Stenographisches Protokoll

719. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 17. März 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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719. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 17. März 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 17. März 2005: 9.02 – 20.51 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Tschechischen Republik über die Beschäftigung in Grenzzonen

2. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Tschechischen Republik über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweite­rung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse

3. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Vertretung der Republik Malta durch österreichische Vertretungsbehörden hinsicht­lich der Erteilung von Visa zur Durchreise und zum kurzfristigen Aufenthalt

4. Punkt: Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen samt Anhang

5. Punkt: Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten samt Anhängen

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bundesgesetz über den Umweltsenat geändert werden

7. Punkt: Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (7. Führerscheingesetz-Novelle) und die Straßenverkehrsordnung geändert werden

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Schüssel betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz                    26


Bundesrat
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Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend Umreihung der Tagesord­nung:

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 28

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 29

Stefan Schennach ........................................................................................................ 29

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 29

Unterbrechungen der Sitzung .........................................................................  29, 88, 90

Mitteilung des Präsidenten Mag. Georg Pehm betreffend Umreihung der Ta­gesordnung                       29

Einwendungen des Bundesrates Ludwig Bieringer gegen eine Umreihung der Tagesordnung           ............................................................................................................................... 30

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 30

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 30

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 32

Stefan Schennach ........................................................................................................ 32

Vorschlag auf Umreihung der Tagesordnung findet keine Mehrheit .............................. 33

Fragestunde (110.)

Bildung, Wissenschaft und Kultur ............................................................................... 9

Josef Saller (1405/M-BR/05); Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kerschbaum, Mag. Susanne Neuwirth

Roswitha Bachner (1410/M-BR/05); Karl Bader, Engelbert Weilharter, Stefan Schennach

Dr. Peter Böhm (1414/M-BR/05); Elisabeth Kerschbaum, Mag. Susanne Neu­wirth, Herta Wimmler

Andrea Fraunschiel (1406/M-BR/05); Dr. Peter Böhm, Eva Konrad, Mag. Su­sanne Neuwirth

Ana Blatnik (1411/M-BR/05); Edgar Mayer, Mag. John Gudenus, Stefan Schenn­ach

Eva Konrad (1409/M-BR/05); Mag. Susanne Neuwirth, Helmut Kritzinger, Dr. Pe­ter Böhm

Herwig Hösele (1407/M-BR/05); Engelbert Weilharter, Dr. Ruperta Lichtenecker, Günther Prutsch

Dr. Erich Gumplmaier (1412/M-BR/05); Michaela Gansterer, Roland Zellot, Eva Konrad

Mag. Bernhard Baier (1408/M-BR/05); Mag. John Gudenus, Stefan Schennach, Adelheid Ebner

Günther Molzbichler (1413/M-BR/05); Martina Diesner-Wais, Ing. Siegfried Kampl, Dr. Ruperta Lichtenecker

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 9


Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 3

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 28

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 27

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend: Alles unternehmen, um die Fußball-Europameisterschaft 2008 für Österreich zu retten! (2297/J-BR/05)                       91

Begründung: Ana Blatnik .............................................................................................. 91

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ......................................................................... 96

Debatte:

Theodor Binna ............................................................................................................ 103

Ludwig Bieringer ........................................................................................................ 105

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 107

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 109

Manfred Gruber .......................................................................................................... 110

Hans Ager ................................................................................................................... 111

Roland Zellot ............................................................................................................... 112

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ....................................................................... 113

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesmi­nisterin für Inneres betreffend Verdringlichung der Anfrage 2709/J – XXII. GP des Abg. Dipl.-Ing. Uwe Scheuch betreffend Telefonüberwachung durch das Büro für interne Angelegenheiten (2299/J-BR/05) ... 114

Begründung: Albrecht Konecny ................................................................................. 114

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik .................................................................... 115

Debatte:

Ernst Winter ................................................................................................................ 118

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 119

Stefan Schennach ...................................................................................................... 120

Roland Zellot ............................................................................................................... 121

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 123

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 123

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 125

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik über die Beschäftigung in Grenzzonen (688 d.B. und 801 d.B. sowie 7221/BR d.B.) ............................................ 34

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 35

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der


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Tschechischen Republik über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (689 d.B. und 802 d.B. sowie 7222/BR d.B.) ................................................................................................................. 34

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 35

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Vertre­tung der Republik Malta durch österreichische Vertretungsbehörden hinsichtlich der Erteilung von Visa zur Durchreise und zum kurzfristigen Aufenthalt (628 d.B. und 800 d.B. sowie 7223/BR d.B.) ................................................................. 34

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 35

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend eine Ver­einbarung über die Satzung der Europäischen Schulen samt Anhang (705 d.B. und 803 d.B. sowie 7224/BR d.B.) ....................              34

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 35

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Überein­kommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten samt Anhängen (609 d.B. und 799 d.B. sowie 7225/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 34

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 35

Redner/Rednerinnen:

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 35

Dr. Erich Gumplmaier ................................................................................................. 36

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 38

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 40

Michaela Gansterer ...................................................................................................... 41

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 41

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 42

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Be­schluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. den in Artikel 1, 2, 3, 10 und 11 enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen ...................... 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 44

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bun-


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desgesetz über den Umweltsenat geändert werden (511/A und 827 d.B. sowie 7220/BR d.B. und 7226/BR d.B.) ........................................ 44

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 45

Redner/Rednerinnen:

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 45

Herwig Hösele .............................................................................................................. 46

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  49, 82

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 52

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................  54, 72

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 56

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 57

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 58

Jürgen Weiss ................................................................................................................ 59

Manfred Gruber ............................................................................................................ 62

Eva Konrad ................................................................................................................... 64

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 65

Stefan Schennach ........................................................................................................ 68

Karl Boden .................................................................................................................... 73

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 75

Angela Lueger .............................................................................................................. 76

Günther Prutsch ........................................................................................................... 77

Günther Molzbichler .................................................................................................... 78

Johanna Auer ............................................................................................................... 79

Günther Kaltenbacher ................................................................................................. 80

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 81

Mag. John Gudenus (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 84

Andrea Fraunschiel ...................................................................................................... 84

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 85

Elisabeth Kerschbaum (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 87

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bundesgesetz über den Umweltsenat geändert werden (511/A und 827 d.B. sowie 7220/BR d.B.), gemäß § 43 GO-BR einen Einspruch zu erheben – Ableh­nung (namentliche Abstimmung) .....................................................................................  85, 88

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ....................................................... 90

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 90

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa (789 d.B. und 820 d.B. sowie 7227/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 126

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 126

Redner/Rednerinnen:

Hans Ager ................................................................................................................... 126

Günther Molzbichler .................................................................................................. 127

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 129

Stefan Schennach ...................................................................................................... 131


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719. Sitzung / Seite 6

Herwig Hösele ............................................................................................................ 133

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 135

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 137

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 138

Eva Konrad ................................................................................................................. 142

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 144

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 145

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 146

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ......................................................... 148

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000 geändert wird (515/A und 821 d.B. sowie 7228/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 148

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 148

Redner/Rednerinnen:

Hans Ager ................................................................................................................... 148

Johann Giefing ........................................................................................................... 149

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 150

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (7. Führerscheingesetz-Novelle) und die Straßenverkehrsordnung geändert werden (794 d.B. und 817 d.B. sowie 7229/BR d.B.) ............................................................... 150

Berichterstatter: Ing. Hermann Haller ........................................................................ 150

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ............................................................................................................ 150

Edgar Mayer ................................................................................................................ 151

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 153

Roland Zellot ............................................................................................................... 155

Ana Blatnik .........................................................................................................  156, 159

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 157

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 158

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 160

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Ewald Lindinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung betreffend Kasernenschließungen (2295/J-BR/05)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Feinstaubbelastung auf Grund der fehlenden Umsetzung des IG-L durch den Landeshauptmann von Nieder­österreich (2296/J-BR/05)


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Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend: Alles unter­nehmen, um die Fußball-Europameisterschaft 2008 für Österreich zu retten! (2297/J-BR/05)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend „Militärisches Heli-Skiing“ (2298/J-BR/05)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verdringlichung der Anfrage 2709/J – XXII. GP des Abg. DI Uwe Scheuch betreffend Telefonüberwachung durch das Büro für interne Angelegenheiten (2299/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Ausstieg aus der Atomenergie (2300/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend verstärkte Sprach- und Sprechförderung für Kinder (2301/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Verfolgung von Geschwindigkeitsüber­tretungen (2302/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Feldversuch für eine 24-Stunden-Korridorvignette (2303/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausbau der Bahnstrecke Bregenz–St. Gallen (2304/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Maßnahmen zur Lösung des Asylproblems (2305/J-BR/05)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Bundesräte

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Kontrollausschussbericht der Wirtschaftskammer Öster­reichs – Verletzung von Berichtspflichten (2279/J-BR/04) (Zu 2279/J-BR/05)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau und Förderung der Ökoenergie in Österreich (2091/AB-BR/05 zu 2282/J-BR/04)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend genaue Aufschlüsselung der Minderheitenförderung des BMBWK in den Jahren 2003 und 2004 (2092/AB-BR/05 zu 2285/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Anna Elisabeth Haselbach, Ludwig Bieringer, Engelbert Weilharter, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Beziehungen zwischen Öster­reich und der Republik Yemen (2093/AB-BR/05 zu 2280/J-BR/04)


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719. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Feinstaubbelastung – Gefährdung für ländliche Bevölkerung (2094/AB-BR/05 zu 2284/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Post-Universaldienstverordnung (2095/AB-BR/05 zu 2283/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Straßenverkehrszeichen in Kärnten III – Missachtung des Interpellationsrechtes (2096/AB-BR/05 zu 2287/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Edgar Mayer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Änderung des Pensionskassengesetzes (2097/AB-BR/05 zu 2281/J-BR/04)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Straßenverkehrszeichen in Kärnten (2098/AB-BR/05 zu 2286/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unter­besetzung der Zollfahndung in Vorarlberg (2099/AB-BR/05 zu 2288/J-BR/04)


09.02.00


Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich eröffne die 719. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 718. Sitzung des Bundesrates vom 2. Februar 2005 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzleramt über die Entschließung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht hat, dass innerhalb des Zeitraumes vom 11. März bis 17. März 2005 die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat durch die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer vertreten wird.

09.03.00Fragestunde

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.03 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstre­cken werde.

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Bundesministe­rin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. – Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundes­rat Saller, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1405/M-BR/2005

„In welchen Bereichen würden durch die Abschaffung der 2/3-Mehrheit bei Schul­gesetzen größere Handlungsspielräume für Schulreformen gewonnen?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Es gibt im Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 14, einen Ab­satz 10, der bestimmt, dass alle Schulgesetze, die sich mit Schulorganisationen be­schäftigen, mit einer Zweidrittelmehrheit, einer quasi Verfassungsmehrheit, bei An­wesenheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten zu beschließen sind. Dabei geht es um das Bundes-Schulaufsichtsgesetz, Schulorganisationsgesetz, Privatschulgesetz, Schulpflichtgesetz, Schulzeitgesetz, Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, Religi­onsunterrichtsgesetz, Konkordat. Etwa 120 Seiten in den Gesetzen befassen sich mit dieser Zweidrittel-Materie. Dazu gehören zum Beispiel die ganztägigen Schulformen, die Fünf-Tage-Woche, dazu gehören die Einführung von neuen Fächern, die Schul­sprengel, die Umbenennung von Gegenständen, die AHS-Oberstufenreform, Klassen­schülerzahlen, Schulzeit und die Weiterentwicklung der Schulaufsicht. Das alles ist von dieser Zweidrittel-Materie erfasst.

 



Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 10

Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Ist auch in Zukunft die Schulgeldfreiheit gesichert?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Schulgeldfreiheit ist derzeit im Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz festgehalten. Es gibt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, in der die Schulgeldfreiheit auch verankert ist. Außerdem gibt es einen Vorschlag im Österreich-Konvent, dass wir bei den Grundrechten einen Bildungs-Artikel haben, wo die Schulgeldfreiheit drinsteht, und ich glaube, damit ist die Schulgeldfreiheit auch in Zukunft abgesichert.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Wie sehen Sie die Zukunft des Religionsunterrichtes und der katholi­schen Privatschulen im Zusammenhang mit der Aufhebung der Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Frage des Religionsunterrichtes und die Frage der katholischen Privatschulen ist im Konkordat abgesichert, und zwar sehr, sehr detailliert. Darin steht alles, von der Zur­verfügungstellung des Personals bis zur Bestellung des Direktors durch die Religions­gemeinschaften, und ich glaube, dass es keine demokratisch gewählte Regierung in Österreich geben wird und auch keine Partei, die dieses Konkordat irgendwie in Frage stellen wird.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie beurteilen Sie die Einmischung der katholischen Kirche, die jetzt ja fordert, die Zweidrittelmehrheit beizubehalten?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es werden 121 Stellen zu einer Begutachtung eingeladen. 29 Stellungnahmen sind einge­langt. Da im Begutachtungsentwurf steht, wenn jemand keine Stellungnahme abgibt, wird dies als positiv für den Gesetzentwurf gewertet, haben also alle anderen praktisch keine Einwendungen gegen dieses Gesetz. Es ist aber das Recht jeder Stelle, die man fragt, eine Stellungnahme abzugeben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Mag. Neuwirth gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin! Wenn Sie kategorisch ausschließen, dass eine ÖVP-dominierte Regierung Schulgeld in irgendeiner Form in einer Schulart einführen wird, warum wenden Sie sich dann gegen eine diesbezügliche verfassungsmäßige Bestimmung?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Österreichische Volkspartei hat am 9. Dezember im Parlament einen entsprechenden Antrag mit den Schwerpunkten, was in der Verfassung bleiben möchte, eingebracht,


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719. Sitzung / Seite 11

wo die Eckpunkte Schulgeldfreiheit, Schulpflicht, Konkordat enthalten waren – die SPÖ hat dagegen gestimmt. Daraufhin hat Klubobmann Gusenbauer gesagt, er stimmt der Zweidrittelmehrheit nur zu ohne Wenn und Aber, ohne irgendwelche Bedingungen.

Wir haben uns dann dazu durchgerungen, um eben diese Möglichkeit der Gestaltung im Schulbereich zu erhalten, einen Vorschlag zu machen: Abschaffung der Zweidrittel­mehrheit ohne Wenn und Aber; und ich glaube, dass es nun an der SPÖ liegt, diese Ansage einzuhalten.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Bachner, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1410/M-BR/2005

„Wie wollen Sie die durch die PISA-Studie dringend notwendigen Reformschritte finan­zieren, wenn die Budgeterhöhung im Bildungsbereich von lediglich 1,04 % von den Verwaltungs- und Sachausgaben inhaliert wird und noch dazu im Bereich der Pflicht­schulen, also dem Bereich, wo am dringendsten Handlungsbedarf nach PISA gegeben scheint, 2006 mit neuerlich 2 100 Dienstposten weniger zu rechnen ist?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Erste Feststellung: PISA ist eine Überprüfung von kognitiven Kompetenzen und keinesfalls eine Überprüfung der gesamten Persönlichkeitsbildung, die in den Schulbereichen erfolgt.

Zweitens: Seit 1995 werden im Schulbereich Reformschritte unternommen: Wir haben die Lehrpläne entrümpelt, wir haben Freiräume in der Stundentafel geschaffen, wir haben die Leadership Academy eingeführt, wir haben die spezielle Leseförderung ein­geführt, und wir werden alle diese Maßnahmen weiterführen.

Drittens: Die Zeiten, in denen man ein Budget daran gemessen hat, wie viel der jähr­liche Zuwachs beträgt, sind vorbei. Erstens ist die Anzahl der Kinder rückläufig, und wo weniger Kinder sind, werden erfahrungsgemäß weniger Lehrer gebraucht. Zweitens werden Schwerpunkte finanziert. Das heißt, es wird für die Frage der Qualitätssiche­rung die so genannte Qualitäts-Milliarde auf drei Jahre verteilt im Budget festgehalten, es wird die so genannte Technologie-Milliarde im Budget verteilt festgehalten.

Ihre Behauptung, dass es 2 100 Dienstposten weniger gibt, ist nicht nachvollziehbar. Es gibt eine klare Regelung mit den Ländern, dass die Dienstposten nach der Anzahl der Schüler zugeteilt werden. Im Jahr 2006 gibt es einen Schülerrückgang in den Pflichtschulen von 14 000 Schülern und Schülerinnen und daher auch entsprechend weniger Dienstposten. Es gibt allerdings in anderen Bereichen mehr Schüler, und dort gibt es auch mehr Dienstposten.

Meine Damen und Herren, ich meine, dass dieses Budget ein Budget ist, das den Er­fordernissen gerecht wird und mit dem schwerpunktmäßig Tagesbetreuung, Qualitäts­sicherung und spezielle Förderung unterstützt werden.

 


Am Rande möchte ich noch erwähnen, dass alle Bundesländer zusammen 12 Mil­lionen € mehr für die Förderung im Pflichtschulbereich erhalten; das sind etwa 400 Dienstposten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 12

Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat Bader.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Gibt es Schülerzuwächse an allgemein bildenden höheren Schulen sowie an berufsbil­denden mittleren und höheren Schulen? Und wie wirkt sich das im Budget 2006 aus?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Insge­samt gab es seit dem Jahre 1995 einen Schülerzuwachs von etwa 30 000 an weiter­führenden Schulen, das heißt, der Trend zur Bildung hält an.

Im nächsten Schuljahr wird es 5 726 Schüler und Schülerinnen mehr geben; das ist eine Steigerung von 1,5 Prozent. Diese gestiegene Schülerzahl wird mit 533 Dienst­posten auch im Dienstpostenplan berücksichtigt. Das heißt: mehr Schüler – mehr Dienstposten; bedeutend weniger Schüler – weniger Dienstposten.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Weilharter, bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Welche konkreten Maßnahmen zur frühen Sprachförderung für Kinder werden Sie innerhalb welchen Zeitraumes setzen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Alle Maßnahmen im Schulbereich haben eine Vorlaufzeit von mindestens einem Jahr, weil ja das Schuljahr im Herbst beginnt und man bereits – vorausschauend – im Herbst davor Maßnahmen setzen muss.

Wir erfassen derzeit, was in den Bundesländern schon gemacht wird. Es gibt in zahl­reichen Bundesländern Angebote in den Kindergärten. Die Erfassung der Kinder kann frühestens ab kommendem Herbst beginnen, das heißt, ab dem Schuljahr 2006/2007 kann im Kindergartenbereich mit gezielten Fördermaßnahmen begonnen werden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Bundesministerin! Für die Jahre 2005 und 2006 werden 12 Millionen € für Förderungsprogramme im Pflichtschul­bereich zur Verfügung gestellt, und zwar für Kleinschulen sowie für individuelle Förde­rung.

Können Sie, Frau Bundesministerin, eine Garantie abgeben, dass es auch nach 2006 diese Mittel in den Budgets geben wird?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sofern die ÖVP wieder die Verantwortung trägt, wird es diese Mittel geben. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei den Grünen.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Böhm, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 13

1414/M-BR/2005

„Wie sinnvoll erachten Sie manche Bestrebungen zur Einrichtung von Gesamtschulen im Gegensatz zum Modell einer „gemeinsamen Schule der 6- bis 15-Jährigen“ mit innerer Differenzierung?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Mir ist das „Modell der gemeinsamen Schule der 6- bis 15-Jährigen“ bisher noch nicht be­gegnet, aber wir werden es uns sehr aufmerksam anschauen, wenn ein derartiger Vor­schlag eingebracht wird.

Ich glaube, dass wir alle Vorschläge zur Veränderung der Schulstruktur – gesammelt – einem Expertenrat übergeben sollten. Es gibt die Vorschläge: fünf Jahre Volks­schule/sechs Jahre Volksschule, Polytechnische Schule anders; weiters gibt es den Vorschlag, aus dem Kindergarten eine Vorschule zu machen; weiters gibt es den Vor­schlag zwölfjährige Schulpflicht.

Ich glaube, wir sollten all diese Vorschläge von einer Expertenkommission prüfen las­sen, damit wir gemeinsam einen guten Weg finden, wie wir unser Schulsystem, das ein gutes Schulsystem ist, weiterentwickeln können. Und da werden wir uns auch diesen Vorschlag sehr ernsthaft anschauen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Wie bewer­ten Sie weitere notwendige und begleitende Maßnahmen für eine solche gemeinsame Schule, wie zum Beispiel Modifizierung der Lehrerarbeitszeit, flexible Zeitstrukturen, Selbstevaluation von Schule und Lehrerschaft, Einführung eines Schulmanagements und Ähnliches?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Modifizierung der Lehrerarbeitszeit ist uns mit der Einführung des neuen LDG gelun­gen, wobei ich mich sehr herzlich für die Unterstützung von allen Seiten bedanke. Das neue Landeslehrer-Dienstrecht ist ein Jahresarbeitszeitnormmodell, das einen flexiblen Einsatz der Lehrer und Lehrerinnen ermöglicht. Es wird sehr gut angenommen.

Alle anderen Bereiche, so zum Beispiel flexible Zeitstrukturen, Selbstevaluation, Ein­führung eines Schulmanagements sind Bereiche, die wir seit dem Jahr 1995 verfolgen, wobei das bereits in vielen Schulen erprobt wird.

Ich glaube, es wäre jetzt an der Zeit, dass wir dort, wo es notwendig ist, auch die ge­setzlichen Maßnahmen setzen – und das können wir dann sehr einfach machen, wenn es einen Beschluss über die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gibt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Kurzfristige Abänderung meiner geplanten Frage, weil Sie gerade gesagt haben, Expertenteams sollen dann beurteilen, welche Form die beste ist, und wir können das dann mehr oder weniger gemeinsam beschließen.

Da stellt sich für mich schon die Frage: Wer sucht diese Expertenteams aus? Es gibt ja verschiedenste Experten, die verschiedene Formen für gut befinden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 14

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich werde mir ganz sicher Vorschläge machen lassen und werde daraus ein Expertenteam zusammenstellen. Dieses Team wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissen­schaft und Kultur beauftragt und bezahlt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mag. Neu­wirth, bitte.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin! Wel­che Maßnahmen setzen Sie in Zukunft, um eine stärkere individuelle Förderung von SchülerInnen zu ermöglichen, und zwar sowohl für die lernschwachen Schülerinnen und Schüler als auch für besonders begabte?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich muss nicht erst in Zukunft Maßnahmen setzen: Wir haben bereits zahlreiche Maß­nahmen gesetzt. So ist beispielsweise das Begabtenzentrum in Salzburg als Institut geschaffen worden, das in alle Schulbereiche hineinwirkt.

In Österreich gibt es – diesbezüglich eines der wenigen Länder in Europa – die Mög­lichkeit, besonders begabte Jugendliche eine Klasse überspringen zu lassen. Ebenso gibt es die Möglichkeit, dass die Jugendlichen frühzeitig an der Universität studieren; das geschieht schon. Die Prüfungen, die dann gemacht werden, werden selbstver­ständlich anerkannt.

In Österreich gibt es weiters die Möglichkeit, besonders begabte Jugendliche durch zahlreiche Projekte, so zum Beispiel Olympiaden in allen Bereichen – Mathematik-, Physikolympiaden –, zu fördern.

Die Förderung lernschwächerer Schüler ist mir ein ganz besonderes Anliegen: In jeder Volksschulklasse gibt es zwecks Förderung pro Jahr 36 Stunden und in jeder Hauptschulklasse 72 Stunden.

Wir werden demnächst einen Erlass herausgeben, dass diese Stunden nicht in der Stundentafel laufend als Angebote festzuhalten sind, sondern dass für einen Klas­senvorstand, der ab Herbst 2006 diese Funktion abgegolten erhalten wird – auch im LDG, auch im Pflichtschullehrerbereich –, eine spezielle Aufgabe auch darin besteht, für lernschwächere Kinder individuelle Fördermaßnahmen zusammenzustellen, eben auf Basis dieser Förderstunden.

Dazu kommen noch die 12 Millionen €, die es ermöglichen, dass 400 Lehrer zusätz­lich für diese Fördermaßnahmen in Österreich eingesetzt werden.

Ich darf noch anfügen: Diese 12 Millionen € gibt es schon ab Jänner 2005; nicht erst ab Herbst. Das steht ab Jänner 2005 zur Verfügung. Die Länder könnten daher längst Maßnahmen in diese Richtung treffen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Wimmler, bitte.

 


Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sind bestimmte Formen der Schulorganisation grundsätzlich erfolgreicher als andere, oder sind für die Qualität der Ausbildung andere Faktoren ausschlaggebend?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Aus keiner Studie gibt es die Erkenntnis, welche Schulorganisation die bessere ist. Es gibt Länder mit Gesamtschulen, die – mit Individualisierung – ein sehr gutes Ergebnis


Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 15

haben. Es gibt Länder mit Gesamtschulen, die ein sehr schlechtes Ergebnis haben, weil sie keine Individualisierung machen. Es gibt Länder mit einem sehr differenzierten System, wie Bayern, die ein sehr gutes Ergebnis haben, oder auch die Niederlande.

Im Schulbereich kommt es auf die Förderung, auf die Individualisierung und auf die spezielle Unterstützung sowie auf die Qualität des Unterrichts an. Das sagen alle Ex­perten, angefangen von Professor Haider bis zu den deutschen Experten. Alle Exper­ten sagen unisono: Es kommt auf die Qualität des Unterrichts an!

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Fraunschiel, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Meine Frage lautet:

1406/M-BR/2005

„Welche Maßnahmen werden Sie nach der konstruktiven Diskussion beim ,Reform­dialog für Bildung‘ zur qualitativen Weiterentwicklung des Bildungssystems setzen?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich möchte eingangs festhalten, das wir seit 1995 in Zusammenarbeit mit allen Fraktionen dieses Hauses zahlreiche Reformschritte gesetzt haben. Das fängt bei der Entrümpe­lung des Lehrplanes an, geht bis zum fächerübergreifenden Arbeiten und bis zur neuen Didaktik im naturwissenschaftlichen Bereich. Diese Diskussion war ein weiterer Schritt für Maßnahmen. Die Sofortmaßnahme ist nun die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit. Der Antrag ist bereits eingebracht und befindet sich in Begutachtung, er wird dem­nächst in das Parlament kommen.

Die zweite Sofortmaßnahme ist die Schärfung des Aufgabenprofils der Klassenvor­stände im neuen LDG und die Bezahlung der Klassenvorstände mit 70 € pro Monat ab September 2006.

Weitere Reformschritte sind die Verwirklichung der 5-Tage-Woche für alle im Pflicht­schulbereich, die Tagesbetreuung, die frühe Sprachförderung, die Förderung der besonders schwachen Schüler, die Leseförderung und die Förderung in naturwissen­schaftlichen Fächern. Weiters planen wir die verpflichtende Lehrerfortbildung und die Umwandlung der pädagogischen Akademien in pädagogische Hochschulen.

Bereits im Laufen ist die Ausbildung für Führungskräfte in der Leadership Academy. Die Weiterentwicklung bei der Schulaufsicht wird in drei Pilotprojekten erprobt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Nein, die Zusatzfrage nach dem Zeithorizont wurde schon beantwortet. – Herzlichen Dank.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geschätzte Frau Bundesminis­terin! Sie haben zu Recht auf die zentrale Bedeutung der Qualität des Unterrichts hingewiesen, daher meine Frage, die Sie in einigen Punkten allerdings schon ange­sprochen haben:


Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 16

Welche Schritte werden Sie zur weiteren Professionalisierung der Lehrerfort- und -wei­terbildung, insbesondere vor dem Hintergrund der im Aufbau befindlichen pädago­gischen Hochschulen, setzen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wie es in ganz Europa üblich ist, werden wir die pädagogischen Akademien zu pädagogischen Hochschulen weiterentwickeln. Damit wird dann der Abschluss für Lehrer und Lehre­rinnen im Pflichtschulbereich mit einem Bakkalaureat erfolgen, das heißt, sie werden somit auch die Möglichkeit haben, dass ihr Studium an den Universitäten weitergeführt werden kann.

Wir werden weiters die Lehrerweiterbildung entsprechend entwickeln, und zwar da­durch, dass wir speziell Führungskräfte ausbilden werden. Es ist wichtig, dass wir im Schulbereich gut ausgebildete Führungskräfte haben und dass die Lehrer immer in neuen Methodiken ausgebildet werden. Dabei werden uns die neuen Technologien, nämlich auch E-Learning und Distance Learning eine besondere Hilfe sein.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Konrad gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Werte Frau Bundesministerin! Angesichts der Tatsache, dass das zentrale Ergebnis des Reformdialogs, nämlich die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit, ja an und für sich schon vorher feststand, stellt sich mir folgende Frage:

Wo sehen Sie die Sinnhaftigkeit eines solchen Reformdialogs, abgesehen von seiner Öffentlichkeitswirksamkeit?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Sinnhaftigkeit eines Reformdialogs besteht darin, dass dort jeder seine Meinung äußern kann, dass auf diese Meinungen auch eingegangen wird. Soweit ich mich erinnere, hat niemand gegen die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit dort das Wort erhoben, das heißt: Alle haben das sehr begrüßt. Auch die weiteren Maßnahmen, die vorgeschlagen worden sind, sind sehr begrüßt worden, sodass ich annehme, dass die zehn Punkte des Reformdialogs von allen Fraktionen in diesem Haus getragen werden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Mag. Neuwirth gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin! Ein Ergebnis des Reformdialogs war auch die Forderung nach ganztägigen Schulformen, von denen heute schon die Rede war.

Wie viele zusätzliche Budgetmittel stehen für ganztägige Schulformen, egal, ob es sich nun um Ganztagsschulen oder um Nachmittagsbetreuung an Schulen handelt, zur Ver­fügung?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir werden einen Gesetzesantrag einbringen, dass von den Schulen Angebote zur Tages­betreuung gemacht werden. Von Bundesseite werden für jede Tagesbetreuungsgruppe zehn Lernstunden bezahlt, für 10 000 Plätze sind 8 Millionen € im Budget vorgesehen. Diese 8 Millionen € sind heuer im Budget, die 8 Millionen € sind auch nächstes Jahr im Budget. Derzeit gibt es etwa 50 000 Betreuungsplätze. Diese Zahl kann jedes Jahr um


Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 17

10 000 erhöht werden, aber für uns steht im Vordergrund, dass der wirkliche Bedarf erhoben wird und dass die Eltern die Wahlfreiheit haben, ob sie ihr Kind tagsüber betreuen lassen wollen oder ob sie wollen, dass ihr Kind nach Hause kommt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Blatnik, um Verlesung der Anfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Gospa ministrica! Meine Frage lautet:

1411/M-BR/2005

„Halten Sie es für zulässig, die Verantwortung des zuständigen Museumsdirektors Klaus Albrecht Schröder für die nicht genehmigte Ausfuhr von Hauptwerken der Alber­tina, darunter der berühmte ,Feldhase‘ von Dürer, auf die Spedition, die den Transport abgewickelt hat, abzuschieben?“

Prosim za odgovor tega vprašanja.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Laut Bundesmuseengesetz ist die Rechtslage eindeutig und klar: Für die gesamte Ge­schäftsführung der Albertina ist der Direktor zuständig.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Frau Bundesrätin? – Das ist nicht der Fall.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mayer gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesministerin! Wie beurteilen Sie die Albertina grundsätzlich seit ihrer Wiedereröffnung?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wer die Albertina früher gekannt hat und wer sie heute sieht, weiß, dass die Albertina eine ungeheuer positive Entwicklung genommen hat. Sie ist am 13. März 2003 wieder eröff­net worden. Das historische Palais ist vollkommen restauriert. Gerade die Ausstellun­gen, die in der Albertina gezeigt werden, sind von sehr, sehr hoher Qualität. Ich würde mich freuen, wenn sich der Bundesrat dazu entschlösse, die Mondrian-Ausstellung in der Albertina zu besuchen. Ich lade Sie alle dazu ein.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesminister! Ist Ihnen bekannt, welche österreichischen Kulturgüter, die sich im Besitz der Republik Öster­reich befinden, in nächster Zeit ins Ausland verliehen werden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist grundsätzlich so, dass alle Kulturgüter, die der Republik und damit den Bürgerinnen und Bürgern gehören, unter Denkmalschutz stehen. Es ist mir nicht bekannt, welche Kulturgüter verliehen werden. Es ist die Aufgabe der Direktoren, beim Bundesdenkmal­amt, das eine weisungsfreie Behörde ist, jede einzelne Ausfuhr bewilligen zu lassen. Dabei ist es notwendig, dass von Seiten des Bundesdenkmalamtes sehr wohl unter-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 18

schieden wird, wo schwierige Fragen zu klären sind und wo es um Dinge geht, die ohne weiteres bewilligt werden können.

Es werden jährlich etwa 850 Ausfuhrgenehmigungen erteilt. 510 davon betreffen Güter, die man zeitlich befristet ausleiht, die anderen betreffen Ausfuhren von Privaten, die diese Ausfuhransuchen stellen. Es ist die Aufgabe jedes einzelnen Museums und des Direktors, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass das geschieht. Und es ist die Aufgabe des Bundesdenkmalamtes, sorgfältig, aber nicht zeitverzögernd bei den schwierigen Fällen vorzugehen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Werte Frau Bundesminister! Es war wahrscheinlich nicht geplant, dass der Öffentlichkeit durch dieses Vorkommnis der Besitz des „Feldhasen“ wieder in Erinnerung gerufen wurde. Er ist jetzt wahrscheinlich sehr bekannt. Es stellt sich nur die Frage, wenn die Grafiken bei halber Beleuchtung nicht geschädigt werden und somit ausgeführt werden dürfen, warum das eigentlich nicht gleich bei der Bewilligung der Fall war.

Meine konkrete Frage an Sie aber lautet: Wann wird es wieder eine Liste darüber geben, welche Kunstschätze ausgeführt werden dürfen und welche nicht, beziehungs­weise welche explizit nicht ausgeführt werden dürfen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben uns schon bei der Gesetzwerdung des Bundesmuseengesetzes im Jahre 1998 intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Wenn man sich die Entwicklung des euro­päischen Ausstellungswesens anschaut, dann sieht man, dass Sonderausstellungen einen besonderen Stellenwert gewonnen haben. Man sieht auch, dass Sonderausstel­lungen für die einheimische Bevölkerung, auch für den Tourismus, für den Kulturtouris­mus, von besonderer Bedeutung sind. Wenn man es genau betrachtet, erkennt man auch, dass man nur besondere Sonderausstellungen bekommt, wenn man auch selbst bereit ist, die eine oder andere besondere Leihgabe herzugeben. Sonst schottet man sich vom europäischen und weltweiten Leihverkehr ab.

Diese Liste ist deswegen so schwierig, weil es immer wieder eine Weiterentwicklung bei den Konservierungsmethoden gibt und weil es immer wieder neue Formen des Transportes gibt. Deswegen ist es äußerst schwierig, eine endgültige Liste zu erstellen und zu sagen: Das darf auf keinen Fall jemals verliehen werden. Ich kann mich daran erinnern, wie für eine Ausstellung in Deutschland an uns das Ansuchen kam, dass wir die Kaiserkrone verleihen. Da haben wir natürlich gesagt: Das geht nicht. Sie ist nicht in einem derartigen Zustand, dass man sie überhaupt verschicken kann. Dieses Ansu­chen ist abgelehnt worden.

Wir diskutieren zurzeit die Frage: Soll man eine generelle Liste erstellen? Allerdings ergibt sich dann wieder die Notwendigkeit, immer wieder die Konservierungsmethoden zu überprüfen. Oder soll man wirklich in jenen 541 Fällen, die im Jahr als Antrag kom­men, entscheiden? Diesbezüglich sind wir derzeit in Diskussion.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Konrad, um die Verlesung der An­frage. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 19

1409/M-BR/2005

„Was haben Sie und Ihr Ministerium nach der Veröffentlichung des Schlussantrages von EU-Generalanwalt Jacobs bezüglich der Diskriminierung ausländischer Studieren­der durch Österreich veranlasst, damit der freie Hochschulzugang erhalten bleibt?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Wir haben diesen Antrag des Generalanwalts sehr genau geprüft. Wir haben gesehen, dass sich zwei Bereiche ergeben, die in keiner Art und Weise berücksichtigt wurden. Es wurde nicht berücksichtigt, welche wirtschaftlichen Auswirkungen es haben könnte, wenn vom Europäischen Gerichtshof festgestellt wird, dass nach österreichischem Recht alle, die studieren wollen, zuzulassen sind. Es hat kein Land in Europa dieselbe Position wie Österreich, dass wir nämlich in einem 8-Millionen-Land einen 80-Millionen-Nachbarn haben, der dieselbe Sprache spricht. Die Verhältnisse sind bei uns also nicht dieselben, wie sie in Frankreich oder in England gegeben sind.

Das Zweite, was wir dem Europäischen Gerichtshof schickten, ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichts in Deutschland, dass in Deutschland Studiengebühren zulässig sind, dass sich etliche Bundesländer überlegen, Studiengebühren einzuführen, und dass natürlich dann, wenn Studiengebühren in Deutschland höher als in Österreich sind, der Druck auf die österreichischen Universitäten noch größer wird.

Das heißt, wir ersuchten den Europäischen Gerichtshof, das Verfahren wieder aufzu­nehmen. Eine Entscheidung steht noch aus.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bun­desrätin.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sollten diese Mittel keinen Erfolg haben, planen Sie dann eine Einführung des Numerus clausus oder andere Begrenzungen für den Hochschulzugang auch für ÖsterreicherInnen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Der Numerus clausus war in Deutschland mäßig erfolgreich. Wir werden nicht etwas, das in einem Nachbarland mäßig erfolgreich ist, einführen.

Die Frage ist: Soll die Studieneingangsphase mit der Selbsterkenntnis, ob man für das Studium geeignet ist, noch verbessert werden? – Derzeit sind Planungsgruppen an der Arbeit. Wir sind aber auch am Überlegen, ob es andere Möglichkeiten gibt, die diesem Gleichbehandlungsgebot nicht widersprechen. Es gibt auch im Grundrecht und in anderen Bereichen verschiedene Maßnahmen. Wir überprüfen derzeit, ob sich dort irgendwo eine Möglichkeit ergibt, dass wir die Art und Weise, wie wir jetzt vorgegangen sind, weiter aufrechterhalten können.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Mag. Neuwirth gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin! Die Entscheidung wird ja demnächst fallen. Planen Sie nach dieser Entscheidung und nach Ihren jetzt getätigten Ausführungen die Erhöhung der Studiengebühren?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Nein.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Kritzinger gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 20

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Welche inhaltlichen Kritikpunkte gibt es bei dem Schlussantrag des Generalanwaltes?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die inhaltlichen Kritikpunkte beziehen sich vor allem darauf, dass bei all diesen Verfahren – aber das ist allgemein in der EU so üblich – die wirtschaftlichen Belange überhaupt keine Rolle spielen. Wir werden deshalb in den EU-Gremien vorstellig werden – der Herr Bundeskanzler wird auch in seinen Gremien vorstellig werden –, dass bei der­artigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes wirtschaftliche Belange und vor allem die unterschiedlichen Positionierungen der verschiedenen Länder auch eine Rolle spielen sollten. Es ist ein Unterschied, ob man einen Nachbarn mit 80 Millionen Einwohnern hat, der dieselbe Sprache spricht, oder ob man, wie Frankreich oder England, so einen Nachbarn nicht hat. Deswegen möchten wir, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie sieht vor diesem Hintergrund und der allfälligen Gefahr einer budgetären Mehr­belastung der aktuelle Stand in der Vorbereitung so genannter Eliteuniversitäten oder Exzellenzzentren aus? Inwieweit ist Ihr Ressort bereits mit diesem Projekt befasst?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: In den letzten Jahren wurde eine enorme Anstrengung im Forschungsbereich unternommen, Exzellenzzentren aufzubauen. Wir brachten die Gelder dafür aus verschiedenen Berei­chen, aus Privatisierungen, jeweils zusätzlich auf. Wir gründeten das Josef-Penninger-Institut in Wien, das einen enormen Aufschwung nimmt. Wir setzten MedAustron, in dem ein großes Forschungszentrum beinhaltet ist, auf eine Schiene, sodass es ver­wirklicht werden kann.

Die so genannte Eliteuniversität wird eine große Forschungsuniversität sein, in der Nachdiplom-Studien, also PhD-Studien, angeboten werden. Mir ist es ganz wichtig, dass ein derartiges Spitzeninstitut zusammen mit den Universitäten gegründet wird. Ich kann mir auch vorstellen, dass Spitzeninstitute an Universitäten mit diesem Elite-Gütesiegel versehen werden und eine fruchtbare Zusammenarbeit entsteht.

Eines ist ganz klar: Wenn so eine Eliteuniversität entsteht, muss sie zusätzlich zum Budget finanziert werden. Es müssen aber auch private Finanzierungen gefunden wer­den. Das kann nicht einzig und allein dem Steuerzahler anheim fallen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage. Da Herr Bun­desrat Dr. Schnider verhindert ist, hat er gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekannt gegeben, dass Herr Bundesrat Hösele in das Fragerecht eintritt. Ich bitte den Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundes­rat.

 


Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin!

1407/M-BR/2005

„Sind für die Forschungsinfrastruktur an den Universitäten in den Bundesfinanzgeset­zen Mittel vorgesehen?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 21

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Förderung der Forschung ist der große Schwerpunkt der österreichischen Bundes­regierung. Wir stellen 2005 und 2006 insgesamt 600 Millionen € für die verschiedenen Bereiche zur Verfügung. Für die Universitäten schnürten wir ein eigenes Paket, eine besondere Investition in die Forschungsinfrastruktur. Wir forderten die Universitäten in den letzten Tagen auf, uns ihre Anträge zu schicken. Wir werden 50 Millionen € zusätz­lich für Forschungsinfrastruktur an die Universitäten vergeben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Wenn ich das richtig verstanden habe, erhalten die Universitäten zusätzlich zu ihrem Globalbudget Mittel. 50 Millionen € gibt es jetzt zusätzlich. Wie ist das mit den Zusatzmitteln in Summe, Frau Bundesministerin?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Universitäten erhalten neben ihrem Globalbudget, das für drei Jahre ausverhandelt und festgelegt ist, die Gehaltserhöhungen dazu. Das sind 32,7 Millionen €. Für Vorzieh­professuren erhalten sie 10,2 Millionen €. Für die Uni-Infrastruktur wurden das letzte Mal 18 Millionen € zur Verfügung gestellt, jetzt 50 Millionen €. Weiters gibt es für ver­schiedene Projekte, wie neue Medien in der Lehre, Zusatzfinanzierungen. Das heißt also, das Universitätsbudget beträgt im Jahr 2004 mit den Studienbeiträgen und den Zusatzmitteln 2,093 Milliarden €.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Weilharter gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! In meiner Frage wäre es auch um das Forschungsinfrastrukturprogramm gegangen. Sie hat sich also mit der Zusatzfrage des Kollegen Hösele erledigt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Dr. Lichtenecker gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin! Wie stehen Sie zur Etablierung einer Eliteuniversität, und wie soll diese gegebenenfalls finanziert werden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich sehe es positiv, dass von Professor Zeilinger der Vorschlag gemacht wurde, an eine Eliteuniversität zu denken. Wir haben eine große Arbeitsgruppe eingesetzt, in der alle wichtigen Leute mitplanen. Die Finanzierung einer derartigen Eliteuniversität muss zum Teil aus Steuergeldern, zum Teil privatwirtschaftlich erfolgen. Es darf auf keinen Fall den Universitäten von ihrem Budget etwas weggenommen werden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Prutsch gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Von den Rektoren wurde wiederholt die Forderung nach einem Paket von 100 Millionen € gestellt. Wie stehen Sie zu diesen Forderungen beziehungsweise wie gehen Sie auf diese Forderungen ein?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 22

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Mit den zusätzlichen Mitteln, vor allem mit den neuen 50 Millionen € für Infrastruktur an den Universitäten haben wir diese Forderung de facto erfüllt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage. Ich bitte den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Gumplmaier, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1412/M-BR/2005

„Nach welchen wissenschaftlichen Methoden werden von Ihnen der Bedarf bzw. das Interesse nach zusätzlichen Nachmittagsbetreuungsplätzen oder nach ganztägigen Schulformen festgestellt?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Mir sind keine wissenschaftlichen Methoden bekannt, nach denen man eine derartige Feststellung treffen kann. Wir machen es mittels Erhebung. Das heißt, an den Schulen muss gefragt werden, es muss ein Angebot gemacht werden und es muss im Schul­gemeinschaftsausschuss besprochen werden: Brauchen wir eine Tagesbetreuung? Welche Art der Betreuung brauchen wir? – Es muss vor Ort entschieden werden, ob die Schule eine Betreuung für eine ganze Klasse wünscht oder ob die Schule Gruppen einrichtet, bei der die Schüler und Schülerinnen aus verschiedenen Klassen kommen. Bei jeder Gruppe ab 15 Schülern und Schülerinnen werden vom Bund zehn Lernstun­den zur Verfügung gestellt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Wäre es in dieser Frage nicht wirkungsvoller, sich im Besonderen an die Eltern zu wenden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es hat jede Schule die Aufgabe, die Eltern zu fragen, denn der Bedarf kann nur vor Ort fest­gestellt werden und die Eltern müssen ihren Bedarf anmelden. Die Schule hat dann die Aufgabe, zusammen mit der Gemeinde die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Sie haben vollkommen Recht: Die Eltern müssen ihren Bedarf melden, und die Schule muss mit den Eltern Kontakt aufnehmen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Gansterer gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin! Wie soll die Anpassung der Schulzeit an die moderne Arbeitswelt der Eltern im Konkreten erfolgen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Ich mache den Vorschlag, dass wir gemeinsam ein Gesetz beschließen, in dem die Fünf-Tage-Woche für den gesamten Pflichtschulbereich beschlossen wird – die Fünf-Tage-Woche ist ja in vielen Bereichen die übliche Arbeitswelt – und in dem wir für die weiter­führenden Schulen, das heißt für die HTLs, Handelsakademien und die Oberstufen-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 23

gymnasien, die Möglichkeit geben, dass diese mit einfacher Mehrheit die Fünf-Tage-Woche beschließen. Ich glaube, das wäre eine große Erleichterung.

Weiters sollen alle Schulen ein Angebot für eine Tagesbetreuung machen. Die Eltern sollen entscheiden, ob sie es annehmen wollen oder nicht.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Zellot gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Frau Bundesministerin! Können Schulen im Bereich der Nachmittagsbetreuung mit Vereinen kooperieren?

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 24

Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Nachmittagsbetreuung wird folgendermaßen organisiert: Es gibt zehn Lernstunden. Die Lehrer und die Lehrpersonen dafür bezahlt der Bund. Darüber hinaus organisiert der Schulerhalter – die Gemeinde oder der Bund – Freizeit, Sportzeit, Musikzeit. Da ist es sehr erwünscht, dass die örtlichen Vereine eingebunden werden. So werden die Kin­der auch zum Vereinsleben hingeführt, und ich glaube, so haben Vereine auch die Chance, Nachwuchs zu bekommen. – Ich werde das sehr unterstützen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Konrad gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Viele Schulen sind rein räumlich nicht dafür ausgestattet, eine ganztägige Betreuung zu er­möglichen. Es wird zum Beispiel keinen Sinn machen, dass Kinder in der Schulklasse, in der sie vormittags lernen, ihr Mittagessen einnehmen und sich nachmittags dann dort erholen sollen. Wird es Mittel geben, die eventuell Verbesserungen in diesem Bereich ermöglichen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Man soll sich heute die modernen Schulen anschauen, die die Gemeinden und der Bund gebaut haben! Diese Schulen bieten Sporträume, Turnsäle, Gymnastikräume, eine Aula, Küchen, Essräume. Die Klassenzimmer sind wie Wohnzimmer eingerichtet. Wer sich in einer modernen Schule umschaut, der sieht, dass hinten eine Sitzecke steht, daneben stehen Blumen. Schauen Sie sich die Schulbibliotheken an, wo es in jeder Schulbibliothek eine Leseecke gibt! Schauen Sie sich an, welche Angebote im Informa­tikbereich gegeben sind!

Ich glaube, dass es in den meisten Schulen gute Möglichkeiten gibt, den Kindern eine gute Tagesbetreuung anzubieten, und dass manche Kinder dort vielleicht bessere Möglichkeiten haben als daheim. Ich glaube nicht, dass enorme Umbauten notwendig sind. Ich denke, dass in den bestehenden Räumlichkeiten eine sehr gute Nachmittags­betreuung angeboten werden kann.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Baier, um die Verlesung der An­frage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1408/M-BR/2005

 


„Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Evaluierungsstudie der Bundes­museen?“

Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Evaluierungsstudie der Bundesmuseen prüfte jedes einzelne Haus. Es wurde festge­stellt, dass sich unsere Museen enorm positiv weiterentwickelten, dass die Autonomie und Selbständigkeit für die Museen ein richtiger Schritt war und dass die Museen einen guten internationalen Ruf haben. Es wurden aber auch einige Defizite in einzelnen Häusern festgestellt. Es ist die Aufgabe der einzelnen Häuser – das ist ihre Haus­aufgabe –, daran zu arbeiten, dass dort, wo eventuell noch ein Defizit besteht, dieses verbessert wird.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wünschen Sie eine Zusatzfrage?

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Die Frage ist bereits beant­wortet.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Sollen Museen Ihrer Ansicht nach Orte der Bewahrung und Forschung bleiben oder vermehrt als Veranstaltungsorte kommerzieller Ereignisse – um den Begriff „Events“ zu vermei­den – zur Verfügung stehen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Museen haben einen sehr umfassenden Auftrag: Sie müssen sammeln, bewahren, wissenschaftlich arbeiten, ausstellen und viele Menschen für die Museen begeistern. Ich glaube, sie müssen beides machen. Es ist immer wieder eine spannende Heraus­forderung, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich denke, es ist wichtig, viele Menschen in die Museen zu bringen. Ich meine, es ist auf der anderen Seite wichtig, all diese Museumsaufgaben zu erfüllen. Das ist eine interessante Herausforderung und ein ganz großes Spannungsfeld.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben hier im Bundesrat des Öfteren schon über das Thema der Konkurrenzsitua­tion zwischen den Bundesmuseen und der Überschneidung der Angebote diskutiert. Warum gibt diese wichtige Evaluierungsstudie genau zu diesen beiden Fragen so gut wie keine Antworten?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Evaluierungsstudie hatte den eindeutigen Auftrag, erstens die Auswirkung des Mu­seumsgesetzes 1998 zu evaluieren, zweitens die Entwicklung der einzelnen Häuser zu evaluieren und zusätzlich für die einzelnen Häuser festzustellen, welche weiteren Schritte sie machen müssen.

Ich werde jetzt noch eine betriebswirtschaftliche Studie in Auftrag geben, weil in dieser Studie auch festgestellt wurde, dass man den gesamten Budgetrahmen überprüfen und sich anschauen muss, wer wirklich noch etwas mehr benötigt.

 


Alle internationalen Experten sagen aber, dass totale Neuordnungen bei guten be­stehenden, gewachsenen Systemen nicht besonders zielführend sind. Deswegen haben wir diese Fragen auch nicht gestellt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 25

Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Ebner gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Welche Sicherheitsmaßnahmen wurden anlässlich des Diebstahls der „Saliera“ in den österreichischen Bundesmuseen gesetzt, und welche Kosten sind daraus entstanden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Sicherheitsmaßnahmen aller Museen werden laufend erhoben. Sie werden laufend verbessert, und in den Budgetjahren 2004/2005 und auch danach sind jeweils 5 Millio­nen € für die Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen enthalten.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Molzbichler, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1413/M-BR/2005

„Wie werden Sie gezielt Frauen fördern, damit die Anzahl der arbeitslosen Akademike­rinnen, die in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, zurückgeht?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Hin­sichtlich der Arbeitslosigkeit liegt Österreich mit 4,5 Prozent nach Irland und Luxem­burg an dritter Stelle in der Europäischen Union. Ich stelle aber fest: Jeder einzelne Arbeitslose ist einer zu viel. Deswegen müssen wir größte Anstrengungen unterneh­men. Ich stelle weiters fest, dass alle Investitionen in Technologie, in Eliteuniversitäten und in neue Institute Investitionen dafür sind, dass Akademikerinnen eine Stelle haben. In diesen Bereichen werden wir im Budget weiterhin die Schwerpunkte setzen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Diesner-Wais gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Grüß Gott, sehr ver­ehrte Bundesministerin! Wie ist der Stand der Frauenförderung an den Universitäten?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es war mir ein besonders großes Anliegen, dass wir den hohen Standard der Frauenförderung an den Universitäten im Universitätsgesetz 2002 weiter festhalten. Die Frauenförde­rung und Gleichbehandlung ist dort voll verankert. Wir haben einen Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen an allen Universitäten. Wir haben eine Schiedskommission an den Universitäten, die eingerichtet wird. Wir haben universitätsspezifische Frauen­förderpläne bereits an 17 Universitäten ausgearbeitet, und wir unternehmen zahlreiche Anstrengungen, dass man den Studentinnen die Wahrnehmung ihrer Kinderbetreu­ungspflichten und das Studium ermöglicht. Es ist mir das also ein großes Anliegen; alle Universitäten haben da einen Schwerpunkt gesetzt.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Kampl, bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 26

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Durch welche Maßnahmen gedenken Sie die Zahl der Forscherinnen und Forscher in Österreich vor allem in den Bereichen Naturwissenschaften und Technik zu steigern?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die erste Maßnahme erfolgt im Rahmen der Forschungsoffensive dahin gehend, dass neue Institute gegründet werden, damit die jungen Akademiker und Akademikerinnen Arbeitsplätze haben. Weiters ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, dass wir Frauen für Naturwissenschaften mehr begeistern, denn ich glaube, Frauen sind für Naturwis­senschaften mindestens so gut geeignet wie Männer, weil sie mindestens so logisch denken wie Männer. Deswegen haben wir das Programm „fFORTE“, Frauen, For­schung und Technologie, und das Projekt „MUT – Mädchen und Technik“ ins Leben gerufen, und deswegen werden wir auch die Anstellung von Professorinnen an der Universität speziell unterstützen. Das heißt, jene Universität wird belohnt, die mehr Professorinnen beruft.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Bundesminis­terin! Was sollen Ihrer Meinung nach die autonomen Universitäten tun, um den Anteil der Universitätsprofessorinnen zu erhöhen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Die Universitäten müssen nach der Methode der positiven Diskriminierung vorgehen. Das heißt, wenn sich für eine Stelle eine Frau und ein Mann bewerben und die gleichen Qualifikationen vorliegen, ist die Frau zu bevorzugen. Ich mache das so in meinem Ministerium. Ich habe zwei Sektionschefinnen, ich habe eine Direktorin der National­bibliothek, ich habe eine Direktorin des Technischen Museums. Außerdem haben wir ein Programm gestartet: „professorinnen x2“. Es handelt sich hier um ein finanzielles Anreizprogramm: Wenn Universitäten Frauen anstellen, bekommen sie noch eine Prämie dazu.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Die Fragestunde ist beendet.

Gemäß § 59 Abs. 8 der Geschäftsordnung gebe ich bekannt, dass Herr Bundesrat Wolfgang Schimböck seine Anfrage an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zurückgezogen hat.

09.53.10Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2091/AB bis 2099/AB und des Schreibens des Bundes­kanzlers betreffend Nominierung eines stellvertretenden österreichischen Mitgliedes des Ausschusses der Regionen über Vorschlag der niederösterreichischen Landesre­gierung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 27

Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

Mag. Georg Pehm

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 1-3

1017 Wien

Wien, am 2, März 2005

GZ: 405.828/0001-IV/5/2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

In Entsprechung von Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass die Bundes­regierung anlässlich des Ministerrates am 1. März 2005 Frau Landesrat Mag. Johanna MIKL-LEITNER anstelle von Herrn Mag. Edmund FREIBAUER, Präsident des nieder­österreichischen Landtages, über Vorschlag der niederösterreichischen Landesregie­rung als stellvertretendes österreichisches Mitglied des Ausschusses der Regionen gemäß Art. 263, 4. UAbs. EGV nominiert hat.

Ein tabellarischer Lebenslauf und ein politisches Portrait von Frau Landesrat Mag. MIKL-LEITNER liegen bei.

Ich ersuche um Kenntnisnahme und Information des Bundesrates.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Schüssel

Beilagen

*****

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7)

*****

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Den eingelangten Bericht über die soziale Lage 2003 bis 2004 habe ich dem Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz zugewiesen.

Die ebenfalls eingelangten und nachfolgend genannten Berichte

des Bundeskanzlers an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Euro­päischen Kommission für 2005 und zum operativen Jahresprogramm des Rates für 2005 sowie

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie zur Jahresvorschau des BMVIT 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 28

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen zur Jahresvorschau des BMFG 2005 auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission für 2005 sowie des operati­ven Jahresprogramms des Rates für 2005 sowie

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament zum EU-Arbeitsprogramm 2005 und

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Jahresvorschau des BMAA 2005 auf der Grundlage des operativen Jahresprogramms des Rates sowie des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Kommission und des Strategieprogramms der Kom­mission 2005 bis 2009 sowie

der Bundesministerin für Inneres zur Jahresvorschau des BMI 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahres­programms des Rates

habe ich dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur weiteren Verhandlung zugewiesen.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Professor Ko­necny.

 


9.55.47

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach meinem Wissensstand wird dem Nieder­österreichischen Landtag, der um 13 Uhr seine Tagung aufnimmt, ein Dringlichkeitsan­trag vorliegen, dessen Ziel es ist, die niederösterreichischen Bundesräte aufzufordern, gegen die Beseitigung der UVP bei bestimmten Projekten Einwand zu erheben.

Angesichts der Haltung, die Herr Landeshauptmann Pröll in der Öffentlichkeit einge­nommen hat, habe ich keinen Zweifel, dass dieser Antrag wie in anderen Landtagen einstimmig angenommen werden wird.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Bundesrat eine Abstimmung durchführt, was nach unserer Tagesordnung, wie sie festgelegt wurde, zu erwarten wäre, wenn das bevölkerungsreichste Bundesland mit den meisten Bundesräten zu derselben Stunde eine Aufforderung an Mitglieder dieses Hauses debattiert und vielleicht entscheidet.

Ich würde daher, Herr Präsident, anregen, die Tagesordnung so umzustellen, dass der Bundesrat bei der Abstimmung über diesen Punkt die erfolgte Beschlussfassung des Niederösterreichischen Landtages berücksichtigen kann.

Angesichts der umfangreichen Tagesordnung und der zahlreichen zu behandelnden Dringlichen Anfragen sehe ich auch kein Problem dahin gehend, dass damit unsere Gesamttagungszeit länger werden würde.

Ich weiß, der Vorschlag kommt überraschend, ich ersuche Sie daher, Herr Präsident, die Sitzung zu unterbrechen und der Präsidialkonferenz die Möglichkeit zu geben, diese Überlegung zu erörtern.

 


9.57


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 29

Präsident Mag. Georg Pehm: Hoher Bundesrat! Sie haben das Verlangen von Herrn Professor Konecny gehört.

Gibt es noch eine Wortmeldung zur Tagesordnung? – Bitte, Herr Bundesrat Bieringer.

 


9.57.49

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Meine Damen und Herren! Ich sehe keine Veranlassung, eine Unterbrechung oder Umreihung der Tagesordnung durchzuführen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich bin aber damit einverstanden, dass eine Präsidiale abgehalten wird und dass wir darüber reden. Allerdings eine Zustimmung zu einer Umreihung der Tagesordnung kann ich mir nicht vorstellen. (Ruf bei der SPÖ: Ein Demokrat, wie er im Buche steht!)

9.58


Präsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


9.58.16

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Werter Herr Präsident! Es ist Tradition des Hauses, dass man, wenn eine Fraktion eine Unterbre­chung für eine Präsidialsitzung fordert oder begehrt, diesem Wunsch auch Rechnung trägt. In diesem Sinne würden wir es auch unterstützen, dass es jetzt zu einer Unter­brechung kommt, um das zu beraten.

9.58


Präsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesrat Professor Böhm, bitte.

 


9.58.38

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich schließe mich dem Kollegen Bieringer an: Meine Fraktion ist selbstverständlich auch bereit, eine Präsidialsitzung einzuberufen, dass wir diese Frage noch einmal in Ruhe besprechen können. Aber dieses Anliegen hätte auch schon vorher von Seiten der Opposition kommen können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.59


Präsident Mag. Georg Pehm: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben das Anliegen gehört. Bevor ich eine Entscheidung darüber treffe, ob die Tagesordnung umgestellt wird oder nicht, berufe ich eine Präsidiale ein und werde die Sitzung für die Dauer dieser Präsidiale, jedenfalls aber für 30 Minuten unterbrechen. Die Sitzung wird voraussichtlich um 10.30 Uhr wieder aufgenommen. Ich bitte die Mitglieder der Präsi­diale in das Amtszimmer des Bundesratspräsidenten.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 10 Uhr unterbrochen und um 11.41 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Die Präsidialkonferenz hat sich in ihrer Sitzung eingehend mit der Anregung von Herrn Professor Albrecht Konecny auf eine Umstellung der Tagesordnung befasst. Zu mei­nem Bedauern konnte zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen erzielt werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 30

Aber nach Abwägung aller in der Präsidialkonferenz geäußerten Argumente folge ich der Anregung von Herrn Professor Konecny und stelle die Tagesordnung um. Und zwar wird der Tagesordnungspunkt 6 – Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bundesgesetz über den Umweltsenat geändert werden – als letzter Tagesord­nungspunkt, also als Tagesordnungspunkt 9, in Verhandlung genommen. Die bisheri­gen Tagesordnungspunkte 7 bis 9 erhalten die neue Bezeichnung 6 bis 8.

Bitte, Herr Bundesrat Bieringer.

 


11.42.33

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Ich erhebe gegen diese Umreihung der Tagesordnung Einwendungen gemäß § 41 Abs. 2 der Geschäftsordnung.

11.42


Präsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundesrat! Ich trage dieser Einwendung nicht Rechnung.

In diesem Fall sieht die Geschäftsordnung vor, dass der Bundesrat entscheidet. Bevor ich aber die Abstimmung durchführe, frage ich die Fraktionsvorsitzenden, ob sie dazu das Wort wünschen. (Bundesrat Bieringer, Bundesrat Konecny, Bundesrat Dr. Böhm und Bundesrat Schennach geben jeweils ein Zeichen mit der Hand. – Heiterkeit.) – Bitte, Herr Bundesrat Bieringer.

 


11.43.08

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als am Dienstag in der Präsidiale die Tagesordnung beschlossen wurde, stand fest, dass heute zur gleichen Zeit der Nieder­österreichische Landtag eine Sitzung abhält. Es stand gleichzeitig fest, dass die sozial­demokratische Fraktion bei dieser Landtagssitzung einen Dringlichkeitsantrag einbrin­gen wird, der sich mit dem UVP-Gesetz befasst.

Bisher war es in diesem Haus üblich, dass sich alle Beteiligten, die an Sitzungen teil­zunehmen haben – ich meine hier nicht nur die Damen und Herren des Bundesrates, sondern auch die Damen und Herren der Bundesregierung –, einen Zeitplan erstellen konnten, wann der jeweilige Tagesordnungspunkt aufgerufen wird. Ich stelle nun fest, dass zum ersten Mal quasi auf einen Zuruf von außen die Tagesordnung umgestellt werden soll.

Für meine Fraktion halte ich ausdrücklich fest: Wir sehen keine Veranlassung, eine Umreihung der Tagesordnung vorzunehmen, und werden dies auch bei der Beschluss­fassung kundtun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.44


Präsident Mag. Georg Pehm: Danke schön. – Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Professor Konecny. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.44.31

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt im österreichischen Föderalismus den guten Grundsatz, dass wir miteinander, mit den Landesregierungen, mit den Land­tagen, in enger Kooperation agieren, weil eben der Bundesrat zwar selbstverständlich ein Organ der Bundesgesetzgebung ist, aber seine ganze Legitimation daraus bezieht, dass er aus Mitgliedern besteht, die von den Landtagen entsendet werden – im Ver­hältnis der jeweiligen politischen Wahlergebnisse – und die naturgemäß Interessen der Länder zu vertreten haben.


Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 31

Wir haben uns einen Sitzungsrhythmus angewöhnt, mit dem wir – Sonderfälle ausge­nommen – Vorlagen oder Beschlüsse des Nationalrates so in Verhandlung nehmen, dass zwei Wochen zwischen der Beschlussfassung des Nationalrates und unserer Ab­stimmung liegen, und zwar nicht, weil wir so lange zum Überlegen brauchen, sondern weil den Ländern, in diesem Fall eher den Landesregierungen, die Möglichkeit gege­ben werden soll, ihre Standpunkte uns so rechtzeitig zu übermitteln, dass wir das bei unserer – selbstverständlich individuell zu treffenden – politischen Entscheidung be­rücksichtigen können.

Die Landtage, die relativ selten zu bundespolitischen Fragen Stellung nehmen – wir haben im Zuge der Präsidiale auch festgestellt, dass es hier keinen so hoch entwickel­ten Automatismus wie im Umgang mit den Landesregierungen gibt; daran sollten wir, unabhängig von der heutigen politischen Kontroverse, auch noch ein bisschen dre­hen –, die Landtage jedenfalls sind natürlich auch unsere Partner.

