land­wirtschaftlichen Bereich zum Teil undurchsichtig ist. Da bedarf es in Zukunft noch mehr an Transparenz.

Stichwort Entwicklung des ländlichen Raumes: Die Entwicklung des ländlichen Rau­mes ist ein umweltpolitisches Anliegen seitens der ÖVP. Dafür müssen auch in Zukunft Mittel aufgewendet werden. Wichtig ist der Ausgleich von Einkommensverlusten in der Landwirtschaft – wie man vorhin schon gehört hat; auch von SPÖ-Seite –, die in den letzten Jahren beträchtlich angestiegen sind und auch weiterhin steigen werden, wenn man sich anschaut, was im WTO-Bereich bevorsteht.

Ich denke, es ist wichtig, dass in den Reformvorschlägen von Franz Fischler im Zu­sammenhang mit WTO die Entkoppelung enthalten gewesen ist, weil in diesem Be­reich einfach sehr viel Handlungsbedarf gegeben war. Wir haben den Schulterschluss mit den Amerikanern geschafft. Damit ist der Kommission ein großer Wurf gelungen – ebenso der Bundesregierung in vielen anderen Bereichen in den letzten Monaten, ja im letzten Jahr.

In diesem Sinne: Ich kann diesen Vorschlag nur akzeptieren und den Mitarbeitern des Ministeriums danke sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.02

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.03

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Lieber Herr Minister! Es ist richtig, ich habe Ihr Papier über die Einigung beim Ökostromgesetz nicht vor mir liegen, sondern ich habe nur die Pressemeldungen. (Ruf: Von der Glawischnig!) – Nein, nicht nur von der Glawischnig, sondern auch von Greenpeace und von der IG Windkraft, die auch hin und wieder etwas damit zu tun haben. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Die kennen sich auch nicht aus! Leider!) Dann erklären Sie es mir ganz genau!


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Also in diesen Unterlagen steht, dass Biomasse- und Biogasverstromung auf einem niedrigen Niveau gedeckelt werden. Es steht drinnen: „Eine Kürzung um 86 Prozent für die Ökostromförderung bedeutet das Aus für den raschen Ökostrom-Ausbau ...“ – Und zwar die Kürzung im Vergleich zum Jetztstand und nicht zum Stand des Ministerialent­wurfes, von dem Sie jetzt sprechen. Der war vielleicht noch schlimmer, das kann schon sein.

In der Greenpeace-Aussendung steht: „Jetzt wird der zurückgestutzte Ökostrom nicht einmal mehr den Stromverbrauchsanstieg pro Jahr abdecken können, der in den letz­ten Jahren zwei bis drei Prozent betrug.“ – Sie reden von 7 Prozent Zuwachs bei Öko­strom. Das sind kleine Unterschiede.

Die Ökostromförderung soll in Zukunft begrenzt werden. „Das Ausmaß der Fördertöpfe wird drastisch gekürzt.“ – Das sagt die IG Windkraft.

Weiters: „Bei Biomasse, Biogas und Photovoltaik erfährt der Anlagenbetreiber erst wenn das Projekt fix und fertig genehmigt ist, ob er Anspruch auf Förderung hat.“

Das heißt, es gibt keine Abnahmeverpflichtung. So steht es in allen drei Aussendun­gen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Sie können mir dann bezüglich der Abnahmeverpflichtung vielleicht noch sagen, dass dem nicht so ist. Das würde mich freuen.

Das Ausschreibungsmodell für die Windkraftanlagen. – Genau das finde ich sehr pro­blematisch, und ich denke, das haben auch Sie schon einmal vor einiger Zeit gesagt. Das Ausschreibungsmodell wird sicher dazu führen, dass besonders effiziente, beson­ders große Windkraftanlagen zum Zug kommen, und genau das sind die Anlagen mit fünfzig Windrädern, mit denen die Bevölkerung dann Probleme hat, weil natürlich niemand so etwas vor seiner Haustür stehen haben will. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Ich weiß, ich bin in einer Windkraftanlagen-Region zu Hause, und ich kenne die Probleme mit so großen Projekten mit fünfzig Windrädern.

Genau das erreiche ich aber damit, wenn ich sage, es muss alles effizient sein und nur die Effizientesten kommen zum Ziel. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Die Grünen sind für Ökostrom, aber in der Region gegen die Windkraft, mit den NGOs! Das ist interes­sant!) – Nein, das stimmt nicht! Es geht nur darum, ob es für die Anrainer eine Beläs­tigung darstellt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ja!) Und fünfzig Windräder vor der Haustür sind üblicherweise unangenehm. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Warum bauen wir sie dann?) Man muss ja nicht vor einer Haustüre fünfzig hinbauen, sondern man kann ja vor vielen Haustüren vielleicht zwei oder drei hinbauen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist vielleicht finanziell nicht so effizient, aber das ist ganz sicher besser für die Leute, die dort wohnen. Fünfzig Windräder wollen Sie sicher auch nicht vor der Haustür stehen haben, Sie würden ja auch in einer windreichen Gegend wohnen.

Thema Frauen. Es tut mir Leid, wenn mein Vergleich – Vergleich war es eigentlich keiner – missverstanden worden ist. Ich wollte damit nur sagen, selbst hier bei den Prämien sieht man, dass Frauen sich üblicherweise mehr anstrengen müssen, um gleich weit zu kommen wie ein Mann. Ich denke, das wird auch bei Ihnen im Ministe­rium so sein; das ist im Allgemeinen überall so.

Sie meinten, es geht darum, dass die Frauen im Allgemeinen vielleicht nicht so qualifi­ziert sind – sonst hätten Sie ja schon mehrere und nicht nur zwei von acht. (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Sie haben gerade gesagt, zwei von acht. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ich kündige keine Mitarbeiter, deswegen kann ich auch niemanden aufnehmen!) Gut, also dann war es Ihr Vorgänger. Sie haben gesagt, es liegt in erster Linie an der Qualifikation, und das ist auch immer irgendwie mitgeschwungen. Deshalb denke ich, dass es auch erstrebenswert wäre, die Qualifi-


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zierung und die Möglichkeiten der Frauen auch in ländlichen Bereichen zu unterstüt­zen. In erster Linie geht es immer wieder um die Kinderbetreuung, und in zweiter Linie geht es um Bildungsangebote, die speziell für Frauen zur Verfügung gestellt werden müssen.

Wenn die ÖVP jetzt die Frage stellt: Wie viele Bäuerinnen haben die Grünen hier im Bundesrat? – Es stimmt, wir haben keine Bäuerinnen hier im Bundesrat! Es gibt meines Wissens immerhin eine Bäuerin von der ÖVP hier im Bundesrat, aber: Wie viele Bauern gibt es bei euch? Also wirklich vergleichen kann man uns nicht. Wir haben auch keinen grünen Bauern im Bundesrat, also weder einen Mann noch eine Frau, und wir haben auch keine Kammer. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Es gibt keine grünen Bauern! – Heiterkeit.) Doch, es gibt sehr viele grüne Bauern!

Wenn Sie mir jetzt vorwerfen, wir hätten die Erfolgsstory des Bio-Landbaues zu wenig gelobt, muss ich sagen, ich denke, für das Eigenlob sind Sie schon selber zuständig. Ich habe unter anderem schon auch erwähnt, dass es erfreulich ist, dass die Zahlen in diesem Bereich immer mehr zunehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten der SPÖ.)

14.07

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Zel­lot. – Bitte.

 


14.08

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht, der schon Tradition hat, die Ausführlichkeit, die genauen Aufzeichnungen, die natürlich auch sehr interessant sind, sind nicht nur ein Verdienst der buchführenden Landwirte, die ihn ja praktisch er­stellen, sondern ein Verdienst der österreichischen Bäuerinnen und Bauern, die für die Argumentation in verschiedenen Bereichen die Entwicklung der Landwirtschaft genau dokumentieren.

Wenn in der heutigen Diskussion über die Frauen in der Landwirtschaft beziehungs­weise die Benachteiligung der Frauen in der Landwirtschaft gesprochen wird, so finde ich das nicht negativ. Im Gegenteil, ich meine, das ist sehr wichtig. Sehen Sie sich die Statistik im Grünen Bericht an! Es gibt kein Bundesland mehr, das mehr Vollerwerbs­bauern als Nebenerwerbsbauern hat. In den meisten Fällen muss der Bauer, das heißt der Nebenerwerbsbauer, seinem Beruf nachgehen, und daher müsste man hier die Frage stellen, ob nicht die Nebenerwerbsbäuerin auch unter die Schwerarbeiterrege­lung fällt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das wäre meiner Meinung nach einmal eine Grundsatzdiskussion, wenn man über Bäuerinnen und Benachteiligung der Frau spricht.

Ich kann Ihnen, meine geschätzten Damen und Herren, aber auch aus Kärnten berich­ten, dass selbstverständlich in jeder bäuerlichen Berufsvertretung die jeweilige Partei die Verantwortung sowie die Argumentation gegenüber dem weiblichen Geschlecht dafür hat, wen sie auf die Liste stellt und wen nicht. In der Kärntner Landwirtschafts­kammer gibt es im Präsidium nur Frauen, die in der Kanzlei arbeiten. In der Kärntner Landwirtschaftskammer gibt es Ausschüsse für Sozialpolitik, wo eine Frau den Vorsitz führt. In der Kärntner Landwirtschaftskammer gibt es eine Kontrollausschuss-Obfrau, und in der Kärntner Landwirtschaftskammer gibt es auch einen Ausschuss für Bildung und Nebenerwerb im ländlichen Bereich mit einer Frau als Vorsitzenden. Ich glaube, dort gibt es auch keine Benachteiligung, denn die dorthin entsandten Frauen, die ich jetzt aufgezählt habe, sind sowohl von der FPÖ, von der SPÖ und auch von der ÖVP nominiert worden.


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Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich werde jetzt ein paar Punkte aufgreifen, die heute noch nicht besprochen worden sind. Wenn man von Marketing und von Werbung spricht, so muss man auch dazusagen, dass die österrei­chischen Landwirte 17 Millionen € an Marketingbeiträgen bezahlen. Ob man jetzt einen Kilo Äpfel verkauft, ein Schwein, eine Kuh oder einen Stier, für alles gibt es die ent­sprechenden Tarife für Marketingbeiträge. Natürlich ist auch festzuhalten, dass jede Werbung, die man von Agrarmarkt Austria oder im biologischen Bereich sieht, von den Landwirten selbst geleistet wird.

Herr Bundesminister! Beleidigt war ich zwar nicht, aber Sie haben heute in der Frage­stunde eine meiner Fragen etwas herabwürdigend beantwortet. Ich habe gefragt, wie es eigentlich mit der Kontrolle in anderen Mitgliedsstaaten ausschaut. Meine geschätz­ten Damen und Herren! Die Kontrollen der Agrarmarkt Austria in Österreich steigen an. Es waren vor ein paar Jahren so an die 90 000 Kontrollen im Jahr, die durchgeführt wurden, jetzt sind es bereits genau 109 465 Kontrollen.

Ich sage das deshalb, weil auch ein EU-Abgeordneter die Kommission danach gefragt hat, wie es eigentlich in den anderen Mitgliedsstaaten mit diesen Kontrollen ausschaut. Die EU-Kommission, Herr Bundesminister, hat natürlich geantwortet, dass es solche Kontrollen wie in Österreich in anderen Mitgliedsstaaten gar nicht gibt! Hin und wieder werden Landwirte, wenn sie Zeit haben, auch in andere Mitgliedsstaaten reisen, sich dort die Landwirtschaft anschauen und dahinter kommen, dass dort unter leichteren Bedingungen gearbeitet werden kann und nicht auf der Basis, die bei uns gegeben ist.

Ich denke, die Kontrolle ist gut, die Kontrolle ist wichtig. Erst vergangenen Montag haben in Kärnten, in Pörtschach, die EU-Chefs in Sachen Betrugsbekämpfung getagt, und dabei ist herausgekommen, wie viele Milliarden in der Europäischen Union – ich meine hier nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich, sondern in allen Bereichen – in dunkle Kanäle fließen. Bedauerlich war für mich, dass auch die Landwirte in Österreich 800 000 € zurückzahlen müssen, und das vor allem deshalb, weil die Stilllegungsflä­chen, die ja stillgelegt sein sollen, auch für die Produktion genützt worden sind, so eine Pressemitteilung.

Um noch einmal auf dieses Thema zurückzukommen, Herr Bundesminister: Ich denke, dass es schon auch Ihre Aufgabe war, bei Agrarministertreffen die braven österreichi­schen Landwirtinnen und Landwirte zu verteidigen und aufzuzeigen, unter welchen Be­dingungen wir arbeiten. Und das verlangen wir auch von den anderen Mitgliedsstaaten, dann kann man sagen, wir arbeiten unter einer gemeinsamen und gerechten Agrar­politik.

Als Bundesrat und Vertreter des Bundeslandes Kärnten möchte ich Ihnen, Herr Bun­desminister, auch mitteilen, dass auch das Land Kärnten zur Entwicklung der länd­lichen Bevölkerung und zur Entwicklung der Landwirtschaft in positivem Sinne beiträgt. Nicht nur in der bäuerlichen Berufsvertretung, sondern auch im Land Kärnten werden zum Großteil all diese Maßnahmen, die ich hier aufzähle, von allen politischen Parteien getragen.

Ich möchte weiters darauf hinweisen – da Sie ja auch das Ressort Umwelt inneha-
ben –, dass durch die entsprechende Förderung Solarenergie und das Modewort „Strom aus der Sonne“ in Kärnten so eingeschlagen haben, dass wir auf diesem Markt zusätzliche Arbeitsplätze schaffen konnten und 35 Prozent aller neuen Häuselbauer diese Energieform angenommen haben.

Positiv vermerken möchte ich, dass die ländliche Entwicklung Kärnten auch im touris­tischen Bereich genützt hat: Jeder achte Urlauber in Kärnten macht schon Urlaub auf dem Bauernhof. Ich glaube, dass in der heute üblichen stressigen Zeit, in der viele


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Menschen in beruflichen Belangen unter Druck stehen, dieser Urlaub am Bauernhof ein sehr guter Ausgleich ist. In Kärnten funktioniert das gut.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich kann sagen, dass auch im biologischen Bereich das Bundesland Kärnten, die Landwirtschaftskammer in Kärnten als Einzige ein Biokompetenzzentrum mit drei Beschäftigten hat, die vom Land Kärnten bezahlt werden; eine der Beschäftigten, Herr Bundesminister, ist eine Frau. Somit hat Kärnten auch für die Beratung im Biobereich sehr viel getan.

Ich möchte weiters darauf hinweisen, dass Kärnten in dem Bezirk, aus dem Sigi Kampl kommt, vor kurzem die größte Biogasanlage Europas errichtet hat – gemeinsam mit der landeseigenen Bank, der Hypo-Alpen-Adria-Bank, dem größten „Spieler“ auch im agrarischen Bereich. Viele Bauern wollen dieses Vorzeigemodell jetzt natürlich nach­ahmen.

Herr Bundesminister! Sie haben heute in Beantwortung meiner Frage auch gesagt, dass, wenn die Produktionsmenge von Biodiesel nicht ausreicht, wir importieren wer­den. Ich darf mir erlauben, Sie darauf hinzuweisen, dass wir in Kärnten alles dazu tun werden, um die derzeit voll ausgelastete, auf 25 Jahrestonnen ausgerichtete größte Biodieselanlage Österreichs am Industriestandort Arnoldstein noch – wie ja schon vor­gesehen – auf 50 000 Jahrestonnen auszuweiten, um somit einen positiven Beitrag zu dem erforderlichen Biokraftstoff leisten zu können.

