Stenographisches Protokoll

731. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 9. Februar 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

731. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 9. Februar 2006

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 9. Februar 2006: 9.01 – 17.49 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (9. FSG-No­velle)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das ASFINAG-Gesetz und das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

4. Punkt: Protokoll über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Internationa­len Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorgenommenen Ände­rungen in der Neufassung des Protokolls vom 27. Juni 1997 samt Schlussakte

5. Punkt: Protokoll zur Neufassung des Internationalen Übereinkommens vom 13. De­zember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorgenommenen Änderungen samt Zusatzprotokoll und Schlussakte

6. Punkt: Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Bei­tritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union

7. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend einheitliches Verpflegungsgeld für Zivildiener

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 27

8. Punkt: Selbständiger Antrag 148/A-BR/2006 der Bundesräte Wolfgang Schim­böck, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und deren Konsequenzen für Österreich“

*****


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Bundesrat

Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 148/A-BR/2006 betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und deren Konsequenzen für Österreich“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Aus­schuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ................................................................................................  26, 26

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 92

Fragestunde (118.)

Justiz ............................................................................................................................... 7

Roswitha Bachner (1486/M-BR/06); Josef Saller

Dr. Franz Eduard Kühnel (1483/M-BR/06); Albrecht Konecny, Dr. Ruperta Lich­tenecker

Stefan Schennach (1490/M-BR/06); Albrecht Konecny, Franz Perhab

Gabriele Mörk (1487/M-BR/06); Günther Köberl, Eva Konrad, Harald Vilimsky

Thomas Einwallner (1484/M-BR/06)

Peter Mitterer (1489/M-BR/06); Eva Konrad, Albrecht Konecny

Helmut Wiesenegg (1488/M-BR/06); Stefan Schennach, Ing. Siegfried Kampl

Johann Höfinger (1485/M-BR/06); Mag. Susanne Neuwirth, Dr. Ruperta Lichten­ecker

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 26

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  26, 117

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesmi­nisterin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Verdacht auf zweckwidrige Verwendung von öffentlichen Geldern im Sozialminis­terium zu Gunsten einer politischen Partei (2379/J-BR/06) ....................              92

Begründung: Albrecht Konecny ................................................................................... 93

Bundesministerin Ursula Haubner ............................................................................ 95

Debatte:

Ana Blatnik .................................................................................................................. 102

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 104

Stefan Schennach ...................................................................................................... 107

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 110

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 112


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 3

Harald Vilimsky .......................................................................................................... 114

Peter Mitterer .............................................................................................................. 116

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (9. FSG-Novelle) (757/A und 1274 d.B. sowie 7470/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 27

Berichterstatter: Karl Boden ......................................................................................... 27

Redner/Rednerinnen:

Thomas Einwallner ...................................................................................................... 27

Werner Stadler .............................................................................................................. 30

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 32

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  33, 42

Peter Mitterer ................................................................................................................ 36

Günther Molzbichler .................................................................................................... 38

Staatssekretär Mag. Eduard Mainoni ........................................................................ 39

Johann Höfinger ........................................................................................................... 41

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 42

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 44

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 46

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 48

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 48

Manfred Gruber ............................................................................................................ 49

Antrag der Bundesräte Thomas Einwallner, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (9. FSG-Novelle), (757/A und 1274 d.B. sowie 7470/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Ein­spruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich .....................................................  29, 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................... 50

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das ASFINAG-Gesetz und das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geändert werden (1262 d.B. und 1275 d.B. sowie 7471/BR d.B.) ................................. 50

Berichterstatterin: Maria Mosbacher ............................................................................ 50

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Sodl .............................................................................................................. 51

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 52

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 53

Günther Molzbichler .................................................................................................... 56

Staatssekretär Mag. Eduard Mainoni ........................................................................ 57

Franz Perhab ................................................................................................................. 58

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 60

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1191 d.B. und 1263 d.B. sowie 7467/BR d.B. und 7472/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 60

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 60


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 4

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend das Pro­tokoll über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Internationalen Über­einkommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorgenommenen Änderungen in der Neufassung des Protokolls vom 27. Juni 1997 samt Schluss­akte (1260 d.B. und 1276 d.B. sowie 7473/BR d.B.) ............................................................. 60

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 60

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend das Pro­tokoll zur Neufassung des Internationalen Übereinkommens vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ ent­sprechend den verschiedenen vorgenommenen Änderungen samt Zusatzproto­koll und Schlussakte (1261 d.B. und 1277 d.B. sowie 7474/BR d.B.) ........................................ 60

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 60

Rednerin:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 62

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (1265 d.B. und 1278 d.B. sowie 7468/BR d.B.) ................................................... 62

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ......................................................................... 62

Redner/Rednerinnen:

Harald Vilimsky ............................................................................................................ 62

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 65

Hans Ager ..................................................................................................................... 66

Stefan Schennach ........................................................................................................ 68

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 69

Ernst Winter .................................................................................................................. 71

Eva Konrad ................................................................................................................... 71

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ......................................................................... 73

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 74

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen............................................................ 77

7. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend einheitliches Verpflegungsgeld für Zivildiener (147/A (E)-BR/2005 sowie 7469/BR d.B.)                78

Berichterstatter: Erwin Preiner ..................................................................................... 78


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 5

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bernhard Baier .............................................................................................  78, 84

Helmut Wiesenegg ................................................................................................  80, 91

Eva Konrad ................................................................................................................... 82

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 83

Stefan Schennach ........................................................................................................ 85

Harald Reisenberger .................................................................................................... 87

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, die dem schriftlichen Ausschuss­bericht beigedruckte Entschließung betreffend einheitliches Verpflegungsgeld für Zivildiener anzunehmen (203/E-BR/2006)               ............................................................................................................................... 92

8. Punkt: Selbständiger Antrag 148/A-BR/2006 der Bundesräte Wolfgang Schim­böck, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und deren Konsequenzen für Österreich“   ............................................................................................................................... 92

Annahme des Antrages auf Abhaltung einer Enquete ................................................... 92

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Jus­tiz betreffend „Parteipolitik auf dem Rücken von Hochwasseropfern?“ (2378/J-BR/06)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Verdacht auf zweckwid­rige Verwendung von öffentlichen Geldern im Sozialministerium zu Gunsten einer poli­tischen Partei (2379/J-BR/06)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Interventionen des Pressesprechers des Finanzministers zu einer Aussendung von ProSieben Austria zum Thema Fiona Swarovski (2380/J-BR/06)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Hochwasserschäden 2005 in Vorarlberg: Eintragungsgebühr für Ersatzobjekte und Grunderwerbsteuer für den Mehrwert- bei Absiedlungen aus der Parzelle Schild­ried in Göfis (2381/J-BR/06)

Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Entscheidung des VfGH in der Frage der zweisprachigen Ortstafeln in Bleiburg und Bleiburg-Ebersdorf (2382/J-BR/06)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft be­treffend Erhöhung der Mittel für den Schutzwasserbau (2383/J-BR/06)

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend eine öffentliche AHS-Langform in Innsbruck (2384/J-BR/06)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Visapolitik (2385/J-BR/06)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 6

Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend Rainerkaserne in Salzburg/Glasenbach – Nutzung als Aus­weichquartier für die HTL Hallein (2386/J-BR/06)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Bildungssparen“ (2387/J-BR/06)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatz der PKW-Autobahnvignette durch Integration der Gebühren in die Mineralölsteuer als fahrleistungsabhängige Abgabe (2178/AB-BR/06 zu 2371/J-BR/05)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Einstellung der Produktionssubventionen für das „aktionstheater ensemble“ durch den Bund (2179/AB-BR/06 zu 2373/J-BR/05)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wie­senegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Heizkostenzuschuss (2180/AB-BR/06 zu 2372/J-BR/05)


09.01.16


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Einen schönen guten Morgen! Ich eröffne die 731. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 730. Sitzung des Bundesrates vom 25. Jänner 2006 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Es wurden mir keine Verhinderungen von Bundesratsmitgliedern gemeldet.

09.02.08Fragestunde

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bevor ich jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu er­möglichen, bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Justiz

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Bundesminis­terin für Justiz, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Bachner, um die Verlesung ihrer Anfrage.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin, meine Frage an Sie lautet:

1486/M-BR/2006

„Wie beurteilen Sie die schwerwiegenden Einwände nahezu aller Fachleute zur Forde­rung der Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 13 Jahre insbesondere auch im Zu­sammenhang mit der Kriminalitätsrate?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Danke schön – und ein herz­liches „Guten Morgen!“ von meiner Seite.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass diese Forderung der Herabsetzung der Strafmündigkeit nicht aus dem Justizministerium kommt; das ist, glaube ich, auch allen klar. Ganz generell stehe ich der Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 Jahren auf 13 Jahre sehr skeptisch gegenüber. Ich nehme die Einwände der Experten – vor allem haben sich auch sehr viele Kinderpsychologen im Rahmen dieser Diskussion zu Wort gemeldet – sehr ernst. Ich begrüße aber die Diskussion zu diesem Thema, weil es uns nämlich auch aufzeigt, dass es hier Schwierigkeiten gibt.

Wir haben uns, weil Sie auch das gefragt haben, die Kriminalstatistik angesehen. Im Jahr 2004 gab es 643 648 angezeigte Fälle; davon waren in 5 499 Fällen unter 14-Jäh­rige und unter diesen 778 Kinder unter zehn Jahren, die bereits eine Straftat begangen haben. Ähnlich stellt sich auch die Situation im Jahr 2005 dar mit 5 742 Fällen mit unter 14-Jährigen und darunter mit 709 Kindern unter 10 Jahren, die praktisch schon eine Straftat begangen haben.

Wir sehen, dass es da ein Problem gibt und dass wir da gemeinsam an einer Lösung werden arbeiten müssen. Ich persönlich stehe jedoch auf dem Standpunkt, dass Straf­recht, gerade wenn es um Kinder geht, nicht die erste Lösung sein darf. Das meine ich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 8

aus ganzem Herzen so, weil ich auch glaube, dass wir hier mit strafrechtlichen Konse­quenzen nicht all die Probleme unserer Gesellschaft werden lösen können. Ich sehe da vielmehr teilweise natürlich die Eltern gefordert, aber auch die Jugendwohlfahrtsein­richtungen, die gerade bei auffälligen Kindern, bei verhaltensauffälligen Kindern, die sogar eine kriminelle Karriere einschlagen, da vermehrt tätig werden müssen.

Wie gesagt, ich begrüße aber diese Diskussion, weil es dadurch wieder zu verstärkter Bewusstseinsbildung gekommen ist in diesem sehr wichtigen Bereich, der natürlich auch uns sehr wichtig sein muss.

Wir haben auch aus den Statistiken der letzten Jahren gesehen, dass wir teilweise auch Bandenkriminalität mit Kindern in Österreich zu gewahren hatten. Es hat eine Zeit gegeben, in der viele Kinder aus Rumänien in diesem Bereich tätig waren, und gerade in Wien hat die Magistratsabteilung, die für die Jugendwohlfahrt zuständig ist, eine sehr gute Kooperation mit den rumänischen Behörden im Hinblick auf die Rückführung die­ser Kinder nach Rumänien aufgebaut. Das ist der Weg, den wir da gehen sollen. Ich bin mir sicher, dass der Magistrat Wien auch mit bulgarischen Behörden – momentan haben wir eine „bulgarische Phase“ in diesem Bereich – Kontakte aufzubauen ver­sucht, um die Kinder wieder geordnet zurückzuführen.