Ich kann nur wiederholen, was ich am Beginn dieser Sitzung und dieser lang andau­ernden Debatte gesagt habe: Es ist ein Gebot der demokratischen Höflichkeit und ein Stück gelebter Föderalismus, dass dann, wenn eine Debatte – wahrscheinlich mit nachfolgender Abstimmung – über einen Gegenstand, den wir heute auf der Tages­ordnung haben, im Niederösterreichischen Landtag ansteht, wir uns nicht entscheiden, bevor der Niederösterreichische Landtag da zu einer Meinung gefunden hat.

Ich rege nicht an, auf Wochen zu vertagen. Wenn wir uns darüber rasch hätten einig werden können, dann hätten wir den ursprünglichen Zeitplan, den ich im Auge hatte, festlegen können: Wir schließen alle anderen Verhandlungsgegenstände bis 16 Uhr ab, dann kommen sowieso Dringliche Anfragen dran, und wenn wir die Sitzung nach Behandlung der Dringlichen wieder aufnehmen, wäre es eben dieser Punkt gewesen und sollte es dieser Punkt sein, den wir behandeln. Denn es ist wirklich eine merk­würdige Vorgangsweise, dem Niederösterreichischen Landtag gewissermaßen die Ent­scheidungsgrundlage zu entziehen. Wenn Kollege Bieringer mit seiner Einwendung Recht behält und dann der Niederösterreichische Landtag zur Abstimmung kommt, kann man ja nur noch sagen: Schleckerbatzerl, was wollt ihr den Bundesrat auffordern, der hat sich ja schon entschieden!

Ich glaube nicht, dass das ein guter Stil des Umgangs in der Demokratie miteinander und zwischen zwei parlamentarischen Körperschaften ist. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sind wir wieder undemokratisch!) – Ja, schlicht und einfach: ja! Das ist ein undemokrati­sches Verhalten. (Bundesrat Bieringer: He, he!) Aber wir sind ja einiges gewohnt an diesem, daher überrascht es auch nicht sehr. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... die Demo­kratie im Parlament!)

Ich verkneife mir selbstverständlich alle meritorischen Argumente zu dieser Vorlage – es wird jede Möglichkeit geben, darüber in der gebotenen Tiefe und Ausführlichkeit zu debattieren –, aber ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen von den Regie­rungsparteien, sich ernsthaft zu überlegen, ob es das richtige Verhalten ist, wenn Sie hier die Entscheidung des Herrn Präsidenten überstimmen.

Ich sage dazu – Sie dürfen mich und uns alle gern beim Wort nehmen –: Das ist nichts, was nur in diesem Fall, in dem wir auch meritorisch gegen das Gesetz sind, für uns wichtig ist. Das gilt für jeden Fall. Wenn wir in irgendeinem Fall von dieser Haltung abweichen, dann steht es Ihnen frei, uns dessen zu bezichtigen, was ich jetzt getan habe, nämlich eines undemokratischen Verhaltens. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 32

11.49.36

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Meine Frak­tion sieht keine Veranlassung für diese in Aussicht genommene Umstellung der Tages­ordnung (Zwischenrufe bei der SPÖ), und das aus verschiedensten Erwägungen.

Die Tagesordnung ist vom Herrn Präsidenten erstellt worden, ihm waren die Sitzungs­abläufe auch bekannt. Wir sehen keinen Grund, seine ursprüngliche Entscheidung zu desavouieren, wenn er sich auch jetzt veranlasst gesehen hat, der Anregung von Kol­legen Professor Konecny Rechnung zu tragen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sehen als Fraktion keinen Anlass dazu – das werde ich noch näher erläutern –, weil wir eine ausreichende Information hergestellt haben.

Ganz entschieden möchte ich den Vorwurf undemokratischen Verhaltens zurückwei­sen. Diese Behauptung richtet sich selbst. (Bundesrat Reisenberger: Mit was für einer Begründung, Herr Professor? – Bundesrat Konecny: Wir schließen aber niemanden aus dem Bundesrat aus!)

Ich muss aber auch sagen, es kann keine Rede davon sein, dass das nicht mit Födera­lismus zusammengeht oder dass das kein kooperatives Verhalten im Verhältnis zum entsprechenden Landtag wäre. Es ist nämlich in der Sache zu sagen – ohne der Sach­debatte jetzt allzu sehr vorgreifen zu wollen –, dass es ja ein Bundesgesetz ist, das den Ländern nicht Rechte entzieht, sondern das ihnen eine Verantwortung zuschreibt. Das heißt, das Land ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe gesagt: eine Verant­wortung zuschreibt. Ob jemand Verantwortung gern oder weniger gern übernimmt, das muss in seinem eigenen politischen Willen gelegen sein. Jedenfalls ist das kein Gesetz, das dem Föderalismus nicht Rechnung trägt. Die Entscheidung wird beim Land liegen, daher kann davon keine Rede sein.

Aber auch von der Information her möchte ich ausdrücklich sagen – ich habe das schon in der Präsidiale erklärt –, dass wir es selbstverständlich für richtig halten, uns kundig zu machen, welche Position unsere Fraktion einnimmt. Wir haben zwar zu mei­nem Bedauern keine Bundesräte aus dem entsprechenden Bundesland Niederöster­reich, wohl aber eine dortige Fraktion. Ich habe mich kundig gemacht, wir kennen die Position unserer Kollegen. Wir haben daher auch keinen weiteren Informationsbedarf, weil wir den weiteren Ablauf kennen. Er ist auch innerfraktionell akkordiert. (Bundesrat Konecny: Sicher?)

Es gibt also hier aus der Sicht meiner Fraktion keinen Anlass, von dieser Tagesord­nung abzuweichen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.52


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.52.32

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vom Kollegen Bieringer ange­sprochene Präsidiale vor zwei Tagen hat sich mit dem Faktum der besseren Um­setzung oder der zukünftigen Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips befasst, vor allem mit der Einbindung der Landtage, und das am Beispiel des dritten Eisenbahnpakets. Da ist es genau darum gegangen: Wie verbinden wir uns auch in Zukunft stärker mit den Landtagen? Wie schaffen wir hier einen Kommunikationsfluss?

In der jüngeren Geschichte dieses Hauses – wir sind ja hier die jüngste Fraktion – und seit es diese jüngste Fraktion hier gibt, gab es keinen Fall, dass sich ein Landtag und der Bundesrat gleichzeitig mit ein und demselben Thema befasst haben. Es gibt


Bundesrat
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bereits vorliegende Resolutions- und Dringlichkeitsbeschlüsse anderer Landtage bezie­hungsweise Gemeinderäte, die in dem Fall die Funktion des Landtages haben. (Zwi­schenruf des Bundesrates Konecny.) Ja, des Wiener Gemeinderates, des Burgen­ländischen Landtages. Es gibt eine ähnliche Initiative, die heute im Kärntner Landtag eingebracht wird. Und es gibt eben heute die Dringlichkeitssitzung im Niederöster­reichischen Landtag.

Es ist nicht so, dass der Niederösterreichische Landtag in diesem Falle ein Landtag unter vielen ist, sondern gerade der Landeshauptmann von Niederösterreich ist in der Sache der Novelle des vorliegenden Gesetzes ein Wortführer der Kritik. Es ist meiner Meinung nach ein Akt der Höflichkeit, aber auch des Respekts, diese Beratung heute um 13 Uhr – mit einer Abstimmung über die Dringlichkeitszuerkennung – abzuwarten, da es ja nur einer technischen Umstellung unserer Tagesordnung bedarf, damit gleich­zeitig dieser Respekt erwiesen wird und die Meinungsbildung des größten Landtages hier in die weitere Beratung mit einfließen kann.

Es sollte ja nicht so sein, dass wir, wenn der Niederösterreichische Landtag heute um 17 Uhr etwas beschließt und wir mit der Beschlussfassung vielleicht um 16 Uhr dran sind, dem Niederösterreichischen Landtag beziehungsweise dem niederösterreichi­schen Landeshauptmann dann ausrichten müssen: Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. – Das wird ja niemand wollen.

Deshalb ersuchen wir aus Respekt und Höflichkeit gegenüber dieser Meinungsbildung in Niederösterreich darum, heute diese Umstellung durchzuführen. (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

11.55


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich komme nun zur Abstimmung.

Ich ersuche alle Bundesrätinnen und Bundesräte, die der von mir vorgenommenen Umstellung der Tagesordnung zustimmen, um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist die Stimmenminderheit.

Es bleibt daher bei der ausgegebenen Tagesordnung.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 5 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Alles unternehmen, um die Fußball-Euro­pameisterschaft 2008 für Österreich zu retten“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

*****


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Weiters gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­dringlichung der Anfrage 2709/J des Abgeordneten Dipl.-Ing. Uwe Scheuch betreffend Telefonüberwachung durch das Büro für interne Angelegenheiten an die Frau Bun­desministerin für Inneres vorliegt.

Die Behandlung dieser Dringlichen Anfrage wird im Anschluss an die an den Herrn Bundeskanzler gerichtete Dringliche Anfrage erfolgen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

11.57.251. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechi­schen Republik über die Beschäftigung in Grenzzonen (688 d.B. und 801 d.B. sowie 7221/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechi­schen Republik über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung
der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (689 d.B. und 802 d.B. sowie 7222/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Vertretung der Republik Malta durch österreichische Vertretungsbehörden hinsichtlich der Er­teilung von Visa zur Durchreise und zum kurzfristigen Aufenthalt (628 d.B. und 800 d.B. sowie 7223/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend eine Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen samt Anhang (705 d.B. und 803 d.B. sowie 7224/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten samt Anhängen (609 d.B. und 799 d.B. sowie 7225/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 5 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

 


Berichterstatter zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 5 ist Herr Bundesrat Bader. Ich ersuche, alle Berichte in einem zu erstatten. – Bitte, Herr Bundesrat.

11.58.31


Bundesrat
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Berichterstatter Karl Bader: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe die Berichte zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 5. Die Berichte liegen allen Bundesrätinnen und Bundesräten in schriftlicher Form vor, ich darf mich daher in allen fünf Punkten auf die Antragstellung für die Beschlussfassung beschränken.

Zum Tagesordnungspunkt 1: Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 15. März 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 2: Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 15. März 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben

Für den Tagesordnungspunkt 3 gilt gleichermaßen der Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 4 stelle ich folgenden Antrag:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 15. März 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, erstens gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zweitens dem Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen sowie drittens den in Artikel 1, 2, 3, 10 und 11 enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Schließlich komme ich zum Bericht über den Tagesordnungspunkt 5:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 15. März 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, erstens gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, sowie zweitens dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


12.00.58

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Wenn wir heute das Grenzgänger- und Praktikanten-Abkommen beschließen, so bin ich über­zeugt davon, dass das ein wichtiger europäischer und nachbarschaftlicher Schritt ist. Es ist jetzt elf Jahre her, dass Österreich der Europäischen Union beigetreten ist, und wir können bald den ersten Jahrestag feiern, dass wir die Erweiterung der EU um einige unserer Nachbarstaaten miterleben durften. (Vizepräsidentin Haselbach über­nimmt den Vorsitz.)

Bereits am 24. August 2001 wurde das Grenzgänger- und Praktikanten-Abkommen mit der Tschechischen Republik unterzeichnet. Es konnte aber in der vergangenen Legis­laturperiode nicht mehr behandelt werden. Bei einem Treffen unseres Präsidenten Weiss mit dem tschechischen Senatspräsidenten im Jahre 2004 wurde dieses Abkom­men neuerlich ins Gespräch gebracht, und heute können wir es Gott sei Dank auf der Tagesordnung vorfinden.

Österreich hatte bis zum EU-Beitritt mit zahlreichen Staaten vergleichbare Abkommen, so zum Beispiel mit Ungarn seit dem Jahre 1988, in Anwendung. Wir alle wissen, dass der Arbeitsmarkt ein sehr sensibler Bereich ist, vor allem im Grenzgebiet. Schauen wir


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uns doch die derzeitige Lage an: eine Arbeitslosenrate von 14 Prozent in Grenzbezir­ken, das ist also ein sensibler und heikler Punkt. Die Bundesregierung hat daher im Hinblick auf die EU-Erweiterung die Übergangsregelung 2-3-2 geschaffen, eine Rege­lung, die ich für richtig halte. Denn einerseits sind Behutsamkeit und Schutz wichtig, ebenso wichtig ist aber auch eine vorsichtige und schrittweise Öffnung, damit das Zusammenwachsen erleichtert wird sowie die Chance, am wirtschaftlichen Wettbewerb teilhaben zu können, gewahrt bleibt.

Das Fremdengesetz sieht vor, dass eine Aufenthaltserlaubnis für Grenzgänger nicht der Quotenregelung unterliegt; jährlich werden aber Kontingente festgesetzt, und zwar unter Bedachtnahme auf die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Gerade in meinem Heimatbe­zirk gibt es sehr viele Betriebe, die in der Tschechischen Republik bereits ein zweites Standbein haben, wobei es jedoch diesen bis heute nicht möglich war, tschechische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Schulungszwecke einige Monate lang in Österreich zu beschäftigen. Nun wird der Austausch von Arbeitskräften innerhalb eines Unterneh­mens wesentlich erleichtert. Daher stellt dieses Grenzgänger-Abkommen für unsere Wirtschaft eine Chance dar, wirtschaftliche Anforderungen besser meistern und Ar­beitsplätze sichern zu können.

Wir müssen aber auch an unsere Jugendlichen denken, leben wir doch nun ganz nahe einer offenen Grenze. Ein schrittweises Zusammenwachsen ist möglich, denken wir nur an die vielen grenzüberschreitenden Projekte – ich spreche da von den GIZ-Pro­jekten –, die vor allem den kulturellen und sportlichen Bereich betreffen. Aber meiner Ansicht nach wird dies auch im wirtschaftlichen Bereich immer wichtiger.

Von großer Bedeutung ist es, die sprachlichen Barrieren abzubauen. Dazu gibt es bei uns in Niederösterreich schon einige sehr gute Initiativen, beispielsweise im schuli­schen Bereich. Aber ein Punkt, der wirklich gut dazu passt, ist dieses Praktikanten-Abkommen, das dazu dient, berufliche und sprachliche Kenntnisse unserer Jugend zu fördern, was für diese zweifelsohne einen guten Grundstock für ihre weiteren Berufs­chancen darstellt, ebenso natürlich auch im Hinblick auf ein Zusammenwachsen mit unseren Nachbarn.

Um unsere guten Beziehungen zur Tschechischen Republik und insbesondere zum tschechischen Parlament zu zeigen, gab es in der vergangenen Woche, und zwar am 14. März, ein parlamentarisches Freundschaftstreffen in Weitra, auf dem die Themen Europäische Verfassung, Temelín und Beneš-Dekrete in, wie ich meine, freundschaft­licher Atmosphäre besprochen wurden.

Meine Damen und Herren! Danken möchte ich dafür, dass wir heute gemeinsam diese bilateralen Verträge beschließen, und zwar im Sinne eines gemeinsamen Europas, im Sinne einer guten und bereichernden Nachbarschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.05


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


12.05.33

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Minister! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Wie schon im Nationalrat werden wir von der sozialdemokratischen Fraktion auch hier im Bundesrat der Ratifizierung dieser beiden Abkommen zustimmen. Wir stimmen zu, weil wir davon ausgehen, dass mit diesen beiden Abkommen sichergestellt wird, dass sowohl von österreichischen als auch von tschechischen Behörden und politischen Instanzen – unter Mitwirkung der Sozialpartner – endlich jene notwendigen Begleitmaßnahmen,


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Analysen und Beobachtungen erfolgen, die die österreichische Bundesregierung bisher vermissen ließ.

Für wichtig erachten wir es, den Zeitraum der Übergangsfristen bis zur völligen Freiga­be zu nutzen, um Beobachtungsstrukturen und Instrumente aufzubauen, die uns letzt­endlich dabei helfen, geeignete Maßnahmen zur positiven Steuerung des Arbeitsmark­tes im Grenzbereich zu setzen. Es geht darum, dem Grenzraum Entwicklungschancen zu eröffnen und die notwendigen Instrumente dafür zu finden.

Vielleicht kann diese Maßnahme auch die österreichische Bundesregierung dazu bringen, endlich jene Hausaufgaben zu machen, die sie bisher im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung, im Speziellen mit der Ostöffnung, vermissen ließ. Während die Bundesregierung vielfach die Dinge treiben lässt, haben die Sozialpartner bereits be­gonnen, Strukturen im Grenzbereich aufzubauen und grenzüberschreitende Kontakte zu nutzen, um so die Entwicklung des Arbeitsmarktes zu beobachten. Nun bekommen sie mit diesen beiden Abkommen auch den formalen Rahmen dafür, diese Entwicklung mitzugestalten.

Die Bundesregierung beschränkt sich da – speziell was die Beeinflussung des Arbeits­marktes betrifft – vielfach aufs Zuschauen, ja ich möchte sagen: Manchmal hat man den Eindruck, das Zuschauen werde zum Programm, und das Programm wird von den so genannten Marktradikalen geschrieben. (Bundesrat Mag. Himmer: Und deswegen haben wir eine geringe Arbeitslosigkeit!) – Eine steigende in allen Bereichen, und eine Rekord-Arbeitslosigkeit! (Bundesrat Mag. Himmer: Deswegen ist sie so viel geringer als der EU-Schnitt! – Bundesrat Gruber: Trotzdem das Höchste, was jemals war! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wer einen Grenzraum einer ehemals „toten Grenze“, die eine solche seit zehn Jahren nicht mehr ist, nicht speziell fördert – und die Bundesregierung lässt die Dinge im Moment laufen –, beraubt jene Menschen, die noch in diesem Gebiet leben, fahrläs­sigerweise jeglicher Entwicklungschancen und Perspektiven.

Als ein Beispiel dafür, dass die Bundesregierung ihre Hausaufgaben in vielfacher Wei­se noch nicht erfüllt hat, nenne ich fehlende Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der so genannten EU-Osterweiterung. Es müsste Minister Bartenstein beziehungs­weise der gesamten Regierung aufgefallen sein, dass in den letzten Monaten in eini­gen Bezirken in Oberösterreich speziell in den Verkehrsberufen die Arbeitslosenzahlen explodieren. Ich erwähne den Bezirk Eferding-Grieskirchen mit 9 Prozent, den Bezirk Linz-Land mit 36 Prozent und den Bezirk Braunau mit 68 Prozent Arbeitslosigkeit in den Verkehrsberufen. Wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, dann wüssten Sie auch warum.

Um Sie an das Problem heranzuführen: Man könnte sich mitten in Oberösterreich, in einem Ort an der Grenze des Sauwaldes am Sonntag zwischen 22 Uhr abends und Mitternacht im PKW auf die Lauer legen und man würde den Eindruck haben, man sei plötzlich über die Grenze geraten. Um diese Zeit kommen Dutzende PKWs mit tsche­chischen Kennzeichen, fahren in eine Firmeneinfahrt hinein und heraus kommen LKWs mit tschechischen Kennzeichen. Welch Zufall! Und ich werde, Frau Minister, den Namen dieser Firma auch der Regierung übergeben, und wir werden abwarten, ob etwas geschieht.

Der Besitzer dieser Firma hat in Tschechien ein Scheinbüro eröffnet. Zwar werden dort die LKWs angemeldet, die Betriebsstätte ist aber offensichtlich in Oberösterreich. Die österreichischen Fahrer, die deutschen Fahrer werden durch ein Schreiben veranlasst beziehungsweise unter Druck gesetzt, zuzustimmen, den Betriebsstandort nach Tsche­chien zu verlegen. Es wird ihnen zugesichert, dass sie netto – und das liegt schriftlich vor – denselben Lohn erhalten. Man kann sich ausrechnen, wie das vor sich geht. Die


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Firma bezahlt gemäß tschechischen Kollektivverträgen und entrichtet ihre Abgaben nach tschechischem Sozialversicherungs- und Steuerrecht. Die Firma schickt auch noch Busse nach Bosnien, klappert die Dörfer ab, um Fahrer zu rekrutieren, die dann in Tschechien eine Arbeitsbewilligung bekommen.

Man könnte meinen, es sei ein Einzelfall. Ich habe aber bereits das Explodieren der Arbeitslosenzahlen in den Verkehrsberufen in einigen Bezirken Oberösterreichs wie Braunau, Linz-Land und so weiter erwähnt, in denen auffälligerweise größere Trans­portunternehmen ihren Firmensitz haben. Das ist also übliche Praxis, und es fehlen Begleitmaßnahmen der Bundesregierung, die von uns immer wieder urgiert wurden. Die Bundesregierung könnte die Finanzbehörden veranlassen, diese Firmen zu über­prüfen, ob nicht eine Umgehung gesetzlicher Bestimmungen vorliegt. Wenn tschechi­sche Berufskraftfahrer am Sonntagabend ihren LKW in Österreich besteigen und auch dort wieder abliefern, dann ist die Betriebsstätte wohl offensichtlich nicht in Tschechien. Es handelt sich tatsächlich um einen Fall der Umgehung österreichischer Gesetze, der in diesem Gewerbe offensichtlich nicht unüblich ist und keinen Einzelfall darstellt.

Wir wissen, was uns blüht, wenn die völlige Freigabe des Arbeitsmarktes in sieben Jahren, mittlerweile in sechs Jahren kommt und die entsprechenden Begleitmaßnah­men nicht getroffen werden. Zuschauen ist zu wenig! Mit den beiden Abkommen wer­den einigen Dutzend Betroffenen halbwegs geregelte Bedingungen gesichert. Das ist auch der Grund, warum wir zustimmen. Wir benützen jedoch die Gelegenheit, um auf die noch offenen Hausaufgaben aufmerksam zu machen. Es wäre beispielsweise eine Hausaufgabe der Bundesregierung, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Barroso, ins Wort zu fallen, wenn er erklärt, dass es im Moment wichtiger sei, die Marktentwicklung zu fördern, als das soziale Europa in den Vordergrund zu stellen. Es wäre notwendig, Minister Bartenstein von seiner Unterstützung der Dienstleistungs­richtlinie mit dem Herkunftslandprinzip abzubringen, und es wäre notwendig, sich in Europa für einheitliche Sozial- und Steuerstandards stark zu machen.

Europa soll ein Bollwerk des Friedens werden. Dazu gehört auch der soziale Friede. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.16


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


12.17.12

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Gumplmaier! Deine Schlussworte sind, denke ich, richtig angekommen, und zwar so angekommen, dass wir uns gemeinsam darum bemühen: 60 Jahre Frieden in Europa – das war nicht selbstverständlich, 50 Jahre Staatsvertrag – der war nicht selbstverständlich, zehn Jahre EU – das haben wir uns erarbeitet, und mit allem Positiven und Negativen sollten wir auch dazu stehen.

Vielleicht ist es auch richtig, wenn du, Herr Doktor, gemeint hast, es sei an der Zeit für notwendige Instrumente. Es ist richtig, dass vieles noch nicht so ist, wie wir gemeinsam es haben wollen, aber ich bin auch davon überzeugt, dass die Bundesregierung, die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung vieles getan hat, aber auch noch vieles zu tun hat, um einige berechtigte Forderungen umzusetzen und beweisbare Negativentwicklungen, wie sie hier angesprochen wurden, abzustellen. Es gibt leider in diesem großen Europa verschiedene kriminelle Elemente, die alles versuchen, um über Hintertüren, durch Möglichkeiten, die die noch nicht voll demokratische Arbeit der noch nicht voll demo­kratischen Einrichtungen bieten, vieles zu hintergehen, was dann letzten Endes den


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Arbeitnehmern, aber auch vielen Firmen, also allgemein Unsicherheit, aber auch nega­tive Beurteilungen bringt.

Die behandelten Tagesordnungspunkte befassen sich jedoch mit Bemühungen um den Austausch von Arbeitern zur Verbesserung von beruflichen und sprachlichen Kenntnis­sen. Auf diesem Gebiet bemühen sich die Republik Österreich und die Republik Tsche­chien schon gemeinsam, auch wenn die SPÖ sehr stark Kritik übt. Einmal sind wir zu säumig; andererseits wird wieder gesagt, dass gute Gesetze eine gewisse Vorlaufzeit bräuchten. Es ist jedenfalls so, dass der Arbeitsmarkt davon betroffen ist.

Eines müssen wir heute jedoch auch feststellen, nämlich dass die Tschechische Republik in einigen Bereichen säumig ist. Daher wurden von der österreichischen Bun­desregierung auch einige gemeinsame, zukunftsbezogene Ausarbeitungen ein biss­chen hintangestellt. Die Rücknahme von illegalen Einwanderern ist immer noch offen beziehungsweise war lange Zeit offen. Die Tschechische Republik hat sich lange geweigert, dieses Problem anzuerkennen. Auch in vielen weiteren Punkten ist die Tschechische Republik noch säumig; und es ist eigentlich sehr gut, dass wir in den letzten Wochen darüber Gespräche in einer guten Atmosphäre geführt haben. Störfälle in Temelín, Beneš-Dekrete, Amnestie-Gesetz – zu all dem gab es vor dem EU-Beitritt Versprechungen. Momentan gibt es keine Diskussion über die offenen Fragen, ja man spricht sogar von Ehrungen für die Beneš-Dekrete beziehungsweise darauf beruhende Gesetze. Es gibt also derzeit noch keine positive Absicht seitens Tschechiens, diese Ungesetzlichkeit aufzuheben.

Ein Mitgliedsland der EU hat, so verstehen zumindest wir das, Rechte und Pflichten. Neben allen anderen Maßnahmen sollten wir auch die Einhaltung dieser Pflichten durch die Tschechische Republik verstärkt einfordern. Dazu gehört die Aufhebung der Beneš-Dekrete, mit denen Vertreibung, Völkermord, Vergewaltigung ausgelöst und Menschen ihrer Würde beraubt wurden. Das muss auch einmal rechtlich geordnet wer­den. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sollte uns gemeinsam gelingen, auf Basis der gutnachbarschaftlichen Beziehungen das alles zu beseitigen.

Das zu behandelnde Gesetz muss eine volle Kontrolle begleiten, und es darf kein Frei­brief für den Arbeitsmarkt sein. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind wir den Arbeitnehmern schuldig, unseren Arbeitnehmern, dass wir sie nicht dem Lohn­dumping aussetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Bereich, für den gerade wir als Bürgermeister, die wir die Interessen aller Gruppen unserer Gemeinden zu vertreten haben, verantwortlich sind. Ich kenne die Bürgermeister und verstehe deren Arbeit so, dass sie als Vertreter einer Gemeinde für die Probleme aller in der Gemeinde zustän­dig sind, und das reicht vom Bergbauern bis zu dem, der Arbeit sucht. Ein Bürger­meister ist der erste Ansprechpartner, wenn es Probleme in der Familie gibt, wenn es Probleme in der Gemeinde gibt.

Daher stehen wir und sollen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Bun­desräte, zu diesem Gesetz stehen. Es steht für den Weg einer gut nachbarschaftlichen Beziehung für ein zukünftiges, gemeinsames, geordnetes Europa.

Wie eingangs erwähnt: Viele Dinge werden noch zu bereinigen sein, aber wenn wir es wollen, dann wird das auch geschehen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und des Bundesrates Wolfinger.)

12.23


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 



Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 40

12.23.56

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir begrüßen die beiden Abkommen und stimmen diesen natürlich zu. Es betrifft unsere Grenzregionen, und ich komme aus jenem Bundesland, das stolz darauf ist, das Mühlviertel zu haben, eine wunderschöne Grenzregion. Verbunden ist das aber auch mit den Problemen von Grenzregionen. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Ich weiß nicht, ob man Kärnten generell als Problemfall bezeichnen soll, das ist jedoch eine andere Frage. – Ich meine jedoch, dass auch die Niederösterreicher oder die Burgenländer hier sicherlich von ihrer Region reden können.

Wir in Oberösterreich haben zwar die niedrigste Arbeitslosenrate von ganz Österreich, dennoch sind wir damit konfrontiert, dass die Bezirke Freistadt und Rohrbach in der Grenzregion sehr hohe Arbeitslosenratenzuwächse haben. Fakt ist, dass es eine Stär­kung der Grenzregionen im Generellen braucht, und dafür gilt es auf verschiedensten Ebenen zu sorgen. Einer der Aspekte hiebei ist mit Sicherheit auch, dafür zu sorgen, dass man auf EU-Ebene für entsprechende Förderungen kämpft, und da ist auch die Regierung gefordert. Es gilt konkrete Grenzlandförderprogramme zu starten. – Wir in Oberösterreich erarbeiten eben ein Programm. – Es geht aber auch darum, dafür die entsprechenden Unterstützungen seitens der Regierung zu bekommen.

Ein Bereich, zu dem ich heute hier noch Stellung nehmen möchte, ist die Dienstleis­tungsrichtlinie, die derzeit in Diskussion ist. Sie hat zum Ziel, den gemeinsamen Bin­nenmarkt auf diesem Gebiet zu realisieren, was gut ist, was klug ist. Der Entwurf, wie er derzeit vorliegt, mit dem Herkunftslandprinzip wird eine Spiralbewegung nach unten bewirken im Bereich sozialer Standards, im Umweltbereich, im Anlagerecht, und da könnten wir noch viele, viele Dinge nennen.

Mir ist noch immer nicht klar, und das ist tatsächlich sehr widersprüchlich, welche Posi­tion die Regierung vertritt, was Minister Bartenstein in dieser Causa in Brüssel vertritt. Wir hatten gestern, vorgestern und in den Tagen davor Wirtschaftskammerwahlen. Der Wirtschaftsbund – jetzt ist die Frau Präsidentin gerade nicht herinnen, aber vielleicht kannst auch du dazu Stellung nehmen – ist vor der Wahl damit hausieren gegangen, dass er gegen diesen Richtlinienentwurf ist. Die Industriellenvereinigung begrüßt ihn, wie man auf der Homepage sehen kann. Beim Minister wird es nicht recht klar. Viel­leicht kann man jetzt wirklich einmal eine Klärung herbeiführen.

Es ist ja legendär, dass immer vor den Wirtschaftskammerwahlen auch der Wirt­schaftsbund sein Herz für die klein- und mittelständischen Unternehmen entdeckt, wo doch Leitl in den letzten Jahren genug Zeit gehabt hätte, das auch zu beweisen. Wir werden jetzt darauf schauen, wie das tatsächlich weitergeht, weil die Grüne Wirtschaft jetzt in der glücklichen Lage ist, in alle Landesvertretungen – das Burgenland ausge­nommen, was wir sehr bedauern – eingezogen zu sein. Wir konnten gestern ein her­vorragendes Ergebnis feiern. Genau dort werden wir auch dafür sorgen, dass jene Bereiche, die im Wahlkampf immer angesprochen und für die Versprechen abgegeben werden, auch tatsächlich berücksichtigt werden, insbesondere auch die soziale Absicherung der klein- und mittelständischen UnternehmerInnen. (Bundesrat Ager: Ihr werdet jetzt arbeiten müssen!) – Ich kann dir nur sagen: Wir arbeiten immer und das sehr gut und sehr konsequent. Wir freuen uns darauf! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Gruber: 25 Stunden in der Woche!)

Okay. – In diesem Sinne sind die beiden Abkommen natürlich zu begrüßen. Wir stim­men ihnen zu. Die Regierung ist in den verschiedensten Bereichen gefordert. In Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie bitte ich die Frau Ministerin, heute auch klarzustellen,


Bundesrat
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welche Position dazu für unser Land in Brüssel vertreten wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.29


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Gansterer. – Bitte.

 


12.30.00

Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich komme, im Gegensatz zur Kollegin Lichtenecker und zu Kollegem Gumplmaier, aus dem Osten, aus Niederösterreich an der Grenze zu Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Ich kann als Unternehmerin von dort dieses Abkommen wirklich nur begrüßen. Es gibt solch ein Abkommen, wie wir gehört haben, mit Ungarn bereits seit 1988, und es ist für uns ganz besonders wichtig, weil wir im ländlichen Raum – und hier wieder besonders an der Grenze Richtung Osten – eigentlich immer einen Facharbeiterman­gel zu verzeichnen hatten. Daher ist dieses Abkommen für uns doch eine gewisse Erleichterung, was die Arbeitsbewilligungen anbelangt. Es ist für uns – gerade auch in meiner Branche, im Tourismus – wirklich notwendig, damit wir die Chancen, die jetzt praktisch vor der Türe liegen, auch wirklich nützen können.

Ich möchte diese Gelegenheit jetzt auch nur mehr dazu nützen, die Frau Ministerin zu bitten oder es an die Frau Außenministerin weiterzutragen, dafür zu sorgen, dass das Abkommen so rasch wie möglich auch mit der Slowakei zustande kommt. Meiner Infor­mation nach gab es bereits Gespräche auf Ministerebene, die ohnedies positiv verlau­fen sind. Damit eine Chancengleichheit in allen Bezirken entlang der Grenze besteht, ist es wirklich notwendig, dass dieses Abkommen mit der Slowakei raschest nachge­holt wird. Das ist meine Bitte, und dafür danke ich auch jetzt schon. (Beifall bei der ÖVP.)

12.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


12.32.00

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Österreich ist neben Estland als einziger derzeitiger EU-Mitgliedstaat noch nicht Vertragspartner der Bonner Konvention.

Was ist das Ziel dieses Übereinkommens? Ziel ist, wild lebende Tiere, die in ihren zahl­reichen Erscheinungsformen einen unersetzlichen Teil des natürlichen Systems der Erde darstellen, zum Wohle der Menschheit zu erhalten beziehungsweise ein interna­tionales Zusammenarbeiten zum Zwecke der Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet zu erwirken, vor allem hinsichtlich ihres Lebensraumschutzes, ihrer Brut-, Rast- und Überwinterungsstätten sowie ihrer staatenüberschreitenden Zugrouten.

In diesem Übereinkommen sind derzeit 107 beziehungsweise 174 Tierarten und auch Tierfamilien erfasst, die nochmals mehr als 600 Arten umfassen. Angesichts der grenz­überschreitenden Faktoren hat man erkannt, dass zum Schutz von Lebensräumen, Tieren und Pflanzen internationale Zusammenarbeit notwendig ist. In den vergangenen Jahrzehnten wurde daher eine Reihe von internationalen Konventionen mit zum Teil spezifischen Inhalten geschaffen.

Grundsätzlich lassen sich weltweite und europäische Übereinkommen unterscheiden. Als weltweites Übereinkommen gibt es bereits das Washingtoner Artenschutzüberein­kommen, in das verschiedene Greifvögel, so der auch im Alpenraum beheimatete


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Steinadler, aufgenommen sind, beziehungsweise die Bonner Konvention, worin unter anderem Fledermäuse, Enten oder Gänse aufgelistet sind. In der Berner Konvention sind zum Beispiel die Mauereidechse oder die Kreuzkröte und in den Vogelschutz­richtlinien der Eisvogel oder die Großtrappe genannt.

Natur und Landschaft sind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen in besiedelten und unbesiedelten Bereichen so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, so weit erforderlich, wiederherzustellen, dass die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensstätten und Lebensräume sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit auf Dauer gesichert sind. Die wild lebenden Tiere sind als Teil des Naturhaushaltes in ihrer natür­lichen und historisch gewachsenen Artenvielfalt zu schützen. Ihre Lebensräume und sonstigen Lebensbedingungen sind auf einem ausreichenden Teil der Landesflächen zu schützen. Biotopverbundsysteme sind zu erhalten oder zu schaffen und die natür­lichen Wanderwege und Rastplätze der wild lebenden Tierarten sind zu erhalten oder, soweit erforderlich, wiederherzustellen.

Sowohl der Beitritt Österreichs zur EU als auch die Unterzeichnung von internationalen Konventionen verpflichten uns zu einem effizienten Arten- und Lebensschutzraum. Eine Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele kann nur dann erreicht werden, wenn dafür auch die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Jedes Abkommen hat zum Ziel, die betreffende wandernde Art wieder in eine optimale Erhaltungssituation zu bringen oder in einer solchen zu erhalten.

Diejenigen wild lebenden Tierarten, die regelmäßig die nationalen Zuständigkeitsgren­zen durchqueren, können nur durch spezielle internationale Zusammenarbeit erhalten werden. Dieser internationalen Zusammenarbeit dient das vorliegende Übereinkom­men, und unsere Fraktion stimmt dem Nationalratsbeschluss zu. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.35


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.36.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte kurz zur Erhaltung der wandernden Wildtiere sprechen.

Als ich dieses Thema auf der Tagesordnung gesehen habe, haben sich mir natürlich einige Fragen gestellt. Zunächst: Was für wandernde Wildtiere gibt es bei uns? Delfine können es nicht sein und Wale auch nicht. Ich habe herausgefunden, dass es Zug­vögel, Fledermäuse und Schmetterlinge und noch einige andere mehr gibt. Angeblich gibt es im Burgenland auch Hyänen, die manchmal auch  von Autos überfahren werden. Also es gibt offenbar eine ganze Menge wandernder Wildtiere bei uns.

Die zweite Frage, die ich mir gestellt habe, war: Warum hat Österreich zur Unterzeich­nung dieses Abkommens so lange gebraucht? Immerhin haben die ersten Staaten 1979 unterzeichnet, bei uns geschieht das jetzt 2005. Meines Wissens  fehlt jetzt nur mehr Estland. Die Antwort haben wir dann im Ausschuss bekommen. Es waren die Bundesländer, die das so lange verzögert hatten.  Und offensichtlich war es auch eine Frage der Finanzierung.

Die dritte Frage, die ich mir gestellt habe, auf die ich aber noch keine Antwort bekom­men habe, war: Wir verpflichten uns mit diesem Vertrag dazu, für alle Arten des Über­einkommens Forschung und Monitoring zu betreiben sowie für Anhang II artenspezielle Erhaltungsprogramme und Managementmaßnahmen zu ergreifen. In der gleichen


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Unterlage steht aber, dass wir dafür kein zusätzliches Personal brauchen. Ich hoffe, das gilt nur in Bezug auf das  Außenministerium. Ich gehe doch davon aus, dass man, wenn man diesen Vertrag wirklich ernst nimmt und etwas umsetzen will, dazu auch Personal brauchen wird und nicht nur einen Mitgliedsbeitrag.

Ansonsten ist es für uns ganz klar: Ein Vertrag, der vom Aussterben bedrohte Tiere schützen soll, findet natürlich die Zustimmung der Grünen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.38


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Da mir keine Wortmeldung mehr vor­liegt, darf ich um eines bitten: Sie werden ja gehört haben, dass ich eingeläutet habe, denn wir haben zwei Abstimmungen, die ein erhöhtes Quorum verlangen. Da muss zumindest die Hälfte der Bundesrätinnen und Bundesräte im Saal anwesend sein. Bitte das jetzt für die kommende Abstimmung zu berücksichtigen!

Mir liegt keine Wortmeldung mehr vor, frage aber, ob es noch eine Wortmeldung gibt. –Das ist nicht der Fall.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Daher kommen wir jetzt zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Beschlüsse natürlich getrennt erfolgt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik über die Beschäftigung in Grenzzonen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Vertretung der Republik Malta durch österreichische Vertretungsbehör­den hinsichtlich der Erteilung von Visa zur Durchreise und zum kurzfristigen Aufenthalt.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend eine Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen samt Anhang.

Der gegenständliche Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder, die der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedürfen.


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Da die in dessen Artikeln 1, 2, 3, 10 und 11 enthaltenen Bestimmungen zudem verfas­sungsändernd sind, bedürfen diese gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle nun die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder der Bundesrates fest, und wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Hier ist die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit an­genommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch hier ist wieder die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung, den in den Artikeln 1, 2, 3, 10 und 11 des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates enthaltenen verfassungsändernden Be­stimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich danke. Es ist wieder Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfor­dernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten samt Anhängen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel  50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist wieder Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

12.44.306. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bundesgesetz


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über den Umweltsenat geändert werden (511/A und 827 d.B. sowie 7220/BR d.B. und 7226/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nunmehr gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstatterin für diesen Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Fröhlich. – Ich darf sie um den Bericht bitten.

12.44.56

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bundesgesetz über den Umweltsenat geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor, weshalb ich nur den Antrag zur Kenntnis bringe.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. März 2005 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein. Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Ein­wallner. – Bitte.

 


12.45.00

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Minister! Es ist ja, wenn ich richtig informiert bin, noch gar nicht so lange her, dass Sie, Herr Minister, das UVP-Gesetz in der Form gelobt haben, wie es im Moment noch besteht. Es wurde gelobt und gefeiert, aber ganz plötzlich brauchen wir eine rasche Änderung dieses Gesetzes, und ich bin gespannt, ob man mir das erklären kann.

Durch diese Änderung, die wir heute hier thematisieren, sollen in Zukunft Großprojekte wie Sportstadien, Rennstrecken, Freizeitparks, Landebahnen für Militärflugzeuge oder – in Vorarlberg ein Thema – große Golfplatzanlagen ausgenommen werden. Da soll es nur mehr eine sehr eingeschränkte Umweltverträglichkeitsprüfung geben bezie­hungsweise erst dann, wenn die Länder die Durchführung einer Einzelprüfung wollen.

Das UVP-Gesetz hat bislang sehr exakt und ausreichend definiert, ab welcher Größen­ordnung ein Vorhaben unter Beteiligung der Öffentlichkeit und auf fachlicher Grundlage hinsichtlich der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt von den zuständigen Behörden zu prüfen ist. Es wird hier immer so getan, als wäre das bestehende Umweltverträglich­keitsprüfungsgesetz in Österreich ein Instrument des Verzögerns. Das stimmt nicht. Es ist kein Instrument des Verzögerns, es ist kein Instrument des Verhinderns, im Gegen­teil, sehr viele Umweltverträglichkeitsprüfungen werden sehr rasch durchgeführt und es gibt ein gutes und effizientes Verfahren.

Die geplante Änderung wird ja nicht nur von uns kritisch gesehen, auch die Umwelt­anwälte der Länder haben sich sehr, sehr kritisch gegen diese Gesetzesänderung gestellt. Ein kurzer Auszug aus der Kritik der Umweltanwälte zeigt dies. Sie sagen, der geplante Abänderungsantrag sei EU-widrig, er stelle eine drastische Verschlechterung für die Bevölkerung dar, er widerspreche dem Wunsch der Wirtschaft nach einer Be­hörde als Ansprechpartner. All das sind Punkte, die stark kritisiert werden. (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Ja, es ist immer alles falsch, Herr Minister. Immer! Jeder Kritikpunkt ist immer falsch bei Ihnen. Jetzt können Sie ruhig sagen, die acht Umweltanwälte der Länder haben Unrecht. Es scheint so, oder wie? (Bundesrat Schennach: Da müssen Sie ja selber Bauchweh haben, Herr Minister! Ganz ehrlich!) Sie kommen noch dran, Herr Schennach, oder? (Bundesrat Schenn-


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ach: Ja! Entschuldigung!) Ich weiß es nicht, aber ich glaube, Sie kommen schon noch dran.

Also in der jetzt vorhandenen Form gibt die Umweltverträglichkeitsprüfung Vorteile für die Bevölkerung, aber auch Vorteile für die Projektwerber, weil sie eben nur einen Ansprechpartner haben und keine langwierigen Ansuchen um Einzelgenehmigungen notwendig sind, ob das jetzt die baurechtliche Genehmigung betrifft, die naturschutz­rechtliche, die wasserrechtliche und so weiter.

Eines muss und hier heute im Haus klar sein, und darum wird es auch so kontroversiell diskutiert: Das, was hier heute vorliegt, ist der klassische Fall von Anlassgesetz­gebung. Und der Anlass sind die Schlampereien der Frau Landeshauptfrau Klasnic (Beifall bei der SPÖ und den Grünen – Zwischenrufe bei der ÖVP), ein steirischer Wahlkampf und ein gescheitertes Projekt Spielberg.

Mit dieser Gesetzesänderung wird versucht, in Zukunft zu verhindern, dass es wieder eine ähnliche Schlappe für die Frau Klasnic gibt, wie sie auch dem Herrn Haider beim Stadionbau in Klagenfurt droht. Da versucht man, ein Gesetz zu konstruieren, dass das ungeschickte Vorhaben der Landeshauptleute Klasnic, Haider und so weiter ... (Bun­desrat Dr. Böhm: Die Kärntner sind dagegen!) – Da reden wir nachher noch darüber!

Sie führen hier eine Demontage der österreichischen Umweltpolitik durch, um das Ver­sagen in Klagenfurt und in der Steiermark, in Spielberg, zu reparieren. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Was hat die Frau Burgstaller dazu gesagt?) In beiden Fällen handelt es sich ganz klar um handwerkliches Versagen der Landeshauptleute. Beide zeigen mit dieser Vorgangsweise eindrucksvoll, wie unfähig sie sind, ein Land zu führen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

In der Steiermark geben ja auch die Wähler, wie am letzten Sonntag, schon eine ganz eindrucksvolle Antwort, wie unzufrieden sie mit der Politik der ÖVP in der Steiermark sind. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Matter Applaus! – Bundes­rat Hösele: Wer hat denn die Mehrheit? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mit Ihrer Politik versuchen Sie, die österreichischen Umweltstandards systematisch auszuhöhlen. Sie betreiben Demokratieabbau, Sie betreiben Klientelpolitik, Sie ver­schlechtern die österreichische Umweltgesetzgebung. Und das werden und wollen wir nicht unterstützen. Daher sind wir gegen diese Abänderung des Gesetzes. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.52


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hösele. – Bitte. (Oje-Rufe bei der SPÖ.)

 


12.52.12

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war eine kurze Rede meines Vorredners. Es waren aber trotzdem so viele Dinge enthalten, dass man doch das eine oder andere in einer gewissen Hinsicht klarstellen muss. Wir sind leider jetzt schon wieder dort gelandet, wo wir das letzte Mal in der Debatte mit Minister Bar­tenstein waren: Sie wollen wieder einmal mit relativ billigen Parteistehsätzen kaschie­ren, dass Sie nicht für eine gute, sinnvolle Lösung für den Standort Österreich und für den Lebensstandort Österreich eintreten, sondern alles durch eine ganz billige Partei­brille sehen. (Beifall bei der ÖVP.) Aber dafür werden Sie wie immer die gebührende Antwort in der Demokratie bekommen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ja, da sind wir ja jetzt schon richtig: Wer ist denn die Nummer eins in der Steiermark? Wer ist das? Die Steirische Volkspartei! So schaut es aus! – Punkt eins. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Bachner: 90 Stimmen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Punkt zwei: Bei der Umwelt sind wir sowieso das schönste und beste Land Öster­reichs, wenn nicht der Welt. (Beifall bei der ÖVP.) Hier sitzt Kollege Bogensperger, er ist der Bezirksparteiobmann des Bezirkes Knittelfeld der Steirischen Volkspartei. (Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Knittelfeld? – Bundesrätin Bachner: Ein geschichtsträchti­ger Ort!) – Knittelfeld, ja! – Und er ist Bürgermeister der Gemeinde Großlobming, die sich im „Weichbild“ des A1-Rings, des Österreich-Rings, befindet. Ich darf ihm herzlich zum Ausbau seiner absoluten Mehrheit als Bürgermeister am letzten Sonntag gratulie­ren. So schauen „Verlierer“ aus, Vizebürgermeister Gruber! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: „Verlierer“? „Verlierer“?) So schauen „Verlierer“ bei uns aus! Und so wollen wir es auch im Herbst bei der Land­tagswahl haben: einen kleinen Zuwachs, keinen zu großen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: 50 Mandate weg – da kann man gratulieren! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt eine grundsätzliche Bemerkung. Wir haben ja heute schon wieder einen kleinen Aufklärungsunterricht über die Demokratie im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte bekommen. (Bundesrat Konecny: Den brauchen Sie auch!) Dazu halten wir aber fest, dass Mehrheiten in der Demokratie beim Schutz der Minderheiten zählen – Teil des SPÖ-Programms.

Weiters möchten wir festhalten, dass die FPÖ in der Steiermark entgegen allen ande­ren Darstellungen zwar viel verloren hat, aber zusammen mit der ÖVP, wenn wir es streng betrachten, sogar mit einer strategischen Mehrheit auch bei dieser Gemein­deratswahl in der Steiermark ausgestattet worden ist, obwohl Graz nicht mitgezählt worden ist. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Das, was du da redest, ist ja ein Schmarren!)

Herr Professor Konecny! Weil Sie alles immer demokratisch so in Ihrer Dialektik betrachten, wie Sie es sich gerne zurechtzaubern, muss ich Ihnen sagen: Das sind die Fakten! (Bundesrat Konecny: Dass die FPÖ in der Steiermark gewonnen hat, das sind die Fakten!?) – Nein, weil der Kollege Neumarkt angesprochen hat: In Neumarkt hat sie nämlich tatsächlich gewonnen. Um diesen Punkt geht es hier. (Beifall bei den Frei­heitlichen. – Bundesrätin Bachner: Ausnahmen gibt es immer!)

Nach diesem kurzen Ausflug, der von meinem lieben Kollegen aus dem Ländle ange­stiftet wurde, möchte ich eine grundsätzliche ... (Bundesrat Reisenberger: „Vorarlberg“ heißt es! Ich wollte nur helfen!) – Aus Vorarlberg. Ich glaube aber nicht, dass „Ländle“ als negativer Begriff in Vorarlberg angesehen wird, aber ich verwende auch die Be­zeichnung „Vorarlberg“ sehr gern. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Reisen­berger.) Lernen Sie österreichische Länderkunde, Herr Kollege in der Länderkammer!

Eine grundsätzliche Bemerkung: Österreich ist ein guter Standort, nicht nur ein guter Wirtschaftsstandort, sondern auch ein guter Lebensstandort, wahrscheinlich eines der lebenswertesten Länder der Welt. (Bundesrat Boden: Ist das jetzt auf die Steiermark bezogen oder auf die Umwelt?) Dazu kommen wir noch. (Bundesrat Schimböck: ... Gruppenbesteuerung ...!)

Meine Herren von der Opposition! Wenn ich mir das immer anhöre, wie Österreich, das eines der reichsten und wahrscheinlich sichersten und hinsichtlich der Lebensqualität besten Länder der Welt ist, dann glaube ich ... (Bundesrat Reisenberger: Dank 30 Jahren sozialdemokratisch dominierter Regierungen! Noch! Noch! 5 Jahre Schwarz-Blau – und die Veränderungen sieht das Volk tagtäglich!) Meine Herrschaften! Das ist sehr schön, dass Sie wenigstens noch den Parteipropagandatext des Herrn Kalina glauben. Ich gratuliere Ihnen herzlich! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Aber so, wie Sie tun, könnte man ja vermuten, Österreich ist ein Armenhaus, wir leben in einer Umwelthölle, in einem Land, das von einem Heer von Arbeitslosen bevölkert ist. Dabei leben wir, wie gesagt, in einem der lebenswertesten Länder der Welt.

Einer der Kritikpunkte am Standort, der für mich nicht nur ein Wirtschaftsstandort, sondern ein Lebensstandort mit hoher Lebensqualität ist, ist immer wieder jener einer gewissen Überregulierung. Es geht aus meiner Sicht um eine Kultur des Ermöglichens. Es geht um eine Synthese von Regelungsdichte und neuer Entfaltung, um die Sicher­stellung rascher Verfahrensabläufe bei gleichzeitiger Wahrung der Bürger- und Um­weltinteressen. Das ist ein Anliegen, das eigentlich alle einen müsste.

Es sollen hier ja auch keine künstlichen Gegensätze konstruiert werden, denn Umwelt und Natur ohne menschliche Eingriffe, das wäre eine lebensfeindliche Zivilisation. Meiner Meinung nach geht es bei allen Fragen, wie immer in der Demokratie, um tragfähige Kompromisse, um gute, nicht um faule Kompromisse, um das Erreichen des Optimums. So empfinde ich auch diese Novelle.

Dazu ist zu sagen, dass es dem Herrn Umweltminister im Vorfeld des Nationalrats­beschlusses gelungen ist, die EU-Konformität sicherzustellen und auch all jene Punkte auszuräumen, die die Umweltanwälte kritisiert haben. Sie haben sich in ihrer Stellung­nahme nämlich nicht auf das bezogen, was wir heute hier beschließen, sondern auf einen Vorinitiativantrag. All diese Fragen sind dank des Sachverstandes des Lebens­ministeriums ausgeräumt worden, und dafür möchte ich mich beim Herrn Umweltminis­ter ganz ausdrücklich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nach dieser Vorbemerkung noch eine Bitte und eine Feststellung: Mit dieser heutigen Gesetzesnovelle wird eigentlich einer gemeinsamen Entschließung entsprochen, die der Bundesrat im Dezember des Vorjahres im Zusammenhang mit der Spielberg-Debatte gefasst hat. Ich darf vorlesen, was Sie damals mit unterzeichnet und mit beschlossen haben:

„Der Bundesrat bekennt sich zur Erweiterung der Anlagen des ehemaligen Formel-1-Ringes in Spielberg als Leitprojekt und Zukunftschance für die nachhaltige Entwicklung der Region Aichfeld/Murboden zum Wohle der regionalen Bevölkerung.

Weiters sind im Rahmen der Task Force unverzüglich Beratungen darüber aufzuneh­men, (...) ob und in welcher Weise weitere gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden können, um Verfahrensabläufe zu optimieren.“

Das ist ein gemeinsamer Beschluss von ÖVP, SPÖ, FPÖ – und heute sind Sie dagegen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) So schaut es aus! Die Grünen halte ich hier heraus. (Bundesrat Reisenberger: Lernen Sie Lesen und Deutsch! „Optimieren“ hat nichts damit zu tun, etwas zu zerstören!) Moment, lieber Kollege, hören Sie mir noch ein bisschen zu? (Bundesrat Reisenberger: Einen Persilschein wollen Sie sich damit schaffen!)

Am 4. März waren Kollege Günther Kaltenbacher und ich – ich glaube, auch Kollege Weilharter – in Fohnsdorf anwesend, einer Gemeinde übrigens, in der die Österrei­chische Volkspartei am Sonntag 5 Prozent und die SPÖ 0,2 Prozent gewonnen hat. (Bundesrätin Bachner: Wie viel hat denn die SPÖ dort?) Dort hat die SPÖ ungefähr jene Ergebnisse, die wir bei der Wirtschaftskammerwahl erzielen. So ist das in der Demokratie. Aber es ist immer die Frage ... (Zwischenruf des Bundesrates Prutsch.) – Ja, du kommst ja gleich dran!

Also, wie gesagt, Kollege Kaltenbacher war dort anwesend. Dort hat auch der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Franz Voves, Gemeindereferent für Fohnsdorf und für manche andere Gemeinden der Steiermark, gesprochen. Bitte, mich zu korri­gieren, Kollege Kaltenbacher, wenn ich mich dort verhört haben sollte! Hat Kollege


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Landeshauptmann-Stellvertreter Voves dort nicht gesagt, dass ihm eigentlich diese Novelle, die am Tag davor im Nationalrat gegen die Stimmen der SPÖ, auch der steiri­schen SPÖ-Abgeordneten, beschlossen wurde, sehr gut gefällt? Hat er dort nicht ge­sagt ...? (Bundesrat Prutsch: Im Sinne des Wiederaufbaues des A1-Ringes!) Jawohl, das ist ja ein Projekt, das wir gemeinsam wollen! So schaut es bei euch aus: Ihr seid dort, wenn eine Maßnahme ...! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Das ist Anlassgesetzgebung, Herr Kollege!)

Ich wollte ihn ja nur auf folgendes Faktum aufmerksam machen: Im Nationalrat hat die SPÖ geschlossen dagegen gestimmt. Auch das hat uns sehr weh getan, weil wir es als Steirer fast als Landesverrat empfunden haben, dass steirische SPÖ-Abgeordnete ge­gen ein solches Gesetz stimmen, das nehme ich aber noch hin. (Neuerliche Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Heute wird diese Novelle aber in der Länderkammer beschlossen, die den Ländern an sich eine größere Verantwortung zumisst, die ... (Bundesrat Gru­ber: Und die Länder wollen es interessanterweise nicht!) – Das ist ja nur ein Angebot! Das Land ist ja nicht gezwungen, es so zu machen.

Der SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter der Steiermark, der das auch nach der Wahl im Herbst bleiben wird – das wünschen wir ihm von ganzem Herzen; dafür werden die Steirerinnen und Steirer schon sorgen, dass er so gestärkt wird, dass er wohl bleiben kann und nicht abgesetzt wird –, spricht sich für diese Novelle aus. Und Sie wollen heute dagegen stimmen?

Lieber Theodor Binna, lieber Günther Kaltenbacher, lieber Günther Prutsch! Ich lade Sie herzlich ein: Sagen wir gemeinsam ja zur Steiermark, ja zur Umwelt, ja zum Stand­ort Österreich und daher ja zu dieser Gesetzesnovelle! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.05


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte. (Bundesrat Hösele: Die Grünen haben es immer konsequent gesagt!)

 


13.05.58

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich sage konsequent ja zur Umwelt, und ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was ein A1-Ring mit der Umwelt zu tun hat oder was dieser für einen großen Vorteil für den Umweltschutz hätte. Mir das zu erklären, darum würde ich bitten, vielleicht irgendwann einmal in einer Pause. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! In erster Linie sind Sie Landwirtschafts­minister, habe ich den Eindruck. Der Umweltminister ist in letzter Zeit, so kommt mir vor, eher ein Nebenjob für Sie. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und bei Bundes­räten der SPÖ.) Bei dieser Änderung, glaube ich, waren Sie im Zeitausgleich.

Wenn Sie sich herstellen und sagen, es tut mir Leid, der Herr Wirtschaftsminister will das so, und es geht nicht anders, dann würde ich Sie verstehen. Wenn Sie sich her­stellen und sagen, der Herr Wirtschaftsminister hat mich da über den Tisch gezogen, und es ist nicht anders gegangen, dann würde ich es verstehen. Es wäre zumindest ehrlich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mag sein, dass Sie vielleicht noch etwas Schlimmeres verhindert haben, der Initiativ­antrag hat noch etwas schlimmer ausgeschaut, es ist vielleicht ein bisschen ein Fort­schritt gegenüber dem ersten Entwurf, aber eine Verbesserung der Umweltgesetzge­bung ist diese Novellierung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes sicher nicht.

Das Einzige, was ich in letzter Zeit von Ihnen mitkriege, ist, dass Sie die Dinge einfach schönreden. Ich habe zufälligerweise in der „ZIB 2“ gesehen, als Sie zur Novelle des


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UVP-Gesetzes befragt worden sind. Sie haben da wirklich so getan, als wäre das jetzt ein Fortschritt und eine Verbesserung. Sie haben geredet von der Einbeziehung der NGOs. Die Einbeziehung der NGOs haben wir im Rahmen der letzten Novelle be­schlossen. Das hat also mit dieser Novelle jetzt überhaupt nichts zu tun. (Bundesmi­nister Dipl.-Ing. Pröll: Haben die Grünen dagegen gestimmt!) – Nicht gegen die Einbe­ziehung der NGOs, sondern uns haben damals andere Dinge in dieser Novelle gefehlt!

Jetzt ist es so, dass bei diesen Verfahren, die jetzt aus diesem UVP-Gesetz heraus­genommen werden, die NGOs ganz sicher nie miteinbezogen werden. Also wo ist hier der Fortschritt, und warum geben Sie auf eine Frage zur neuen Gesetzesnovelle Ant­worten, die sich auf die alte beziehen?

Sie haben des Weiteren in der „ZiB 2“ von der Möglichkeit gesprochen – ach, wie
toll! –, man könne ja gegen einen solchen Entscheid, ohne UVP ein Projekt durchzu­führen, Einspruch erheben. Diesen Einspruch kann der Umweltanwalt eines Landes erheben. Wie unabhängig manche von diesen Umweltanwälten sind, wissen wir, denke ich. Der Landeshauptmann wird auch kaum beeinspruchen, was die Landesregierung vorher beschlossen hat, und die Standortgemeinde, fürchte ich, wird auch nicht unbedingt für so ein Projekt noch extra eine Umweltverträglichkeitsprüfung beantragen. In meinen Augen ist das mit der Beeinspruchung gegen einen Entscheid, ohne UVP zu bauen, eine reine Augenauswischerei.

Das ist genauso eine Augenauswischerei wie das, was der Herr Landeshauptmann Pröll gesagt hat, dass er sich nicht vorstellen kann, dass solche Projekte ohne Ein­bindung der Projektgegner in Niederösterreich zu verwirklichen sind. Das glaube ich ihm erst, wenn ich es gesehen habe. Es gibt heute im Landtag zu dieser Angelegenheit zwei Anträge. Auch die Grünen haben einen Antrag gestellt, nämlich dass sich der Herr Landeshauptmann darauf festlegt, von der UVP-Novelle keinen Gebrauch zu machen. Und es gibt den Antrag, mit dem die Bundesräte und Bundesrätinnen aus Niederösterreich angeregt werden sollen, gegen diese Novelle zu stimmen. Ich denke, wir können sehr gespannt darauf sein, wie die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP-Niederösterreich abstimmen werden. Ich fürchte nur, dass der Herr Landeshauptmann mit seiner Meinung doch ein bisschen ins Hintertreffen kommen wird.

Sein „profil“-Interview zur UVP-neu hat sich für mich sehr spannend gelesen. Da steht drinnen: Ich halte die Entscheidung für einen unglücklichen Schritt. Selbstverständlich müssen Umweltargumente auch in Großprojekte mit einbezogen werden. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Projektgegner in einem solchen Verfahren nicht mit eingebunden sind. Ich halte das demokratiepolitisch, aber auch sachpolitisch für äußerst fragwürdig. In Niederösterreich haben wir in den vergangenen Jahren eine Reihe von Freizeit- und Sporteinrichtungen mit der vorgesehenen UVP errichtet. Ein Abgehen von dieser Regelung ist bürgerfern und dauert im Extremfall viel länger.

Das hört sich nicht wirklich so an, als würde der Herr Landeshauptmann die Meinung vertreten, dass diese Gesetzesänderung besonders positiv wäre. Meiner Meinung nach, wenn er da herinnen sitzen würde, müsste er nach so einer Aussage dagegen stimmen.

Das erinnert mich jetzt ein bisschen an die Diskussion, die wir vor etwa einem Jahr geführt haben, im Zusammenhang mit der Pensionsreform, als damals die Kollegen von der FPÖ den Sitzungssaal verlassen haben, oder ich glaube, ihr habt euch ent­halten. Die Bedenken sind damals vom Herrn Landeshauptmann Haider gekommen. Konsequenzen hat es in Wirklichkeit keine gegeben. Ich hätte mir eigentlich erhofft und erwartet, wenn der Herr Landeshauptmann Pröll solche Bedenken gegen ein Gesetz hat und diese auch öffentlich äußert, dass das doch auch für die ÖVP-Niederösterreich mehr Konsequenzen hat – und dass sie nicht trotzdem zustimmt.


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Ich habe im Ausschuss dann auch noch nachgefragt, wo eigentlich die offizielle Be­gründung für diese Gesetzesänderung liegt. Es kann doch nicht sein, dass die offizielle Begründung Spielberg und Klagenfurt ist! Ich habe keine nachvollziehbare Antwort bekommen auf diese Frage. Vielleicht bekomme ich die von Ihnen, Herr Minister. Ich glaube aber nicht, dass sie wirklich nachvollziehbar sein wird. Es kann vielleicht irgend­wie eine Begründung sein, dass das ja alles nicht so schlimm sei. Darüber kann man streiten, ob es schlimm ist oder nicht. Aber Sie sind an und für sich dafür zuständig, Gesetze zu schaffen, die ein Vorteil für die Umwelt sind, und einen Vorteil sehe ich in dieser Änderung ganz sicher nicht.

Spielberg hat die Umweltverträglichkeitsprüfung „nicht geschafft“. Und die Steiermark hat sich dann nicht besonders bemüht, das Projekt so weit anzupassen, dass die Um­weltverträglichkeitsprüfung doch durchgehen könnte. Die Lösung ist jetzt: Wir schaffen das Gesetz ab, wir schaffen die Prüfung ab. – Ich würde gern wissen, was Frau Minister Gehrer dazu sagt, wenn man sagt: Ich habe eine Prüfung nicht geschafft – ich werde jetzt die Prüfung abschaffen! Üblicherweise ist ein Prüfling dann durchgefallen und muss eben noch einmal antreten.

Wenn ein Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht schafft, dann sollte man eigentlich weiter denken. Wenn meine Kinder mit einer schlechten Note von der Schule heimkommen, dann erwarte ich mir, dass sie so weit denken und lernen. In diesem Fall aber habe ich das Gefühl, man will stur bleiben. Flexibilität und irgendwelche Änderun­gen, damit ein Projekt vielleicht nachhaltiger wird und verwirklichbar wird, ohne dass die Umwelt dadurch stark geschädigt wird, das liegt offenbar manchen Menschen hier sehr fern. Lieber ändert man ein Gesetz, sodass man die UVP nicht mehr braucht.

Wenn das Stadion in Klagenfurt nicht rechtzeitig fertig wird, liegt das meiner Meinung nach eher an den Problemen mit der Auftragsvergabe. Die Zeitprobleme, die da jetzt entstehen mit dem: Es muss jetzt bald fertig sein!, sind vor der UVP entstanden und nicht durch die UVP. Die Zeit rennt davon, aber die UVP kann nichts dafür. Letzt­endlich aber wird die UVP geschwind weggeräumt, weil man offenbar der Meinung ist, dass man sie dann nicht mehr machen muss. Das ist mir eine wirklich unverständliche Lösung.