Daran sieht man, dass auch ein Bundesland etwas zur positiven Entwicklung der Land­wirtschaft beitragen kann. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.16

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


14.17

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zur Ökostromgesetz-Novelle: Ich weiß nicht, wo die Verbesserungen liegen! Wenn das jährliche Fördervolumen von 50 Millionen auf 17 Millionen gesenkt wird, dann müssen Sie mir schon erklären, wo da die Verbesse­rungen sind! Und wenn der Förderzeitraum – und das halte ich für einen wesentlichen und essentiellen Punkt – von 13 auf 11,5 Jahre gesenkt wird, dann halte ich das für eine grobe Verschlechterung der Situation. In Deutschland umfasst der Förderzeitraum 20 Jahre.

Diesem Bereich jetzt diesen Schlag zu versetzen – und es ist ein Schlag, auch wenn Sie noch zehn Mal versuchen, es schönzureden –, ist auch in Bezug auf die Chancen in der Exportwirtschaft, Ökooffensive und so weiter wirklich ein Riesennachteil. Die Windräder sind immer ein eigenes Kapitel mit der Deckelung, Ausschreibung und so weiter, das ist richtig, auch da gibt es Riesennachteile, aber auch für alle anderen Pro­duzenten ist diese Novelle wirklich ein Schlag ins Gesicht.

Ich sage jetzt ganz ehrlich – und das ist in keiner Weise Polemik –: Ich bin über diese Maßnahme, auf die Sie sich heute Vormittag mit dem Herrn Wirtschaftsminister mit der Zustimmung der FPÖ festgelegt haben, wirklich tief betroffen. Das hätte ich in dieser Form nicht erwartet. Sie werden sehen, was das für nachteilige Auswirkungen haben wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.18

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

 


Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 87

14.18

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Damen und Herren! Diese Debatte heute zum Grünen Bericht war nicht nur von der Situation der Landwirtschaft und den Inhalten geprägt. Alle, die dieser Debatte gefolgt sind, werden mir Recht geben: Es wurde vom Erst- bis zum Letztred­ner auch ein sehr weiter Bogen zum Thema Frauen gespannt.

Diesen Reigen zum Thema Frauen und deren Situation in der Landwirtschaft hat Kolle­gin Blatnik eröffnet – nicht sehr qualifiziert, wie ich meine, denn sie hat beklagt, dass die Interessenvertretung in der Landwirtschaft, in der Landwirtschaftskammer sehr ein­seitig, sehr männlich dominiert sei.

Während der Ausführungen der Kollegin Blatnik wurde von Seiten der ÖVP, ich glaube, von Kollegem Kühnel, in einem Zwischenruf eingeworfen, dass bei der Frage des Bun­despräsidenten die SPÖ eine andere Position hatte. Es bestand damals auch die Chance, eine Frau zu wählen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Frau Kollegin Blatnik hat daraufhin repliziert und gemeint, das oberste Amt im Staat sei nicht vergleichbar mit einer Interessenvertretung.

Okay! Bis hierher kann ich Ihnen folgen, Frau Kollegin, aber wenn Sie bemängeln und kritisieren, dass in der Interessenvertretung der Landwirtschaft die Frauen in den Funk­tionen in den Kammern zu wenig berücksichtigt sind, dann darf ich Sie wohl darauf auf­merksam machen, dass in jenen Bereichen, wo Sie die Interessenvertreter stellen, die Situation um keinen Deut besser ist, sondern, wie ich meine, sogar sehr viel gravieren­der einseitig, und zwar zu Lasten der Männer.

Ich nenne ein Beispiel: Präsident der Bundesarbeitskammer – von der SPÖ entsandt, männlich. (Bundesrat Reisenberger: Von der FSG, nicht von der SPÖ!)

In keiner Landesarbeiterkammer, wo die SPÖ den Kammerpräsidenten stellt, finde ich – ich habe das durchgeschaut – eine Frau als Kammerpräsidentin! (Bundesrat Rei­senberger: Aber Vizepräsidentinnen gibt es jede Menge!) – Damit wir bei der Berufs­gruppe, bei der Vertretung bleiben.

Nächster Punkt: Ich kenne keine Frau Gewerkschaftspräsidentin – ich kenne einen Gewerkschaftspräsidenten. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker – Bundesrätin Bachner auf die Schulter klopfend –: Wird schon noch werden!) Frau Kollegin, ich gehöre dem Bun­desrat seit neun Jahren an, und ich habe auf Seiten der SPÖ-Fraktion noch nie eine Fraktionsvorsitzende erlebt. (Bundesrat Reisenberger: Aber eine Präsidentin kennst du schon, hoffe ich!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich meine, genau mit dem Beitrag der Frau Kollegin Blatnik wird der Situation der Frau und dem Thema Frau ein Bärendienst erwiesen. Nehmen Sie sich in dieser Frage bitte eines zu Herzen: Wer selbst im Glas­haus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie der Bundesrätin Bachner.)

14.21

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ko­necny. (Ah-Rufe bei der ÖVP.) – Bitte, Herr Professor.

 


14.22

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Sehen Sie, ich weiß Auftrittsapplaus zu schätzen. (Ruf bei der ÖVP: So war es nicht gemeint!) Ich hatte es wie immer nicht vor, Herr Kollege, Sie haben mich provoziert.

Die „taktvolle“ Auseinandersetzung mit Frauen ist ein Markenzeichen der FPÖ, das wissen wir. Ich habe hier beispielsweise ein Haider-Zitat – Sie werden schon noch


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draufkommen, warum ich diese Namen nenne –: Sind Elfriede Jelinek und Jazz-Gitti die Vorbilder Österreichs?, fragte er rhetorisch, um bei einer anderen Gelegenheit sie – die Frau Jelinek – als „steuerflüchtigen Subventionshai“ zu bezeichnen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Die Jelinek hat heute den Literatur-Nobelpreis bekommen!)

Das ist das, was ich dem Hohen Haus in gebührender Form mitteilen möchte. Frau Jelinek wurde als Staatskünstlerin auf Plakaten der FPÖ diffamiert. Es wird sich heute sicher ein führender FPÖ-Politiker, falls Sie einen Kulturpolitiker haben, finden, der den Stolz darauf, dass Elfriede Jelinek Literatur-Nobelpreis-Trägerin geworden ist, zum Ausdruck bringt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Präsident! Mir ist bewusst, dass ich die Grenzen der Geschäftsordnung außer­ordentlich strapaziert habe, aber, Frau Kollegin, wenn wir uns gemeinsam – und ich hoffe das – über etwas freuen können, dann können wir auch die Geschäftsordnung ein wenig lässlich behandeln. Und wenn Sie Frau Jelinek nicht mögen, kann ich auch nichts dafür. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.23

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Es liegt eine weitere Wortmeldung dazu vor. – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Gudenus. (Bundesrat Prutsch: Die „Frankfurter Allge­meine“ berichtet!)

 


14.24

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Vizepräsident! Herr Bun­desminister! Lieber Kollege Professor Konecny! Wir alle sind zutiefst ergriffen, dass die Künstlerin und Nobelpreisträgerin Jelinek beim Agrarbericht in unseren Stenographi­schen Protokollen vorkommen wird. Ich bin überzeugt davon, Frau Jelinek wird das zu würdigen wissen, und vielleicht wird dann demnächst eine der Kammern des Parla­ments in einem ihrer Stücke vorkommen. Ich erinnere mich nur an ein sehr unappe­titliches Stück, welches im Akademietheater stattfand und zum Großteil in einer Bedürf­nisanstalt spielte. So weit dazu. (Bundesrat Konecny: Aber wir werden ihr zur Anre­gung gerne das Protokoll mit Ihrer Rede übermitteln!) – Ja, macht ja nichts!

Die Bemühungen des Landwirtschaftsministers Pröll für die Erhaltung der bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft und ihrer Mehrfachfunktion wurden heute mehrfach erwähnt. Auch ich schließe mich diesem Erwähnen positiv und sehr gerne an.

Wir alle haben den Grünen Bericht, dieses dicke Konvolut, und auch die Zukunftsschau betreffend Maßnahmen für 2005 vor uns liegen, wissen aber auch, dass der Inhalt des Grünen Berichtes und die Lebensweise der Bauern sehr stark von öffentlichen Geldern abhängig sind.

Woher das Geld kommt, das der Bauer verdient, ist ja im Grunde genommen gleich­gültig, könnte man sagen. Wir wissen jedoch, dass dieses Geld zum Teil durch die EU, durch den Bund und die Länder bereitgestellt wird. Und wenn ich sage „durch die EU“, so muss ich auch sagen, dass das zum Großteil auch wieder österreichisches Geld ist, das österreichische Bauern zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Bauern hängen, wie allgemein bekannt ist, sehr stark am Subventionstopf. In den vergangenen Jahren lag der Anteil der Unterstützung durch die öffentliche Hand am landwirtschaftlichen Ertrag bei fast einem Viertel. Vor fünf Jahren betrugen die Subven­tionen nicht einmal ein Fünftel. Es steigt also der Anteil der Subventionen, und trotz­dem sinkt der Anteil der Bevölkerung, die im landwirtschaftlichen Bereich tätig ist.

Auf das Einkommen der Landwirte bezogen ist der Anteil der Förderungen noch stär­ker gestiegen. Vier Fünftel der Einkünfte kamen von der öffentlichen Hand. Vor fünf Jahren lag der Anteil noch bei zwei Dritteln. Der Grund für diesen abermaligen Zu­wachs des Subventionsanteils ist der Einkommensrückgang von 4 Prozent. Das ist für


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die Landwirte und Bauern dramatisch, denn sie sind eine der wenigen Bevölke­rungsgruppen, die einen echten Einkommensrückgang zu gewärtigen haben. Dadurch stieg der Anteil der Förderungen – sie sind um gut 2 Prozent auf etwa 2,14 Milliarden € gestiegen. Etwas mehr als die Hälfte, das habe ich schon erwähnt, zahlt Brüssel, aber das, was Brüssel zahlt, auch das habe ich schon gesagt, wird zu einem großen Teil auch wieder von Österreich gezahlt. Es ist also der österreichische Steuerzahler, der das bezahlt, damit natürlich auch der Bauer selbst, der die Subventionen bekommt, sich also selbst subventioniert.

Besonders kräftige Einbußen erlitten im vergangenen Jahr die Milch- und die Schwei­nebauern. Durch die niedrigen Preise sank das Einkommen um mehr als 10 Prozent. Im Durchschnitt verdiente ein Vollerwerbsbauer brutto 17 000 €, das ist um fast die Hälfte weniger als das Durchschnittseinkommen eines anderen Arbeitnehmers. Das ist natürlich nur ein schwacher Trost, für manche bleibt nur die Nische Biobetrieb, aber auch diese Betriebe sind nicht gerade nur auf Rosen gebettet – ich komme beim nächsten Bericht darauf zurück.

Insgesamt schrumpft die Landwirtschaft ungebremst weiter. Die Zahl der landwirt­schaftlichen Betriebe, die Anträge auf Förderung stellen, ist um 2 Prozent auf 153 000 gesunken. Die Zahl der Arbeitskräfte ist um 1,4 Prozent auf 181 000 gesunken. Vor fünf Jahren waren noch fast 200 000 Österreicher in der Land- und Forstwirtschaft be­schäftigt. Die Frage ist: Wie lange wird dieses Absinken noch anhalten und bis auf wel­ches Niveau, Herr Bundesminister?

Persönlich braucht man die Landwirtschaft nicht unbedingt als Folklore zu betrachten, aber sie ist zweifelsohne eine der Einrichtungen Österreichs – neben Burgen, Schlös­sern und Kirchen –, die dazu beitragen, dass die Ausländer in großer Zahl im Rahmen des Fremdenverkehrs nach Österreich kommen. Wir müssen uns bemühen – das tun Sie, das tun wir, und trotzdem steht berechtigterweise die Frage im Raum: Wie lange und wie weit kann die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Personen noch sinken?

Ich möchte nicht zwei Philosophen heranziehen, die eine Lösung anbieten, ich er­wähne sie aber trotzdem. Ich weiß, dass die Situation unumkehrbar ist, aber vor 200 Jahren schrieb ein Johann Fichte „Der geschlossene Handelsstaat“, dessen Quint­essenz ist, das, was ein Land und seine Bevölkerung zum Verzehr und zum Gebrauch brauchen und erzeugen müssen, sollen sie auch selbst erzeugen. Das ist das eine.

Der andere lebt noch und ist ein Salzburger, Leopold Khor, der vor Jahren ein Buch geschrieben hat, dessen Titel in die Geschichte eingegangen ist, es heißt „Klein ist wunderbar“, „Small is wonderful“. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Nein, „Small is beautiful“!)

Ich denke, man sollte sich ein bisschen an diese beiden Philosophen hängen, zwar nicht nur im Sinne einer kleinstrukturierten Landwirtschaft, die wir haben, sondern im Sinne der Bevölkerung der Republik Österreich, welche auch in Zukunft landwirtschaft­liche Produkte aus eigener landwirtschaftlicher Erzeugung in guter Qualität konsumie­ren möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.30

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.


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Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über die Situation der österreichischen Land- und Fortwirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Be­richt 2004).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Fortwirtschaft im Jahr 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

5. Punkt

Siebenter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-259-BR/2004 und Zu III-259-BR/2004 d.B. sowie 7127/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Werner Stadler: Ich erstatte den Bericht über den Siebenten Um­weltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Da der Ausschussbericht in schriftlicher Form vorliegt, komme ich sogleich zur Antrag­stellung: Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2004 den Antrag, den Siebenten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kritzinger. Ich erteile es ihm.

 


14.33

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Im Umweltkontrollbericht wurden wieder über 20 Themen aufgezählt und be­sprochen, wo der Mensch Strategien entwickeln soll, die auch zukünftige Generationen in ihrer Entwicklung nicht gefährden. Es werden unter anderem aufgezählt: die Jagd, Pflanzenschutzmittel, Wasserwirtschaft, Verkehr, auch Energie.

Der Verbrauch von Energie ist in den letzten Jahren gewaltig angestiegen, und wir alle erleben ja gerade in letzter Zeit eine Verteuerung unserer Dieselstoffe und des Ben­zins. Man sagt, China brauche so viel – wenn wir da richtig informiert werden. Die Ver­teuerung ist also wieder bedingt durch einen höheren Verbrauch.

Wir haben in Österreich leider keine Ölquellen (Bundesrat Prutsch: Kernöl!) – ich muss sagen, vielleicht ist es auch ein Glück, dass wir keine haben. Wir haben dafür etwas anderes: Wir haben hervorragende Wasserquellen, das Wasser ist im Umwelt­kontrollbericht hervorragend bewertet. Das Wasser wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gewaltig an Wert gewinnen, es ist beinahe ein Pretiosum an Edel­steinen. Dieses kostbare Nass ist für uns beinahe eine Goldader.


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Ich glaube, dass wir gut daran tun, sowohl die Bergquellen, die über großartiges Trink­wasser verfügen – wie auch die Stadt Wien, wir alle wissen das; Wien genießt ja einen hervorragenden Ruf, was das Wasser anlangt, aber auch Innsbruck –, ... (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Weil sie es importieren!)