Ich gebe aber gerade auch bei diesen Bandenbildungen zu bedenken, dass hinter die­sen Banden immer Erwachsene stehen und die Kinder de facto Täter und Opfer zu­gleich sind.

Aus meiner Sicht begrüße ich diese Diskussion, aber ich glaube nicht, dass das Straf­recht das richtige Instrument ist, um da tatsächlich eine Lösung zu bringen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin, ich habe keine Zusatzfrage mehr, weil Ihre Beantwortung genau in meinem Sinn ist. – Danke.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Saller, bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin, wie wurde derarti­gen Phänomenen in der Vergangenheit begegnet?

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Ich habe es schon ausgeführt: In der Vergangenheit war es so, vor allem was die Bandenbildungen anbelangt – ich habe das schon erwähnt –, dass vor allem der Magistrat Wien sehr gute Kontakte mit den rumänischen Behörden gehabt hat. Er hat sie nach wie vor, und es wird versucht, die Kinder geordnet zurückzuführen.

An einer ähnlichen Lösung arbeiten wir beziehungsweise arbeitet der Magistrat derzeit auch mit bulgarischen Behörden.

Auf der anderen Seite ist es natürlich notwendig, dass da insbesondere auch Jugend­wohlfahrtsbehörden, aber auch die Pflegschaftsgerichte einschreiten und dass ver­sucht wird, unter gerichtlicher Anleitung diese Kinder wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Es ist natürlich ein sehr schwieriges Problem, weil wir in der Praxis auch sehen, dass vielfach gerade auch die Eltern mit diesen Kindern heillos überfordert sind; das ist im Grunde genommen das Kernproblem. Es gibt da auch kaum soziale Einrich­tungen in der Form, dass die Kinder auch richtig angeleitet und betreut werden. Ich glaube, dass das wirklich ein Problem ist, über das wir noch weiter werden diskutieren müssen, aber nicht nur unter dem Aspekt Strafrecht, sondern vor allem auch unter dem Aspekt: Wie gehen wir damit um, wenn Eltern Erziehungsschwierigkeiten mit ihren Kin­dern haben beziehungsweise Kinder auf die schiefe Bahn geraten?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 9

Was mich in der Vorbereitung für diese Fragestunde besonders erschüttert hat, war der Umstand, dass wir doch sehr viele Kinder auch unter zehn Jahren haben, die be­reits straffällig werden. Sie können sich vorstellen, dass da kriminelle Karrieren dann oft schon vorprogrammiert sind. Das kann aber nicht das sein, was wir in Österreich wollen. Da werden wir gemeinsam noch viele Anstrengungen unternehmen müssen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kersch­baum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Die Zusatzfrage hat sich durch die Beantwortung der ersten Frage schon erledigt.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Dann gelangen wir nunmehr zur 2. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Konecny, um die Verlesung seiner Frage. (Bundesrat Konecny zeigt sich erstaunt. – Rufe: Das ist falsch!) – Aha, das ist falsch! Ich sehe gerade, dass das falsch ausgefüllt wurde.

Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Kühnel um die Verlesung seiner Frage. (Bundesrat Ko­necny: Uns kann man doch gar nicht verwechseln! – Heiterkeit.)

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Meine Frage lautet:

1483/M-BR/2006

„Was sind die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Reorganisation der Strafvollzugsver­waltung?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Wie Sie wissen, hat mir der Na­tionalrat über eine Entschließung vom – ich habe das genaue Datum vergessen; 6. De­zember, danke, Herr Dr. Epp! – 6. Dezember 2005 aufgetragen, die Reorganisation des Strafvollzuges, vor allem der Strafvollzugsverwaltung, durchzuführen, dazu eine Arbeitsgruppe einzurichten und noch in dieser Legislaturperiode eine gesetzliche Initia­tive, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir haben aus diesem Anlass im Justizministe­rium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der wir uns damit auseinander setzen, wie wir den Strafvollzug in Österreich, vor allem auch was die Verwaltung betrifft, bestmöglich reorganisieren können.

Hintergrund ist der, dass bei uns im Haus die Dienstaufsicht und die Fachaufsicht der­zeit getrennt sind. Die Dienstaufsicht ist zu den Oberlandesgerichten ausgelagert, die Fachaufsicht findet großteils bei uns, im Bundesministerium für Justiz, statt. Eine best­mögliche Organisation sieht so aus, dass Dienst- und Fachaufsicht in einer Hand ver­einigt sind und dass es hier straffe und effiziente Verfahrensabläufe gibt, die auch klare Entscheidungsstrukturen vorgeben.

Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppensitzung werden jetzt am 17. Februar 2006 prä­sentiert, sodass es für mich momentan sehr schwierig ist, hier jetzt dieses Ergebnis praktisch schon vorwegzunehmen, weil diese Ergebnisse in der Endphase noch nicht vorliegen.

Ich kann Ihnen nur insofern berichten, als da de facto drei Modelle untersucht wurden: Ein Modell ist, die Fachaufsicht auf die Oberlandesgerichte auszulagern. Das zweite Modell ist, dass hier eine Zwischenbehörde, also praktisch eine nachgeordnete Dienst­stelle als Generaldirektion für den Strafvollzug an das Bundesministerium für Justiz an-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 10

geschlossen wird, und die dritte Variante ist die Einrichtung einer Generaldirektion im Bundesministerium für Justiz und praktisch das Zurückziehen der Dienstaufsicht wie­der ins Haus.

Die Bewertung dieser drei Varianten ist derzeit noch nicht abgeschlossen, sodass ich Ihnen leider kein endgültiges Ergebnis präsentieren kann, aber ich werde gerne zu ge­gebener Zeit, sobald das Ergebnis vorliegt, hier weiter berichten. (Bundesrat Dr. Küh­nel: Auf Grund der umfassenden Beantwortung erübrigt sich eine Zusatzfrage!)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Aber jetzt, bitte schön: Herr Bundesrat Konecny.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin, ich entschuldige mich für den Versuch des Kollegen Kühnel, Ihre nächstwöchige Pressekonferenz „ab­zustechen“. (Heiterkeit.)

Ich habe nur eine kleine Zusatzfrage: Ist das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe dergestalt, dass darauf zu hoffen ist, dass bei der Umsetzung zusätzliche personelle Kapazitäten tatsächlich für den Strafvollzug frei werden?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Ziel dieser Reorganisation des Strafvollzuges war es nicht primär, zusätzliche personelle Kapazitäten freizuschaufeln, sondern mein Ziel bei dieser Reorganisation ist es primär, hier straffe Organisationsab­läufe und vor allem auch einen interdisziplinären Zugang zur Strafvollzugsverwaltung zu ermöglichen, weil ich mir hierdurch einen Qualitätssprung erwarte.

Ziel dieses Projektes ist es auch, in jedem Fall auch sehr personalsparend vorzuge­hen, hier zumindest ein kostenneutrales Modell zu erarbeiten und, wenn es möglich ist, auch Personalressourcen für den allgemeinen Strafvollzug freizumachen. Sollte dies gelingen, würde es mich freuen, aber mir ist es besonders wichtig, dass wir hier klare Entscheidungsabläufe haben. Wir wollen auf keinen Fall durch diese Reorganisation des Strafvollzuges mehr Personal für die Strafvollzugsverwaltung einsetzen, sondern unser Ziel wird es immer sein, in jedem Fall mehr Personal für den Strafvollzug zu be­kommen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Dr. Lich­tenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben in Bezug auf die Reorganisation schon ausgeführt, was mit den künftigen Ressourcen finanzieller und personeller Art geschehen soll, die hier frei wer­den. Gibt es Abschätzungen oder Berechnungen, in welchem Ausmaß das sein wird?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Das ist derzeit noch nicht mög­lich, weil wir da gerade in der Phase sind, wo eine Entscheidung darüber getroffen werden muss, welches dieser drei Modelle dann tatsächlich zur Umsetzung gelangt. Wir sind momentan etwa am Ende des ersten Viertels des Projektes. Sobald diese Entscheidung getroffen wird, wird dann entschieden werden, welche Ressourcen im Bundesministerium für Justiz verbleiben. Das wird davon abhängen, welches Modell kommt, und erst dann wird entschieden werden können, was tatsächlich an Personal und an finanziellen Ressourcen frei ist. Darüber kann ich dann in zwei, drei Monaten gerne mehr berichten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 11

*****

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bevor ich nun die nächste Anfrage aufrufe, gebe ich bekannt, dass Herr Bundesrat Mitterer soeben als verhindert gemeldet wurde. (Bun­desrat Konecny: Muss er Ortstafeln verrücken? – Heiterkeit.)

*****

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Schennach um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1490/M-BR/2006

Sind Sie der Meinung, dass die Gerichtsverfahren in der Causa ,Operation Spring‘ den Grundprinzipien eines Rechtsstaates entsprochen haben?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Ja! (Heiterkeit.) Nein, ich sage schon mehr dazu.

Dieses Verfahren „Operation Spring“ ist sicherlich eines der Verfahren, die in Öster­reich die meiste – auch kritische – Betrachtung von außen erfahren haben. Wie Sie ja sicherlich wissen, hat unser Rechtsschutzbeauftragter, Herr Dr. Machacek, dieses Ver­fahren auch laufend beobachtet. Er hat dazu auch diverse Stellungnahmen abgegeben und hat vor allem auch die laufenden Observationen tagtäglich kontrolliert. So gesehen sehe ich die Rechtstaatlichkeit da durchaus gewahrt.

Natürlich habe ich den Film auch selbst gesehen, den Sie hier ansprechen wollen. Der Film ist sehr gut gemacht, das muss man wirklich einmal sagen. Wenn man diesen Film sieht und die tatsächlichen Hintergründe des Verfahrens nicht kennt und über De­tails nicht informiert ist, ist man wahrscheinlich erschüttert. Auch mir ist es so gegan­gen; ich war natürlich tief erschüttert. Nur: Das Verfahren selbst hat sich nicht in der Form abgespielt, wie es im Film darzustellen versucht wird. Vor allem betrifft die Kritik teilweise Aspekte, die der freien Beweiswürdigung der unabhängigen Gerichte unterlie­gen, und ich möchte mich generell dagegen verwahren, dass hier auch versucht wird, durch Kritik in die Unabhängigkeit der Gerichte einzugreifen. Es ist das sicherlich eine Gratwanderung: Kritik ist immer gut, Kritik hilft uns auch sicherlich in Summe immer weiter, aber es ist besonders wichtig, jedenfalls auch die Unabhängigkeit der Gerichte zu wahren.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Bundesminister! Ich hoffe, Sie würden die Frage, ob ein Amtsmissbrauch in Kärnten in Sachen Ortstafeln vorliegt, und was den Landeshauptmann mit seiner Verordnung betrifft, auch mit so einem klaren „Ja“ beantworten.