Eine UVP soll in erster Linie die Umweltverträglichkeit eines Projektes beurteilen, und dann sollen Maßnahmen vorgeschlagen werden, um dieses Projekt zu verbessern. Die UVP soll nicht in erster Linie eine Behinderung für einen Projektwerber sein. Das hat der Kollege Einwallner vorhin auch schon gesagt.

Die UVP ist ein konzentriertes Verfahren. Das heißt, es sollen in einem Verfahren eben alle Punkte beleuchtet werden. Es ist nicht einmal unbedingt gesagt, dass durch eine Einzelfallprüfung eine Zeitersparnis entsteht. Wenn dann trotzdem eine Umweltverträg­lichkeitsprüfung notwendig ist, dann gibt es halt zwei Verfahren. Dann wird doppelt gemoppelt, und dann haben wir eine Wiederholungsprüfung.

Was ich persönlich nicht verstehe – vielleicht können Sie, Herr Minister, mir das dann am Ende noch erklären; vielleicht steht das irgendwo genauer –: Was ist eine inter­nationale Vereinbarung, aufgrund derer ich jetzt sage, ich brauche keine UVP mehr? Ist ein internationales Pfitschigogerl-Turnier zwischen Lichtenstein, Österreich und der Schweiz eine internationale Vereinbarung oder nicht? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Welche Anlage ...?) Na ja, ein großes Stadion werde ich brauchen für alle Liechten­steiner, Schweizer und Österreicher.

Aber bei einem Golfplatz: Was ist da eine „internationale Vereinbarung“? (Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll: Das ist was anderes als Pfitschigogerln!) Ja, Golf spielen ist ein bisschen etwas anderes als Pfitschigogerln. Da sind wir einer Meinung – ansonsten möglicherweise nicht immer.


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Abgesehen von den Änderungen bei Sportstätten gibt es heimlich, still und leise mehr oder weniger in einem Aufwaschen gleich Verschlechterungen im Bereich der Flug­plätze. Da werden die Schwellen für die Flugbewegungen erhöht, die zusätzlichen Beschränkungen – mit einer Zunahme von maximal 25 Prozent – sind gefallen.

Flugplätze für die Militärluftfahrt – das ist auch herausgenommen. Da gibt es die Errich­tung und Verlängerung und sonstige flugbetriebsbezogene Änderungen für diese Flug­plätze.

Wenn Sie jetzt als Sportminister oder als Verteidigungsminister hier stehen, dann ist diese Idee für mich irgendwo verständlich. Sie sind aber Umweltminister, und für einen Umweltminister ist es meines Erachtens absolut indiskutabel, dieser Verschlechterung eines UVP Gesetzes zuzustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Vielmehr gibt es am UVP-Gesetz noch einiges zu verbessern. Es ist vor kurzem das Kyoto-Protokoll in Kraft getreten. Die Auswirkungen von Projekten auf die treibhaus­relevanten Gase werden aber noch nicht geprüft. Bei kalorischen Kraftwerken gibt es keine Least-Cost-Überlegung, und es gibt keine Kompensationsmaßnahmen, wie Auf­forstungen zum Beispiel, was die treibhausrelevanten Gase betrifft.

Müllverbrennungsanlagen werden ohne Wärmenutzung gebaut. Straßen und Flug­häfen machen eine UVP ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf die treibhaus­relevanten Gase. Das wird in der Umweltverträglichkeitsprüfung einfach noch nicht berücksichtigt. Es wäre aber jetzt, da dieses Protokoll endlich in Kraft getreten ist, doch an der Zeit, hier einmal etwas zu verbessern.

Wo sind jetzt die Verbesserungen für die Umwelt durch diese Gesetzesänderung? Und: Wie kann ein Umweltminister einer solchen Änderung zustimmen, wenn er nicht gerade auf Zeitausgleich ist? – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.16


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Weilharter. – Bitte. (Bundesrat Schennach: Jetzt kommt wieder eine steirische Verteidigungsrede! – Heiterkeit. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Für den Hirsch­mann! – Bundesrat Schennach: Er ist auf der Hirschmann-Liste!)

 


13.16.11

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! ich möchte, bevor ich zum Inhalt dieser UVP-Novelle komme, eingangs doch ein paar Dinge festhalten, über die wir uns, glaube ich, grundsätzlich einig sind.

Erstens sollte in dieser Debatte festgehalten werden: Österreich ist betreffend Umwelt­standards nicht nur europäische, sondern internationale Spitze, und unsere Standards halten allen internationalen Vergleichen stand! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zweiter Punkt, Herr Kollege Schennach, und das sollte auch unbestritten sein: Öster­reich ist ein Sport- und Veranstaltungsland erster Klasse – denken Sie dabei an den Schisport, an den Fußball, an alle Sportarten, die es gibt! –, und Österreich ist auch ein Volks- und Hochkulturland erster Güte, feinster Sahne. Denken Sie dabei an alle Kul­turveranstaltungen und Events! Alles in allem würde ich sagen: Eine Erfolgsgeschichte, eine Erfolgsstory, die herzeigbar ist, und darauf, meine Damen und Herren, sollten wir stolz sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)


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Im Zuge dieser Debatte sollte aber auch gesagt werden: Bei all diesen Erfolgs­geschichten und Veranstaltungen ist es doch üblich und an der Tagesordnung, dass Politiker aller Ebenen, aller Couleurs dort repräsentieren. Das ist auch gut so, meine Fraktion bekennt sich auch dazu.

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Änderung des UVP-Gesetzes beeinträch­tigt in keiner Weise – um zum Inhalt zu kommen – die Qualität des Umweltverträg­lichkeitsprüfungsgesetzes, wie Kollegin Kerschbaum gemeint hat. Ich meine, die Um­weltstandards werden in keiner Weise verschlechtert, sondern das Gegenteil ist der Fall. (Bundesrat Schennach: Na geh bitte!) Herr Kollege Schennach, das Gegenteil deshalb, weil die Qualität des Gesetzes verbessert wird, weil die Landesregierungen eingebunden werden, weil die Landesregierungen Kompetenz bekommen, weil sie vor allem auch in die Entscheidungen eingebunden sind und werden und auch in der Frage der UVP Entscheidungen treffen können. (Bundesrat Schennach: Da habt ihr aber beim Pröll immer Bauchweh gehabt, nicht?)

Ich meine, die SPÖ, die sozialdemokratische Fraktion hat vielleicht auch ein Problem intern, weil die Landeshauptleute Burgstaller, Niessl, Häupl in Hinkunft die Entschei­dungen treffen werden, ob Großprojekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unter­ziehen sind oder nicht. (Bundesrat Reisenberger: Wo ist das Problem?)

Sie von der SPÖ, meine Damen und Herren, und das sei Ihnen unbenommen, Sie von der SPÖ haben halt Probleme in jenen Landtagen und in jenen Landesregierungen, wo Sie dominieren. Sie haben kein Vertrauen in jene Landesregierungen, wo Sie dominie­ren, wo Sie die Mehrheit haben. Das mag vielleicht eine Begründung sein; dem könn­ten wir auch folgen. (Ruf bei der SPÖ: Haider! Haider! Haider! – Bundesrat Stadler: Warum habt ihr so viel Vertrauen in Kärnten?)

Meine Damen und Herren! Ich sage noch einmal, dass die vorliegende UVP-Gesetzes­novelle das Genehmigungsverfahren beschleunigen wird, ist sehr positiv. Warum?

Sie ist positiv deshalb, weil sich Sport-, aber auch Kulturveranstaltungen internationa­len Bewerben zu stellen haben, und auch hier gibt es einen so genannten Wettbewerb: Jene Staaten, die schneller entscheiden, bekommen meistens den Zuschlag für der­artige Veranstaltungen, jene Staaten, die unbürokratisch und schnell entscheiden, werden meistens mit der Durchführung von derartigen Veranstaltungen beauftragt und betraut.

Meine Damen und Herren, lesen wir doch in den Protokollen des Bundesrates nach! Kollege Hösele hat auf eine gemeinsame Entschließung betreffend den A1-Ring hinge­wiesen. Ich möchte die Opposition daran erinnern, wir haben auch eine gemeinsame Entschließung zur Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Spiele gefasst – das wurde von allen Fraktionen hier im Haus unterstützt. Jetzt, da wir die nationalen Rahmenbedingungen effizienter machen, jetzt, da wir die Rechtsgrundlagen verbes­sern, um derartige Ereignisse an Land zu ziehen, ist die Opposition dagegen! (Bundes­rat Gruber: Salzburg braucht keine Änderung der UVP für eine Olympia-Bewerbung!)

Herr Kollege Gruber, ich verstehe Ihren Weg nicht mehr. Das ist für mich doppelbödig, Herr Kollege! Das ist eine Scheinmoral, und das ist auch eine janusköpfige Politik, die Sie in diesen Fragen betreiben!

Meine Damen und Herren! Wir von den Regierungsparteien unterscheiden uns von Ihnen auch darin, dass wir zu unseren Entschließungen stehen. Wir von den Regie­rungsparteien – also ÖVP und FPÖ – stehen weiterhin zum Sport- und Kulturland Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Boden: Das ist bei der FPÖ auch deutlich zu sehen! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)


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Herr Kollege Schennach! Wir von den Regierungsparteien stehen weiterhin zu Groß­veranstaltungen, zum Tourismus und zur Wirtschaft, weil vor allem diese Veranstal­tungen diesen Sparten dienen, und wir, meine Damen und Herren, stehen insgesamt zum Veranstaltungs- und Eventland Österreich.

Wir stehen auch dazu, meine Damen und Herren von der Opposition, dass die Lan­desregierungen kompetent sind. Die Landesregierungen haben unser Vertrauen, und sie sollen in Hinkunft auch in Entscheidungen stärker eingebunden werden. Wir leben eben – im Unterschied zur Opposition hier im Haus – den Föderalismus, wir setzen auch föderalistische Taten! Wir vertrauen unseren Ländern! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf noch einmal auf Kollegen Einwallner replizieren und halte fest, dass es sich bei dieser UVP-Gesetz-Novelle in keiner Weise um Anlassgesetzgebung oder um eine Reinwaschung der Frau Landeshauptmann Klasnic handelt (Ruf bei der SPÖ: Nein, es soll ein Persilschein sein!), ganz im Gegenteil: Wenn es eine politische Verantwortung für das Scheitern des A1-Ringes gibt, dann liegt sie natürlich bei der steirischen Landesregierung und bei Frau Landeshauptmann Klasnic. Um aber ein Desaster wie Spielberg nicht mehr zu erleben, ist es notwendig, diese Novelle zu schaffen und damit die Landesregierungen als kompetent und zuständig einzubinden.

Daher, meine Damen und Herren, wird meine Fraktion gegen die vorliegende Novelle in keiner Weise Einspruch erheben, sondern wir freuen uns, dass die Länder mehr Kompetenz bekommen, wir freuen uns, dass der Föderalismus wieder gestärkt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.23


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

 


13.24.00

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Zur UVP-Novelle ein paar Feststellungen und Klarstellungen, weil ich in den letzten Wochen oft den Eindruck hatte, dass sich sehr viele mit diesem Thema auseinander setzen, Emotionen haben, aber nicht wissen, wovon sie im Detail reden.

Ich sage das ganz bewusst deswegen, weil ich gar nicht die Auseinandersetzung pflegen will, sondern weil wir wissen müssen: Was ist der Ausgangspunkt – zehn Jahre UVP –, was ist die Entwicklung der UVP, was sind die Änderungen, wie sind sie imple­mentiert, und welche Auswirkung hat das natürlich auch auf die Frage Umweltquali­tät? – All das können wir leidenschaftlich dann auch miteinander diskutieren. Deswe­gen ein paar Feststellungen.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist seit knapp mehr als zehn Jahren ein hervorra­gendes Instrument auch für die Wirtschaft, für den Umweltstandort Österreich, ein kon­zentriertes Verfahren – One-Stop-Shop – zu verwirklichen. Viele Projekte – viele Pro­jekte! – in Österreich sind dieser UVP entsprechend verwirklicht worden. Sie ist kein Verhinderungsinstrument gewesen und wird es auch in Zukunft nicht sein. Aber wir müssen sehen, dass die UVP schon seit ihrem Bestehen unterschiedliche Tatbestände kennt: Projekte, die unbedingt UVP-pflichtig sind, und sehr viele Projekte, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wichtig, das auch hier im Bundesrat zu sagen –, ja, das ist der Regelfall, es gab Hunderte Feststellungsverfahren bei Projekten in den Län­dern, ob UVP-Pflicht besteht oder nicht. Und das seit zehn Jahren! Es gab wesentlich


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mehr Projekte, die nicht direkt UVP-pflichtig waren, sondern bei denen das Land immer schon entschieden hat: UVP ja, UVP nein – zehn Jahre lang.

Was jetzt neu diskutiert wird, ist die Frage: Wie gehen wir mit Anlagen um, die für inter­nationale Großsportveranstaltungen geplant und errichtet werden – Olympische Spiele, Europameisterschaften, wie auch im Gesetzestext angeführt –, und wie gehen wir mit Rennstrecken um, die schon lange Bestand haben? Konkret: zwei in Österreich.

Wir haben nicht gesagt: Heraus aus der UVP-Pflicht!, sondern Entscheidung dort, wo schon bisher bei Hunderten Projekten entschieden wurde – im Feststellungsbescheid der Länder: UVP ja oder nein? Wenn gravierende Umweltauswirkungen zu erwarten sind, dann auch zukünftig UVP, wenn das Land sagt: keine UVP, Feststellungsbe­scheid – Berufungsmöglichkeit.

Weil heute so locker angeklungen ist: Ja, die Umweltanwälte!, und so weiter und so fort, Frau Bundesrätin Kerschbaumer (Bundesrätin Kerschbaum: Ohne „er“!), muss ich Sie leider korrigieren. Frau Kollegin, da haben Sie sich nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen auseinander gesetzt.

Weil Sie sagen, der Umweltanwalt kann berufen. Ein Feststellungsbescheid bedeutet: Das Land entscheidet in diesen Fällen – Olympische Spiele, EM; mir ist nur bekannt, dass wir die Fußball-Europameisterschaft haben, dass wir uns um Olympische Spiele bewerben, ansonsten wird das nicht schlagend, und für zwei Rennstrecken. In diesen Fragen können künftig die Länder entscheiden. Wenn Umweltauswirkung ja, dann UVP, wenn nein, dann nicht. Das Land entscheidet – Feststellungsbescheid. Gegen diesen Bescheid können unter anderem die Umweltanwälte berufen. Und Sie kommen hier heraus und sagen: Umweltanwälte? Was werden die machen?

Wer hat denn beim A1-Ring, sehr geehrte Frau Bundesrätin, federführend die Bürger­initiativen koordiniert und ist gegen das Projekt aufgetreten? – Der steirische Umwelt­anwalt! Und deswegen können ... (Bundesrat Gruber: Drum ändern Sie’s ja! Weil der erfolgreich war!) Nein! In Zukunft auch der Umweltanwalt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diskutieren wir doch sachlich, fachlich die Dinge, wie sie sind, ohne Emotionen und ohne politisches Kleingeld daraus zu schlagen! Das ist meine Anforde­rung auch in dieser Frage, die wir gemeinsam entsprechend zu bewerten haben.

Frau Bundesrätin Kerschbaum, Sie haben noch etwas gesagt: NGO-Beteiligung. – Das alles ist immer so selbstverständlich bei uns! Das wird so als selbstverständlich hinge­stellt: Österreich ist Umweltstandort Nummer eins in Europa! Das ist eben so, aber okay. Wir haben das durch eine kluge Umweltpolitik sehr viele Jahre hindurch erreicht. Mir ist vor kurzem hier im Hohen Haus gelungen, bei der UVP die Bürgerbeteiligung von Bürgerinitiativen, von Nachbarn bei Projekten auf NGOs auszuweiten. Ich habe da viele Prügel eingesteckt, auch aus Wirtschaftskreisen, aus vielen anderen Kreisen, aber Mitte dieses Jahres werden die NGOs in den Verfahren der UVP beteiligt. Wenn das kein Fortschritt ist, dann weiß ich nicht, was wir noch mehr diskutieren und um­setzen sollen!

Dass Sie gegen die NGO-Beteiligung im UVP-Verfahren gestimmt haben, dafür kann ich nichts! Ich weiß nicht, warum die Grünen damals diesem Weg nicht folgen konn­ten – sie sind offensichtlich dagegen, Bürgerbeteiligung verstärkt zuzulassen. Es ist nicht mein Weg gewesen, und Gott sei Dank haben wir uns auch in dieser Frage entsprechend durchgesetzt.

Worum geht es in Zukunft bei diesen Projekten? – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Länder werden entscheiden bei internationalen Großprojekten, Olympi­schen Spielen, Europameisterschaft, bestehende Rennstrecken, Fall für Fall. Gemäß


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den Vorgaben, die seit zehn Jahren gültig sind, seit zehn Jahren Usus sind in den Ländern, werden die Bundesländer die UVP-Pflicht beurteilen.

Wenn Sie den Landeshauptmann von Niederösterreich und andere Landeshauptleute ansprechen: Natürlich können alle UVP-Verfahren machen! Wir schließen diese Pro­jekte von der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht aus! Wer das behauptet, liegt falsch, hat den Gesetzestext nicht gelesen und hat sich mit dem Thema nicht auseinander gesetzt. – Das ist mein Vorwurf.

Weiterhin klares Reglement: Im Regime der UVP sind auch diese Projekte. Es gibt eine Einzelfallprüfung durch das Land. Beschwerdemöglichkeit existiert durch defi­nierte Beteiligung – Umweltanwalt, Behörden und so weiter –, und es geht seinen normalen Weg.

Ich verstehe die Aufregung um dieses Thema nicht, im Gegenteil: Wir haben die UVP nicht geschwächt, sondern das Instrument um einen neuen Tatbestand ergänzt. Alles andere, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist schlichtweg falsch – ich kann Ihnen diesen Vorwurf leider nicht ersparen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

13.30


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.

 


13.30.24

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Vorerst, Herr Minister, bedanke ich mich in einer anderen Angelegenheit bei Ihnen, dass Sie nun doch, auf meinen Wunsch hin, in Sachen Hochwasserschutz tätig wurden. Tragen Sie bitte den Dank auch an Herrn Sektionschef Tschulik weiter! Es ist mir ein Herzensanliegen, Ihnen dies auch von dieser Stelle aus zu sagen.

Geschätzte Damen und Herren! Das noch in Kraft befindliche UVP-Gesetz stellt, wie wir alle wissen und anerkennen, eine elementare Grundlage in unserem Rechtssystem dar.

Herr Minister! Ich möchte hier eine sachliche Auseinandersetzung mit Ihnen führen und lege dar, dass alle Umweltanwälte aller Landesregierungen Folgendes in ihrer Stel­lungnahme vom 24. Februar festhalten:

Der geplante Änderungsantrag ist in faktisch allen Punkten klar EU-rechtswidrig. Auch eine Berufung auf internationale Verpflichtungen kann nicht die Prüfung auf Erheblich­keit von Umweltauswirkungen und Umweltverträglichkeit ersetzen. Es stellt – und das ist für mich der Punkt – eine drastische Verschlechterung der Umweltverträglichkeits­prüfung in ganz Österreich dar und ermöglicht damit eine Verschlechterung der Um­weltqualität. – Zitatende. (Präsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Geschätzte Damen und Herren! Daher war auch vor zehn Jahren der Beschluss dieses Umweltverträglichkeitsgesetzes ein Beschluss – da gebe ich Ihnen Recht –, der nicht nur für unsere Zukunft richtungsweisend war, sondern ich gehe davon aus, dass es auch ein „Anwaltsgesetz“ für unsere Umwelt ist.

Die geplante Initiierung einer Änderung dieses Gesetzes stellt einen Akt der Aushebe­lung von Rechten der jeweiligen Bevölkerung und der Betroffenen dar und, wie ich meine, auch einen Rückschritt in unserem Demokratie- und Umweltverständnis.

Ich bin daher sehr froh, dass quer durch alle Parteien, auch durch Ihre Partei, sehr geehrter Herr Minister, und, wenn ich einmal den Worten des FPÖ-Politikers Haider Glauben schenken darf, besonders in den Ländern diese von mir hier vertretene Mei-


Bundesrat
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nung und die Meinung meiner Fraktion ebenfalls geteilt wird und somit diesen Ände­rungsvorhaben eine Absage erteilt wird.

Geschätzter Herr Minister! Überall in den einschlägigen Gesetzen und ganz besonders im Tiroler Raumordnungsgesetz wird speziell darauf hingewiesen, dass eine Anlassge­setzgebung verboten ist. In diesem besonderen Fall der Änderung des UVP-Gesetzes liegt diese Anlassgesetzgebung aber klar auf der Hand. Man muss hier etwas reparie­ren. Neben diesen Fakten – geschätzte Damen und Herren, ich glaube, Sie sehen es so wie ich – wird der großzügige Föderalismusgedanke mit Füßen getreten, wenn nämlich eine Verschlechterung für die Bürger und die Betroffenen erfolgt und die Verantwortung vom Bund auf die Länder übertragen und somit verschoben wird. Diese Vorstellung von Föderalismus, noch dazu wenn diese Änderung, wie ich eingangs erwähnt habe, faktisch in allen Punkten EU-rechtswidrig ist, kann von mir als Vertreter des Bundeslandes Tirol nur mit einem geschätzten „Danke“ quittiert werden.

Meine Damen und Herren! Solange wir im Land Tirol die politische Verantwortung für die Umweltbelange tragen und dafür zuständig sind, wird eine Änderung in diese Rich­tung in Tirol schon im Interesse unserer Bevölkerung und meiner Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht stattfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn diese durchwach­sene Diskussion in allen politischen Parteien stattfindet, dann ist es unsere demokra­tische Pflicht, darauf einzugehen und diesen Umweltverschlechterungen eine Absage zu erteilen. Setzen wir also hier in diesem Bundesrat heute ein Zeichen! – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

13.35


Präsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tief­nig. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.35.39

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wenn ich so einleiten darf, es ist eine Ge­meinheit der Natur, dass man die Fehler bei den anderen sucht und die eigenen nicht einmal im Nachhinein erkennt. Der Herr Minister hat dieses Gesetz ja ausführlich er­klärt. Ich möchte nur wiederholen, was Kollege Weilharter gesagt hat: Österreich ist ein Umweltmusterland. Ich glaube, das wird es auch in Zukunft mit diesem Gesetz sein.

Es ist nicht so, wie Sie behaupten, nämlich dass die Umweltorganisationen keine Mit­sprache mehr hätten. Und das Gesetz ist EU- und verfassungskonform. Ich denke, das Allerwichtigste an diesem Gesetz ist, dass es EU- und verfassungskonform ist.

Ich wundere mich überhaupt, dass Salzburger SPÖ-Abgeordnete gegen dieses neue Gesetz sind. Wenn man sieht, dass wir kurz vor einer Fußball-Europameisterschaft stehen (Bundesrat Gruber: Wir haben schon ein Stadion!), das Stadion erweitert wer­den soll (Bundesrat Gruber: Erweitern tun wir es auch! Kein Problem!) und eventuell Olympische Spiele in Salzburg anstehen, so würde ein Riesenproblem auftreten, wenn man diese Rückwidmung wieder einer UVP unterziehen müsste, um dann wieder eine UVP genehmigt zu bekommen, um eine Ausweitung der Sportstätten zu erreichen.

Ich finde es auch vermessen, jetzt so einen Wahlkampf in der Steiermark zu führen, wie es damals die SPÖ in Oberösterreich gegenüber unserem Dr. Josef Pühringer bezüglich der Voest-Debatte getan hat (Bundesrat Kraml: Aber geh! – Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Lichtenecker), wo der Bevölkerung in Oberösterreich vor Augen geführt werden sollte – was dort durch die SPÖ mit dezidierten und aktionistischen Lügenattacken so hingestellt worden ist (Zwischenrufe bei der SPÖ, darunter: „Lü­gen“!) –, dass Arbeitsplätze durch die Voest-Privatisierung vernichtet würden. Das war


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nicht der Fall. (Bundesrat Konecny: Haben Sie eine Ahnung, wovon Sie reden? – Bundesrat Prutsch: „Lügen“ nehmen Sie zurück!)

Und genauso ist es nicht der Fall, dass nun diese Änderung der Umweltverträglich­keitsprüfung ein Nachteil für die Umwelt ist, sondern sie ist ein Vorteil für den Wirtschafts- und Arbeitsplatzstandort Steiermark. Ich glaube, es ist nicht gerechtfertigt, gegenüber einer Landesmutter, wie es Waltraud Klasnic ist (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Rufe bei der SPÖ: „Landesmutter“!) – das sage ich als Oberösterreicher –, einen so beschämenden Wahlkampf zu führen. Es ist wirklich peinlich für die Oppo­sition hier im Bundesrat, so einen Aktionismus zu betreiben! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Kaltenbacher: Das ist die Wahrheit! – Bundesrat Stadler: Das „Lügen“ nimmst du zurück!)

Vielleicht würden auch die Burgenländer oder burgenländische Abgeordnete der SPÖ anders denken, wenn zum Beispiel die Festspiele in St. Margarethen in Frage stünden, wenn nämlich eine Umweltorganisation auftreten und sagen würde, es seien Vogel­arten oder die Fauna überhaupt durch diese Veranstaltung gefährdet, und man müsste dann eine Umweltverträglichkeitsprüfung anordnen. (Bundesrat Gruber: Das ist eher in Mörbisch! Dort sind Seevögel!)

Herr Gruber! Wenn Sie sich geographisch nicht auskennen, gehen Sie doch wieder in die Berge! (Bundesrat Gruber: Ich weiß, dass es im Burgenland Festspiele gibt!) – Ja, gut. Ich glaube aber, auf eine Debatte mit Ihnen brauche ich nicht lange einzugehen, Herr Gruber. (Bundesrat Gruber: Da zahlst du nur drauf!) Sie ziehen nämlich den Kürzeren.

Ich möchte in der Hinsicht nur sagen: Diesbezüglich hätte auch Landeshauptmann Niessl dann die Eigenverantwortung und könnte selbst entscheiden. Ich glaube, es wäre nicht einmal so schlecht, wenn die Landeshauptleute mehr Eigenverantwortung übernehmen und nicht immer nur Kritik gegenüber dem Bund äußern – besonders von Seiten Salzburgs, Wiens und des Burgenlandes. (Bundesrat Gruber: Und demnächst auch in der Steiermark!)

In diesem Sinne werden wir von der ÖVP diesem Gesetzentwurf sicher zustimmen. Ich danke den Mitarbeitern des Ministeriums auch dafür, dass sie da eine vernünftige Lösung gefunden haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.40


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lich­tenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrat Konecny: Stellen Sie das richtig!)

 


13.40.14

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Genau das ist der große Kritikpunkt: Diese UVP-Gesetzesvorlage wird es ermöglichen, dass den parteitaktischen Momenten, den Wahlkämpfen, der Polemik Raum gegeben wird. Das, Herr Minister, ist tatsächlich sehr bedenklich. Abgesehen davon – über das brauchen wir nicht zu diskutieren – ist es eine Anlassgesetzgebung. Das alles wird nur gemacht, weil es die steirischen Politiker oder Politikerinnen nicht auf die Reihe bringen, ein Wirtschaftsprojekt aufzuziehen und ordentlich abzuwickeln. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Andererseits betrifft dies natürlich auch Kärnten, da dort irgendwelche diffusen Eigen­interessen unterwegs sind. Das zu machen, Herr Minister, finde ich wirklich sehr bedauerlich und auch enttäuschend. Ich denke, es ist ein wirklich schwarzer Tag für die Umwelt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Schwarze Tage für die Umwelt sind gut! – Bundesrätin Bachner: Es kommt auf die Sichtweise an! – Bundesminister Dipl.-


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Ing. Pröll: Wenn man schwarze Umweltpolitik macht, ist es gut!) – Herr Minister! Schwarz im Sinne von Trauer, tatsächlich großer Trauer.

Kollege Tiefnig! UVPs sind ein Beteiligungsverfahren für alle Bürgerinnen und Bürger, und das ist gut so. Sie sind kein Blockadeinstrument. Ich habe immer den Eindruck, wenn die ÖVP-Riege hier herausmarschiert, dann ist da so eine diffuse, latente Ten­denz vorhanden, die Umwelt gegen die Ökonomie auszuspielen. Das ist wirklich der falsche Spielplatz und die falsche Herangehensweise.

Fakt ist, wenn man eine UVP ordentlich abwickelt, dann geht es um Projektoptimie­rung, und das ist gut für den Wirtschaftsstandort. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Jetzt nenne ich Ihnen ein Beispiel aus Oberösterreich. Wir Grüne und unser Landesrat Anschober haben es geschafft, ein Projekt, ein UVP-Verfahren, in Linz abzuwickeln, das tatsächlich 2 Milliarden € an Investitionen bei der Voest ermöglicht. Dies wurde positiv abgewickelt und sorgt dafür, dass es tausende Arbeitsplätze zusätzlich gibt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Bitte, Frau Kollegin, etwas genauer erläutern, welches Projekt das ist!) – Ja, natürlich. Sie behaupten doch immer, dass Sie sich mit Wirtschaftsfragen relativ häufig beschäftigen. Ich nehme an, dass es klar ist, wenn es in Oberösterreich um 2 Milliarden € geht, wer investiert.

Fakt ist, dass damit das UVP-Gesetz durchlöchert wird und in dem Sinn auch ökono­misch nicht effizient ist. Wir haben den Fall, dass Manager aus Großbetrieben wirklich mit großem Unverständnis reagieren, Herr Minister. Sie fragen: Warum werden die Dinge mit zweierlei Maß gemessen? – Ob das für den Wirtschaftsstandort klug ist, das möchte ich in dieser Form bezweifeln.

Insofern sollte man noch einmal Überlegungen anstellen. Ich habe nicht nur heute und in diesem Saal, sondern auch anderorts, auch aus den Reihen der ÖVP und der FPÖ, dazu Kritiken und Achselzucken vernommen. Daher könnten heute Teile dieser Frak­tionen die Chance wahrnehmen und dieser UVP-Novelle nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.44


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

 


13.44.35

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im nächsten Tagesordnungspunkt werden wir – wie es nach den Ausschussberatungen zu erwarten ist – mit einhelliger Zustim­mung zum Ermächtigungsgesetz über den Abschluss des Verfassungsvertrages der Europäischen Union, wohl in Übereinstimmung mit einem großen Teil unserer Bevölke­rung, dokumentieren, dass es gut ist, Mitglied der Europäischen Union zu sein.

Natürlich gibt es immer wieder auch Tage, an denen man sich über manches ärgert. So wie es etwa dem Industriekommissar Verheugen ergangen ist, als er festgestellt hat, dass in seinem Zuständigkeitsbereich noch eine Verordnung über die Kaffee-Er­satz-Packungsgröße besteht. Die Kommission ist nicht frei von solchen Regelungen, die auf Unverständnis bei den betroffenen Bürgern und Einrichtungen stoßen.

Es gibt aber immer wieder auch Tage, an denen man außerordentlich froh ist, Mitglied der Europäischen Union zu sein. Die ursprüngliche Absicht, das Umweltverträglich­keitsprüfungsgesetz zu ändern, war auch Anlass dazu. Es ist so, dass es innerstaatlich nicht mehr allzu stark beeindruckt, wenn offenkundige Verfassungswidrigkeit geltend gemacht wird. Das ist ein Thema für sich. Aber es war sehr hilfreich, dass schließlich das Argument der fehlenden Übereinstimmung mit den Vorschriften der Europäischen Union beeindruckt hat. Das war auch der Grund dafür, warum es dann zu dieser Ände-


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rung des dem Beschluss zugrunde liegenden Antrages gekommen ist. – Da war es gut, Mitglied der Europäischen Union zu sein, weil auf diese Art und Weise die ursprünglich vorgesehene Regelung verbessert wurde.

Es ist ohne Frage eine sehr kurzfristig zustande gekommene Novelle des Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetzes. Wir hatten uns erst am 20. Dezember des Vorjahres, also vor wenigen Wochen, mit diesem Thema beschäftigt. Wir hatten dann auf Grund der Einbringung als Selbständiger Antrag naturgemäß kein Begutachtungsverfahren. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sich der nach dem UVP-Gesetz eingerichtete Umweltrat, der zur Beratung grundsätzlicher Fragen der Umweltpolitik berufen wäre, damit beschäftigt hat. Natürlich ist man nicht ganz frei von dem Eindruck, dass es – um jetzt einen Begriff aus der Golfsprache zu übernehmen, Golfplätze sind von dieser Änderung ja auch betroffen – schon auch das Bemühen gegeben hat, manchen ein Handicap zuzuerkennen, um mit der Verfahrensabwicklung mithalten zu können.

Es ist der Begriff der Anlassgesetzgebung gefallen; auch von jenen, die sich schon fragen lassen müssen, ob sie nicht selbst auch diesen Anlass geschaffen haben. Herr Kollege Hösele hat schon auf die vom Bundesrat eben am 20. Dezember des Vorjah­res gefasste Entschließung hingewiesen, wo sich mit Zustimmung der SPÖ der Bun­desrat mit großer Mehrheit – die Grünen waren, glaube ich, die Einzigen, die damals nicht mitgestimmt haben ... (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Genau! Weil wir gesagt haben, es gibt etwas Besseres!) – Ja. Ich sage das auch nicht an Ihre Adresse, son­dern an die Adresse jener, die etwas weiter links von Ihnen sitzen. (Bundesrat Boden: Noch weiter links? – Ruf: Gibt es rechts von der ÖVP noch etwas? – Bundesrat Boden: O ja, die Wand!)

Da wurde vom Bundesrat ausdrücklich urgiert, man möge prüfen, welche gesetzlichen Maßnahmen ergriffen werden können, um Verfahrensabläufe zu optimieren. Das ist geschehen, und das wird jetzt vorgelegt. Da stellt sich schon die Frage: Wie anders hätten Sie sich denn die Umsetzung der auch von Ihnen beschlossenen Entschließung vorgestellt?

Der Herr Bundesminister hat schon darauf hingewiesen, dass auch dann, wenn eine Landesregierung zur Auffassung käme, keine Umweltverträglichkeitsprüfungen in einem konkreten Fall durchführen zu sollen, die Vorhaben keineswegs genehmigungs­frei gestellt werden. Es sind nach wie vor alle bundes- und landesrechtlichen Verfahren abzuführen. Es ist vom Herrn Bundesminister weiters völlig richtig darauf hingewiesen worden, dass auch kein neues Instrument in die Rechtsordnung eingeführt wird. Diese Abwägungsmöglichkeit hat die Landesregierung in einer ganzen Reihe von Fällen bis­her schon gehabt. Sie wird also nicht neu eingeführt, sondern sie wird inhaltlich etwas erweitert. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die bisherigen Ermächtigungen keinen Anlass zur Kritik gaben und die Länder also durchaus zeigten, dass sie mit dem ihnen schon bisher zur Verfügung stehenden Instrumentarium sorgfältig umgingen.

Auf Grund der Abläufe, wie es zu diesem Gesetz kam, gab es natürlich auch keine vertiefte Gesetzesfolgenabschätzung. Wenn man sie durchgeführt hätte, wäre man vielleicht auch zu Überlegungen gekommen, ob das für die betroffenen Landesverwal­tungen wirklich alles hilfreich sein wird. Die Entscheidung der Landesregierung, keine UVP durchzuführen, ist bis hinauf zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfbar. Darin steckt ein ganz beachtliches Verzögerungspotential.

Es kommt auch zu einer Verfahrenszersplitterung. Mit der Einführung der Umwelt­verträglichkeitsprüfung hatte man unter anderem auch die Absicht, durch Verfahrens­konzentration und in sinngemäßer Anwendung des Prinzips „One Stop Shop“ zu einer Beschleunigung, zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise zu kommen, die durch das Auseinanderlaufenlassen der Genehmigungsverfahren wieder in Frage gestellt wird.


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Und schließlich – Frau Kollegin Lichtenecker hat schon darauf hingewiesen – bedeutet Einbindung der Betroffenen und Vertrauensbildung bei der Information auch Minderung des Konfliktpotentials und der Konfliktbereitschaft der beteiligten Parteien. – Das sind also alles Gesetzesfolgenabschätzungen, die man bei der Anwendung des Instrumen­tariums im Auge haben muss.

Ich verstehe natürlich, dass man aus bundespolitischen oder auf die Umwelt fokussier­ten Überlegungen sagen kann: Wir wollen nicht, dass sich ein Land aus der UVP-Pflicht ausklinken kann. Das ist ein legitimer Standpunkt. Aber wir haben hier doch eigentlich die Aufgabe, die Landesinteressen zu vertreten. Ich vertrete hier die Interes­sen meines Bundeslandes, das sich nicht davor scheut, die mit dieser Ermächtigung verbundene Verantwortung wahrzunehmen. Wir nehmen diese Verantwortung an, und wir glauben auch – und sehen uns da durchaus im Einklang mit der Mehrheit der Vor­arlberger Bevölkerung –, dass wir mit diesem Instrument verantwortungsbewusst an die Probleme herangehen werden.

Weil vielfach schon von Meinungsäußerungen von Landtagen und dergleichen die Rede war, möchte ich kurz die Haltung meines Landtages darlegen. Er hat sich am letzten Mittwoch auf Grund eines Selbständigen Entschließungsantrages der SPÖ-Fraktion mit dieser Frage befasst. Diesem Antrag wurde Dringlichkeit zuerkannt. Er wurde in der Sitzung der Einbringung noch behandelt. Der Entschließungsantrag der SPÖ hat darauf abgezielt, die Vorarlberger Bundesräte anzuhalten, gegen die be­schlossenen Änderungen Einspruch zu erheben. – Den Begriff „anzuhalten“ muss man sich natürlich, wenn ich jetzt Herrn Professor Konecny ins Auge fasse, schon etwas auf der Zunge zergehen lassen. Wenn ich im Duden nachschlage, was man unter „anhal­ten“ versteht, dann gibt es verschiedene Bedeutungen wie etwa: „um jemandes Hand anhalten (einen Heiratsantrag machen)“. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Oh, oh!) Ich nehme nicht an, dass die SPÖ-Fraktion im Vorarlberger Landtag diese Absicht hatte. „Anhalten“ heißt aber auch – und das ist in der durchaus häufigsten Begriffsverwen­dung der Fall – „anweisen“.

Die SPÖ-Fraktion im Vorarlberger Landtag wollte also Herrn Professor Konecny, der sich sonst gegen diese Dinge verwahrt, die Freude machen, dass wir vom Landtag an­gewiesen werden (Bundesrat Konecny: Angehalten!) und nicht bloß ersucht werden oder dass an uns appelliert wird. Wir sollen „angehalten“, sprich: angewiesen, werden, uns in einer bestimmten Frage entsprechend zu verhalten.

Weiters beantragte die SPÖ-Landtagsfraktion, an die Bundesregierung und an den Nationalrat heranzutreten, die Änderungen wieder zur Gänze zurückzunehmen. Dies ist eine merkwürdige Konsequenz aus dem ersten Antragsteil, denn wenn man dem gefolgt wäre, würde sich ja der zweite Teil erübrigen. Dieser Antrag hat in der Land­tagssitzung die Stimmen der SPÖ-Fraktion bekommen. Auch die Grünen haben die­sem Entschließungsantrag der SPÖ nicht zugestimmt. Das kann ich als Augen- und Ohrenzeuge dieser Beratungen sagen, und Sie können das jederzeit auch im Protokoll nachlesen.

Das heißt also: Die überwiegende Mehrheit des Vorarlberger Landtages war der Auf­fassung, wir sollen nicht veranlasst werden, Einspruch zu erheben, und man soll keine Anstrengungen unternehmen, die beschlossene Änderung rückgängig zu machen.

Die Grünen brachten dann einen Abänderungsantrag ein – sie waren ja nicht so phan­tasielos, das nur abzulehnen –, weil sie auch argumentiert haben, der Bundesrat habe ein freies Mandat und es gehe nicht an, ihn anzuweisen. Das ist eine durchaus aner­kennenswerte Argumentation. Die Grünen beantragten als Alternative zu dem von ihnen abgelehnten SPÖ-Antrag, die Landesregierung möge von den nun eingeräumten Möglichkeiten einer Einzelfallprüfung keinen Gebrauch machen. Man möge im Zuge


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der nächsten Landeshauptleutekonferenz die Haltung der einzelnen Länder erheben und darüber dem Landtag Bericht erstatten. Man soll weiters bei der Bundesregierung dafür eintreten, die beschlossenen Änderungen zurückzunehmen. – So weit der Abän­derungsantrag der Grünen, der wiederum nur die Stimmen der Grünen gefunden hat. Die SPÖ-Fraktion hat diesem Antrag nicht zugestimmt. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist interessant) Die anderen Abgeordneten auch nicht.

So weit die Meinungsbildung im Vorarlberger Landtag, die auch nach den Wortmeldun­gen in der Debatte ganz klar den Standpunkt des Landes ergibt, und den habe ich hier zu vertreten. (Bundesrat Konecny: Sind Sie angehalten, das zu tun?) – Nein, das ist meine eigene Überzeugung. Ich bin ja auch in die landespolitische Meinungsbildung eingebunden. Es ist ja nicht so, dass ich das nur in der Zeitung lesen würde. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir gehen davon aus, dass wir uns der uns übertragenen Verantwortung nicht entzie­hen und dass wir sie annehmen sollen. Das entspricht auch unserer Haltung, Selbstän­digkeit im größtmöglichen Umfange zu bekommen und dann damit dem eigenen Wäh­ler gegenüber rechenschaftspflichtig und verantwortlich umzugehen. Daher war auch die große Mehrheit des Vorarlberger Landtages der Auffassung, man soll gegen diesen Gesetzesbeschluss keinen Einspruch erheben. Ich schließe mich diesem Standpunkt selbstverständlich an. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.58


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gruber. –Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.58.49

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, Sie haben selbst vorhin in Ihrer Stellungnahme erläutert, dass dieses UVP-Gesetz mittlerweile zehn Jahre alt und eine österreichische Erfolgsstory ist. Wir haben vor wenigen Wochen die Rechte der Bevölkerung zu diesem UVP-Gesetz erweitert. – Wunderbar, wunderschön! Überhaupt keine Frage! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Gegen den Widerstand der Grünen!) – Okay.

Trotzdem frage ich mich, warum heute, wenige Wochen nach dieser Novelle zum UVP-Gesetz, die Kehrtwende stattfindet. Es ist aus meiner Sicht eine Kehrtwende. Wir ken­nen zwar alle den Anlassfall, aber die Vorgangsweise – muss ich Ihnen ehrlich sagen – kann ich persönlich nicht verstehen. Noch am 9. Dezember 2004 verteidigten Sie diese noch geltende UVP massiv. Am 1. März 2005 verteidigten Sie bereits die neue UVP. Sie hätten ja fast Verteidigungsminister werden können. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich frage mich, Herr Bundesminister: Welchem Druck haben Sie sich innerhalb einer so kurzen Zeit, vom 9. Dezember 2004 bis zum 1. März 2005, gebeugt, um Ihre Meinung zu einem UVP-Gesetz, das damals noch eine „österreichische Erfolgsstory“ war, auf einmal zu ändern? Warum haben Sie den von Ihnen selbst zitierten erfolgreichen Weg des Miteinander, des miteinander Redens verlassen? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wo? Wo habe ich den verlassen?)

Herr Bundesminister! Diese Gesetzesnovelle, wie sie zustande gekommen ist, wie der parlamentarische Ablauf insgesamt gewesen ist, das ist kein miteinander Reden mehr gewesen. Es hat kein Begutachtungsverfahren gegeben. Auf gut Deutsch: Man fährt eigentlich drüber.

Sind wirklich, wie Ihnen auch von Medien unterstellt wird, parteipolitische Interessen vor die Interessen der Umwelt und der Natur gestellt worden, und zwar aus einem be-


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stimmten Anlass? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Olympia Salzburg!) Zu Olympia Salzburg komme ich noch, Herr Bundesminister. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Herr Bundesminister! Glauben Sie wirklich, dass die UVP-neu, Anlassfall Steiermark, oder auch der Semmeringtunnel einer schwächelnden ÖVP in der Steiermark zu Hilfe kommt? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Der Semmering-Tunnel ist nicht betroffen! Lesen Sie das Gesetz!)

Herr Bundesminister! Ich wollte ihn nicht in Zusammenhang mit der UVP nennen, aber (Bundesrat Konecny: Aber im Zusammenhang mit der ÖVP!), genau, in Zusammen­hang mit der ÖVP muss man ihn erwähnen.

Herr Bundesminister! Die Gemeinderatswahlen in der Steiermark haben doch gezeigt, dass sich die Steirer weder von der Bundespolitik noch von der Landespolitik für dumm verkaufen lassen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das waren Gemeinderatswahlen!) Wenn es keine Gemeinderatswahlen gewesen wären, wäre das Ergebnis wahrscheinlich noch viel deutlicher ausgefallen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Interessant für mich, Herr Bundesminister, meine Damen und Herren, ist wirklich, fest­stellen zu müssen, dass die steirische Landeshauptfrau Klasnic als Einzige diese UVP-neu positiv bewertet. Alle anderen Landeshauptleute und Landeshauptfrauen haben eine andere Meinung dazu. Vor allem Ihr Landeshauptmann in Niederösterreich ... (Bundesrat Weiss: Das stimmt nicht für Vorarlberg! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, der Vorarlberger Landtag.

Herr Bundesminister! Ihr Landeshauptmann in Niederösterreich hat öffentlich erklärt, diese UVP nicht anwenden zu wollen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Er braucht es ja auch nicht!) Eine klarere und deutlichere Aussage als diese kann man wohl nicht mehr treffen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Gibt es eine Rennstrecke, gibt es eine Olym­piade, eine Europameisterschaft in Niederösterreich? Beantworten Sie mir diese Fra­ge!) – Nein, gibt es nicht. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Okay!)

Herr Bundesminister! Jetzt sage ich Ihnen etwas die Fristen für Großveranstaltungen betreffend: Für die Fußball-Europameisterschaft 2008 hat Österreich 2002 den Zu­schlag erhalten. Jetzt haben wir 2005. Und wo steht Klagenfurt? Wenn da noch jemand aufsteht und sagt, in Klagenfurt laufe alles planmäßig und die seien gut auf Schiene, dann kann ich nur sagen, in Klagenfurt hat man ... (Bundesrat Konecny: In Klagenfurt steht man im Abseits!)

Der Herr Bundesminister hat eingeworfen: Europameisterschaft, Olympiade und ver­schiedene andere Sachen. Ich sage mit Bezug auf Klagenfurt: Man hat mittlerweile drei Jahre verschlafen. Auch hier würde eine UVP-neu nichts nützen, denn wenn man die Zeit verschläft für ein Projekt, dann hilft auch eine Gesetzesänderung nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Offiziell hat kein Einziger außer Landeshauptfrau Klasnic diese Novelle begrüßt. Der niederösterreichische Landeshauptmann – das habe ich schon gesagt – will keinen Gebrauch davon machen. Ähnlich die Landeshauptfrau von Salzburg, die hierin eine Anlassgesetzgebung sieht und die auch der Meinung ist, dass es bei großen Investitionen zu einer unguten Konkurrenz zwischen Bundesländern kommen kann, wenn ein Bundesland auf die UVP verzichtet, damit es eher den Groß­auftrag oder die Investition bekommt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wie reden Sie über die Länder? – Bundesrat Weiss: Was hat der Salzburger Landtag dazu gesagt?) Der Salzburger Landtag hat dazu keine Stellung bezogen, aber die sozialdemo­kratischen Regierungsmitglieder haben genau dasselbe gesagt wie der Herr Landes-


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hauptmann von Niederösterreich: Sie werden diese Form der UVP nicht in Anspruch nehmen. (Bundesrat Weilharter: Angst vor der Verantwortung!)

Nein, Herr Kollege Weilharter! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Die Angst vor der Kon­trolle ist das!) Die Angst vor der Verantwortung liegt ganz woanders, und von dort wird sie jetzt auf die Länder abgeschoben. Dort liegt die Angst, nicht beim Land! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Sollen die Länder nicht mehr Kompetenzen bekommen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns ist das eine durchsichtige partei­politische Vorgangsweise. Sie kann auch nicht unsere Zustimmung finden, denn diese Novelle bringt eine Verschlechterung der österreichischen Umweltgesetze, bringt eine Beschneidung der Rechte der Bürger dieses Landes und ist leider ein Schritt zurück, Herr Bundesminister! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wo? Wo? Sie haben kein ein­ziges Beispiel gebracht!) – Es gibt keinen Dialog mehr mit den betroffenen Menschen, man fährt einfach drüber.

Herr Bundesminister! Sie haben sich gerade vorhin zu Wort gemeldet und sehr wort­reich erklärt, dass sich in Wirklichkeit nichts geändert habe. Ja, warum haben Sie es dann gemacht, bitte? Können Sie mir das erklären? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ich erkläre es Ihnen schon!) Wenn sich nichts geändert hat, wenn alles bestens ist, wenn alle Betroffenen eingebunden sind, dann brauche ich doch dieses Gesetz nicht! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wer hat denn den Antrag gestellt? Wie reden Sie über Ihre Kollegen im Nationalrat, einen Initiativantrag im Nationalrat? – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Ja, ist auch keine Frage. Wir wollten eine Optimierung der UVP, aber nicht eine Demolierung der UVP, bitte! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Hösele! Du selbst hast das Thema Gemeinderatswahlen in deiner Heimat, in deinem Heimatland angeschnitten. (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) Herr Kollege Hösele, du hast dich hier als Sieger präsentiert. Wenn ich mir das so an­schaue: Die ÖVP hat 62 Mandate verloren in der Steiermark. (Bundesrat Hösele: Und wie viele Stimmen hat sie gewonnen?) Die SPÖ hat 412 Mandate gewonnen. (Bundes­rätin Roth-Halvax: Was hat das mit der Frage zu tun?)

Frau Kollegin! Sie müssen doch nicht so nervös sein, weil Sie auch zwei Mandate ver­loren haben. Das ist doch nicht das Problem! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich habe zwei Mandate gewonnen und habe durch meine Menschlichkeit den Bürgermeister verloren, das ist der kleine Unterschied. (Weitere Zwischenrufe und ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Herr Kollege Hösele! Wenn Sie sich hierher stellen, dann sollten Sie sich bewusst sein, dass die ÖVP Steiermark 62 Mandate verloren hat, dann sollten Sie sich bewusst sein, dass die SPÖ 412 Mandate gewonnen hat, dann sollten Sie sich bewusst sein, dass die FPÖ 399 Mandate verloren hat und dass die Grünen 29 Mandate gewonnen ha­ben. Und noch etwas, was Sie nicht erwähnt haben, Herr Kollege Hösele, nämlich dass die Frau Landeshauptfrau in ihrer Heimatgemeinde ein Minus von 9,3 Prozent gehabt hat und Herr Voves in seiner Heimatgemeinde ein Plus von 16 Prozent. (Bundesrätin Roth-Halvax: Na und? Das waren Gemeinderatswahlen!) Aber solche Ergebnisse lesen Sie vermutlich nicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP und Gegenrufe bei der SPÖ.)

14.08


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


14.08.44

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! (Bundesrat Hösele: Kollege


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Gruber, Ihre Rede wäre fast eine tatsächliche Berichtigung wert! – Bundesrat Gruber: Das kann man alles schwarz auf weiß nachlesen! – Weitere Zwischenrufe bei Bundes­räten der ÖVP und der SPÖ.) Wenn sich die Herren beruhigt haben, dann würde ich gerne mit meinem Redebeitrag beginnen.

Die Novelle, die wir hier heute behandeln, ist eine klare Verschlechterung von Umwelt­standards und Standards in der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung, und sie ist ein klarer Fall von Anlassgesetzgebung. Herr Kollege Hösele hat uns das vorhin ganz ein­drucksvoll bestätigt: Er hat den SPÖ-Abgeordneten der Steiermark Landesverrat vor­geworfen (Bundesrat Hösele: Fast!) – fast vorgeworfen; sehr elegant –, wenn sie ge­gen diese Novelle stimmen würden. Das ist für mich ein ganz klares Indiz dafür, dass es sich hiebei um Anlassgesetzgebung handelt, die sich auf dieses Projekt bezieht.

Es ist schon wahr, dass wir als Bundesrat die Interessen der Länder zu vertreten haben, aber es ist immerhin ein Bundesgesetz, eine bundesweite Novelle, die wir hier behandeln. Auch wenn in Tirol angekündigt wurde, dass in Zukunft die UVP wie gehabt durchgeführt werden solle, so finde ich es trotzdem schlimm, wenn in anderen Ländern Projekte, welche die Umwelt schädigen, nicht mehr geprüft werden. Auch wenn ich hier Länderinteressen vertrete, denke ich mir doch, dass das für den österreichweiten Umweltschutz auf jeden Fall ein Nachteil ist.

Quer durch Österreich finden wir viele Meinungen, die in eine ganz ähnliche Richtung gehen. So haben zum Beispiel die Landeshauptleute von Niederösterreich und von Burgenland diese Novelle abgelehnt und angekündigt, die Umweltverträglichkeits­prüfung wie bisher beizubehalten. Der Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa kün­digte an, auch weiterhin die Umweltverträglichkeit streng zu prüfen und sein Stellvertre­ter Hannes Gschwentner hat erklärt, auf eine Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern und Interessengruppen dürfe nicht verzichtet werden. Der Tiroler Umweltlandesanwalt spricht von einer völlig unverständlichen Anlassgesetzgebung. Die Wiener ÖVP hat im Landtag einen Antrag mit beschlossen, der sich gegen diese Novelle ausspricht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Landeshauptleute, die der ÖVP angehören, bestäti­gen also, dass es sich um einen Rückschritt bei Umweltstandards und bei der Bürger­beteiligung handelt – und jetzt will uns der Herr Minister erklären, dass das eigentlich nicht so ist? Verschiedene Meinungen in einer Partei, das wissen wir auch aus den letzten Tagen, gibt es öfter, aber eine derartig unterschiedliche Interpretation finde ich doch beeindruckend. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn Landeshauptmann Herwig van Staa sagt, Umweltschutz würde in Tirol auch wei­terhin einen hohen Stellenwert haben, meine Damen und Herren, wie sonst sollte ich das interpretieren, als dass auch er durch diese Novelle eine Verschlechterung sieht, was den Umweltschutz betrifft? (Bundesrat Schennach: Richtig!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind klare Aussagen, die aus vielen verschie­denen Ländern und auch von Mitgliedern der ÖVP kommen. Wir haben also heute die Gelegenheit zu zeigen, ob der Bundesrat einzig und allein die Absegnungskammer des Nationalrats ist oder ob er tatsächlich eigenständig im Interesse der Länder und im Interesse der Umwelt entscheiden kann und diese Novelle daher ablehnt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.11


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.11.08

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen von Kollegen Hösele


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und zur UVP: Wenn Sie, Herr Kollege Hösele, hier diesen großartigen Wahlsieg kund­tun, den die ÖVP in der Steiermark bei den letzten Gemeinderatswahlen gefeiert, aber nicht errungen hat, dann feiern Sie ruhig weiter. Wir haben uns auch Gedanken ge­macht, was die Abkürzung UVP in der Steiermark heißen könnte. Es könnte auch noch „heuer untergehende Volkspartei“ heißen. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Bun­desrat Schennach: Da fehlt aber noch ein H für Hirschmann!)

Wir haben aber heute eine Gesetzesreparatur zu behandeln. Dem Umweltministerium passierten nämlich bei der Regierungsvorlage zur Novelle des UVP-Gesetzes einige Pannen, welche auch keinem im Parlament aufgefallen sind. So wurde auf die aus formalen Gründen notwendige Novellierung des Umweltsenatsgesetzes vergessen. Rechtlich bedeutet dies, dass die alten Verfahren zwar mit dem bestehenden Umwelt­senat verhandelt werden können, aber keine neuen. Es ist zum Beispiel auch keine Umnominierung von Mitgliedern des Umweltsenates mehr möglich. Es bedarf daher einer raschen Reparatur dieser Missgeschicke. Diese Fehler werden sicherlich eine Lehre sein.

Obwohl der Herr Umweltminister eigentlich in der Lage sein müsste, wenigstens formal korrekte Vorlagen ins Parlament zu bringen, weil er sicherlich einen guten Mitarbeiter­stab hat, werden wir uns in Zukunft nicht mehr auf das handwerkliche Können der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umweltministerium verlassen können.

Unter der vorgeschobenen Berufung auf internationale Verpflichtungen sollen von der UVP-Pflicht Sportstadien, Golfplätze, Schipisten, Rennstrecken, Freizeit- und Vergnü­gungsparks ausgenommen werden, die nicht dauerhaft errichtet werden. Na ja, Renn­strecken, die nicht dauerhaft errichtet werden, Golfplätze, die nicht dauerhaft errichtet werden – für wie lange nicht dauerhaft errichtet werden? Freizeit- und Vergnügungs­parks, die nicht dauerhaft errichtet werden – da stellt sich die Frage: Wer errichtet sie dann noch, wenn nicht dauerhaft Rückflüsse von diesen Anlagen zu erwarten ist? Und noch dazu sollen die Ausnahmen für Anlagen gelten, die in Schutzgebieten liegen, und in speziellen Fällen auch für Flugplätze.

Derart umfangreiche Ausnahmen führen das UVP-Gesetz ad absurdum, denn gerade bei derartigen Großprojekten ist es unerlässlich, Umweltauswirkungen im Vorfeld abzuschätzen und vorbeugende Maßnahmen wie etwa die Ausarbeitung von Verkehrs­konzepten und dergleichen zu treffen.

Die Änderungen hätten zum Ergebnis, dass zum Beispiel die Projekte Spielberg, Kla­genfurter EM-Stadion, Magna-Teststrecken ohne Umweltverträglichkeitsprüfung durch­gepeitscht werden könnten. Das nächste Mal werden wir vielleicht auch den Straßen­bau, den Tunnelbau und weitere Großprojekte von der UVP ausnehmen, weil von Klasnics und anderen Verantwortlichen in den Bundesländern wieder so stümperhafte Fehler wie in Spielberg gemacht werden.

Das derzeit geltende Umweltverträglichkeitsgesetz garantiert den betroffenen Men­schen ein umsichtiges Verfahren und die Wahrung all ihrer Rechte als Anrainer und Betroffene. Sie begeben sich wieder in das Steinzeitalter der Umweltstandards zurück.

Einige Argumente, meine Damen und Herren, gegen eine solche Aushöhlung des UVP-Gesetzes:

Erstens: Diese Novellierung ist ein kurzsichtiger und rechtlich nicht zulässiger Versuch, die Umweltstandards in Österreich zu verschlechtern.

Zweitens: Sie widerspricht klar dem EU-Recht und ist gleichheitswidrig.

Drittens: Es wird versucht, Bürgerrechte im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterlaufen.


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Viertens: Die Unterscheidung in dauerhafte und nicht dauerhafte Anlagen ist sachlich in keiner Weise gerechtfertigt.

Fünftens: Zusätzlich widerspricht die Änderung dem Wunsch der Wirtschaft nach einem einzigen Ansprechpartner, dem so genannten One-Stop-Shop, bei einem Ver­fahren, da das konzentrierte Bewilligungsverfahren wegfallen würde und alle Genehmi­gungen einzeln abgewickelt werden müssten.

Auch die vorgesehene Ausnahme von Autorennstrecken erweckt den unglücklichen Anschein einer Anlassgesetzgebung. Die vorgelegte UVP-Novelle ist eine skandalöse Verwässerung der Umweltstandards und bedeutet einseitige Klientelpolitik für Renn­strecken, Flugplätze, Golfplätze und dergleichen. Dies ist völlig unakzeptabel. Der zu­ständige Umweltminister ist dringend gefordert, diesen Plänen eine klare Absage zu erteilen, denn wenn ein Umweltminister der Aushebelung von Umweltprüfungen zusieht, dann ist er wohl fehl am Platz, meine Damen und Herren. Und ich meine auch, Herr Minister, dass Ihnen nicht wohl dabei ist. Sie haben in den letzten Jahren einige gute Beispiele geliefert, wie man als Umweltminister arbeiten soll, aber hiemit begeben Sie sich wieder um Meilen zurück.

Umweltverträglichkeitsprüfungen haben den Vorteil, dass sie kein Verhindern und Ver­nichten von Arbeitsplätzen sind und die Verfahren nicht ewig in die Länge gezogen werden, wie das nun von der ÖVP hingestellt wird, meine Damen und Herren. Wenn Projekte korrekt eingereicht werden, dann ist das UVP-Verfahren in Kürze durch. Im Durchschnitt dauert ein UVP-Verfahren zehn Monate, während denen Umweltauswir­kungen von Großprojekten geprüft werden. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit dem UVP-Gesetz gehen UVP-Verfahren in der Regel positiv für den Projektwerber aus. Nur bei schlechten Projekten beziehungsweise mangelnder Verfahrensqualität, unzureichenden Projektunterlagen werden Vorhaben zu Fall gebracht. Dafür kann das UVP-Gesetz aber nicht verantwortlich gemacht werden.

Bei der UVP geht es um die Einbeziehung der Interessen der Anrainer, der Umwelt und nicht um die Verhinderung eines Projektes. Es ist auch für die Projektbetreiber besser, dass Konflikte vorher ausgeräumt werden, als dass sie nachher ständig An­rainerproteste haben – zum Leidwesen auch der Kommunalpolitiker vor Ort. Die UVP-Gesetzgebung wurde ins Leben gerufen, um bei Großprojekten einen allgemeinen und umweltverträglichen Kompromiss zu finden. Was jetzt geschieht, meine Damen und Herren, ist ein Rückschritt in die Zeiten der offen ausgetragenen Konflikte. Zentral bei der Planung von Großprojekten ist die Einbeziehung von Bürgerinitiativen und Anrai­nern. Die UVP ist ein Grundpfeiler des Umweltschutzes, hier darf nichts aufgeweicht werden.

Bei allem Verständnis für die Region Spielberg darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Nur weil das schlecht vorbereitete Projekt Spielberg kürzlich gekippt wurde, wäre es der falsche Schritt, die Umweltgesetzgebung völlig auszuhöhlen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung hat sich in den letzten zehn Jahren in über 60 Verfahren zu einem effizienten Instrument der Umweltvorsorge und der Nachhaltigkeit entwickelt. Die UVP ist inzwischen anerkannter Standard bei Genehmigungen von Großvorhaben und besitzt Vorbildwirkung für andere Bereiche der Anlagengenehmigung.

Doch nach dieser positiven Zwischenbilanz droht diese Chaos-Bundesregierung nun auch hier alles zu verschlechtern. Die Aushöhlung der UVP wäre ein riesiger Rück­schlag für die ohnehin seit dem Beginn der Regierung von Schwarz-Blau stagnierende Umweltpolitik in Österreich. Wir lehnen sie daher striktest ab. Es sollte eigentlich heutzutage kein Thema mehr sein, dass intelligenter Umweltschutz die Wirtschaft nicht schädigt und keine Arbeitsplätze kostet, sondern diese langfristig sichert.


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In den Landtagen der Bundesländer Burgenland, Wien, Kärnten und Niederösterreich wurden Entschließungen an die Landesregierungen, den Nationalrat oder den Bundes­rat gegen die Änderung des UVP-Gesetzes beschlossen beziehungsweise behandelt.

Geschätzte Damen und Herren, einige Pressemeldungen:

„LH Haider kritisiert ,Pfuschnovelle’ zur Umweltverträglichkeitsprüfung“ – eine Meldung des Amtes der Kärntner Landesregierung.

„LR Rohr warnt neuerlich vor Demontage der Umweltverträglichkeitsprüfung“.

Bei einer Suche im Internet der ÖVP Oberösterreich kommt als Antwort: „Es wurde lei­der kein Ergebnis gefunden“. – In Oberösterreich hat sich niemand mit den Auswirkun­gen beschäftigt.

Der oberösterreichische Umweltlandesrat warnt vor „umweltpolitischem Rückschritt mit drohenden Folgewirkungen“.

Umweltlandesrat Anschober warnt vor „inakzeptablem umweltpolitischem Sündenfall“.

Geschätzte Damen und Herren aus den Bundesländern! Im Burgenländischen Landtag ist ein Antrag beschlossen worden, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, diese UVP-Novelle zurückzunehmen.

Frau Fraunschiel, ich hoffe, Sie werden hier im Bundesrat nicht dem die Zustimmung erteilen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist ihre persönliche Entscheidung! – Ruf bei der ÖVP: Wir haben ein freies Mandat!)

Im Kärntner Landtag wurde ein Antrag gestellt: keine Umweltverträglichkeitsprüfung light!

Herr Kollege Kampl! Herr Kollege Zellot! Wie werden Sie sich, nachdem das in Kärnten beschlossen wurde (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist ihre Entscheidung! Wir haben ein freies Mandat!), hier im Bundesrat bei der Abstimmung verhalten?

Jetzt läuft wahrscheinlich in Niederösterreich die Debatte zur ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Die ist schon entschieden! Schlecht informiert! – Bundesrat Schennach: Ab­gewürgt worden! – Gegenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Die ist schon entschie­den, gut. Aber dann komme ich noch auf die Wiener Kollegen zu sprechen, geschätzte Damen und Herren: Dort haben sich Frau Brigitte Reinberger, FPÖ, Herr Rudolf Klucsarits, ÖVP, die Grünen und die SPÖ einstimmig – einstimmig! – gegen die ge­plante Änderung ausgesprochen.