Vor vier Jahren gab es ein Symposium über Wasser, das im Stift Stams im Oberinntal stattfand. Ich war überrascht, welche Ergebnisse, welche Diskussionen es dort gab. Es war ein international besetztes Symposium, das sich mit Fragen des Wassers beschäf­tigte. Man hat dort die Qualität von Gletscherwasser, von Wasser ganz unterschied­licher Herkunft geprüft, und dabei hat sich das österreichische Wasser als ganz hervor­ragend erwiesen – auch das Innsbrucker Wasser, es kommt ja von der Nordkette herunter. Wer einmal nach Innsbruck kommt, sollte unbedingt die Gelegenheit nützen, sich das anzuschauen. Man hat dort schon vor Jahrzehnten einen großen begehbaren Stollen gebaut, dort sprudelt das Wasser bachförmig heraus. Das ist Trinkwasser für beinahe 60 000 Haushalte, die mit diesem Wasser versorgt werden.

Bevor dieses Wasser als Trinkwasser genützt wird, versorgt es eine Turbine. Mit dieser Turbine wird Elektrizität erzeugt, und erst dann wird dieses Wasser in die Haushalte geleitet. (Bundesrat Boden: Steht das im Bericht drinnen?) – Nein das steht nicht im Bericht, aber ich spreche zu diesem Thema, das mich interessiert, weil ich denke, dass das in der heutigen Aussprache, in der man über viele Biosachen, Biokraftwerke und dergleichen gesprochen hat, ein bisschen zu kurz gekommen ist.

Bei uns rinnt diese wertvolle Energie den Bach hinunter. Um Arbeit zu schaffen, braucht es Energie, und Energie ist immer noch die beste und billigste Art, preiswerte Waren und Arbeitsplätze zu schaffen.

Wenn wir eine Bilanz ziehen, dann können wir feststellen, dass jedes Land in erster Linie seine verfügbaren Energien ausnützt. In Brasilien fahren 30 Prozent der Autos mit Biodiesel, in den USA sind es nur 2 Prozent, weil die USA genügend Erdöl haben. Biodiesel wird – das muss besonders hervorgehoben werden – jetzt auch in unserem Land aufgewertet. Ein wichtiger Energieträger in der Ukraine ist Stroh, das dort ver­heizt wird. In Bulgarien werden Solaranlagen eingesetzt, in Frankreich die Atomkraft­werke.

In Österreich erzeugen Windräder aus Windkraft ungefähr 3 Prozent des Stromes – diese Windkraftenergie fällt allerdings aus, wenn kein Wind weht, und dann muss schnell eine andere Energiequelle einspringen. Bei einem kalorischen Kraftwerk gibt es in diesem Fall Schwierigkeiten, weil es zuerst aufgeheizt werden muss. Die beste Lö­sung in Verbindung mit Windkraftwerken – ich habe mir die 300 im Burgenland ange­schaut – sind wiederum Wasserkraftwerke. Die Wasserkraftwerke bieten in diesem Zusammenhang eine gute Lösung, da sie schnell einspringen und die Stromausfälle der Windkrafträder ausgleichen können.

Wasser ist also ein ganz idealer Partner, wenn man Energie erzeugen möchte. Unser Land wird die brachliegenden Wasserkräfte, diesen Energiespender nützen müssen. Wir nützen bisher nur 20 Prozent unserer Wasserkapazität, die als Energiespender in Frage kommt. Wasserkraft überbietet jedoch an Rentabilität und auch an Umweltscho­nung alle anderen Energieträger.

Ich darf an einen weit zurückliegenden Vorfall erinnern, meine sehr geehrten Damen und Herren, der sich 1946 zugetragen hat.

Ich erinnere an den Vorfall, weil ich damit die Bedeutung herausstreichen will, wie wichtig es ist, dass wir uns mit ganzer Kraft der Unterstützung, dem Bau der Wasser­kraftwerke zuwenden. Ich bin für die Bioenergie absolut, da gibt es für mich überhaupt keine Frage; derzeit macht sie 4 Prozent aus, bis 2008 sollen es 7 Prozent sein. Das


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ist eine hervorragende Sache, die man voll und ganz unterstützen muss, aber ich würde unbedingt auch empfehlen und darauf drängen, dass man die Möglichkeiten der Wasserkraft, die wir in Österreich haben, endlich einmal in Angriff nimmt und voll aus­nützt.

Da erinnere ich an einen Vorfall, der sich 1946 zugetragen hat. Damals waren in Paris die Verhandlungen. In Südtirol wurden damals etliche hunderttausend Unterschriften von der Bevölkerung abgegeben. Es waren 240 000 Menschen, die mit ihrer Unter­schrift zum Ausdruck gebracht haben, dass sie einen Anschluss an Österreich wollen. Als man dann mit diesen Unterschriften in Paris vorstellig geworden ist, haben die Italiener als Argument gebraucht: Wenn man jetzt Südtirol zu Österreich kommen ließe, wäre das eine wirtschaftliche Katastrophe für Italien! Italien habe im Raum Süd­tirol zwanzig große Elektrokraftwerke, Wasserkraftwerke und könne auf diese Energie unter keinen Umständen verzichten.

Damit will ich sagen, wie wichtig Energie für Österreich ist und wie wichtig auch Wasserkraftwerke für uns sind. Wir wären gut beraten, sie auszubauen. Ich wiederhole es noch einmal mit ganzer Entschiedenheit: Das ist auch der beste Wettbewerb, um in Österreich Arbeitsplätze zu schaffen und damit auch die Umwelt zu schonen. (Bravo­rufe bei der ÖVP und der SPÖ sowie Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen und der SPÖ.)

14.42

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Winter. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.42

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es hat die Menschheit in ihrem Lebensbereich viele und schwere Verbrechen begangen. In der Welt, in der wir leben, gibt es diese leider heute immer noch. Teilweise wird an der Umwelt immer noch Raubbau betrieben, aber es ist schon sehr viel geschehen auf europäischer, auf nationaler und auch auf regionaler Ebene.

Im Rahmen der Vollziehung des Altlastensanierungsgesetzes wurden über 200 Altlas­ten ermittelt, ein Viertel davon wurde bereits saniert. Es wird aber noch Jahrzehnte dauern, bis diese Sanierungen abgeschlossen werden können. Jedoch in der Hoffnung auf neue und bessere Sanierungstechniken könnte eine Beschleunigung erreicht wer­den.

Es ist zwar in den letzten Jahren das Abfallaufkommen insgesamt ziemlich gleich ge­blieben, jedoch mit der Steigerung der Abfälle in den Haushalten können wir, so glaube ich, trotzdem nicht zufrieden sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird auf mehr als 40 Prozent der Landes­fläche in Österreich Landwirtschaft betrieben. Es ist die Landwirtschaft daher auch ein wichtiger umweltpolitischer Faktor. Die Tendenz zu einer Konzentration der Betriebe hält jedoch weiter an. Versiegelung sowie Verbrachung, Verwaldung landwirtschaftlich genutzter Flächen führen zu einem Verlust der Kulturlandschaft.

Erfreulich ist, dass durch den Biolandbau Flächenzuwachs zu verzeichnen ist und da­her weitere gute Beiträge für den Umweltschutz geleistet werden. Es ist auch sehr erfreulich, dass unser Biolandbau in Europa anteilsmäßig im Spitzenfeld liegt und die Gentechnik in der österreichischen Landwirtschaft eine sehr geringe Akzeptanz findet beziehungsweise die Gentechnikfreiheit zu einem Marktvorteil entwickelt werden kann und so vielleicht auch Vorbildwirkung für andere Länder hat.


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Langfristige Trends in Richtung Zunahme des Laubwaldanteils, Naturverjüngung und kleinflächigere Nutzungen haben sich fortgesetzt und sind Zeichen für eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Dennoch gelten aber mehr als 50 Prozent der heimischen Wald­biotoptypen als gefährdet, denn nach wie vor belastet eine Reihe von Luftschadstoffen unsere Wälder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die im Jahre 2000 in Kraft getretene EU-Wasserrahmenrichtlinie zielt auf die Erreichung eines guten Zustandes der Gewässer ab. Wie heute schon erwähnt wurde, ist die Wasserqualität in Österreichs Flüssen und Seen auf Grund guter und richtiger Maßnahmen der Abwasserreinigung und -vermei­dung im kommunalen und auch industriellen Bereich weitgehend zufrieden stellend.

Der effiziente Gesundheitsschutz steht in enger Verbindung mit Versorgungsmaßnah­men und bedarf einer stetig verbesserten Abschätzung der Folgewirkungen von Um­weltbelastungen auf den Menschen. Diese können natürlich direkt oder indirekt über Systemveränderungen einwirken. Direkte Belastungen sind zum Beispiel Luftschad­stoffe, der Feinstaub, Ozon, Nitrat im Trinkwasser, Schadstoffe in der Nahrung sowie Lärmbelästigungen. Die indirekten Belastungen reichen zum Beispiel von einer ökolo­gischen Verarmung der Umwelt und der damit verbundenen Abwertung des Lebens- und Erholungsraumes bis hin zum möglichen Auftreten von Krankheiten als Folge der Klimaveränderung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, wie wichtig Umweltschutz ist. Umweltschutz ist auch Menschenschutz. Umweltschutz ist der Schutz unseres Lebens­raumes und des Lebensraumes von künftigen Generationen. Es ist viel geschehen, aber noch sehr viel zu tun. Tun wir es gemeinsam! – Meine Fraktion wird den Sieben­ten Umweltkontrollbericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bun­desräten der Grünen.)

14.48

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Mag. Gudenus. Ich erteile es ihm.

 


14.48

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Vorsitzender! Herr Bun­desminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist halt so bei diesen landwirtschaft­lichen Themen, ich komme nicht umhin, ich muss den Herrn Minister immer wieder lo­bend hervorheben. Er hat ein Ministerium ... (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Es geschieht das nicht nur aus Koalitionsliebe, sondern ergibt sich, wenn man in die Thematik eingeht. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Er freut sich sicher, Herr Gudenus!) Wenn man sich die Berichte anschaut, erkennt man ja auch, wie stark das Wissen der letzten Jahre immer in die neuen Berichte eingearbeitet wird. Es ist das ein fortschrei­tender Prozess, eine Verfeinerungsmethode, die in diesen Berichten durchkommt. Ob noch eine Steigerung möglich ist, weiß ich nicht, vielleicht muss ich im nächsten Jahr das Gleiche sagen, es ist aber dann auf jeden Fall auch wieder ehrlich gemeint. (Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll: Wir werden immer besser!) – Bitte, bitte, nicht so viel Selbstgefälligkeit, Herr Minister! Lassen Sie mich das sagen, aber sagen Sie es nicht selber! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wir hier!) Gut.

Es werden in diesem Umweltsituationsbericht die hohe Qualität der Gewässer, der Böden und die Abnahme wesentlicher Luftschadstoffe erwähnt. Natürlich ist es ein be­sonderes Ziel, die Klimaschutzstrategien konsequent umzusetzen, die Kyoto-Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen zu erreichen und die Kulturlandschaft Österreichs vor Versiegelung, Verbrachung und Verwaldung zu bewahren.


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Es scheint ja im ersten Moment ein bisschen ein Widerspruch zu sein, wenn man hier von Verwaldung spricht und andererseits auch immer wieder auf die Gefahren des Waldsterbens und des Wildverbisses hinweist. In Wirklichkeit trifft beides zu, ist beides möglich. Aber ich habe keine Angst mehr, dass es in Österreich einen Kahlschlag ge­ben wird. Diese Ängste hatte man vielleicht vor 30, 40 Jahren, sie waren damals viel­leicht auch nicht ganz berechtigt, aber derzeit ist davon nichts zu bemerken. Eher ist die Gefahr gerade in Grenzertragsbereichen, etwa auf den Almen, gegeben – nicht dass dort hohe Bäume wachsen würden, aber die Landschaft verbuscht und wird dann langsam vielleicht zu einem Wald. Das sind Punkte, die wir im Sinne der Umweltsitua­tion positiv sehen können: besser Buschwerk und Wald und darin die kleine Fauna und Flora anstatt eine Autobahn dort oben. Im Endeffekt aber stellt das eine wie das andere ein gewisses Problem dar.

Besonders problematisch für die Landwirte, aber sicherlich auch für die Konsumenten scheint die Gentechnologie zu sein. Das ist eigentlich ein Streit unter Gelehrten, aber auch ein Streit unter den Anwendern – das sind fast Glaubensschulen, die da aufein­ander prallen –, und da geht es auch um die Frage: Kann man genveränderte Nah­rungsmittel essen, konsumieren, oder ist das, wie andere wieder sagen, Gift?

Da gibt es ein Schreiben – möglicherweise kennt das der Herr Bundesminister auch –, das ist von Dipl.-Ing. Volker Helldorff. Ich nehme an, dass das auch in Ihrer Kanzlei gelandet ist, Herr Minister. Ich nehme nur einen Satz heraus, der mir nicht unvernünftig erscheint, und dieser lautet: „Wir verlangen, dass die Gefahr von Genpflanzen in einem mehrjährigen toxikologischen Versuch und einer seriösen Risikobewertung wissen­schaftlich bewiesen oder widerlegt wird.“ – Wenn der eine immer dies und jenes be­hauptet und der andere das Gegenteil davon, so muss ich sagen: Damit sind wir alle nicht sehr glücklich.

Des Weiteren wird in dem Bericht auf die Energiewirtschaft hingewiesen – einige Fragen in der Fragestunde zielten ja auch darauf ab. Es hat der Ökostrom, bestehend aus Wind, Sonne, Biomasse und Geothermie, mit einem Anteil von 0,86 Prozent im Jahr 2000 zwar das Zwischenziel von einem Anteil von 1 Prozent nicht erreicht, aber ich stelle hier trotzdem sehr in Frage, ob Wind- und Solarenergie für Österreich über­haupt eine gangbare Lösung sind. Wenn man weiß, dass Windkraftwerke und Sonnen­kraftwerke eine Amortisationszeit von 20 Jahren haben – das ist aber eine Zeit, in der diese Geräte schon vorher wieder kaputt sind –, so beantwortet sich eigentlich diese Frage damit von selbst, ob das gangbare Wege sind.

Ich bin aber überzeugt – und das ist das Gute, das wird in Österreich sehr stark auch gestützt –, dass die Biomasse, von der wir ja eine große Menge haben, und auch die Geothermie, über die wir gerade im Thermenlinien-Bereich verfügen und meines Erachtens noch etwas zu wenig genützt wird, der richtige Weg sind.

Aus der Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers am Vormittag ging auch her­vor, dass er die Windkraftwerke in Zukunft eher restriktiv behandelt haben möchte. Das, was ich hier gesagt habe, ist also daher keine Erkenntnis, die nur ich habe, son­dern eine, die durchaus gängig vertreten wird – abgesehen davon, dass Windkraft­werke eine optische Umweltverschmutzung sondergleichen darstellen, die man in einem dicht besiedelten Gebiet, wie Österreich im Großen und Ganzen eines ist, wirk­lich nicht hinnehmen sollte.

Wir wissen, dass auch der Verkehr – auch das wurde in der Fragestunde schon behan­delt – einen sehr erklecklichen Anteil an den Umweltabgasen hat. Der Verkehr hat ja um 80 Prozent seit dem Jahr 1980 zugenommen, und die Osterweiterung trägt weiter zu einer Zunahme bei, was dazu führt, dass die Emissionen von Treibhausgasen, Stickoxiden und Partikeln zunehmen.


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Nun wissen wir, dass die Motoren unterschiedlich agieren: Wenn man einen Benzin­motor in einer Garage laufen lässt und man nicht aufpasst, begeht man unabsichtlich Selbstmord. Ein Dieselmotor hingegen stößt auf der Straße Partikel aus und verursacht in der Garage überhaupt keine gesundheitlichen Schäden, weil man ja nicht wochen­lang in der Garage sitzen bleibt. – Das sind so Kleinigkeiten, die man hier dazu erwäh­nen kann.