Aber nun zu Ihrer Frage. Wie soll denn ein Anwalt oder ein Beschuldigter eine Anklage beantworten, wenn diese lautet: Sie haben zu einem unbekannten Zeitpunkt an eine unbekannte Person eine unbekannte Menge Drogen verkauft – es ist weder für einen Angeklagten noch für einen Anwalt möglich, das irgendwie zu entkräftigen –, oder wenn Videobänder als Beweismittel zugelassen werden, auf denen absolut nichts zu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 12

sehen ist, oder wenn Zeugen, mit Motorradhelmen unkenntlich gemacht, belastende Aussagen treffen, die sie nachher widerrufen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Zur Beweiswürdigung, die Sie hier ansprechen: Diese Anklage hat es gegeben, das ist richtig. Es hat in diesem Ver­fahren sowohl anonymisierte Zeugen gegeben als auch die von Ihnen genannte Ankla­ge. Nur gebe ich zu bedenken, dass dies nur ein kleiner Mosaikstein in der Gesamtbe­weiswürdigung dieses Verfahrens war. Ich gebe weiters zu bedenken, dass dies eine Entscheidung war, die die unabhängigen Gerichte getroffen haben, und diese Ange­legenheit auch im Rechtsmittelweg nicht nur von einem Gericht, sondern von mehreren Gerichten beurteilt wurde. Diese Beweismittel, die Sie genannt haben, waren nur ein kleiner Mosaikstein. Es hat viele andere Beweise gegeben, die die Schuld der Verur­teilten – der Großteil dieser Personen ist ja bereits rechtskräftig verurteilt – bewiesen haben. Wie gesagt, ich verweise hier nochmals auf die Unabhängigkeit der Gerichte.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Konecny, bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Ich will wahrlich nicht die Unabhängigkeit der Gerichte anzweifeln. Sie haben gesagt, dass Sie den Film gesehen haben. Aus meiner Sicht geht es hier eher um den exekutiven Bereich. Sie müssen diese Frage nicht beantworten, es ist nicht Gegenstand Ihrer Vollziehung (Rufe bei der ÖVP: Frage!) – ja, ja, kommt schon! –, aber meinen Sie in Kenntnis der gesamten Vorgänge nicht, dass im Bereich der polizeilichen Maßnahmen – sagen wir es einmal freundlich – hart an der Grenze dessen, was ein Rechtsstaat noch zu decken in der Lage ist, operiert wurde?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Es ist natürlich eine besonders heikle Frage, insbesondere deshalb, weil das, wie Sie ja richtig ausgeführt haben, nicht mein Ressort betrifft. Da würde ich Sie bitten, dass Sie diese Frage an die Frau Innen­ministerin stellen. Sie ist die richtige Ansprechperson in dieser Frage, weil sie ja auch die Verantwortung für die Exekutive trägt.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Perhab, bitte.

 


Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Welche konkreten Maßnahmen werden Sie im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Ös­terreichs zu einer konkreten Verbesserung des Grundrechtschutzes vorschlagen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Ganz generell ist es so, dass wir auf Ebene der Europäischen Union momentan insofern im Spannungsverhältnis ste­hen, dass wir auf der einen Seite die Sicherheit gewährleisten wollen, vor allem auch im gemeinsamen Kampf gegen organisierte Kriminalität und gegen Terrorismus, und uns auf der anderen Seite sehr wohl dessen bewusst sind, dass wir die Balance zu einem vernünftigen Grundrechtsschutz auf Ebene der Europäischen Union finden müs­sen.

Wir werden diesbezüglich mehrfach vorgehen: Wir arbeiten derzeit gerade daran, dass wir Mindestverfahrensgarantien im Strafrecht für Angeklagte oder Beschuldigte erarbei­ten wollen. Das ist ein relativ schwieriges Unterfangen, denn es gibt, wie Sie wissen, innerhalb der EU 25 unterschiedliche Strafprozessordnungen mit unterschiedlichen Verfahrensstadien und unterschiedlichem Schutz der Beschuldigten in diesen Verfah-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 13

rensstadien. Obwohl wir den Artikel 6 MRK haben, der ja vorsieht, dass ein faires Ver­fahren durchzuführen ist, sind die einzelnen Standards auf der Ebene der Europäi­schen Union doch sehr unterschiedlich. – Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig sein wird, einen Mindeststandard zu erarbeiten.

Ein weiterer ganz wichtiger Aspekt ist der, dass wir vor kurzem die Richtlinien für Vor­ratsdatenspeicherung verabschiedet haben. In diesem Zusammenhang gab es eine österreichische Forderung, also meine Forderung, dass wir parallel dazu einen Rah­menbeschluss für Datenschutz generell bearbeiten werden. Dieser Rahmenbeschluss für Datenschutz liegt seit November auf dem Tisch und wird während unserer Präsi­dentschaft verhandelt werden.

Dabei geht es darum, dass wir sicherstellen wollen, dass es bezüglich jener Daten, die jetzt auf Grund von Vorratsdatenspeicherung, aber auch im Datenaustausch zwischen der Polizei und den Justizbehörden entstehen, einen ausreichenden Datenschutz für unsere Bürgerinnen und Bürger gibt, vor allem auch, was den Zugang zu diesen Daten betrifft. Wir wollen vor allem sicherstellen, dass es zu keinem Datenmissbrauch kom­men kann. – Das ist jener wichtige Aspekt, von dem ich gesprochen habe.

Was ich besonders bedauere daran, dass es den EU-Verfassungsvertrag nicht geben wird, ist, dass wir die Grundrechte erstmals in einem Vertrag der Europäischen Union verankert gehabt hätten, was natürlich einen besonderen Mehrwert für Europa gehabt hätte, insbesondere deshalb, weil wir die MRK bei uns im Verfassungsrang haben. In Großbritannien – zum Beispiel – ist die MRK nur einfachgesetzlich geregelt, was ihr natürlich nicht jenen hohen Stellenwert verleiht, den die MRK bei uns hat.

Das wäre ein Vorteil gewesen, aber ich bin sicher, dass früher oder später eine institu­tionelle Reform, in welcher Form auch immer, der Europäische Union wird kommen müssen und dass dann wieder ein Versuch unternommen werden wird, diese Grund­rechtscharta in den Europäischen Vertrag einfließen zu lassen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin Bundesrätin Mörk, ihre Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrätin Gabriele Mörk (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Frage lautet:

1487/M-BR/2006

„Welche Schritte gedenken Sie im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs zur verstärkten Bekämpfung des Menschenhandels zu setzen?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Menschenhandel ist, und zwar natürlich nicht nur deshalb, weil die EU das zum Thema hat und die Gesundheits- und Frauenministerin dies als einen ihrer Schwerpunkte während der EU-Präsidentschaft gesetzt hat, ein besonders wichtiges Thema. Auch wir sind bereits vor unserer Präsi­dentschaft sehr aktiv gegen Menschenhandel eingeschritten.

Wie Sie ja wissen, gibt es maßgebliche Rechtsinstrumente: Auf Ebene der Europäi­schen Union ist der Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2002. Wir haben diesen Rahmenbeschluss bereits durch das Strafrechts­änderungsgesetz 2004 vollständig umgesetzt. Wir haben auch jüngst das Verbands­verantwortlichkeitsgesetz verabschiedet. Ich war damals auch hier und durfte dazu Stellung nehmen. Auch im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz ist nunmehr klargestellt,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 14

dass nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen, die im Men­schenhandel involviert sind, strafrechtlich verfolgt werden können.

Unabhängig von diesen legistischen Rahmenbedingungen ist es natürlich besonders wichtig, dass wir uns auch mit den Opfern des Menschenhandels auseinander setzen. Es ist so – da darf ich auf unsere Bestimmungen der Prozessbegleitung verweisen –, dass das Bundesministerium für Justiz mit LEFÖ, einem Verein, der sich insbesondere um Opfer von Menschenhandel kümmert, einen Vertrag abgeschlossen hat, wonach LEFÖ für jene Opfer des Menschenhandels die Prozessbegleitung übernehmen wird, sprich die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Ich denke, dass das ein wichtiger Schritt war.

Aus der Statistik sehen wir, dass gehandelte Frauen – es geht vor allem um Frauen – im Jahr 2004 primär aus Rumänien gekommen sind. Wir hatten in Summe 337 be­kannte Opfer von Menschenhandel in Österreich im Jahr 2004. Davon waren allein 129 Menschen aus Rumänien.

Diese doch sehr erschreckenden Zahlen habe ich persönlich zum Anlass genommen, mit meiner rumänischen Amtskollegin, Frau Monica Macovei, als sie bei mir zu einem Staatsbesuch war, über das Thema Menschenhandel zu sprechen. Wir haben gemein­sam vereinbart, dass wir bei den NGOs – also bei uns LEFÖ und bei ihr eine andere NGO, die sich um diese Opfer kümmert – mit Unterstützung der beiden Ministerien eine Schnittstelle schaffen wollen, um den Opfern eine geordnete Rückführung in ihre Heimat zu ermöglichen und alle nur möglichen Hilfestellungen anzubieten.

Sie sehen, es gibt nicht nur die legistischen Maßnahmen, sondern wir sind auch wirk­lich bemüht, soweit es in unserer Macht steht, den Opfern tatsächlich Hilfe zukommen zu lassen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Köberl, bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Bundesministerin! Sind nach Ihrer Ansicht die Schutzprogramme für geschleppte Personen, etwa im Strafverfahren, aber auch im Aufenthaltsrecht, ausreichend?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Grundsätzlich ja. Wir müssen nur Folgendes unterscheiden: Früher habe ich eine Anfrage im Zusammenhang mit Menschenhandel beantwortet, und Menschenhandel ist nicht gleichzusetzen mit ge­schleppten Personen. Geschleppte Personen haben vielfach den Hintergrund, dass sie versuchen, mit Hilfe von Schleppern nach Europa zu kommen, um sich hier eine neue Zukunft aufzubauen, um Asyl zu beantragen oder in anderer Form eine legale Aufent­haltsbewilligung zu bekommen. Das ist ein anderer Aspekt als Menschenhandel.

Ganz generell fallen Schutzprogramme für geschleppte Personen im Aufenthaltsrecht in die Zuständigkeit meiner Amtskollegin, der Frau Innenministerin. Ich möchte hier auf die Möglichkeit der Teilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen verwei­sen.

Es ist so, dass wir uns, wenn geschleppte Personen in Österreich sind, auch dieser Personen annehmen müssen. – Das ist gar keine Frage. In der Regel ist es so, dass diese Personen dann bei uns einen Asylantrag stellen und in weiterer Folge im Asyl­verfahren den hiefür vorgesehenen Schutz erfahren können. Sollten sie tatsächlich Opfer in einem Strafverfahren sein, so gilt für diese geschleppten Personen natürlich selbstverständlich auch das, was ich bereits zum Menschenhandel ausgeführt habe, nämlich: Auch da wäre es möglich, dass eine Prozessbegleitung, soweit es mein Res­sort betrifft, in Anspruch genommen werden könnte. Es besteht auch im Strafprozess


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 15

die Möglichkeit, wenn, wie gesagt, die Voraussetzungen vorliegen, dass man anonyme Befragungen durchführen könnte und Ähnliches mehr. Da gibt es sicherlich genug Möglichkeiten.