Herr Professor Dr. Böhm! Wie werden Sie sich verhalten? Herr Mag. Gudenus! Wie werden Sie sich heute hier verhalten? Lieber Mag. Harald Himmer! Wie wirst du dich heute hier verhalten? (Ruf bei der SPÖ: Angepasst!) Und Herr Dr. Eduard Kühnel! (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist fad!) Wie werden Sie sich hier im Bundesrat verhalten?

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Folgen Sie den Auf­forderungen Ihrer Länder, die Sie in den Bundesrat entsenden! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fassen Sie sich ein Herz für die Umwelt, und stimmen Sie gegen die Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Konrad.)

14.24


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


14.24.03

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nachdem in den Zwischen-


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rufen meiner geschätzten Kollegin immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es hier kein gebundenes Mandat gebe, und sie auch gemeint hat, es werde fad, muss ich ganz höflich und vorsichtig daran erinnern, dass gegen meinen vehementen Protest an dieser Stelle die Mehrheit von ÖVP und FPÖ ihrer überaus großen Sehnsucht nach einem gebundenen Mandat hier in diesem Haus Ausdruck verliehen hat und dass es ÖVP und FPÖ waren, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit – aber Sie haben Glück, liebe Sissy Roth-Halvax, Sie waren damals noch nicht im Haus, aber in diesem Fall wären Sie ja auch auf unserer Seite gewesen, ganz offensichtlich (ironische Heiterkeit der Bundesrätin Roth-Halvax) – dies abgestimmt haben mit dem Bedürfnis, dass man sich doch hier in diesem Haus mehr an der Meinung der Landeshauptleute und der Landesregierungen orientieren wolle. – Gut.

Dem Kollegen Hösele sind bei seiner Rede ein bisschen die steirischen Gäule durch­gegangen. Das ist ja im Prinzip auch in Ordnung, aber ich würde mir einfach wün­schen, dass er den „Landesverrat“ irgendwie zurücknimmt und dieses „Landesverräter­tum“ aus seiner Rhetorik streicht, denn man ist dann gleich auch beim Standrecht, und wenn man beim Standrecht ist, kommt man dann noch zu anderen Dingen. Also man darf bitte auch als Steirer etwas sagen, was vielleicht der Frau Landeshauptfrau nicht gefällt oder auch der Mehrheit nicht gefällt! Das muss einfach drinnen sein in der Demokratie. Und wenn man gegen das sinnlose Im-Kreis-Fahren ist, sollte man nicht ausgebürgert werden und dann vielleicht versuchen, in Kärnten Asyl zu bekommen. Das ist einfach nicht notwendig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ und Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Herr Bundesminister Pröll hat sich hier ja noch nicht erklärt. Ich glaube, er wartet noch ab mit seiner Erklärung, er will wahrscheinlich den Verlauf der Debatte noch verfolgen und dann doch noch schauen: Wie kriege ich es hin? – Aber wie man es dreht und wendet, liebe Sissy Roth-Halvax, es bleibt dabei, und Herr Kollege Hösele hat mit seinen rennenden Gäulen ja darauf hingewiesen: Es ist eine Anlassgesetzgebung, es ist der Pfusch der steirischen Amtsstuben, den wir hier zu reparieren haben und für den eigentlich die Umwelt heute zahlt.

Es hat mir so gut gefallen, was Kollege Gruber gesagt hat, der jetzt leider nicht im Saal ist: Wir wollen eine Optimierung und keine Demolierung der UVP! – Das stimmt ein­fach! Man kann da ruhig einen eigenen Kollegen zitieren. So ist es nämlich.

Und weil der Herr Bundesminister in seinen sanften Zwischenrufen gemeint hat, das stimme nicht, und aus der ÖVP diese Zwischenrufe vermehrt gekommen sind, machen wir einmal ein kleines Panoptikum:

Dass ein schwarzer Tag nichts Gutes ist, wissen wir seit dem Börsekrach. Hier heißt es: „Ein schwarzer Tag für unsere Umwelt“. – Liebe Kollegen von ÖVP und FPÖ, ihr verlängert diesen schwarzen Tag! Ja, lieber Kollege Gudenus, rümpf ruhig die Nase, aber es ist halt so.

Und es ist ja nicht so, dass die Medien, die diese Gesetzgebung sehr genau beobach­tet haben – wie soll ich mich jetzt ausdrücken?, ich weiß nicht, Herr Präsident, zücken Sie einmal Ihr Buch, aber ich würde einmal meinen –, nicht betrunken durch den Alltag torkeln, wenn sie versuchen, das zu bewerten. – Geht das noch ohne Ordnungsruf?

Da schreibt zum Beispiel ein durchaus arrivierter, schon älterer Herr mit grauen Haa­ren, Dieter Kindermann:

„Der Rückbau. Die Regierung hat versprochen, die direkte Demokratie auszubauen. Was ist geschehen? Genau das Gegenteil.“

Herr Bundesminister Pröll! Wie Sie es wenden oder auch nicht: Ihr Namensvetter meinte: Damit werden die Bürgerrechte beschnitten! Liebe Sissy, es ist dein Chef, der


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das sagt! Es ist nicht er (auf Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll weisend) dein Chef, son­dern der andere ist dein Chef. Auch für die Frau Präsidentin gilt das, sie hat auch zwei Chefs. Ich zitiere jetzt einmal den Landeshauptmann von Niederösterreich, immerhin Chef des größten Bundeslandes:

„Der Bund hat den schwarzen Peter für die Prüfung von Großprojekten den Ländern zugespielt. Sie können jetzt entscheiden, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung einge­leitet wird oder nicht.“

Wenn wir vorher hörten, wie vorsichtig Herr van Staa – gell, Eva (in Richtung der Bundesrätin Konrad), er ist immer so vorsichtig! – da in den Tiroler Tageszeitungen herumlaviert und meint, trotz dieses Gesetzes solle es für die Umwelt nicht schlechter werden, und die „Tiroler Tageszeitung“ – kein linksradikales, kein regierungsfeindliches Blatt – titelt auf der ersten Seite: „Schutz für die Umwelt wird eingeschränkt“, dann können Sie da herauskommen, Kollege Hösele und alle Kohorten, und das Gegenteil behaupten, aber unabhängige, Ihnen zum Teil sehr nahe stehende Tageszeitungen, Kommentatoren, teilweise Kommentatoren aus dem unmittelbaren Bereich, sehen es anders!

Zum Beispiel Michael Sprenger von der „Tiroler Tageszeitung“ schreibt: „Ein übler Ge­ruch bleibt“. „Pröll schaffte“ – da sind jetzt übrigens Sie, Herr Bundesminister, gemeint (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Da muss man immer aufpassen!); ja, ich muss immer aufpassen – „für die Wirtschaft ein neues Schlupfloch.“

Und weiters: „Was jetzt beschlossen wurde, bekommt trotzdem den üblen Geruch der Anlassgesetzgebung nicht mehr los. Es geht in erster Linie um Spielberg, und damit im Vorfeld der Landtagswahl“ – jetzt sind wir schon im Nachspiel – „in der Steiermark um einen Versuch“ (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Nein, Landtagswahl ist erst!) – okay, da haben Sie völlig Recht –, „der in Kritik stehenden LH Klasnic ein besseres Blatt für die heiße Phase des Wahlkampfs zu geben.

Zudem schaffte Pröll“ – Sie (in Richtung des Bundesministers Dipl.-Ing. Pröll – Heiter­keit bei der SPÖ und den Grünen) – „ein neues Schlupfloch für die Wirtschaft. Es ist Projektbetreibern nicht zu verübeln, wenn sie die Möglichkeiten, die ihnen ein Gesetz eröffnet, ausreizen. So kann es leicht vorstellbar sein, dass künftig etwa umstrittene Skigebietserweiterungen im Zusammenhang mit geplanten Sportereignissen einge­reicht werden.“

Aber jetzt kommen wir noch zur ganz besonderen Rolle. – Sie werden übrigens ganz besonders gewürdigt, auch in dem dem „großen grünen Bruder“ nahe stehenden Kon­zern, nämlich im „Kurier“, wo Herr Andreas Schwarz über Ihre Tätigkeit, nämlich die österreichische ... – (In Richtung Bundesrätin Roth-Halvax:) Schau nicht so entsetzt! Ich rede hier über Dinge, die publiziert sind! Ich weiß, ihr müsst jetzt nachdenken. Sie wissen schon: Der Dringlichkeitsantrag in Niederösterreich – den ihr ja alle hier nicht so gerne diskutiert haben wollt – wurde einstimmig ermöglicht! Es wurde einstimmig er­möglicht, dass man zumindest dringlich darüber diskutieren kann.

Aber jetzt kommen wir wieder zu unserem Minister Pröll:

„Die österreichische Lösung“ – das hat er ja auch gemeint –: „Als solche gilt ja ... die Fertigkeit, einen echten Pallawatsch oder eine offenkundige Chuzpe so zu adaptieren, dass sie sich als schöner Erfolg verkaufen lässt.

Umweltminister Josef Pröll hat vorgeführt, wie man das macht: Die Regierung hat einen mangelhaft durchdachten Vorschlag präsentiert, die Umweltverträglichkeitsprü­fung (UVP) für bestimmte Großprojekte zu kippen. Der Minister“, schreibt der Kommen­tator jetzt, „– übrigens: War er am Entwurf nicht beteiligt? – zieht nach Protesten die Notbremse und überantwortet die Entscheidung von Einzelfall zu Einzelfall den


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Bundesländern. Seht her, so die Botschaft, es bleibt alles“ viel „besser.“ (Bundesrätin Roth-Halvax: Zeitung lesen können wir selber! – Bundesrat Konecny: Das bildet, Frau Kollegin! Sollten Sie auch manchmal tun! – Bundesrätin Roth-Halvax: Danke für Ihren Ratschlag, Herr Kollege!)

Dann kommt noch die Fragestellung, auch in derselben Tageszeitung:

„Lösung? Das Bundesland darf vorher entscheiden, ob ein Projekt so große Umwelt­auswirkungen hat, dass eine Prüfung dieser Folgen stattfinden muss. Befindet das Land, es gibt keine, gibt’s auch keine Prüfung. Dagegen kann berufen werden. Das muss einem erst einmal einfallen. Aber immerhin, den Bestimmungen ist Genüge ge­tan, der Intention, einzelne Projekte schneller durchzuziehen, auch. Die Länder haben eine neue Kompetenz ...“

Und warum muss die Umwelt zahlen? Warum wird der schwarze Peter den Ländern zugeschoben? – Weil es in den Amtsstuben in der Steiermark zu einem Megapfusch gekommen ist. Dafür zahlen jetzt alle die Rechnung.

Das, was vorhin Kollege Lindinger gemacht hat – was dich, Sissy Roth-Halvax, so erregt hat, so wirklich erregt hat –, das kann ich dir und euch nicht ersparen, weil jetzt nämlich Kollege Himmer gekommen ist. Eine ganz wichtige Sache, lieber Herr Kollege Himmer:

Es gibt einen Beschluss-, einen Resolutionsantrag – du wirst es wahrscheinlich wissen, Kollege Himmer; wenn nicht, bekommst du nachher eine Kopie –, an dem sich alle Fraktionen des Wiener Landtags beteiligen, unter anderem ein Rudolf Klucsarits für die ÖVP oder Brigitte Reinberger – Kollege Böhm, es dürfte Ihnen auch nicht ganz verbor­gen sein, dass diese Dame von der FPÖ ist –, in dem die Regierung von allen vier Fraktionen des Wiener Gemeinderates darauf hingewiesen wird, dass diese Regelung EU-rechtlich und verfassungsrechtlich äußerst bedenklich ist, und in dem man extra zum Beispiel auf das Projekt der Müllverbrennung Pfaffenau hinweist und sagt, wie sinnvoll die Umweltverträglichkeitsprüfung dabei war.

Und wenn wir uns den Burgenländischen Landtag anschauen – Kollege Böhm, jetzt muss ich Sie direkt ansprechen –, dann können wir feststellen: Manfred Kölly ist nicht von der SPÖ, ist nicht von den Grünen. Wir haben das überprüft, es ist relativ einfach zu überprüfen. Sie bestätigen die Identität dieser Person. Also auch die FPÖ hat sich an diesem Dringlichkeitsantrag beteiligt!

Also einstimmig in Wien beschlossen – ich weiß nicht, Herr Kollege Himmer, sagt Ihnen das etwas (Bundesrätin Bachner: Das ist ja ganz woanders! Was hat denn das da verloren?), hat das für Sie dann irgendwelche näheren Beweggründe bei der Ab­stimmung? Aber möglicherweise wird auch Kollege Kühnel hier eine Kindesweglegung betreiben. Aber ich verstehe es ja: Die Kärntner FPÖ wird sich denken, was die Wiener FPÖ macht, geht an uns hinten vorbei! Aber Kollege Böhm und Kollege Gudenus sind noch da, und wir wissen alle, dass Kollege Böhm gerade in Umweltgesetzen ein sehr versierter Fachmann ist.

Ähnliches hört man ja auch aus Kärnten: dass da durchaus die FPÖ einem Antrag der SPÖ die Zustimmung geben wird. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die ÖVP dabei nicht abseits steht.

Meine Damen und Herren! Wie wir es auch drehen und wenden: Es ist ein Anlass­gesetz, es ist ein Gesetz, das von den Bundesländern nicht gewünscht wird, es ist ein Gesetz, über das zum Beispiel Erwin Pröll – Sissy! – sagt, es ist eine Anlassgesetz­gebung. Und er sagt noch etwas Härteres: Erwin Pröll sagt, das ist die Ausschaltung des Rechtsstaats! – Das sagt er in einem Interview mit „NEWS“. (Bundesrätin Roth-Halvax: Bist du mit deinem Chef immer einer Meinung?)


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Wie bitte? Ob ich mit meinem Chef immer einer Meinung bin? – Nein, aber bei so gravierenden Dingen, wo es um das geht, dass ihr immer wieder hier ans Rednerpult kommt und immer wieder erklärt, wie hoch die Umweltstandards in Österreich sind, dass wir für ganz Europa das Musterland sind, und dass das jetzt wegen des steiri­schen Pallawatschs, des Im-Kreis-Fahrens auf dem A1-Ring kippt – das ist schon eine Sache, wo man sagen muss, da wäre es gut, meine Damen und Herren, einmal we­nigstens mit eurem Landeschef einer Meinung zu sein: Dieses Gesetz ist nicht gut! – Er hat versucht, es zu verbessern, aber es ist dadurch nicht besser geworden.

Meine Damen und Herren! Kollege Hösele hat vorhin unserem Bürgermeister aus der Knittelfelder Region zu seinem Wahlsieg gratuliert. Wir sind ja jetzt hier in einer Kon­frontation, aber vielleicht könnten wir zwei Dinge machen:

Zum ersten Mal würde ich Sie vielleicht zu einem gemeinsamen Applaus dafür ein­laden, dass unsere Kollegin Ruperta Lichtenecker seit heute Nacht durch einen Wahl­sieg Mitglied des Bundeswirtschaftsparlamentes ist. Und an ihrer Seite sitzt auch ein Wahlsieger – Wahlsieger sehen auch anders aus –: Volker Plass, der erstmals bei der Wirtschaftskammerwahl die Grünen angeführt hat. Ich kann nur von dieser Stelle aus herzlich gratulieren! (Beifall bei den Grünen, der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.38


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


14.38.07

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Werter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde es kurz machen, aber auf ein paar Punkte, die in der Debatte jetzt gefallen sind, auch nach meiner Wortmeldung und nach meinen Präzisierungen in der Frage UVP, muss ich eingehen.

Ich habe den Eindruck, ich habe versucht, sehr klar darzulegen, was die Stationen waren, was der Weg war und was die Auswirkungen dieser UVP-Novelle sind.

Bundesrat Wiesenegg hat gesagt, die Umweltanwälte haben einen Brief geschrieben, es sei EU-rechtswidrig und so weiter und so fort, die geplanten Abänderungen würden in ein Umweltdesaster führen und so weiter und so fort.

Das stimmt, die Umweltanwälte haben einen Brief geschrieben: Sie haben ihn ge­schrieben zu einem Initiativantrag, der in den Ausschuss des Parlaments eingebracht wurde. Nicht eine Regierungsvorlage, Herr Bundesrat Schennach, hat den Ministerrat passiert, sondern ein Initiativantrag, der im Parlament eingebracht wurde, wurde disku­tiert. Dazu hat es diese Stellungnahme gegeben. (Bundesrat Konecny: Den Schmäh kennen wir! – Bundesrat Schennach: Das war bei der ÖH auch, oder?)

Dann hat es – Punkt für Punkt, Herr Bundesrat, um präzise zu bleiben – am Tag des Ausschusses, der Entscheidung – das wurde auch angekündigt, und er wurde dann eingebracht – einen neuen Abänderungsantrag gegeben, der ganz klar auch meine Handschrift trägt in der Frage EU-Recht-Erfüllung, in Verfassungsfragen und in der Frage Nicht-Herausnahme dieser Projekte aus dem UVP-Verfahren, sondern Einzel­fallprüfung, Fall für Fall.

Es ist schade, dass man das in diesen Details nicht mehr so diskutieren kann. Also alles, was Sie heute angeführt haben, bezieht sich auf den im Parlament eingebrach­ten Initiativantrag, aber es wurde dann im Ausschuss anders beschlossen, und im Ple­num des Nationalrates wurden andere Parameter beschlossen. – Nur damit wir auch diese Dinge, meine sehr geehrten Damen und Herren, auseinander halten.


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Was die Frage der Beurteilung durch die Landeshauptleute betrifft, kann ich sagen, ich bin froh, dass nunmehr die Landeshauptleute, die Landesregierungen in diesen klar abgegrenzten Einzelfällen – wie in vielen anderen Einzelfällen auch – zu entscheiden haben: UVP – ja oder nein! Wenn ein Land zu dem Schluss kommt: Ja!, dann ist die UVP zu machen. Bei einem Nein: Feststellungsbescheid mit den entsprechenden Maß­nahmen und Einspruchsmöglichkeiten derer, die ich bereits angeführt habe.

Zu den Ausführungen des Herrn Bundesrates Lindinger. Er hat von „Steinzeitalter“ und von „skandalös“ gesprochen. – Solche Ausdrücke im Zusammenhang mit einer UVP-Novelle, die die Verantwortung in die Länder gibt und die Projekte keinesfalls aus der UVP herausführt, zu verwenden kann ich nicht zuordnen, und ich muss sie auch auf das Schärfste ablehnen.

Zu Ihnen, Herr Abgeordneter Schennach, den ich als durchaus profunden Kenner der Materie einschätze! Es wundert mich schon, dass Sie heute hierher ans Rednerpult treten und zu erkennen geben, dass Sie sich Ihre Meinung offensichtlich ausschließlich anhand von Zeitungsmeldungen, die Sie ausgiebig zitiert haben, gebildet haben. Scha­de, dass Sie in dieser wichtigen Frage zum Kopierunternehmen der Medien geworden sind und sich offensichtlich keine eigene Meinung mehr aus Ihrer Sicht bilden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie reden von Müllverbrennung, von Straßenprojekten und vielem anderem, und das bleibt dann auch so im Raum stehen. – Sie wissen ganz genau – und das ist etwas, was ich auch nicht nachvollziehen kann –, dass all diese Projekte von dieser Novelle nicht im Geringsten berührt sind! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bitte Sie – und das sage ich, noch einmal, weil ich Sie sehr gut kenne, wie ich glaube –, wieder darauf zurückzukommen, was Faktum und Sache ist, und nicht das nachzuvollziehen, was aus politisch-strategischen Gründen gewünscht und erwünscht ist! Sagen Sie, was geändert worden ist, was passiert ist, welche Auswirkungen diese Novelle hat! – Sie hat keine Umweltauswirkungen. Sie ordnet den Ländern wie in vielen anderen Fällen auch eine Verantwortung zu. Der Tatbestand ist klar. Wir werden damit ganz klar Bürgerbeteiligung aufrechterhalten, wir werden damit den Umweltstan­dard in Österreich aufrechterhalten, und die UVP wird auch in Zukunft ein wesentliches Instrument im Verfahrensablauf und im Erhalt unserer Topposition in Europa sein.

Das sind die Fakten, alles andere ist nicht richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

14.43


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Boden. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.42.47

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem aber lieber Herr Kollege Hösele! Sollte es Ihnen gelingen, uns nach der steirischen Landtagswahl – wenn auch durch akrobatische Einlagen – zu erklären, dass verlorene Stimmen und verlorene Mandate ein Sieg sind, so darf ich Ihnen ... (Bundesrat Hösele: Wie viele Stimmen hat die ÖVP verloren, Herr Kollege?) – 62 Mandate hat die Volkspartei verloren. (Bundesrat Hö­sele: Wie viele Stimmen hat die ÖVP verloren? Wie viele Stimmen, Herr Kollege?) 62 Mandate hat die Volkspartei verloren (Bundesrat Hösele: Wie viele Stimmen?), und 412 Mandate hat die SPÖ in der Steiermark dazugewonnen. Sollten Sie versuchen, uns einen Verlust nach der Landtagswahl wieder als Gewinn zu präsentieren, so wün­sche ich Ihnen schon heute alles Gute. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Hösele: Ich freue mich schon darauf, Ihnen das erklären zu dürfen!)


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Nun zur Materie, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungsparteien be­absichtigen heute, eine Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes durch­zupeitschen, die, kurz gesagt, eine Demontage der Umweltverträglichkeitsprüfung darstellt. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!) Bei dieser von der Regierung geplanten Novelle handelt es sich ganz eindeutig um Anlassgesetzgebung – eine Anlassgesetzgebung im Nachhall des politischen Spielfeld-Debakels, der drohenden EM-Stadion-Klagenfurt-Blamage und mit dem Blick auf kommende Großprojekte wie Flughafen Zeltweg und Teststrecke bei Voitsberg.

Da das Projekt Spielberg/Red Bull formal an der UVP-Genehmigung gescheitert ist und beim Klagenfurter EM-Stadion die Zeit davonläuft, soll anhand dieser beiden Aufhän­ger die UVP-Pflicht gleich für alle derartigen Projekte beseitigt werden. Künftig sollen bestimmte Großprojekte ohne Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt werden kön­nen. Sportstadien, Golfplätze oder Freizeit- und Vergnügungsparks werden nur mehr dann einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen werden, wenn sie dauerhaft errichtet werden.

Ebenfalls nicht UVP-pflichtig werden Sportstadien und Schipisten sein, die auf Grund internationaler Vereinbarungen für Großveranstaltungen errichtet werden. Derartige Anlagen sollen sogar in besonders schutzwürdigen Gebieten realisiert werden können. Die Folge: Künftig könnten Golfen im Vogelschutzgebiet oder auch die Erschließung riesiger Gletschergebiete zum Beispiel für FIS-Rennen ermöglicht werden – und das alles ohne Umweltverträglichkeitsprüfung!

Mit dem Aufweichen dieser Umweltverträglichkeitsprüfung demaskiert sich die ÖVP ganz eindeutig. Ökonomische Interessen sind offensichtlich doch wichtiger als ökolo­gische Erfordernisse oder die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Außerdem wird sehenden Auges EU-Recht verletzt. In den EU-Richtlinien gibt es keinerlei Ausnah­men, um zum Beispiel Olympiastadien ohne Prüfung auf ihre Umweltverträglichkeit zu bauen.

Damit in der Zukunft eine zivile Öffnung des Militärflughafens Zeltweg für Charterflüge und vielleicht sogar für Linienflüge möglich werden kann, sollen in der vorliegenden UVP-Novelle in einem Aufwaschen auch noch die UVP-Regelungen für Flugplätze neu geregelt werden. Durch veränderte Größenordnungen sollen die Errichtung und Verle­gung von Pisten dann nicht UVP-pflichtig sein, wenn sie in überwiegendem Ausmaß für Zwecke der Militärluftfahrt genutzt werden – bisher gilt dies ausschließlich für Militär­flugplätze.

Auch diese Änderung verstößt gegen EU-Gemeinschaftsrecht. Internationale Flughä­fen der Zivilluftfahrt sind in jedem Fall einem UVP-Verfahren zu unterziehen, alle übri­gen Zivillufthäfen einem UVP-vereinfachten Verfahren.

Die brennende Frage, die sich allen interessierten Beobachtern nun stellt, ist daher: Wird die EU-Widrigkeit der geplanten Neuregelung bei der UVP ganz bewusst in Kauf genommen? Eine Prüfung der beabsichtigten Änderungen im UVP-Gesetz durch den Europäischen Gerichtshof bedarf einiger Zeit, und währenddessen könnten gewisse Projekte ohne weiteres schnell durchgezogen werden.

Die von der Regierung geplanten Änderungen des bewährten Instrumentes Umweltver­träglichkeitsprüfung haben bei Expertinnen und Experten Fassungslosigkeit ausgelöst. Anlassgesetzgebung, einseitige Klientel-Politik, skandalöse Verwässerung von Um­weltstandards – das sind nur einige dieser Kriterien.

Aus dem Umweltministerium war zur geplanten UVP-Novelle zu vernehmen, dass streng definierte Ausnahmen im Umweltverträglichkeitsgesetz einen gangbaren Weg darstellen, weil internationale Großprojekte wünschenswert sind, weil sie eine regio-


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nale Wertschöpfung bringen und Publikumsinteresse gewährleisten. Hier drängt sich für uns schon der Eindruck auf, dass der Umweltminister – um es im FPÖ-Syndrom zu sagen (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Was?) – im Liegen umgefallen ist. (Rufe bei der ÖVP: Was?) Es ist so, wie ich es gesagt habe.

Ich hoffe nur, Herr Bundesminister, dass es im Hause Pröll nicht allzu viele Unstimmig­keiten gibt und der Familienzwist klein gehalten wird. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In Niederösterreich bräuchten wir dieses Gesetz nicht mehr zu beschließen, denn in Niederösterreich agieren wir bereits nach diesem Gesetz. Auf der einen Seite besteht ein Eisenbahntunnel die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht, auf der anderen Seite wird ein Straßentunnel durch den Semmering gebaut, der einer Umweltverträglichkeitsprüfung ohne auch nur mit der Wimper zu zucken standhält. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Geh, geh!)

Somit ist alles gesagt. Wir bräuchten diese Änderung nicht mehr, in Niederösterreich leben wir bereits damit. (Bundesrat Schennach: Sie meinen, es ist beliebig auslegbar!) So ist es, und in Zukunft noch vermehrt! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Alles, was uns dient, so umzusetzen, wie wir es brauchen, werden wir in Zukunft um­setzen, alles, was wir nicht wollen, können wir ganz einfach wieder weglassen.

Wir werden dem Abänderungsantrag der Regierungsparteien natürlich nicht zustim­men, weil damit die Rechte der Umwelt und der Bürgerinnen und Bürger massiv be­schnitten werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.50


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich verweise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.50.24

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Präsident! Ich muss leider Herrn Bundesminister Pröll berichtigen, der hier behauptet hat, ich hätte im Zusammenhang mit den Änderungen im UVP-Gesetz auch die Müllverbrennung erwähnt. – Nein, das stimmt nicht!

Ich habe den Vier-Parteien-Resolutionsantrag des Wiener Gemeinderates zitiert, in dem richtigerweise kritisiert wird, dass Projekte für Großveranstaltungen – Olympia­stadien, Schipisten, Fußballstadien für EM und WM, Landebahnen für Militärflugzeuge, in Klammern: Was hat das da drin zu suchen? – künftig ohne Umweltverträglichkeits­prüfung abgewickelt werden sollen.

Ich habe vorhin auf Kollegen Gruber repliziert mit „optimieren“ und „demolieren“ – des­halb habe ich das weiter zitiert aus dem Antrag des Wiener Gemeinderates – und bin auf das „Argument“ eingegangen, wonach eine UVP eine „Zeitverzögerung“ für Pro­jekte bedeute. – Dieses „Argument“ ist doch unhaltbar, wie ja etliche Wiener Projekte zeigen!

Für das Projekt „Müllverbrennung Pfaffenau“ gab es einen positiven Bescheid, und zwar sechs Monate nach Vorliegen der vollständigen Projektunterlagen.

Daher: Es geht nicht um Müllverbrennungen, die ermöglicht werden sollen, sondern es geht um die Wertigkeit der UVP!

Weiters möchte ich Herrn Bundesminister Pröll insofern berichtigen, als es unrichtig ist, wenn er behauptet, ich würde meine Informationen nur aus den Medien beziehen. Als dazu zwölfter Redner hier – ich will Sie ja hier nicht langweilen – sehe ich meine Auf­gabe schon auch darin, etwas Neues zu bringen, nämlich auch ein Kaleidoskop der


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Medien. Daher habe ich versucht, das Wirken von Bundesminister Pröll aus Sicht der Medienrezeption darzulegen, denn ich brauche den Ausführungen von VorrednerInnen dazu nichts hinzuzufügen. (Bundesrat Bieringer: Was wird da berichtigt?)

Damit die Freude, mir zuzuhören, nach wie vor hohen Wert hat, habe ich ausschließ­lich aus Medienberichten zitiert. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.52


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Lueger. – Bitte.

 


14.52.20

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu diesem neuen Ent­wurf natürlich auch für Wien Stellung nehmen. – Kollege Schennach hat es ja bereits erwähnt: Mit den Stimmen aller Parteien wurde im Wiener Gemeinderat, und zwar am 25. Februar 2005, ein gemeinsamer Antrag zur geplanten Änderung des UVP-Geset­zes beschlossen, der natürlich zum Inhalt hatte, dass im UVP-Gesetz keine Änderun­gen vorgenommen werden.

EU-rechtliche Vorgaben bestimmen ja, welche Vorhaben einer Umweltverträglichkeits­prüfung zu unterziehen sind: nämlich solche, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Das gilt also auch für Großvorhaben – solche wurden ja heute sehr oft zitiert –, so zum Beispiel für Olympiastadien, Schipisten, Fußballstadien, egal, ob für Welt- oder Europameisterschaften, Landebahnen für Militärflugzeuge und so weiter.

Es geht dabei also um Großprojekte, die oft größere Auswirkungen auf die Umwelt als viel, viel kleinere Projekte haben. Dass der Bau eines EM-Sportstadions von vorn­herein keinerlei UVP-Relevanz haben soll, ja nicht einmal mehr eine Einzelfallprüfung vorgesehen ist, ist wirklich nicht EU-konform.

Nicht optimal vorbereitete sowie durch zeitliche Verzögerungen unter Druck geratene Projekte dürfen nicht als Anlass dafür verwendet werden, an einem bestehenden, noch dazu guten Gesetz Änderungen vorzunehmen. Das darf keinesfalls – so ist es aber insgeheim – Hintergrund für eine Anlassgesetzgebung sein!

Das „Argument“, wonach die Umweltverträglichkeitsprüfung eine „Zeitverzögerung“ sei, kann ich – speziell für Wien – nur als unhaltbar bezeichnen. Ein Projekt, und zwar die „Müllverbrennung Pfaffenau“, ist in diesem Zusammenhang bereits vom Kollegen Schennach erwähnt worden. Da es aber immer wieder eine schöne Sache ist, wenn man etwas Neues in die Diskussion einbringt, darf ich jetzt auch noch das Verfahren, das zur Verlängerung der U2 in den Prater stattgefunden hat, anführen.

Durch vorbildliche Arbeit – auch unter Einbeziehung neuer Medien; so zum Beispiel wurde eine Internet-Plattform eingerichtet – konnte dieses Verfahren sehr, sehr rasch abgewickelt werden. Und wie Sie sicher wissen, werte Kolleginnen und Kollegen, verleiht die Österreichische Wirtschaftskammer jedes Jahr den Preis „Amtsmanager“. Und: Speziell für das Verfahren rund um die Verlängerung der U2 und der Umweltver­träglichkeitsprüfung in diesem Zusammenhang gab es die ÖWK-Auszeichnung „Amts­manager 2004“.

Daher: Es ist wirklich kein Argument, dass ein UVP-Verfahren Zeitverzögerung oder sogar Verhinderung bedeute!

Gerade bei Großprojekten finde ich es absolut notwendig, dass man AnrainerInnen, Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt, in das Verfahren miteinbezogen zu werden und so zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.


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Wie gesagt: Das Umweltverträglichkeitsgesetz ist kein Verhinderungsgesetz, sondern durch sein konzentriertes Verfahren wird Rechtssicherheit, die auch da notwendig ist, geschaffen!

In diesem einstimmig angenommenen Vier-Parteien-Antrag des Wiener Gemeindera­tes wurde gefordert, keine Änderung des UVP-Gesetzes vorzunehmen. Eine Abschaf­fung der UVP bei Großprojekten hätte doch eine drastische Verschlechterung für ganz Österreich bedeutet, verbunden mit einer Verschlechterung der Umweltqualität. Eine weitere Folge – das wurde bereits erwähnt –: Bürgerinnen und Bürgern würden wich­tige Mitbestimmungsrechte entzogen.

Die Größenordnung bei Flugplätzen – Kollege Boden hat das schon angesprochen – wird verändert und verschoben. Was mich wundert, werden doch seitens dieser Bundesregierung Flugzeuge angeschafft, wobei ich nicht sicher bin, ob diese je vom Boden abheben werden.

Die Stellungnahme der acht Umweltanwältinnen und -anwälte, die diese am 24. Feber 2005 Herrn Nationalratspräsidenten Khol übermittelt haben, diese Gesetzesänderung nicht zu machen, ist bekannt. Und es gibt auch von Ihnen, Herr Bundesminister Pröll, eine Aussage – eine, die Sie im Nationalrat getroffen haben –, in der es heißt, es be­stehe kein Grund, von den Zielen der UVP abzugehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ, ich appelliere jetzt an Sie! Wenn Sie noch ein Fünkchen Umweltbewusstsein haben, dann setzen wir heute hier im Bundesrat ein Zeichen! Wir haben jetzt die Chance, diesen Entwurf an den Nationalrat zurückzuweisen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.58


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prutsch. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Der Hösele ist nicht da!)

 


14.58.14

Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist hier dazu schon sehr viel gesagt worden, ich mache es daher ziemlich kurz. – Erstens: Diese Anlassgesetzgebung, bezogen auf einzelne Projekte, ist verfassungsmäßig bedenklich. (Bundesrat Hösele betritt den Sit­zungssaal.) – Ich begrüße sehr herzlich Herrn Kollegen Hösele bei uns. (Heiterkeit.)

Zweitens: Durch das, was hier durchgedrückt werden soll, wird meiner Überzeugung nach ein Graubereich mit großen Beurteilungsspielräumen geschaffen; Spielräume, die sehr, ja zu groß sind. – Diese Bedenken sind ja hier bereits geäußert worden.

Drittens: Meiner Überzeugung nach – und auch der vieler anderer Menschen in unse­rem Lande – ist weiters die Ungleichbehandlung von einzelnen Projekten und Vorha­ben sehr bedenklich.

Meine Damen und Herren, es wurde ja schon gesagt: Ausgangspunkt hiefür war und ist das politische Desaster in der Steiermark (Bundesrat Konecny: Jawohl!); der „Ver­hau“ A1-Ring ist unübersehbar. Bereits in der letzten Bundesratssitzung habe ich dar­auf hingewiesen, dass der möglichst rasche Wiederaufbau des A1-Rings oberste Prio­rität haben muss – und dazu stehe ich; ebenso unser Landesparteivorsitzender Franz Voves.

Dieser Wunsch der Region muss nun sehr rasch umgesetzt werden, keine Frage. Da­für – und nur dafür!, und was ich weiters betonen möchte: im Interesse dieser Region und für den Wiederaufbau des A1-Ringes – kann ich dies als Ausnahme akzeptieren beziehungsweise hinnehmen.


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Aber es geht auch anders. Die Kollegin aus Wien war vor mir dran. – Ich möchte dar­auf hinweisen, dass die UVP nicht immer ein Hemmnis sein muss. Es ist auch möglich, innerhalb von sechs Monaten ein Großprojekt durchzuziehen. Ich denke jetzt etwa an die Verlängerung der U2: Da ist ein Verfahren innerhalb kürzester Zeit positiv abge­schlossen worden.

Richtigerweise wurde hier angesprochen – ich möchte das nochmals betonen und verstärken –, dass wir eine Optimierung und keine Aushöhlung oder Demolierung der UVP wollen. Genau das wünschen wir uns seitens unserer Fraktion. Wir müssen die Auswirkungen dieses Versagens der ÖVP-Steiermark reparieren, dürfen meiner Meinung nach aber keinesfalls eine Verschlechterung der Umweltgesetze in Österreich zulassen und auch nicht die Rechte der Bevölkerung beschneiden. – Daher kann ich dieser Novelle in dieser Form nicht zustimmen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wäre das Großprojekt A1-Ring professionell angegangen worden, hätten die politisch Verantwortlichen rechtzeitig und schon projektbegleitend ihre Aufgaben ernst genommen, müssten wir heute hier nicht über dieses Thema dis­kutieren.

Zum Schluss noch ein Wort zum Kollegen Hösele, weil er mich angesprochen hat: Landesverräter bin ich sicher keiner! In diese Ecke lasse ich mich nicht treiben, das möchte ich hier betonen! Ich suche mir die Menschen aus, die mich beleidigen können und dürfen!

Ich sage ja zur Steiermark, ich sage ja zu den Menschen, ich sage ja zur Innovations­kraft und zum Fleiß der Steirerinnen und Steirer, und ich sage auch ja zur Umwelt, aber ich sage sicher nein zur ÖVP – und ich sage das aus gutem Grund; ich weiß, warum ich das sage. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

15.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Molzbichler. Ich er­teile ihm das Wort.

 


15.01.50

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Ich möchte vorerst meinen Kollegen im Zusammenhang mit der vergangenen Wirt­schaftskammer-Wahl in Kärnten recht herzlich gratulieren!

Zwei Dinge möchte ich dazu feststellen: Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband hat in Kärnten 24 Mandate gewonnen, was mich natürlich sehr freut! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.) Der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender hat 73 Mandate verloren. – Das ist meiner Meinung nach sehr wohl erschreckend!

Ganz kurz eine Feststellung: Ich möchte auf diese scheibchenweise Demontage der Umweltverträglichkeitsprüfung zu sprechen kommen, möchte es aber ganz kurz fas­sen – auch weil meine Vorredner ja schon vieles vorweggenommen haben –: Eine kon­zentrierte UVP ist meiner Meinung nach schneller als Einzelverfahren und garantiert Rechtssicherheit.

Herr Minister! Das durch den Umweltsenat gekippte Großprojekt am A1-Ring in Spiel­berg oder auch die Diskussion und Verzögerung rund um die Errichtung des Klagenfur­ter EM-Fußballstadions dürfen nicht heimlicher Hintergrund einer möglichen Anlassge­setzgebung sein, wie sie es meiner Meinung nach jetzt sind, damit künftig Projekte für Großveranstaltungen ohne Umweltverträglichkeitsprüfung abgewickelt werden können.

Herr Minister! Anrainerrechte sowie Lärm- und Umweltschutz sind ernst zu nehmen! Im Gegensatz zu mehreren Einzelverfahren ist eine konzentrierte UVP nicht nur rascher,


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sondern sie garantiert letztlich auch die nötige Rechtssicherheit bei der Projektumset­zung.

Meine Damen und Herren! Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sollte kein Schreckge­spenst für Projektanten sein, das schon im Vorfeld Investoren abhält, und keinesfalls dürfen ökologische Interessen rein ökonomischen Überlegungen geopfert werden.

Meine Damen und Herren! Immer wieder wird versucht, durch gesplittete Einzelver­fahren eine UVP zu umgehen. Ich führe jetzt nur das Beispiel der B100 in Kärnten an: Dort gibt es laufend Probleme, wobei auch der freiheitliche Landesrat Dörfler für diese Missstände zuständig ist. – Die Folge sind unzählige Einsprüche, die nicht nur Geld, sondern auch Zeit kosten und in vielen Fällen auch das Aus bedeuten.

Meine Damen und Herren! Die Wirtschaft soll endlich erkennen, dass eine straffe und konzentrierte UVP, die ohne weiteres möglich ist – wie meine Vorredner schon ausge­führt haben –, nicht nur der raschere Weg ist, sondern als einziges Verfahren letztlich auch die notwendige Rechtssicherheit bringt.

In Kärnten hat es auch positive Beispiele in diesem Zusammenhang gegeben, etwa die Verfahren betreffend die Müllverbrennungsanlage in Arnoldstein oder die Betriebser­weiterung der Wietersdorfer Zementfabrik.

Herr Minister! Nicht optimal vorbereitete oder durch zeitliche Verzögerung unter Druck geratene Projekte sollten jetzt nicht Anlass sein, an einem bestehenden und guten Gesetz zu rütteln. Keinesfalls darf die UVP scheibchenweise und durch immer mehr Hintertürchen schleichend zu Grabe getragen werden.

Ich möchte an meine Kollegen im Bundesrat, insbesondere an die Kollegen Kampl und Zellot, appellieren, sich dem Vorsitzenden Haider anzuschließen: Der Herr Landes­hauptmann hat dezidiert betont, dass einziger Grund für diese Novelle das Spielberg-Desaster sei. Kollege Strutz als neuer Landeshauptmann-Stellvertreter sagte unter an­derem: Die UVP-Novelle mit Kompetenzverschiebungen war kein Wunsch der Länder, sondern eine rein parteipolitische Fleißaufgabe von Herrn Bundesminister Josef Pröll.

Kollegen! Ich bitte euch, dass auch ihr unserem Antrag näher tretet, damit das an den Nationalrat zurückverwiesen wird! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Auer. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.05.59

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit der Novelle zum UVP-Gesetz hat eine Gesetzesnovelle den Nationalrat passiert, die einen – das ist heute schon mehrmals erwähnt worden – umwelt- und demokratiepolitischen Rückschritt in diesem Land dar­stellt. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Ich glaube schon, Herr Kollege Himmer!

Trotz massiver Proteste und trotz einer sehr breiten Front des Unverständnisses wur­den Änderungen im UVP-Gesetz von der Bundesregierung beschlossen. Was bedeutet das? – Das bedeutet erstens, dass eine Verschlechterung des Prüfungsstandards für Großprojekte herbeigeführt wird, und das bedeutet zweitens, dass Mitbestimmungs­möglichkeiten der betroffenen Bevölkerung – weil es vielleicht gerade gelegen kommt – einfach gekappt werden. – Diese Liste könnte über verfassungs- und EU-rechtliche Bedenken bis hin zu den sehr geteilten Reaktionen aus den Bundesländern weiter fort­gesetzt werden.


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Obwohl wir jetzt ein sehr gutes Gesetz haben, das exakte und ausreichende Vorschrif­ten vorsieht, soll in Zukunft die jeweilige Landesregierung in bestimmten Fällen darüber entscheiden, ob eine UVP nötig ist oder nicht.

Dazu möchte ich Folgendes bemerken: Die SPÖ-Burgenland hat in der Sitzung des Burgenländischen Landtages gemeinsam mit den Grünen und der FPÖ einen Dring­lichkeitsantrag in Sachen UVP-Gesetz-Novelle eingebracht. Dieser Dringlichkeitsantrag ist ein klares Bekenntnis des Landes Burgenland zur Wahrung der Interessen der Menschen und der Umwelt und zur Beibehaltung der bisherigen Regelungen des UVP-Gesetzes. Es gab eine eindeutige Mehrheit in der burgenländischen Landesregierung dafür, eine Verschlechterung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Burgenland nicht zuzulassen. SPÖ, Grüne und FPÖ waren dieser Meinung.

Es ist immer positiv, wenn die Länder aufgewertet werden, wenn ihnen Kompetenzen zukommen. Das Land Burgenland will allerdings – ebenso wie vermutlich so manches andere Bundesland – keine Scheinkompetenzen! Ich erinnere in diesem Zusammen­hang an die Diskussion der Übertragung der Steuermöglichkeiten und die Einhebung der Steuern. Was wäre die Folge gewesen? – Dass es eine Konkurrenz zwischen den Bundesländern gegeben hätte, dass nämlich in einem Bundesland mehr und in einem anderen Bundesland weniger Steuern eingehoben worden wären, um Wirtschafts­ansiedlungen und anderes zu ermöglichen.

Genau das Gleiche würde in diesem Bereich geschehen, dass man nämlich unter­schiedliche Bewertungen durchführt und es in den Bundesländern zu unterschiedlichen Umweltstandards kommen könnte, und das hätte eine katastrophale Wirkung auf die Umweltpolitik, auf den Umweltstandort in meinem Bundesland Burgenland sowie auch in den anderen Bundesländern. – Das heißt: Es macht keinen Sinn, zwischen den ein­zelnen Projekten zu differenzieren, sondern man muss nach den Kriterien der Umwelt­gesetze vorgehen.

Natürlich ist es sinnvoll, eine Möglichkeit zur Beschleunigung der Verfahren im Rah­men dieser Gesetze zu suchen, aber nicht so, wie es diese Regierung zu tun gedenkt. Dieses Vorgehen der Regierungsparteien ist ein klarer Fall von Anlassgesetzgebung. Damit wird ein bewährtes Rechtsinstrument gefährdet, mit dem der Einklang zwischen Mensch, Natur und Wirtschaft hergestellt werden soll. Und mit der Verlagerung von Scheinkompetenzen an die Bundesländer will diese Regierung nur von einem der größten umwelt- und demokratiepolitischen Rückschritte der letzten Jahre ablenken. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir halten das derzeitige UVP-Gesetz für eine absolut taugliche Grundlage für Projekt­planung auf Basis partnerschaftlicher Mitbestimmung. Im Burgenland wird daher dafür Sorge getragen, dass es zu keiner Einschränkung der UVP kommt und die Bürgerin­nen und Bürger bei Projekten auch weiterhin mitbestimmen können und bestmöglich eingebunden werden. (Beifall bei der SPÖ.)

15.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.11.33

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wurde herausgefordert, und ich kann das nicht im Raum stehen lassen, was Kollege Hösele gesagt hat.

Uns und mich als betroffenen Steirer, der in dieser Region wohnt und sich mit dieser Region identifiziert, hat das Scheitern des Projektes Spielberg mit großer Sorge erfüllt.


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Als AMS-Leiter weiß ich, was dieses Projekt für uns bedeutet hätte. Die Arbeitslosigkeit ist in der Steiermark in den letzten Monaten rapid gestiegen, im Jänner um 3,8 Prozent und im Februar um weitere 5,9 Prozent auf 9,9 Prozent, und wenn immer wieder die Zahl der Beschäftigten angesprochen wird, dann sage ich: Es ist richtig ist, dass die Anzahl der unselbständigen Erwerbstätigen teilweise auch gestiegen ist, allerdings im Bereich der Teilzeitbeschäftigung und der geringfügigen Beschäftigung, und wir wis­sen, was das einkommensmäßig bedeutet!

Kollege Hösele! Zu deiner Jubelmeldung: Ich stehe nicht an, Kollegen Bogensperger zu seinem Mandat und zur Position als Bürgermeister gratulieren. Ich habe das auch schon getan. Das verdient Anerkennung, keine Frage! Aber in dieser Region hat die ÖVP 0,4 Prozent und somit acht Gemeinderatsmandate verloren, die SPÖ hingegen hat 2,1 Prozent und neun Mandate gewonnen. Faktum ist außerdem, dass in meinem Bezirk, im Bezirk Murau, auf welchen dieses Projekt auch Einfluss genommen hätte, die ÖVP elf Mandate oder 4,4 Prozent verloren hat, die SPÖ jedoch 28 Mandate oder 8,3 Prozent gewonnen hat. – Das ist Faktum und Ergebnis! Das heißt, wir haben auf Grund guter und ehrlicher Politik dazu gewonnen! Ebenso wie Kollege Prutsch fühle auch ich mich somit nicht als Landesverräter!

Jetzt zur Obersteiermark. (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) Bitte? – Sie haben im Bezirk Judenburg leicht gewonnen, plus 2,5 Prozent oder fünf Mandate, die SPÖ jedoch 4,3 Prozent oder 20 Mandate.

Zum Obersteiermark-Gipfel: So wie Prutsch Günther bereits erwähnt hat, stehen wir, aber auch der Landesvorsitzende Mag. Franz Voves fraglos zu gewissen Teilen dieses Verfahrens, nämlich dazu, dass der A 1-Ring in seinem Urzustand ohne UVP wieder aufgebaut wird. Das ist der Punkt! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Wir stehen aber nicht zur Gesamtnovelle! Und das ist, glaube ich, auch ganz klar zum Ausdruck gekommen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir wissen, dass der A 1-Ring mit Zustimmung der zuständigen ÖVP‑Landesregierung geschliffen wurde und sich dort jetzt eine Schutthalde befindet.

Ich komme zu Endergebnis. (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) Ja! Aber nur, wenn es Landessache ist und sich ums Projekt Spielberg handelt. Alle anderen Dinge werden nicht mit getragen. Das habe ich bereits gesagt.

Gesamt gesehen – und da möchte ich wieder die Formel von Günther Prutsch verwen­den und auf den Obersteiermark-Gipfel zurück kommen –: A 1-Ring mal Gemeinde­ratswahlen mal Landtagswahlen ergibt 400 Millionen Schilling für die Region. Den Schmäh nimmt Ihnen keiner ab, dass haben die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen gezeigt! (Beifall bei der SPÖ.)

15.15


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gude­nus. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.15.40

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Kollegen und Kolleginnen! Dieses Gesetz, welches wir heute mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschließen wollen, hält sicherlich – das wurde heute schon ein­mal erwähnt – den internationalen Standard. Es ist vielen internationalen Gesetzen zu diesem Thema überlegen.

Ich gebe zu, dass ich mich mit diesem Gesetz sehr schwer getan habe, und einige Freunde in der Fraktion wissen, dass ich innerlich zumindest anfänglich sehr starken Widerspruch verspürte. Aber nach Einlesen, Einhören und Gesprächen mit Personen, die es wissen – und die Bemerkungen des Herrn Bundesministers haben mich heute


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weiter in meinem Weg bestärkt –, werde ich trotz einiger Bedenken diesem Gesetz gerne zustimmen.

Den Vorwurf, dass dieses Gesetz im Rahmen von Anlassgesetzgebung entstand, kann man im Grunde genommen für jedes Gesetz vorbringen. Ich berichte jetzt von einer der berühmtesten Anlassgesetzgebungen zur Zeit – wie ich glaube – des Kaisers Ferdinand. Wer war der Nachfolger von Josef II? (Ruf bei der ÖVP: Leopold II.!) Jeden­falls wurde 1805 vom Kaiser ein heute noch geltendes Gesetz in Auftrag gegeben. (Bundesrat Gruber: Dann war es Auftragsgesetzgebung! – Ruf bei der ÖVP: Damals regierte Kaiser Franz!) Man benötigte dieses Gesetz, um ein großes Reich gut regieren zu können, nämlich das Bürgerliche Gesetzbuch. Das Bürgerliche Gesetzbuch war Anlassgesetzgebung, und dieses Bürgerliche Gesetzbuch ... (Zwischenruf des Bundes­rates Weilharter.) Dieses Bürgerliche Gesetzbuch wurde sechs Jahre lang in Galizien erprobt und hat dann für das ganze Reich Gültigkeit erlangt. Es war dies vielleicht das bedeutendste Anlassgesetz, welches in Österreich jemals geschaffen worden ist, und diesem Gesetz verdanken wir vieles, was wir in dieser Republik heute noch an Gesetz­gebungen haben.

Warum soll es sich bei diesem Gesetz nicht um Anlassgesetzgebung handeln wie bei allen anderen Gesetzen? Es gibt Gesetze, die werden gemacht, damit man Wahlen gewinnt – oder vielleicht auch nicht gewinnt –, es gibt Gesetze, um ökonomischer Ver­nunft zum Sieg zu verhelfen. – Wenn der Herr Minister mit dem Auditorium schwatzen will, so kann er es! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sorry!) Pardon!

Es gibt auch Gesetze, die sollen der ökologischen Notwendigkeit dienen. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter.) Nachher!

Bei diesem Gesetz wird die Grätsche versucht – und, wie ich glaube, durchaus ge­konnt –, Ökonomie und Ökologie friedlich zu vereinigen. Die Koalitionsregierung und wir, die Koalitionsbundesräte, sind der Meinung, dass es gelingt. Die Opposition ist der Meinung, dass es nicht gelingt. Das sei Ihnen unbenommen! Und es wird uns vielleicht auch nicht gelingen, Sie davon zu überzeugen.

Der einzige Punkt, bei dem ich Bedenken habe, sind nicht Ökologie und nicht Öko­nomie, sondern die verfassungsmäßige Haltbarkeit. Hier gibt es nämlich das Problem, dass eigentlich das Gleiche unterschiedlich gehandhabt werden soll: diese temporären Großprojekte mit den üblichen Wünschen der kleinen Gewerbetreibenden und alle jene, die Umweltverträglichkeitsprüfungen brauchen. Da stimme ich Ihnen völlig zu.

Ich habe Zweifel, das muss ich Ihnen hier sagen und das muss ich dir, Herr Bundes­minister Pröll, auch sagen, dass dieses Gesetz hält. Aber meine Zweifel sind getragen von der Hoffnung, dass dieses Gesetz hält, weil es nicht die Absicht in sich trägt, nach­teilig für irgendwelche Gruppen wirken zu wollen.

In diesem Sinne wünsche ich dem Gesetz viel Glück und Haltbarkeit (Bundesrätin Bachner: Mit Recht!) und der Opposition in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren die Einsicht, dass sie ein gutes Gesetz leider nicht mitgetragen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Das ist dann das 86. Gesetz, das der Verfassungsgerichtshof aufhebt!)

15.21


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.21.15

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Minister, auf Grund Ihrer Antworten auf meine Fragen musste ich mich noch einmal zu Wort melden.


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Herr Minister Pröll! Ich hatte immer den Eindruck, dass Sie, wenn Sie mich anschauen und mir anscheinend zuhören, mir auch wirklich zuhören. Offenbar ist dem aber nicht so (Heiterkeit bei der SPÖ), denn ich habe gesagt, ich möchte wissen, worin bei dieser neuen Änderung des UVP-Gesetzes, die wir heute beschließen sollen, die Verbesse­rung für die Umwelt liegt. Aber das haben Sie mir nicht gesagt. Sie haben mir gesagt, es sei ohnehin nicht so schlimm und es wäre noch viel schlimmer gewesen, wenn es anders durchgegangen wäre – aber worin liegt die Verbesserung? Sie sind der Um­weltminister, und von einem Umweltminister erwarte ich mir, dass er hier bei uns Gesetze vorträgt, die eine Verbesserung für die Umwelt mit sich bringen, jedoch nicht solche, die eine Verschlechterung bringen.

Des Weiteren hat mich sehr verärgert, dass Sie mehr oder weniger sagen, dass wir jetzt daraus politisches Kleingeld schlagen wollen, und außerdem fast im gleichen Atemzug, wir wären gegen die Beteiligung von NGOs. Auch das hat mich zu der Mei­nung veranlasst, dass Sie mir vielleicht nicht immer zuhören.

Glücklicherweise habe ich hier noch wortwörtlich, was ich bei der letzten Änderung des UVP-Gesetzes gesagt habe, meine Begründung, warum wir das damals abgelehnt ha­ben. Ich möchte das kurz wiederholen, damit man sieht, dass die Grünen nichts gegen NGOs haben; ganz im Gegenteil.

Das Problem, das wir mit der letzten Novelle des UVP-Gesetzes hatten, war eher, dass die NGOs nicht umfassend eingebunden waren, dass die Novellierung auf Grund von EU-Richtlinien durchgeführt wurde. Das heißt, es war nicht so, dass wir uns da besonders hervorgetan hätten. Es ging darum, dass NGOs nur eingebunden werden, wenn zwei Minister entscheiden, dass es auch wirklich eine NGO ist, dass NGOs nicht zum Verwaltungsgerichtshof gehen können, dass nicht alle Vorgaben umgesetzt wur­den, dass Anrainer zum Beispiel ein Feststellungsverfahren nicht beantragen können, wobei aus dem EuGH-Urteil betreffend Großbritannien jedoch mehr oder weniger her­vorgeht, dass das eigentlich so sein sollte.

Weiters wurde das amtliche Umweltverträglichkeitsgutachten mehr oder weniger elimi­niert.

Und bei den Straßen-UVPs hat in unseren Augen einiges gefehlt, nämlich die strate­gische Umweltprüfung des Gesamtverkehrsplans, ein Straßenbescheidverfahren beim Umweltminister und dass die weichenden Behörden, insbesondere die Naturschutzbe­hörde, in diesem Verfahren Parteistellung erhalten sollten. Diese Punkte haben uns ge­fehlt, und deshalb haben wir die letzte Novelle abgelehnt. Aber nicht deshalb, weil wir die NGOs nicht drinnen haben wollten. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Doch. Sie haben gesagt, dass wir gegen eine Beteiligung der NGOs sind.

Ich habe gegen dieses Gesetz gestimmt, weil die NGOs nicht ausreichend und nicht umfassend genug beteiligt sind. Bei einer neuerlichen Gesetzesnovelle jetzt zu sagen, dass die Grünen gegen die NGOs sind, ist nicht richtig. In dieser Gesetzesnovelle fin­det sich keine Verbesserung für NGOs. In der Gesetzesnovelle, um die es heute geht, ist keine Verbesserung für die Anrainer und für Bürgerinitiativen enthalten. Sie alle fallen meines Wissens beim UVP-Verfahren, selbst dann, wenn es einen Feststellungs­bescheid gibt, heraus – überzeugen Sie mich vom Gegenteil!

Was ich von Ihnen wissen wollte: Worin sind die Verbesserungen dieser neuen Rege­lung zu sehen? – Das haben Sie mir noch nicht sagen können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Gudenus für längstens 5 Minuten das Wort.

 



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719. Sitzung / Seite 84

15.25.16

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Minister! Kollegen und Kolleginnen! Es mag nicht oft vorkommen, dass man in einer tatsächlichen Berichti­gung sich selbst berichtigt. Also: Ich berichtige mich jetzt historisch.

Ich habe einen Kaiser Ferdinand erwähnt. – Es handelt sich in diesem Fall um einen Schwiegersohn Napoleons, Kaiser Franz II. des Heiligen Römischen Reiches, welcher dann Kaiser Franz I. von Österreich wurde. – Hiermit ist die Geschichte richtig gestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Um einer neuerlichen tatsächlichen Selbstberichtigung vorzubeugen: Es war der Schwiegervater, nicht der Schwiegersohn. (Allgemeine Hei­terkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Fraunschiel. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.26.23

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Herzlichen Dank, dass Sie die Berichtigung schon vorgenommen haben, sonst hätte ich meine Rede damit beginnen müssen. Aber es ist immer sehr interessant, die histo­rischen Zusammenhänge und Konnexe zu hören. (Ruf bei der SPÖ: Wenn sie richtig sind!)

Der Landeshauptmann des Burgenlandes ist derzeit der Vorsitzende der Landeshaupt­leutekonferenz und spricht sich in dieser Funktion erfreulicherweise immer sehr für die Stärkung des Föderalismus aus. Ich höre das immer sehr gerne.

Worüber ich mich jetzt leicht wundere, sind sein Verhalten und die Anträge im Burgen­ländischen Landtag und auch die Ausführungen der Kollegin Auer, wo auf einmal, da die Landeshauptleute mehr Kompetenzen bekommen, von Scheinkompetenz die Rede ist. Aus meiner Sicht hat das nichts mit Scheinkompetenz zu tun, sondern mit der Fra­ge der Entscheidungsfreudigkeit.

Wenn sich ein Landeshauptmann so dagegen wehrt, möchte er in einer schwierigen Frage einfach keine Entscheidung treffen. Ist es für ihn nicht wesentlich angenehmer, immer auf den Bund zu schimpfen und bei allen Aktionen (Ruf: Ist das dann beim Pröll auch so?), wie etwa vorige Woche in einer Pressemeldung, von Millionen zu sprechen, die in den Straßenbau investiert werden, ohne dabei zu erwähnen, dass nur 20 Pro­zent aus dem Burgenland kommen und der Rest vom Bund?

Das Einzige, was mich jetzt beruhigt hat, war, dass Kollegin Auer auch gesagt hat, dass im Burgenland die Standards gleich hoch gehalten werden. Ich hoffe daher, dass unser Landeshauptmann doch entscheidungsfreudiger und entscheidungsmutiger wird.

Übrigens habe ich hier auch eine APA-Meldung, aus der ich ersehe, dass im Nieder­österreichischen Landtag die SPÖ gegen den Antrag gestimmt hat. (Bundesrätin Kerschbaum: Gegen den Antrag der Grünen!) – Genau, danke. (Bundesrat Schenn­ach: Gegen den eigenen werden sie nicht stimmen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben wahrscheinlich mehr Vertrauen in die Entscheidungsfreudigkeit des niederöster­reichischen Landeshauptmannes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.28


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Bundesrat Konecny: Doch!) – Auf der Rednerliste nicht, aber ich erteile Herrn Professor Konecny gerne das Wort.

 



Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 85

15.29.02

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! (Ruf bei der ÖVP: 25 Minuten!) – Nein, so billig gebe ich es selten.

Kollege Hösele hat mich heute wirklich – auch im Interesse meiner steirischen Partei­freunde – außerordentlich beruhigt. Wenn er, und offensichtlich nicht nur er, seine gesamte Kraft dafür verwendet, aus einer Niederlage einen Sieg zu machen, dann wünsche ich ihm bei dieser Beschäftigung weiterhin viel Vergnügen. Wir gewinnen lieber wirklich, als zu erklären, dass das, was wir erreicht haben, ein Sieg ist, obwohl es eigentlich eine Niederlage war. Herr Kollege Hösele! Viel Erfolg bei Ihrer Rabulistik! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Herr Kollege, ist schon gut. Ich wünsche Ihnen wirklich eine erschöpfende Beschäftigung bei diesem Versuch. Sie werden dann nicht dazu kommen, den Landtagswahlkampf zu führen, aber behaupten Sie nicht, dass ich mich darüber kränke. – Das ist die eine Sache.

Die zweite Sache ist: Wir haben hier – ich glaube, in der Breite und in der Tiefe, die diesem Vorstoß angemessen sind – über einen wirklich verhängnisvollen und negativ zu beurteilenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates debattiert. Es war uns Sozi­aldemokratinnen und Sozialdemokraten wichtig, die Stimme jedes Bundeslandes durch sozialdemokratische Vertreter im Gremium des Bundesrates zu Wort kommen zu lassen. Ich glaube, dass das ein gutes Bild gegeben hat, das aus der jeweiligen, spezifischen Interessenlage – und die ist natürlich zwischen den Bundesländern unter­schiedlich – herausgearbeitet wurde, warum es gute Gründe gibt, gegen diesen Geset­zesbeschluss zu stimmen.

Das hat mit Entscheidungsfreudigkeit von Landeshauptleuten oder Verantwortungs­übernahme definitiv nichts zu tun. Herr Landeshauptmann Pröll hat diesen Schein- und „Mistküberl-Föderalismus“ ja sehr drastisch zurückgewiesen. Ich zitiere aus mehreren identischen Zitaten – dieses ist aus einem wöchentlichen Nachrichtenmagazin –: „Wenn es für den Bund heiß wird, entdeckt man“, so scheint es, „plötzlich den viel ge­scholtenen Föderalismus“.

Also, so kann es ja nicht sein: dass die heißen Kartoffeln den Ländern vor die Tür gelegt werden. Es kann nicht so sein, dass Probleme, die der Bund nicht im Konsens lösen kann, ausgelagert werden. Diese Art des politischen Outsourcing ist zweifellos negativ zu beurteilen. Und wenn Landeshauptleute sehr unterschiedlicher Parteizuge­hörigkeit sich dafür herzlich, aber ironisch bedanken, dann verstehe ich sie.

Ich glaube, dass tatsächlich die wesentlichen Argumente gegen diesen Vorschlag, gegen diesen Gesetzesbeschluss vorgebracht wurden, und beschränke mich daher darauf, folgenden Antrag einzubringen:

Antrag

der Bundesräte Konecny, Schennach, Johanna Auer, Elisabeth Kerschbaum, Boden, Ing. Einwallner, Gruber, Lindinger, Angela Lueger, Molzbichler, Prutsch, Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsge­setz 2000 und das Bundesgesetz über den Umweltsenat geändert werden (511/A und 827 d.B. sowie 7220/BR d.B.) gem. § 43 GO-BR

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den


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Antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen, gegen diesen Gesetzesbeschluss des Nationalrates einen Einspruch zu erheben.

Begründung:

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz hat bislang abschließend, exakt und ausrei­chend definiert, ab welcher Größenordnung ein Vorhaben unter Beteiligung der Öffent­lichkeit und auf fachlicher Grundlage hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt von der zuständigen Behörde zu prüfen bzw. die gegebenenfalls bestgeeig­nete Umsetzungsvariante herauszufinden ist.

Vor wenigen Monaten wurde das 10-jährige Bestehen des UVP-Gesetzes von allen Fraktionen und vom zuständigen Bundesminister Pröll bejubelt.