Wir haben in Österreich erfreulicherweise eine große Anzahl von Biobauern, sogar in einer solchen Menge, dass die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vor wenigen Tagen darüber geschrieben hat. Darin wird festgestellt, dass die Zahl der Biobetriebe im ver­gangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr um 3 Prozent zugenommen hat und auf 19 056 gestiegen ist. Die biologisch bewirtschaftete Fläche hat sogar um 10,3 Prozent zuge­nommen und beträgt jetzt 326 000 Hektar. Das entspricht etwa einem Achtel der land­wirtschaftlich genutzten Fläche.

Das ist für die Bauern natürlich wichtig und ist etwas, über das wir auch schon gespro­chen haben: Allein 85 Millionen € – 10 Millionen € mehr als 2003! – gibt es im laufen­den Budget für die Förderung der Biobauern. Gesteuert wird dies über das österrei­chische Bio-Aktionsprogramm, das als eines der Ziele die Vergrößerung der biologisch bewirtschafteten Ackerfläche bis 2006 vorsieht. Auch die angestrebte Erhöhung des Marktvolumens von 3 Prozent um ein Drittel bis zum Jahresende ist vorzeitig gelungen: Bioprodukte erreichen schon jetzt einen Anteil von 4 Prozent.

Österreichs Bioflächen-Anteil wird in Europa nur von – wer errät es von den Bauern hier?; keiner da – Liechtenstein übertroffen. Also insofern ist Österreich ein Spitzen­reiter in der Biolandwirtschaft.

Was den Lärm anlangt, wird als Hauptverursacher der Verkehr genannt. Ich als einer, der sehr feine Ohren hat, empfinde eigentlich etwas noch als viel ärger als den Ver­kehr: Autofahrer, die mit offenen Fenstern und voll aufgedrehten Lautsprechern unter­wegs sind, sodass man gezwungen ist, dieses Umtata mitzuhören. Da müsste es eigentlich auch eine gesetzliche Regelung geben, dass man die Musikanlage im Auto auf Zimmerlautstärke, wie man so schön sagen könnte, einzustellen hat und der Fuß­gänger nicht davon gestört wird.

Erfreulicherweise wird die Qualität der Luft ständig besser, was durch all die Maßnah­men, die gesetzt werden, bedingt ist.

Ein Punkt, der mir persönlich – im wahrsten Sinne persönlich – etwas zu schaffen macht, Herr Bundesminister, ist der Naturschutz im Rahmen von „NATURA 2000“. „NATURA 2000“ umfasst in Österreich 95 Gebiete mit 14,7 Prozent der Landesfläche – meine 200 Hektar fallen komplett hinein. Das ist eigentlich, Herr Bundesminister, eine stille Enteignung, fast so wie beim Denkmalschutz. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll.) – Ja, ja, ich weiß, es ist Ländersache, aber ich bringe es hier vor, denn auch da sollte man Gerechtigkeit walten lassen. Dem einen wird sein Wald oder sein Grundstück komplett im Rahmen von „NATURA 2000“ mit erklecklichen Bewirtschaftungseinschränkungen belegt, und der andere, der mit seinem Besitz das Glück hat, nicht unter „NATURA 2000“ zu fallen – das betrifft zum Glück mehr als 80 Prozent der österreichischen Landesfläche –, kann produzieren, wie es den übli­chen land- und forstwirtschaftlichen Auflagen entspricht.

Ich bitte den Herrn Bundesminister, nicht nur auf mein Einzelschicksal einzugehen – das wäre zu viel verlangt –, sondern diese gesamte Problematik, die ihm sicherlich be­kannt ist, einer Lösung zuzuführen. Vielfach löst Geld das Problem, aber Geld haben wir nicht – vielleicht gibt es eine andere Problemlösung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


14.59


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 96

Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.59

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Der Umweltbericht ist sehr schön dick, sehr schön voll und sehr interessant. Ich habe es auch sehr toll gefunden, dass es ihn auf einer CD gibt, nur leider werde ich „blind“, wenn ich vom Bildschirm lese. Ich konnte also nicht mit der CD arbeiten; ich fürchte, das geht vielen so, aber es war auf jeden Fall einmal ein sehr guter Ansatz.

Was im Bericht steht, ist allerdings in erster Linie eher beunruhigend. Von unserem Ruf als Umwelt-Musterland spürt man nicht mehr wirklich viel. Das Problem ist sicher auch, dass Umweltpolitik in vielen anderen Politikbereichen berücksichtigt werden müsste, aber nicht berücksichtigt wird.

Es stehen im Bericht viele Ideen, die leider nicht von Ihnen umgesetzt werden können. Zum Beispiel finde ich es gut, dass Sie sagen, dass der Generalverkehrsplan einer Klimaverträglichkeitsprüfung unterzogen gehört. Diese Forderung gibt es schon lange, aber ich fürchte, dass außer Ihnen sonst keiner in der Regierung willig ist, das zu tun. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Auch steht in dem Bericht, dass die WHO-Lärmrichtwerte eingehalten werden sollten. Ich bin derzeit leidgeprüft wegen der zwei Autobahnen, die uns in Korneuburg blühen, und ich weiß genau, dass die WHO-Lärmrichtwerte nicht eingehalten werden, und zwar aus Kostengründen. Die ASFINAG sagt ganz einfach, dass es kein Geld gibt, und wenn die ASFINAG sagt, es sei nicht ausreichend Geld vorhanden, dann wird es auch keine Einhaltung der Lärmrichtwerte geben.

Dass es Probleme im Zusammenhang mit dem neuen Ökostromgesetz gibt, wurde vor­hin schon angesprochen. Meines Erachtens ist es kein besonderer Fortschritt, den Sie da erzielt haben, aber vielleicht können Sie mich später einmal vom Gegenteil über­zeugen. Meiner Meinung nach ist es im Vergleich zum bisherigen Ökostromgesetz ein enormer Rückschritt.

Auch betreffend den Emissionshandel habe ich den Eindruck, dass vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes die Industriebetriebe weniger Emissionen ausgestoßen haben, als ihnen danach erlaubt ist.

Ihre Erkenntnisse im Bereich Raumplanung finde ich sehr „toll“. Die tägliche Versiege­lung von 20 Hektar in Österreich ist sehr beunruhigend. Das Problem ist allerdings: Raumordnungsangelegenheiten sind in erster Linie Landessache. Die Gemeinden widmen weiter um, es schießen weiterhin die Einkaufszentren an den Ortsrändern wie die Schwammerln aus dem Boden. Es ist eben leider nicht Ihre Kompetenz, da einzu­greifen.

Es wäre ideal, wenn das Umweltministerium auch die Agenden des Wirtschaftsministe­riums und des Verkehrsministeriums übernehmen könnte. (Heiterkeit des Bundesmi­nisters Dipl.-Ing. Pröll.) Ich habe zwar gehört, dass Sie gestern eine Aussendung gemacht haben, in welcher Sie den Ausbau der A 5 befürworten, aber vielleicht habe ich mich auch verhört. Oder es liegt doch in den Genen – so wie der Herr Landes­hauptmann die Straßen gerne ausbaut. Es ist jedenfalls sicherlich nicht so, dass durch einen Ausbau der A 5 die Verkehrsemissionen sinken werden, sondern im Gegenteil: Sie werden steigen, weil der Verkehr einfach mehr wird, wenn die Straßen breiter sind.

Es gibt einen Bereich, der sehr wohl zu Ihrem Ministerium gehört, und zwar ist das der Bereich Landwirtschaft. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Vor allem!) – Zusätzlich zur


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Umwelt! – Im Bereich Landwirtschaft könnten Sie umweltpolitisch fuhrwerken, wie Sie wollten (Heiterkeit des Bundesministers Dipl.-Ing. Pröll), das tun Sie aber nicht!

Es gibt da drei große Kapitel, die unserer Meinung nach nicht hinreichend behandelt werden: das ist die Gentechnik, die Verringerung der Pestizide und die regionale Ver­sorgung des Marktes.

Über das Thema „Gentechnik“ haben wir heute schon sehr viel geredet, aber ich möchte doch sagen, dass selbst im Umweltbericht nur steht, dass Gentechnikfreiheit einzelner Regionen zu einem Marktvorteil werden soll. Da heißt es zwar, „Gentechnik­freiheit einzelner Regionen“, aber da steht nichts von „gentechnikfreies Österreich“, und das stört mich sehr.

Es ist so wie in Niederösterreich, wo im Landtag mehr oder weniger besprochen wird, dass das Waldviertel freiwillig gentechnikfreie Zone werden soll, aber von den anderen vier Vierteln – wir haben jetzt inzwischen fünf – redet keiner mehr, und auch nicht von dem, was die „NÖM-Kühe“ so zu sich nehmen.

Auch im Umweltbericht steht drinnen, dass in erster Linie die Koexistenz das Problem sei, das wir lösen müssen. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass es nicht gelin­gen kann, wirklich vernünftige Regelungen für eine Koexistenz zu schaffen, weil Pollen einfach nicht aufzuhalten sind. Es mangelt auch an Haftungsverpflichtungen. All diese Mängel haben Sie von den Grünen schon im Nationalrat in Form eines Zusatzantrages vorgelegt bekommen.

Nächster Punkt: Pestizideinsatz. – Im Umweltbericht ist von Pflanzenschutzmitteln die Rede. Für den Herrn Landwirtschaftsminister würde ich das als in Ordnung erachten, aber von einem Umweltminister würde ich mir doch wünschen, dass im Umweltbericht „Pestizide“ und nicht „Pflanzenschutzmittel“ steht. Das ist meiner Meinung nach die treffendere Bezeichnung.

Im Umweltkontrollbericht 2002 steht, dass der Pestizideinsatz gesunken ist, während im Grünen Bericht, der sich auf das Jahr 2003 bezieht, also auf ein Jahr danach, steht, dass der Pestizideinsatz im letzten Jahr wieder gestiegen ist – und das trotz angeblich wirkungsvollerer Wirkstoffe, wie wir es in der Diskussion über das Chemikaliengesetz gehört haben, und trotz der Erweiterung der Biolandwirtschaftsflächen und trotz der Eigenimporte, die noch gar nicht erfasst sind.

Ein weiterer Absatz betrifft die regionale Versorgung, und das, was dort steht, hat mich völlig irritiert. Da heißt es nämlich – ich zitiere –:

„Die Bedeutung der Landwirtschaft ist in den nächsten Jahren aktiv zu stabilisieren beziehungsweise durch die Chancen der Osterweiterung im Zusammenwirken mit den neuen EU-Mitgliedstaaten auch ausbaufähig. Eine expandierende österreichische Nah­rungsmittelindustrie realisiert neue EU-Marktchancen.“

Wenn ich jetzt höre, dass wir die österreichische Nahrungsmittelindustrie expandieren und forcieren sollen, so muss ich sagen: Herr Minister, Sie reden immer vom „Feinkost­laden Österreich“, aber „industrielle“ Feinkost gibt es meines Wissens nur bei McDo­nald’s. Also „Nahrungsmittelindustrie“ widerspricht alleine schon von der Wortwahl her meiner Meinung nach dem „Feinkostladen Österreich“.

Weiter unten steht dann ein Satz, der mir besser gefällt. Da heißt es, dass „insbeson­dere bei der Versorgung des Marktes mit Waren der Stoff- und Energie-Input beachtet werden soll und regionale und saisonabhängige Lebensmittel den Transportbedarf reduzieren“.

Mehr regionale Direktvermarktung wäre also ein umweltpolitisches Ziel – aber das hat eben nichts mit Lebensmittelindustrie zu tun.


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Nächster Punkt: Wasser und Wasserwirtschaft. – Hinsichtlich der Flüsse und Bäche ist offensichtlich das Problem der Verschmutzung gelöst. Nicht gelöst ist jedoch das Pro­blem der Schadstoffbelastung des Grundwassers. Bisher waren es Nitrat und Atrazin, jetzt gibt es Kalium, Natrium, Chlorid und Orthophosphat im Grundwasser. Im Aus­schuss wurde mir gesagt, dass man nicht einmal weiß, woher diese Stoffe kommen.

Ein weiteres interessantes umweltpolitisches Ziel ist die Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung einer weitgehend natürlichen Gewässerbeschaffenheit. Es ist der­zeit so, dass laut Untersuchungen nur mehr 6 Prozent von 5 000 untersuchten Fluss­kilometern als natürlich eingestuft werden. Das heißt, wenn Sie die natürliche Gewäs­serbeschaffenheit erhalten und wiederherstellen wollen, dann haben Sie noch einiges an Arbeit vor sich.

Herr Kollege Kritzinger hat vorhin recht ausführlich über Wasserkraft und über ihre Rentabilität und Umweltschonung berichtet. Er hat gesagt, dass sie rentabler und um­weltschonender als jeder andere Energieträger wäre. Meines Wissens ist die Großwas­serkraft in Österreich kaum mehr ausbaubar. Das sagen sogar die Leute von Verbund.

Was die Umweltschonung betrifft, würde ich Sie bitten, dass Sie einmal mit den Leuten im Kamptal sprechen, um zu erfahren, wie diese das Hochwasser – das war ja im Berichtsjahr 2002 – empfunden haben.

Letztendlich wäre am umweltschonendsten und auch am versorgungssichersten ein Energiemix aus erneuerbaren Energien. Ich meine, das ist genau das, was immer wieder bei Windkraft und Solarenergie übersehen wird. Natürlich kann man sagen, die Windräder drehen sich nicht immer, aber wenn es ein Windrad in Vorarlberg und eines in Wien gibt, dann kann man annehmen, dass sich eines von den beiden dreht. (Heiterkeit.) Und wenn sich das Windrad nicht dreht, dann scheint doch die Sonne, und dann gibt es die Solarenergie als Ausgleich. Ich meine, man darf sich nicht zu sehr auf ein Windrad spezifizieren, das sich einmal nicht dreht, sondern es geht darum, dass es kleine Strukturen sind, die insgesamt viel sicherer sind, als wenn zum Beispiel ein AKW ausfällt, denn das kann man nicht so leicht ersetzen.

Auch Herr Gudenus hat davon gesprochen, wie schwer sich doch diese erneuerbaren Energieträger amortisieren. Ich meine, dass sich das Kraftwerk Freudenau auch nicht so schnell amortisieren wird.

Des Weiteren ist im Bericht erwähnt – und das gefällt mir sehr gut, aber leider sehe ich diesbezüglich keine Maßnahmen – das Energieeinsparungspotential. Derzeit haben wir Verbrauchszuwächse von 3 bis 4 Prozent pro Jahr. Im vorigen Jahr war es ganz enorm viel. Auf der anderen Seite lese ich in Magazinen, dass die EVN wieder mit Stromhei­zungen wirbt. Das ist ganz sicherlich kontraproduktiv.

Was den Ökostrom betrifft – darüber haben wir heute auch schon diskutiert –, wurde das Zwischenziel von einem Prozent nicht erreicht, sondern es waren nur 0,86 Prozent Ökostrom-Anteil. Ich bin schon sehr gespannt, ob wir die 7 Prozent, von denen Sie heute gesprochen haben, erreichen werden. Ich glaube es, ehrlich gesagt, nicht.

Nun zum Thema „Verkehr“: Der Personenverkehr hat seit 1980 um 80 Prozent zuge­nommen, der Güterverkehr um fast 100 Prozent; auch das wurde heute hier schon erwähnt. Im Bereich Verkehr sind wir leider von den Umweltschutzzielen am weitesten entfernt. Ich habe den Eindruck, dass Ihr Einfluss, Herr Minister, nicht so weit reicht, dass es tatsächlich einmal zu einer Überprüfung des Generalverkehrsplans auf seine Klimarelevanz hin kommt, denn in dem Fall würden meiner Meinung nach die meisten Straßenbauprojekte in Niederösterreich zu Fall gebracht werden.