Die Problematik mit geschleppten Personen ist, wie gesagt, eine Spur anders als jene mit Menschenhandel, weil der große Unterschied der ist, dass die Personen, die Opfer des Menschenhandels sind, mehr oder weniger nicht freiwillig hier sind. Die geschlepp­ten Menschen wollten mit Hilfe eines Schleppers nach Europa kommen, um hier Fuß zu fassen. Das ist ein ganz anderer Aspekt.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Ich denke, die Anfragestellerin hätte noch das Recht auf eine Zusatzfrage gehabt. (Bundesrätin Mörk: Diese hat sich durch die Beantwortung erübrigt!) – Dann stelle ich in dem Fall meine Zusatzfrage: Mich würde interessieren, woran es liegt, dass die Republik lediglich zirka 100 Opfern von Men­schenhandel jährlich Schutz bieten kann, obwohl es EU-weit bis zu 500 000 Opfer von Menschenhandel, davon großteils Frauen und Kinder, gibt. Vergleichsprojekte in Italien schaffen es sehr wohl, über 1 000 Opfern jährlich Schutz zu bieten.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Meinen Sie jetzt Menschenhan­del? – Im Bereich Menschenhandel ist es für uns noch besonders schwierig, tatsäch­lich zu den Opfern zu kommen. Wie Sie ja wissen gibt es eine Task Force gegen Menschenhandel auch im Außenministerium, und dort wird seit einigen Jahren ganz massiv daran gearbeitet.

Wenn wir uns die Zahlen ansehen, dann sehen wir, dass in Österreich im Jahr 2004 nur – ich sage ganz bewusst nur – 337 bekannte Opfer ermittelt werden konnten. Es ist besonders schwierig, weil, wie ich denke, die Dunkelziffer von Opfern des Men­schenhandels hier in Österreich auch viel größer sein wird.

Auf der anderen Seite ist es natürlich ein finanzielles Problem und auch ein Problem, wo wir unser Augenmerk bezüglich Förderungen legen. Ich bin besonders froh dar­über, dass wir jetzt mit LEFÖ in Zusammenhang mit der Prozessbegleitung eine sehr gute Kooperation gestartet haben. Meine Amtskollegin, die Frau Gesundheitsministe­rin, hat jetzt auch die Förderung in diesem Bereich für LEFÖ erhöht, was die Gesun­denbetreuung von Opfern des Menschenhandels anbelangt. – Ich teile Ihre Meinung, dass wir diesbezüglich sicherlich noch mehr tun könnten und sollten.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Vilimsky, bitte.

 


Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Frau Bundesminis­ter! Im Bundesland Wien gibt es den Missstand, dass Asylwerberinnen, vor allem aus Schwarzafrika, in die Prostitution drängen oder gedrängt werden. Dahinter steckt oft or­ganisierte Kriminalität, Menschenhandel und Asylmissbrauch. Gedenken Sie, dagegen etwas auf bundesgesetzlicher Ebene zu tun, und, wenn ja, was?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Es ist relativ schwierig, dies­bezüglich auf bundesgesetzlicher Ebene einzugreifen, weil es ein faktisches Problem gibt. Der Zwang in die Prostitution ist bereits strafbar, der Menschenhandel ist bereits strafbar. Es gibt dafür schon einen Strafrahmen.

Es gibt eine eigene Ermittlungsgruppe im Innenministerium, die sich mit diesen Fällen auseinander setzt, und diese Ermittlungsgruppe ist natürlich auch auf Informationen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 16

wie Sie sie gerade genannt haben, angewiesen, um diesen Fällen im Einzelfall nach­gehen zu können.

Keinesfalls ist es von unserer Gesellschaft gewollt, dass Asylwerberinnen, egal wel­cher Herkunft, in die Prostitution gezwungen werden und auf diese Weise Geld, vor allem auch für Zuhälter, verdienen müssen.

Da wird man sich sicherlich etwas überlegen müssen. Ich denke, dass der derzeitige Rechtsrahmen, so wie er momentan vorliegt, sicherlich ausreichend ist, soweit es den strafrechtlichen Rahmen betrifft. Bezüglich des anderen Bereiches, Asylrecht und Ähnliches, bitte ich Sie, diese Frage an die Frau Innenministerin zu stellen, weil das ihr Ressort betrifft. – Danke.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Thomas Einwallner, um die Verlesung seiner An­frage.

 


Bundesrat Thomas Einwallner (ÖVP, Steiermark): Frau Minister, meine Frage lautet:

1484/M-BR/2006

„Wie viele Tage an Ersatzfreiheitsstrafen mussten im Jahr 2005 vollzogen werden?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Im Jahre 2005 waren es an errechneten Tagen an Ersatzfreiheitsstrafen 40 401, an tatsächlich verbüßten Tagen waren es 27 507. Die Anzahl der Strafen – das heißt nicht der straffällig gewordenen Menschen, denn es kann ja auch sein, dass jemand mehrfach eine Ersatzfreiheits­strafe bekommt – war 1 100, und die durchschnittliche Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe lag im Jahr 2005 bei 25,01 Tage.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Thomas Einwallner (ÖVP, Steiermark): Welche Überlegungen gibt es, Geldstrafen im Falle der Nichteinbringlichkeit anders als durch Freiheitsstrafen zu er­setzen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Danke für diese Frage. Wir haben uns natürlich auch Gedanken gemacht – gerade auch in Hinblick auf die doch sehr angespannte Situation im Bereich des Strafvollzuges, da wir immer mit Überbelag zu kämpfen haben und hatten –, dass wir eine Alternative für diese Ersatzfreiheitsstra­fen finden müssen.

Wir denken, dass der richtige Weg der ist, dass wir die Möglichkeit schaffen, statt Er­satzfreiheitsstrafen eine gemeinnützige Arbeit ausführen zu können. Wir werden im März 2006 mit einem Modellversuch gemeinnützige Leistung statt Ersatzfreiheitsstra­fen beginnen, unter anderem auch in der Steiermark. In diesem Projekt soll in Koope­ration mit NEUSTART erprobt werden, ob Verurteilte, welche die verhängte Geldstrafe nicht bezahlen können, diese Leistung abarbeiten können.

Ich habe schon Kontakt gehabt mit den Vertretern von NEUSTART, gerade auch in Graz. Diese sehen diesem Projekt sehr hoffnungsfroh entgegen. Ich habe mir vorge­stellt, es wird schwieriger sein, diejenigen zu ermitteln, wo diese Leistungen erbracht werden soll, also dass der logistische Aufwand größer ist. Es gibt aber gerade auch in Graz genug Möglichkeiten, dass diese gemeinnützige Leistung erbracht werden kann, sodass ich diesem Projekt sehr hoffnungsfroh entgegenschaue.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 17

Dieser Modellversuch soll jetzt einmal zwei Jahre dauern. Wir hoffen, dass wir nach diesen zwei Jahren einen Gesetzentwurf im Nationalrat einbringen können. Was mir auch besonders wichtig war, ist Folgendes: Bei all diesen Modellen, die wir jetzt auch in Zusammenhang damit überlegen, dass wir Alternativen für Freiheitsstrafen ansetzen wollen, gibt es Begleitforschung. Auch da gibt es welche, und zwar durch das Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien, und wir erwarten uns tatsächlich wichtige Erkenntnisse für die Zukunft.

Ich denke auch, dass das ein guter Weg ist, den wir hier beschreiten, weil er auf der einen Seite den Strafvollzug entlasten wird, auf der anderen Seite diese Menschen, die von den Gerichten ja nicht zu einer Freiheitsstrafe, sondern zu einer Geldstrafe verur­teilt wurden, Leistungen erbringen, was der Gemeinschaft weit mehr bringt, als wenn man diese Menschen wegsperrt.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Ministerin, Sie sind mir immer einen Schritt voraus. Die Zusatzfrage hat sich wieder erübrigt. – Danke.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Dann gelangen wir nunmehr zur 6. Anfrage, 1489/M. Da der Herr Bundesrat Mitterer wieder hier ist, darf ich ihn um die Verlesung seiner An­frage bitten.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sie und auch Ihre Vorgänger haben bereits in dieser Fra­ge Überlegungen angestellt und sind letztlich auch initiativ geworden.

Ich frage Sie daher, Frau Bundesministerin:

1489/M-BR/2006

„Welche Verringerung im Häftlingsbelag nichtösterreichischer Staatsbürger erwarten Sie sich durch Ihre Initiative zum Strafvollzug im Heimatland?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Der Strafvollzug im Heimatstaat passiert derzeit auf Grund eines Europaratsübereinkommens aus dem Jahr 1983 mit einem Zusatzprotokoll aus dem Jahr 1997. Dieses Verfahren ist relativ aufwändig und kompliziert, vor allem auch deshalb, weil wir einen Anerkenntnisbeschluss aus dem aufnehmenden Staat brauchen und diese Verfahren im Schnitt ein Jahr dauern. Sie können sich vorstellen, das ist relativ langwierig und relativ mühsam.

Aus diesem Grund hat Österreich gemeinsam mit Finnland und Schweden eine Initia­tive auf Ebene der Europäischen Union eingebracht, nämlich einen Rahmenbeschluss zur Europäischen Vollstreckungsanordnung, sprich Strafvollzug im Heimatstaat, zumin­dest in der EU der 25 auf Basis eines sehr einfachen Verfahrens. Das Prinzip dabei ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, sodass wir davon ausgehen, dass eine Freiheitsstrafe, die in einem Mitgliedstaat verhängt wird, vom anderen Mitgliedstaat anerkannt wird und dass dieses Verfahren, das jetzt sehr langwierig ist, auf Basis des Europaratsübereinkommens samt Zusatzprotokoll hier maßgeblich vereinfacht werden kann.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Mit Stichtag 1. Dezember 2005 haben sich 424 verurteilte Personen aus anderen EU-Mitgliedstaaten in Strafhaft befunden. Wir gehen davon aus, dass mit unserer Initiative etwa die Hälfte bis zu zwei Drittel dieser


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 18

Menschen dann – sollte dieser Rahmenbeschluss beschlossen werden, was wir doch sehr stark hoffen – den Strafvollzug im Heimatstaat werden antreten können.

Warum nur die Hälfte bis zwei Drittel? – Weil diese Menschen teilweise auch nur sehr kurze Freiheitsstrafen bekommen haben und sich dieser Aufwand nicht auszahlen würde.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Frau Ministerin! Gibt es bereits Überlegungen zur Verringerung des Häftlingsbelages von Nicht-EU-Bürgern?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Bei nicht EU-Bürgern gilt derzeit das Europaratsübereinkommen, das ich bereits genannt habe. Ich kann hier nur auf ein sehr positives Beispiel aus österreichischer Sicht verweisen.

Wie Sie ja schon meiner vorigen Anfragebeantwortung entnehmen konnten, habe ich ein sehr positives und sehr gutes Verhältnis zu meiner Amtskollegin in Rumänien. Wir haben mittlerweile, gerade was Rumänien betrifft – dieses Land ist ja zukünftiger Bei­trittsstaat, aber derzeit noch nicht EU-Staat –, ganz massive Fortschritte erzielen kön­nen, was den Strafvollzug von Häftlingen in Rumänien anbelangt. Hier ist es uns auf Grund der guten Kontakte gelungen, die Behördenkooperation maßgeblich zu verbes­sern, sodass diese Verfahren nunmehr sehr rasch abgewickelt werden.