Nunmehr wurden im Nationalrat Änderungen zum Umweltverträglichkeitsprüfungsge­setz beschlossen, die vorsehen, dass künftig die Landesregierungen durch Einzelfall­prüfungen entscheiden sollen, ob bei der Errichtung von Sportanlagen im Zusammen­hang mit internationalen Großveranstaltungen sowie bei der Wiedererrichtung und Adaption existierender Rennstrecken und von Teststrecken für Fahr- und Sicherheits­qualitätschecks eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden soll oder nicht, wobei ein beschleunigtes und vereinfachtes Verfahren vorgesehen ist. Darüber hinaus soll die Erweiterung vorwiegend militärisch genutzter Flugplätze von der UVP ebenso ausgenommen sein, wie die Erweiterung ziviler Flugplätze, wenn die Zahl der Flugbewegungen in einem Prognosezeitraum von fünf Jahren unter 20.000 bleibt.

Die EU-rechtlichen Vorgaben (RL 85/337/EWG und RL 97/11/EG) bestimmen, dass jene Vorhaben einer UVP zu unterziehen sind, bei denen im Sinne des Anhanges 3 der Richtlinie mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Darin sind jedoch keinerlei Ausnahmenregelungen für Großvorhaben, wenn sie auf Vereinbarung mit internationalen Organisationen basieren, oder für Rennstrecken, wenn sie seit mindestens 20 Jahren bestehen, enthalten.

Großvorhaben im obgenannten Sinn können – unabhängig von der Dauer ihres Be­standes – dieselben oder sogar größere Auswirkungen auf die Umwelt haben als ande­re – teils kleinere – UVP-pflichtige Vorhaben. Dass nun z.B. anlässlich einer EM oder WM errichtete Sportstadien von vornherein keinerlei UVP-Relevanz haben sollen und damit nicht einmal mehr eine Einzelfallprüfung vorgesehen ist, steht ganz offensichtlich im Widerspruch zu den genannten EU-Richtlinien.

Es ist daher verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, gleiche Projekte ungleich zu behandeln, nur abhängig davon, ob ein Vertrag mit internationalen Organisationen vor­liegt, oder nicht.

Aufgrund der bisherigen Vorschriften sind rasche und effiziente Verfahren ausreichend sichergestellt. Sämtliche für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen Genehmi­gungsbestimmungen sind von der Behörde mit anzuwenden (konzentriertes Genehmi­gungsverfahren). Langwierige Ansuchen um Einzelgenehmigungen – bau-, natur­schutz-, wasser-, verkehrs-, abwasserrechtlich etc. – entfallen dadurch zur Gänze. Weiters ist auch aufgrund der bisherigen Rechtslage je nach Art, Größe und Standort des Vorhabens ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen sechs bzw. neun Monaten nach Antragstellung, von der zuständigen Behörde zu entscheiden.

Die aktuell beschlossenen Änderungen schränken den Anwendungsbereich dieses Ge­setzes und damit die Interessen insbesondere der betroffenen Bürger und der Umwelt stark ein.


Bundesrat
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719. Sitzung / Seite 87

Nicht optimal vorbereitete oder durch zeitliche Verzögerungen unter Druck geratene Projekte sollten jetzt nicht Anlass sein, an einem bestehenden und guten Gesetz Ände­rungen vorzunehmen und dürfen nicht heimlicher Hintergrund zu einer Anlassgesetz­gebung sein.

Das Argument, wonach eine UVP eine Zeitverzögerung für Projekte bedeute, ist un­haltbar, wie Beispiele aus vielen Bundesländern zeigen. Es ist bei Großprojekten abso­lut notwendig, AnrainerInnen und Bürgerinitiativen in das Vorhaben einzubeziehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das UVP-Gesetz darf auch nicht als Verhin­derungsgesetz gesehen werden, sondern es schafft als konzentriertes Verfahren die notwendige Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Die unterzeichneten Bundesräte sprechen sich daher für die Wahrung der Interessen der Bürger und der Umwelt durch rasche und effiziente Verfahren im Rahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes aus. Änderungen bewährter Regelungen aufgrund aktuell diskutierter Anlassfälle sind in diesem Bereich jedenfalls abzulehnen.

*****

Ich beantrage gleichzeitig, über diesen Antrag eine namentliche Abstimmung durchzu­führen und im Fall, dass er keine Mehrheit findet, über den Antrag des Ausschusses auf Zustimmung ebenfalls eine namentliche Abstimmung durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum für die Dauer von längstens 5 Minuten das Wort.

 


15.39.24

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich spreche sicher­lich keine 5 Minuten, ich möchte nur zu den Ausführungen der Kollegin Fraunschiel etwas sagen.

Erstens: Es gab zwei Anträge im niederösterreichischen Landtag, einen Antrag der Grünen, den die SPÖ leider nicht mitgetragen hat, und einen Antrag der SPÖ. (Aha-Rufe bei der ÖVP.)

Den Antrag der SPÖ haben die Grünen sehr wohl mitgetragen. – Er ist meines Wis­sens nur von der ÖVP abgelehnt worden, also mit absoluter Mehrheit einfach nieder­geschmettert worden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn Sie meinen, ich würde daraus lernen, künftig mehr auf meinen Landeshaupt­mann zu hören, dann muss ich sagen: Genau in diesem Fall ist das für mich eher ein Beweis dafür, dass er ähnlich einem anderen Landeshauptmann spricht und dann anders abstimmt. (Bundesrat Konecny: Er spricht anders, als er abstimmen lässt!) Er war bei der Sitzung nämlich höchstpersönlich dabei, was nicht immer üblich ist.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bitte Sie, sich auf die tatsächliche Berichtigung zu beschränken.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (fortsetzend): Meine Lehre daraus ist ganz sicherlich nicht, dass ich deshalb künftig mehr auf den Herrn Landeshauptmann höre, sondern dass ich, ganz im Gegenteil, nicht immer alles glaube, was er sagt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 88

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Bevor wir in die Abstimmung eingehen, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass zwei namentliche Abstimmungen verlangt sind, die einen gewissen Zeitkonsum bedin­gen.

Besteht Einvernehmen der Fraktionen, das Risiko auf uns zu nehmen, dass dieser Vorgang über 16 Uhr – nämlich den Zeitpunkt des Aufrufes der Dringlichen Anfrage – hinausreicht? (Bundesrat Konecny: Der Antragsteller ist damit vollinhaltlich einverstan­den!) – Danke.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Hiezu haben zunächst die Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einen Antrag eingebracht, ge­gen den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bundesgesetz über den Umweltsenat geändert werden, Einspruch samt der beigeschlossenen und vorhin verlesenen Begründung zu erheben.

Da mir hiezu gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein ausreichend unterstütztes Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung vorliegt, werde ich über den Einspruchsantrag in namentlicher Abstimmung abstimmen lassen.

Im Anschluss daran werde ich den Ausschussantrag, keinen Einspruch zu erheben, gegebenenfalls zur Abstimmung bringen.

Wir kommen daher zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Pro­fessor Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Bundesgesetz über den Umweltsenat geändert werden, Einspruch samt der beigeschlossenen Begründung zu erheben.

Hiezu wird eine namentliche Abstimmung durchgeführt.

Die Stimmabgabe erfolgt mündlich mit „Ja“ oder „Nein“.

Ich bitte die Schriftführung um Aufruf der Bundesrätinnen und Bundesräte in alphabe­tischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Roth-Halvax und Auer geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt. Bei Namensaufruf von Bundesrat Ing. Kampl stimmt dieser zunächst irrtümlich mit „Ja“ ab, korrigiert aber sofort auf „Nein“. Allgemeine Heiterkeit und Zwischenrufe. Bundesrat Stadler: Das war die neue FPÖ!)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Stimmabgabe ist beendet.

Zur Feststellung des Ergebnisses unterbreche ich kurz die Sitzung.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. Die Sitzung wird um 15.45 Uhr unterbrochen und um 15.47 Uhr wieder aufgenommen.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Es wurden 61 Stimmen abgegeben, 30 lauteten auf „Ja“, 31 auf „Nein“.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 89

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Auer;

Bachner, Binna, Blatnik, Boden;

Ebner, Einwallner;

Giefing, Gruber, Gumplmaier;

Haselbach;

Kaltenbacher, Kerschbaum, Konecny, Konrad, Kraml;

Lichtenecker, Lindinger, Lueger;

Molzbichler;

Neuwirth;

Pehm, Prutsch;

Reisenberger;

Schennach, Schimböck, Stadler;

Todt;

Wiesenegg, Winter.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Ager;

Bader, Baier, Bieringer, Böhm, Bogensperger;

Dernoscheg, Diesner-Wais;

Fraunschiel, Fröhlich;

Gansterer, Gudenus;

Haller, Himmer, Höfinger, Hösele;

Kampl, Kneifel, Kritzinger, Kühnel;

Mayer;

Roth-Halvax;

Saller, Schnider, Spiegelfeld-Schneeburg;

Tiefnig;

Weilharter, Wimmler, Wolfinger;

Zellot, Zwazl.

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Aus­schussantrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 keinen Ein­spruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 90

Da auch hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt wurde, ist diese durchzufüh­ren.

Die Stimmabgabe erfolgt wieder mündlich mit „Ja“ oder „Nein“.

Ich bitte die Schriftführung um den Namensaufruf.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Roth-Halvax und Auer geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt. Bei Namensaufruf von Bundesrat Konecny zögert dieser, bevor er mit „Nein“ abstimmt. Demonstrativer Bei­fall des Bundesrates Mag. Gudenus und allgemeine Heiterkeit.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung kurz die Sitzung.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. Die Sitzung wird um 15.51 Uhr unterbrochen und um 15.52 Uhr wieder aufgenommen.)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Es wurden 61 Stimmen abgegeben, davon 31 „Ja“-stimmen und 30 „Nein“-Stimmen.

Der Ausschussantrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Ager;

Bader, Baier, Bieringer, Böhm, Bogensperger;

Dernoscheg, Diesner-Wais;

Fraunschiel, Fröhlich;

Gansterer, Gudenus;

Haller, Himmer, Höfinger, Hösele;

Kampl, Kneifel, Kritzinger, Kühnel;

Mayer;

Roth-Halvax;

Saller, Schnider, Spiegelfeld-Schneeburg;

Tiefnig;

Weilharter, Wimmler, Wolfinger;

Zellot, Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Auer;

Bachner, Binna, Blatnik, Boden;

Ebner, Einwallner;

Giefing, Gruber, Gumplmaier;

Haselbach;

Kaltenbacher, Kerschbaum, Konecny, Konrad, Kraml;


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Stenographisches Protokoll
719. Sitzung / Seite 91

Lichtenecker, Lindinger, Lueger;

Molzbichler;

Neuwirth;

Pehm, Prutsch;

Reisenberger;

Schennach, Schimböck, Stadler;

Todt;

Wiesenegg, Winter.

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: In diesem Zusammenhang möchte ich auf folgende verfassungsrechtliche Problematik hinweisen: Der Präsident kann durch mündliche Erklärung sein Stimmrecht ausüben, sofern dadurch nicht Stimmengleichheit entsteht. Das wäre in beiden durchgeführten Abstimmungen denkmöglich gewesen, sodass der Präsident, der gerade am Vorsitz ist, an der Ausübung seines Stimmrechtes durch eine – nach meiner Meinung verfassungswidrige – Bestimmung der Geschäftsordnung gehindert wäre. (Bundesrat Konecny: Sie hätten so abstimmen müssen, dass wir einen Anlassfall für eine ...!)

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnung.

15.53.22Dringliche Anfrage

der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend: Alles unternehmen, um die Fußball-Europameisterschaft 2008 für Ös­terreich zu retten! (2297/J-BR/2005)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur Verhandlung über die Dringliche An­frage der Bundesrätin Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Blatnik als erster Anfragestellerin zur Begründung der An­frage das Wort. (Bundesrätin Blatnik trägt ein rotes Fußballtrikot mit dem Aufdruck: „SPÖ-Parlamentsklub“. Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


15.53.55

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gospod president! Gospod drzavni sekretar! Drage kole­gice, drage kolegi! Ich glaube schon, dass man so angezogen sein kann. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wenn man ein Kasperl ist!) – Nein, nicht wenn man ein Kasperl ist, son­dern wenn man ganz einfach demonstrieren will, dass man für den Bau des Stadions in Klagenfurt „stürmerisch“ eintritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher trage ich auch die Nummer neun. Wer sich beim Fußball auskennt, weiß, dass die Nummer neun und die Nummer elf den Stürmern – in diesem Fall der Stürmerin – gehören. (Bundesrat Dr. Kühnel: Aber heute nicht mehr! Bundesrat Ing. Haller: Das stimmt nicht! Bundesrat Dr. Kühnel: Das war vor hundert Jahren!) – Das glaube ich


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719. Sitzung / Seite 92

nicht. Mir gefällt die Nummer neun sehr gut, und ich bezeichne sie als die Nummer der Stürmer – in dem Fall der Stürmerin.

Ich trage dieses Fußballleiberl ganz einfach, um ein Zeichen zu setzen, dass ich wirk­lich zu 100 Prozent hinter dem Bau des Stadions in Klagenfurt stehe und mich auch dafür einsetze. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrätin Zwazl: Billiger Aktionismus!) – Warum? Wenn Sie das als billigen Aktionismus sehen, dann ist das Ihre Sache, meine nicht! (Beifall bei der SPÖ. Bundesrätin Zwazl: Ich artikuliere mich ...!)

Ich setze mich sehr vehement für den Bau des Stadions in Klagenfurt ein, weil es ganz einfach eine große Chance für Klagenfurt und für das Image Kärntens sowie eine enorme Verbesserung für Kärnten im Tourismusbereich und für die Stadt Klagenfurt im wirtschaftlichen Bereich bedeutet, wenn man bedenkt, dass dadurch 6 000 Arbeits­plätze geschaffen werden und ein Plus von einer Million Nächtigungen von Fans erwar­tet wird.

Es stellt auch eine enorme Verbesserung für die Infrastruktur dar und ist insgesamt für die Region eine eindeutige Aufwertung und ein tolles Zukunftsprojekt.

Die EM wird von zirka 10 Milliarden TV-Zusehern und TV-Zuseherinnen in über 200 Ländern verfolgt: Ein enormer Werbewert für Österreich – nicht nur für Klagenfurt, nicht nur für Kärnten, sondern für Österreich allgemein!

Was soll geschehen? – An Stelle des alten Fußballstadions, das jetzt schon völlig desolat ist, nicht mehr lange bespielbar sein wird und von der Stadt Klagenfurt neu er­baut werden müsste, soll im Zuge der Europameisterschaft in Klagenfurt – im Stadtteil Waidmannsdorf – ein Stadion für 30 000 Zuseher und Zuseherinnen gebaut werden. Die Finanzierung sollte zu einem Drittel von der Stadt Klagenfurt und zu zwei Dritteln von Bund und Land aufgebracht werden.

Wenn ich vorher gesagt habe, für 30 000 Zuseher und Zuseherinnen, so gilt das für die Zeit der Europameisterschaft. Dann wird es umgebaut, und die Anzahl der Zuseher und Zuseherinnen wäre selbstverständlich geringer. (Ruf bei der ÖVP: Der Plätze!) – Selbstverständlich, die Anzahl der Plätze. Dadurch würden natürlich Folgekosten ent­stehen.

So war der Plan, der eigentlich problemlos durchzuführen wäre. Was ist jedoch daraus geworden? – Es ist ein großer Berg von Problemen entstanden, den die ÖVP und die FPÖ sowohl im Land Kärnten als auch im Bund zu tragen haben. Ich möchte allerdings eine Ausnahme nennen, und zwar Sie, Herr Staatssekretär Schweitzer, der Sie löblicherweise am Anfang wirklich Ziele gesetzt und damit bewiesen haben, dass es Ihnen tatsächlich um den Bau des Stadions geht. Darauf, was Sie mit dem Herrn Peter Gattermann gemeint haben, komme ich nachher noch zurück. Da bin ich leider – oder Gott sei Dank! – nicht Ihrer Meinung. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schweitzer.)

Wo ist Bundeskanzler Schüssel geblieben? Bei den gesamten Verhandlungen war er ruhig und wieder ruhig, wenn es nicht zufällig um Fototermine gegangen ist. Obwohl wir mittels schriftlicher Bitten und Anfragen versucht haben, beim Bundeskanzler einen Termin zu bekommen, um das Problem der Finanzierung zu erörtern, hat er bis dato nicht geantwortet.

Um all diese Probleme aufzeigen zu können, möchte ich euch chronologisch darstel­len, wann und wie es begann und wie unprofessionell dieses Zukunftsprojekt abgewi­ckelt wurde.

7. März 2001: Klagenfurt wird offiziell als EM-Spielort genannt.


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12. Dezember 2002: Durch die Entscheidung der UEFA ist Klagenfurt auch Austra­gungsort für die Fußball-Europameisterschaft geworden.

14. Dezember 2002: Die Zahlung des Landes Kärnten für den Bau des Fußball-EM-Stadions wurde fixiert.

27. Dezember 2002: Der ÖVP-Bürgermeister Harald Scheucher betont, dass die Fi­nanzierung sämtlicher Großprojekte in Klagenfurt gesichert wird. Eine neue Finanzie­rungsvariante für die Errichtung des neuen Fußballstadions wird bekannt. Früher war es noch der „Bau eines Stadions“, jetzt wird es zum „Großprojekt“.

26. Feber 2003: Der Klagenfurter Stadtsenat beschließt den Ankauf des Grundstückes. Es wird jedoch weniger Grund gekauft, als von Mario Canori – das ist der Planungs­stadtrat von der FPÖ – beantragt wurde.

25. April 2003: Der Grundkauf wird im Gemeinderat beschlossen. Die Finanzierung wird zwischen Stadt, Land und Bund verhandelt.

29. April 2003: Der Klagenfurter Stadtsenat beschließt mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ den Kauf der Grundstücke für das Fußballstadion. SPÖ und Grüne waren da­gegen. Warum die SPÖ dagegen war? – Weil der Preis für dieses Grundstück, dessen Erwerb praktisch von FPÖ-Planungsstadtrat Canori ausverhandelt wurde, für uns zu hoch war.

18. Mai 2003: Finanzierungssorgen tauchen auf. Bürgermeister Scheucher fordert Land und Bund auf, ihre Beiträge zu leisten. Es entsteht ein großer Streit über die Fol­gekostenbeteiligung. Wie schon am Anfang gesagt: Zu den Folgekostenbeteiligungen zählt zum Beispiel der Rückbau der Tribüne. Bürgermeister Scheucher will von einer Folgekostenbeteiligung der Stadt Klagenfurt nichts mehr wissen. Der Landeshaupt­mann von Kärnten mahnt Scheucher und erinnert an Beschlüsse über die Mitfinanzie­rung. Scheucher will die Mittel für Folgekosten, so wie dies in Innsbruck und in Salz­burg erfolgt, vom Bund finanziert haben.

25. Juni 2003: Die Grünen starten in Klagenfurt ein Volksbegehren gegen den Stadion­bau.

26. Juni 2003: Die SPÖ-Klagenfurt fordert die Übernahme von zwei Dritteln der Kosten durch den Bund. Wieder tauchen Probleme auf. Ein möglicher neuer Standort soll gefunden werden. Der damalige ÖVP-Landesrat Wurmitzer war dagegen. Herr Sport-Staatssekretär Schweitzer präferiert den Standort Minimundus. Laut Landeshauptmann Haider und Staatssekretär Schweitzer soll südlich des Alpenstadions in Waidmanns­dorf eine multifunktionelle Event-Halle entstehen. Der Herr Bürgermeister von Klagen­furt, Scheucher, steht positiv zu dem neuen Projekt. Kritik an dieser Event-Halle wird durch die SPÖ und durch die Grünen ausgesprochen, und zwar deswegen, weil wir den Bau eines Stadions nicht mit einer Event-Halle verwechseln sollten.

Sport-Staatssekretär Schweitzer setzt für die Standortbestimmung eine Frist bis Ende Oktober. FPÖ-Planungsstadtrat Canori verhandelt mit der deutschen FußballAre­na AG, die dieses Projekt betreiben soll. Der Gemeinderat beschließt dies auch.

30. Oktober 2003: Die Arena AG legt Unterlagen, Pläne für das Fußballstadion vor. Nun müssen die Unterlagen geprüft werden.

3. November 2003: Bürgermeister Scheucher lehnt das Arena-AG-Projekt ab und will nun das Stadion selbst errichten. Der Entwurf der Arena AG sei – wie er sagte – eine unzumutbare Frotzelei.

6. November 2003: Es erfolgt die Einigung über einen Standort: Das Stadion wird am Standort des alten Stadions errichtet. Es wird festgestellt – und dies durch den Finanz-


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referenten Stadtrat Zwick, der der ÖVP angehört –, dass die Kosten für die Stadt Kla­genfurt mehr als ein Drittel ausmachen würden.

18. November 2003: Der Stadtsenat einigt sich über eine fixe Stadionvariante, und die Grundsatzvereinbarung mit Stadt, Land und Bund über den Stadionbau wird unter­schrieben. Diese Grundsatzvereinbarung beinhaltet die Finanzierung des neuen Sta­dions. Wer jedoch bauen wird, ist noch offen – so der Landeshauptmann von Kärnten, Haider. Es könnten auch andere Rechtsträger als die Stadt das Stadion bauen, sagte er, zum Beispiel Private.

Laut Haider soll der Stadionbau in einem zweistufigen Verfahren ausgeschrieben wer­den. Die eingereichten Projekte werden von einer Vergabekommission beurteilt, be­stehend aus drei Vertretern der Stadt, drei Vertretern des Landes, einem Vertreter aus Innsbruck und einem Vertreter aus Salzburg, weil auch dort ein Stadion adaptiert werden soll, und dazu noch vier Vertretern des Bundes; an der Spitze steht der Chef des Österreichischen Institutes für Schul- und Sportstättenbau, Dipl.-Ing. Gattermann. Durch ein detailliertes Verfahren soll der Bestbieter ermittelt werden.

23. Dezember 2003: Es erfolgte das Vergabeverfahren. Netto-Baukosten: 38 Millio­nen €. Der Auftraggeber ist die Republik Österreich. Laut Ausschreibung dürfen sich Unternehmen und Bietgemeinschaften bewerben, die 200 Dienstnehmer und einen Jahresumsatz von zumindest 50 Millionen € haben.

Diese Vorgangsweise ist von einer Arbeitsgemeinschaft zweier Kärntner Architekten beim Bundesvergabeamt beanstandet worden, mit der Begründung, dass es hier aus­schließlich um Bauunternehmer geht und sich daraus eine Diskriminierung der Archi­tekten entwickelt. Sie suchen um Nachprüfung und um einstweilige Verfügung an. Das Bundesvergabeamt gibt den Klägern Recht, und das Projekt wird gestoppt. Wieder: viele, viele Probleme.

20. Juli 2004: Der Klagenfurter Gemeinderat genehmigt mehrheitlich und endgültig den Bau des neuen Stadions. Das Gesamtprojekt ist für zirka 30 000 Besucher und Be­sucherinnen vorgesehen und umfasst eine Fußball-Akademie, Trainingsplätze samt Leichtathletikanlage, eine Ballspielhalle und verkehrstechnische Daten. Die Ge­samtkosten betragen zirka 53,2 Millionen € – früher: 33,2 Millionen € –, und dazu kommt noch ein 25-prozentiger Polster für Mehrkosten. Gesamtkosten für das Stadion: 66,5 Millionen €, und dieser Betrag muss je zu einem Drittel vom Bund, vom Land und von der Stadt Klagenfurt aufgebracht werden.

29. Oktober 2004: Es endet die Detailausschreibung. Acht Bewerber liegen vor.

23. Dezember 2004: Haider und Herr Staatssekretär Schweitzer bestätigen Mängel im Vergabeverfahren. Wieder Probleme! Würde eine der Bietergemeinschaften die Ver­gabeentscheidung gerichtlich anfechten, sei das Verfahren so lange offen, bis der Rechtsstreit beigelegt ist.

Der Konflikt zwischen Klagenfurt und dem Land entzündet sich, es besteht der Ver­dacht auf angebliche Bieterabsprachen. Landeshauptmann Haider verlangt von der Stadt eine Schad- und Klaglosstellung. Eine Kärntner Tageszeitung schreibt, dass hin­ter der Auseinandersetzung handfeste wirtschaftliche Gründe stecken. Bürgermeister Scheucher will der Porr AG den Zuschlag geben, Landeshauptmann Haider der STRABAG von Hans Peter Haselsteiner. Laut einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ soll das Angebot der Firma Porr AG um 9 Millionen niedriger sein als das der anderen Bieter.

11. Jänner 2005: Es erfolgte ein Gutachten, das so genannte Obergutachten des Bun­des, von zwei Wirtschaftsprofessoren. Dieses Gutachten wurde dann Herrn Staatssek­retär Schweitzer übergeben. Darin wurden zwei Mängel aufgezeigt: die Doppelfunktion


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der Vorsitzenden der Vergabekommission und eine schwierige Vergleichbarkeit der eingereichten Projekte. Es bestehe eine 50 : 50-Chance, dass es zu keinen Einsprü­chen seitens der unterlegenen Bewerber komme.

23. Jänner 2005: Es kommt der Verdacht der Parteifinanzierung auf. „profil“ berichtet von einer „mutmaßlichen Parteispendenaffäre rund um die Vergabe des Klagenfurter Stadions“. „Anspruch“ auf den Zuschlag wird erhoben und dies unter anderem mit Par­teispenden begründet – laut „profil“. Darin heißt es auch, Vertreter der STRABAG hätten bei einem Abendessen von Dr. Jörg Haider Anspruch auf den Zuschlag erhoben und dies unter anderem mit Parteispenden begründet – laut Zeitung. FPÖ und Bau­holding dementieren.

Die Ermittlungen wegen Parteifinanzierung wurden durch die Staatsanwaltschaft am 23. Feber eingestellt. Der Grund dafür war – laut Auskunft des Sektionschefs des Jus­tizministeriums gegenüber dem „Kurier“ –: Die Anzeige des Innenministeriums sei nicht ausreichend.

2. Feber 2005: Zwei Tage vor der geplanten Vergabe des Neubaus des Fußballstadi­ons wackelt das ganze Projekt rund um das Stadion wieder. – Die große Bombe platzt, es kommt zum Polit-Hickhack, der öffentlich ausgetragen wird. Grund dafür ist die Veröffentlichung aller sechs eingereichten Projekte in der „Kärntner Woche“. Daraus geht hervor, dass die Bewerbergemeinschaft Porr Techno Bau in Gemeinschaft mit der Alpine Mayreder Bau GmbH mit 59,84 Millionen € der Billigstbieter ist. STRABAG hat gemeinsam mit Siemens mitgeboten und verlangt 67,7 Millionen € – laut Zeitung.

Was ein Scheitern des Vergabeverfahrens bedeutet, drückt Peter Gattermann, der Lei­ter dieser Vergabekommission, so aus: Ohne Klagenfurt gibt es ganz sicherlich keine Fußball-EM. Bürgermeister Scheucher sagt laut Zeitung: „Der Täter, der das gemacht hat, setzt alle Mittel ein, um das Projekt zu verhindern.“

7. Feber 2005: Das Vergabeverfahren wird trotzdem fortgesetzt.

9. Feber 2005: Im Zusammenhang mit Unstimmigkeiten bezüglich des Baues des EM-Stadions leitet die Staatsanwaltschaft Wien gerichtliche Vorerhebungen ein. Ermittelt wird gegen zwei Personen wegen des Verdachtes auf wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren.

Dem vom Land Kärnten entsandten Kommissionsmitglied Franz Widrich mit FPÖ-Nähe wird vorgeworfen, die vertraulichen Unterlagen über die sechs Bieter und deren Pro­jekte an die „Kärntner Woche“ weitergeleitet zu haben. Dieser beteuert seine Unschuld. Widrich weigert sich, die von Scheucher geforderte und vorgelegte eidesstattliche Erklärung, keine Unterlagen weitergegeben zu haben, zu unterschreiben. Bezüglich der Anschuldigungen gegen Widrich richtet der Landeshauptmann von Kärnten scharfe Angriffe gegen das Innenministerium.

11. Feber 2005: Es werden Vorwürfe der Überwachung und der Bespitzelung durch das Innenministerium laut.

14. Feber 2005: Aus dem Skandal um das Vergabeverfahren wird eine Abhöraffäre.

6. März 2005: Die Vergabekommission tritt zusammen.

7. März 2005: Der Bestbieter steht fest: Porr und Alpine werden das Stadion bauen. – So weit der Stand der Dinge bis zum 8. März 2005.

Die nächste Runde in dem Spiel ist jedoch bereits eröffnet. Die STRABAG beein­sprucht das Vergaberecht, und Porr klagt die STRABAG. Dazu kommt noch, dass der Landeshauptmann von Kärnten als einer der Hauptdarsteller in diesem Stück nach wie vor versucht, mit zahlreichen öffentlichen Auftritten, Drohungen gegenüber der Landes-


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hauptstadt Klagenfurt und Anschuldigungen auf allen Ebenen, seinen Willen, dass das Projekt der STRABAG bedacht wird, umzusetzen.

Der Stadionbau in Klagenfurt ist ein Musterbeispiel dafür, wie man Dinge nicht ma­chen sollte. Die ganze Geschichte ist ein Exempel, das sichtbar macht, dass hier einige Politiker versuchen, sich das Land untertan zu machen. Sie halten sich nur dann an die Spielregeln, wenn am Ende jenes Ergebnis feststeht, das sie anstreben.

Während der letzten fünf Jahre hat sich die praktische Politik der Freiheitlichen stets im selben Gewand gezeigt. Es ist ein Muster, das man am besten als „Maulwurfpolitik“ bezeichnen kann. Es werden unzählige unterirdische und für die Bevölkerung nicht sichtbare Gänge gegraben, Absprachen getätigt und Versprechen gegeben. Ginge es nach den Freiheitlichen und ihrem Landeshauptmann von Kärnten, so wäre Klagenfurt bereits eingekreist mit Stadien, die wahlweise ein Luxushotel, ein Einkaufszentrum und so weiter inkludierten. Diese Stadien wären alle ganz ohne Kostenbeiträge der öffent­lichen Hand, quasi von Zauberhand, aus purer Nächstenliebe, aus Liebe zum Fußball­sport durch irgendwelche Sponsoren oder Investoren finanziert.

Zu kritisieren ist auch, was die Freiheitlichen und mit ihnen einige Repräsentanten der ÖVP in der Bundesregierung in den letzten Jahren zur Unterhaltung der Kärntner Be­völkerung beigetragen haben: öffentliche Zusage, dann Stadion-Gipfel einberufen, danach wieder öffentliche Absage, Drohungen und Ausstiegsszenarien, Weitergabe von geheimen Dokumenten, private Sponsoren – oder auch nicht –, Parteifinanzierung, Abhörskandal. Ein Krimi? Eine Komödie? Eine Tragikomödie? – Nein, einfach ein Trauerspiel, welches die SPÖ absolut ablehnt!

Die Verantwortung für dieses unfassbare Wirrwarr, für diesen Skandal, tragen aus­schließlich die FPÖ und die ÖVP. Die Linie der SPÖ war immer ein klares Bekenntnis zu einem der Größe der Stadt und den Erfordernissen des Kärntner Fußballsports ent­sprechenden Stadion. (Bundesrat Bieringer: Aber nicht für die Anforderungen der Europameisterschaft!) – Oh doch, ganz klar. Wir haben immer eindeutig und klar ge­sagt: ein Stadion für die Europameisterschaft. Das, was gebraucht wird, sollte gebaut werden. Welche Probleme daraus entstanden sind, habe ich euch aufgezeigt, und dabei ist die SPÖ niemals aufgeschienen.

Wir verlangen auch die rasche Abwicklung aller notwendigen Verfahren, ein klares Be­kenntnis zur öffentlichen Verantwortung für das Stadion-Projekt und schließlich einen sorgsamen Umgang mit öffentlichen Geldern und den Bedürfnissen der Bevölkerung. Ich appelliere an FPÖ und ÖVP: Beendet das Trauerspiel! Es geht hier nicht um poli­tische Machtkämpfe, sondern es geht hier um Bedürfnisse der Bevölkerung.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Jetzt würde ich Kollegen Binna bitten, als Zeichen dafür, dass es wirklich nicht um poli­tische Machtpositionen geht, sondern um die Europameisterschaft, zu verteilen, was wir mitgebracht haben. (Bundesrat Binna überreicht den Fraktionen und Staatssekre­tär Mag. Schweitzer je einen blauen Ball.)

Nehmen wir es an! Gehen wir gemeinsam! Ziehen wir an einem Strang, und fangen wir endlich an, damit das, was geplant ist, auch realisiert wird! – Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der Anfrage erteile ich Herrn Staats­sekretär Mag. Schweitzer das Wort.

 


16.22.44

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht immer, Frau Kollegin Blatnik, ist alles, was in


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Zeitungen steht, was Sie sorgfältig herausgesucht und uns noch einmal vorgelesen haben, auch wirklich wahr. Vieles von dem entspricht einfach nicht den Tatsachen, und ich werde mich kurz damit beschäftigen, um im Anschluss daran dann auch sehr aus­führlich Ihre Fragen zu beantworten.

Als die Nummer neun tatsächlich noch das Trikot des erfolgreichen Mittelstürmers war, hätten es vielleicht ein Nemec oder Buzek getragen – das war ungefähr 1963, Öster­reich : CSSR 3 : 1 –, aber schon Johan Cruyff hat dafür gesorgt, dass auch in der Grundaufstellung Trikots ein bisschen über die ersten elf Nummern hinaus getragen wurden, und heute geht das kreuz und quer. Ich erzähle das nur, um das Gesamt­wissen ein bisschen zu erweitern.

Damals hätte womöglich auch Klagenfurt dieses Stadion, von dem Sie gesagt haben, dass es für Klagenfurt insgesamt zweckmäßig sein sollte, gefüllt. Heute haben wir das Problem, dass von der UEFA ein Stadion mit einer Mindestkapazität von 30 000 Sitz­plätzen verlangt wird und der FC Kärnten im Normalfall kaum Spiele in Klagenfurt aus­tragen wird, die annähernd so viele Zuschauer ins Stadion locken.

Deshalb war es für die Stadt Klagenfurt von ganz besonderer Bedeutung, als Austra­gungsort für die Europameisterschaft ausgewählt worden zu sein, weil der Stadionbau in Klagenfurt eine unbedingte Notwendigkeit ist. Das, was jetzt als Stadion genutzt wird, ist eine Ruine und muss ohnedies weggeschoben werden. Die Stadt Klagenfurt hat die Wahl gehabt, sich selbst ein Stadion zu finanzieren, ohne Beteiligung des Lan­des und ohne Beteiligung des Bundes, oder eben als Austragungsort der Europameis­terschaft 2008 die Möglichkeit zu bekommen, ein größeres Stadion unter Mitfinanzie­rung, und zwar einer ausgemachten Drittelfinanzierung, des Landes und des Bundes zu bekommen.

Deshalb war es auch für mich unverständlich, dass sich die Gemeinde immer wieder einmal quer gelegt hat, als es darum gegangen ist, zu fixieren, dass das Stadion in Kla­genfurt gebaut wird. Schlussendlich aber konnten alle davon überzeugt werden, nicht zuletzt auch mit den Argumenten, die Sie hier vorgetragen haben, dass es für Klagen­furt sinnvoll ist.

Die Standort-Debatte habe ich sehr wohl interessiert verfolgt, und ich darf Ihnen sagen: Ja, als Buzek noch die Nummer neun getragen hat, war ein Fußballstadion ein Fuß­ballstadion und sonst gar nichts. Heute, wo manche mit der Nummer 77, manche mit 99, manche mit 14 und andere mit 17 stürmen, ist es so, dass Fußballstadien meistens multifunktional ausgerichtet sind, das heißt, es sollen auch andere Veranstaltungen in diesen Stadien möglich gemacht werden.

Ich habe als Sportinteressierter die Möglichkeit gehabt, sehr, sehr viele Arenen zu besichtigen. Die Schalke-Arena zum Beispiel, aus der sogar der Rasen hinausgerollt werden kann, um innerhalb kürzester Zeit für andere Veranstaltungen die Vorausset­zungen zu schaffen, füllt sich im Sommer immer wieder für großartige Opernauf­führungen. Es gibt andere Stadien, wie zum Beispiel das neue Ajax-Stadion, in dem laufend Konzerte organisiert und andere Großveranstaltungen abgehalten werden. So war auch die multifunktionale Idee für das Stadion in Klagenfurt mit der neuen Kommu­nikationstechnik von Sony, die von der deutschen Firma mitangeboten wurde, eine durchaus interessante Überlegung. Es hätten zum Beispiel alle Weltstars, die Sony unter Vertrag hat, wo auch immer auf der Welt sie aufgetreten wären, mittels neuester Übertragungstechniken ins Klagenfurter Stadion übertragen werden können. Kombi­niert mit Einkaufszentren wäre das insbesondere während der Touristensaison eine durchaus interessante Möglichkeit gewesen.

Es gibt Stadien, wie zum Beispiel in Basel, die mit einem Altersheim kombiniert wur­den. Eine ganz faszinierende Geschichte! Ein Stadion mit einem Einkaufszentrum, mit


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Büros, mit Tagungsräumlichkeiten, mit Kongressmöglichkeiten – also durchaus sinn­voll.

In Klagenfurt hat man sich dann dafür entschieden, dieses multifunktionale Angebot abzulehnen. Ob das gut war oder nicht, wird die Zukunft zeigen. Man hat sich dafür entschieden, das Stadion am alten Standort zu errichten. Deshalb – ein Schwenk noch zur UVP – verstehe ich auch die Theatralik im Zusammenhang mit der UVP rund um die Errichtung des Stadions am alten Standort nicht. Es wird dort am Ende nichts anderes stehen, als wieder ein Stadion mit genau der gleichen Kapazität. Es ändert sich also in Wahrheit nichts. Hier im Zusammenhang mit der Novellierung der UVP von einer verfehlten Vorgangsweise zu sprechen, halte ich für nicht zielführend und unan­gebracht, weil die Argumente ins Leere gehen. Es bleibt das gleiche Stadion! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Zweiten darf ich einiges korrigieren, Frau Kollegin Blatnik. Auftraggeber für den Bau des Stadions war, ist und wird immer die Stadtgemeinde sein – nie der Bund, nie das Land! Der Bund ist in Wahrheit nichts anderes als der Beschaffer von einem Drittel der Baukosten. Wir fördern ein Drittel der Gesamtbaukosten. Der Bund bezieht die Position des Fördergebers.

Das Gleiche gilt für das Land. Der Bund hat aber dem Land Kärnten zugesagt – und das habe ich verhandelt –, dass wir neben dem reinen Stadion eine Ballsportakademie errichten. Ich meine, dass das ein sehr gutes Vorhaben ist, das auch alle Sportinteres­sierten verfolgen müssten, damit dieses Ballsportzentrum gemeinsam mit dem Stadion errichtet werden kann.

Sie haben weiter ausgeführt, dass es nach den Diskussionen um den Standort eine Grundsatzvereinbarung gegeben hat, und in dieser Grundsatzvereinbarung wurde zwi­schen Stadt, Land und Bund auf Bitten der Stadt Klagenfurt festgelegt, dass das Ver­gabeverfahren ein zweistufiges Verfahren sein wird. Die Stadt Klagenfurt hat den Bund ersucht, das Ganze über das ÖISS, das Österreichische Institut für Schul- und Sport­stättenbau, abzuwickeln. Leiter dieses ÖISS ist Dipl.-Ing. Gattermann. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Kommen wir gleich auf Dipl.-Ing. Gattermann zu sprechen. Sie haben gesagt, dass es zu den ersten Vergabeakt betreffenden Einsprüchen gekommen ist. Tatsächlich haben alle drei Gebietskörperschaften ein Gutachten machen lassen, um sicherzustellen, dass es keine Probleme beim Fortführen des Vergabeverfahrens gibt. Es wurde in allen drei Gutachten, sowohl in dem der Stadtgemeinde, von der Kanzlei Quendler erstellt, als auch in dem vom Land, Fink & Sundström, und auch in dem vom Bund, festgestellt, dass es zwei Mängel gibt.

Der eine Mangel war die fehlende Gewichtung – relativ problematisch –, und der zwei­te Mangel war nicht die Doppelfunktion des Dipl.-Ing. Gattermann, nein, der zweite Mangel war – und darauf baue ich meine Kritik; Sie können dann beurteilen, ob zu Recht oder zu Unrecht –, dass Dipl.-Ing. Gattermann bereits zu dem Zeitpunkt, als in der Vergabekommission die technische Beurteilung hätte stattfinden sollen, Kenntnis von den Preisen hatte. Er wusste bereits Bescheid, wie welche Firma angeboten hat, und das ist laut gültigem Vergabegesetz ein Mangel, und zwar ein gravierender Man­gel. Deshalb hat man sich auch darauf geeinigt, Dipl.-Ing. Gattermann wohl als Vor­sitzenden zu bestätigen, ihm aber das Stimmrecht in der Vergabekommission zu ent­ziehen.

Diese beiden Mängel wurden von allen drei Gutachtern aufgezeigt und auch als Pro­blem ausgewiesen, und das ist, leider Gottes, das Problem des Dipl.-Ing. Gattermann geworden.


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Wer von den politisch Verantwortlichen wem wann den Zuschlag geben wollte, ist völlig irrelevant, weil politisch Verantwortliche in der Vergabekommission nicht vertreten sind. Die zwölfköpfige und nach Entzug des Stimmrechts von Dipl.-Ing. Gattermann noch mit elf Stimmberechtigten ausgestattete Vergabekommission setzt sich aus drei Vertretern des Landes, drei Vertretern der Stadt, einem Vertreter aus Innsbruck, einem Vertreter aus Salzburg und drei Vertretern des Bundes zusammen. Bei allen Vertretern – zumin­dest für den Bund kann ich das sagen – hat es sich entweder um Förderexperten oder um Vergabeexperten gehandelt, und noch dazu hat es sich die Vergabekommission selbst zur Vorschrift gemacht, dass die Vergabe einstimmig erfolgen muss, was ja dann auch tatsächlich geschehen ist.

Bei dem, was an Informationen durch wen auch immer in die „Kärntner Woche“ gelangt ist, handelt es sich um einen Verstoß gegen das Vergaberecht, das ist richtig, wiewohl ich diesen Verstoß als nicht wirklich gravierend erachte. Das ist meine persönliche Meinung, und ich werde Ihnen auch sagen, weshalb ich das so sehe.

Es hat sich bei dieser in der „Kärntner Woche“ abgedruckten Reihung um eine Zwi­schenreihung gehandelt, weil es ja in diesem Verfahren darum gegangen ist, ein erstes Angebot zu legen. Auf der Basis dieses Angebots wurde eine Zwischenreihung ge­macht, und dann haben die Bietergespräche begonnen. Das heißt, jede Baufirma hat nachbessern können, und zwar sowohl architektonisch als auch technisch, als auch beim Preis. Es hat nur logisch nachvollziehbar sein müssen, weshalb eine Nachbesse­rung im einen oder anderen Bereich gemacht wird und wie sich hiedurch dann die Kosten verändern.

Das Ganze lief nach dem so genannten LBO-Verfahren ab: last and best offer. Dafür hat es einen Stichtag gegeben, und an diesem Stichtag war es dann vorbei mit dem Nachbessern. Deshalb meine ich also, dass die Veröffentlichung dieser ersten Zwi­schenreihung nicht wirklich das große Problem ist, obwohl es natürlich auch ein Man­gel ist, keine Frage, zugegebenermaßen. (Zwischenruf des Bundesrates Molzbich­ler.) – Es ist ein Mangel, aber es ist nicht wirklich das große Problem, weil ja jeder nachbessern konnte. Ich meine, für die öffentliche Hand kann es nur von Vorteil sein, wenn durch diese Vorgangsweise, und das ist das Logische, dann im Endeffekt das Stadion, das gebaut werden soll, billiger wird als es in der Zwischenreihung gewesen wäre, wäre sie die Endreihung gewesen. Also für die öffentliche Hand ist das durchaus sehr positiv und somit auch von Interesse.

Schlussendlich ist es dann ja auch zur einstimmigen Vergabe gekommen. Dass jetzt eine nicht zum Zug gekommene Firma ein Nachprüfungsverfahren beantragt, das ist so logisch und so normal, wie das Amen im Gebet, wenn ich mir das so auszudrücken erlauben darf. Ich denke zum Beispiel an die Vergabe bei der Bayern-Arena. Da ist ganz etwas anderes gelaufen. Ich habe mir auch inzwischen, weil ich mich damit in den letzten Monaten sehr viel habe befassen müssen, wie Sie wissen, sagen lassen, dass alle Vergaben in etwa so laufen, dass der eine vom anderen Informationen zu bekommen versucht, um ihn dann noch zu übervorteilen, und jene, die nicht zum Zug kommen, werden einfach im Nachprüfungsverfahren noch einmal versuchen, den Auf­trag zu bekommen. No na, es geht ja doch um eine nicht uninteressante Summe.

So weit sind wir heute. Das Projekt ist vergeben. Das Nachprüfungsverfahren läuft, und am Ende des Nachprüfungsverfahrens wird wahrscheinlich mit dem Bau begonnen werden – also das, was wir alle wollen. Ich persönlich bin überzeugt davon, aber ich kann Ihnen das jetzt nicht amtlich mit Siegel geben, dass es dann beginnt. Im Normal­fall ist es jedoch so, dass diese Nachprüfungsverfahren ausgehen wie das Hornberger Schießen.

Jetzt erlaube ich mir, die einzelnen Fragen zu beantworten.


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Zu den Fragen 1 bis 3 möchte ich auszugsweise aus der Grundsatzvereinbarung zitie­ren:

Das Basisstadion hat den modernsten internationalen Anforderungen für die Durchfüh­rung von Fußballwettkämpfen zu entsprechen. Das Basisstadion ist für eine Zuschau­erkapazität auszurichten, die den zu erwartenden Zuschauerandrang bei derartigen Spielen ohne Ausbau Rechnung trägt. Das Basisstadion ist durch einen temporären Ausbau zu erweitern, um den besonderen zusätzlichen Erfordernissen für die Europa­meisterschaft 2008 zu entsprechen. Dieser temporäre Ausbau soll durch wieder ver­wertbare Fertigteile erfolgen, wobei diese wieder verwertbaren Fertigteile so auszurich­ten sind, dass sie mit den wieder verwertbaren Fertigteilen der anderen Stadien, die rückgebaut werden, nämlich Innsbruck und Wals-Siezenheim, kompatibel sind und damit ein neues Stadion errichtet werden könnte.

Das heißt also, es gibt noch einen Verein in Österreich, der ein zu kleines Stadion hat. Witzigerweise haben wir in der 6 000-Einwohner-Gemeinde Mattersburg an schönen Tagen 17 000 bis 19 000 Zuschauer, und da könnte man zum Beispiel diese Teile ver­wenden, um ein entsprechendes Stadion zu errichten. Wenn diese Teile aus Klagenfurt in ein anderes Bundesland gebracht werden, um dort verwertet zu werden, dann hat sich der Bund in der Grundsatzvereinbarung verpflichtet, die Kosten dafür zu überneh­men. Werden die Rückbauteile aber in Klagenfurt oder irgendwo anders in Kärnten weiterverwendet, dann übernimmt der Bund die Kosten selbstverständlich nicht. Auch das ist vertraglich klar geregelt.

Im Zuge der Planungsarbeiten für die Errichtung und den Ausbau des Basisstadions ist immer das Einvernehmen mit dem Controlling-Beirat herzustellen. Das Basisstadion muss mit dem temporären Ausbau so gestaltet sein, dass damit eine nach dem Pflich­tenheft der UEFA für die EURO 2008 taugliche Sportstätte entsteht und nach der Beendigung der EURO 2008 für den Betrieb eines Pilotprojektes Ballsport-Kompetenz­zentrum nutzbar ist. – Wie ich meine, eine sehr, sehr gute Lösung für die Stadt und das Land.

Die Stadt Klagenfurt verpflichtet sich zum Neubau des Basisstadions und dessen Ausbau bis 30. September 2006. Da hat es aber dann eine Fristerstreckung durch die UEFA gegeben. Wie Sie wissen, ist das mit der UEFA und dem ÖFB so vereinbart.

Zur Frage 4 – dem gegenwärtigen Stand:

Die Entscheidung für das vorliegende Stadionkonzept der Firma Porr – das habe ich schon ausgeführt – ist in der Vergabekommission einstimmig erfolgt. Das ist der ge­genwärtige Stand, das Nachprüfungsverfahren läuft.

Zur Frage 5: Welche Verfahrensschritte müssen noch durchgeführt werden, welche Behörden sind dafür zuständig, und wann ist mit den notwendigen Entscheidungen zu rechnen?

Vor weiteren Verfahrensschritten ist die Rechtsverbindlichkeit des Zuschlages abzu­warten. Das ist ja momentan gerade im Gange. Die Entscheidung über eine Umwelt­verträglichkeitsprüfung – das wissen Sie auf Grund der vorangegangenen Diskussion – obliegt nach Ablauf der Einspruchsfrist und der Klärung der Rechtslage dem Land Kärnten.

Zur Frage 6:

Im Entwurf des Bundesfinanzgesetzes 2006 ist im Artikel 6 Abs. 1 Z 12 beim Vor­schlagsansatz 1/10646 eine Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen bis zu einem Betrag von 15 Millionen € für Zahlungen im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft 2008 für die Stadien Wien, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt


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vorgesehen. Die Gesamtausfinanzierung obliegt der Budgetgestaltung 2007 und der folgenden Budgetjahre. Die konkret anfallenden Kosten für den Bund für den Neubau des Stadions Klagenfurt können erst nach Eintritt der Rechtskraft des Vergabeverfah­rens beurteilt werden.

Ich habe eine genaue Aufstellung mitgebracht (der Redner hält eine Tabelle in die Höhe), für den Fall, dass Sie das dann noch interessiert, und ich habe kein Problem, Ihnen diese im Anschluss auch zu erläutern.

Zur Frage 7: Wer hat die Entscheidung getroffen, welche Vertreter in die Vergabekom­mission entsendet werden sollen?

Für die Stadt Klagenfurt logischerweise die Stadt, für das Land logischerweise das Land und für den Bund logischerweise der Bund, wobei der Bund seine Vertreter so ausgewählt hat, dass sowohl Vergabeexperten als auch Förderexperten, als auch ent­sprechend geschulte Architekten, die sich mit solchen Sportstättenbauten besonders auskennen, in dieser Vergabekommission für den Bund mit Sitz und Stimme vertreten sind.

Frage 8: Wie beurteilen Sie nach Ihrer Kenntnis die Entscheidung der Vergabekom­mission?

Ich glaube, dass der Bundeskanzler die Entscheidung der Vergabekommission genau­so wie ich nur als interessierter Zeitungsleser und Beobachter beurteilen kann, weil wir in keiner Phase irgendwie eingebunden waren oder sonst irgendwie mit der Vergabe­kommission Kontakt gehabt haben. Ganz im Gegenteil: Wir haben es logischerweise peinlichst vermieden, irgendwelchen Kontakt zur Vergabekommission zu haben. (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage 9: Mitglieder der Vergabekommission sind nur an die Ausschreibung und an die Gesetze gebunden. Warum hat sich Ihr Staatssekretär während des Vergabe­verfahrens öffentlich dahin gehend geäußert, dass der Leiter der Vergabekommission Gattermann der Sache nicht mehr gewachsen sei?

Das werde ich Ihnen jetzt ausführlich begründen; der Herr Bundeskanzler hätte das wahrscheinlich nicht so ausführlich können, weil ich ja der Betroffene bin. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass das Gutachten ... (Bundesrat Konecny: Er leitet schließlich die Regierung!) Herr Professor! Ich bin bemüht, Ihrer Kollegin wirklich umfassend und nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft zu geben. Und das möchte ich jetzt auch gerne weiter tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

In dem Gutachten der Vergabeexperten Aicher/Holoubek – aber nicht nur in diesem Gutachten; das ist das Obergutachten, das Sie angesprochen haben, das habe ich in Auftrag gegeben, um Klarheit zu bekommen, wo jetzt wirklich die Probleme liegen – sind die von Ihnen angeführten zwei Punkte besonders ausgeführt. Und ein Punkt war eben der, dass Dipl.-Ing. Gattermann bereits in Kenntnis der Preise war, obwohl er es nicht hätte sein dürfen. Damit war es zwingend notwendig, ihm sein Stimmrecht in der Vergabekommission abzuerkennen.

Aber das ist noch nicht der Grund dafür, dass ich mich dann in der Öffentlichkeit – übri­gens zum ersten Mal – zu Wort gemeldet habe. Der Grund dafür war, dass der Vorsit­zende der Vergabekommission, der auf Grund eines persönlichen Fehlers kein Stimm­recht mehr hat, sich dann, noch dazu öffentlich, zu Wort gemeldet hat und sehr, sehr viel kommentiert hat. Ich glaube jedoch nicht, dass es Aufgabe eines österreichischen Beamten ist, sich in der Öffentlichkeit zu Wort zu melden und als politischer Kommen­tator aufzutreten.


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Noch dazu war es meines Erachtens nicht nur nicht geschickt, sondern äußerst unge­schickt, sich in aller Öffentlichkeit mit dem Grün-Mandatar Peter Pilz zu treffen (Bun­desrat Konecny: Oh!), um offensichtlich Informationen auszutauschen. – So gesche­hen im Palais Schwarzenberg in aller Öffentlichkeit. Von mir darauf angesprochen, was er mit Peter Pilz ausgetauscht hat, hat er gesagt, er habe ein ökologisches Schul­projekt mit Peter Pilz besprochen. Also das hat nicht nur mir ein Lächeln abgerungen. Peter Pilz beschäftigt sich mit dem ökologischen Schulbau so wie ich mich mit der Orchideenzucht – nämlich gar nicht. Dass es nicht um den ökologischen Schulbau gegangen ist, das hat sich dann auch in den nächsten Tagen in erster Linie in den Printmedien niedergeschlagen. Auf einmal hat Peter Pilz über völlig unbrauchbare Informationen aus der fünften und sechsten Hand verfügt, mit denen er absolut keinen politischen Erfolg landen konnte.

Ich halte es einfach nicht für gescheit, wenn sich der Vorsitzende der Vergabekom­mission erstens zu Wort meldet und zweitens dann Peter Pilz den Schnee von gestern, der recht schmutzig war, überliefert, der diesem dann zwischen den Fingern geschmol­zen und zerronnen ist. Das hat dem ganzen Verfahren nicht gut getan, und deshalb habe ich gemeint, dass er offensichtlich dieser ganzen Geschichte nicht mehr zur Gänze gewachsen ist.

Die Frage 10 betrifft noch einmal Gattermann; die Frage gibt es zweimal, ich habe sie eigentlich schon beantwortet.

Ich kann nur meinen Standpunkt wiederholen, weil ich für den Bundeskanzler nicht wirklich sprechen kann, wenn er persönlich gefragt ist: Auftraggeber ist nach wie vor die Stadt Klagenfurt, Bauherr ist die Stadt Klagenfurt. Ob das Vergabeverfahren ge­stoppt wird oder fortgeführt wird, liegt einzig und allein im Ermessensbereich des Bür­germeisters von Klagenfurt.

Beantwortung der Frage 11, in der es ums Vermitteln geht:

Natürlich nicht – das kann ich auch für den Bundeskanzler festhalten! Das gilt genau so, wie ich es gesagt habe: Wir haben es peinlichst vermieden, uns mit diesem Ver­fahren nur in irgendeiner Weise zu beschäftigen, was die Vertreter in der Kommission betrifft.

Frage 12: In welchem Stadium befinden sich die Adaptierungsarbeiten für die Fußball-Europameisterschaft 2008 der Stadien Wien, Salzburg und Innsbruck?

In Wien alles auf Schiene, Salzburg alles auf Schiene, Innsbruck alles auf Schiene. Bei Klagenfurt ist der Stand bekannt.

Ich kann Ihnen sagen, falls Sie das interessiert: In Wien – das ist das Finalstadion – werden voraussichtlich sieben Spiele ausgetragen. Die Modernisierungsinvestitionen betragen rund 18 Millionen €. Die Finanzierung wird im Verhältnis 50 : 50 getragen, 50 Prozent Stadt, 50 Prozent Bund. Im Zuge dieser Adaptierungsarbeiten gibt es übrigens für das Wiener Stadion auch eine Rasenheizung, damit wir in Hinkunft keine Spiele mehr absagen müssen. Der Baubeginn hat bereits stattgefunden.

Innsbruck: voraussichtlich drei Spiele, Baubeginn Sommer 2005. Dieses Stadion wird von 17 000 auf 32 000 Sitzplätze aufgestockt und nach Beendigung der Euro 2008 auf 17 000 Plätze zurückgebaut.

Stadion Wals-Siezenheim – da steht Salzburg, ich sage richtig Wals-Siezenheim –: voraussichtlich drei Spiele. Das Agreement ist unterzeichnet, es gibt umfangreiche Erweiterungsinvestitionen. Die Gesamtkosten betragen rund 24 Millionen €. Die Drittel­finanzierung der Gemeinde Wals ist locker gesichert, weil dort ja eine der reichsten Gemeinden oder überhaupt die reichste Gemeinde Österreichs zu finden ist. (Zwi-


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schenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Nicht alles ausplaudern!) Baubeginn: Herbst 2005. Die Bürgermeisterkette, die der Bürgermeister von Wals tragen darf, kostet mehr als die SPÖ in Wien Geld hat. (Ruf bei der ÖVP: „S“ oder „F“?) Die SPÖ, die FPÖ hat bei weitem nicht so viel. Dieses Stadion wird von 17 000 auf 32 000 Sitz­plätze aufgestockt und wieder auf 17 000 Sitzplätze zurückgebaut.

Zur Frage 13: Welche Kosten entstehen für den Bund auf Grund dieser Umbauarbei­ten?

Die vorläufigen Investitionskosten für die Fußball-Europameisterschaft stellen sich mit heutigem Stand wie folgt dar: Stadion Wien: 9 Millionen €, Stadion Innsbruck: 28,6 Mil­lionen €, Stadion Salzburg: rund 10,5 Millionen €.

Zur Frage 14:

Vom ÖFB wurde auf Ersuchen der Bundesregierung eine Studie „Nachhaltigkeitskon­zept der Euro 2008“ in Auftrag gegeben.

Zur Frage 15 bezüglich von mir angedachter Alternativen.

An Alternativen muss man immer denken, das ist logisch, aber angesichts der derzeiti­gen Situation werde ich diese Überlegungen weiter für mich behalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.53


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

 


16.53.05

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche mir, dass der Herr Staatssek­retär seine Alternativen nicht andenken muss, denn ich denke, das Wichtigste für das Sportland Österreich ist, dass wir diese Fußball-Europameisterschaft 2008 zeitgerecht und ordnungsgemäß durchführen können.

Unbestritten aus meiner persönlichen Sicht ist: In der Schweiz gehen die Uhren im Zuge dieser Fußball-Europameisterschaft anders. Es gab einen großen Kampf um das Züricher Stadion. Es ging um die so genannte UVP, die bei uns heute schon den halben Tag lang ein Diskussionspunkt war, und vor zirka einem Jahr wurden alle Pro­bleme aus dem Weg geräumt – das Züricher Stadion kann gebaut werden. Mein persönliches Empfinden diesbezüglich: Gott sei Dank gibt es das bei uns in Österreich nicht! Doch jetzt, siehe da, tauchen die größten Probleme beim Klagenfurter bezie­hungsweise Kärntner Stadion auf.

Auch wenn in den Printmedien nicht alles richtig dokumentiert wurde, mein persön­licher Eindruck war: Jetzt können wir uns mit Italien vergleichen, wenn ich nur einige Worte wiedergeben darf: Vergabe-Mafia, Telefonüberwachung, Parteifinanzierung, schmutziges Geschäft, Absprachen, Menschenhatz und Unterstellung, Abhörkanniba­lismus. – Das sind Worte aus den Tageszeitungen der letzten drei Wochen.

Ich denke, es muss alles darangesetzt werden, dass wir rechtzeitig fertig werden – und das ist jetzt auch meine große Bitte –, denn, wie wir alle wissen und selbstverständlich auch der Herr Staatssekretär weiß, der zeitliche Ablauf ist ein Riesenproblem. Nach meinen Informationen muss das Stadion im Mai 2007 der UEFA übergeben werden. Ich weiß schon, dass die heutige Bauweise äußerst große Fortschritte macht, aber, ehrlich gesagt, habe ich da meine Zweifel. Ich wünsche mir trotzdem, dass wir recht­zeitig fertig werden, denn es wäre für mich nicht einsehbar und es ist auch nicht vor­stellbar, dass wir diese Europameisterschaft nicht durchführen können.


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Zurück zur Funktionalität eines Stadions. Ich war vor einigen Jahren in Birmingham. Dort gibt es ein Hallenstadion mit einem Fassungsraum von 12 000 Sitzplätzen. Da­mals war ich noch ein bisserl ein besserer Sportler als heute, ich habe Senioren- Leichtathletik betrieben, und dort waren die Europameisterschaften im Seniorensport. Das Stadion schaut folgendermaßen aus:

Zuerst kommt der Innenraum für 12 000 Zuseher, und das ganze Stadion ist vier Stockwerke nach unten gebaut. Im ersten Stock befinden sich Geschäfte, Friseur- und andere Einrichtungen. Man geht zum Shopping ins Stadion. Auf der zweiten Ebene sind die Tiefgaragen beziehungsweise haben die Parkplätze ihren Raum gefunden. Im dritten Stock gibt es Gerätschaften und alles Mögliche, was man für Veranstaltungen braucht; es ist eben auch ein multifunktionelles Stadion. Und was ich bis heute nicht vergessen habe und was mich besonders beeindruckt hat: Zum Aufwärmen musste man mit dem Lift vier Stockwerke nach unten fahren. Der unterste Bereich war die Auf­wärmhalle mit einer Länge von 100 bis 150 Metern. So etwas würde ich mir in Öster­reich auch einmal wünschen. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schweit­zer.) Gehen wir’s an! Machen wir’s!

Eines ist für mich aber auch klar – das bezieht sich wieder auf die Medien, und ich kann mit meinem Eindruck auch nicht hinterm Berg halten –, nämlich die Tatsache, der Herr Landeshauptmann von Kärnten wollte die Firma STRABAG als Baufirma haben und der Herr Bürgermeister aus Klagenfurt die Firma Porr. (Bundesrat Ing. Kampl: Woher wollen Sie das wissen?) Das entnehme ich den Medien, Herr Kollege Kampl. Im Zuge dessen kamen dann Parteifinanzierung und Telefonüberwachung zur Sprache. Das ist Stand der Dinge, und das sollten wir nicht wegwischen und wegdiskutieren. Wenn ein Herr Widrich in Bezug auf Telefonüberwachung sagt, über Auftrag des Herrn Landeshauptmannes wurden diese Angebote an die Zeitung weitergegeben, dann frage ich mich, ob es da nicht auch Konsequenzen geben muss. Der Grund war eigent­lich nur der, die Firma STRABAG zu informieren, welches Angebot die Firma Porr gelegt hat. So laufen im Prinzip diese Dinge.

Ich blicke zurück auf den 2. Feber, zur Fragestunde mit dem Herrn Bundeskanzler. Meine persönliche Frage war: „Wie beurteilen Sie als Sportminister die Situation um den Neubau eines Fußballstadions für die EM 2008 in Kärnten?“

Antwort – ich zitiere –: „Eigentlich gut, denn soweit ich vom Sport-Staatssekretär Schweitzer informiert worden bin, ist der Prozess der Auswahl der Bewerber in vollem Gang und wird wahrscheinlich Anfang März zu einem positiven Abschluss führen.

Betreiber, das wissen Sie, oder Auswähler ist nicht der Bund, sondern die Stadt Kla­genfurt ist verantwortlich dafür.“ – Das ist alles okay. – „Wir unterstützen sie selbstver­ständlich dabei, wir stehen auch mit Know-how und Expertise jederzeit zur Verfügung, finanzieren fest mit, wie immer, wenn gute Ideen aus den Bundesländern kommen. Die vier Standorte Wien, Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg sind, glaube ich, gut gewählt, auch regional sehr verstreut, und es wird ein großer Erfolg werden.“ – Da gibt es nichts hinzuzufügen.

Eine Zusatzfrage lautet folgendermaßen: „In der letzten Ausgabe des Nachrichten­magazins „profil“ wurden in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegenüber einem Sektionschef Ihres Hauses formuliert. Wie beurteilen Sie als Bundeskanzler und Dienstvorgesetzter dieses Sektionschefs die dort dargestellten Sachverhalte?“ – Ich zitiere wiederum:

Der Sport-Sektionschef, um den es hier geht, hat sich meines Wissens – ich habe das auch nur im ,profil‘ gelesen – darum bemüht, dass die zum Teil an die Öffentlichkeit gedrungenen Streitereien zwischen zwei Bewerbern gemildert werden. Das halte ich noch nicht für abwegig, das ist gescheit.


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Wichtig ist, dass ein objektives klares Verfahren da ist, das transparent nachvollziehbar ist, und dass ohne Intervention, schon gar nicht von irgendwelchen Politikern, Stadt, Land oder Bund, der beste Bewerber zum Zug kommt. Das ist der entscheidende Punkt. Das garantiert mir Sport-Staatssekretär Schweitzer, das garantiert mir Bürger­meister Scheucher aus Klagenfurt, und das garantieren jetzt auch die Landesspitzen von Kärnten, daher steht meiner Meinung nach einer positiven Entscheidung nichts im Wege.