Nächster Punkt: Schutzgut Mensch. – Es gefällt mir sehr gut, dass diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Man nimmt sich da sehr viel vor, wie zum Beispiel: Er-


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mittlung der Risken für die menschliche Gesundheit, Einräumung hoher Priorität für die Umwelt und Gesundheit in anderen Politikbereichen, Ausbau der Forschung im Be­reich Gesundheit und Umwelt. – Das ist alles löblich. Aber nur deshalb, weil wir wissen, woran wir erkrankt sind, sind wir noch lange nicht gesund.

Diese Feststellung ist zwar gut, aber Gesundheit hat leider keinen Vorrang vor dem freien Warenverkehr, das ist noch nirgends festgeschrieben.

Die Kosten für die Gesundheit steigen ständig, und diese Kosten müssen wir alle ge­meinsam tragen. Kostenwahrheit auch im Umweltbereich würde auf der anderen Seite die Allgemeinheit entlasten.

Feinstaub in der Luft, Nitrate im Grundwasser, Lärmbelastung, gefährliche Chemika­lien, Lebensmittelzusatzstoffe: All das sind Punkte, die unsere Gesundheit beeinträchti­gen können. Letztendlich profitiert davon einer oder ein kleiner Kreis, bezahlen müssen wir aber alle dafür, und zwar sowohl mit unserer Gesundheit als auch damit, dass unser Gesundheitssystem dadurch teurer wird.

Zum Punkt Lärm wäre noch zu sagen: Die von der WHO empfohlenen Richtwerte wer­den für den Großteil der Bevölkerung nicht gewährleistet. Meines Wissens gibt es aber für die Bevölkerung keinerlei Möglichkeit, die Einhaltung dieser Lärmrichtwerte einzu­klagen. Das heißt, wenn man Glück hat, dann bekommt man Lärmschutz, aber es gibt keinen Rechtsanspruch.

Beim Feinstaub gibt es meines Wissens sehr oft Grenzwertüberschreitungen beson­ders im Gebiet um Wien und um Graz. Dabei wird nicht einmal flächendeckend gemes­sen! Und wenn man mit den Verkehrsfachleuten redet, dann sagen diese, dass sie eigentlich noch gar nicht wissen, wie das mit dem Feinstaub ganz genau ist.

Es ist auch fraglich, ob wir das Kyoto-Ziel erreichen. Nach diesem Bericht bin ich da eher skeptisch und auf Grund der Änderung des Ökostromgesetzes eigentlich noch viel mehr.

Meiner Meinung nach gehört zum Umweltschutz auch der Artenschutz und der Natur­schutz, und ich habe in diesem Zusammenhang ein besonderes Anliegen. Dabei geht es – ich glaube, wir haben schon einmal kurz darüber gesprochen – um den Safaripark Gänserndorf. Auch dort gibt es geschützte Arten. Ich weiß, das sind nicht unbedingt heimische geschützte Arten, aber immerhin fallen sie unter das Washingtoner Arten­schutzabkommen. Es geht dabei um die Versuchstiere der Firma Baxter. Diese Tiere, Affen, sind damals eigentlich nur deshalb in unser Land gekommen, weil Österreich das Washingtoner Artenschutzabkommen verspätet unterschrieben hat.

Ich meine, es gibt für den Safaripark Gänserndorf und für diese Affen dort eine gewisse Verantwortung in Bundeskompetenz. Nur: Von Seiten des Bundes hört man in dieser Causa eigentlich nichts. Was man jetzt hört ist, kommt von der BH und vom Land, nämlich, dass es vielleicht am besten wäre, die infizierten Tiere dort fachgerecht zu töten.

An dieser Stelle würde ich gerne von Ihnen, Herr Minister, wissen, ob Sie der Meinung sind, dass das im Sinne des Washingtoner Artenschutzabkommens ist. Laut Washing­toner Artenschutzabkommen dürfen nämlich diese Tiere nirgendwohin ins Ausland ver­frachtet werden, wo ihnen Gefahr droht. Aber man dürfte sie hier im Inland fachgerecht töten.

Des Weiteren gibt es Gerüchte, dass diese Tiere eventuell über Händler in einen Hun­ting Park in Südafrika abgegeben werden könnten. Ich würde hoffen, dass die CITES-Stelle da sehr vorsichtig ist.


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Ich möchte nicht negativ sein, Herr Minister, aber Sie haben noch sehr viel zu tun. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.13

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll das Wort.

 


15.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich eingangs bei den Verantwortungsträgern, bei den Expertin­nen und Experten des Umweltbundesamtes – der Direktor sitzt auch hier – recht herz­lich bedanken für die Erstellung dieses Siebenten Umweltkontrollberichtes, der die Jahre 2001 bis 2003 beleuchtet.

Er zeigt, dass Österreich nach wie vor das Umweltmusterland Nummer eins ist, dass wir sehr gute Ergebnisse erzielt haben, aber ich stehe nicht an, zu sagen – und Sie meinten am Ende Ihrer Ausführungen, es sei noch viel zu tun –: Natürlich haben wir Problembereiche, an denen wir noch weiter arbeiten müssen, um die Ziele, die wir uns gesteckt haben, auch zu erreichen.

Dieser Umweltkontrollbericht deckt alle umweltrelevanten Bereiche – Luft, Abfall, Was­ser, Altlasten, Boden und so weiter – ab. Er wird auch – und das darf man nicht ver­gessen, weil da die Kompetenzen zum Teil unterschiedlich vergeben sind – sehr intensiv und eng mit den Bundesländern und mit den Ämtern der Landesregierungen erarbeitet, um trotz unterschiedlicher Kompetenzen doch eine flächendeckende Zu­sammenschau in einem Umweltkontrollbericht zu erhalten.

Der Siebente Umweltkontrollbericht stellt der Situation der Umwelt in Österreich in den meisten Bereichen ein gutes Zeugnis aus. Nur ein paar Eckdaten: Die Gewässerquali­tät und die Bodenqualität sind generell gut bis ausgezeichnet. Das ist auch zurückzu­führen auf ein sehr ambitioniertes Programm, was die Frage des Anschlussgrades an die kommunalen Kläranlagen betrifft. Wir lagen da im Jahr 2001 bei 86 Prozent. Die Belastung der Luft durch Luftschadstoffe wie Kohlenmonoxid, Schwefel oder Blei hat abgenommen. Eine weitere Abnahme war im Beobachtungszeitraum festzustellen: Kohlenmonoxid minus 31 Prozent seit 1990, das sind 378 000 Tonnen. Das ist ein Wert, der sich sehen lassen kann!

In der Abfallwirtschaft haben wir sehr, sehr erfolgreich auch Meilensteine für die euro­päische Abfallwirtschaft setzen können – jetzt in der Frage Mehrweg/Einweg-Flaschen mit der Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Ein wichtiges Signal! Es sollen 80 Prozent entweder wieder befüllt oder der stofflichen Verwertung zugeführt werden. Erstmals hat sich die Wirtschaft zu diesem Programm verpflichtet.

Ich sage auch dazu: Wir werden, was die Abfallwirtschaft betrifft, in den nächsten Monaten und Jahren von der eindimensionalen Ansicht, dass Mehrweg immer gut ist, wegkommen müssen. Wir müssen die Frage klären: Kann Einweg, Wiederverwertung, Bottle-to-Bottle-Recycling mit neuen technischen Methoden eine Alternative sein? Wie schaut die Ökobilanz aus? Man muss einmal fair analysieren: Was bringt die Technik an Fortschritten beim Einweg? Wie reagieren wir darauf? Ich meine, dass wir da gemeinsam Antworten geben müssen. Die Abfallwirtschaft unterliegt auch in Europa entsprechenden Veränderungen.

Es wurde der Bereich Landwirtschaft heute hier schon ein paar Mal angesprochen, so­wohl in der Fragestunde als auch in der Debatte über den Grünen Bericht. Die umwelt­bezogenen Programme greifen. Wir sehen das auch bei der Wasserqualität, wir sehen das in der Extensivierung, was Pestizide oder Pflanzenschutzmittel betrifft. Sie wissen,


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dass das Wort „Pestizide“ eine Präzisierung für Pflanzenschutzmittel ist. Es gibt Fungi­zide, Herbizide und so weiter, und das Wort „Pflanzenschutzmittel“ ist der umfassen­dere Begriff. Wir können uns gerne über Formulierungen unterhalten, das soll hier aber nicht das Thema sein. – Wir haben es geschafft, eine Reduktion durch das Umweltpro­gramm herbeizuführen.

Wo wir wirklich vor Herausforderungen stehen, das ist die Erreichung des Kyoto-Zieles. Es ist wichtig, dass Russland ein klares Signal setzt. Alle Stimmen der Kritiker, die auch in den Emissionsverhandlungen um die Zuteilung der Emissionszertifikate immer gesagt haben, dass dieser Vertrag völkerrechtlich noch gar nicht gültig ist und dass Russland nie unterschreiben wird, werden jetzt konterkariert durch den Willen Russ­lands, tatsächlich beizutreten. Die Regierung hat das Programm genehmigt, es muss nur noch im Parlament abgesegnet werden.

Ich werde mit einem „klima:aktiv“-Programm sehr, sehr stark auf alle zentralen Be­reiche abstellen, auf Verkehr, Raumwärme, die eines der größten Potentiale darstellt. Wir haben mit der Beimischung von Biosprit und so weiter die richtigen Aktionen im Verkehrsbereich gesetzt. Im Übrigen: Sie als Weinviertlerin müssten doch wissen, warum ich in der Frage der Autobahn zwischen Wien und dem Norden Richtung Prag ganz klar Position beziehe.

Prag – Wien – Budapest – Bratislava wird eines der spannendsten wirtschaftspoliti­schen Handlungsfelder Europas werden – oder auch nicht. Wir müssen diese Ent­scheidung wirtschaftspolitisch und volkswirtschaftlich klar sehen. Da kann ein neues Zentrum für Europa entstehen, es muss aus meiner Sicht auch entstehen. Jetzt quälen sich Tausende von Autos und LKWs – und Sie kommen aus dieser Region – durch all die Ortschaften dort, stehen im Stau, stellen aber den Motor sicherlich nicht ab.

Ich frage Sie: Ist es da nicht besser, diese Autobahn objektiver zu beurteilen hinsicht­lich der Umlenkung dieser Verkehrsströme aus den Ortschaften, von den Landesstra­ßen und Bundesstraßen hin auf eine Autobahn. Das ist die Debatte, die wir fair mitein­ander führen müssen!

Das ist keine Polemik: dafür oder dagegen?! Dass bei der Schaffung dieser Infrastruk­tur, der Errichtung der Nord Autobahn, natürlich darauf zu achten ist, dass alle natur­schutzrechtlichen und sonstigen Bestimmungen einzuhalten sind, ist überhaupt keine Frage. Aber so eindimensional zu sagen, die Autobahn schaffe nur zusätzlichen Ver­kehr, ist zu einfach. Da sage ich Ihnen: Sprechen Sie mit den Menschen vor Ort!

Wir beide sind Weinviertler, wir sollten es eigentlich besser wissen. Mir jedenfalls be­gegnen sehr viele, die sagen: Weg mit dem Verkehr von den Landes- und Bundes­straßen! LKWs aus Tschechien oder aus der Slowakei, die auf der Durchreise sind, hin zu anderen Verkehrsströmen!

Dritter Punkt: Was den Lärm betrifft, gibt es eine weite Differenzierung in den Zustän­digkeiten. Die Lärmzuständigkeit ist keine Bundeszuständigkeit, die in einem Gesetz geregelt ist, sondern sie ist auf mehrere Rechtsmaterien aufgesplittet. Wir werden dazu mit einem Text hinsichtlich Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie in Kürze in Be­gutachtung gehen.

Zwei Punkte, Frau Bundesrätin Kerschbaum, die ich so nicht im Raum stehen lassen kann: Eine gentechnikfreie Zone Österreich ohne Freiwilligkeit zu proklamieren, das wird rechtlich nicht gehen! Wenn die Europäische Union gentechnisch veränderte Pflanzen zulässt, dann kann sie das nur mit einem Mehrheitsbeschluss tun. Wir wer­den bis zur letzten Möglichkeit dagegen kämpfen. Wenn sie aber zugelassen sind, dann können wir sie in Österreich nicht mehr verbieten.


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Wir werden da kein Rechtsmittel mehr haben. Deswegen müssen wir auf freiwillige Regionen setzen. Wenn wir mit den Bäuerinnen und Bauern flächendeckend einen Konsens erzielen, kann es in diese Richtung gehen, nur verordnen können wir es nicht, sonst werden wir diese Schlacht verlieren – und am Schluss wird die Gentechnik siegen.

Was das Washingtoner Artenschutzabkommen betrifft, das, was Sie da zitiert haben: Sie haben gesagt, es gibt Gerüchte. – Auf Gerüchte setze ich in der Politik grundsätz­lich nicht. Es wird seitens der Behörde zu entscheiden sein, was mit den Tieren zu pas­sieren hat – oder auch nicht. Ich gehe davon aus, dass jede Behörde in diesem Land, Bezirkshauptmannschaft, Amt der Landesregierung, bundeszuständige Stellen, sich ganz klar an internationale Abkommen, an Gesetze, Regeln und Verordnungen hält. Das soll auch bei diesem Thema so sein, und ich bitte Sie, das auch so zu sehen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.21

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Bader zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


15.21

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zu Beginn gleich ein paar Anmerkungen zu den Ausführungen von Frau Kollegin Kerschbaum. Wenn der Inhalt des Berichts für Sie schon so beunruhi­gend und verwirrend war (Widerspruch bei den Grünen) – diese Ausdrücke sind ja einige Male gefallen während Ihrer Ausführungen –, so hoffe ich doch, dass die Erklä­rungen des Herrn Bundesministers da ein bisschen entwirrt und ein bisschen beruhigt haben. – Das ist zum Ersten.

Das Zweite: Ganz folgen konnte ich der Milchmädchen-Meteorologie nicht: ein Windrad in Vorarlberg und ein Windrad in Wien. Das verstehe ich nicht, aber vielleicht können wir das draußen dann einmal noch abklären. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Vielleicht können wir uns noch zusammensetzen!) Das Ökostromgesetz ist sicherlich in guten Händen.

Es wurde auch die Problematik der Einkaufszentren auf der grünen Wiese angespro­chen. Ich glaube, es ist soweit bekannt, dass gerade in Niederösterreich derzeit das Raumordnungsgesetz überarbeitet wird, dass dabei dieser Problematik ein besonderer Stellenwert eingeräumt und eine gemeinsame Lösung gesucht wird.

Es wurde auch die Nord Autobahn angesprochen, ein Thema, das von den Grünen immer wieder sehr forciert wird. Was den Verkehr betrifft, möchte ich schon klar sagen: Ich hoffe, dass auch die Grünen dafür sind, dass der Verkehr aus unseren Dörfern hin­auskommt und in geordneten Bahnen geführt wird. Ich denke, dass da sicherlich ein gutes Projekt auf die Reise geschickt werden kann.

Ich möchte zum Bericht insgesamt auch inhaltlich ein paar Anmerkungen machen. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die an der Erstellung dieses Berichtes mitge­wirkt haben. Es ist ein sehr umfassendes Werk geworden, es ist ein sicherlich ausge­zeichnetes Nachschlagewerk mit vielen Informationen und auch einer guten Darstel­lung des Status quo. Daher ist auch die negative Einleitung von Ihnen nicht ganz verständlich gewesen, weil ja insgesamt der Umweltqualität in Österreich ein gutes Zeugnis ausgestellt wurde.