Dieses sehr positive Modell werden wir natürlich auch mit anderen Nicht-EU-Staaten fortzusetzen versuchen. Hier ist es besonders wichtig – das ist meine Erfahrung, ge­rade auch aus Rumänien –, dass auf der einen Seite auf hoher politischer Ebene ein Konsens darüber besteht, dass diese Verfahren vereinfacht werden sollen und müs­sen, und auf der anderen Seite ist natürlich eine sehr gute Kooperation der Behörden in dem aufnehmenden Staat mit unseren Behörden notwendig. Ich glaube, dass die Rahmenbedingungen hierfür vorhanden sind – wie gesagt, im Rahmen des Europa­ratsübereinkommens, mit einem relativ bürokratischen Verfahren.

Jedes bürokratische Verfahren kann natürlich durch eine gute Kooperation entbürokra­tisiert werden und kann vereinfacht und beschleunigt werden. Das ist der Weg, den wir hier gehen wollen. Vor allem haben wir auch, zum Beispiel in Bezug auf Bulgarien, festgestellt: Die Bulgaren wollen gerne in Bulgarien ihre Strafe absitzen, was bei den Rumänen nicht immer der Fall war. Es gibt da also auch Unterschiede zwischen den Nationalitäten, und auch darauf muss man Rücksicht nehmen. (Bundesrat Konecny: Vielleicht gibt es da ... Gefängnisse!)

Das ist möglich; ich weiß es nicht, Herr Bundesrat, ich habe noch kein Gefängnis in Rumänien und noch keines in Bulgarien besucht. Ich werde hoffentlich noch die Mög­lichkeit haben, mir auch das anzusehen, weil mich das sehr interessiert. Aber auch auf diese nationalen Unterschiede wird man Rücksicht nehmen müssen, und da kommen wir sicherlich nicht nur mit dem Gesetz allein aus, sondern es ist notwendig, auch gute Kontakte in diesem Bereich zu pflegen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie ha­ben jetzt Rumänien und Bulgarien erwähnt. Mit welchen Staaten sind, davon abge­sehen, noch entsprechende Abkommen geplant?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 19

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Zusatzabkommen sind hier nicht notwendig. Wir bewegen uns hier auch mit Rumänien und Bulgarien im Rahmen des bestehenden Europaratsübereinkommens. Wir versuchen nur hier, durch persönliche Kontakte diese Europaratsübereinkommen „mit Schwung zu belegen“, wenn ich das so banal ausdrücken darf. Es geht hier darum, dass wir versuchen, durch diese Kontakte in diesem Bereich jetzt die Zusammenarbeit zu verbessern. Wir haben hier auch sehr gute Kontakte mit Kroatien und mit dem gesamten Bereich des Westbalkans. Auch hier versuchen wir, durch sehr gute persönliche Kontakte die Rückführung von straffällig gewordenen Menschen zu verbessern. – Das sind momentan unsere Kernschwer­punkte.

Es wäre natürlich auch eine verbesserte Kooperation vor allem mit Schwarzafrika wün­schenswert, insbesondere mit Nigeria, weil wir ja doch relativ viele nigerianische Men­schen – beziehungsweise wir wissen nicht genau, ob sie Nigerianer sind, aber von der Angabe her sind es Menschen aus Nigeria – haben. Auch hier wäre eine bessere Ko­operation wünschenswert. Aber Nigeria ist nicht Mitglied des Europarates, und aus die­sem Grund ist es auch besonders schwierig, diese Menschen tatsächlich rückzuführen. Ähnliches gilt für China, aber mit China haben wir nicht jene Probleme, wie wir sie momentan mit Schwarzafrikanern haben – also von der Anzahl her, in Bezug auf Häft­linge, gibt es keine Probleme.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Konecny, bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Was die von Ihnen genannte schwedisch-österreichische Initiative betrifft: Welche Grundlagen oder wel­che Grundideen enthält sie hinsichtlich vorzeitiger Entlassung und von Instrumenten, die wir in unserem Strafvollzug haben, die aber nicht notwendigerweise im Herkunfts­land in gleicher oder gleichwertiger Art gegeben sind?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Hier ist es so, dass es – ich ha­be es schon genannt – das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gibt. Das ist einmal die Grundvoraussetzung. Das steht auch in Zusammenhang mit der Frage – ich kann das hier auch anhand eines Beispiels darlegen –, warum es – damit komme ich wieder auf die Vorfrage zurück – Schwierigkeiten mit anderen Staaten gibt. Zum Beispiel mit der Türkei haben wir die Erfahrung gemacht, dass in der Türkei die Dauer der Frei­heitsstrafe immer relativ hoch ist, dass aber regelmäßig nach Verbüßung von 40 Pro­zent der Freiheitsstrafe die bedingte Entlassung erfolgt. Das ist also in der Türkei so: Sie fassen relativ lange Freiheitsstrafen aus und gehen nach Verbüßung von 40 Pro­zent dessen, was Sie eigentlich abzusitzen hätten, nach Hause.

Ähnlich ist es auch mit anderen Staaten, sodass hier ganz unterschiedliche Systeme bestehen. Genau das ist der Grund, weswegen es so schwierig ist, hier tatsächlich zu einem Ergebnis zu kommen. Wir versuchen, da einen pragmatischen Weg zu finden, um auch das System des Heimatstaates anzuerkennen und mit einfließen zu lassen.

Beim Europaratsübereinkommen ist dies wieder relativ einfach, weil wir ja diesen Aner­kenntnisbeschluss haben, wo der aufnehmende Staat dann die Bedingungen bekannt geben muss, unter denen er den aufzunehmenden Häftling annimmt. Das ist genau die Herausforderung, mit der wir jetzt bei diesem Rahmenbeschluss konfrontiert sind: wie wir das formulieren, damit wir hier einen Konsens finden. Hier sind die Arbeiten noch im Gange, aber genau das ist ein Problem, dem wir uns stellen müssen.

Ein weiteres Problem, das momentan gerade diskutiert wird, besteht auch beim Prinzip der gegenseitigen Anerkennung – ich glaube, auch das ist wichtig –:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 20

Wir haben hier in Europa, gerade was das materielle Strafrecht anbelangt, ganz unter­schiedliche Systeme, und das materielle Strafrecht widerspiegelt ja immer wieder auch das Wertesystem in unserer Gesellschaft. Ein typisches Beispiel hierfür, das, glaube ich, auch jedem einleuchtet, sind zum Beispiel die Niederlande im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum. Während die Bestimmungen bei uns – oder auch in Italien, wie ich jetzt aus den Medien vernommen habe – immer strenger werden, sind in den Nie­derlanden der Drogenkonsum und auch das Besitzen von Drogen relativ liberal ge­regelt. Wenn man jemanden, der bei uns wegen Drogenkonsums oder geringfügigen Drogenhandels eingesperrt wäre, danach in die Niederlande überstellen würde, wäre er dort nicht strafbar. – Sie sehen, es gibt einige Probleme in der Praxis, die einer Lösung bedürfen.

Wir hoffen aber doch, dass wir hier einen vernünftigen Kompromiss zustande bringen werden, allenfalls auch mit Ausnahmetatbeständen gerade für solche Fälle, sodass wir hier aber trotzdem eine Verbesserung auch im bürokratischen, im administrativen Ab­lauf erreichen werden können.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mayer, bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesministerin, auf Grund der umfassenden Beantwortung der Fragen meiner Vorredner erübrigt sich meine Zusatz­frage. Ich danke.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Somit gelangen wir nun zur 7. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Minister, meine Frage lautet:

1488/M-BR/2006

„Sehen Sie gerade in Ihrer Funktion als Justizministerin die schwerwiegenden Angriffe des Kärntner Landeshauptmannes auf den Verfassungsgerichtshof als ernsthafte Ge­fährdung des Rechtsstaates?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Nein. Ich möchte aber auch aus­führen, warum nicht. Ich muss dazu sagen, dass man hier unterscheiden muss: Ich als Justizministerin würde mir in keiner Weise jemals anmaßen, ein Gerichtsurteil auch nur zu kommentieren. Das ist eine unterschiedliche Position. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass wir auch dessen gewahr sein müssen, dass Kritik, verbale Kritik auch an Gerichtsurteilen ein Teil des verfassungsmäßig garantierten Rechtes auf freie Mei­nungsäußerung ist. Das ist auch ein Teil unseres Rechtsstaates. – Das ist ein Punkt.

Auf der anderen Seite leben wir in einem Rechtsstaat, und wenn es Wertungsexzesse gibt, dann gibt es auch hier die Möglichkeiten des Strafrechtes, und es besteht für jeden, der sich durch diese Wertungsexzesse oder diese übermäßige Kritik in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt, dann auch die Möglichkeit, den Weg zu Gericht zu be­schreiten und insbesondere das Strafgericht anzurufen.

Daher glaube ich, dass wir hier wirklich sehr sensibel sein müssen, gerade auch im politische Diskurs. Ich muss auch sagen, gerade auch im Lichte der derzeitigen Dis­kussionen um die Karikaturen und dieser fürchterlichen Auswirkungen, dieser Eskala­tion, die es jetzt in diesem Bereich gibt, müssen wir, glaube ich, darauf Rücksicht neh­men, dass es auch in Österreich das Recht auf Meinungsäußerung gibt und dass Kritik möglich sein muss (Bundesrat Gruber: Kritik ... – aber Handlungen zu setzen, das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 21

kann man nicht vertreten!) – außer, natürlich, wenn diese übermäßig erfolgt. Dann aber gibt es das Gericht, und dann kommt wieder zum Tragen, dass wir in einem Rechts­staat leben.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Wiesenegg: Hallo, hallo, ...! – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Entschuldigung, Herr Kollege! – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Frau Bundesminister! Jetzt will ich es ganz genau wissen: Sind Sie der Meinung, dass das Versetzen der Ortstafeln in Kärn­ten durch Ihren Landeshauptmann Amtsmissbrauch ist: ja oder nein?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Diese Frage zu beurteilen, steht mir nicht zu. Das ist eine Frage, die wieder die unabhängigen Gerichte, sei es jetzt der Verfassungsgerichtshof auf der einen Seite, sei es das Strafgericht auf der anderen Seite, zu beurteilen haben werden. Ich maße es mir als Justizministerin nicht an, eine Entscheidung der Gerichte vorwegzunehmen. Ich möchte aber nur zu bedenken geben, dass (Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl) ein ganz maßgeblicher Experte, der sich sicherlich viel besser im Verfassungsrecht aus­kennt als ich, nämlich Herr Präsident Adamovich, in einem Interview im „Mittagsjournal“ im Jänner dieses Jahres ausgeführt hat, dass auch ein allfälliges Verrücken der Orts­tafeln im Rechtsstaat ... – warten Sie bitte einen Moment, ich kann Ihnen gleich sagen, was er genau gesagt hat. (Die Rednerin sucht kurz nach einer Unterlage. – Bundesrat Reisenberger: In Schilda, dort ist das üblich!)