Wenn es wider Erwarten wiederum zu einem Stolperer kommen würde, dann – sage ich ganz offen – wird das vom Zeitablauf her sehr schwierig werden. Das sollten alle Beteiligten wissen, auch die Mitbewerber, die ja immer wieder gerne die Öffentlichkeit einschalten.

Wenn Sie mit mir reden, dann sprechen Sie mit einem, der sechs Jahre lang Wirt­schaftsminister war, Hochbau-Verantwortlicher, Straßenbau-Verantwortlicher. Ich habe diese G’schichterln, die da im ,profil‘ abgedruckt worden sind, bei jeder größeren Ver­gabe erlebt. Und da hilft nur eines: ganz klar, transparent einen objektiven, sauberen Weg gehen. Das ist der einzige Weg.“

Dem kann ich mich eigentlich nur zu 100 Prozent anschließen.

Am gleichen Tag dieses 2. Feber zwischen 14 und 15 Uhr werden alle sechs Anbote in einer Kärntner Tageszeitung veröffentlicht. Da bin ich nicht mehr der Meinung, dass hier ein klarer, transparenter und sauberer Weg gegangen worden ist. (Bundesrätin Kerschbaum: Transparent schon in diesem Fall! – Staatssekretär Mag. Schweitzer: Das war doch transparent! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Okay, da war es wirklich transparent, aber für die anderen Firmen!

Es ist egal, ob die Firma STRABAG oder die Firma Porr den Auftrag bekommen hätte. Wenn es die Firma STRABAG gewesen wäre, hätte die Firma Porr geklagt oder jeder andere geklagt, jetzt hat Swietelsky geklagt.

Ich glaube, im Sinne des Sportes in Österreich ist dies nicht der richtige Weg, der hier gegangen wird. Bitte, setzen wir gemeinsam alles daran, dass wir eine Topeuropa­meisterschaft durchführen können! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.02


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

 


17.02.19

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich als einer, der nicht unmaßgeblich beteiligt gewesen ist, dass das Stadion in Wals-Siezen­heim errichtet wurde, einige Anmerkungen machen. (Zwischenruf des Bundesrates Molzbichler.) – Ich kann auch nichts dafür, dass andere kein Stadion zusammen­gebracht haben. Für das kann ich wirklich nichts! Sie können mich von mir aus schimp­fen, weil wir ein Stadion gebaut haben. Das ist etwas anderes. Aber wir haben alle Ver­fahren ordnungsgemäß abgewickelt. Es ist alles in großer Übereinstimmung zwischen Bund, Land und Wals-Siezenheim gemacht worden.

Ich möchte ausdrücklich festhalten, ohne den heutigen Landeshauptmann-Stellver­treter Raus, den damaligen Landeshauptmann Haslauer, Entschuldigung, Schausber­ger – wir haben ja schon einen Landeshauptmann Haslauer gehabt – wäre das Stadion in Wals-Siezenheim nicht gebaut worden. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. Hier geht es nur Hand in Hand.


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Wenn heute hier gesagt wurde, dass 6 600 neue Arbeitsplätze nur in Kärnten geschafft werden, liebe Frau Kollegin, dann möchte ich sagen, diese Zahl bezieht sich auf alle vier Standorte, nicht auf Kärnten allein.

Ich muss schon ein bisschen schmunzeln, wenn Sie richtigerweise gesagt haben, dass die Sozialdemokratische Partei gegen die zu teuren Grundstücke war. – Meine Damen und Herren! Das Spiel kenne ich. Es war bei mir genau dasselbe, aber man kann doch nicht davon ausgehen, wenn man Grünland für einen Sportstättenbau umwidmet, dass man dem Eigentümer dann Grünlandpreise bezahlt. Da bitte ich schon zu bedenken, dass dem zusteht, dass er für diese Grundstücke einen Preis bekommt, der dem Bau­land angemessen ist. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. Ich stehe dazu, weil wir das genauso gemacht haben, und wir wurden, weil ja sehr viele Schreie oder Zwi­schenrufe von der Bürgerliste der Stadt Salzburg gekommen sind, vom Bundesrech­nungshof und vom Landesrechnungshof überprüft, und es hat keinerlei Beanstandung in Bezug auf den Grundstückspreis gegeben.

Meine Gemeinde wird sicherlich einen angemessenen Beitrag zur Vergrößerung des Stadions leisten. Ich halte es nur zum gegebenen Zeitpunkt nicht für sehr zielführend, wenn wir sofort nach der Europameisterschaft 2008 wieder zurückbauen. Ich bitte, dar­an zu denken, dass hier in Salzburg eine Ausnahmesituation gegeben ist. Wenn Salz­burg die Olympischen Spiele 2014 erhält, sollen im Stadion Wals-Siezenheim die Er­öffnung und die Schlussfeier stattfinden, und da brauchen wir dann wieder 30 000 Sitz­plätze. Das wäre – ich glaube, da wird mir jeder Recht geben – widersinnig, wenn wir 2008, 2009 Rückbauten durchführen würden und 2012 oder 2013 wieder auf 30 000 oder 32 000 Sitzplätze, wie es in Salzburg, in Wals-Siezenheim, vorgesehen ist, auf­stocken.

Ich halte aber ausdrücklich fest, dass die Bietergemeinschaft Porr/Alpine Mayreder – wenn Sie „Alpine“ hören, werden Sie sagen, no na net, der Bürgermeister von Wals-Siezenheim wird wohl seiner eigenen Baufirma das zugestehen, das heißt der in sei­nem Gemeindegebiet ansässigen Baufirma; nicht dass da jemand hineininterpretiert, ich wäre Eigentümer bei der Alpine – das Stadion in Wals-Siezenheim in exzellenter Weise in einer Bauzeit von 16 Monaten hingestellt hat und dieses Stadion allgemein als ein gutes und sehr gut gelungenes Bauwerk angeschaut wird.

Wenn Sie davon ausgehen, dass heute alles so eingerichtet sein soll, dass man alle möglichen Veranstaltungen dort machen kann – es gibt ja das neudeutsche Wort „Event“ dafür –, dann gebe ich Ihnen Recht, aber es muss das auch jemand bezahlen.

Wenn ich mir die Arena AufSchalke ansehe, dann muss ich sagen, das ist sicherlich ein wunderbares Bauwerk, das von Arnheim in Belgien abgeschaut worden ist. (Bun­desrat Dr. Böhm: In Holland!) In Holland – habe ich Belgien gesagt? Entschuldigung! Dort ist der erste ausziehbare Rasen gebaut worden. Wir haben uns das auch ange­schaut und wollten das in Wals-Siezenheim errichten, aber dafür wäre ein Vielfaches der Summe aufzuwenden gewesen, die wir zur Verfügung gestellt haben. Und ich bin froh darüber, dass wir dieses Stadion, so wie wir es heute haben, unser Europameis­terschafts-Stadion vorweisen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich davon ausgehe, dass das dritt­größte Sportereignis der Welt diese Fußball-Europameisterschaft ist, dann dürfen wir stolz sein, dass diese in Österreich stattfindet. Da ich ein grenzenloser Optimist bin, bin ich davon überzeugt, dass auch in Klagenfurt zum richtigen, zum gegebenen Zeitpunkt das Stadion der UEFA zur Kontrolle übergeben werden kann.

Und wenn ich davon ausgehe, dass geschätzte zehn Milliarden TV-Zuseher diese Fußball-Europameisterschaft weltweit sehen werden, dann, meine Damen und Herren,


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glaube ich, ist das kein Lercherl, kein Lercherl sowohl für die Tourismuswirtschaft als auch für die vier Austragungsorte.

Ich bin froh darüber, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern Vereinba­rungen getroffen hat, dass dieses Großereignis stattfinden kann, und ich möchte dir, sehr geehrter Herr Staatssekretär, sehr herzlich dafür danken, dass du dich immer für dieses Sportereignis eingesetzt hast und da immer federführend gewesen bist. Wenn es da und dort gezwickt und gezwackt hat, hast du geschaut, dass wir wieder einen Konsens finden, und das ist dir hervorragend gelungen. Dafür möchte ich dir sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt Verträge, die abgeschlossen wurden zwischen Bund, Ländern und den zuständigen Austragungsorten, und diese Verträge werden eingehalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Kärnten anders ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch hier eine Beruhigung eintreten wird, bei allem Beigeschmack, der hier erzeugt wurde. Ich gehe davon aus, dass sowohl der Bürger­meister Scheucher als auch der Herr Landeshauptmann Haider hier einen Konsens finden werden und dieses Stadion auch tatsächlich rechtzeitig fertig gestellt wird.

Gestatten Sie mir, dass ich ein bisschen auf das Stadion Wals-Siezenheim eingehe. Wir haben unser Stadion auf derzeit 19 000 Sitzplätze ausgerichtet. Es wird auf 32 000 Sitzplätze ausgebaut werden, obwohl viele sagen, dass ein Stehplatz viel, viel schöner ist als ein Sitzplatz. Aber es gibt nun einmal die Voraussetzungen der UEFA, die besagen, dass für eine Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft einzig und allein Sitzplätze zur Verfügung gestellt werden müssen und Stehplätze nicht möglich sind.

Wir werden in diesem Stadion voraussichtlich drei Spiele haben. Das Agreement mit der UEFA ist bereits unterzeichnet, und die Finanzierung ist in den politischen Gremien des Landes, der Gemeinde Wals-Siezenheim und des Bundes abgesichert, sodass überhaupt keine Bedenken bestehen, dass wir im Herbst des heurigen Jahres mit dem Bau beginnen können. Wir werden vorher noch in unserem Stadion eine Gespannfahr-Weltmeisterschaft veranstalten, für die wir auf den Kunstrasen eine mit Sand verfüllte Gummimatte auflegen werden, sodass auch Dressur- und Geschicklichkeitsfahr­bewerbe von Zweispännern durchgeführt werden können. Wir sind sehr stolz darauf, dass diese Weltmeisterschaft im Bereich des Schlosses Kleßheim stattfinden wird, und ich lade Sie heute schon ein, zwischen 8. und 11. September 2005 nach Wals-Siezen­heim zu kommen. Sie werden dort bestens bedient werden und einen wunderbaren Sport sehen, der nicht alltäglich ist. Ich gebe zu, dass es sich dabei um eine Rand­sportveranstaltung handelt, aber es wird eine gute Veranstaltung.

Ich kann von hier aus nur sagen: Wenn diese Weltmeisterschaft vorbei ist, dann gibt es für uns nur eines: alles daranzusetzen, dass die Fußball-Europameisterschaft 2008 ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das in den vier Austragungsorten auch der Fall sein wird.

In diesem Sinne ein herzliches Glückauf für die Fußball-Europameisterschaft 2008! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.13

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


17.13.33

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ganze war jetzt schon ziemlich viel auf einmal. Am besten hat mir die Geschichte mit dem ausziehbaren


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Rasen gefallen. Das erinnert mich ein wenig an die „Piefke-Saga“, der war damals zum Abheben und nicht zum Ausziehen. (Heiterkeit.)

Prinzipiell, möchte ich sagen, kann ja wohl gegen die EM in Österreich niemand sein. Es wird kaum eine andere Möglichkeit geben, einmal bei einer Fußball-EM mitzuspie­len, zumindest nicht in nächster Zeit. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny.) Also wird sich niemand prinzipiell gegen diese Europameisterschaft aussprechen.

Worum es da jetzt bei dieser Geschichte geht, hat an und für sich nicht mehr sehr viel mit Sport zu tun, sondern meiner Meinung nach eher mit der Vergabe und dem, was da alles falsch gelaufen ist. Das hat jetzt nicht etwas mit der Europameisterschaft zu tun, sondern damit, wie Vergaben ablaufen können, und das ist meiner Meinung nach ein Beispiel dafür, wie Vergaben nicht ablaufen sollten.

Sie haben gesagt, es ist so toll, dass wir jetzt doch noch dieses UVP-Gesetz beschlos­sen haben und dass man offensichtlich für den Bau des Stadions in Klagenfurt jetzt keine UVP mehr braucht. Ich glaube nicht, dass die UVP hier das große Problem ist. Wenn ich das richtig verfolgt habe, gab es seit 2001 die ersten Regungen, jetzt haben wir 2005. Also bis jetzt war die UVP noch nicht das große Problem. Bis jetzt hat es viele andere Probleme gegeben, die das Stadion ein wenig in Frage stellen, aber die UVP ist sicher nicht eines der Probleme gewesen.

Ich habe vom Kollegen Bieringer gehört, dass die UVP auch in Salzburg kein großes Problem war, denn ihr habt das Stadion trotzdem bauen können beziehungsweise könnt es jetzt ausbauen. Ich würde ersuchen, nicht immer alles auf die Umweltverträg­lichkeitsprüfung  abzuschieben. Das Problem liegt doch wohl eher darin, dass Verga­beunterlagen weitergegeben worden sind und dass es offenbar Strittigkeiten darüber gegeben hat, wo dieses Stadion hingebaut werden soll, wie groß es werden soll und ob wir einen ausziehbaren Rasen brauchen oder nicht.

Wenn ich an das ganze parteipolitische Hickhack denke, bin ich froh darüber, dass nie­mand die Absicht hat, die Parteifinanzierung der Grünen zu übernehmen. Ich glaube, auf diese Idee ist noch niemand gekommen. Zwischen ÖVP und FPÖ dürfte es in die­ser Hinsicht doch einige Unterstellungen gegeben haben. Man weiß nicht, was daran ist.

Sie sagen, der Herr Gattermann hat sich mehr oder weniger ins Out gestellt, indem er sich mit Herrn Peter Pilz getroffen hat, um ihm uralte Unterlagen zu übergeben. Also ich denke, es ist weniger verwerflich, Herrn Peter Pilz uralte Unterlagen zu geben – wobei ich nicht weiß, ob das so passiert ist,  ich wiederhole jetzt nur, was Sie gesagt haben –, als Unterlagen weiterzugeben, die dann in der „Kärntner Woche“ veröffent­licht werden, was dann ein Vergabeverfahren wirklich in Frage stellt und möglicher­weise auch hätte vereiteln können.

Was ich auch noch aus der Diskussion aufgenommen habe, war, dass das Projekt jetzt offensichtlich fast das Doppelte von dem kostet, was am Anfang veranschlagt war. Wenn Porr und STRABAG sich jetzt noch ein bisschen weiter darum streiten und die Gerichte damit beschäftigt werden, dann wird es sicher nicht billiger werden. (Bundes­rat Mag. Gudenus: Das ist anders, Frau Kollegin! Das stimmt ja nicht!) Die Aussage, dass alle Verfahren so laufen und dass das so üblich ist, möchte ich hoffentlich nur als Versuch einer Rechtfertigung sehen. Eine Rechtfertigung kann es nicht wirklich sein. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.17


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 



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17.17.25

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Staatssekretär hat die 15 Punkte so aufzuklären versucht, dass man sich eigentlich mit der ganzen Sache nicht weiter befassen sollte. (Bundesrat Mag. Gudenus – Beifall spendend –: So ist es!) Aber, liebe Kollegen, es ist einfach notwendig, weil einige Gedankengänge von unseren Kolleginnen und Kollegen für mich und für viele zu viel sind, Gedankengänge, die nur darauf hinauslaufen, einen Bereich zu kriminalisieren, wo es nichts zu kriminali­sieren gibt.

Gehen wir ganz kurz einmal auf das Stadion selbst ein. Für 30 000 Personen soll es gebaut werden, Kostenfaktor: 60 Millionen €, Finanzierung je ein Drittel Bund, Land, Stadt Klagenfurt. Wir wissen alle, dass sich die Stadt Klagenfurt bemüht hat, dieses Stadion zu bekommen, das Land Kärnten bemüht war, finanzielle Unterstützung zu leisten, so gut es geht. Wir sind sehr froh und dankbar, Herr Staatssekretär, dass der Bund bereit war, diese große Mitfinanzierung zu übernehmen. Dadurch hat Kärnten erst die Chance erhalten, dieses Stadion zu bekommen.

Nach dem Abschluss der Europameisterschaft erfolgt dann der Rückbau und wird das Stadion für die normalen Austragungen hergerichtet. Und wir brauchen dieses Stadion, denn das Stadion in Kärnten hat ausgedient, es entspricht nicht mehr den Standards des Jahres 2005. Wir müssen 2005 mit dem Bau beginnen, Herr Staatssekretär, denn wenn uns das nicht gelingt, im Laufe des Sommers mit dem Bau zu beginnen, dann haben wir keine Chance und keine Möglichkeit, dieser großen wirtschaftlichen Verant­wortung für das Bundesland Kärnten nachzukommen.

Einstimmig wurde in der Vergabekommission die Personenanzahl beschlossen, von den Vertretern des Bundes, den Vertretern des Landes und den Vertretern der Stadt Klagenfurt. Und es hat nie eine Diskussion gegeben bezüglich Fähigkeit, bezüglich Lauterkeit oder bezüglich Verantwortlichkeit dieser Personen.

Liebe Frau Abgeordnete Blatnik! Der Herr Landeshauptmann Haider hat keine schmut­zigen Finger in dieser Angelegenheit. Zeitungsberichte enthalten oft viele negative Prognosen, die sehr gerne prolongiert werden, sich aber letzten Endes als nicht richtig erweisen.

Die Kriminalisierung in dieser Frage – es sind auch entsprechende Prüfungen einge­leitet – ist sehr negativ, und vor allem die Unterstellung einer Parteifinanzierung ist für mich und die freiheitliche Fraktion ungeheuerlich. Unter anderem heißt es in den Me­dien: Abhörskandal! Verantwortungslos! Prüfung – Frau Innenminister ersucht.

Meine Damen und Herren! Kärnten versucht, eine positive wirtschaftliche Entwicklung einzuleiten – und hat es auch getan. Und wir sind auch erfolgreich. Die Zusammen­arbeit mit der Sozialdemokratischen Partei funktioniert in Kärnten gut; das sollten wir hier nicht verschweigen. (Bundesrat Molzbichler: Immer nicht, Sigi!) Sie funktioniert! Wir sind erfolgreich im Bereich der Großbauten, wir sind erfolgreich bei Firmenansied­lungen, im Straßenbau, beim Abbau der Arbeitslosen, wir haben die höchste Beschäfti­gung seit 1945, die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit aller Bundesländer und, ich möchte sagen, international. Was wir in den letzten Wochen in Kärnten miterleben durften an Kulturaustausch – Kärnten ist sehr groß im Kommen. (Bundesrat Molzbich­ler: Seebühne! – Bundesrat Konecny: Erfolgreiche Seebühne!)

Es ist meiner Meinung nach so, Herr Fraktionsführer Konecny, und ich glaube, wir soll­ten die Kirche im Dorf lassen. (Bundesrat Konecny: Das ist aber nicht Gegenstand der Anfrage!) Kärnten mit Herrn Landeshauptmann Haider ist einfach erfolgreich, und wir sollten darüber froh sein und nicht jemanden, weil er erfolgreich ist, in den Mittelpunkt der Kritik stellen. Das Fußballstadion in Kärnten ist für uns notwendig und wird auch


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ein großer Werbeträger für Kärnten und Österreich sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.22


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Gruber. – Bitte.

 


17.22.43

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sehr sportverbunden ist und vor allem dem Fußball sehr verbunden ist, dann ist man natürlich auch ein sehr intensiver Beobachter der Situation.

Herr Kollege Kampl! Ich würde deinen Worten gerne Glauben schenken. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Es stellt sich aber leider in der Realität nicht so dar; das ist das Problem. Wenn man die Chronologie von Frau Kollegin Blatnik mitverfolgt hat, wenn man gehört hat, was bis jetzt gelaufen ist und wie es gelaufen ist seit dem Jahr 2002, seit wir den Zuschlag bekommen haben, dann, glaube ich, ist das Mildeste, wenn ich es so formuliere: dass hier bis jetzt sehr viel Sand im Getriebe war. In der Fußballersprache würde man sagen, man hat versucht, sich gegenseitig auszutricksen oder auszuspielen, und ist dabei Gefahr gelaufen, dass man sich das eine oder andere Eigentor schießt oder den anderen zu einem Elfer verhilft oder unter Umständen im Abseits stehen bleibt.

„Fußball-Kriminalfall“ – das kommt ja nicht von uns, bitte! Ich habe eine ganze Reihe von Unterlagen mit, ich will sie nur nicht herzeigen. Es gibt seitenweise Berichte in den Medien, wo von einem Kriminalfall geredet wird, wo es heißt, dass sich das dorthin entwickelt, dass es gegenseitige Anzeigen von ÖVP-Landtagsabgeordneten wegen Parteienfinanzierung gibt, dass man sich gegenseitig blockiert.

Man hat als Beobachter aus Salzburger Sicht das Gefühl, dass sich in Kärnten Stadt und Land diesbezüglich blockieren, dass man sich gegenseitig mit Vorwürfen eindeckt. Und wenn man so nachdenkt, fragt man sich schon: Was kann denn da dahinter stecken?

Alle wollen, dass das Stadion gebaut wird, niemand will diese Europameister­schaft 2008 letztlich gefährden, aber warum „spielt“ man nicht in einer Mannschaft, in dem Fall in Kärnten, wenn der Erfolg ist, dass am Ende das Stadion dort steht, warum spielt man in Wirklichkeit gegeneinander? Das ist es, was ich persönlich nicht verstehe: dass man gegeneinander spielt.

Aus Salzburger Sicht muss ich sagen, wir machen uns wirklich Sorgen, und zwar aus zwei Gründen: Einmal, weil wir auch mit Salzburg, mit Wals-Siezenheim, als Veranstal­ter zu dieser Europameisterschaft dazugehören und daher hoffen, dass da nichts pas­siert, und zum Zweiten, weil Salzburg – und ich hoffe, es wird gelingen – im Jahr 2014 Austragungsort Olympischer Winterspiele sein könnte, wenn alles so läuft, wie wir es uns vorstellen und wie wir wollen.

Ich glaube, solch negative Schlagzeilen im Vorfeld tragen nicht dazu bei, dass das alles auch wirklich gelingt, was wir uns vorstellen. Auf der einen Seite versuchen wir, für das Sportland Österreich zu werben. Da unterscheiden wir ja nicht zwischen Kärn­ten und Salzburg, sondern das ist Österreich, und Salzburg bewirbt sich für Österreich um eine Olympiade. In Österreich wird die Europameisterschaft ausgetragen; Inns­bruck, Wien, Salzburg, Klagenfurt sind dann die Austragungsorte. Daher machen uns diese negativen Schlagzeilen einfach Sorgen. Ich glaube, man muss versuchen, sich in Kärnten einig zu werden. (Bundesrat Ing. Kampl: Das ist schon erledigt!)


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Es ist ganz toll, dass der Bund sich bereit erklärt, hier mitzufinanzieren, nachdem die Kosten sich fast verdoppelt haben, aber es muss aus Kärntner Sicht etwas kommen. Das ist für uns das Wichtigste – und vor allem: Es muss transparent gemacht werden.

Dass es überhaupt zu einem Streit oder zu einer Auseinandersetzung oder zur Weiter­gabe von Unterlagen – oder was auch immer – gekommen ist, hat ja einen Hinter­grund. Irgendwer will etwas, oder irgendwer will etwas verhindern. Ich glaube, dieser Sache muss man auf den Grund gehen, und man ist gut beraten, das aufzuklären und nicht zu verschweigen.

Unter diesen Voraussetzungen und mit der Bitte, in Kärnten alles so zu ordnen, dass es funktioniert, freuen wir uns auf die Europameisterschaft 2008. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 


17.27.43

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegin Blatnik! Ich bin am Anfang ein bisschen erschrocken, weil ich mir gedacht habe, als ich die Farben Ihrer Kleidung gesehen habe – Schwarz-Rot –, Sie wollen da Aktionismus betreiben für eine neue Koalition. (Bundesrätin Blatnik: Sehr viel Rot!) Aber Sie haben mir dann schon gesagt, warum Sie dieses Leiberl anhaben, und dann war meine Erschrockenheit wieder weg. (Heiterkeit. – Beifall des Bundes­rates Dr. Böhm.)

Liebe Freunde! Am Beginn möchte ich den Satz in dieser Dringlichen Anfrage unter­streichen, dass man alles unternehmen soll, um diese Fußball-Europameister­schaft 2008 für Österreich zu retten. – Na ja, man rettet einen Ertrinkenden, und ich glaube, es ist niemand am Ertrinken, aber ich möchte den Satz ergänzen: Die Europa­meisterschaft wäre ein Aushängeschild für Österreich, für den Sport, für die Jugend, für den Tourismus, wenn ich auch das sagen darf. Sie wäre für das Sportland und den Ruf des Sportlandes Österreich eine weitere Facette und ein weiterer Meilenstein. Dazu müssen wir alle da herinnen stehen, und gewisse Dinge müssen eben aufgeklärt werden, damit das Ganze dann ein Erfolg wird.

Und wenn ich das als Tiroler sagen darf – der Herr Staatssekretär hat das schon vor­weggenommen –: In Tirol ist das eigentlich alles „auf Schiene“. Das Stadion wird auf 32 000 Besucher ausgebaut, und die Teile sind meines Wissens alle schon verplant für andere Stadien in Tirol. Das finde ich auch sehr gut, weil kleinere Vereine das sicher brauchen können und das Drei-Tannen-Stadion in Reutte auch nicht mehr das neueste ist; vielleicht gibt es auch dafür ein paar „Trümmer“ von dieser Erweiterung.

Diese 30 Millionen € sind sehr gut investiert, und dieser politische Vertrag, den man da geschlossen hat zwischen Bund, Ländern und der Stadt Innsbruck, funktioniert eigent­lich sehr gut. Und man muss eines ja auch erwähnen: Wir haben in Tirol eine schwarz-rote Koalition. (Bundesrätin Bachner: Also braucht man sich ja nicht so schrecken, oder?) So bunt gemischt ist also die Landschaft, und ich glaube, das muss man auch erwähnen.

Die Bauteile – das habe ich schon gesagt – werden dann wieder verwendet. Es wird nicht sinnlos Geld verplempert. Auch die Auflagen sind schon angesprochen worden; alles ist im grünen Bereich.

Ich wollte noch den „Rattenschwanz“ erwähnen. Das Stadion Klagenfurt und der Stand der Dinge – das haben wir alles schon gehört, das brauche ich nicht zu wiederholen.


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Auch wenn einiges in der Ausschreibung nicht ganz rund gelaufen ist – und das geben wir schon zu –, sollten wir diese Sache gemeinsam erledigen.

Im Budgetbegleitgesetz 2004 sind für die Jahre 2004 bis 2006 jährlich 15 Millionen € – das hast ja du auch schon gesagt, Herr Staatssekretär – gesichert. Dass die Fußball-Europameisterschaft nach den Olympischen Spielen und nach der Fußball-Weltmeis­terschaft der drittgrößte Event ist, auch das wurde bereits gesagt.

Für den Tourismus bedeutet das, wenn ich das noch einwenden darf, zwischen 700 000 und 900 000 zusätzliche Nächtigungen, was ja auch nicht so ohne ist – die Mannschaften, die Funktionäre, die Begleiter und so weiter. Und eine ganz schöne Summe ist vielleicht auch auf Grund der Fernsehübertragungen zu erwarten, Folgege­schäfte sozusagen. Wenn unsere schöne Landschaft in der ganzen Welt gezeigt wird – und das wird man wahrscheinlich tun –, bin ich optimistisch, dass diese Europameister­schaft in Österreich zusammen mit der Schweiz ein Erfolg wird.

Ich finde es gut, dass die Justiz derzeit einige Dinge untersucht; die werden das schon machen.

Ansonsten wünsche ich der Europameisterschaft sowohl sportlich als auch finanziell alles Gute (Bundesrat Ing. Kampl: ... und auch Kärnten!) – und auch Kärnten alles Gute, dass man dort alles auf die Reihe kriegt.

Abschließend etwas, was mir schon lange am Herzen liegt. Ich kann mich noch erinnern: Die letzten Sitzungen waren geprägt von allen möglichen Wahlergebnissen, die uns von Vertretern der linken Reichshälfte immer wieder um die Ohren geschlagen wurden. (Bundesrat Molzbichler: Da sind wir auch stolz darauf!) Ja, ich bin froh, dass ihr stolz darauf seid – wir sind auch stolz darauf. Und ich möchte – ich weiß nicht, ob das schon gemacht worden ist; vielleicht war ich nicht herinnen – stellvertretend für die Wirtschaftskammerwahl unserer Präsidentin aus Niederösterreich einen herzlichen Glückwunsch aussprechen. Hut ab vor diesem Wahlergebnis! Detailergebnisse werden wir keine nennen. Ich würde sagen: Lest das alles in den Medien nach oder schaut euch das an! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.33


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zellot. – Bitte. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Die ganze Wahrheit! – Bundesrat Zellot – auf dem Weg zum Red­nerpult –: Du hast Recht: die ganze Wahrheit!)

 


17.33.33

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich bin eigentlich recht glücklich darüber, dass diese Dringliche Anfrage über den Stadionbau und die Europameisterschaft in Klagenfurt hier im Bundesrat gestellt wird. Ich nehme an, dass die fachliche Aufklärung durch Herrn Staatssekretär Schweitzer Sie davon überzeugen konnte, dass die Kärnt­ner Politiker auch mit Großprojekten sehr verantwortungsvoll umgehen.

Meine geschätzten Damen und Herren, Sie haben in der Vergangenheit, in den letzten 30, 40 Jahren bemerkt – ich möchte keinen einzigen Bauskandal irgendjemandem zu­ordnen, sondern das nur in Erinnerung rufen –, dass nach Fertigstellung eines solchen Projekts oft das böse Erwachen gekommen ist und viele Politiker auf Grund von verschiedenen Fehlleistungen zur Verantwortung gezogen wurden.

Da Kollege Gruber – er ist jetzt nicht da – vom „Sand im Getriebe“ gesprochen hat: in Ordnung. Es ist aber immer besser, den Sand im Getriebe schon zu erkennen, bevor der Motor einen „Verreiber“ hat, denn das würde natürlich viel mehr kosten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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719. Sitzung / Seite 113

Ich glaube, meine geschätzten Damen und Herren, ja ich bin überzeugt davon, dass ein wesentlicher Punkt auch ein Schwachpunkt ist. Beispiel: Baut die Gemeinde ein Projekt, ist sie für dieses Projekt verantwortlich und hat in ihrer Gemeindestube auch die Aufsicht über dieses Projekt. Beim EM-Stadion aber ist diese Vergabe von Klagen­furt weggegangen, und natürlich hatte man gewisse Befürchtungen, dass in verschie­denen Bereichen wirklich Sand im Getriebe war – und davor hat man gewarnt. Das ist doch nichts Schlechtes! Daran kann man erkennen, dass Kärnten, das ja verschiedene Projekte auch in Zukunft durchführt, da sehr aufmerksam ist.

Geschätzte Damen und Herren! Der Herr Landeshauptmann hat sich natürlich bemüht, die verschiedenen Events nach Kärnten zu bringen und das EM-Stadion zu bauen; er ist natürlich dafür. Wenn heute hier aber einige sagen, dass es dabei wahrscheinlich um Parteienfinanzierung gehe, da oder vielleicht für den FC Kärnten – das war auch in der Presse war –, möchte ich Ihnen hier vom Rednerpult aus mitteilen, dass die Staatsanwaltschaft sämtliche Ermittlungen in diese Richtungen bereits eingestellt hat.

Und wenn Sie die ganze Wahrheit hören wollen, dann teile ich Ihnen auch mit, dass ein FPÖ-Landtagsabgeordneter in Kärnten ein Gebietsleiter für die PORR ist, und die PORR wird ein Tourismusprojekt des Landes auf der Flatnitz umsetzen. Warum sollten Landeshauptmann Haider und die FPÖ Interesse daran haben, die PORR nicht zum Zug kommen zu lassen?

Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, Kontrolle vorher ist besser. Die Verant­wortung gegenüber dem Steuerzahler ist immer mehr gefragt, und wir sind selbst­verständlich froh darüber, dass es hier zu einer Dringlichen Anfrage des Koalitions­partners in Kärnten, der Sozialdemokratischen Partei, gekommen ist. Dadurch sehen Sie, dass dieses Projekt Erfolg versprechend ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.37


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort. (Staatssekretär Mag. Schweitzer zeigt sich überrascht.) – Es hat geheißen, Sie melden sich noch einmal zu Wort. (Bundesrat Konecny: Muss er ja nicht! Es gibt keinen Zwang!) Es war Herr Dr. Kühnel, der mir das gesagt hat.

 


17.38.04

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Die Kollegin von den Grünen hat offensichtlich einige Dinge nicht so durchschaut, wie das an und für sich nach meiner Beantwortung der Fragen möglich gewesen wäre, und deshalb hätte ich sie gerne noch über einiges aufgeklärt. Aber da sie momentan nicht im Saal ist, erüb­rigt sich das Ganze.

Und so will ich einer Fortsetzung der Dringlichen-Serie nicht im Wege stehen, über­lasse der Frau Außenminister diesen wunderbaren Platz und spiele ihr den blauen Ball zu. (Bundesministerin Dr. Plassnik hat sich soeben zur Regierungsbank begeben und nimmt dort Platz, nachdem Staatssekretär Mag. Schweitzer diese verlassen hat.)

17.38


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegen mir hiezu keine Wortmeldun­gen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.


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17.39.06Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesmi­nisterin für Inneres betreffend Verdringlichung der Anfrage 2709/J – XXII. GP des Abg. Dipl.-Ing. Uwe Scheuch betreffend Telefonüberwachung durch das Büro für interne Angelegenheiten (2299/J-BR/2005)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kolle­gen an die Frau Bundesministerin für Inneres, die durch die Frau Bundesministerin für Äußeres vertreten wird.

Wir haben mit heutigem Tag die Mitteilung des Kabinetts der Frau Bundesminister für Inneres erhalten, dass sich die Frau Bundesminister dienstlich in Ungarn befindet. Da­her wird die Vertretung von Frau Bundesminister Plassnik übernommen.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile jetzt Herrn Bundesrat Professor Konecny als erstem Anfragesteller zur Be­gründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

 


17.40.00

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst die einleitende Bemerkung: Ich hoffe doch, dass sich auch das Bundesministerium für Inneres an die Usance zu halten lernen wird, par­lamentarische Körperschaften über Auslandsaufenthalte der Ressortchefin zu informie­ren. Natürlich ist diese Mitteilung zur Kenntnis zu nehmen, natürlich ist die Vertretung geschäftsordnungsgemäß, aber dass man über Auslandsreisen nach Einbringung einer Dringlichen Anfrage informiert wird, ist doch etwas merkwürdig. Aber lassen wir’s dabei bewenden!

Diese Dringliche Anfrage steht in einem Zusammenhang mit den Diskussionen rund um den Stadionbau in Klagenfurt – ob es ein sachlicher Zusammenhang ist, kann ich nicht beurteilen. Diese Dringliche Anfrage hat eine Wurzel, nämlich in einer Anfrage des Abgeordneten Uwe Scheuch im Nationalrat. Wir haben, vom einleitenden Absatz abgesehen, diesen Anfragetext samt allen Grammatik- und Rechtschreibfehlern über­nommen, weil es uns – ich glaube nicht, dass wir hier Substantielles zur Aufklärung beitragen können – um die politische Kultur dieses Landes geht. Das ist der Grund dafür, warum wir diese Anfrage stellen und warum die Frage, wer sie beantwortet, hier nicht wirklich im Mittelpunkt steht. Hier geht es nicht primär um eine Kriminalstory.

Kann es wirklich in einem Land so sein, dass Politik so betrieben wird, dass ein Lan­deshauptmann öffentlich erklärt, eine Spezialeinheit des Innenministeriums bespitzle ihn und über 30 Funktionäre seiner Partei in der skandalösesten, rechtswidrigsten und von keinem Richter genehmigten Art und Weise, und das Innenministerium sagt, das ist nicht so? Und seine Partei spannt die Muskeln und sagt, wir werden eine ... (Bun­desrat Dr. Kühnel: Die Muskeln?) – Bitte, diskutieren Sie nachher, ob die Freiheitliche Partei noch Muskeln hat. Ich habe dazu keine wirkliche Meinung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Herr Kollege, in solchen Fällen gehe ich gerne hinaus. Machen Sie sich das untereinander aus! Derjenige, der dann herauskommt, hat noch Muskeln. – Aber wie auch immer.

Dann vergehen zwei Wochen. Der dringliche Bedarf, diese nicht dringliche Anfrage im Nationalrat zu stellen, ist nicht sehr stark. Aber dann quält sich Herr Dr. Ing. Scheuch eine Anfrage heraus. (Ruf: Diplomingenieur Scheuch!) – Dipl.-Ing. Scheuch! Entschul­digung, falsch gelesen, mein Fehler! – Und das Innenministerium, das sich fürchterlich


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aufgeregt hat, als der Herr Landeshauptmann diese Behauptungen oder Tatsachen­mitteilungen – ich weiß das ja nicht – von sich gegeben hat, lässt sich seither Zeit.

Wissen Sie, die politische Kultur in unserem Lande – völlig unabhängig von den han­delnden Personen – kann ja wohl nicht darauf beruhen, dass man eine Frage, die von ganz zentraler Bedeutung ist, je nachdem, wie man sie beantwortet, einfach dann vom Tisch schiebt, wenn man sie aus anderen Gründen politisch nicht brauchen kann.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Herr Landeshauptmann Haider hat Recht. – Ich weiß es nicht, vielleicht weiß ich es nachher. – Es hat eine rechtswidrige Telefonüberwa­chung und Bespitzelungsaktion gegeben. Wenn dem so ist, ist es, unabhängig davon, wer das Opfer ist, ein beispielloser rechtsstaatlicher Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt aus meiner Sicht mit gleicher Wahrscheinlichkeit – ich nehme nicht Partei – die Möglichkeit, dass sich ein Landeshauptmann, ohne einen Beweis in der Hand zu haben, hinstellt und eine solch ungeheuerliche Beschuldigung, obwohl sie nicht fun­diert ist, gegen ein Ministerium und dessen auf die Dienstpflicht vereidigte Mitarbeiter ausspricht.

Ich weiß nicht, was da zwischen diesen beiden Kontrahenten läuft. Es kann doch nicht so sein, dass beides wahr ist: Es gibt den rechtsstaatlichen Skandal – und es gibt das andere. – Nein, es kann nur eines davon wahr sein. Ich glaube, wir erweisen allen Akteuren – auch denen, die dabei Kontrahenten sind – einen Dienst mit dieser Dring­lichen Anfrage. Es geht schlichtweg um etwas so Bescheidenes wie die Wahrheit. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Wenn dem nicht so war, dann hat Herr Landeshauptmann Haider die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich öffentlich zu entschuldigen. Gar keine Frage! Und wenn es so war, dann ist die ganze massive Offensive der Rechtsstaatlichkeit mit Unter­suchungsausschüssen, Disziplinarverfahren und Strafverfahren im Bereich des Innen­ministeriums anzuwerfen.

Meine Damen und Herren! Das so zwischen einer halbherzigen Anfrage, weil man sie angekündigt hat, und ein paar halbherzigen Dementis und einer liegen gelassenen Anfragebeantwortung wabern zu lassen, das sind wir nicht bereit, hinzunehmen.

An diesem Punkt kann ich Schluss machen. Ich kann zur Wahrheitsfindung in dieser Frage nicht wirklich etwas beitragen. Ich warte mit großer Gespanntheit auf die Ant­worten des Ressorts. Wir werden dann die Möglichkeiten wahrnehmen, dazu etwas zu sagen. Aber ich sage nochmals: Die politische Kultur dieses Landes kann weder auf haltlosen Beschuldigungen noch auf rechtswidrigen Bespitzelungsaktionen aufgebaut sein! – So viel ist klar.

Jetzt schauen wir einmal nach, was davon der Wahrheit näher kommt! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

17.46


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich Frau Bun­desminister Dr. Plassnik zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


17.46.51

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte!

Zu den Fragen 1a, c, d, e und f:

Da das Büro für interne Angelegenheiten kein eigenes Statistikreferat hat, kann diese einen Zeitraum von fünf Jahren umfassende Frage in dieser kurzen Zeit nicht beant­wortet werden. Es darf dazu auf die künftige Beantwortung der schriftlichen Anfrage


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des Abgeordneten Dipl.-Ing. Uwe Scheuch durch die Bundesministerin für Inneres verwiesen werden.

Dem Bundesrat wird gleichzeitig mit der Beantwortung der angeführten parlamen­tarischen Anfrage über diese statistischen Zahlen, soweit dies möglich ist, berichtet werden.

Zur Frage 1b:

Das Büro für interne Angelegenheiten folgt dem Offizialprinzip der Strafprozessord­nung, wonach Sicherheitsbehörden verpflichtet sind, strafrechtlich relevante Sachver­halte zu untersuchen und den Gerichtsbehörden zu melden.

Darüber hinaus kommt das Büro für interne Angelegenheiten direkten Aufträgen der Staatsanwaltschaften beziehungsweise von Untersuchungsrichterinnen und -richtern nach.

Zur Frage 2:

Das Büro für interne Angelegenheiten unterliegt denselben Kontrollmechanismen wie jede andere staatliche Verwaltungseinrichtung; es gibt keine Sonderrechte. Auf Grund der thematischen Zuständigkeit sowie des allgemeinen, auch medialen Interesses ist der Aufgabenbereich des Büros für interne Angelegenheiten aber noch von einem erhöhten faktischen Anspruch an Regeltreue und Gesetzesloyalität gekennzeichnet.

Zur Frage 3:

Das Büro für interne Angelegenheiten ist eine nach internationalem Vorbild etablierte Dienststelle außerhalb der üblichen polizeilichen Hierarchien zur sicherheits- und krimi­nalpolizeilichen Ermittlungsführung bei Verdachtslagen von Amtsmissbrauch und Kor­ruption. Das Amt für interne Angelegenheiten ermittelt in der Sache faktisch weisungs­frei und arbeitet dabei direkt mit den zuständigen Justizstellen zusammen. Es ist je­doch kein Kollegialorgan im Sinne des Artikels 20 B-VG.

Zur Frage 4:

Es hat laut Bundesministerin für Inneres keine Telefonüberwachungen der angeführten Personen seitens des Bundesministeriums für Inneres gegeben.

Zur Frage 5:

Es gibt laut Bundesministerin für Inneres keinen Widerspruch. Mag. Kreutner hat völlig wahrheitskonform bestätigt, dass es in einem anderen Verfahren eine richterlich genehmigte Telefonüberwachung gegeben habe und ergo alles im gesetzlichen Rah­men und auf richterliche Anordnung geschehen sei. Eine unrichtige Verknüpfung die­ser ein anderes Verfahren betreffenden und natürlich richterlich genehmigten Telefon­überwachung auf die Kärntner Gendarmeriebeamten Winkler und Stark ist laut Frau Bundesministerin für Inneres zu keinem Zeitpunkt vom Bundesministerium für Inneres getroffen worden.

Zur Frage 6:

Diese Frage fällt in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums. Ich ersuche daher um Verständnis dafür, diese Frage nicht beantworten zu können.

Zur Frage 7:

Der Leiter des Büros für interne Angelegenheiten, Mag. Kreutner, informierte die Medien nicht über ein laufendes Ermittlungsverfahren. Der Leiter des Büros für interne Angelegenheiten erstattete gemäß dem Offizialprinzip der Strafprozessordnung bereits mit 10. Februar 2005, also einen Tag nach der ersten Berichterstattung in den „Ober-


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österreichischen Nachrichten“, eine Strafanzeige gegen unbekannte Täter wegen genau dieser Veröffentlichung von Details eines laufenden Ermittlungsverfahrens in diesem Artikel der „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 9. Februar 2005.

In der Folge und nach bereits erfolgter Veröffentlichung durch die „Oberösterreichi­schen Nachrichten“ wurde wahrheitskonform nur die Tatsache bestätigt, dass es zu einer Anzeigenlegung seitens des Bundesministeriums für Inneres gekommen ist.

Zu den Fragen 8 bis 10:

Die Anzeigenlegung erfolgte gegen unbekannte Täter und auf Grundlage von Zeugen­aussagen und sonstigen Ermittlungsergebnissen rechtlich auf Grund des Offizialprin­zips der Strafprozessordnung, welches die Sicherheitsbehörden verpflichtet, derartigen Sachverhalten und Anzeigen nachzugehen.

Zu den Fragen 11 und 12:

Ich ersuche um Verständnis dafür, dass ich zu Einzelheiten eines gerichtlichen Verfah­rens keine Stellungnahme abgeben kann.

Zur Frage 13:

Dieser Umstand ist aus Sicht der Frau Bundesministerin für Inneres inhaltlich schlicht erklärungsunmöglich, da es, wie bereits mehrfach festgestellt, keine Telefonüberwa­chung auf die Herren Winkler und Stark gegeben hat.

Zur Frage 14:

Alle zuständigen Stellen im Bundesministerium für Inneres, auch das Kabinett der Frau Bundesministerin, haben stets klargestellt, dass es keine illegalen Telefonüberwachun­gen auf die Personen Stark und Winkler gegeben hat.

Zur Frage 15:

Im Eventualfall von den zuständigen Dienstvorgesetzten, Dienst- und Disziplinarbehör­den bis hin zu kriminalbehördlichen Ermittlungen und Anzeigenlegung an die Gerichte, so wie dies auch in der Anzeigenlegung gegen unbekannte Täter durch das Büro für interne Angelegenheiten im erwähnten Fall der Veröffentlichung von Details eines lau­fenden Ermittlungsverfahrens im Artikel der „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 9. Februar 2005 erfolgt ist.

Zur Frage 16:

Hier verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 7 und 15. Seitens des Bundes­ministeriums für Inneres, des Büros für interne Angelegenheiten erfolgte bereits am nächsten Tag eine Anzeige an die Justiz.

Zur Frage 17:

Da es sich hier um die Verfahren einzelner namentlich genannter Personen handelt, ersuche ich um Verständnis dafür, dass eine Beantwortung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich ist.

Zur Frage 18:

Wie die Frau Bundesministerin für Inneres mitteilt, kommt es lediglich auf die Stich­haltigkeit von Vorbringen an. Im Übrigen gilt für alle Betroffenen bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung. Allen potenziellen Bewerbern stehen somit im Grunde die gleichen Erfolgschancen zu.

Zur Frage 19:

Wie „Die Presse“ richtigerweise anführt, hat es im Jahre 2003 die Zahl von 1084 Be­schwerden aller Art an das Innenministerium, Büro für interne Angelegenheiten


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gegeben. Auch wenn alle Beschwerden ernst genommen werden, ist lediglich ein Teil davon strafrechtlich relevant. Und wiederum nur ein Anteil von Letzteren wird vom Büro für interne Angelegenheiten direkt erhoben. In diesem Zusammenhang einfach alle Be­schwerden mit der Zahl gerichtlicher Verurteilungen zu verbinden und dann die geringe Zahl der strafrechtlichen Verurteilungen als vermeintliches Negativum darzustellen, ist laut Bundesministerin für Inneres unseriös.

Im Übrigen würde der Zuständigkeitsbereich des Büros für interne Angelegenheiten definitiv zu kurz gesehen, ginge es nur um das Produzieren von Verurteilungen. In vielen Fällen kann laut der Frau Bundesministerin für Inneres durch die objektiven Er­mittlungen des Büros für interne Angelegenheiten auch die Unschuld von angezeigten Personen nachgewiesen werden.

Darüber hinaus arbeitet das Büro für interne Angelegenheiten national und internatio­nal in der Prävention sowie der Fort- und Weiterbildung von internen und externen Bedarfsträgern und ist auch maßgeblich und initiativ bei internationalen Anti-Korrup­tionsinitiativen beteiligt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.54


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass es laut Geschäftsordnung eine Redezeit von maximal 20 Minuten gibt. – Bitte.

 


17.54.33

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh dar­über, dass Frau Minister Prokop deutliche Worte gefunden hat. (Bundesrat Dr. Kühnel: Moment! Das ist Frau Bundesminister Dr. Plassnik!) Haider – bei allem Respekt, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren – in seiner Funktion als Landeshauptmann dürfte wieder einmal ein Märchen aufgetischt haben, um von der unangenehmen Situation der FPÖ abzulenken. – Das ist verständlich.

Nicht verständlich und auch nicht akzeptabel sind jedoch die Aussagen rund um das Märchen von Jörg Haider. Ich weise mit aller Schärfe Vergleiche, wie Haider sie ge­macht hat, zurück! Es ist unerträglich, dass Beamte des österreichischen Innenminis­teriums mit der rumänischen Securitate, einem Geheimdienst, der durch Folter und politischen Mord bekannt wurde, verglichen werden! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Ein solcher Vergleich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist äußerst ge­schmacklos! Ich fordere daher den Kärntner Landeshauptmann auf, diesen Vergleich öffentlich zurückzunehmen und sich bei den betroffenen Beamten umgehend zu ent­schuldigen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Als Niederösterreicher hatte ich natürlich seit vielen Jahren die Gelegenheit, das poli­tische Agieren unserer neuen Innenministerin aus der Nähe zu betrachten und kennen zu lernen. Bei aller Wertschätzung bin ich aber doch etwas enttäuscht darüber, dass sie sich nicht voll hinter ihre Beamten gestellt hat. Aber um die Koalition zu retten, hat die Frau Bundesministerin eine, wie sie es nannte, „Evaluierung“ des Büros für innere Angelegenheiten eingeleitet. Das war eher enttäuschend.

Aber nun zu den Fragen, die uns heute bewegen und die heute zu klären sind. Meine Herren von der FPÖ – Frauen gibt es ja in Ihrer Fraktion keine mehr –: Was ist jetzt los mit diesen Vorwürfen? – In der Anfrage Ihres Generalsekretärs Scheuch heißt es, dass Landeshauptmann Haider von zwei Beamten des Innenministeriums persönlich dar-


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über informiert wurde, dass er und 30 weitere Kärntner Persönlichkeiten abgehört wer­den.

Meine Herren von der FPÖ, Sie hatten jetzt genug Zeit, sich vorzubereiten und endlich diese offenen Fragen, die die österreichische Öffentlichkeit interessieren, zu beantwor­ten. Wer sind denn diese zwei Beamten des Innenministeriums? Wann haben diese Haider über den Abhörskandal informiert? Und noch wichtiger: Wer sind diese 30 Per­sönlichkeiten, die illegal abgehört wurden? Und noch viel wichtiger: Wer hat abgehört und wer hat in wessen Auftrag abgehört? Gab es einen Auftrag des überraschend zurückgetretenen Innenministers oder gab es einen Auftrag aus dem Ministerkabinett? Wer hat das angeschafft?

Oder ist das alles nur eine Seifenblase, die heute geplatzt ist? Da muss man sich natürlich schon fragen: Welche Persönlichkeitsstruktur hat ein Mensch, der so etwas erfindet? Ist denn solch ein Mensch tatsächlich noch in der Lage, ein verantwortungs­volles Amt wie das eines Landeshauptmannes auszuüben? Ist ein solcher Mensch der Bevölkerung noch zuzumuten?

Ein weiterer Aspekt würde mich interessieren: Es geht ja auch um den Verdacht der Parteienfinanzierung in Kärnten. Welche Partei hat Gelder bekommen? Wofür hat sie diese Gelder bekommen? In welcher Höhe sind diese Gelder geflossen?

Meine Damen und Herren, das ist ein unerträgliches Sittenbild! Eines muss ich schon betonen: Wir haben das Wort „Parteienfinanzierung“ in der APA abgefragt und ge­schaut, wie oft das Wort „Parteienfinanzierung“ in den österreichischen Tageszeitun­gen seit Jahresbeginn vorgekommen ist.

Wie viele Treffer, glauben Sie, gibt es? – 281, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei jedem dieser 281 Treffer kommt entweder die FPÖ oder die ÖVP vor. – Ich muss ehrlich sein: Die FPÖ kommt öfter vor.

Es ist Zeit, dass all diese Umstände aufgeklärt werden. Der Bundesrat kann leider keinen Untersuchungsausschuss einsetzen. Wir hätten sonst natürlich gerne die Mög­lichkeit genützt, heute einen entsprechenden Antrag einzubringen. Auch die Frau Bun­desministerin Prokop sollte mehr hinter ihren Beamten stehen, die jeden Tag wertvolle Arbeit in unserer Republik leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Solche Vergleiche dürfen nicht zugelassen werden! Gegen Personen, die unsere Be­amten mit der Securitate vergleichen, wären Klagen angebracht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal betonen, dass ich alle Parteien, die Bundesregierung, die Kärntner Landesregierung und die Klagenfurter Gemeindepoliti­ker auffordere, alles zu unternehmen, um die Fußball-Europameisterschaft 2008 zu ret­ten! Das in wir unserem Land und auch der österreichischen Bevölkerung schuldig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01


Präsident Mag. Georg Pehm (den Vorsitz übernehmend): Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


18.01.47

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Anfrage, die wir heute hier vorliegen haben, ist ja im Wesentlichen – eigentlich nicht nur im Wesentlichen, sondern sogar vollständig (Bundesrat Konecny: Völlig abgeschrieben!) – identisch mit jener des Abgeordneten Scheuch, die dieser schriftlich eingebracht hat.


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Sie alle kennen den parlamentarischen Prozess, und insofern ist bekannt, dass diese schriftliche Anfrage in zirka zwei Wochen beantwortet worden wäre beziehungsweise auch beantwortet werden wird.

Es stellt sich die Frage, was diese zusätzliche Aufklärung heute der Sozialdemokratie über die Osterfeiertage an „dringlichem“ Vorteil bringen wird. – Das ist nicht wirklich leicht nachzuvollziehen, aber es ist halt so, dass die Dinge nicht immer nachvollziehbar sind.

Vielleicht ein positives Moment, das sich dann hier für den heutigen Nachmittag ergibt, ist, dass man die Möglichkeit zur Weiterbildung nützt und jetzt besser weiß, was dieses Büro für interne Angelegenheiten ist. Ich glaube, in der Zwischenzeit ist bekannt, dass das eine sinnvolle Einrichtung ist, da ja drei Viertel aller Ermittlungen, die dort getätigt werden, aus dem internen Bereich kommen. Gerade in einem Rechtsstaat ist es ja wohl auch sinnvoll, dass allen Hinweisen nachgegangen wird, wenngleich das nicht immer leicht ist, wenn dort 35 Beamte arbeiten und es, wie man hört, im Jahre 2003 über 1 000 Fälle waren.

Wir alle wissen, dass nicht jede Anzeige, die da erstattet wird, ein Problem dessen dar­stellt, der angezeigt wird, sondern dass häufig auch derjenige, der die Anzeige erstat­tet, das Problem ist. Daher ist es gut, dass es eine neutrale Dienststelle gibt, die diese Sachverhalte objektiv prüft und im Bedarfsfall eben auch gegen jene vorgeht, die mitunter Vernaderungen begehen.

Kollege Winter, es ist daher natürlich schon eine ganz wesentliche Frage in der Rechtsstaatlichkeit, dass – wie es zum Beispiel im BIA der Fall ist – eine Anzeige oder eine Eingabe, die dort getätigt wird, neutral geprüft wird und dann einmal herauszu­finden ist, ob der Beschuldigte ein Problem hat oder ob nicht möglicherweise derjenige, der die Anschuldigung tätigt, oder ein Dritter ein Problem hat.

Ich würde daher auch meinen, dass die Qualität der Suche im Internet – wenn man da­nach fragt, wie oft „Parteienfinanzierung“ genannt wird und wie oft dann der Name von irgendeiner Partei dahinter steht – und die tatsächliche Substanz der Anschuldigung zwischen sehr wenig bis gar keine Bedeutung hat, denn Papier ist, wie wir alle wissen, geduldig.

Würde zum Beispiel geschrieben, dass die SPÖ in keinem Zusammenhang mit Partei­enfinanzierung steht, dann würde das Wort „SPÖ“ in Zusammenhang mit Parteien­finanzierung genau so oft vorkommen – um ein positives Beispiel zu nennen. Ich würde also in diese Form der Statistik nicht zu viel Vertrauen setzen.

Zum Abschluss: Ich weiß zwar überhaupt nicht, was es mit dem Thema zu tun hat, dass du, Kollege Winter, dafür bist, dass die Fußball-Europameisterschaft in Österreich stattfindet, aber weil ich einfach ein so konsensorientierter Mensch bin: Ich bin auch für die Fußballeuropameisterschaft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.06


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


18.06.38

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Man muss sich einmal die Frage stellen, welche Rolle Medien in diesem Fall spielen. – Ich komme selten in die Lage, das Innenministerium verteidigen zu müssen, aber in diesem Fall deutet alles, was bisher an Erkenntnissen vorliegt, darauf hin, dass das eine Ente ist.


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Es gibt keine Telefonüberwachung in Kärnten: Weder wird ganz Kärnten überwacht, wie Landeshauptmann Haider meint, noch werden die letzten verbliebenen 32 freiheit­lichen Funktionäre überwacht, wie das der Landeshauptmann ebenfalls meint. (Heiter­keit und Beifall bei den Grünen.) – Möglicherweise sind es gestern Nacht durch die Bundeswirtschaftskammerwahl weniger geworden, denn da waren ja für die Freiheit­lichen wieder minus 10 Prozent zu verzeichnen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Was hat das mit der Anfrage zu tun?)

Entschuldigen Sie: Die Republik wird mit einer nahezu krankhaften Geschichte – wie es auch die Frau Bundesministerin für Inneres benannt hat – beschäftigt; die Medien machen riesige operettenhafte Inszenierungen; man glaubt, John le Carré hat selbst das Drehbuch geschrieben, oder man nimmt die Abfälle von James Bond-Filmen und versucht, etwas zu verlängern.

Wir müssen Mölzer – dem ehemaligen FPÖ-Abgeordneten Mölzer (Bundesrat Ko­necny: Ehemaligen Bundesrat Mölzer!) – ja dafür danken, dass er uns daran erinnert hat, dass mit der „Waffen-Mafia“ im Zusammenhang mit den Abfangjägern auch ein bisschen eine John-le-Carré-Geschichte gelaufen ist. Und nun geht es weiter, mit dieser – ich zitiere Prokop – nahezu an ein „krankhaftes Bild“ erinnernden Geschichte.

Die Republik wird damit befasst, obwohl das Ganze null und nichts wiegt. – Es gibt keine Abhöraktion! Weder der Landeshauptmann, noch diese 32 einsamen freiheit­lichen Funktionäre, noch Kärnten wird abgehört! (Bundesrat Mag. Himmer: Deswegen gibt es ja auch eine Anfrage!) – Dann legt es doch auf den Tisch, wenn ihr andere Informationen habt!

Es gibt eine einzige von der Justiz angeordnete Telefonüberwachung, allerdings in Wiener Neustadt. Dass dort ein paar lustige FPÖ-Funktionäre anrufen und in eine Telefonüberwachung geraten, das ist eine andere Geschichte. Man darf Telefonüber­wachungen zu tatsächlichen Strafverfahren und vermeintliche politische Telefonüber­wachungen, die es in dem Sinn nicht gibt, nicht verwechseln.

Deshalb, meine Damen und Herren, muss ich ehrlich sagen: Diese Provinz-Posse hat sich Österreich und meiner Meinung nach auch Kärnten nicht verdient. Ausdrücke, die hier gefallen sind – ich glaube, ein Kollege hat es schon erwähnt – wie ein wirklich völlig unhaltbarer und vor allem vor der Geschichte und vor denen, die es wirklich be­troffen hat, niederträchtiger Securitate-Vergleich darf es einfach nicht unwidersprochen geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Trotzdem ist der Absender dieser Botschaften noch immer „lustig“ im Amt. Ich zitiere dazu nur noch einen Kommentar aus einer Zeitung, der den Titel hatte: „Lauter Strizzis“.

Ich würde noch sagen: lauter Märchenerzähler oder lauter verhinderte Kriminalautoren, aber die kommen sicherlich nicht auf die Bestsellerliste, den es wurden schon bessere geschrieben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.11


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zellot. – Bitte.

 


18.11.10

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister, auf Grund Ihrer fachlichen Beantwortung konnte man ja erkennen, dass viele Informationen auf Grund von Staatsgeheimnissen, Dienstvorschriften und Geheimhaltungsbestimmungen auch dem Bundesrat derzeit nicht mitgeteilt werden können.


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Ich möchte wieder ein bisschen auf die Sachebene zurückkehren und Ihnen sagen: Keiner von uns – das behaupte ich!  kann garantieren, dass er nicht abgehört wird. Das sage ich Ihnen deswegen, weil es heute in der Fernmeldetechnik Geräte gibt, mit denen jeder normalsterbliche österreichische Staatsbürger, der kein Polizist oder Beamter des Innenministeriums sein muss, Telefongespräche abhören kann. (Bundes­rat Schennach: Das heißt, das Innenministerium hört regelmäßig ab?) Ich habe nicht vom Innenministerium gesprochen, sondern ich habe gesagt, jeder „normale“ Staats­bürger kann abhören, wenn er sich so ein Gerät besorgt, aber es ist natürlich nicht rechtens, wenn er das tut. (Ruf bei der SPÖ: Aber der Herr Haider behauptet ...! – Bundesrat Gruber: So einfach ist es nicht, wie es da dahergesagt wird!)

Es ist nicht rechtens, wenn er/sie das tut. In dieser Republik hat es im Jahre 2001 ja auch die Spitzelaffäre und die EKIS-Affäre gegeben. Davon war auch das Bundesland Kärnten betroffen, deshalb muss man das heute auch verstehen. Damals sind dort auch Sicherheitsbeamte beschuldigt worden, irgendwelche Geheimdaten aus dem EKIS-System herausgenommen und weitergegeben zu haben.

Es hat viele betroffen, auch einen Wiener Polizeibeamten und FPÖ-Politiker, der dann in späterer Folge leider verstorben ist.

Da es hier schon angesprochen wurde: Wer in der Republik hat sich eigentlich für diese Leute entschuldigt? – Niemand hat sich dafür entschuldigt!

Dabei gibt es auch ein Problem im Justizbereich, vor allem in der Beamtenschaft und hinsichtlich der vielen Führungspositionen, die in Zukunft im Zusammenhang mit der Auflösung der Gendarmerie und mit den einzelnen Polizeiorganisationen besetzt wer­den.

In der Frage, wer die Führungsposition übernehmen wird, wird wahrscheinlich bei eini­gen Personen bewusst darauf geschaut werden, ob sie ihre Angelegenheiten anstän­dig erledigen. Denen, die nicht angenehm sind, wird man eben vermutlich irgendetwas nachweisen können, und der zuständige Beamte wird nicht einmal wissen, woher das eigentlich kommt.

Dann vermutet er das darf doch wohl jeder; das Grundrecht der freien Meinungs­äußerung gilt natürlich auch für einen Beamten! im Zusammenhang und durch lan­ges Nachdenken, woher solche Informationen kommen.

Es kommen dann natürlich auch Zweifel auf: Wenn sich jemand für irgendeinen höhe­ren Posten bewerben möchte und Informationen verbreitet werden, die nicht stimmen, dann denkt er, dass ihn irgendwo jemand abgehört haben muss. Das kann er ja ruhig sagen und daraus kann man schließen, dass diesem Bewerber für einen höheren Pos­ten auf Grund dessen – auch rechtsmäßig – ein Verfahren aufgedrückt werden kann. Dieses Verfahren kann so lange dauern, dass er sich während dieser Postenbesetzung gar nicht bewerben kann und bei der Objektivierung gar nicht drankommt, weil er ein laufendes Verfahren anhängig hat. (Bundesrat Gruber: Das hat Haider schon einmal über den Rechnungshof praktiziert!)

Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass gewisse Überprüfungen kommen. Wenn, wie die Frau Ministerin heute richtig gesagt hat, für dies oder jenes kein Auftrag bestanden hat das ist klar! –, dann ist es aber nicht sicher, ob der zuständige Beamte den Auftrag nicht von sich aus erweitert hat. Das lässt sich ja bis heute nicht nach­weisen. Ich glaube, dass es auch im Zusammenhang mit dem Stadionbau verschie­dene Informationen gibt, bei denen sich der eine oder andere wundert, woher diese kommen.

Das war auch der Grund dafür, dass sich der Kärnten-Sprecher der Nationalratsabge­ordneten, Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, einer solchen schriftlichen Anfrage bedient hat. Wir


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werden ja sehen, was dabei herauskommt, was ja mein Vorredner bereits erwähnt hat. Es ist natürlich unser Recht, nachzusehen, ob seitens der zuständigen Behörden oder Dienststellenleiter alles rechtens abgelaufen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.16


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte. (Bundesrat Gruber in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundes­rates Ing. Kampl : Sag du die Wahrheit! Bundesrat Lindinger: Wie es zugeht in Moldawien?)

 


18.17.02

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsident! Frau Bun­desminister! – Herr Präsident! Entschuldigung! (Heiterkeit bei der SPÖ. Bundesrätin Bachner: Aber wir sind eh fürs Gendern!) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unglaublich, wie leichtfertig man eigentlich mit Anschuldigungen umgeht, die ein Herr Landeshauptmann ausspricht. Der Landeshauptmann von Kärnten hat nichts anderes getan als die Worte von Herrn Kreutner zu wiederholen, der gesagt hat (Zwischenruf bei der SPÖ) – ich bitte, die Pressemeldungen zu lesen! –, im Zuge der Ermittlungen von zwei Beamten habe man dieses Gespräch bezüglich Vergabe mitgehört.