Seit den achtziger Jahren prägt die nachhaltige Entwicklung Diskussionen, Zielfin­dungsprozesse und Strategien in vielen Bereichen unseres Lebens, in der Wirtschaft genauso wie natürlich in der Umwelt und auch im Sozialbereich, das aber nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer und internationaler Ebene. Ziel ist eine Ent-


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wicklung, die den Bedürfnissen unserer heutigen Generation entspricht, aber auch den künftigen Generationen entsprechende Möglichkeiten nicht raubt.

Einen Punkt möchte ich besonders ansprechen, weil er auch in den Berichtszeitraum fällt, nämlich das Hochwasserereignis 2002. Obwohl Einzelereignisse wie dieses Hochwasser nie mit letzter Bestimmtheit einem Klimawandel zugerechnet werden können, ist aber doch ein deutlicher Hinweis darauf enthalten, dass wir unsere Verant­wortung für die Umwelt auch entsprechend ernst nehmen müssen. Hier gibt es auch Denkanstöße, die für die nächsten Jahre sehr wichtig sein werden. Um Hochwasser­schäden in diesem Ausmaß zu vermeiden, wird es notwendig sein, dass wir Strategien entwickeln, um hohe Pegelstände durch eine Vergrößerung der Abflussräume, der Überflutungsflächen zu verringern und diese Wassermassen abzuführen.

Die Sicherung von Retentionsflächen ist in diesem Zusammenhang sicherlich ein anzu­strebendes Ziel. Es ist aber natürlich auch sicherzustellen, dass die Interessen aller Beteiligten entsprechend gewahrt werden. Ich glaube – und ich kenne das auch schon aus meiner Gemeinde nach einigen Verhandlungen –, das wird auch die Kernfrage der Bewältigung des Hochwasserschutzes in den nächsten Jahren sein. Ich glaube aber auch, dass die Individualvorsorge gerade beim Hochwasser besonders in den Vorder­grund zu rücken ist.

Ich möchte auch noch einmal ganz kurz auf die Landwirtschaft eingehen; es ist dazu schon einiges gesagt worden. Ich finde es ganz besonders positiv, dass hier drei Be­reiche ganz besonders im Vordergrund stehen:

Der eine Bereich ist der Biolandbau, der unsere Landwirtschaft im Spitzenfeld Euro­pas ausweist. Das ist ein deutlich erkennbarer Beitrag zum Umweltschutz.

Das Zweite: Ich denke, dass gerade für die Gebirgsregionen die Berglandwirtschaft auch eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung dieser sehr sensiblen Ökosysteme hat.

Und weil das bereits angesprochen wurde: Es ist, glaube ich, sehr erfreulich, dass die Gentechnik bei denjenigen, die Landwirtschaft betreiben, generell auf sehr, sehr geringe Akzeptanz stößt. Das gibt sicherlich auch Hoffnung für die Zukunft.

Vielleicht ein paar Beispiele, die auch beweisen, dass in vielen Bereichen wirklich intensiv für die Umwelt gearbeitet wird: Zahlreiche Gemeinden leisten hiezu ihre Bei­träge. Allein in Niederösterreich sind es rund 220 Gemeinden, die als Klimabündnis-Gemeinden einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation leisten.

Und ein Zweites – auch wieder ein niederösterreichisches Beispiel – ist der „Niederös­terreichische Wasserpreis“ Dieser wurde ausgeschrieben als eine Initiative des Landes Niederösterreich, auch mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich, und steht unter dem Motto: Wirtschaft und Gewässerschutz. Hier werden Betriebe ausgezeichnet, die einen sorgsamen und innovativen Umgang mit Wasser als Rohstoff, mit Wasser als Produktionsmittel und mit Wasser als Energieträger sicherstellen.

Ich habe im Rahmen der letzten Preisverleihung einen Betrieb gefunden, der da ein sehr positives Beispiel gibt: die Firma Riess, die – wirklich bemerkenswert! – 92 Pro­zent – 92 Prozent, man höre! – des Frischwasserbedarfes im Unternehmen gesenkt hat, weil sie Wasser sparende Technologien eingesetzt hat.

Ich denke, das sind Beispiele mit Vorbildwirkung, und diese Beispiele sollen sicherlich auch zur Nachahmung anregen.

Wir stehen – das ist vom Herrn Bundesminister auch klar bekannt worden – in den nächsten Jahren vor Herausforderungen, die auch im Europa der 25 entsprechend angegangen werden müssen, Herausforderungen für die Zukunft, damit unser Erbe


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Natur und Umwelt auch den nachfolgenden Generationen so oder vielleicht sogar noch besser übergeben werden kann. Das ist sicherlich auch der Grundsatz eines wirklich nachhaltigen Wirtschaftens.

Insgesamt ist Österreich auf dem richtigen Weg. Der Bericht stellt der Umweltpolitik ein gutes Zeugnis aus – und daher auch dem Ministerium. Es wurde gesagt, dass hier noch viel Arbeit vor uns liegt, aber ich denke, dass ich gerade unser Umweltminister vor Arbeit nicht scheuen wird. Wir sind, wie bereits betont, auf dem richtigen Weg. Österreich macht eine integrale und nachhaltige Umweltpolitik, und das mit Hausver­stand! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.29

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster ist Herr Bundesrat Molzbichler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


15.29

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz kurz auf das Ökostromgesetz eingehen, das nach meinem Dafürhalten eigentlich ein Ökostrom-Bremsgesetz ist.

Warum? – Herr Bundesminister Pröll! Ihr Ministerkollege, Wirtschaftsminister Barten­stein, will gerade ein neues Ökostromgesetz für 2005 durchboxen, wie Sie ja wissen, um die erfolgreiche Ökostromentwicklung der vergangenen Jahre einzubremsen. (Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie haben das verlangt!) Hauptgrund, Herr Minister, ist an­geblich der Umstand, dass die für das Jahr 2008 anvisierten Ziele bereits 2005 erreicht werden sollten. Für mich ist das absurd. Das ist ja gerade so, als würde ein Arzt nach zwei Jahren Behandlung die Medikamentendosis reduzieren, weil der Patient zu schnell gesund wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es wird immer klarer, dass fossil-atomare Energieversorgung ein Ablaufdatum hat. Man stoppt jedoch die Ökostromerzeugung, und der Anteil des importierten Atomstro­mes wird größer statt kleiner, Herr Minister. Hauptgrund für die Gesetzesänderung ist aber eigentlich der Druck der Wirtschaft, meine Damen und Herren, die mit den Öko­stromzuschlägen öffentlichkeitswirksam von anderen Ursachen der Energiepreiserhö­hung ablenkt.

Bester Beweis für diese Behauptung sind die neuen Energiepreiserhöhungen ab 1. Jänner 2005, Ökostrom-Zuschläge (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wienstrom ...!), die für die Industrie – Herr Minister, hören Sie mir zu, bitte! – den Preis von 0,143 auf 0,067 Cent pro Kilowattstunde reduzieren, aber für uns – da zähle ich mich auch da­zu –, Otto Normalverbraucher, von 0,204 auf 0,334 Cent verteuern werden. Herr Minis­ter, da sind auch Sie gefordert! Minister Bartenstein und die Industrie bereiten lang­fristig, in die Zukunft denkenden Menschen wirklich große Sorgen, Herr Minister, und auch Sie in Ihrem Ressort sind gefordert, gegen dieses Ökostrom-Bremsgesetz Abhilfe zu schaffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.31

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Bundesminister.

 


15.31

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Präsident! Ich muss auf das replizieren, denn ich kann mich nur wundern: Seitens der Arbeiterkammer wird seit Monaten gegen den Öko­strom argumentiert! Auch führende Vertreter der SPÖ haben wiederholt darauf hinge­wiesen, gemeinsam mit der Industrie, dass das Ökostrom-Gesetz in der geltenden Fassung für den Konsumenten zu teuer ist. Daraufhin hat mein Kollege, Bundes­minister Bartenstein, in Ihrem Sinne versucht, den Ökostrom massiv zurückzudrehen. –


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Beifall bei der Arbeiterkammer. – Und ich habe in diesen Tagen und Stunden dafür gesorgt, dass wir mit der jetzigen Lösung – Begutachtungsentwurf von Martin Barten­stein; stark gestützt auf Ihre Vorschläge, die Ökostromentwicklung auf null zurückzu­drehen, weil zu teuer für den Konsumenten – eine zukünftige Ökostromentwicklung weiter zulassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird damit möglich sein, bis 2010 auf 7 Prozent Ökostrom zu kommen. Der Konsu­ment zahlt derzeit 0,18 Cent pro Kilowattstunde, und durch die Ausweitung des Öko­stroms wird die Kilowattstunde von 0,18 auf 0,43 Cent steigen. Bitte tragen Sie dieses tolle Ergebnis dann auch mit! Ich bin überzeugt davon, dass genau aus Ihrer Ecke wieder der Schrei kommen wird, das sei alles zu teuer. Sie müssen einmal wissen, wohin Sie in dieser Frage wollen.

Ich weiß, wohin ich will: Ökostrom als Bestandteil im Energiemix der Zukunft. Und die­ses neue Gesetz leistet dafür die Grundlage. – Klare Argumente, klare Ziele, klare Ant­worten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.33

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte sehr.

 


15.33

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kol­legen! Zum Umweltbericht: Die Umweltinformationen Europa, Bund und Land sind sehr unterschiedlich, und da ist es sicher notwendig, dass endlich einmal eine gute Koordi­nation stattfindet. Die Umweltaufklärung ist meiner Meinung höchst notwendig, und zwar beginnend bereits in der Volksschule. Erfreulich ist, dass der § 10 endlich eine einheitliche Koordinierungsstelle zwischen Bund und Ländern festlegt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir sollten eine Reihe von Aktivitäten weiter ver­stärken, wie etwa: mehr Güter von der Straße auf die Schiene. Es darf keinen Ausver­kauf des österreichischen Wassers geben. Österreich hat die reichsten Reserven im Wasserbereich überhaupt, und ich kann Ihnen nur sagen, liebe Kollegen: Wir in Kärnten haben derzeit die Landesausstellung: „Kärnten. Wasser. reich“. Ich möchte alle Damen und Herren wirklich bitten, etwas Ähnliches zu machen. Es ist sehr interes­sant für die Jugend, für die Bevölkerung insgesamt, zu erfahren, welche Bedeutung das Wasser für uns alle hat. Das wird gerade in einer sehenswerten Ausstellung bei uns im Mölltal gezeigt. Ich kann nur sagen, so etwas sollte man sich anschauen, denn das ist wirklich für alle, für Jung und Alt, sehr lehrreich.

Mit den grünen Kollegen bin ich nicht ganz einer Meinung, was den Ausbau der Strom­erzeugung über das Wasser angeht. Ich muss euch sagen ... (Bundesrätin Dr. Lich­tenecker: Habe ich nicht gesagt! Das war der Kollege Kritzinger!) Ich glaube, da soll­ten wir an einem Strang ziehen: Entweder wollen wir, dass wir möglichst unabhängig sind, wollen wir, dass wir wirklich saubere Energie haben – oder wollen wir Atomkraft­werke? Nein, die wollen wir alle nicht.

Ich denke immer wieder, wenn ich durch das Kamptal fahre: Damals waren so viele Grüne dagegen, das war damals ein riesiges Problem, und plötzlich ist das eine große, erfreuliche Entwicklung auch für den Tourismusbereich!

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe noch eine Bitte, und zwar betreffend Aus­bau der Bioheizkraftwerke für Hackschnitzel. Erstens haben wir in Österreich entspre­chende Holzreserven – davon sind viele nicht genützt –, und zweitens könnten wir sehr


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viele Arbeitsplätze damit aktivieren und auch für die Umwelt Großartiges leisten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.36

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker das Wort.

 


15.37

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ganz kurz zur Thematik Ausbau von Wasser­kraft und die Position der Grünen dazu.

Natürlich ist im Energie-Mix der Ausbau der Kleinwasserkraftwerke ein Thema und ein zentraler Punkt. Uns geht es um die Großwasserkraftwerke, und da hat es ja nicht nur von den Grünen, sondern auch von anderen Fraktionen Bestrebungen gegeben, so manches zu verhindern. Kollege Kritzinger ist momentan nicht anwesend, aber wenn ich daran denke: Ich habe meinen Urlaub am Großglockner verbracht, und da gibt es zwei Bereiche, einerseits die Umbalfälle und andererseits das Dorfertal. Gott sei Dank wurde verhindert, dass dort Kraftwerke entstehen. Ich denke, man müsste im Jahr 2004 noch viel genauer und intensiver darüber nachdenken, das überhaupt in Betracht zu ziehen. (Bundesrat Ing. Kampl: Aber nicht überall dagegen sein!) – Sind wir nicht! Ich habe gerade Position bezogen, was das betrifft. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Das ist wichtig ...!) Ich habe gesagt: Kleinwasserkraft. Keine Frage.

Zum Umweltkontrollbericht. – Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Beamtenschaft, bei Herrn Dr. Rebernig herzlich bedanken. Es ist ein sehr umfassendes, ein sehr inter­essantes Werk. Es sind auch immer wieder die Ausführungen mit aktueller Literatur unterlegt: Ausblick, Forderungen, wie kann es weitergehen. Ich kenne noch die ersten Exemplare und weiß daher, der Bericht ist immer gewachsen. Ich halte Daten und Ma­terialien wie diese für eine wichtige und zentrale Grundlage einer Umweltpolitik. Um­weltpolitik zu machen bedarf eben der Planung, der Durchsetzung, der Kontrolle eines guten, fundierten Datenmaterials, und das liefert der Umweltkontrollbericht, denke ich. Daher ein Dankeschön an die AutorInnenschaft, ans Umweltbundesamt!

Herr Minister! Wenn es um Themen wie Kostenwahrheit und Transparenz geht, können Sie jederzeit mit der Unterstützung der Grünen rechnen, wenn Sie umweltpoli­tische Maßnahmen planen. Das Thema Kostenwahrheit wird immer ein zentraler Punkt in meinen und unseren Überlegungen sein, wir vermissen es aber in vielen wirt­schaftspolitischen Handlungen und bei vielen umweltpolitischen Maßnahmen. Das ist Fakt, und das werden wir auch immer wieder einfordern, denn ich halte das für eine zentrale Grundlage auch einer funktionierenden Marktwirtschaft.

Ich gehe kurz auf einen Bereich ein, der noch nicht angesprochen wurde, meist ein Orchideenthema, ein sidestep-out, nämlich das Thema Flächenverbrauch, Bodenflä­chenverbrauch, der, wie Sie wissen, im Umweltkontrollbericht eben auch dokumentiert wird. Um den steht es schlecht. Die Zahlen sagen, dass es pro Tag allein in Oberöster­reich eine Versiedelung von zwei Fußballfeldern gibt, umgerechnet 1,8 Hektar! Das sind Entwicklungen, denen wir entschieden entgegentreten wollen, und das betrifft ins­besondere auch, wie Kollege Bader es bereits angesprochen hat, den Bereich Hoch­wasserschutz. Auch hier spielt es eine zentrale Rolle, dass wir den Bodenflächenver­brauch reduzieren.