Herr Adamovich hat damals gesagt, dass dieser Schachzug rechtlich unangreifbar sei. – Wie gesagt, ich kann es nicht beurteilen, und ich möchte das auch nicht beurtei­len, weil diese Beurteilung den Gerichten obliegt und ich das nicht vorwegnehmen will.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Bundes­rat Schennach. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Bundesministerin! Ich verstehe schon, dass Sie als Justizministerin Gerichtsurteile nicht kommentieren – das ist auch völlig richtig –, aber als Mitglied der Bundesregierung werden Sie sich schon eine Mei­nung bilden müssen, ob es da eine Anklage der Regierung auf Amtsmissbrauch geben wird, da es ja doch um eine vorsätzliche Vereitelung eines Verfassungsgerichtshofs-Er­kenntnisses (Bundesrat Wiesenegg: Eindeutig!) und um eine Vereitelung von Rechten Dritter durch eine bewusste Setzung von Maßnahmen geht. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Ja, als Mitglied der Bundesre­gierung in jedem Fall, aber das werden wir in der Bundesregierung beraten, und diese Beratungen haben noch nicht stattgefunden. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Gut! Bravo! – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Kampl, bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Alles Recht geht vom Volk aus. (Oi-Rufe bei der SPÖ.) – Im Staat sind die Bürger der Souverän, und so muss es auch bei den Ortstafeln sein. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das ist ja lächer­lich!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 22

Meine Frage, Frau Bundesministerin: Wer ist eigentlich für die Regelung der Aufstel­lung von Ortstafeln zuständig und müsste demnach eine Klärung der Situation herbei­führen? (Bundesrat Stadler: Haider! Haider!)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Das ist eine sehr komplexe Frage, auf die ich sehr gerne Antwort gebe.

Es gibt, wie wir ja wissen, den Staatsvertrag von Wien aus dem Jahr 1955, der im Arti­kel 7 Abs. 3 auch vorsieht, dass eben im zweisprachigen Gebiet auch Ortstafeln zwei­sprachig aufzustellen sind.

Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, vor allem auch nach dem letzten Erkenntnis aus dem Jahr 2005, hat der Verfassungsgerichtshof das so ausgelegt, dass dieser Staatsvertrag nunmehr unmittelbar anzuwenden ist. – Warum? – Aus folgendem Grund: weil der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2001 die Bestimmungen des Volks­gruppengesetzes und die Topographieverordnung für den Bezirk Völkermarkt in gewis­sen Teilen als nichtig aufgehoben hat.

Was wurde im Volksgruppengesetz geändert? – Im Volksgruppengesetz wurde jene Bestimmung, die enthalten war – nämlich dass Ortstafeln dann aufzustellen sind, wenn ein Teil der Bevölkerung, 25 Prozent der Bevölkerung zweisprachig sind –, jetzt ersatz­los gestrichen, sodass diesbezüglich keine Prozentschwelle mehr im Volksgruppenge­setz enthalten ist.

Was nun die Topographieverordnung betrifft: Wenn Sie sich die Topographieverord­nung anschauen, jene für Kärnten – es gibt ja auch eine für das Burgenland –, so werden Sie sehen, dass in den anderen Kärntner Bezirken, wo es auch eine zweispra­chige Bevölkerung gibt, Orte und Ortschaften aufgelistet sind. Nur betreffend Völker­markt ist es so, dass da nur der Bezirk Völkermarkt genannt ist und darüber hinaus keine Ortschaften aufgelistet sind, was bedeutet, dass wir gerade im Bezirk Völker­markt eine gewisse Rechtsunsicherheit haben, weil eben in der Topographieverord­nung die Auflistung jener Ortschaften, die tatsächlich die Voraussetzungen erfüllen, um zweisprachige Ortstafeln zu haben, nicht vorliegt, also der Gesetzgeber bis dato dafür noch keine Lösung gefunden hat.

Wer ist zuständig für das Volksgruppengesetz? – Das Volksgruppengesetz fällt in den Kompetenzbereich des Herrn Bundeskanzlers und natürlich dann in weiterer Folge in jenen der Bundesregierung, aber der Herr Bundeskanzler müsste dazu einen Vor­schlag vorlegen, wobei es aus meiner Sicht sinnvoll wäre, um in Kärnten – vor allem für lange Zeit und hoffentlich für immer – wirklich Frieden herzustellen, wenn man sich da im Konsens auf einen Prozentsatz einigte und dann eine Verfassungsbestimmung im Volksgruppengesetz einführte.

Das betrifft aber nicht nur den Bereich der Ortstafeln, sondern es betrifft auch den Be­reich der Amtssprachen, denn auch hiezu hat es im Jahr 1999 ein Erkenntnis gegeben. Aber das ist weniger ein Problem, denn in Kärnten kann jeder, der Slowenisch als Amtssprache nützen will, in ganz Kärnten in slowenischer Sprache an die Behörden herantreten; das ist also kein Problem. (Bundesrat Molzbichler: Bitte, das stimmt nicht, Frau Minister!)

Das stimmt! Da gibt es einen Erlass (Bundesrat Molzbichler: In Oberkärnten ...!) des Herrn Landeshauptmannes beziehungsweise der Landesregierung, wonach alle Dienstbehörden in Kärnten dahin gehend angewiesen sind. – Von Gesetzes wegen nicht. Von Gesetzes wegen gibt es die Amtssprachenverordnung, und bei der Amts­sprachenverordnung gilt für den Bezirk Völkermarkt Ähnliches, wie ich es bereits für


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 23

die Ortstafelverordnung gesagt habe: dass auch da die Ortschaften herausgestrichen wurden.

Ich weiß, es ist sehr juristisch, es tut mir Leid. Ich versuche, es relativ einfach darzu­legen, aber es ist so (Bundesrat Boden: Der eine verrückt, der andere schweigt!) – nein –: Für das Volksgruppengesetz brauchen wir eine Vorlage des Herrn Bundes­kanzlers, und dann wird der Nationalrat entscheiden. Ich würde wirklich dafür plädie­ren, dass wir hier eine Verfassungsbestimmung machen, wo wir dann im Konsens auch den Prozentsatz festlegen – gemeinsam: im Nationalrat, natürlich auch im Bun­desrat und natürlich auch mit der Kärntner Bevölkerung, der Mehrheits-, aber auch der Minderheitenbevölkerung.

Die Topographieverordnung fällt in den Kompetenzbereich des Bundeskanzlers im Ein­vernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates. Auch da liegt die Kompetenz nicht in Kärnten.

Für das Aufstellen der Ortstafel als solches (Bundesrat Reisenberger: Peinlich!) ist eine Verordnung der Bezirkshauptmannschaft vorgesehen, und, wie gesagt, ... (Bun­desrat Konecny: Die liegt nicht in Kärnten?)

Das liegt schon in Kärnten! Die Verordnung betrifft aber den Bereich der Straßenver­kehrsordnung und hat an und für sich nicht unmittelbar etwas mit dem Bereich der Zweisprachigkeit zu tun, ist an und für sich eine reine Straßenverkehrsangelegenheit, wo aber selbstverständlich auch Staatsvertrag, Volksgruppengesetz und Topographie­verordnung hineinwirken.

Also hier ist es wirklich notwendig, dass wir so rasch wie möglich – das wäre auch mein Wunsch als Kärntnerin – eine gesetzliche Grundlage haben, dass es nicht immer wieder zu diesen Auslegungsschwierigkeiten kommt und vor allem dass es nicht not­wendig ist, dass dort Menschen mit Autos im Ortsgebiet sehr schnell fahren müssen, damit sie das aufzeigen. (Bundesrat Gruber: Wieso? Der Gorbach will eh 160! – Das kann ja kein Problem sein!) Aber nicht im Ortsgebiet! Im Ortsgebiet hat die 50-km/h-Beschränkung den Sinn, Kinder und alte Menschen zu schützen, und Rasen im Orts­gebiet ist nicht das, was wir brauchen, um einen Rechtsstaat gewährleisten zu können. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer. – Bundesrat Rei­senberger: Tauscht’s den Landeshauptmann aus! Das wär’ viel besser für Österreich!)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Höfinger, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, meine Frage lautet:

1485/M-BR/2006

„Was werden die Schwerpunkte des von Ihnen angekündigten neuen Sachwalterrechts sein?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Wie Sie ja wissen, sind wir die­ser Tage mit dem Sachwalterschaftsrechtsänderungsgesetz in Begutachtung gegan­gen, und ich glaube, dass das auch für die Zukunft, vor allem auch für die Zukunft von alten Menschen ein ganz wesentliches neues Gesetzesvorhaben ist, das die Situation in diesem Bereich ganz maßgeblich verbessern wird.

Was sind die Kernpunkte? – Es geht da primär zunächst einmal um die Eindämmung der expansiven Entwicklung der Sachwalterschaft. Wir haben feststellen müssen, dass


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 24

es erforderlich ist, genau festzulegen, für welche Bereiche eine Sachwalterschaft tat­sächlich notwendig ist, und vor allem ist es uns auch wichtig, dass wir die Subsidiarität der Sachwalterschaft betonen wollen und vor allem auch auf andere Mittel – zum Bei­spiel auch auf Hilfe im Verwandtenkreis – hinweisen wollen. – Das ist ein ganz wichti­ger Punkt.

Wichtig ist auch, dass es eine Personensorge geben soll. Das heißt, die Bedeutung des Wirkungskreises von Sachwaltern soll durch möglichst klare Regelungen hervorge­hoben werden.

Erstmals soll es aber auch Bestimmungen über medizinische Behandlung von psy­chisch kranken und geistig behinderten Menschen geben.

Wichtig war uns auch – und das haben wir auch im Nationalrat schon angekündigt und selbstverständlich auch hier im Bundesrat –: Beim Kindsrechts-Änderungsgesetz wur­de schon im Jahr 2001 angekündigt, dass es zu einer Abkoppelung des Sachwalter­rechts vom Kindschaftsrecht kommen soll, und auch das ist nunmehr vorgesehen.

Wichtig ist auch, dass wir nunmehr auch die Möglichkeit haben, nicht nur Personen als Sachwalter zu bestellen, sondern auch den Verein für Sachwalterschaft als Sachwalter zu bestellen. – Auch das ist, glaube ich, ein sinnvolles Vorgehen, weil wir nämlich – ich habe gerade gestern mit einem Vertreter des Vereines für Sachwalterschaft gespro­chen – in der Praxis das Problem zu gewahren haben, dass wir leider Gottes immer weniger Menschen finden, die tatsächlich bereit sind, die Sachwalterschaft für einen anderen Menschen zu übernehmen. Das ist wirklich eine Entwicklung, die mir Sorge bereitet und wo wir uns sicherlich auch darum bemühen müssen, Abhilfe zu schaffen. Ein Teil der Abhilfe ist sicherlich diese Vereinsbestellung, aber damit allein werden wir nicht das Auslangen finden. Ich glaube, wir sind hier noch gefordert, uns auch andere Wege zu überlegen.

Ich habe mir auch überlegt – aber das ist noch nicht in diesem Entwurf enthalten –, ob wir nicht allenfalls auch eine Art Gebührenordnung oder Ähnliches vorsehen sollten, ob es nicht sinnvoll wäre, für den Sachwalter, der ja derzeit praktisch nur auf ehrenamt­licher Basis mit Barauslagen-Ersatz arbeitet – es gibt auch die Möglichkeit einer Beloh­nung –, auch einen gewissen Gebührensatz vorzusehen, denn dann bestünde natür­lich auch die Möglichkeit, das zu versichern, was wiederum eine zusätzliche Möglich­keit für eine Versicherung wäre.