Das war der Grund, warum man gesagt hat, hoppala, so können die Dinge doch nicht laufen. Es gibt angeblich weder für die beiden Beamten eine richterliche Erlaubnis dazu, geschweige denn dafür, darüber hinaus Abhöraktionen durchzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das so ist, dann sind das Anschuldi­gungen, die in Österreich einfach nicht haltbar sein dürfen und können!

Sehr geehrte Frau Minister, Sie waren in Ihren Ausführungen sehr kurz, wie es eben Diplomaten machen (Heiterkeit bei der SPÖ Bundesrat Gruber: Diplomaten sind eher länger!), sodass man nirgendwo eine Möglichkeit hätte, ein bisschen mehr zusätz­liche Information zu erhalten.

Aber Folgendes steht fest: Das Land Kärnten und sein Herr Landeshauptmann wird diese Vorgangsweise sicherlich, wie angekündigt, nicht so ohne weiteres im Sande verlaufen lassen, zumal ja eine bestimmte Möglichkeit schon eingeleitet wurde.

Es ist übrigens auch bekannt, dass die Frau Justizministerin Miklautsch Unterlagen er­halten sollte, was sich in dieser ganzen Causa abspielt. Sie hat diese nicht erhalten! (Bundesrat Schennach: Weil es keine Causa gibt! Es gibt keine!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingt, in dieser Situation Klarheit zu schaffen. Das täte uns allen sehr gut tun. Geschätzte Frau Bundesminister, wir wollen alles! Metternich ist daran gescheitert, dass er den Spitzel­staat eingeführt hat, und wir wollen in Österreich keinen Spitzelstaat und keinen Poli­zeistaat, sondern wir wollen die gute Politik der Freiheitlichen und der ÖVP weiter fort­führen – ohne Spitzeldienst der österreichischen Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.20


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Küh­nel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.20.11

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie schon ein Vorredner aus meiner Fraktion, Bundesrat Himmer, werde ich mich zu den Inhalten dieser Anfrage nicht äußern, denn der Beitrag der Sozialdemokratie ist


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nämlich jener: von der FPÖ etwas abzuschreiben und dem „Dringlichkeit“ zu geben – und da muss man sich fragen, ob das nicht ein Plagiat ist.

Daher will ich mich mit dem nicht weiter auseinander setzen, denn die Bundesministe­rin für Inneres hat die Möglichkeit, innerhalb von acht Wochen zu antworten. Sie hat ausdrücklich zugesichert, dass sie bemüht ist, das schneller zu machen – ich glaube ihr –, und daher ist nochmals die Frage zu stellen, welchen Vorteil es für die Sozialde­mokratie hat, wenn sie sich nun innerhalb der Karwoche und der Osterwoche vielleicht mit dem einen oder anderen inhaltlich auseinander setzen kann.

Die Fragen, die Dipl.-Ing. Scheuch an die Frau Innenministerin gestellt hat (Bundesrat Gruber: Herr Kollege, wir wollten der FPÖ helfen!), erfordern entsprechende tiefe Erhebungen, und daher war der Zwischenbericht seitens der Frau Außenministerin in Vertretung der Innenministerin unserer Ansicht nach voll und ganz ausreichend.

Eines möchte ich noch kurz erwähnen: Man sollte schon auch im Bundesrat wissen, an wen man gewisse Anfragen zu richten hat, denn viele Fragen, die hier enthalten waren, gehören eigentlich ins Justizministerium. (Bundesrat Gruber: Danke, Herr Oberlehrer!)

Das Zweite, was ich eigenartig seitens der Sozialdemokratie finde, ist, dass sie nicht nur einfallslos bezüglich einer Dringlichen Anfrage ist, sondern dass sie auch den frü­heren Aktionismus der Grünen nachahmt, nämlich: Die sind früher mit gefärbten Haa­ren, Fahnen und so weiter aufgetreten; heute tritt der Klubobmann im Business-Anzug mit Krawatte auf (Ruf: Gott sei Dank!), und die Sozialdemokraten präsentieren sich im „Ruderleiberl“ und verteilen blaue Fußbälle. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Boden: Wer hat ein Ruderleiberl an?)

Jetzt hätte ich mir von den Sozialdemokraten erwartet, dass sie auch bei dieser An­frage zum Aktionismus übergehen und mir vielleicht aus einem New Yorker Spy-Shop eine Tarnkappe überreichen oder wenigstens eine Opernkarte für „Rheingold“. – We­der das eine noch das andere ist geschehen – aber offensichtlich war hier der Aktionis­mus noch nicht so entwickelt (Bundesrat Konecny: Das sind Sie uns nicht wert!), denn der neue Mastermind der Sozialdemokratie Kalina hat ja schließlich auch schon Kanzler Klima zur Strecke gebracht, und vielleicht wird ihm das auch mit dem neuen Obmann gelingen. – Auch das ist also etwas einfallslos. (Ruf bei der SPÖ: So wie Sie!)

Nun, zur Debatte über die Dringliche Anfrage möchte ich noch einen kleinen Beitrag in der Richtung leisten, dass ich festhalten möchte, dass das Büro für interne Angelegen­heiten eine ganz besondere Einrichtung ist, die durch Bundesminister Strasser ge­schaffen wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, den Kampf gegen die Korruption in allen ihren Erscheinungsformen zu führen. Diese Einrichtung ist internationaler Standard und ist auch entsprechend zu unterstützen. Eines ist nämlich sehr wichtig: dass man gerade bei der Exekutive dem Innenverdacht nachgeht, aber wenn eine derartige Ein­richtung länger existiert, kommt man immer mehr drauf, dass es auch gewisse Ein­flüsse von außen sind, und denen geht man jetzt auch nach.

Das Personal des Büros für interne Angelegenheiten ist handverlesen – es sind nur Freiwillige –, und es sind immerhin jetzt schon 25 Beamtinnen und Beamte dort tätig, die eine Elite des Innenministeriums darstellen. Und diese Einrichtung lassen wir uns von niemandem madig machen! Sie ist internationaler Standard (Bundesrat Konecny: Wer ist „wir“, und wer macht „madig“? Wer sind die „Maden“, Herr Kollege?) und ist ein Kompetenzzentrum für die Aufklärung von Amtsdelikten, für die Bekämpfung von jeder Art von Korruption.

Daher – weil Sie nämlich gesagt haben: Ja, da gibt es tausend Hinweise, aber nur so wenige Anzeigen!; das steht in Ihrem Papier, glaube ich, drinnen ... (Bundesrat Rei­senberger: Herr Kollege, lassen Sie sich die Anfrage erklären! – Bundesrat Ko-


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necny – in Richtung des Redners –: Nein, das ist die FPÖ-Anfrage!) – Ja, ja, aber Sie haben es wiederholt ohne nachzufragen – das ist ja der Vorwurf an Sie. (Bundesrat Gruber: Machen Sie sich nicht lächerlich, Herr Kollege!) Es steht eben drin, dass diese Hinweise sehr viel Arbeit erfordern, um sozusagen der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Zur Weisungsfreiheit, die Sie da irgendwie bemängeln, muss man auch sagen: Sie könnten ja jederzeit eine Zweidrittelmehrheit möglich machen, damit die Weisungsfrei­heit dort auch entsprechend abgesichert ist.

Jedenfalls ist das Büro für interne Angelegenheiten eine hervorragende Einrichtung (Bundesrat Gruber: Das müssen Sie aber der FPÖ sagen, Herr Kollege! – Ruf bei der SPÖ: Das müssen Sie dem Dr. Haider sagen! Wir wissen es eh!), und diese wird auf jeden Fall von uns entsprechend gelobt und auch unterstützt.

In diesem Sinne glaube ich, dass diese Dringliche Anfrage seitens der SPÖ ein Schuss ist, der nach hinten losgegangen ist. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.26

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Professor Konecny, bitte.

 


18.26.15

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Nur ein kleines letztes Wort – mir ist die Begrenzung der Redezeit bewusst, Herr Präsident, und ich werde sie nicht annähernd ausnützen –: Sehen Sie, genau so reagiert jemand, der eigentlich ertappt ist, Herr Kollege Kühnel. Ich verstehe Sie nicht! (Beifall bei der SPÖ.) – Sie machen mich jetzt wieder zweifeln.

Ich sage ganz ehrlich – und da bin ich mit den Rednern meiner Fraktion völlig in Über­einstimmung –, dass wir nach den Antworten der Frau Bundesministerin, die natürlich aus dem Innenressort stammten, stark das Gefühl haben und hatten, dass da tatsäch­lich die politische Diffamierung mit Herrn Landeshauptmann Haider durchgegangen ist und ohne Beweise Beamte – und da hat die ganze sozialdemokratische Fraktion ap­plaudiert –, vor deren Loyalität wir hohen Respekt haben, „ang’schüttet“ worden sind.

Es hat der Herr Landeshauptmann nicht davon gesprochen, dass sich irgendjemand in New York ein besonders sophistiziertes Gerät kauft und damit alle Kärntner – oder nur den Landeshauptmann – abhört. Das war nicht die öffentliche Beschuldigung, die ausgesprochen wurde! Aber ich gebe zu, Kollege Kühnel, Sie haben mich jetzt ziemlich verunsichert. Das, was Sie gesagt haben, hat jetzt irgendwie nach schlechtem Gewis­sen geklungen. (Bundesrat Reisenberger: Das ist nur, weil er keine Ahnung hat!)

Darf ich Sie vielleicht um Folgendes ersuchen, Herr Kollege – Sie haben ja noch ein paar Minuten gut von Ihrer Redezeit –: Vielleicht könnten Sie klarstellen, was der Sinn Ihrer Wortmeldung war. (Ruf bei der SPÖ: Das weiß er selber nicht!)

Es hat niemand – zumindest nicht auf dieser Seite des Hauses – daran gezweifelt, dass Beamte des Ressorts – von einzelnen Fällen, die man auch entsprechend diszi­plinär und, wenn es notwendig ist, strafrechtlich verfolgen soll, abgesehen – ihre Auf­gabe nicht erfüllen. Es hat ihnen von uns niemand rechtswidriges, illegales Verhalten unterstellt! Dies ist von anderer Seite geschehen!

Sie brauchen diese Beamten vor uns nicht in Schutz zu nehmen, aber Sie müssen sie – wenn Sie das, was Sie hier gesagt haben, ernst meinen, wovon ich nicht wirklich überzeugt bin – gegenüber anderen in Schutz nehmen. Und jetzt tun Sie das etwa – oder es gibt doch etwas, was mich noch einmal zum Nachdenken bringt, wer in dieser


Bundesrat
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Frage eigentlich Recht hat. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dr. Lichten­ecker.)

18.28

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Bundesrat Konecny: Schade!) Die Debatte ist geschlossen. (Bundesrat Ko­necny: Wirklich schade!)

18.29.10Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wie­der auf.

18.29.187. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa (789 d.B. und 820 d.B. sowie 7227/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen zur Verhandlung über den Tagesord­nungspunkt 7.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Höfinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.29.41

Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15. März 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Absatz 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ager. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.30.30

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Staats­sekretär! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Der Be­schluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa hat ein wichtiges und notwendiges Regelwerk zum Gegenstand, mit dem vieles in dieser Europäischen Gemeinschaft reglementiert wird. Die europäische Öffentlichkeit, und so auch Öster­reich, muss viel besser verstehen, vor welchen Herausforderungen Europa steht, war­um sich die Politiken so entwickeln, wie das derzeit der Fall ist, und wie wichtig es ist, gemeinsam zu handeln.


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Voraussetzung für das Verstehen und das Miteinander sind klare, nachvollziehbare Gesetze und Politiker, die auf europäischer und nationaler Ebene die Rolle der Kommunikatoren spielen.

Meine Sicht der Dinge bezüglich dieses Verfassungsvertrages geht über die reine Beurteilung der einzelnen Gesetze hinaus. Mir geht es auch darum, dass sich die Er­kenntnis durchsetzt, dass, wenn europäische Nationen gemeinsam agieren, dies allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen kann.

Ich glaube, viel zu lange hat man oft eigene Unzulänglichkeiten gerne der EU in die Schuhe geschoben und als Einmischung in unsere Insel-der-Seligen-Mentalität emp­funden, und das war sicher kein guter Zustand. Wir sollten auch nach dem Vorbild der Finnen und der Iren aktiv und konstruktiv die Umsetzung dieser neuen Verfassung an­gehen und nicht in einer Abwehrhaltung verharren, die vieles an guten Entwicklungen hemmt.

Die EU wird mit dieser ihrer Verfassung handlungsfähiger, bürgerfreundlicher und demokratischer und bietet neue Rahmenbedingungen für politisches Agieren an. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaft und der Lissabon-Strategie zum Beispiel für Wachs­tum und Beschäftigung ist diese Verfassung wichtig und stärkt die Position Europas als Gegenpol zu den Wirtschaftsmächten Amerika, China und Indien. Ich glaube, je mehr Europa sich als ein Wirtschaftsraum mit hoher Produktivität, hoher Wertschöpfung und hohem Beschäftigungsstand etablieren kann, desto bessere Chancen hat es, den Wohlstand und die Arbeitsplätze zu schaffen, um seinen Verpflichtungen zur Schaffung sowohl offener Märkte als auch eines sozialen und umweltbewussten Europa nachzu­kommen.

Hier sollte Österreich auch seinen Beitrag leisten. Ich gebe gerne zu, dass noch nicht alles perfekt geregelt ist, aber es sind gute Grundlagen, um ein friedliches Zusammen­leben und Wirken in dem immer größer werdenden Europa zu gewährleisten. Schaffen wir gemeinsam Gesetze, die die Menschen in Europa nachvollziehen können und verstehen!

Noch ein Wort zu einer angedachten Volksabstimmung, die auch immer wieder ein Thema war. Ich halte es – und es wird Sie nicht überraschen – mit meinem Bundes­kanzler Wolfgang Schüssel, der gesagt hat, dass er es für sinnvoll hält, das europäi­sche Volk gemeinsam über diese Verfassung zu befragen. Und im Allgemeinen bin ich der Meinung, dass man sehr sparsam mit Volksbefragungen und Volksabstimmungen umgehen sollte, denn die Abgeordneten sind vom Volk und durch das Volk gewählt und mit seiner Vertretung betraut und sollten diese auch wahrnehmen.

Diese neue Verfassung, die in manchen Passagen noch verbesserungswürdig ist, wie ich gesagt habe, ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Meine Partei, die Euro­papartei ÖVP, steht dahinter, und wir sollten dies alle gemeinsam tun, um ein starkes Land Österreich in der Mitte Europas für die Zukunft zu sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.35


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Molzbich­ler. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.35.38

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Nach jahrelangen Vorbereitungen im EU-Konvent und nach intensiven Auseinandersetzungen plus Rückschlägen – im Dezember 2003 scheiterte ja bekanntlich der Gipfel – haben sich die EU-Mitglieder vor nicht ganz einem Jahr auf diese uns vorliegende Verfassung geeinigt. Die geplante


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EU-Verfassung soll einerseits Entscheidungen erleichtern, andererseits aber auch die Demokratie fördern. So wird zum Beispiel vorgeschlagen, dass es eine kleinere Kom­mission gibt oder etwa dass die nationalen Veto-Möglichkeiten weiter eingeschränkt werden, da immer mehr Bereiche mit Mehrheit entschieden werden sollen.

Konkret sieht das für Abstimmungen im EU-Ministerrat folgendermaßen aus: Es gilt bei Abstimmungen die doppelte Mehrheit. Mindestens 55 Prozent der Staaten, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, müssen einem Gesetz zustim­men, damit es verabschiedet werden kann. Mindestens 15 Staaten müssen zustimmen und mindestens, meine Damen und Herren, vier Staaten sind notwendig, um einen Be­schluss zu blockieren, sprich die bekannte Sperrminorität. Drei Viertel dieser Minorität können verlangen, dass keine Abstimmung erfolgt, um später zu einer Mehrheit zu kommen. Speziell für kleinere Staaten gibt es Sondervereinbarungen, die so genann­ten Zusatzklauseln. Auch bei sensiblen Themen, wie etwa in den Bereichen Wirt­schafts- und Währungspolitik, gibt es weitaus leichtere Möglichkeiten, Änderungen und Entscheidungen zu blockieren.

Auch im Bereich des Europäischen Parlaments gibt es die Einigung, dass beispiels­weise kleinere Staaten von den bis jetzt mindestens drei Abgeordneten auf später sechs aufzustocken sind.

Diese Bereiche, meine Damen und Herren, sind relativ klar und wurden in all den Einigungsgesprächen sehr intensiv verhandelt. – Kommen wir nun aber zu ein paar Punkten in dieser neuen EU-Verfassung, die sowohl in einigen Medien als auch von Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen vehement kritisiert werden.

Es ist Tatsache, dass in dieser EU-Verfassung die Gemeinsame Außen- und Sicher­heitspolitik eine wichtige Rolle einnimmt. Dahinter steht etwa, dass die Rüstungspläne der Mitgliedstaaten besser abgesprochen und harmonisiert werden, damit die Euro­päische Union voll interventionsfähig ist.

Hier, meine Damen und Herren, kann durchaus erkannt werden, dass neben einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik eine verstärkte Gemeinsame Außen- und Sicherheits­politik in Zukunft in der Europäischen Union einen hohen Stellenwert einnehmen wird. Im Mittelpunkt wird dabei sicherlich die qualitative und nicht die quantitative Aufrüstung stehen.

Die Frage, die sich meines Erachtens hierbei stellt, ist jedoch nicht die der Verfassung, sondern was wir als EU-Bürgerinnen und -Bürger damit tun, zum Beispiel die Frage, was die Europäische Union jetzt und in 15 Jahren unter Frieden oder sozialer Sicher­heit versteht beziehungsweise verstehen wird. Dies wird darüber entscheiden, welcher Weg gewählt wird. Hier kann die Tradition der neutralen Staaten innerhalb der EU weitaus mehr leisten, als grundsätzlich angenommen wird. So kann die verstärkte För­derung ziviler Außenpolitikkonzepte die von vielen Kritikern beschworene Militarisie­rung der EU auf einen ganz anderen Weg führen, der sicherlich bei den Menschen in der Europäischen Union auf breiten Konsens treffen würde. Man denke nur an die kritischen Meinungen zu den Vereinigten Staaten betreffend den Irak.

Auch wenn die österreichische Regierung die Neutralität immer mehr aushöhlt, sehe ich in diesem Zusammenhang auch viel zu wenig beachtete Möglichkeiten, wie sich zum Beispiel Finnland, Österreich und Schweden positiv in diese Diskussion einbrin­gen können.

Hervorheben möchte ich vor allem, dass die globalen Herausforderungen im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik von einzelnen Staaten nicht gelöst werden können und somit gemeinsames Tun unabdingbar ist. Das schließt aber auch mit ein, dass die gesamten Entscheidungen von der Bevölkerung der Europäischen


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Union mitgetragen werden müssen und selbstverständlich ein breiter Diskurs auch in der Gesellschaft stattfinden soll.

Meine Damen und Herren! Dies führt mich zu einem weiteren Punkt in dieser Verfas­sung, den ich für wichtig und längst überfällig halte: Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger sollen weiterhin an Bedeutung gewinnen. Es soll zu einer Stärkung der Beteili­gungsrechte dadurch kommen, dass eine Volksinitiative auch auf europäischer Ebene möglich ist und dass natürlich auch die Rechte des EU-Parlamentes ausgebaut wer­den. Auch die Einklagbarkeit der Grundrechte von Menschen in der Union, etwa gegen Maßnahmen der EU und so weiter, ist hier erwähnenswert.

Meine Damen und Herren! Als Gewerkschafter sehe ich die neoliberale Wirtschafts­entwicklung oder, anders gesagt, die wirtschaftsliberale Entwicklung der letzten Jahre genauso skeptisch wie jede Person, die sich damit beschäftigt hat und beschäftigen muss. Dennoch liegt es meines Erachtens nicht an dieser Verfassung, sondern an der Politik, die gemacht wird. Die Stärkung der Partizipation der Menschen in der Europäi­schen Union sehe ich als wichtigen Weg, um mehr Mitspracherecht und mehr Basis­demokratie einzufordern und im Rahmen der Europäischen Union auch gemeinsame grundsätzliche Sozialleistungen zu fordern.

Meine Damen und Herren! Die Diskussion über eine Volksabstimmung zur Ratifizie­rung der Verfassung wurde nicht nur von Bürgerinitiativen eingefordert, sondern auch manche Verfassungsexperten plädierten dafür, wobei sich die Experten in diesem Punkt uneinig waren. – Bei allem Für und Wider hätte eine Volksabstimmung sicherlich zu einer breiten, basisorientierten Diskussion über die Inhalte der Verfassung geführt. Wenn auch die Medien wenigstens punktuell von dieser Verfassung Notiz nehmen, spielten die Inhalte selbst bisher kaum eine Rolle. Das finde ich sehr schade!

Nach allem Abwägen haben wir uns für die Ratifizierung dieser EU-Verfassung ent­schieden, und es liegt selbstverständlich an den politischen Vertreterinnen und Vertre­tern sowie an der Bevölkerung selbst, was – ausgehend von dieser Verfassung – in die Realität umgesetzt wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

18.42


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.42.51

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Beim vorliegenden Tagesordnungspunkt geht es um die Schaffung der verfassungs­rechtlichen Grundlage für den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa, konkret gesagt: für die Europäischen Union.

Mit diesem heute zu beschließenden Ermächtigungs-Bundesverfassungsgesetz berei­ten wir zwar den rechtlichen Boden für die spätere Ratifikation des EU-Verfassungsver­trages selbst auf, allerdings ohne diesen selbst heute bereits zu beschließen. Daher ist aus meiner Sicht heute auch noch nicht über die im Einzelnen höchst unterschiedlich zu beurteilende inhaltliche Qualität dieser künftigen EU-Verfassung zu diskutieren. Dazu wird in diesem Hohen Hause noch ausreichend Gelegenheit bestehen.

Ebenso wenig steht das Prozedere des Ratifikationsverfahrens schon heute abschlie­ßend fest. Meine Fraktion tritt für eine Volksabstimmung über diesen Vertrag ein. Da eine solche allerdings zunächst ein entsprechendes Verfassungsgesetz voraussetzt, wird meine Fraktion diesem heute jedenfalls ihre Zustimmung geben.


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Weshalb fordern wir aber überhaupt ein Volksreferendum ein? – Weil wir daran glau­ben, dass ein Projekt von dieser supranationalen Tragweite in allen Mitgliedstaaten der nationalen demokratischen Legitimierung bedarf.

Was diese europaweite politische Rechtfertigung anlangt, haben sich unser Herr Bun­deskanzler und auch die Frau Außenministerin durchaus für eine gesamteuropäische Volksabstimmung eingesetzt und stark gemacht, und das nicht zuletzt auch auf Wunsch des Koalitionspartners, also von uns Freiheitlichen, in der Bundesregierung und im Parlamentsklub. Wir anerkennen daher seine beziehungsweise ihre Bemühun­gen darum durchaus, auch wenn sie am Widerstand fast aller anderen EU-Mitglieder gescheitert sind.

Was aber ist der Grund für dieses Scheitern? – Zum einen wollten einzelne Mitglied­staaten ein solche Abstimmung überhaupt nicht, zum anderen haben viele Mitglied­staaten entweder nach ihrer eigenen Verfassung ohnehin eine nationale Volksabstim­mung obligatorisch abzuhalten oder wollen aus innenpolitischen Gründen freiwillig die eigenen Stimmbürger befragen.

All das kommt aber gewiss nicht von ungefähr: Eine europaweite Volksabstimmung würde zwar ein einheitliches Ergebnis gewährleisten. Diesen Vorteil eines solchen Vor­gehens sehe und anerkenne ich voll. Eine europäische Abstimmung würde aber nach meiner Überzeug allgemein verfassungstheoretisch voraussetzen, dass ein europäi­sches Gesamtvolk oder ein dieses repräsentierendes Parlament eine Art von verfas­sungsgebender Versammlung legitimiert hätte.

Der EU-Verfassungskonvent kann indes nach meiner persönlichen Einschätzung nicht als eine derartige unmittelbar demokratisch-legitimierte europäische verfassungsge­bende Versammlung bewertet werden. Insofern kann die Berechtigung eines solchen Verfassungsprojektes nur von den Mitgliedstaaten, deren verfassungsmäßiger Ord­nung und deren demokratischer Legitimation ausgehen. Dieser weitere Souveränitäts­verzicht muss daher auch von innen gewollt sein.

Damit bin ich bei einem höchst neuralgischen Punkt angelangt: Sofern das Projekt einer EU-Verfassung einen solchen innereuropäischen Entwicklungsschritt im Sinne einer Vertiefung der politischen Union in Richtung Bundesstaat hin darstellt, also eine solche Dimension und einen solchen Qualitätswandel erreicht, dass von einer Gesamt­änderung der österreichischen Bundesverfassung zu sprechen wäre, dann wäre die von uns geforderte Volksabstimmung ohnehin sogar obligatorisch.

Meines Erachtens würden nämlich durch den Verfassungsvertrag so wesentliche Veränderungen EU-interner Verfassungsprinzipien vorgenommen werden, dass das aus meiner Sicht auf eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung gegenüber ihrem Stand von 1995 hinausliefe. Das ist freilich auch unter den österrei­chischen Verfassungstheoretikern äußerst umstritten und derzeit vermutlich eine Min­derheitsmeinung, mag sie auch so prominent wie vom anerkannten Staats- und Euro­parechtler Professor Theo Öhlinger vertreten werden. – Andere EU-Mitgliedstaaten sehen das aber in der Sache offenbar genauso.

Freilich wird der Abhaltung des Plebiszits vielfach entgegengesetzt, dass die Abstim­mung aus ganz sachfremden Gründen zur Ablehnung führen könnte, etwa deshalb, wie es in Frankreich insbesondere von Staatspräsidenten Chirac befürchtet wird, um einer Regierung für deren Innenpolitik einen Denkzettel zu verpassen. – Ich halte es jedoch für allzu paternalistisch bevormundend, das Volk erst gar nicht mit der Proble­matik zu befassen, und damit für demokratiepolitisch verfehlt. Unserem Demokratie­verständnis entspricht das nicht!


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Man müsste sich nämlich im Falle einer befürchteten Ablehnung dann doch ehrlicher­weise fragen, ob man in dem betreffenden Staat bloß unter der gegenwärtigen Regie­rung den entsprechenden Souveränitätsverzicht nicht will, weil sie etwa die Eigen­interessen des Landes und ihrer Bevölkerung allzu sehr vernachlässigt, oder ob man damit Kritik am derzeitigen Zustand der Europäischen Union üben will. Deren Gefüge gleicht – erlauben Sie mir den historischen Vergleich! – zumindest derzeit tatsächlich noch der verwirrenden Struktur des alten ehrwürdigen Heiligen Römischen Reiches, das der Vernunftrechtler Samuel Pufendorf einmal als „monstro simile“ bezeichnet hat. – Genau in dieses Gefüge sollte allerdings die Verfassung eine Strukturierung bringen!

Wenn man hingegen meint – und das dürfte ja die Hauptsorge sein –, dass das Volk nicht einmal Sinn, Funktion, Inhalt und Qualität der EU-Verfassung selbst zu beurteilen vermag, so wäre auch das selbstkritisch auszuwerten. Spricht es denn für einen solchen Verfassungstext, wenn ihn selbst Fachleute kaum durchschauen? – Ich selbst nehme mich da gar nicht aus! Oder hält man es für ein Elitenprojekt, das allenfalls noch Berufspolitiker, Diplomaten und EU-Bürokraten angeht? – Dann sollte man aller­dings nicht länger von einer europäischen Identität oder gar von Bürgernähe reden!

Unsere Sicht ist eine Sicht kritischer Loyalität, und ich fasse diese insgesamt wie folgt zusammen: Ohne hier und heute eine abschließende Bewertung über Gelingen oder Misslingen des EU-Verfassungsvertrages vorzunehmen, wollen wir dem Projekt eine ehrliche Chance geben. Wir wollen aber dann, bevor es zur Ratifikation kommt oder zumindest im Anschluss daran, die demokratiepolitisch gebotene Gewähr erfüllt sehen, dass diese EU-Verfassung sowohl dem Gesamtwillen der europäischen Völker als auch dem Willen unserer Bürger entspricht. Ohne eine Volksabstimmung in Österreich, wie wir sie einfordern, und ohne Abwarten der Referenden in anderen maßgeblichen Mitgliedstaaten lässt sich nämlich diese Zustimmung nicht ausreichend belegen.

Deshalb sieht meine Fraktion im heutigen Ermächtigungsgesetz – dem sie zustimmt – zwar den ersten, aber durchaus noch nicht den letzten Schritt auf dem notwendigen Weg zu einer wahrhaft demokratisch legitimierten Verfassung der Europäischen Union. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.51


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.52.01

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zu etwas vorgerückter Zeit möchte auch ich ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu dem Ermächtigungsgesetz, zu dem wir uns heute hier alle bekennen, machen.

Meine Damen und Herren! Auch ich sage ganz offen: Mir als Staatsbürger wäre es von meinem staatsbürgerlichen Grundverständnis auch lieber gewesen, wenn es zu einer Volksabstimmung gekommen wäre, und zwar nicht zu einer Summe einzelner natio­naler Volksabstimmungen, sondern zu einer gemeinsamen europäischen Volksabstim­mung, zu einer Volksabstimmung über die Verfassung, die zum gleichen Zeitpunkt in jedem Staat der Europäischen Union stattfindet und bei der keine nationalen Verhin­derungsmehrheiten geben kann, sondern nur eine europäische Mehrheit oder eine europäische Ablehnung. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das wäre, glaube ich, in einem verfassungsgebenden Prozess die angemessene Vor­gangsweise. Eine Verfassung kommt nicht von oben, sondern in der Geschichte sind Verfassungen von unten gekommen beziehungsweise wurden jenen oben abgetrotzt


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und wurden eigentlich von der großen Mehrheit der Bevölkerungen getragen. – Eine solche Vorgangsweise wäre ideal gewesen, aber diese findet nicht statt.

Meine Damen und Herren! Sie alle haben, wie auch wir, in den letzten Tagen und Wochen E-Mails, Briefe und Anrufe in diesem Zusammenhang bekommen, die das Ansinnen enthielten, dass – wie ja verfassungsmäßig vorgesehen wäre – ein Drittel der Bundesräte und Bundesrätinnen eine solche Volksbefragung ermöglicht. – Ich trete diesem Ansinnen nicht nahe, und ich nehme heute und hier die Möglichkeit wahr, das zu begründen.

Bei der Volksabstimmung über unseren Beitritt zur Europäischen Union haben wir über die Grundprinzipien einer Verfassungsänderung bereits mit abgestimmt. Darin war auch jener Prozess inkludiert, auf den wir alle, alle Parlamente und die Vertreter und Vertreterinnen der Bevölkerungen, hingezielt haben, nämlich der EU eine Verfassung zu geben. – Dieser Verfassungsprozess ist etwas Positives, und er legt im Grunde den Umstand nahe – und auch dazu bekenne ich mich –, dass nicht eine Gliedstaatenkette von nationalen Staaten vorhanden ist, sondern dass die Entwicklung in Richtung eines europäischen Bundesstaates geht.

In 10 Ländern finden Volksabstimmungen statt, in 15 finden keine statt. – Das ist eine wirklich bedauerliche Situation, und ich hoffe, dass es nicht irgendwo eine Mehrheit für ein Nein geben wird. Dies würde nämlich diesem verfassungsgebenden Prozess einen auf Jahre hinaus schädigenden Rückschlag versetzen. Diesbezüglich sollte man wirk­lich nicht durch tagespolitisches Kalkül Missbrauch treiben!

Der Verfassungsvertrag, der nun hier vorliegt, wurde in einem gewählten Verfahren im Konvent erarbeitet, bis der Beschluss der Regierungskonferenz mit den nationalen Ratifikationsprozessen erfolgt. Man kann heute sagen, dass das nach jenen Papieren, auf denen die EU fußt und nach welchen wir der EU beigetreten sind, sicherlich die breiteste Legitimation ist, die es bisher gegeben hat. Es ist dies breiteste Legitimation aller europäischen Primärrechtsakte.

Vielen Ansinnen betreffend diese Volksabstimmung in Österreich halte ich jetzt einmal entgegen, dass das Argument, dass man sozusagen als Souverän eine Volksabstim­mung will, weil es sich um eine grundlegende Verfassungsänderung handelt, vielleicht auch aus einer anderen Optik heraus erfolgt, um nämlich diesen Verfassungsprozess zum Kippen zu bringen.

Tatsache ist: Die vier Parteien des Nationalrates und die vier Parteien des Bundes­rates, die Parteien und die Bundesregierung bekennen sich zu diesem gemeinsamen Schritt. Er bringt damit die höchste Legitimität jenseits dessen, was ideal wäre, nämlich der Volksabstimmung.

Es wurde hier sehr viel Globalisierungs- und Militärkritik geübt. – Drücken wir es einmal so aus: Dieser in vier Teile gegliederte Verfassungsvertrag schafft zum einen eine eigene Rechtspersönlichkeit für die EU, und es ist, glaube ich, von unschätzbarer Wichtigkeit, dass die Charta der Grundrechte vollständig in diesen Verfassungsvertrag aufgenommen wurde und für alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen Gültig­keit hat und dass mindestens eine Million EU-Bürger und -Bürgerinnen die Einhaltung der Grundrechte begehren und eine entsprechende Gesetzesinitiative einbringen kön­nen.

Weiters möchte ich festhalten, wenn zum Beispiel davon gesprochen wird, dass die neoliberale Grundausrichtung durch diesen Verfassungsvertrag weiter institutionalisiert oder vorwärts getrieben wird, dass die Verfassung das Recht auf Zugang zu den Diensten von allgemeinem Interesse anerkennt und das Gebot der Gleichstellung von Männern und Frauen ebenso verstärkt wie die Verpflichtung zur Bekämpfung von


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sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung. Außerdem ist es ganz wichtig, dass die Europäische Zentralbank zum Organ der Union wird und damit in all ihren Handlungen an die gemeinsamen Werte, Ziele und an die Grundrechte gebunden ist.

Meine Damen und Herren! Das sind wichtige Verankerungen in einer Verfassung, das ist die wichtige Legitimität der Organe der Europäischen Union, die damit auf eine Verfassungsebene gehoben werden und eine Transparenz aufweisen, die es bisher nicht gab.

Ganz starke Kritik wird hier auch immer wieder in Richtung der Aufrüstungsverpflich­tungen ausgesprochen.

In der Verteidigungspolitik hebt die Verfassung zivile und militärische Mittel erstmals auf die gleiche Stufe. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt und verankert Konfliktprä­vention sowie Friedenssicherung als Verfassungsaufgaben.

Dass nun in diesem Verfassungsentwurf folgender Satz steht: „Das Gebot zur schritt­weisen Verbesserung der militärischen Fähigkeit der Mitgliedstaaten bedeutet keine Verpflichtung zur Aufrüstung.“, ist das prinzipielle Bekenntnis, zu einem europäischen Sicherheitssystem zu kommen, in das – und das sage ich jetzt als Grüner – auch die unverwechselbare Rolle neutraler Staaten inkludiert werden kann.

Dieser Verfassungsentwurf schafft Kompetenzabgrenzungen, klärt Zuständigkeiten, entwirft geteilte Zuständigkeiten und definiert die Rechte des Europäischen Parlaments und auch die Kompetenz der Mitglieder.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren – trotz dieses einen, wirklich bedauerlichen Makels, dass es nicht zu einer gemeinsamen europäischen Volksabstimmung gekom­men ist; ich bedauere das zutiefst –, werden wir dieser Ermächtigung, die wir heute hier vorliegen haben, unsere Zustimmung geben und sehen diesen Verfassungsvertrag wohl als einen der wichtigsten Schritte der Verfassungsentwicklung der EU und der Legitimität ihrer Institutionen und ihrer Maßnahmen an. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.01


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hösele. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.02.04

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Ich bin in der angenehmen Lage, den Ausführungen des Kollegen Stefan Schenn­ach, mit Ausnahme seiner kurzen verteidigungspolitischen Betrachtung, vollinhaltlich zuzustimmen, insbesondere was die Frage der Volksabstimmung und der Legitimie­rung betrifft.

Ich habe mich auf dieses Thema vorbereitet, und es ist de facto rundum ähnlich an­gesprochen worden, natürlich mit einer etwas unterschiedlichen Akzentsetzung bei Professor Böhm.

Diese europäische Volksabstimmung, wie sie letztlich auch vom Herrn Bundesprä­sidenten, vom Herrn Bundeskanzler und von der Außenministerin uno actu vorge­schlagen worden ist, wäre ganz wichtig gewesen, um das Projekt Europa den Bürgern noch näher zu bringen. Man hat ja viele praktische Vorteile, die als selbstverständlich genommen werden, viele Grenzen sind überwunden – viele junge Menschen nehmen heute gar nicht mehr wahr, wie das vor 15 Jahren gewesen ist –, aber eine europäi­sche Volksabstimmung wäre eine große Chance gewesen, das Projekt Europa sozu­sagen näher zum Bürger zu bringen, was auch der Sinn dieser Verfassung wäre, und eine europäische Öffentlichkeit herzustellen, europäisches Bewusstsein zu schaffen.


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Wir müssen versuchen, das über andere Wege zu erreichen. Ich halte das für einen der wichtigsten Punkte, weil ein „Fleckerlteppich“ von Abstimmungen da und dort zwar zur Kühlung nationaler Mütchen dienen könnte, aber auch wieder dazu dienen kann, dass nationale Politiken sich hinter Brüssel verstecken, gewisse Dinge tun und sich auf Brüssel ausreden – Dinge, die dort zwar schon stattfinden, aber durchaus mit Zustim­mung jener, die das kritisieren.

Insgesamt dürfen wir aber feststellen – und ich glaube, auch darin stimmen wir über­ein –, dass das Projekt mit diesem Verfassungsvertrag einen weiteren großen Schritt vorwärts gegangen ist. Trotz all der Rückschläge bei der europäischen Integration und der Diskussion über die europäische Integration und die mögliche Finalität Europas stimme ich, eventuell sogar dissidenter Weise zu anderen in meiner Fraktion, der Idee zu: Natürlich muss es in Richtung europäischer Bundesstaat gehen!

Gesamt betrachtet gleicht der europäische Fortschritt vielleicht der Echternacher Springprozession, aber er kommt voran. Pavel Kohout hat kürzlich in einem Interview, ich glaube in den „Oberösterreichischen Nachrichten“, Ähnliches festgestellt. Er hat gesagt: „Aber das Projekt Europa ist ein Marathonlauf.“ – Auch bei einem Marathonlauf kommt man gut ans Ziel.

Ich darf auch noch eine Sache ansprechen, die uns, den Bundesrat, in einer besonde­ren Weise betreffen wird, wenn dann später das Vertragswerk selbst zur Abstimmung kommen wird, nämlich die berühmte Subsidiaritätskontrolle.

In diesem Verfassungsvertrag ist ein eigenes Frühwarnsystem zur Kontrolle des Sub­sidiaritätsprinzips vorgesehen, wonach innerhalb von sechs Wochen die nationalen Parlamente Stellungnahmen zu EU-Vorhaben abgeben können, und bei Parlamenten mit zwei Kammern hat jede Kammer eine Stimme. Das heißt, in dieser speziellen Kon­stellation erfährt der Bundesrat ganz sicher eine wesentliche, zumindest rechtstheore­tische Aufwertung, und es wird an uns allen liegen, diese mit Leben zu erfüllen.

Es kommt noch dazu, dass wir auch eine Klage gegen eine mögliche Verletzung des Subsidiaritätsprinzips werden einbringen dürfen, wenn es notwendig sein sollte.

Zehn Jahre Mitgliedschaft bei der Europäischen Union hat Österreich ohne Zweifel viele Fortschritte gebracht. Gleichzeitig erkennen wir, dass Österreich in diesem euro­päischen Kontext noch nicht am Ende des Weges angelangt ist, wie auch Europa im Sinne des „Marathonlaufes“ noch einige Etappen vor sich hat. Wahrscheinlich wird das ein Marathonlauf sein, der immer neue Ziele haben wird und somit vielleicht sogar zu einem 24-Stunden-Lauf oder noch mehr werden wird.

Österreichs Bevölkerung hat sich 1994 mit überwältigender Mehrheit für diesen Beitritt ausgesprochen und damit jene Legitimation ausgesprochen, die Kollege Schennach erwähnt hat.

Unabhängig von allen Stimmungsschwankungen – und sicher hat das Jahr 2000 mit seinen Sanktionen dem Projekt im Bewusstsein der Bevölkerung einen schweren Rückschlag beschert –, unabhängig von allen Stimmungsschwankungen wage ich festzustellen: Bei aller Kritik an der EU, ernsthaft wird nur eine kleine Minderheit in Österreich mit dem Gedanken spielen, die Zeit zehn Jahre zurückzuschrauben und im Status der Schweiz zu verbleiben, zumal wir noch dazu feststellen können, dass Öster­reich in den letzten Jahren durchaus sehr handfeste Vorteile in Relation zur Schweiz erzielt hat.

Europa – und jetzt komme ich zu einem Thema, das für mich ein kleiner Wermutstrop­fen ist; die Grundrechte sind bereits angesprochen worden –, Europa ist insbesondere auch eine Wertegemeinschaft (Bundesrat Ing. Kampl: Soll sie sein!), eine Gemein­schaft der Durchsetzung der universellen Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit. Ich


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möchte sagen, das Schöne ist, dass die Europäische Union gerade im vorigen Jahr, nämlich am 1. Mai, zehn Staaten, die innerhalb von 15 Jahren einen unglaublichen Transformationsprozess „durchgemacht“ haben – das ist ein schlechtes Wort –, die die Zivilgesellschaft in einer großartigen Weise gestaltet haben, ermutigt hat, durch den Beitritt in der Familie der europäischen Demokratien entscheidend mitzuwirken. Bedau­ert habe ich die Diskussion, die in diesen Tagen im Zusammenhang mit Kroatien statt­gefunden hat, denn ich hätte gemeint, dass Kroatien ermutigt werden muss, weitere Schritte zu machen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Es ist für mich eigentlich unverständlich, muss ich ganz ehrlich sagen, mit welchem Maß in diesem Zusammenhang gemessen wird. Mit der Türkei verhandeln, mit Kroa­tien nicht – das ist für mich unvorstellbar. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Das ist einer jener Punkte, die immer wieder zu Rückschlägen im Bewusstsein der Bevölkerung führen.

Alles in allem stelle ich aber trotzdem aus tiefer Überzeugung fest: Das europäische Projekt, an dem wir alle weiterarbeiten sollten, kommt wieder einen Schritt voran. Wir wollen alle am gemeinsamen europäischen Haus bauen. In diesem Sinne darf ich nochmals für unsere Fraktion ein klares Ja zu dem heute vorliegenden Bundesver­fassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.09


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.09.51

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich sehe wenig Sinn darin, Meinungen, die ich weitest­gehend bis vollinhaltlich teilen kann, nochmals zu wiederholen. Ich möchte mich daher in meinen Ausführungen auf eine einzige, allerdings die wichtigste Frage – keine, die wir zu entscheiden haben – dieser europäischen Verfassung beschränken, nämlich auf die, ob sie zustande kommen wird.

Wir werden – daran kann kein Zweifel bestehen – nicht nur heute das Ermächtigungs­gesetz beschließen, wir werden im Juni – sehe ich das richtig? – die Verfassung selbst beschließen, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Es ist für keinen von uns die Ver­fassung, die er selbst geschrieben hätte – aber das sind wir ja aus dem Österreich-Konvent gewöhnt –, es ist ein Kompromiss zwischen den großen politischen Lagern Europas. Kompromisse sind halt so beschaffen, dass die einen wie die anderen nicht eine 100-prozentige Erfüllung ihrer Wünsche darin sehen können.

Es ist – und ich bejahe das vorbehaltlos; ich sage auch dazu, wir sollten das ehrlicher­weise auch gegenüber unseren Landsleuten deutlich zum Ausdruck bringen – nicht die Verfassung der Vereinigten Staaten von Europa, das sicherlich nicht, aber es ist ein klarer Schritt in diese – und ich kann das von mir sagen – von mir als richtig unter­stützte Richtung. Ich freue mich (in Richtung ÖVP) über das Nicken.

Ich habe scherzhaft bei Referaten in Osteuropa gesagt: Die Europäische Union ist zu vergleichen mit einem vor 100 Jahren populären Volksvergnügen, nämlich dem Über­raschungszug. Man steigt ein, kauft ein Ticket, aber man weiß in Wirklichkeit nicht ganz genau, wohin es geht. Der einzige Unterschied ist: Bei diesem Überraschungszug gibt es eine Mitbestimmung der Passagiere.

Genau das ist es, was wir jetzt durchexerzieren. Wir ratifizieren eine mühsam erar­beitete Verfassung, die einen Kompromiss darstellt, die wieder keine Endstruktur der Europäischen Union festlegt, die aber zumindest klarmacht, in welche Weltrichtung –


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der Sonne entgegen, sozusagen – diese Reise gehen soll, um mein Beispiel noch ein bisschen zu strapazieren.

Natürlich ist es eine substanzielle Entscheidung, die jede Nation – das akzeptiere ich – für sich treffen soll, ob sie in diesem Zug sitzen will oder ob sie abspringen will, was bekanntlich nicht so einfach ist. Heute ist das nicht so einfach, früher bei der Wiener Straßenbahn war das relativ leicht, aber trotzdem gefährlich. (Bundesrat Dr. Kühnel: In der Vergnügungsstraßenbahn!) Ja, also es ist relativ gefährlich abzuspringen, das hat schon damals zu vielen Unfällen geführt, das wiederum hat zur Entwicklung der pneu­matischen Türen geführt. – Also, das Abspringen auch von diesem Zug ist riskant.

Jenseits des politischen Dialogs zwischen uns ist der politische Dialog mit den Kräften jener Länder, die zweifeln, ob es eine richtige Entscheidung ist, die Integration zu ver­tiefen. Und das geschieht hier, aus jeder Richtung des politischen Spektrums notwen­dig, weil es die Zweifler auch in jedem Winkel des politischen Spektrums dieser Länder gibt.

Ich nehme das zum Anlass, um auch auf etwas einzugehen, was Kollege Hösele gesagt hat. Wir sollten uns auch klar darüber sein – und das ist kein bösartiger Egois­mus –, dass in dieser Phase der Entwicklung die Vertiefung der Union eindeutig Vorrang haben muss vor Erweiterungen, vor künftigen, vor in absehbarer Zukunft möglichen Erweiterungen, wobei ich schon bereit bin, dazuzusagen: Jene zwei Kandi­daten, die ihren fest ausverhandelten Fast-Vertrag haben, sind selbstverständlich nicht mit neuen Barrieren zu konfrontieren. Natürlich teile ich die Meinung, dass einem Land mit dieser tiefen europäischen Tradition wie Kroatien nicht sozusagen die zugeschla­gene Türe vor die Nase gehalten werden sollte. Aber als EU-Bürger beziehungsweise EU-Politiker sollten wir ehrlich sein, wenn wir mit Vertretern der anderen Balkanstaaten sprechen, wenn wir mit Vertretern der Ukraine sprechen, und wir sollten auch nachden­ken, welche Modelle angeboten werden können, denn die bloßen bilateralen Verträge sind etwas so substanziell anderes, dass sie diesen Ländern auf Dauer nicht reichen werden.

Ich gebe einfach nur so als Denkanstoß zu überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, mit einigen anderen Schwerpunkten das, was einmal als das große Projekt des Europäi­schen Wirtschaftsraumes begonnen wurde – wo wir, ohne es wirklich gemerkt zu haben, ja auch sechs Monate lang Mitglied waren; aber er ist zu spät gekommen für uns –, wieder aufleben zu lassen, ob es so ein Modell nicht wieder geben könnte, wo es nicht nur bilaterale Vertragsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den Partnern gibt, sondern wo es eben eine Vernetzung gibt und wo es eine andere Art der Kommunikation, auch in gemeinsamen Gremien, untereinander gibt, sodass an einem ziemlich weit entfernten Ende auch wieder Beitritte stehen könnten. Aber in der Phase, wo wir entscheiden müssen, wie die Struktur Europas ausschaut, ist die Vertiefung der Union absolut vorrangig.

Wir werden noch eine große Diskussion mit Ländern, deren politischen Kräften und deren Bevölkerung zu führen haben, bei der wir Überzeugungsarbeit zu leisten haben, dass dieser nächste Schritt notwendig ist. Und ich sage auch gleich dazu: Wir sollten nicht kleinmütig sein und, wenn es vielleicht in einem Staat keine Mehrheit gibt, das Projekt nicht gleich fallen lassen. Da wird, wie so oft in der EU, vielleicht auch die Not­wendigkeit von Nachverhandlungen, Nachgesprächen, sozusagen von einer zweiten Runde gegeben sein.

Ich will ausdrücklich nichts von den richtigen Dingen, die gesagt wurden, wiederholen, aber ich betone, dass wir in dieser Frage einen hohen Grad an Übereinstimmung zwi­schen den politischen Parteien dieses Hauses haben. Ich betone, dass die Entschei­dung, es parlamentarisch abzuhandeln, eine korrekte ist und dass – so, wie Kollege


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Hösele es für seine Person ausgesprochen hat – auch wir Sozialdemokraten der festen Überzeugung sind, dass wir einen Grad an Integration erreicht haben, dass Volks­abstimmungen, die sinnvoll, notwendig und in Zukunft auch möglich sein könnten, auf europäischer Ebene stattfinden und durch ihr Stattfinden den alten Souveränitätsbegriff transzendieren sollten. Das ist eine faszinierende Vision, die wir teilen, aber nicht das Abkapseln und Zumachen und Nicht-mit-uns-Sprechen.

Wir werden im Juni darauf zurückkommen. Wir werden dann vielleicht mehr ins Detail des Vertragswerkes eingehen können – Professor Böhm hat mit Recht darauf hinge­wiesen, dass das eigentlich heute nicht unser Thema ist –, aber wir sollten heute mit unserem Stimmverhalten, mit dem, was wir politisch unseren Mitbürgerinnen und Mit­bürgern sagen, gemeinsam deutlich machen: Das ist ein Projekt, das alle politischen Kräfte dieses Landes mittragen. Es ist unser gemeinsames Projekt, weil es ein Projekt der Zusammenarbeit und des Friedens in Europas ist und ein Ende der vielen Teilun­gen des Kontinents schafft, die uns niemals gut getan haben. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.18


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Morak. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


19.18.35

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Konecny, ich möchte mich sowohl bei Ihnen als auch bei den anderen für die Ausführungen, die sie zu Europa hier in diesem Haus abge­geben haben, ausdrücklich bedanken.

Ich meine, dass vor allem der Satz, dass wir das auch gegenüber unseren Wählerin­nen und Wählern beziehungsweise gegenüber unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu vertreten haben, nicht ernst genug genommen werden kann, weil wir natürlich auch in einem Zeitalter des Delegierens leben. Das heißt: Alles soll immer ein anderer machen, eine Organisation, eine Vorfeldorganisation, eine NGO, das Parlament, die Regierung, der Minister, aber nur nicht ich! – Europa hat sich diese Haltung nicht ver­dient, weil es natürlich nicht nur ein wichtiges Projekt ist, sondern auch eines, um das zu kämpfen sich lohnt.

Nochmals herzlichen Dank dafür, dass Sie, meine Damen und Herren, hier im Hohen Haus quasi Europa zu verstehen versuchen, zu promoten versuchen und darüber – das heißt es im Endeffekt – zu diskutieren versuchen. Ich meine, das soll Vorbild sein und soll auch Wirkung zeigen.

Danke noch einmal dafür, dass Sie politisch ja dazu sagen. Ich nehme gerne auch die Einwände des Kollegen Böhm zur Kenntnis, dass man sagt, okay, es gibt für eine Volksabstimmung auf europäischer Ebene rechtlich möglicherweise ein Problem. Aber noch einmal: Die Politik sollte ab und zu auch daran denken, Verantwortung zu über­nehmen. Ich glaube, dass gerade Europa von großen Männern „gedacht“ wurde, die sich keine kleinen Männer quasi im Nachspann verdient haben. Deswegen: Werden wir ihnen gerecht!

Zweiter Punkt: Ich glaube, Europa hat sich das verdient – denken Sie nur an die wäh­rungspolitischen Erfolge, denken Sie an den Euro! Ich war unlängst in China auf Urlaub, und dort hat man lieber Euro genommen als Dollar. Das war nicht immer so, sondern das hat sich erst in den letzten Jahren ergeben. Denken Sie nur an die Wirtschaftsentwicklung, denken Sie aber auch an die Annäherung an unsere Nachbarn und so weiter, das sind im Großen und Ganzen große Augenblicke für Europa!


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Der Bundesrat hat weiter spüren lassen, dass er nicht gewillt ist, hier politisches Klein­geld zu wechseln, sondern an diesem großen Entwurf mitbauen möchte.

Nur nebenbei: Es geht natürlich nur um eine Ermächtigung zur Ratifizierung. Ich den­ke, wir sollten die Zeit bis zur Ratifizierung dazu nützen, diesen Diskussionsprozess abzuführen, und zwar verstärkt abzuführen, auch in dem Kreis, für den man selbst sich verantwortlich fühlt.

Ich glaube, dass Europa diese Diskussion braucht. Ich habe im Europäischen Rat und in europäischen Gremien so viele Diskussion mitgemacht, bei denen wir dann immer sagen, wir hätten ein Verständigungsproblem, wir hätten ein Kommunikationsproblem. Ich weiß, dass das ein schwieriges Thema ist, ich weiß, dass das schwierig zu ver­mitteln ist, aber ich glaube, dass die Politiker dazu aufgerufen werden sollten, aktiv selbst mitzuwirken, diesen Prozess der Vertiefung zu beschleunigen, denn auch das ist, glaube ich, eine wesentliche Agenda der nächsten Zeit. – Ich danke Ihnen. (Allge­meiner Beifall.)

19.22


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

 


19.22.14

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe diesem Ermächtigungsgesetz mit größ­tem inneren Misstrauen gegenüber. Im Grunde genommen lehne ich dieses Gesetz wirklich – bis zum fast äußerlich erkennbaren Widerwillen – ab, werde aber trotzdem, entgegen meiner inneren Stimme, diesem Gesetz zustimmen. Aus zwei Gründen:

Erstens: Allein dieses Gesetz abzulehnen, das hat nach außen so gut wie keine Wir­kung, bestenfalls steht man irgendwann einmal in einer Zeitung.

Zweitens: Es gibt einen Koalitionspakt, der vorsieht, dass wir innere Befindlichkeiten nicht in die Koalitionsabmachungen hineintragen. (Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)

Die Aussagen meines Kollegen Peter Böhm kann ich vollkommen nachvollziehen – ich werde sie ein bisschen verstärken, vielleicht sogar sehr verstärken –, den Aussagen der anderen Kollegen wird jedoch durch meine Bemerkungen widersprochen. Staats­sekretär Morak kann ich nicht folgen. Jawohl, er dankt, er fordert die Diskussion – wohin? Was soll die Diskussion?! Die Sache wird beschlossen, Herr Staatssekretär! Diskutiert ist relativ wenig geworden.

Dass die Politiker die „Verantwortung übernehmen“, ist immer die schönste Aussage. Bis jetzt ist kein Politiker bei uns an dieser Verantwortung, die er getragen hat, zu­grunde gegangen. Er muss nur manchmal mit sich ins Reine kommen, und das scheint sogar beim Rasieren manchmal sehr leicht zu fallen.

Ich betrachte diese Europa-Gesetzgebung, die wir heute beschließen, wie schon vor­angegangene als verfassungskonforme anti-patriotische Gesetzgebung. Es bleibt von unserem Vaterland wirklich nur noch der Name übrig!

Ich habe in der heutigen Ausgabe von „Le Monde“ gelesen, dass Bundeskanzler Schüssel in einem Interview mit dieser Zeitung, bevor er heute nach Paris gefahren ist, gesagt hat: Für Österreich ist die EU-Verfassung ein zweiter Staatsvertrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahre 1955 wurden wir von vier Besatzungsmäch­ten befreit – und jetzt begeben wir uns in eine verfassungsmäßige Oberhoheit, die wir nie wieder beeinflussen können! Diese Aussage des Herrn Bundeskanzlers ist zumin-


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dest aus meiner Sicht verfassungskonformer Anti-Patriotismus! – Es gäbe ein gröbe­res Wort dafür auch, aber das werde ich hier nicht verwenden.

Weiters fordert Bundeskanzler Schüssel – ich zitiere ihn –: „Ich hoffe, dass Frankreich dieses wichtige Gesetz ratifiziert.“ (Das Handy des Redners beginnt zu läuten. – Hei­terkeit. – Rufe bei ÖVP und SPÖ: Mölzer! – Ruf bei der SPÖ: Mölzer hat angerufen! – Der Redner schaltet das Handy ab.) – Weiß der Teufel, was!

Frankreich wird es vielleicht nicht ratifizieren. Frankreich hat die Möglichkeit einer Volksabstimmung, und Frankreich hat die Möglichkeit wahrgenommen, bei der Volks­abstimmung eine Türkei-Klausel mitbestimmen zu können, das heißt, dass jede Neu­aufnahme, insgesamt und mit der Türkei, einer Volksabstimmung unterliegen muss.

Was hindert uns daran, Herr Staatssekretär, solch eine „Türkei-Klausel“ zu haben?! – Es ist das politische Willkür, die da gegen den Willen des Großteils der österrei­chischen Bevölkerung betrieben wird, die ja überhaupt nicht will, dass die Türkei in die EU aufgenommen wird.

Der schweizerische Sozialist Jean Ziegler hat in einem eben herausgegebenen Buch mit dem Namen „L’Empire de la honte“, „Das Reich der Schande“, auf die Globalisie­rung und diese verstärkt durch die EU-Mitgliedschaft und verstärkt durch die euro­päische Einigung hingewiesen. Das Buch ist eben erst in den Handel gekommen und noch nicht ins Deutsche übersetzt worden. (Bundesrat Todt: Wenn es der Gudenus braucht, zitiert er auch einen ...!)

Des Weiteren gibt es in Frankreich eine große Zahl von sozialistischen Abgeordneten – ich nenne nur einen: Arnaud Montebourg –, die in Europa, in England, in Dänemark herumfahren, um gegen die EU-Verfassung Stimmung zu machen.

Aber es gibt natürlich auch konservative Politiker in Frankreich, wie Philippe de Villier und den 78-jährigen Charles Pasqua, die dieses Europa, die diese europäische Verfas­sung ablehnen.

Es ist also nicht so, dass in den großen europäischen Staaten Einstimmigkeit – Mehr­stimmigkeit vielleicht – für diese europäische Verfassung vorhanden ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Ruf bei der ÖVP: Wie war es in Spanien?)

Der von mir zitierte Philippe de Villier weist auch darauf hin, dass diese EU keine definierten geographischen Grenzen hat, dass starke Machtbefugnisse der Brüsseler Bürokratie vorhanden sind und dass dies eine Abwanderung von Arbeitskräften zur Folge haben wird.

De Villier meint weiter: „Der EU-Verfassungsvertrag schafft ja die nationalstaatlichen Demokratien ab. Das Wort ,Souveränität‘ kommt nirgends mehr vor“, man spricht nur noch von „Identität“. – Das ist ein großer Unterschied zur Souveränität! Aber möglicher­weise, Herr Staatssekretär Morak, ist es auch Ihr Wunsch, dass die Souveränität aufgegeben wird, sonst hätten Sie das ja nicht so begrüßt.

Ich begrüße dieses Gesetz – noch einmal gesagt – nicht! (Bundesrat Gruber: Dann haben wir eine Koalitionskrise!)

Wenn wir jetzt sehen, dass es nach der Europäischen Verfassung auch möglich ist, dass Dienstleistungen grenzüberschreitend stattfinden können, stellt sich schon die Frage: Wie soll denn ein österreichischer Richter wissen, welches die Rechtslage für einen Dienst Leistenden in Tschechien, in Slowenien, in Ungarn oder in der Slowakei ist, wo all diese Sachen billiger sind?! Es ist die Rechtssituation des dortigen Staates hier in Österreich anzuwenden. Das ist eine Art „Cassis de Dijon“-Gesetzgebung! Das heißt, dass Produkte, die in einem Staat zugelassen sind, auch in anderen Staa­ten der EU zugelassen sein sollen. Genauso ist es bei den Dienstleistungen, und das


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wird Rechtsprobleme sonder Zahl in die EU bringen. (Bundesrat Schennach: Das sind die Herausforderungen für Europa, Herr Gudenus! – Bundesrat Todt: Das ist keine Verfassungsfrage!)

Das Nächste: Es wurde schon von einem meiner Vorredner auf die unglückliche Situa­tion in Kroatien hingewiesen. Da wird ein Staat in Geiselhaft genommen, weil sich ein noch nicht Verurteilter keiner Gerichtsverhandlung stellt – ein nicht Verurteilter, der sowohl die kroatische als auch die französische Staatsbürgerschaft hat.

Man tut so, als hätte es Kroatien allein in der Hand, diesen Mann, nämlich General Gotovina, auszuliefern. Wer sagt, dass sich General Gotovina – mit seinem französi­schen Pass – nicht in einer der ehemaligen französischen Kolonien aufhält?! (Vize­präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Das ist also eine unsittliche Forderung an Kroatien – und der müsste man viel stärker entgegentreten. Gerade Kroatien war immer ein besonderer Freund Österreichs, und zwar sowohl in der Monarchie als auch im deutschen Reich früher ... (Bundesrat Todt: Auch im „Dritten Reich“! Auch im „Dritten Reich“!) Als einziger Staat hat Kroatien Eigentum, das während des Tito-Regimes verstaatlicht wurde, seinen ehemaligen Besitzern zurückgegeben. (Bundesrat Todt: Dieser Mann ist ein Kriegsverbrecher, den Sie hier nennen! Dieser Mann ist ein Kriegsverbrecher!)

Darum geht es nicht! General Gotovina ist noch nicht verurteilt! (Bundesrat Todt: Aber er ist ein Kriegsverbrecher!) Wer hat ihn verurteilt? (Bundesrat Todt: Er ist ein Kriegs­verbrecher! Dann soll er sich stellen?! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mein Gott! – Lieber Kollege, es gibt Gerichtsverhandlungen! Wenn man weiß, dass er ein Verbrecher ist, dann könnte man ihn ja gleich einsperren! Diese Verhandlung gab es nicht! Also: Er wird vorverurteilt! Ein solches Vorgehen lehnen wir doch auch inner­österreichisch ab! (Bundesrat Todt: Trotzdem ein Kriegsverbrecher, den Sie hier schützen, Herr Gudenus!)

Lieber Kollege, da werden wir nicht auf gleichen Fuß kommen. (Bundesrat Todt: Das brauchen wir auch nicht!) General Gotovina hatte noch keine Gerichtsverhandlung! (Bundesrat Todt: Auf Ihren gleichen Fuß brauche ich nicht zu kommen!) – Dann führen Sie halt einen Volksgerichtshof-Prozess ein! Das haben wir ja schon gehabt; das ist doch nicht ernst zu nehmen. (Bundesrat Todt: Schade, dass wir nicht mehr erwischt haben damals!)

Vor wenigen Tagen hatte ich die Möglichkeit, mit dem tschechischen Staatspräsiden­ten Klaus zu sprechen. Interessanterweise hat sich mit Präsident Klaus eine sehr gute Übereinstimmung ergeben, denn dieser erachtet – so wie ich – die europäische Verfassung als Gefahr für Demokratie und Freiheit in Europa.

Wer waren eigentlich die letzten echten Europäer? – Das wurde hier ja schon ange­sprochen, Herr Staatssekretär Morak. – Echte Europäer waren de Gaulle und vielleicht auch noch der deutsche Kanzler Helmut Schmidt. Das waren aber keine Europäer im Sinne der EU-Verfassung, sondern Europäer für ein Europa der Vaterländer, etwas, was es durch die EU-Verfassung nicht mehr geben wird! Man möge diese großen Europäer doch nicht als Vorbild für die europäische Verfassung nennen, Herr Staats­sekretär Morak!

Meine Damen und Herren! Ich beobachte den Übergang von der Integration zur Ver­einheitlichung Europas schon seit längerem, und zwar mit großem Verdruss und Ärger. Die Gefahr besteht darin, dass sich Europa von Demokratie und Freiheit löst. Ich kann mir eine demokratische Gesellschaft nicht ohne einen Staat vorstellen, der an eine oder mehrere Nationen gebunden ist. Die Demokratie braucht eine solche staatliche


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Grundlage, sonst befinden wir uns in einer Post-Demokratie – und die Europäische Union wird dann eine post-demokratische Institution!

Zur Demokratie und zum Parlamentarismus braucht man den „demos“, also ein Volk. Doch das haben wir in Europa nicht: Es gibt kein europäisches Staatsvolk, Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schennach: Dahin entwickeln wir uns!) Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir so bald ein europäisches Staatsvolk haben werden. Der Vergleich mit den Vereinigten Staaten, wenn Ähnlichkeiten zwischen Massachusetts und Texas hergestellt werden, sieht doch so aus, dass diese Unterschiede bedeutend geringer sind als beispielsweise die zwischen Finnland und Griechenland. Das muss man doch zur Kenntnis nehmen!