Warum ist dieser Bodenschutz überhaupt notwendig? Jetzt wird sich Kollege Tiefnig freuen! Natürlich, um gute Lebensmittel- und Futtermittel zu erzeugen. Aber ebenso handelt es sich dabei natürlich um Lebensraum. Der Bodenschutz ist wichtig für die Gewinnung von reinem Trinkwasser, für den Klimaausgleich, für die Speicherung von


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Niederschlägen. Es gibt ein wirklich großes Repertoire, warum der Bodenschutz tat­sächlich so wichtig ist, er steht jedoch bedauerlicherweise wenig im Vordergrund.

Aber nun von der Theorie zur Praxis: Im Hinblick auf die Frage „Wie könnte das denn auch funktionieren?“ gehen wir in Oberösterreich, seit es einen grünen Umweltlandes­rat gibt, wie immer mit gutem Beispiel voran. (Zwischenruf des Bundesministers Dipl.-Ing. Pröll.) Das ist natürlich Landessache! – Wir haben verschiedene Handlungsfelder definiert, und wir sind jetzt dabei, dies umzusetzen.

Einerseits ist – das habe ich schon erwähnt – die Datengrundlage immer ein zentraler Punkt. Das heißt: Es müssen Informationsgrundlagen zu diesem Thema generell ein­mal geschaffen werden, um die entsprechende Bewusstseinsbildung zu forcieren. Sie werden es auch heute bemerkt haben: Es ist dies im Wesentlichen kaum oder sehr selten ein Thema und wird völlig unterschätzt.

Letztlich geht es auch um die Umsetzung der Ziele unter Ausschöpfung aller Raumord­nungsinstrumentarien, die sich ja in der Landes-, Gemeindekompetenz befinden. Es geht darum, die Ziele des qualitativen Bodenschutzes entsprechend umzusetzen. Die Gemeinden müssen unterstützt werden, damit sie auch eine Form von integriertem kommunalem Flächenmanagement betreiben zu können. – Heute ist auch bei den Themen Konvent, Finanzausgleich und so weiter immer wieder über die interkommu­nale Zusammenarbeit gesprochen worden, und das muss auch in diesem Bereich ein Thema sein.

Was bedeutet das konkret? – Ich nenne jetzt beispielsweise die Nachverdichtung bei lockeren Bebauungen, das Flächenrecycling von alten Industrie- und Gewerbestand­orten, natürlich auch die flächensparende Bebauung und die Revitalisierung von Orts- und Stadtkernen. Das können wichtige Bestandteile davon sein, und sind es auch.

Zentral ist natürlich, dass die Förderaktivitäten des Landes so zentriert und gebündelt werden – und da sind jeweils die Regierungen der Länder aufgerufen –, dass tatsäch­lich eine Siedlungs- und Verkehrsentwicklung möglich werden, die flächen- und raum­sparend sind.

Diese Punkte halten wir für sehr essentiell, und wir haben in Oberösterreich schon mit deren Umsetzung begonnen.

Abschließend noch einmal zum Thema Umweltpolitik: Es hat zugestandener Weise – und darüber bin ich sehr froh und glücklich – positive Entwicklungen im Bereich der Umwelt in Österreich gegeben. Nichtsdestotrotz gibt es zahlreiche Punkte beziehungs­weise Bereiche, die es weiterhin zu bearbeiten gilt. Im Hinblick darauf muss mit den realen Daten und Fakten gearbeitet werden. Gemeinsam können, wie ich meine, die Gemeinden, die Länder, der Bund und natürlich die Wirtschaft in diesem Bereich tat­sächlich Fortschritte erzielen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.44

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist – zum zweiten Mal – Frau Bun­desrätin Kerschbaum.

 


15.44

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sie haben Glück: Ich darf mich pro Tagesordnungspunkt nur zwei Mal melden! Sie haben es fast überstanden! (Bundesrat Konecny: Jetzt wird schon noch etwas kommen!)

Zum Kyoto-Ziel. – Im Bericht steht: Statt der erwarteten Reduktion von minus 13 Pro­zent haben wir einen Zuwachs der Emissionen um plus 10 Prozent.


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Weiters steht im Bericht: „Damit gehen die Prognosen im dritten Klimabericht davon aus, dass das Kyoto-Ziel auch durch Umsetzung von den derzeit geplanten zusätz­lichen Maßnahmen im Inland nicht erreicht werden wird.“ Und so weiter. Es heißt, dass wir uns dann Emissionsreduktionen durch Investitionen in einem anderen Land gut­schreiben lassen werden. – Ihre Aussage ist also zu hoffnungsfroh, denke ich einmal.

Sie sagen, wir wären „das Umweltmusterland“, die Grünen sähen das nur nicht ganz ein. Ich habe schon einige Dinge aufgezählt, etwa den enormen Flächenverbrauch, kaum noch als wirklich natürlich einzustufende Flussläufe, neue Schadstoffe im Grund­wasser, seit 1980 kam es zur Verkehrsverdoppelung, es gibt WHO-Lärmrichtwerte, die nicht eingehalten werden, es kommt zur Abnahme der Biodiversität. – Wie Sie sehen, gibt es sehr wohl sehr viele Punkte im Bericht, auf Grund derer man nicht unbedingt vom „Umweltmusterland“ reden kann.

Zur großen „Weinviertler Versammlung“ hier und zur A 5: Ich fahre hin und wieder auf der Brünner Straße, und ich bin eigentlich noch nie in einen wirklich großen Stau gekommen. Ich sehe ein, dass es problematisch ist, wenn Straßen durch Gemeinden führen, aber da reichen auch Umfahrungen. Sind Sie hingegen schon einmal mit dem Zug nach Laa oder nach Brünn oder nach Prag gefahren? – Der Bahnausbau wäre dort wirklich zu forcieren. Ich bin halt enttäuscht, wenn gerade der Herr Umweltminister sagt: „Bauen wir eine Autobahn!“, statt zu sagen: „Bauen wir doch die Bahn aus!“ – Das hat mich wirklich sehr getroffen! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: ... Das habe ich nie gesagt!) Das ist nicht durchgekommen bis zu mir! – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

15.46

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegen­ständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

6. Punkt

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Auswirkungen des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte (III-261-BR/2004 d.B. sowie 7128/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Ing. Siegfried Kampl: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Ausschussbericht über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Auswirkungen des Rechtsschutzes im Bereich unterhalb der Schwellen­werte liegt Ihnen vor.

 


Ich stelle daher sogleich den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Auswirkungen des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte zur Kenntnis zu nehmen.


Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist – der Computer muss noch geladen werden ... (Bundesrat Dr. Spie­gelfeld-Schneeburg befindet sich bereits am Rednerpult.) Durch schlüssige Hand­lung: Erster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg.

 


15.47

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundes­minister für Wirtschaft und Arbeit hat einen Bericht über die Auswirkungen des Rechts­schutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte abgegeben. Dieser Bericht ist ein äußerst positiver Bericht. Man hat vor zwei Jahren mit der Möglichkeit, sich unter dem Schwellenwert an das Bundesvergabeamt zu wenden, eine Möglichkeit geschaf­fen, kostengünstig und effizient eine Überprüfung von Vergaben vorzunehmen.

Damals bestand die Sorge, dass das Bundesvergabeamt überschwemmt werden könnte. Dies ist nicht eingetreten. Die Auswirkungen der Ausdehnung weisen im Be­obachtungszeitraum ein Verhältnis von ungefähr 2 : 1 oberhalb und unterhalb des Schwellenwerts auf, die genauen Zahlen lauten 211 : 172. In 96 Fällen oberhalb des Schwellenwertes und in 95 Fällen unterhalb des Schwellenwerts wurden Maßnahmen getroffen. – Diese Zahlen sind durchaus beruhigend.

Die Fristen wurden eingehalten. Es kam also auch diesbezüglich zu keiner Über­schwemmung und Überforderung des Bundesvergabeamts. 95 Prozent der Fälle konnten innerhalb der Fristen gelöst werden. Man spricht auch davon, dass eine Ver­besserung bei der Planung und Durchführung von Vergaben stattgefunden hat und dass durch die einerseits kostengünstige und andererseits frühzeitige Steuerungsmög­lichkeit hier positive Auswirkungen zu vermerken sind.

Herr Minister! Ich darf im Namen der kleinen und mittleren Unternehmen, die hier ja vordringlich betroffen sind, für diese Änderung und für diesen Bericht danken. Ich glaube, dass dies eine durchaus positive Angelegenheit ist. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

15.50

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.50

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grund­lage dieses Berichtes ist bekanntlich eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, der die Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes eingefordert hat und Bietern bei Auf­trägen unter dem Schwellenwert dieselbe Rechtsposition eingeräumt wissen will wie jenen bei Aufträgen über dem Schwellenwert.

Wenn man öffentliche Aufträge hinterfragt – ich habe das ganz konkret in einer Anfrage an Ihren Regierungskollegen Gorbach betreffend die Österreichischen Bundesbahnen gemacht –, dann ist man eigentlich sehr erstaunt, welches Mengengerüst zutage tritt. Sie werden wissen – das war ja auch in den Medien detailliert nachzulesen –, dass es hier um Beratungsaufträge von 20 Millionen € gegangen ist. Die Zahlen sind aufgelistet worden und sind gerade im Zusammenhang mit diesem Bericht nicht uninteressant.

Ich greife nur einen Bereich heraus, nämlich die sehr große Gruppe der Unterneh­mensberater und Informationstechnologen, wie sie in der Wirtschaftskammer zusam­mengefasst sind: Allein im Bereich der Unternehmensberatungsleistungen Betriebs-


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wirtschaft handelte es sich um 1 388 000 €, im Bereich der Personalberatung um 749 000 €, im Bereich Marketing und Vertrieb um 1 918 000 €, im Bereich Forschung und Entwicklung um 695 000 €, im Bereich Informationstechnologie um 1 747 000 € und bei weiteren Beratungsleistungen in diesem Segment, was immer damit auch gemeint ist, um 9 699 000 €.

Hinterfragt man, wie es ausschaut mit der Stückzahl und in welcher Höhe eigentlich Aufträge vergeben wurden, so stößt man auf eisiges Schweigen. Die Unternehmen verschanzen sich dann nämlich hinter dem so genannten Betriebsgeheimnis.

Dann bezieht man sich hier auf Direktvergaben, § 27 des Bundesvergabegesetzes. Diese Direktvergaben sind kleine Aufträge, die den Schwellenwert von 20 000 € nicht überschreiten. Und das stößt – und jetzt bin ich gar nicht bei meinem Vorredner von der Österreichischen Volkspartei – vielen kleinen Unternehmerinnen und Unterneh­mern ganz schön auf, Herr Kollege! Da liest man nämlich auf einmal in einem Print­medium, dass an eine frühere Regierungskollegin des Herrn Bundesministers Dr. Bar­tenstein von der Generaldirektionsetage der Bundesbahnen ein Auftrag in der Höhe von genau 10 Prozent unter diesem Schwellenwert, konkret in der Höhe von 18 000 €, vergeben wurde. Wie das genau geschehen ist, sei jetzt dahingestellt.

Wenn man sich das ansieht und bei den vielen Gewerbetreibenden in diesen Segmen­ten ein bisschen herumfragt, dann kommt man dahinter, dass von diesen Auftragsver­gaben bei diesen Gewerbetreibenden eigentlich wenig bis gar nichts bekannt ist und gar nicht die reale Möglichkeit bestanden hat, sich auf diesem Markt zu betätigen.

Es wurden vorhin einige Zahlen vorgelesen, die sich in diesem Bericht finden. Es gab 60 Nachprüfungsverfahren und immerhin 34 Zurückweisungen. Ganz spannend dabei ist, welchen Grund man in der Bundesvergabebehörde dafür annimmt, dass es zu diesen Zurückweisungen gekommen ist: weil es an der rechtsfreundlichen Vertretung gefehlt habe.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Man müsste im Hinblick darauf fast ein wenig den Glau­ben an diese Republik verlieren! Sonst gibt es eigentlich bei allen Rechtsschutzmög­lichkeiten – und das ist ja auch ein ganz wesentliches Element unserer Bundesverfas­sung – zum Beispiel das Instrument der Verfahrenshilfe. Es ist nämlich, wie ich glaube, einem kleinen Unternehmer oder einer kleinen Unternehmerin nicht zumutbar, sich auf ein kostspieliges Verfahren einzulassen. Dass es hier an der rechtsfreundlichen Vertre­tung gemangelt hat, heißt ja nichts anderes, als dass man hier – aus welchen Gründen auch immer – als Einschreiter darauf verzichten musste, sich eines Rechtsanwaltes zu bedienen.

Wenn mein Vorredner erwähnt hat, wie günstig die Gebühren bei diesem Verfahren sind: Wir sehen es ja – die Gebühren sind offensichtlich nicht das Einzige, was zu berappen ist, wenn man bei einem solchen Verfahren Erfolg haben will. Das wird in diesem Bericht sehr eindeutig dokumentiert.

Herr Bundesminister! Dieser Bericht wird von unserer Fraktion zustimmend zur Kennt­nis genommen, denn die Zahlen entsprechen den Tatsachen.

In der Europäischen Union – und wir bekennen uns zu diesem Rechtssystem – wird die Auffassung vertreten, dass das Ziel der europäischen Regelung die Transparenz der Auftragsvergabe, der freie Wettbewerb sowie die Gleichbehandlung der Bewerber und Bieter untereinander sind und dass die nationale und die europäische Wirtschaft davon profitieren sollen. Ich glaube, davon sollten wir wirklich profitieren! Aber dorthin ist noch ein Stück Weges zurückzulegen.

Ich meine, Herr Bundesminister, dass das Rechtsschutzsystem gerade für kleine Un­ternehmerinnen und Unternehmer bei uns hier durchaus noch sehr ausbaufähig ist. –


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 111

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grü­nen.)

15.55

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.55

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Damen und Herren! Ein vergabespezifischer Rechtsschutz hat auch bis 2002 bereits bestanden – das geht aus dem Bericht hervor –, nur betrug bis dahin der so genannte Oberschwellenwert mindestens 5 Millionen €.

Es geht aus dem Bericht auch hervor, dass dies zu einer Ungleichbehandlung führte, worauf der Verfassungsgerichtshof damals hinwies und diese Rechtsnorm aufhob. – Der Gesetzgeber, meine Damen und Herren, hat sofort eine Reparatur dieser Norm vorgenommen, indem er auch für den Unterschwellenwert einen Rechtsschutz ein­führte.

Meine Damen und Herren! Über diesen Rechtsschutz betreffend Vergabenorm liegt jetzt der Bericht vor. Es wurde von den Vorrednern schon gesagt, dass dies ein durch­aus positiver Bericht ist. Aus diesem Bericht geht auch hervor, dass dieser Unter­schwellenwert Sinn macht und dessen Einführung sehr vernünftig ist. Es wird auch dar­auf hingewiesen, dass dadurch mehr Transparenz gewährleistet ist. Außerdem ist auch davon die Rede, dass es zu keinen Verfahrensverzögerungen kommt und dass auch keine mutwilligen Inanspruchnahmen des Vergaberechtsschutzes beobachtet werden konnten.

In Summe ist dies ein sehr positiver Bericht und eine gute Sache. Meine Fraktion nimmt diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.57

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.57

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! (Bundesrat Bieringer: Warum husten Sie schon vorher?) War­um sollte ich nachher überhaupt husten?

Vorweg: Wir werden dem Bericht zustimmen. Es gibt nur einen Punkt, den wir anmer­ken möchten, im Hinblick auf welchen Sie, Herr Minister, vielleicht etwas zur Klärung beitragen könnten: Wir befürchten, dass die Gemeinden bei diesen Ausschreibungen überfordert sind und Kosten in der Form entstehen, dass externe Berater und Berate­rinnen engagiert werden müssen, um das Ganze abwickeln zu können.