Es geht mir nur darum, dass wir tatsächlich Menschen finden, die bereit sind, sich um andere Menschen zu kümmern. Offensichtlich ist es in unserer Gesellschaft so, dass diese Bereitschaft steigt, wenn auch ein gewisser monetärer Ertrag dabei heraus­schaut, sehr einfach ausgedrückt.

Ich glaube, so sind auch die Überlegungen dazu. Es kann sein, dass jetzt noch etwas nachkommt, weil mich gerade dieses gestrige Gespräch wirklich mit großer Sorge er­füllt hat und wir uns wirklich auch darum kümmern müssen, dass wir genügend Sach­walter haben, die ihre Aufgabe wahrnehmen und vor allem auch ernst nehmen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesminister! Sie ha­ben von einer Eindämmung der Expansion der Sachwalterschaften gesprochen. Wel­che Maßnahmen werden Sie setzen, damit die teilweise sehr hohen Zahlen an Sach­walterschaften einzelner Rechtsanwälte eingedämmt werden?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Es ist so, dass wir auf Grund von Statistiken wissen, dass es vor allem in Wien wenige, aber doch Rechtsanwalts-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 25

kanzleien gibt, die bis zu 1 000 Sachwalterschaften in einer Kanzlei vereinigen. Es ist uns auch klar, dass es da wahrscheinlich sehr schwierig sein wird, eine persönliche Betreuung all dieser besachwalteten Menschen herzustellen.

Diesbezüglich haben wir nun vor – so ist es im Begutachtungsentwurf enthalten –, die Zahl der Sachwalterschaften, die ein Anwalt übernehmen darf, auf 25 zu beschränken, weil wir glauben, dass man 25 Sachwalterschaften mit einer Anwaltskanzlei und auch mit dem Support, mit dem Hintergrundbüro sicherlich wird bewerkstelligen können, aber wenn es mehr sind, dann kommt das den besachwalteten Menschen nicht zugute. Auch das ist vorgesehen, aber, wie gesagt, das befindet sich derzeit in Begutachtung.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth, bitte.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin! Grundsätzlich ist das neue Sachwalterrecht durchaus zu begrüßen. Es bestehen nur die einen oder anderen Bedenken hinsichtlich der gesetzlichen Vertretungsbefugnis, die jetzt neu geregelt werden wird.

Ich stelle deshalb folgende Frage: Inwieweit ist sichergestellt, dass die gesetzliche Ver­tretungsbefugnis nicht die Grundidee des Sachwalterrechtes einschränkt?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Nein, das soll es wirklich in kei­nem Fall. Ich muss mir das im Detail anschauen, aber ich hoffe, dass es sichergestellt ist, denn das war nicht die Intention des Gesetzgebers.

Ich glaube auch, dass das ein wichtiges Instrument ist, das ich bis dato noch nicht ge­nannt habe. In diesem Sachwalterschaftsrechtsänderungsgesetz ist auch die Vorsor­gevollmacht enthalten und natürlich auch dieses gesetzliche Vertretungsrecht durch die nahen Angehörigen.

Ich denke, dass beides Instrumente sind, die im Endeffekt Sachwalterschaftseinrich­tungen in jenen Fällen, in welchen es Sinn macht, entlasten können. Das ist, wie ich meine, wirklich gut. Aber es soll nicht so sein, dass dadurch praktisch der Sachwalter, so, wie es bisher nach unserem Rechtsverständnis der Fall war, zur Gänze ersetzt wird. Es soll parallel möglich sein. Da, wo das eine möglich ist, soll der eine Weg ge­wählt werden, da, wo das andere notwendig ist, muss der andere Weg gewählt wer­den.

Das ist der Ansatz, den ich hier vertrete. Ich hoffe, dass das sichergestellt ist. Sollte das nicht so sein, werden wir das nachjustieren. – Danke.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Dr. Lich­tenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Erhalten Sachwalter durch den § 284a Abs. 2 des Sachwalterschaftsrechts­änderungsgesetzes die Befugnis, die Bestimmung des Wohnortes von Personen, die unter ihrer Sachwalterschaft stehen, mit Zwangsmitteln durchzusetzen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Jetzt haben Sie mich erwischt. Das muss ich mir anschauen. Kann ich diese Frage bitte schriftlich beantworten? Das ist eine sehr diffizile Rechtsfrage, die ich Ihnen nicht so aus dem Stand beantworten möchte, sondern ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang eine Rechtsauskunft ge­ben, die Hand und Fuß hat. Das möchte ich gerne schriftlich beantworten. – Danke.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Danke schön. Die Fragestunde ist damit beendet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 26

10.04.30Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen zu 2178/AB bis 2180/AB verweise ich auf die im Sit­zungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bun­desrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6).

*****

Die eingelangten Berichte des Bundeskanzlers an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2006 und zum operativen Jahresprogramm des Rates für 2006 sowie den Bericht des Bundesminis­ters für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament zum EU-Arbeitspro­gramm 2006 habe ich dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates sowie jener Entschließungsantrag 147/A (E)-BR/2005 der Bundes­räte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet. Ich habe diese Verhandlungsgegenstände auf die Tages­ordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Wolf­gang Schimböck, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen ge­mäß § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Selbständige Antrag 148/A-BR/2006 auf Abhaltung einer Parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates zum Thema „Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und deren Konsequenzen für Österreich“ eingebracht wurde.

Des weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates bean­tragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Ludwig Bie­ringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, den gegenständlichen An­trag 148/A-BR/2006 auf Abhaltung einer Parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Aus­schuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bun­desräte Wolfgang Schimböck, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenein­helligkeit. Der Antrag, den Antrag 148/A-BR/2006 ohne Vorberatung durch einen Aus­schuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrit­telmehrheit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 27

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 148/A-BR/2006 ergänzen und die­sen als 8. und somit letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 3 bis 5 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist auch nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage 2379/J-BR/2006 der Bundesräte Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verdacht auf zweckwidrige Verwendung von öffentlichen Geldern im Sozialministerium zu Gunsten einer politi­schen Partei“ an die Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.08.491. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (9. FSG-Novelle) (757/A und 1274 d.B. sowie 7470/BR d.B.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und ge­langen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Boden. Ich bitte um seinen Bericht.

 


10.09.03

Berichterstatter Karl Boden: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Da­men und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führscheingesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf den Antrag:

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Tech­nologie somit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jän­ner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (9. FSG-Novelle), mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Thomas Einwallner. – Bitte.

 


10.10.04

Bundesrat Thomas Einwallner (ÖVP, Steiermark): Frau Präsident! Herr Staatssekre­tär! Werte Damen und Herren! Durch die Novellierung des Führerscheingesetzes ist –


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 28

entgegen allen Behauptungen – eine Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr eingetreten, denn durch die Maßnahmen, die mit dieser Gesetzesänderung getroffen werden, wird die Überschreitung einer Geschwindigkeit von 180 km/h mit dem Entzug des Führerscheins geahndet. Somit wird der Grenzwert, auch wenn die Geschwindig­keit durch eine Verordnung durch den Minister erhöht wird, bei 180 km/h festgelegt und stellt somit ein Entzugsdelikt dar.

Bis jetzt war es ja so, dass die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 50 km/h erhöht wurde oder, wenn es so war, dass sie um 50 km/h erhöht wurde, also ein Tempo von 180 km/h überschritten wurde, führte das zu einem Entzugsdelikt. Wir wissen ja auf Grund der Debatten der vergangenen Wochen und Monate, dass es ab dem Frühjahr eine Teststrecke geben wird, auf der die zugelassene Geschwindigkeit erhöht wird. In diesem Fall war es aus unserer Sicht notwendig, die so genannte Grenzgeschwindigkeit von 180 km/h einzuführen. Wenn es nach der SPÖ und den Grünen gegangen wäre, dürften wir ja dann schneller fahren. Wir von der ÖVP haben im Sinne der Verkehrssicherheit, wie gesagt, eine Grenze, einen Deckel eingezogen. (Bundesrat Boden: Wenn es nach uns geht, dann darf man nur 130 fahren, nicht 180! Das ist der Unterschied!)

Was erleben wir wieder heute hier im Bundesrat? – Wir erleben wieder heute hier im Bundesrat eine – so schließe ich – parteipolitisch motivierte Blockadepolitik (Bundesrat Boden: Ja! Genau!) auf Kosten der Verkehrssicherheit und auf Kosten einer Erhöhung der Verkehrssicherheit. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer. – Bundesrat Boden: 878 Perso­nen tot im Straßenverkehr jedes Jahr!) – Herr Kollege, dazu komme ich noch.

In den siebziger Jahren war es so, dass auf Grund der damaligen Verhältnisse die Höchstgeschwindigkeit bei 130 km/h gesetzlich festgelegt wurde. Aber wir können ja, glaube ich, alle nicht leugnen, dass sich seit den siebziger Jahren sehr viel getan hat.

Die Qualität der Autos hat sich maßgeblich verbessert, das sind ja mittlerweile schon fast Hightechprodukte geworden. Es wurden die Autobahnen verbessert und auch die Begleitmaßnahmen dazu, sprich Section Control et cetera, bis hin zu der Technik der Fahrzeuge, die sich ebenfalls verbessert hat. Ich erinnere nur an ESP und ABS. Das geht bis hin zur Errichtung von Verkehrsleitsystemen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber auch mehr Verkehrstote!) Da muss es meiner Meinung nach auch erlaubt sein, dass man über die eine oder andere Erhöhung der zulässigen Geschwindigkeit disku­tiert. Das muss meiner Meinung auch erlaubt sein. (Bundesrat Boden: Die Verkehrs­toten spielen keine Rolle?!)

Wir werden im Frühjahr einen Versuch dazu erleben, der mit sehr vielen Begleitmaß­nahmen verbunden ist. Nicht so wie in Wien, wo man sich nicht einig ist, ob Tempo 50 oder 70 und man auch keine Begleitmaßnahmen setzt. Ich weiß, es ist schwierig für Ihre Fraktion, Herr Kollege, aber man wird das in Wien schon noch in den Griff bekom­men. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wie gesagt: Wir wissen auf Bundesebene sehr wohl, was wir wollen. Und Sie werden sehen, dass auf Grund der Begleitmaßnahmen auf der Teststrecke, durch den Ge­schwindigkeitskorridor, der dort eingeführt wird, nicht nur die höchstzulässige Ge­schwindigkeit von 160 km/h gefahren werden darf, sondern auch – und das wird ja von Ihnen in der Debatte nie erwähnt – 80 km/h gefahren werden muss, wenn die Fahr­bahnverhältnisse schlecht sind, zum Beispiel bei Regen oder Schnee, also die Fahr­geschwindigkeit angepasst werden soll und die Geschwindigkeit auf 80 km/h oder 100 km/h reduziert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 29

Daher spricht man in diesem Zusammenhang von einem Geschwindigkeitskorridor, denn die meisten Unfälle passieren nicht bei Sonnenschein, sondern dann, wenn es regnet und schneit und die Verkehrsteilnehmer trotzdem zu schnell unterwegs sind. Ich gehe davon aus, dass durch den Geschwindigkeitskorridor auf dieser Teststrecke natürlich noch besser auf die Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmer eingegangen werden kann.

Nichtsdestotrotz sage ich aber auch, dass man diesen Testversuch sehr gut beobach­ten und dann auch die richtigen Konsequenzen aus diesem Testlauf auf diesem Auto­bahnteilabschnitt ziehen muss.