Man sieht ja auch, wie das Europäische Parlament funktioniert, welches im Grunde genommen das Wort „Parlament“ eher als Absichtserklärung denn als inhaltliche Dar­stellung verdient. (Ruf bei der ÖVP: Wieso?)

Die Ausweitung der Kompetenzen dieses Parlaments kann nicht die Abwesenheit des „demos“ kompensieren! Die Demokratiedefizite der Europäischen Union sind irrepara­bel, Herr Staatssekretär Morak, und sie sind nicht mit der Änderung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments verbunden! Die europäische Verfassung und ihre Instrumente sind die falsche Lösung der mit der Erweiterung verbundenen Probleme. 448 Verfassungsartikel auf rund 850 Seiten lösen Probleme nicht, sondern schaffen sie!

Montesquieu (Bundesrat Gruber: Der auch?) hat vor rund 300 Jahren gesagt: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen! – Das wäre doch bedeutend besser als diese Verfassung, Herr Staatssek­retär!

Ich habe Angst um Europa. Ja, ich habe Angst – und deshalb bin ich gegen die Ratifi­zierung der europäischen Verfassung! Leider Gottes habe ich jedoch den Auftrag, da mitzustimmen. Das tut mir jetzt aber immer mehr Leid, je mehr ich diese Verfassung betrachte und darüber hier vortrage. (Bundesrat Todt: Stimmen Sie doch dagegen! – Bundesrat Schennach: Sie haben ein freies Mandat! – Ruf bei der SPÖ: Die nächste Ausschlussmöglichkeit für euch!)

Leider ist die Europäische Union und die Debatte über die Verfassung in den Händen von Leuten, in den Händen von „Europäisten“, die ihre Zukunft an die Europäische Union gebunden haben. Diese Leute brauchen internationale Organisationen wie die Europäische Union. Das ist ein ideales Forum für sie, Arbeit, Gehalt, Beruf und Repu­tation zu bekommen; sonst wäre nämlich ein Großteil der dort Beschäftigten überhaupt arbeitslos.

Ich habe zwei Gründe, gegen diese Verfassung zu sein. Erstens: Es ist das so eine dramatische Veränderung der österreichischen Verfassung, das kann man nicht einfach im Parlament ratifizieren, Herr Staatssekretär Morak! (Bundesrat Schennach: Aber Sie beschließen es!) Zweitens – und das kommt dazu – gibt es eine Kluft zwi­schen den Auffassungen der politischen Klasse und des Volkes. – Ich versuche da, die Ansicht des Volkes zu vertreten.

Verfassungsmäßig hätten wir hier eine Möglichkeit, genügen doch 20 Bundesräte, um die Abhaltung einer Volksabstimmung zu beschließen. Ich fordere Sie dazu auf, denn wir haben bis zur nächsten Abstimmung über dieses wirklich leidige, über dieses staatsvernichtende Thema (Bundesrat Schennach: Ich bitte, „staatsvernichtend“?) die Möglichkeit, gemeinsam 20 Bundesräte dafür zu gewinnen. (Bundesrätin Konrad: Wie können Sie es verantworten, dass Sie für dieses Gesetz stimmen?)


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Diese Europäische Union ist für Leute, die in Venedig frühstücken, in Dublin mittag­essen und in Stockholm dinieren. (Bundesrat Schennach: Austern schlürfen in Stock­holm!) So finden die Sitzungen statt.

Ich glaube und hoffe, dass es einmal schick sein wird, nein zu sagen. Ich bin nämlich gegen Moden; diese sind oft auch gefährlich. Es ist ja wirklich schwierig, eine positive Antwort auf die Verfassung zu geben. Es ist aber viel einfacher, diese Verfassung zu kritisieren; das muss ich zugeben. Aber diese Verfassung ist so leer, so schlecht, dass es ihre Verteidiger wirklich viel schwerer haben als ihre Gegner. Die Europäische Union braucht keine Verfassung! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das ist doch nur ein Versuch der „Europäisten“, die Vereinheitlichung, die Unifizierung zu beschleunigen. Das braucht jedoch Europa bestimmt nicht! Utopie ist es, auf den Stand von Maastricht zurückzukehren; weiter darf man aber nicht gehen.

Ich bin gegen eine Vertiefung – und ich bin auch gegen eine weitere EU-Erweiterung, ohne dass das vorher abgesprochen wird. Die „normalen“ Leute sind gegen dieses Europa – wenn sie nur informiert würden. Wie viele Leute sind denn über die euro­päische Verfassung informiert?! Sie sind darüber nicht informiert! Diese Uninformiert­heit nützt die politische Klasse aus – nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern. Von meiner Seite aus wäre es besser (Bundesrat Schennach: Sie sind Teil dieser Klasse!), wir würden heute dieses Gesetz nicht beschließen. – Ich erwarte mir keinen Applaus. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Ing. Kampl.)

19.38


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile ihr das Wort.

 


19.38.59

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache mir ja jetzt fast ein bisschen Sorgen, ob Herr Kollege Gudenus heute wird schlafen können, wenn er, mit sich selbst so im Widerspruch, nun doch diesem Gesetz zustimmt. Ich nehme an, Kollege Gudenus wird dann bei der Abstimmung hinausgehen. Ich hoffe, dass Sie das, Kollege Gudenus, psychisch verkraften können; sie wirkten jedenfalls sehr aufgelöst. (Heiterkeit und Beifall des Bundesrates Schennach sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie informiert sind, die breite Masse jedoch nicht – und das dann, wenn die breite Masse informiert wäre, dieses Gesetz nicht beschlossen werden dürfte –, dann verstehe ich Ihren Ethos als Politiker nicht, wenn Sie wider besseres Wissen doch zustimmen. Aber das ist Ihr Problem, Kollege Gudenus, mit dem Sie fertig werden müssen. Ich hoffe jedenfalls, dass Ihnen das nicht die Nacht­ruhe raubt. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus.)

Die EU-Verfassung hat durchaus eine Reihe von positiven Aspekten, die ich hier auch anführen möchte: Die Grundrechte werden verankert, Sozialrechte werden als Men­schenrechte definiert, es gibt ein Gleichstellungsgebot von Männern und Frauen und ein Diskriminierungsverbot, was vor allem für uns in Österreich, glaube ich, immer wieder eine gute Sache ist. Wir haben ja schon sehr oft gesehen, dass Richtlinien hier einzig und allein deshalb umgesetzt wurden, weil es entsprechende Vorgaben seitens der EU gab.

Militärische und zivile Konfliktprävention werden gleichgestellt, und Konfliktprävention wird als Teil von Friedenspolitik definiert.

Sehr wichtig ist ein zukünftig verstärktes Mitentscheidungsrecht des Parlaments in vielen Bereichen, die bisher ausgenommen waren. Auch wird der EURATOM-Vertrag


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ausgekoppelt, sodass es möglich sein wird, aus EURATOM auszutreten, ohne aus der EU auszutreten.

Auch das Recht der Freiheit und Pluralität der Medien ist verankert.

Das sind positive Aspekte, die die neue Verfassung bieten wird. Gegenüber dem Konventsentwurf ist allerdings in der Regierungskonferenz sehr vieles verschlechtert worden und sehr vieles wieder herausgefallen, was an und für sich positiv war.

Der Entwurf, der jetzt vorliegt, ist jedenfalls aufgeweicht gegenüber dem, was der Kon­vent erarbeitet hatte.

Es gibt auch – und das möchte ich hier explizit sagen! – sehr viele Punkte, die eigent­lich keine Zustimmung verdienen würden – zum Beispiel die Verankerung vieler neo­liberaler Bestimmungen. So wird zum Beispiel das Ziel soziale Marktwirtschaft zur offe­nen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb. Auch eine zukünftige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird weitgehend am Parlament vorbeilaufen. Das Parlament hat da nur Anhörungsrechte.

Es gibt vieles, was meiner Meinung nach nicht in die richtige Richtung geht, aber es wird keine Entscheidung zwischen dieser oder einer besseren Verfassung, sondern zwischen dieser Verfassung und den Verträgen von Nizza getroffen, und gegenüber den Verträgen von Nizza gibt es eindeutig in vielen wichtigen Bereichen große Fort­schritte. Es ist ein erster Schritt in vielen Bereichen, in anderen Bereichen noch nicht, aber es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative dazu.

Für mich persönlich steht der Verfassungsprozess erst am Anfang. – Es ist ein erster Schritt. Viele weitere werden folgen müssen, damit man mit diesem Papier wirklich voll­ständig einverstanden sein kann. Ich bin also keineswegs begeistert von dieser Ver­fassung, aber sie hat positive Aspekte. Die Alternative, nämlich die Beibehaltung der Verträge von Nizza, ist in Wirklichkeit keine Alternative.

Ein großes Problem ist meiner Meinung nach, dass in Österreich viel zu wenig Informa­tion über die EU vorhanden ist. Die Regierung scheint ja in diesem Jahr lieber eigene Jubiläen zu feiern, als Informationskampagnen zu machen.

Gerade dieses Jahr, wo so viel gefeiert wird, wäre eine gute Gelegenheit gewesen, aktive Informationspolitik zu betreiben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Je weniger die Be­völkerung über die EU weiß, umso leichter ist es für Regierungen, die EU dann zum Sündenbock zu erklären, wie es zum Beispiel beim Transitdilemma passiert ist.

Mit fortschreitender Integration wird es immer wichtiger, dass die EU nicht – wie sie es jetzt ist – ein Elitenprojekt bleibt. Die Politik muss dazu beitragen, dass Menschen die Chancen kennen und nützen, die die EU ihnen bietet, und sich kritisch mit der EU auseinander setzen. Es gibt durchaus vieles, was einer kritischen Auseinandersetzung würdig wäre, zum Beispiel die Gefahren, wie sie in der Bolkestein-Richtlinie angespro­chen werden.

Die Menschen müssen sich selbst eine Meinung bilden können, die nicht auf Populis­mus und nicht auf „Kronen Zeitung“-Artikeln beruht, sondern auf seriösen Informatio­nen. Diese Informationspflicht ist leider bisher vernachlässigt worden. Es ist schwer nö­tig, sie aufzuholen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das noch bis zur Beschlussfassung über die Verfassung geschehen kann. Auf jeden Fall ist da noch viel zu tun. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.44

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

 



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719. Sitzung / Seite 144

19.44.09

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt von zwei Seiten – einerseits vom Kollegen Gudenus, andererseits von der Frau Kollegin Konrad, also, kann man sagen, von den Älteren und von den Jüngeren – gehört, dass man irgendwie Angst vor Europa haben muss.

Da muss ich fragen: Angst vor Europa? – Betrachten wir doch an diese Erfolgsge­schichte! Wenn wir 60 Jahre zurückdenken: Da hat es um diese Zeit noch den Zweiten Weltkrieg mit all seinen Fürchterlichkeiten gegeben. Und 60 Jahre später – die, die damals im Kampf gestanden sind, hätten sich das nie gedacht! – existiert eine Gemein­schaft von 25 europäischen Staaten, die zu diesem Zeitpunkt – im Jahre 2005, 2006 – darüber nachdenkt, wie sie nun die erste europäische Verfassung ratifizieren wird: die einen eben mit einer Volksabstimmung, die anderen parlamentarisch und mit Volksab­stimmung, andere eben nur parlamentarisch.

Vor Europa Angst zu haben, ist – finde ich – wirklich nicht notwendig! (Bundesrat Mag. Gudenus: Nicht vor Europa, vor der EU!) – Freuen wir uns, dass wir die EU haben und dass wir nun eine Friedensgemeinschaft von 25, vielleicht bald von 27 oder noch mehr Staaten sind, wobei man sicher diskutieren kann, ob dieses oder jenes Land der Europäischen Union beitreten soll oder nicht. Diese Diskussion ist sicher irgendwann zu führen, und wir sollten sie bald führen, damit wir Ländern nicht unbe­rechtigt in irgendeiner Richtung Hoffnung machen. – So viel einmal zur Angst.

Meine Fraktion begrüßt diese Verfassung. Sie ist ein ganz großer Schritt in die richtige Richtung. Daher würde ich anregen, ob es nicht auch für den Bundesrat möglich ist, im Juni dafür eine eigene Sitzung vorzusehen, wo wir versuchen – wie ich immer wieder sage – staatstragend zu argumentieren und vielleicht die eine oder andere Wadelbei­ßerei, die halt gelegentlich stattfinden muss, zu unterlassen, sodass das dem Anlass entsprechend wirklich eine schöne, feierliche Sitzung ist. (Bundesrat Mag. Gudenus: Es ist das Gegenteil von staatstragend, was da stattfindet! Das ist staatsvernich­tend! Bundesrat Ing. Einwallner: Geh, komm!) – Ja, gut, das ist deine Meinung – meine auf keinen Fall! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich darf darauf hinweisen, dass meine Partei immer versucht hat, europäisch zu den­ken, und dass heute in Österreich im Grunde genommen fast alle Parteien diesen europäischen Gedanken pflegen und hegen.

Da die Verfassung etwas umfangreich ist, möchte ich noch auf dieses kleine Buch hinweisen, das seitens des Bundeskanzleramtes zur Verfügung gestellt wurde und aus dem man doch sehr interessante Informationen beziehen kann. (Der Redner hält ein Büchlein in die Höhe.)

Es ist heute schon viel gesagt worden, ich möchte daher nur noch auf ein paar Kleinig­keiten eingehen; Kleinigkeiten in dem Sinne, dass ich jetzt nicht die 448 Seiten oder noch mehr herunterbeten werde. Eines ist für mich jedoch ein Meilenstein, nämlich der Grundrechtskatalog, die Grundrechtscharta, die nun für die 25 Staaten verbindlich sein soll.

Weiters sind Fortschritte im Sicherheitsbereich gegeben. Die Petersberger Aufgaben gibt es weiterhin, der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes wird er­weitert. – Das sind sehr erfreuliche Dinge, die wir nun entsprechend festgeschrieben haben.

Es ist lange diskutiert worden, ob wir das mit einer Volksabstimmung oder nur parla­mentarisch oder parlamentarisch mit einer Volksabstimmung beschließen. Ich muss da aber schon unserem Bundeskanzler Recht geben: Entweder alle an einem Tag oder


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eben jedes Land, wie es meint, denn eines darf nicht eintreten: dass die Verfassung dafür verwendet wird, irgendwelche innenpolitischen Hadereien auszufechten und den Sack zu prügeln und den Esel zu meinen.

Es sollte an einem Tag in allen Ländern zur gleichen Zeit über diese Verfassung abge­stimmt werden. Wenn das nicht möglich ist, dann ist das vielleicht optisch nicht so schön, aber es ist eben ein Prozess, so, wie es eben bei unterschiedlichen Ländern, wie auch den 25, der Fall ist.

Die Teilnahme an den Europawahlen wird oft kritisiert. Warum wird sie – meiner Mei­nung nach – kritisiert? – Sicher, die Wahlbeteiligung ist nicht erfreulich, aber es wäre vor allem für uns Parlamentarier Aufgabe, in unseren diversen Sprechstunden, Vorträ­gen und so weiter auf Europa und auch auf seine guten Seiten hinzuweisen, Europa im positiven Licht erscheinen zu lassen und nicht, wie das halt leider gelegentlich passiert, Europa für alles, was schlecht ist, die Schuld zu geben und alles, was gut ist, der nationalen Regierung zuzuschreiben.

Schließlich möchte ich zu dem allgemeinen Gejammere schon sagen, dass das Euro­päische Parlament im letzten Jahr – also seit der letzten europäischen Wahl – schon Fortschritte gezeigt hat.

Ich habe davon gehört und bin auch schon zwei Mal dazu eingeladen worden, dass wir an Sitzungen der Ausschüsse des Europaparlaments in Brüssel teilnehmen, um einer­seits europäische Atmosphäre kennen zu lernen, um andererseits aber auch mit an­deren Parlamentariern zu diskutieren und zu versuchen, gewisse Animositäten, die eventuell zwischen einzelnen Nationen heute noch bestehen, abzubauen. Ich finde, das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Abschließend darf ich noch einmal um das ersuchen, was ich schon am Anfang gesagt habe: ob es nicht möglich ist, dass wir dann im Juni diese Europa-Verfassung von Bundesratsseite aus in einer eigenen Sitzung ratifizieren, die mit keinem anderen Ta­gesordnungspunkt befrachtet wird, damit das wirklich eine feierliche, zukunftsweisende Sitzung ist. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. Bundesrat Mag. Gudenus: Mit Trauerflor!)

19.51


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.51.21

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolle­gen! Über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa beziehungs­weise das Ermächtigungsgesetz wurde im Verfassungsausschuss Einstimmigkeit be­ziehungsweise Einmütigkeit bei allen Parteien erzielt – und, ich glaube, auch letzten Endes beim Beschluss im Nationalrat Anfang März.

Es wurde in Österreicher eine Untersuchung durchgeführt, bei der sich 90 Prozent der Befragten für die Verankerung der Menschenrechte in der Verfassung und für die Sicherung der Menschenrechte und vor allem der Gesundheitsvorsorge aussprechen. 41 Prozent sind für eine Verankerung dessen, wie die Zukunft und die Verteilung der Asylwerber in Europa ausschauen sollte.

Gegenüber dem bisherigen Primärrecht sieht der Verfassungsvertrag folgende Ände­rungen vor: Gründung einer neuen Europa-Union, Werte und Ziele der Union, Vorrang des Unionsrechtes, Auflösung der Säulenstruktur, Aufhebung des geltenden Primär­rechtes, Aufrechterhaltung des europäischen Anpassungsgesetzes, Änderung der Zu­sammensetzung des Europäischen Parlaments, Änderung der Zusammensetzung der


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Europäischen Kommissionen. – Dem sollten wir vor allem ab 2014 sicherlich mit ein bisschen Sorge entgegensehen, genauso wie den zukünftigen Änderungen im Euro­päischen Ministerrat.

Kompetenzrechtliche Erneuerungen sind die Rechtssetzung, der Rechtsschutz und die Austrittsklausel, Verfahrensänderung bei Verfassungsvertrag, Grundrechtsschutz, Ver­fassungs- und Währungsunion, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes.

Wir Freiheitlichen haben im Parlament im Nationalrat unsere Zustimmung gegeben und werden das auch heute tun. Die Union der 25 Staaten – bald sind es 27 – sollte und muss auch funktionieren. Wir sollten sicher auch die neue europäische Verfassung sehr kritisch verfolgen, vor allem ab 2014.

Ziel kann und muss es sein, eine Volksabstimmung bezüglich aller Verfahren europa­weit abzuhalten. Wichtig für alle Staaten ist gute Information für alle Bürger vor einer Abstimmung.

Meine geschätzten Kollegen! Ich glaube, da liegt noch sehr viel im Argen. Wenn wir mit den Menschen reden, bemerken wir, dass viele mit der Struktur Europa nichts an­fangen: dass es da weit über 100 000 Gemeinden gibt, über 100 Regionen und viele kleinere Einheiten. Ich denke, wir sollten beginnend mit der Schule und beginnend in den Kommunen und in den Ländern mehr über das große, gemeinsame Europa infor­mieren.

Für eine Abstimmung über diese Verfassung ist eine gute Kampagne eben Vorausset­zung. Wenn wir dies nicht schaffen, so wird es sicherlich Probleme geben – Probleme mit dem gemeinsamen Vertrauen, Probleme bezüglich einer gemeinsamen Struktur der Zukunft, und vor allem wird dann diese Stabilität, das Zusammenwachsen, das wir uns vorstellen, nicht in einer solchen Geschwindigkeit funktionieren, dass wir es auch noch erleben. (Bundesrat Mag. Gudenus unterhält sich mit Bundesrat Todt. Vizeprä­sident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir in Kärnten wollen in Zukunft unter Lan­deshauptmann Haider in dieser Frage verstärktes Augenmerk auf solche Überle­gungen legen: Es beginnt mit dem 1. April in Pörtschach mit einer Enquete unter dem Motto „Europa, seine Verfassung, seine Regionen“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Redner hält eine Einladungskarte in die Höhe.) So schaut eine Einladung aus: Da sind internationale Fachleute aller politischen Gruppierungen vertreten, wie ein Dr. Peter Straub, ein Univ.-Prof. DDr. Michael Potacs, Johannes Voggenhuber, Univ.-Prof. Reinhard Rack, Dr. Maria Berger, Andreas Mölzer und noch andere Persönlichkeiten. Es wird auch eine Diskussion stattfinden.

Wenn wir wollen, dass wir die Vorstellung von einem gemeinsamen Europa, von einem gemeinsamen Vaterland – worüber wir immer reden – für uns und für unsere Jugend in Zukunft Realität wird, dann haben wir auch die Verpflichtung, mehr als bisher für die zukünftige Zusammenarbeit zu tun. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.57

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.57.26

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Präsident! Werter Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Das Ermächtigungsgesetz betreffend die europäi­schen Verfassung ist wieder ein Baustein seit dem Beitritt Österreichs zur Europäi­schen Union, seit dem Schengen-Abkommen und seit der Währungsunion, der gelegt wird, um das Zusammenwachsen dieser Union in einen Staatenbund zu ermöglichen.


Bundesrat
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Europa ist im Vergleich zu den USA ein Staatenbund, und dadurch ist die Ratifizierung der europäischen Verfassung auch ein wichtiger und ein großer Schritt. Eine Ratifizie­rung der Verfassung in Form einer Volksabstimmung sollte aber nur dann stattfinden, wenn sie europaweit einheitlich und nur an einem Tag oder in einer Woche durchge­führt werden kann.

Wie meine Vorredner schon gesagt haben, ist die Gefahr, dass da politisches Kleingeld geschlagen wird, zu groß, um diesen Vertrag der europäischen Verfassung in Frage zu stellen. Wichtig ist, dass in der europäischen Verfassung die Gleichheit aller Staaten die Stärkung des öffentlichen Europa niedergeschrieben ist und die Sicherheits- und Außenpolitik gewährleistet ist. Ich glaube aber, ein wichtiger Schritt – und das ist ein wichtiger Baustein Europas – ist es, in Zukunft unser Augenmerk viel mehr auf die Arbeitslosigkeit zu richten.

Auf der einen Seite hat der Kommunismus versagt, auf der anderen Seite herrscht der totale Liberalismus. Ich glaube, es ist eine Aufgabe der Europäischen Union, der Welt in dieser Frage den Weg vorzuzeigen. Unsere Fraktion wird diesem Ratifizierungsge­setz der Verfassung sicherlich zustimmen.

Aber ich kann nur feststellen: Wenn man weitere Schritte in der Europäischen Union setzt, muss man immer wieder sagen: Das Bessere ist der Feind des Guten! Ich glau­be, in diesem Sinne müssen wir auch diese europäische Verfassung sehen, um immer wieder das Bessere in den Vordergrund zu stellen. In diesem Sinne sage ich allen Anwesenden danke schön, um hier den Weg des einheitlichen Europa zu gehen, und stimme natürlich mit Freude diesem Gesetzentwurf zu. (Beifall bei der ÖVP.)

20.00


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich darf nochmals im Besonderen auf die Ausführungen des Herrn Berichterstatters verweisen, wonach auch beim gegenständlichen Beschluss auf Grund der Sonderbe­stimmung des Artikels II des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union der Beitrittsvertrag oder einzelne seiner Bestimmungen nicht als verfassungsändernd bezeichnet zu werden brauchen. Analoge Regelungen enthiel­ten ebenso die Bundesverfassungsgesetze über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, über den Abschluss des Vertrages von Nizza und über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt mehrerer neuer Länder. Bei diesen Ermächtigungs-Bundes­verfassungsgesetzen hat der Bundesrat jeweils herausgestrichen, dass diese insofern eine Einheit mit dem jeweiligen Vertrag bilden, als sie nur auf diesen bezogen sind und ohne ihn leer laufen würden. Deshalb ist von einer Zustimmungspflicht gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 B-VG nicht nur für den Vertrag selbst, sondern auch für das gegen­ständliche Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa auszugehen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, ebenfalls um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

20.02.168. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000 geändert wird (515/A und 821 d.B. sowie 7228/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich bitte sie um die Erstattung des Berichts.

 


20.02.38

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus, der genannt wurde, liegt Ihnen in Papierform vor. Ich darf mich daher auf den Beschluss beschränken.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15. März 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte um Diskussion und Abstimmung.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ager das Wort.

 


20.03.13

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Änderung des Datenschutzgesetzes 2000 ist die logi­sche Konsequenz aus der Tsunami-Katastrophe. Um optimale Ergebnisse auf diesem Gebiet zu erzielen, wird man sowohl das Datenschutzgesetz als auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Reisebürobranche ändern müssen. Diese Änderung des Datenschutzgesetzes ist ein erster wichtiger Schritt dazu.

Die Meinungen darüber, ob die Änderung des Datenschutzgesetzes überhaupt not­wendig ist, sind unterschiedlich. Einige sind der Meinung, dass die bisherige Rechts­lage schon ausreichend gewesen wäre. Ich bin der Meinung, dass im Interesse der Vermeidung unterschiedlicher Interpretationen in solchen Katastrophenfällen diese Änderungen notwendig sind. Ich möchte dies auch mit einem Beispiel belegen:

Aus meiner Nachbargemeinde war ein junger Mann in Thailand als vermisst gemeldet, und dessen Mutter, die mich damals um Hilfe bat, wollte die Route ihres Sohnes anhand von Behebungen mittels Kreditkarte bei thailändischen Banken nachvollziehen. Dies ist ihr mit Hilfe einer österreichischen Bank auch gelungen, ein Mitarbeiter dieser österreichischen Bank konnte die letzte Behebung auf einer thailändischen Bank über die Kreditkartenfirma in Österreich ausforschen und nachvollziehen. Aber die Daten gab diese Kreditkartenfirma aus den bekannten Gründen nicht preis.

Sie können sich vorstellen, dass das für diese Mutter ein nicht sehr verständlicher Vor­gang war, hat doch eine Chance bestanden, nach diesen Dingen ihren Sohn zu finden.


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Wir haben dann einen Mann bei dieser Firma unter Druck gesetzt – ja, ich muss es so bezeichnen – und haben über alle möglichen Hintertüren irgendwelche Dinge heraus­gebracht. Aber das ist meiner Ansicht nach kein Zustand, der auf Dauer passabel ist. Gerade wenn solche Dinge irgendwo in der Welt wieder passieren, müssen wir Rechts­sicherheit und auch Sicherheit für diese Leute haben.

Dieses Beispiel zeigt, dass es in solchen Ausnahme-Katastrophenfällen ein Gesetz braucht, das schnell und unbürokratisch handlungsfähig macht und auch die Arbeit von Hilfsorganisationen in diesen Krisenregionen erleichtern soll. Wir von der ÖVP stimmen diesem Gesetz gerne zu. Ich denke, wir sollten es auch gemeinsam tun. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Weilharter.)

20.06


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Giefing. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.06.34

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Von dieser Stelle aus haben wir heute schon mehrmals das Wort „Anlassgesetzgebung“ gehört. Im Grunde genommen besteht auch im Falle des Geset­zes, das wir jetzt ändern wollen, eine Anlassgesetzgebung. Aber ich bin trotzdem stolz darauf, dass wir das heute tun. Wir alle wissen ja, dass uns diese schreckliche Tsu­nami-Katastrophe in den Weihnachtsfeiertagen, die heute schon mehr als drei Monate zurückliegt, sehr stark in der Seele und im Geist in Mitleidenschaft gezogen hat. Allerdings ist der Schock so manches Österreichers bis jetzt wiederum abgeflacht.

Wenn man in Österreich grundsätzlich in keinerlei Weise mit dem Parlament etwas zu tun hätte, würde man es aus meiner Sicht nicht für möglich halten, dass ein Gesetz existiert, welches im Katastrophenfall verhindert, dass personenbezogene Daten, die zur Identitätsfeststellung dienen, weitergegeben werden dürfen. Meiner Meinung nach wäre die Datenweitergabe bereits mit der alten gesetzlichen Bestimmung möglich gewesen. Um jedoch in aller Zukunft Interpretationsprobleme darüber auszuschließen, ob sensible, personenbezogene Daten weitergegeben werden dürfen, stimmen wir der Änderung dieses Datenschutzgesetzes zu. Wir wollen damit vermeiden, dass Perso­nen mit Transparenten auf dem Flughafen Schwechat stehen, auf denen zu lesen ist: „Datenschutz vor Menschenleben“.

Ich erinnere mich jedoch auch genau an die „Pressestunde“ vom 9. Jänner 2005 im ORF, als Herr Nationalratspräsident Khol zu Gast war. Er sprach von einem eigenen Tsunami-Gesetz, auf Grund dessen Transferkosten oder Lohnfortzahlungen oder auch Todes- und Verschollenheitserklärungen schneller abgewickelt werden können; damit könnte von den Hinterbliebenen die Abwicklung eines Todesfalles so schnell wie mög­lich vorgenommen werden. Ich persönlich meine, diesen Worten sollten nun auch Ta­ten folgen, damit niemand den Verdacht hegt, dass nach dem Lichte der medialen Aufmerksamkeit wieder zur Tagesordnung übergegangen wird. Diese Änderung des Datenschutzgesetzes ist lediglich ein sehr kleiner Aspekt. Alle anderen Systemmängel, die im Zusammenhang mit dieser Katastrophe sichtbar geworden sind, sind bisher ohne Konsequenz geblieben.

Ich weiß schon, dass man aus Katastrophen kein parteipolitisches Kapital schlagen soll, deshalb haben wir uns hiebei mit Kritik sehr zurückgehalten. Wir erwarten uns je­doch ein wenig mehr Taten und weniger Worte. Wenn Sie von den Regierungsparteien das ganze Umfeld in diesem Zusammenhang nicht lösen und jetzt keine Taten setzen, dann werden wir das in der nächsten Legislaturperiode tun. (Beifall bei der SPÖ.)

20.10



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmenmehrheit, der Antrag ist angenommen.

20.10.419. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (7. Führerscheingesetz-Novelle) und die Straßen­verkehrsordnung geändert werden (794 d.B. und 817 d.B. sowie 7229/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Haller. Ich bitte ihn um den Bericht.

20.11.01

 


Berichterstatter Ing. Hermann Haller: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (7. Führerscheingesetz-Novelle) und die Straßenverkehrsordnung geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 15. März 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.11.54

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Geschätzte Damen und Herren! Zur Abstimmung liegt eine Regierungsvorlage vor, mit der das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung geändert werden sollen. In Zukunft soll es ein so genanntes Vormerksystem zur Erfassung von Risiko­lenkern und Mehrfachtätern geben. Dieses Vormerksystem hat Ähnlichkeit mit jenem Punkteführerschein, der schon sehr lange diskutiert wird.

Sinn dieser Gesetzesänderung sollte es sein, dass durch dieses System unbelehrbare Lenker sanktioniert werden und eine Bewusstseinsbildung herbeigeführt wird. Tat­sache ist aber, dass die derzeitige Bundesregierung bei diesem für die Verkehrssi­cherheit in Österreich so wichtigen Vorhaben leider einigermaßen der Mut verlassen hat. Übrig geblieben ist bei dieser Vorlage, bei diesem Modell, welchem eine gewisse Unausgegorenheit nicht abzusprechen ist, dass es sehr viele Widersprüche enthält und dass es unserer Meinung nach teilweise ungerecht und vor allem auch unübersichtlich ist.


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Betrachtet man die Unfallstatistiken der letzten Jahre, muss man feststellen, dass die meisten Unfälle mit Schwerstverletzten und Toten auf überhöhte Geschwindigkeit im Straßenverkehr zurückzuführen sind. Weiters in den Unfallstatistiken ganz oben stehen das Fahren unter Einfluss von Alkohol und auch das Delikt des Fahrens unter Einfluss von Drogen. Aber genau diese Delikte, geschätzte Damen und Herren, sind in diesem Vormerksystem nicht enthalten! Da stellt sich schon die Frage, ob das gesetzte Ziel, durch dieses Vormerksystem Unfälle zu vermeiden beziehungsweise deren Zahl zu vermindern, erreicht werden kann. Hat es einen Sinn, eine Gesetzesänderung zu beschließen, von der man heute schon sagt – das haben wir ja im Ausschuss vom zuständigen Beamten gehört –, dass in Zukunft wieder Änderungen vorgenommen werden müssen?

Ich glaube, sinnvolle Verkehrssicherheitsmaßnahmen brauchen absolut klare und für alle Verkehrsteilnehmer und -teilnehmerinnen verständliche und durchschaubare Re­geln. Davon kann man bei diesem Vormerksystem wirklich nicht sprechen, meine Damen und Herren, da zu den bestehenden acht Führerscheinentzugsdelikten, die wir jetzt schon haben und die im Vormerksystem nicht enthalten sind, nun weitere 13 Vor­merkdelikte hinzukommen. Da entsteht für Kraftfahrer, für PKW- und Motorradfahrer ein völlig unübersichtliches und in vielen Punkten auch ungerechtes System.

Hinzu kommen hohe Verwaltungskosten, welche dieses Vormerksystem verschlingt – Geld, das diese Bundesregierung für mehr Exekutivkräfte auf der Straße und für verbesserte Kontrollen hätte zur Verfügung stellen können. Was nützen uns die neuen Systeme – noch dazu solche, die für alle zum Teil sehr verwirrend und ungerecht sind –, wenn sie nicht ausreichend kontrolliert werden können! Würde die Einhaltung der jetzt gültigen Gesetze mit genügend Verkehrspolizisten überwacht werden, bräuchte man dieses ganze neue System nicht. Niemandem nützt ein neues System, wenn es nicht überwacht werden kann!

Noch ein wichtiger Punkt, der in den Verhandlungen zu dieser Gesetzesänderung nicht besprochen wurde beziehungsweise darin überhaupt nicht enthalten ist: Meine Damen und Herren, was ist zum Beispiel mit den vielen ausländischen Autofahrern, die durch unser Land rasen? – Sie können auch weiterhin durch Österreich rasen, wie sie wollen. Von diesem System sind, wenn überhaupt, nur österreichische Staatsbürger betroffen, und das in einem sehr aufwendigen und teilweise sehr ungerechten System.

Geschätzte Damen und Herren! Ich bin der Meinung, es hätte in diesem Fall die Mög­lichkeit gegeben, einen gemeinsamen und gerechten Entwurf zu machen. Das wollten Sie jedoch nicht, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien. Daher wer­den wir dieser Gesetzesänderung auch nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss noch einen Satz (in Richtung Staatssekretär Morak): Sie sind zwar nicht der zuständige Herr Staatssekretär. (Staatssekretär Morak: Er kommt gleich!) Er kommt gleich, aber er kommt dann wahrscheinlich zu spät. – Da möchte ich noch eines sagen: Wenn man heutige Zeitungsmeldungen darüber gelesen hat, was für eine Ver­kehrspolitik diese Bundesregierung betreibt – dass nämlich in Zukunft ÖBB-Bediens­tete in Gefängnissen arbeiten sollen –, dann muss man sagen: Diese Regierung ist nicht nur in der Verkehrssicherheitspolitik, sondern auch in der Verkehrspolitik geschei­tert. (Beifall bei der SPÖ.)

20.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.17.11

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einen Satz zu der heutigen Bemerkung


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bezüglich des Ländles: „Ländle“ – das möchte ich noch einmal bestärken – ist ein Qua­litätsbegriff. Wir Vorarlberger fühlen uns nicht auf den Schlips getreten, wenn man uns Vorarlberger als „die aus dem Ländle“ bezeichnet. Dass das Ländle einen besonderen Stellenwert hat, geht allein schon daraus hervor, dass der erste Satz unserer Landes­hymne mit „Du Ländle, meine teure Heimat“ beginnt. Ich erspare es Ihnen, das heute vorzusingen; wir alle wollen ja noch einen schönen Abend haben. (Heiterkeit und Bei­fall bei der SPÖ.)

Zurück zum Führerscheingesetz: Die Änderung des Führerscheingesetzes und der Straßenverkehrsordnung bringt, wie Sie bereits gesagt haben, lieber Kollege Stadler, das so genannte Vormerksystem mit dem Ziel, Risikolenker und Mehrfachtäter zu er­fassen und diese Lenker zu sanktionieren. Ein ganz wichtiger Faktor, ein gravierender Punkt ist, dass man da auch bewusstseinsbildend einzuwirken versucht. Das ist, glaube ich, das Entscheidende. Bewusstseinsbildung ist vor allem angesichts der Unfallstatistiken eine längst fällige Maßnahme, fallen doch in Österreich jährlich 2 557 Personen einem Verkehrsunfall zum Opfer. Allein im vergangenen Jahr sind 876 Menschen auf dem „Schlachtfeld Straße“ ums Leben gekommen. Obwohl das um 100 weniger als in den Jahren zuvor sind und dies der niedrigste Wert seit 1952 ist, stellt das – zugegebenermaßen – nach wie vor eine grauenhafte Bilanz dar.

Das Vormerksystem ist deshalb ein weiterer wichtiger Schritt zum Zwecke der Verbes­serung der Verkehrssicherheit, eine weitere Maßnahme im großen Verkehrssicher­heitspaket der Bundesregierung. Ich darf Ihnen hiezu einige Beispiele nennen: Die Section Control hatte hier in Wien, im Kaisermühlen-Tunnel, ihren Ursprung, sie wird jetzt bereits auf zwei österreichischen Autobahnstrecken angewendet und es werden noch mehrere hinzukommen; Baustellenabsicherungen wurden verbessert; es gibt den Mehrphasenführerschein für Jungführerscheinbesitzer sowie verpflichtende Drogen- und Alkotests bei Verkehrsunfällen; die Tunnelsicherheit wurde verbessert et cetera, et cetera.

Uns hat sicherlich nicht der Mut verlassen, sondern es handelt sich dabei um eine sehr mutige Reform des Führerscheingesetzes, lieber Kollege Stadler. Für die Verkehrs­sicherheit wurde noch nie so viel getan, wie das seit Beginn der schwarz-blauen Regierung der Fall ist. Wir haben nicht nur jahrelang darüber geredet, sondern wir setzen Reformen auch entsprechend um, und das ist der entscheidende Faktor!

Eines der großen Ziele ist, die Zahl der Verkehrstoten bis zum Jahre 2010 zu halbieren und die Zahl der Verkehrsunfälle mit verletzten Personen bis zu diesem Zeitpunkt um 20 Prozent zu verringern – hoch gesteckte Ziele, die natürlich auch entsprechende Maßnahmen erfordern.

Lieber Kollege Stadler! Sie haben gesagt, dass gewisse Delikte nicht in diesem Vor­merksystem enthalten sind. Da muss ich Sie berichtigen, denn Delikte wie zum Bei­spiel Raserei oder Alkoholisierung werden bereits jetzt mit Führerscheinentzug geahn­det. Wenn ich innerhalb von Ortschaften um 40 km/h zu schnell fahre und außerorts um 50 km/h, dann ist der Führerschein weg und dann muss ich nicht noch zusätzlich vormerken. Das heißt also, Sie wollen gleichzeitig bestrafen, den Führerschein weg­nehmen und vormerken. Wenn man das machen würde, dann wäre beim nächsten Delikt, bei der nächsten Vormerkung der Führerschein schon wieder weg, also gäbe es pausenlos Führerscheinentzug. Gewisse Dinge sollte man also schon auseinander halten.

13 schwere Übertretungen sind im Deliktkatalog enthalten. Um nur einige Beispiele zu nennen – jetzt komme ich noch einmal auf den Alkohol zu sprechen –: Alkoholisierung war bisher von 0,5 bis 0,8 Promille nicht mit Führerscheinentzug geahndet. Jetzt kommt das Ganze in das Vormerksystem. Gefährliche Vorrangverletzung, die Missach­tung von Stopptafeln und roten Ampeln, Überfahren von gesperrten Eisenbahnkreu-


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zungen, Gefährdung von Fußgängern auf Schutzwegen und Verstöße gegen die Kindersicherungspflicht sind ebenfalls berücksichtigt, um hier nur einige zu nennen. Derartige Delikte werden im Führerscheinregister vorgemerkt, um auffällig gewordene Lenker durch gezielte Maßnahmen sowie durch Androhung von Führerscheinentzug bei Kumulierung derartiger Vormerkungen hoffentlich wieder auf den rechten Weg zu­rückzuführen. Derartige Maßnahmen sind Nachschulungen, Fahrsicherheitskurse und auch Erste-Hilfe-Kurse. Gegenüber dem Punkteführerschein, wie er bereits angedeutet beziehungsweise skizziert war, ist dieses Vormerksystem tatsächlich billiger und effizienter. Das muss man hier auch bemerken.

Sie sagen, es fehle die Polizei. Wir haben die große Polizeireform beschlossen, und das bedeutet auch, dass 500 Beamte mehr in den Verkehrssicherheitsdienst kommen, dass wir 500 Beamte mehr auf der Straße haben. (Bundesrat Stadler: Wo sind die?) Die werden kommen. Lassen Sie uns jetzt einmal die Systeme zusammenführen: Start 1. Juli. Wir haben das hier beschlossen und diskutiert. Wir werden 500 Beamte mehr auf der Straße sehen, das ist ein entscheidender Faktor. (Bundesrätin Bachner: Fra­gen Sie Ihre Gewerkschaftskollegen!) Was sie dazu sagen, dass Polizei und Gendar­merie zusammengeführt werden? Meine Gewerkschaftskollegen haben das schon ausdiskutiert. (Bundesrätin Bachner: Die zusätzlichen Beamten auf der Straße muss man aber erst einmal finden!) Suchen muss man die Polizeibeamten nicht, wenn sie auf der Straße sind, denn dann sieht man sie ja, liebe Kollegin. (Bundesrätin Bachner: Dann fahren Sie einmal mit mir im Auto mit!) Ja, ich fahre gerne mit Ihnen mit, aber bitte langsam fahren, nicht dass wir ins Vormerksystem kommen. (Bundesrätin Bach­ner: Ich fahre grundsätzlich langsam!)

Das Vormerksystem ist also ein deklarierter Zusatz zum bestehenden Entzugssystem und sorgt dafür, dass diese 13 Delikte nicht nur durch Verwaltungsstrafen geahndet werden, sondern zusätzlich eingetragen, um es richtig zu sagen, vermerkt werden, und das auf die Dauer von zwei Jahren. Diese 13 Delikte sind erwiesenermaßen jene, die am häufigsten zu tödlichen Verkehrsunfällen führen.

Zu den Zielvorstellungen dieser Reform gehört auch, unverbesserlichen Risikolenkern ins Bewusstsein zu rufen, dass sie nicht alleine auf der Straße sind, sondern auch Verantwortung für andere Verkehrsteilnehmer tragen. Die Novelle des Führerschein­gesetzes ist also, wie erwähnt, ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, nämlich zu mehr Sicherheit auf Österreichs Straßen. Das bedeutet nicht, dass wir uns zurück­lehnen können, da gebe ich Ihnen Recht. Vieles wird erst die Praxis zeigen, nämlich wie die Behörden mit den neuen Bestimmungen umgehen, ob die betreffenden Fahr­zeuglenker wirklich motiviert werden und bereit sind, an ihrer Einstellung, am Gefah­renpotential, das sie darstellen, etwas zu ändern. Das wird ein ganz wichtiger und entscheidender Faktor sein.

Ich bin der Auffassung, dass dieses System eine Chance verdient, in einen dyna­mischen Prozess miteingebunden werden kann und dass wir hiebei auf einer hervor­ragenden Grundlage aufbauen können. In diesem Sinne darf ich mich bei meinem Landsmann, Vizekanzler Hubert Gorbach, und Staatssekretär Helmut Kukacka für einen weiteren markanten, zukunftsweisenden Baustein der Verkehrspolitik bedan­ken. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.24


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


20.24.51

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt


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leider die Lobesrede versäumt, ich komme jetzt wieder mit Kritik. Wer zu spät kommt ... (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Punkteführerschein, Vormerksystem ... (Ruf bei der ÖVP: Sagen Sie es eben noch einmal!) – Nein, das kann ich leider nicht wiederholen, denn es widerstrebt mir ein biss­chen, das zu wiederholen. (Bundesrätin Bachner: Bundesrat Mayer hat sicherlich alles aufgeschrieben – lassen Sie sich das geben!)

Seit zehn Jahren wird über diesen Punkteführerschein und über dieses Vormerksystem diskutiert, und was jetzt vorliegt, ist der kleinste Nenner. Allerdings nicht der kleinste gemeinsame Nenner, denn sowohl für die SPÖ als auch für uns ist dieses Ergebnis einfach unzureichend.

In Österreich sollen nur 13 Delikte zu einer Vormerkung führen, in Frankreich sind es 33, in Italien 67, in Großbritannien 102 und in Deutschland 163 Delikte – nur so zum Vergleich. Natürlich gibt es auch Argumente für diese Minimalvariante. Wir haben sie im Ausschuss ausführlichst gehört. Meiner Meinung nach sind sie relativ leicht zu entkräften, denn das Argument, es wäre zu viel Verwaltungsaufwand, mehrere Delikte aufzunehmen, ist für mich in Zeiten der EDV nicht wirklich ein Argument. Und dass Delikte wie zum Beispiel das Telefonieren mit dem Handy zu geringfügig wären, stimmt auch nicht. Laut einer VCÖ-Studie gibt es pro Jahr 40 Tote, verursacht durch Handy­telefonieren ohne Freisprechanlage. (Ruf bei der ÖVP: Und Sie telefonieren nicht?) Bitte, ich habe eine Freisprecheinrichtung! Es gibt aber doch einige, die offenbar keine haben oder die sie nicht nutzen. Laut dieser VCÖ-Studie sind es also 40 Tote pro Jahr, die wegen Handytelefonieren ohne Freisprecheinrichtung verunglücken. Das als zu geringes Delikt zu werten, das finde ich daher nicht passend.

Ein zweiter Punkt, der aus meiner Sicht noch dazukommt: Welches Bild entsteht bei den Autofahrern, wenn gesagt wird, Handytelefonieren am Steuer sei ein zu geringfügi­ges Delikt? Was erreiche ich damit beim Autofahrer? Oder wenn ich sage, Schnellfah­ren unter 70 km/h in der 30er-Zone sei ein zu geringfügiges Delikt, ebenso wie Schnell­fahren unter 150 km/h auf der Freilandstraße und unter 180 km/h auf der Autobahn? Und wenn sich Minister Gorbach durchsetzt, und 160 km/h erlaubt sind, haben wir dann 210 km/h, die auf der Autobahn – unter Anführungszeichen – „erlaubt“ sind? Es werden viele dann gar nicht schaffen, einen Punkt zu kriegen.

Man muss ja nicht alle Delikte gleich streng bewerten. Auch in anderen Ländern gibt es unterschiedliche Bewertungen. Zum Beispiel eben, dass Handytelefonieren nicht so streng bewertet wird wie wirkliches Rasen. Ich sehe die Gefahr, dass genau das, wofür es keinen Punkt gibt und wofür es keine Vormerkung gibt, dann mehr oder weniger zu einem „Kavaliersdelikt“ wird.

„Kavaliersdelikt“ ist ein Ausdruck, der meiner Meinung nach jeden wirklichen Kavalier beleidigt. Ein Kavalier würde niemals über den Zebrastreifen fahren, den jemand über­queren möchte. Er würde auf jeden Fall stehen bleiben, auch wenn es keine ausdrück­liche Gefährdung für einen Fußgänger gibt. Ein Kavalier würde auch weniger schnelle Kfz überholen lassen, ohne dass er hinten auffährt und sie anblinkt und anhupt, und ein Kavalier rast nicht, sondern er nimmt sich die Zeit, die er braucht, auch beim Auto­fahren.

Verkehrssicherheit hat auch sehr viel mit Bewusstseinsbildung zu tun. Es gibt die Möglichkeit, sich durch ein Fahrsicherheitstraining auch Gutpunkte zu holen. Ich habe selbst einmal ein Fahrsicherheitstraining gemacht, und mir ist Folgendes aufgefallen: Man fährt hin und ist sich bewusst, dass man den ganzen Tag im Auto sitzen wird. Man ist eher ausgeruht und sehr konzentriert, und kann so auch ausreizen, was geht und was nicht geht. Üblicherweise bin ich nicht ganz so entspannt und nicht ganz so konzentriert, wenn ich mich ins Auto setze, um von A nach B zu fahren. Wenn ich dann


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weiß, was ich alles ausreizen kann, kann ich mich gerade durch dieses Fahrsicher­heitstraining möglicherweise auch ein bisschen überschätzen. Meiner Meinung nach wäre es vielleicht sinnvoller, dass man Gutpunkte bekommt, indem man zum Beispiel einen Tag auf einer Unfallchirurgie verbringt, um einmal zu sehen, wie sich zu wenig Konzentration am Steuer auswirken kann.

Weiter zur Bewusstseinsbildung in Österreich: Ich kenne sehr viele Menschen, für die Verkehrsstrafen im Allgemeinen eine Abzockerei sind. Wenn man gestraft wird, weil man irgendwo 10 km/h zu schnell fährt, dann gibt es große Aufregung und häufig viel Geschimpfe, anstatt dass man sich bewusst würde, dass man etwas falsch gemacht hat, denn das sollte durch die Strafe doch eigentlich erreicht werden. Man sollte sich nicht nur deshalb richtig verhalten, damit man keine Strafe bezahlen muss, sondern eben damit man sicher fährt. Ich kenne auch sehr viele Leute, die sagen: Ich trinke nichts, denn sonst werde ich bestraft. – Eigentlich sollte man aber nichts trinken, damit man keinen Unfall verursacht. Das ist ein Punkt, wo wir in der Bewusstseinsbildung wirklich noch einiges erreichen müssten.

Dadurch, dass wir jetzt eben nur 13 Delikte im Vormerksystem erfasst haben und mit diesem Vormerksystem also wirklich sparsam umgehen, gehen wir doch einen Schritt in die falsche Richtung. Meiner Meinung nach gehört das noch ausgeweitet, und des­halb werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.30


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Zellot. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.30.26

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Das ist natürlich ein sehr interessanter Tages­ordnungspunkt mit dem Vormerksystem und erzieherischen Maßnahmen gegenüber Risikolenkern, wie das so schön da steht. Ich würde es verabscheuen, wenn, wie es auch immer wieder heißt, von Straßentätern oder Wiederholungstätern die Rede wäre. Man müsste untereinander ein bisschen ehrlicher sein, weil wir als Volksvertreter – ich nehme an, dass jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges ist – täglich auf der Straße sehen können, welche Delikte begangen werden.

Ich bin auch dafür, wie das meine Vorrednerin, Frau Kerschbaum, bereits gesagt hat, die Braven, die Lenker von Fahrzeugen, die sich an die Straßenverkehrsordnung hal­ten, die sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten und an die allgemeinen Regeln, die es zusätzlich noch gibt, irgendwie zu belohnen, wenn sie sich auf längere Zeit an die gesetzlichen Regeln der StVO halten.

Auf Grund der Todesfälle und nicht nur der Todesfälle, sondern auch der Folgen von schweren Verkehrsunfällen mit körperlichen Verletzungen, durch deren Behandlung es zu zusätzlichen finanziellen Belastungen kommt, ist es unbedingt notwendig, ein Vor­merksystem einzuführen. Ich bin auch deswegen für das Vormerksystem, da ich, wenn ich heute eine Verkehrsübertretung in Mödling begehe, eine Verwaltungsstrafe der dortigen Bezirkshauptmannschaft nachhause geschickt bekomme. Wenn ich dann drei Stunden später in Salzburg eine Verkehrsübertretung begehe, dann weiß keiner, wie viele Verkehrsübertretungen der Herr Zellot oder sonst jemand eigentlich begangen hat, denn das scheint ja nirgends auf. Mit diesem Vormerksystem mache ich mich, wenn ich die zulässige Geschwindigkeit überschreite, nicht nur strafbar, sondern werde auch vorgemerkt. Wenn ich eine Strafe zahle, dann zahle ich sie eben weg, wenn ich aber vorgemerkt bin, so meine ich, ist das eine berechtigte und wirksame erzieherische


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Maßnahme, sodass der vorgemerkte Fahrzeuglenker in Zukunft ein bisschen vorsich­tiger sein wird.

Heute ist das Thema des Telefonierens mit dem Handy bereits angeschnitten worden. Wer telefoniert eigentlich häufig? – Es sind jene, die während der Fahrt ihren Geschäf­ten nachgehen. Ich würde auch behaupten, dass das Telefonieren gar nicht so gefähr­lich ist. Noch gefährlicher ist das Wählen und das Suchen des Teilnehmers, ganz egal, ob man das Handy in der Hand hat oder in einer Freisprechanlage, man muss immer dorthin sehen, ob auch der richtige Teilnehmer angerufen oder die richtige Nummer gewählt wurde. (Bundesrat Reisenberger: Mit den neuen Freisprechanlagen geht das!) – Ja, Freisprechanlage, Entschuldigung, das ist die neueste Technik. Okay, ich danke. (Bundesrat Gruber: Abhören kann man damit jedenfalls nicht!) Das zeigt, dass mein Beitrag schon ein wenig etwas gebracht hat. Sie wissen bereits, womit man abhören kann und womit nicht.

Ich meine aber trotzdem, dass dieses Führerscheingesetz beziehungsweise dieses Vormerksystem ein Schritt für einen vernünftigen Straßenverkehr ist. Und wenn auch nicht alles stimmt, jedes Gesetz muss einer Praxis unterzogen werden und der Gesetz­geber kann es immer und in jedem Bereich, in dem er das für wichtig hält, auch aus­weiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Blatnik das Wort.

 


20.35.20

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Ich wollte ja eigentlich diese gelbe Schutz­weste umhängen, nur habe ich leider keine gefunden. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Hier, bitte schön, im Auto habe ich sie natürlich. Übrigens wollte ich Sie auch nicht überstrapazieren, da ich heute schon mit diesem Fußballleiberl er­schienen bin. So habe ich mir gedacht: Jetzt anders!

Herr Kollege Mayer, Sie haben vorhin gesagt, der pausenlose Führerscheinentzug sei nicht unsere Sache. Ich denke schon, es muss unsere Sache sein, denn genau das ist der Punkt: Es geht nämlich um die Verkehrssicherheit. Wenn zum Beispiel mehrere Delikte vorliegen, man bei Führerscheinentzug praktisch wieder bei null anfängt, wieder „rein“ ist, die ganzen Vormerkungen praktisch nicht mehr gelten, trägt das nicht zu einer richtigen Verkehrssicherheit bei.

Fakt ist, dass im Jahre 2003 931 Menschen wegen überhöhter Geschwindigkeit auf ös­terreichischen Straßen bei Verkehrsunfällen starben. Fakt ist auch, dass in Österreich die Anzahl der Höchstrisikolenker und -lenkerinnen ständig steigt, durch Alkohol verur­sachte Unfälle, Verkehrsunfälle wegen Drogenkonsum, zu hoher Geschwindigkeit, und, wie auch meine Vorrednerin Elisabeth Kerschbaum gesagt hat, durch Telefonieren ohne Freisprechanlage. All diese Punkte sind jedoch kein Grund, in dieses Vormerk­system eingetragen zu werden.

Fakt ist auch, dass mehrfach begangene Vormerkdelikte als Einfachdelikt vorgemerkt werden. Ein Beispiel: Alkoholisiertes Rasen mit ungesichertem Kind wird praktisch nur als Einfachdelikt vorgemerkt. Das lehnen wir strikt ab.

Wir sind gegen dieses Vormerksystem, weil auf Grund der bisher bestehenden gesetz­lichen Regelungen die Behörde über ausreichende Möglichkeiten verfügt, bei schwe­ren Verstößen gegen die Verkehrssicherheit sowie im Wiederholungsfall unverzüglich mit Entzug der Lenkerberechtigung vorzugehen. Wir meinen, dass die jetzige Bundes­regierung dafür sorgen sollte, dass die bestehenden Strafmöglichkeiten ausgeschöpft


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werden und ausreichend kontrolliert wird. Wichtig sind Kontrollen und wieder Kon­trollen. Ohne Kontrolle ist ein neues Gesetz eine Alibihandlung, die niemandem nützt und nur neuerliche Bürokratie bewirkt. Anstatt Personen in der Exekutive abzubauen, müssten wir schleunigst aufstocken, wenn uns die Sicherheit wirklich am Herzen liegt.

Wir werden, wie gesagt, diesem Vormerksystem nicht zustimmen, weil wichtige Punkte, die für die Verkehrssicherheit notwendig sind, fehlen. (Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.40.00

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vormerkführerschein ist auf jeden Fall ein Meilenstein. Warum ist er das? – Weil er postuliert, dass es endlich weniger Verkehrstote und auch weniger Verletzte auf den Straßen geben soll. Wir wissen aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass man dazu verschiedene Sanktionen braucht, denn nur an das Gute im Menschen zu appellieren, das nützt vielleicht bei dem einen oder anderen Heiligen der katholischen Kirche, aber bei den meisten normalen Men­schen zumindest nicht immer. (Bundesrat Reisenberger: Das darf ja nicht wahr sein!)

Daher ist die Einführung des Punkteführerscheines sicher ein Versuch, aber man darf doch einmal etwas ausprobieren, und es ist auch vorgesehen, dass nach einer gewis­sen Zeit eine Evaluierung – wie das heute auf Neudeutsch heißt – durchgeführt wird, ob sich das System bewährt oder nicht.

Vor allem soll eines erzielt werden: Die Risikolenker und die Mehrfachtäter sollen her­ausgefiltert werden. Daher ist dieser Vormerkführerschein eine sehr gute Maßnahme. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Zweite: Wir wissen aus der Statistik, dass vor allem die 16- bis 25-jährigen – bedauerlicherweise – Männer besonders unfallgefährdet sind. Aus dem heraus muss man versuchen, diese Risikogruppe einerseits zu erfassen, andererseits auch entspre­chend auszubilden, zu belehren, zu animieren, vernünftig mit dem Auto umzugehen, denn das Auto soll bitte nicht als Waffe eingesetzt werden.

Etwas anderes ist in diesem Gesetz noch vorgesehen: Es soll zu einer Evaluierung kommen, wonach man dann aus den Erfahrungen entsprechende Schlüsse zieht, um das Gesetz zu verbessern.

Eines möchte ich aber auf Grund meiner früheren Tätigkeit zumindest zu bedenken ge­ben: Es gibt beim österreichischen Bundesheer eine Einrichtung, nämlich die Stellung, bei der verschiedene Untersuchungsschritte erfolgen, aber auch eine psychologische Testung, die ziemlich aufwendig ist. Es wäre sehr schön, wenn man diese psycholo­gische Testung beim Bundesheer durch eine entsprechende gesetzliche Bestimmung eventuell mit den amtsärztlichen Untersuchungen zusammenführen könnte, damit man nicht bei der einen Einrichtung versucht, sich durch Simulation eventuell dem Wehr­dienst oder Zivildienst zu entziehen, aber trotzdem einen Führerschein zu haben, denn dort ist man natürlich psychisch entsprechend tauglich. Wenn das gelingen sollte, wäre das ein schöner Erfolg. (Bundesrat Reisenberger: Das ist ja unglaublich!)

Zusammenfassend möchte ich sagen: Es ist ein zweifelsohne tauglicher Versuch auf einem Neuland in Österreich, damit man die Risikolenker zur Ordnung rufen und her-


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ausfiltern kann, damit der Straßenverkehr sicherer wird und wir im Endeffekt weniger Verkehrstote und Verletzte haben werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.43.28

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Kurz zurückkommend auf den Erstredner der sozialdemokratischen Fraktion, Kollegen Stadler. Er hat gemeint, dass die Regie­rung und die Regierungsparteien bei der vorliegenden Novelle zum Führerschein­gesetz und zur Straßenverkehrsordnung der Mut verlassen habe und dass es der sozi­aldemokratischen Fraktion zu wenig weit gehe. Er hat als Beispiel dafür angeführt, dass Geschwindigkeitsdelikte, Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht in Vormerkung genommen werden.

Meine Damen und Herren! Genau diese Argumentation lässt den Schluss zu, dass es Stadler und der SPÖ, wenn es nach ihren Vorstellungen geht, wichtig ist, die derzeitige Gesetzeslage, die Straßenverkehrsordnung, wonach die Sanktionen sehr rigoros sind, aufzuweichen. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Denn zurzeit ist es ja Rechtslage nach der Straßenverkehrsordnung, Herr Kollege: Bei Geschwindig­keitsüberschreitung im Ortsgebiet von 40 Stundenkilometern: Führerscheinentzug; bei Geschwindigkeitsüberschreitung auf Freilandstraßen von über 50 Stundenkilometern: Führerscheinentzug. Sie wollen statt dieses Entzuges eine Vormerkung. Sie haben einen Widerspruch in Ihrer Argumentation, Herr Kollege. (Bundesrat Stadler: Zuhören, Herr Kollege! Zuhören, was gesagt wird!) Die Konsequenz aus Ihrer Forderung wäre: Statt Entzug des Führerscheins bei gravierenden Delikten wie eben Geschwindigkeits­überschreitung eine Vormerkung.

Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Auch Kollegin Kerschbaum hat gemeint, ihr gehe die Novelle zu wenig weit, es seien zu wenige Delikte für die Vormerkung ange­führt. Sie hat als Beispiel das Telefonieren ohne Freisprechanlage angeführt.

Frau Kollegin Kerschbaum, Sie haben auch gesagt, es ist ein Schritt, der Ihnen zu wenig weit geht. Ich sage Ihnen, Sie versuchen mit Ihrer Argumentation den zweiten Schritt vor dem ersten zu setzen. Das wird nicht funktionieren und kann nicht funktio­nieren, denn Telefonieren ohne Freisprechanlage ist jetzt auch schon ein Delikt und wird jetzt auch schon geahndet. (Bundesrat Stadler: Nur vorgemerkt wird es nicht!) Die zweite Seite ist allerdings: Das in Vormerkung zu nehmen, das wäre sicher nicht administrierbar, weil das Verbot zurzeit ohnedies schon sehr schwer exekutierbar ist. (Bundesrätin Blatnik: Und warum?)

Dritter Punkt, meine Damen und Herren: Kollegin Blatnik – das hat mich sehr betroffen gemacht – hat darüber Klage geführt, dass die Zahl der Verkehrstoten rückläufig ist. Frau Kollegin, seien wir doch froh darüber! (Bundesrätin Blatnik: Was soll ich gesagt haben? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir hatten über tausend Verkehrstote, und diese Zahl ist 2003, 2004 rückläufig. Das ist doch eine positive Entwicklung. Natür­lich bin ich bei Ihnen, dass jeder Verkehrstote zu viel ist, aber gerade wenn wir eine strengere Maßnahme, nämlich das Vormerksystem, beschließen, um die Zahl zu sen­ken, und wenn Ihnen die Verkehrstoten ein Anliegen sind, dann müssten Sie erkennen, dass die Zahl rückläufig ist (Bundesrat Stadler: Die soll ja erst gesenkt werden!), und bereit sein, hier auch mitzugehen, um die Verkehrssicherheit auf den Straßen anzuhe­ben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

20.47



Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Mag. Kukacka das Wort.

 


20.47.00

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Angesichts der fortgeschrittenen Stunde und der Tatsache, dass es der letzte Tages­ordnungspunkt ist, sind wir uns, so glaube ich, einig, dass ich mich sehr kurz halte.

Es sind ja auch die Vorteile des Systems von den Koalitionsrednern sehr gut darge­stellt worden. Zu den Oppositionsrednern möchte ich nur sagen, meine Damen und Herren: Wir brauchen uns in diesem Fall gar nicht selbst zu loben, denn wir werden gelobt, und zwar von zwei ganz wesentlichen verkehrspolitischen Institutionen dieses Landes, die sehr unabhängig sind und mit der Regierung politisch wenig am Hut haben. Das ist zum einen der VCÖ, der angeblich den Grünen nahe stehen soll. (Bun­desrätin Kerschbaum: Sie meinen, der ÖVP!) Dieser VCÖ begrüßt ausdrücklich das Modell und vergleicht die Einführung des Vormerksystems mit der Gurtenpflicht und der 0,5-Promille-Grenze als Meilenstein der Verkehrssicherheitspolitik. Dem habe ich nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit, das sich immer konsequent, rigoros und rich­tigerweise gegen Raser, gegen das Schnellfahren, gegen Verkehrssünder ausge­sprochen und sich gleichsam als das verkehrssicherheitspolitische Gewissen dieses Landes profiliert hat, hat anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes im Nationalrat gesagt:

Der Katalog mit 13 Delikten ist das richtige Signal gegen Hochrisikolenker und damit für mehr Verkehrssicherheit auf Österreichs Straßen. Er umfasst alle relevanten Delikte und ist funktionell angelegt. Weniger als 500 Verkehrstote bis 2010 sind durch dieses System wieder ein realistisches Ziel. – Dem, meine Damen und Herren, habe ich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.49


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Frau Kollegin Blatnik.

 


20.49.42

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte schon etwas feststellen: Ich freue mich absolut über jedes Minus an Verletzten und an Toten auf österreichischen Straßen. Ich habe nie etwas anderes gesagt. Ich habe gesagt, dass im Jahre 2003 931 Menschen wegen überhöhter Geschwindigkeit auf österreichischen Straßen bei Verkehrsunfällen starben.

Noch einmal: Ich freue mich wirklich über jedes Minus, das auf Österreichs Straßen zu verzeichnen ist. Ich möchte ganz einfach, dass Sie das zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.50.54Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen, 2295/J bis 2305/J, einge­bracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Termin wird Donnerstag, 14. April 2005, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 12. April 2005, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

20.51.29Schluss der Sitzung: 20.51 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

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