Die anderen Bereiche wurden hier schon angeführt, aber vielleicht könnten Sie diesbe­züglich noch Klärung herbeiführen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­räten der SPÖ.)

15.58

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Dernoscheg. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.58

Bundesrat Dr. Karl-Heinz Dernoscheg (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Es ist dies das erste Mal, dass ich hier im Hohen Haus das


Bundesrat
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713. Sitzung / Seite 112

Wort ergreifen darf, und zwar zu einem spannenden Thema, wenn man die Hinter­gründe ein bisschen beleuchtet, hingegen zu einem weniger spannenden Thema, wenn man nur darauf achtet, dass es hiebei um die Rechtsschutznormen für Vergaben im Unterschwellenbereich geht. Letzteres ist wieder einmal ein Wort, wie es die Juris­ten gerne erfinden. – Es geht im Grunde um kleine und mittlere Aufträge an kleine und mittlere Unternehmen.

Ich habe mich bisher noch nicht zu Wort gemeldet, aber sehr viel zugehört und heute auch einiges gelernt. Von Herrn Kollegen Schennach habe ich heute gelernt – ich darf das mit ein bisschen Humor sagen –, dass die eigentlichen Arbeitsplatzschaffenden die Gemeinden sind. – Folglich werden wir jetzt bei uns in der Steiermark alle Manager und Unternehmer bitten, von ihren Posten zurückzutreten, und werden Bezirksräte und Bürgermeister bei uns anstellen! – So viel zu Punkt eins.

Punkt zwei – das ist wirklich ein Punkt, der mir persönlich sehr wichtig ist, das darf ich bei meiner ersten Rede auch gleich sagen –: Die Arbeitsplätze werden bei uns von unternehmerischen Menschen geschaffen. Die Arbeitsplätze werden von Managern geschaffen, und sie werden von tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschaffen und gehalten – und von sonst niemandem! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist dies nicht als persönliche Kritik gemeint! Das ist Einstellungssache!

Zweiter Punkt: Was wir heute auch gehört haben, war – Herr Kollege Schimböck, Sie haben das, glaube ich, gesagt –, dass es jetzt einen Rechtsschutz für diesen Unter­schwellenbereich gibt. Das sind die Aufträge unter 5 Millionen €, wenn es sich um Bau­angelegenheiten handelt, beziehungsweise unter 200 000 €, wenn es sich um Liefer- und Dienstleistungsverträge handelt. Das sind schon Beträge, die für Klein- und Mittel­betriebe sehr interessant sind.

Der Rechtsschutz hat bisher bereits bestanden, nur: Die einzige Möglichkeit für einen Unternehmer oder für ein Unternehmen, wenn es geglaubt hat, dass es zu Unregelmä­ßigkeiten im Verfahren gekommen ist, war, die ordentlichen Gerichte anzurufen. Das ist der Unterschied; es war nicht so, dass bisher kein Rechtsschutz bestanden hätte. Diese ordentlichen Gerichte haben – und das war auch immer wieder die Aussage be­ziehungsweise das Anliegen der Wirtschaft – zu lange gearbeitet, die Verfahren waren kostenintensiv. Deswegen habe ich die Aussage nicht richtig verstanden – oder habe ich die Aussage vielleicht falsch verstanden –, wenn es geheißen hat, dass es jetzt teurer geworden sei. Es ist günstiger geworden! Die Beträge bewegen sich zwischen 200 € und 5 000 €. Dass Rechtsanwälte Geld kosten, ist eine klare Sache; das ist aber, glaube ich, nicht durch ein Gesetz zu regeln.

Wie gesagt, die ordentlichen Gerichte sind jetzt nicht mehr anzurufen. Auch bei diesen geringeren, bei kleineren und mittleren Aufträgen ist jetzt das Bundesvergabeamt zu­ständig. Es sind aber – und deswegen habe ich gemeint: wenn man hinter den Bericht schaut – auch noch ein paar andere Punkte sehr wichtig. In dem am 1.9.2002 in Kraft getretenen Bundesvergabegesetz ist nicht nur diese Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit im Bundesvergabeamt durchgesetzt worden, sondern es kam auch zu anderen we­sentlichen Verbesserungen:

Die Veröffentlichungspflicht der Entscheidungen war immer eine Forderung der Wirt­schaft, weil gerade mittlere und kleinere Unternehmen wissen müssen: Wer war Best­bieter, und warum ist es dazu gekommen? – Dies nicht deswegen, weil es hier um Un­rechtmäßigkeit geht, sondern weil man daraus auch lernt. Wer wie ich auch am inter­nationalen Markt anbietet, weiß, dass er wahrscheinlich zwei oder drei Mal anbieten muss, bis er einmal kapiert hat, wie es in einem bestimmten Land funktioniert. Diese Veröffentlichungspflicht ist daher, glaube ich, eine sehr gute Sache.


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Ebenso sehr wichtig ist – und mir ist das im Bericht eigentlich ein bisschen abgegan­gen –, dass es die Möglichkeit gibt, ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen. Ich glaube, das ist für uns alle sehr wichtig. So kann ein Auftrag­geber bei der Vergabe auch Aspekte wie eine positive Wirkung auf die Langzeitarbeits­losigkeit, eine positive Wirkung bei der Beschäftigung von Behinderten oder älteren Menschen in Betracht ziehen – ein wesentlicher Punkt, weil gerade kleine und mittlere Unternehmen oft diejenigen sind, die einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin länger halten, länger anstellen, auch wenn er oder sie – sagen wir es einmal mit einem häss­lichen Wort – nicht mehr so „profitabel“ ist wie vielleicht ein jüngerer. Und dass diese Unternehmen auch dafür belohnt werden können, dass sie die Treue ihrer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter auch dadurch belohnen, dass sie nicht sofort Freisetzungen durchführen, das ist, glaube ich, auch im öffentlichen Bereich ein wichtiger Schritt.

Es wurde heute schon erwähnt: Es kam zu 60 Beschwerden. Das ist keine Überfor­derung des Bundesvergabeamts. Die Kosten habe ich erwähnt. Dass es auch zu posi­tiven Auswirkungen für die öffentliche Hand gekommen ist, wird im Bericht auch nicht verschwiegen. Die Vorbereitungsarbeiten bei Ausschreibungen werden jetzt vielleicht professioneller durchgeführt, was nur ein Vorteil ist: Ausschreibungen werden besser lesbar, und es wird auch, sage ich einmal, für Anfänger möglich, sie zu lesen und durchzuführen. Und auf der anderen Seite führt das auch zu einer Qualitätsverbes­serung, zu einer Kostenwahrheit und zu einer Kostenminimierung bei öffentlichen Auf­traggebern.

Und eines möchte ich auch noch sagen: Ich habe mich in den letzten eineinhalb Mona­ten mit über 100 Einpersonen-Unternehmen und Kleinstunternehmern in ganz Öster­reich unterhalten, in jedem Bundesland Österreichs war ich. Und dort haben die Unter­nehmer im Grunde genommen genau das gefordert, was auch hier im Bericht ent­halten ist: den offenen, fairen und gleichwertigen Zugang zu öffentlichen Aufträgen, zu kleineren Aufträgen. Sie wollen dort auch mitmachen können. Das ist die beste Form der Wirtschaftsförderung: dass sie anbieten können, dass sie arbeiten können – und nicht, dass sie irgendwelche Subventionen bekommen.

Auch wir können ihnen Aufträge geben: Schauen wir bei unseren privaten Beschaf­fungsvorhaben vielleicht auch das eine oder andere Mal öfter auf kleinere und mittlere Betriebe, und kaufen wir nicht nur bei größeren! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.04

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Barten­stein.

 


16.04

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Vorsitzen­der! Hoher Bundesrat! Ich kann mich im Wesentlichen dem, was hinsichtlich meines Berichtes zu den Auswirkungen des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte gesagt worden ist, anschließen: Hier geht es um Rechtsschutz, hier geht es um Transparenz, hier geht es zweifellos um den Mittelstand, der insbesondere in diesem so genannten unterschwelligen Bereich tätig ist und sich dort um öffentliche Aufträge bemüht. 5 Millionen € sind es im Baubereich, in anderen Bereichen sind diese Schwellen deutlich niedriger: im Bereich von Dienstleistungen zum Beispiel 200 000 €, oder einzelne Lose eines Dienstleistungsauftrages 80 000 € – nach altem Geld etwas mehr als 1 Million Schilling.

Im Übrigen: Mit der Direktvergabemöglichkeit hat das nur indirekt etwas zu tun. Es wurde schon gesagt, Herr Bundesrat Schimböck: Eine Direktvergabe ist unterhalb von 20 000 € durchaus möglich und angemessen, und es sind, glaube ich, alle Bürger und


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alle Dienstleister auch berechtigt, sich darum zu bemühen. Hier soll man niemanden ausschließen, bloß weil es politisch opportun ist.

Diese KMU-Relevanz scheint mir von besonderer Bedeutung zu sein, und da muss man sich natürlich auch fragen: Hat sich jetzt durch diesen neuen Rechtsstatus ein Szenario ergeben, das auch gewisse Belastungen für den Mittelstand bringt?

Schauen wir uns die Gebühren an! – Diesbezüglich ist schon gesagt worden: Früher waren es Rechtsanwaltskosten, die jedenfalls zum Tragen gekommen sind, wenn man sich an ordentliche Gerichte wenden musste, jetzt sind es Gebühren bis 2 500 €. Aber auch das ist die Hälfte dessen, was im oberschwelligen Bereich erforderlich ist. Wenn man hier gar keine Gebühren oder minimale Gebühren ansetzen würde, dann hätte man vermutlich eine Flut von Einsprüchen, ein überlastetes Bundesvergabeamt. Ich weiß, wovon ich spreche: Wir müssen die Dienstposten dort zur Verfügung stellen – sehr, sehr schwierig! Im Übrigen: Auch die notwendige Sachkompetenz zu lukrieren, um die Senate auszustatten, war keinesfalls ganz einfach. – Also das wäre wahr­scheinlich auch nicht günstig.

Aber wir überprüfen das alles. Es gibt ein Projekt, das heißt „Wirtschaftsfreundliches Vergaberecht“. Ich bitte auch Ihrerseits um Inputs dorthin. Wenn es Dinge gibt, die nicht vernünftig laufen, dann kann man dort durchaus Änderungen initiieren. Wir sind im Übrigen wohl für die Umsetzung des Bundesvergabegesetzes zuständig, für die Legistik ist das Bundeskanzleramt zuständig – eine ganz interessante Situation.

Insgesamt ist die Wirtschaft mit diesem Gesetz zufrieden, und da der Normadressat des Gesetzes ja die Wirtschaft ist, ist das für mich ganz wesentlich. Insgesamt ist daher auch dieser Bericht ein positiver.

Sind jetzt – ein öfter gehörter Kritikpunkt – externe Beratungsleistungen im Übermaß notwendig, zum Beispiel auf der Gemeindeebene? – Es ist relativ leicht vorstellbar, meine geschätzten Bürgermeister hier im Bundesrat, dass, um sich an die Vorschriften zu gewöhnen, um letztlich, wie das Dernoscheg gesagt hat, die Sache auch ein, zwei, drei Mal durchzuspielen, einmal externe Beratungsleistungen eingekauft werden. Aber dann sollte das Verfahren eigentlich auch innerhalb einer Gemeinde stehen. Ich nehme an, dass, wie gesagt, dadurch vor allem Einmalkosten angelaufen sind; das sind nicht unbedingt Dauerkosten.

Die positive Präventivwirkung möchte ich auch betonen. Ich glaube, dass mittelstän­dische Anbieter auf der Basis dieses Rechtsschutzes ein wenig sicherer sein können, dass von den Auftraggebern fair agiert wird. Unter dem Strich ist das also, glaube ich, ein Schritt zu mehr Transparenz, zu mehr Gerechtigkeit im öffentlichen Vergabebe­reich. Und – auch das hat Bundesrat Dernoscheg angeführt – man soll das öffentliche Vergabewesen nicht überbelasten, aber man kann natürlich über das öffentliche Ver­gabewesen auch beispielhaft agieren: im sozialen Bereich, im Umweltbereich und, und, und. Wie gesagt: Keine Überbelastung – das geht nicht –, aber Signale soll und kann man setzen, aber immer unter der Voraussetzung, dass es fairen Wettbewerb unter den Anbietern gibt. Und dazu ist diese neue Rechtssetzung, die es seit 2002 gibt, sicher ein kleiner Schritt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.09

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.


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Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegen­ständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

7. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Andreas Schnider, Günther Molzbich­ler, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schule und Bildung – Entwicklungschancen des österreichischen Schulsys­tems“ (138/A-BR/2004)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun auf Grund der ergänzten und neu gereihten Tagesordnung zum 7. Tagesordnungspunkt.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag ihre Zustimmung ge­ben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Abhal­tung einer Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, des Gegenstandes, der Tagesordnung und des Teilnehmer­kreises darf ich auf den bereits allen Mitgliedern zugegangenen Antrag 138/A-BR/2004 verweisen.

8. Punkt

Wahl von Ausschüssen

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu Punkt 8 der Tagesordnung.

Auf Grund des Ergebnisses der Vorarlberger Landtagswahl ist die Wahl von Ausschüs­sen erforderlich geworden. Es liegt mir der Antrag der Bundesräte Bieringer, Konecny, Böhm, Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates folgende Ausschüsse zu wählen:

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten,

Ausschuss für Bildung und Wissenschaft,

EU-Ausschuss,

Finanzausschuss,

Ausschuss für Frauenangelegenheiten,

Gesundheitsausschuss,

Ausschuss für innere Angelegenheiten,

Justizausschuss,

Kulturausschuss,

Landesverteidigungsausschuss,


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Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft,

Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz,

Ausschuss für Sportangelegenheiten,

Umweltausschuss,

Ausschuss für Verfassung und Föderalismus,

Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie,

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit.

Diese Ausschüsse sollen jeweils 15 Mitglieder und Ersatzmitglieder umfassen, wobei jeweils 7 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 6 auf die SPÖ, jeweils ein Mit­glied und Ersatzmitglied auf die FPÖ und die grüne Fraktion entfallen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Die vorher genannten Ausschüsse sind somit neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind von den Frak­tionen die auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen und gelten damit als gewählt.

Im Ständigen gemeinsamen Ausschuss gemäß § 9 Finanz-Verfassungsgesetz ist auf Grund der Vorarlberger Landtagswahl ebenfalls die Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes erforderlich, da nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses die Mitglieder und Ersatzmitglieder vom Bundesrat direkt zu wählen sind.

Es liegt mir ein entsprechender Wahlvorschlag der Bundesräte Bieringer, Kolleginnen und Kollegen für ein Mitglied und ein Ersatzmitglied vor, der wie folgt lautet: Mitglied: Edgar Mayer, Vorarlberg; Ersatzmitglied: Jürgen Weiss, Vorarlberg.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag die Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Bundesrat Edgar Mayer ist somit als Mitglied und Bundesrat Jürgen Weiss als Ersatz­mitglied gewählt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe bekannt, dass die Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen den Selbständigen Entschließungsantrag 139/A eingebracht haben.

Ich weise diesen Entschließungsantrag dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur Vorberatung zu.

Weiters gebe ich noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 22 Anfragen, 2236/J bis 2257/J, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 5. November 2004, 9 Uhr, in Aussicht ge-


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nommen. Für die Tagesordnung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 3. November 2004, ab 14 Uhr vor­gesehen.

Ich gebe noch bekannt, dass die Konstituierung der Ausschüsse am Mittwoch, 3. No­vember, um 13 Uhr im Lokal III erfolgen wird.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 16.13 Uhr

 

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