Weiters ist mir auch noch ein Argument wichtig, das ich leider Gottes immer bei dieser Diskussion vermisse. Meines Erachtens vergessen die Fraktion der SPÖ und der Grü­nen immer wieder darauf, dass ja ein Großteil der Verkehrsteilnehmer nicht zum Spaß – vielleicht manche von Ihnen – auf der Straße ist, sondern dass dort Arbeit ver­richtet wird beziehungsweise ein Teil der Arbeit verrichtet wird. Für Tausende Pendler ist ja immer die Frage: Wie komme ich am sichersten und am schnellsten zu meinem Arbeitsplatz und von meinem Arbeitsplatz wieder nach Hause? (Bundesrat Boden: Mit dem Zug! Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln!)

Herr Kollege, zum Beispiel dort, wo ich zu Hause bin, im Bezirk Murau – Kollege Kal­tenbacher ist jetzt nicht im Saal, aber er wird Ihnen das auch berichten können –, tut man sich ein wenig schwer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. (Bundesrätin Hasel­bach: Wer ist schuld, dass die öffentlichen Verkehrsmittel immer schlechter werden?) Aber es ist uns wirklich ein Anliegen, dass man die besten Rahmenbedingungen für die Verkehrsteilnehmer, für die Pendler schafft, nämlich die sichersten, aber auch die bestmöglichen und schnellstmöglichen. (Bundesrat Boden: Er weiß gar nicht, was er redet!)

Mit diesem Versuch mit dem Geschwindigkeitskorridor und mit der Teststrecke geht man auf die heutzutage modernisierten Standards ein. Sie werden sehen – warten Sie es nur ab! –, dass es sich auszahlt! (Bundesrat Molzbichler: Fünf Sekunden Zeitge­winn!)

Es geht ja nicht nur um den Zeitgewinn, es geht auch um diesen Geschwindigkeitskor­ridor. Bekanntermaßen steigt die Zahl der Verkehrstoten nicht, sondern – im Gegen­teil! – sie sinkt durch viele Begleitmaßnahmen (Bundesrat Boden: Jaja!): Mehrpha­senführerschein, Fahren mit Licht am Tag, et cetera. Da gäbe es noch hunderttausend Argumente.

Aber ich stelle durch die Zwischenrufe und die Nervosität, die hier anscheinend in der SPÖ-Fraktion herrscht, fest, dass die SPÖ Parteipolitik auf dem Rücken der Menschen macht, die ihren Arbeitsplatz auf der Straße haben. Das ist die Wahrheit! So schaut es aus. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer. – Bundesrat Boden: Das sind wenige, die auf der Straße ihren Arbeitsplatz haben!) Die SPÖ macht Parteipolitik auf deren Rücken.

Weil es uns ja auch, wie gesagt, um die Verkehrsteilnehmer und deren Sicherheit auf den Autobahnen geht, bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Einwallner, Kolleginnen und Kollegen gegen den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (9. FSG-Novelle) (757/A und 1274 d.B. sowie 7470/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben (TOP 1)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 30

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (9. FSG-Novelle) (757/A und 1274 d.B. sowie 7470/BR d.B.), wird kein Einspruch erhoben.

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

10.17


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Stadler. Ich erteile es ihm.

 


10.17.55

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssek­retär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Einwallner, ich glaube nicht, dass du deine Ausführungen wirklich aus deiner tiefsten inneren Überzeugung gesagt hast. Wenn du davon sprichst, dass diese Novelle eine Verbesserung sei, die SPÖ, die Grünen, die Opposition Blockadepolitik betreibe, muss ich sagen: Nein! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.)

Uns geht es um die Verkehrsteilnehmer. Man sieht ja, wie gut ihr in der Steiermark gearbeitet habt. Euch ist es nicht um die Leute gegangen und darum seid ihr dort auch auf die Nase gefallen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Baier: ... Wahlkreis! ... Steiermark!) – Ich werde euch wirklich sehr gute Argumente liefern. Herr Kollege Baier, wir werden beim heutigen Thema auch noch auf Oberösterreich zu sprechen kommen. Dann wirst du sicher die Möglichkeit haben, dass du hier heraußen dazu Stellung nimmst.

Wir haben im Ausschuss wirklich schon sehr ausführlich über das Ganze diskutiert. Wenn man über die Änderung des Führerscheingesetzes diskutiert, muss man sich wirklich fragen: Was ist eigentlich der Grund dafür, dass es zu dieser Änderung kom­men soll? – Da muss ich wieder berichtigen, Herr Kollege Einwallner: Der SPÖ und den Grünen geht es nicht darum, dass wir für Tempo 200 sind. (Zwischenruf des Bun­desrates Höfinger.) – Es ist ja angesprochen worden, oder? Nein, ich rede nicht für die Grünen, die können selber reden.

Wir haben nicht deshalb Einspruch gegen diese Novelle erhoben, weil ... Wir sind nicht für 210 km/h oder dafür, dass noch schneller gefahren wird. (Bundesrat Mag. Baier: Für was denn?) Wir sind gegen die Teststrecke und gegen die 160 km/h. Darum sind wir gegen diese Gesetzesänderung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Warum ist eigentlich dieser Antrag der Nationalräte notwendig gewesen? – Weil diese Teststrecken vom Herrn Minister Gorbach geplant sind. Meiner beziehungsweise unse­rer Meinung nach ist das sehr unsinnig, denn das wird uns im Bereich der Verkehrs­politik nicht helfen, zu mehr Sicherheit auf Österreichs Straßen zu kommen. Wir lehnen es daher ab, die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf 160 km/h zu erhöhen. Damit würde man der sinnlosen Raserei Tür und Tor öffnen. Da machen wir nicht mit, meine Damen und Herren!

Die Gründe, warum wir da nicht mittun, möchte ich anhand einiger Beispiele darlegen.

Eine Studie des VCÖ zeigt, dass durch eine Erhöhung des Tempolimits von 130 km/h auf 160 km/h das Unfallrisiko um 46 Prozent steigen würde. Da frage ich mich, Herr Kollege Einwallner: Was hat das mit Verkehrssicherheit zu tun? Wie haben Sie das ge­meint, als Sie in Ihren Ausführungen sagten, dass es Ihnen darum geht, dass die Ver-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 31

kehrsteilnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmer sicher zu ihrem Arbeitsplatz kom­men?

Besonders zu erwähnen ist, dass sich dadurch die Zahl der Auffahrunfälle, die jetzt schon fast 50 Prozent der Unfälle auf den Autobahnen ausmachen, um das x-fache erhöhen würde. Herausgreifen möchte ich dabei eine spezielle Gruppe der Autofahrer, und zwar die der bis zu 25-Jährigen. Diese Autofahrer tragen jetzt schon das höchste Unfallrisiko, weil sie zu wenig beziehungsweise noch nicht die nötige Erfahrung haben (Bundesrat Köberl: Wo?), weil sie den Drang haben, Gas zu geben. Diese Gruppe von Autolenkern wird durch die unsinnigen Pläne des Herrn Verkehrsministers in ihrem Verhalten noch bestärkt. Das ist sicherlich nicht der richtige Weg einer verantwortungs­vollen Verkehrspolitik.

Dass wir Sozialdemokraten mit dieser Meinung nicht alleine dastehen, beweisen die diesbezüglichen Stellungnahmen der Länder. In diesem Zusammenhang verweise ich, Herr Kollege Baier, insbesondere auf die Meinung des Herrn Landeshauptmannes von Oberösterreich. (Bundesrat Mag. Baier: Der ist gut!) – Der ist gut. Ja. (Beifall und Bra­vorufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, du kennst die Meinung unseres Landeshauptmannes und die seines Stell­vertreters Dipl.-Ing. Erich Haider. Beide waren sofort strikt gegen eine Teststrecke mit 160 km/h, gegen eine sinnlose Raserei auf den Autobahnen in Oberösterreich. Die Teststrecke wäre zwischen Haid und Sattledt geplant gewesen. Diese dreispurige Autobahn dort ist nach besten Verkehrssicherheitskriterien gebaut worden, nach dem neuesten Stand der Technik, und man sprach sich sofort gegen eine Teststrecke dort aus. Ich spreche daher jetzt besonders die Kollegen aus Oberösterreich an und appel­liere an Sie: Schließen Sie sich der Meinung unseres Landeshauptmannes, eures Lan­desparteivorsitzenden an (demonstrativer Beifall der Bundesrätin Dr. Lichtenecker) und stimmen Sie mit uns gegen den Einspruch, gegen diese Gesetzesänderung!

Unser Ziel ist mehr Sicherheit auf den Straßen. Mit mehr Tempo auf Autobahnen wer­den wir das sicher nicht erreichen.

Kollege Einwallner hat gesagt, es habe sich im Laufe der letzten Jahrzehnte sehr viel geändert. Da muss ich ihm Recht geben. Ja, es hat sich sehr viel geändert. So sind beispielsweise die Autos besser geworden. Aber glaubt ihr nicht, dass auch der Ver­kehr zugenommen hat, dass sich auch beim Verkehrsaufkommen sehr viel geändert hat? Dass kann man doch nicht mehr mit dem vergleichen, was vor 20 Jahren auf den Autobahnen los war, damit, was damals an LKWs auf Autobahnen unterwegs war! Ich glaube, gerade das muss man dabei bedenken.

Abschließend noch folgender Punkt: Es kommt von der ÖVP immer wieder die Auffor­derung: Schaut nach Deutschland! Das macht ihr besonders gerne, wenn es um Politik geht. Jetzt sage ich auch: Schaut nach Deutschland! Was ist in Deutschland? Im Aus­schuss ist von eurer Seite die Bemerkung gefallen, in Deutschland könne man fahren, so schnell man will. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Herr Kollege Mayer! Ich glaube, dass Sie da falsch informiert sind. In Deutschland gibt es eine Richtgeschwindigkeit. Und wie hoch ist diese Richtgeschwindigkeit? – Sie be­trägt 130 km/h. Man wird zwar nicht ... (Zwischenruf des Bundesrates Kritzinger.) Man muss zwar nicht zahlen, wenn man mehr als 130 km/h fährt, aber was ist die Konse­quenz aus dem Ganzen? – Wenn man mit mehr als 130 km/h einen Unfall verursacht, dann zahlt die Versicherung nicht mehr, dann muss man alle Kosten selbst überneh­men. (Bundesrat Kritzinger schüttelt verneinend den Kopf.) Nicht den Kopf schütteln! Das ist die Wahrheit! (Bundesrat Bieringer: Das ist ja nicht wahr! Erzählen Sie keine Märchen!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 32

Herr Kollege Bieringer, lesen Sie nach oder erkundigen Sie sich! Sie haben es ja von Salzburg-Wals nicht sehr weit nach Deutschland.

Meine Damen und Herren! Wir sind gegen Teststrecken mit einer Geschwindigkeitszu­lassung von 160 km/h. Wir wollen eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik, die die Si­cherheit auf Österreichs Straßen zum Ziel hat. Daher werden wir Einspruch erheben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.26


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass der von den Bundesräten Thomas Einwallner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, genügend unterstützt und demnach mit in Ver­handlung steht.

Ich erteile dem nächsten Redner, Herrn Bundesrat Tiefnig, das Wort.

 


10.26.10

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Zuerst will ich mich einmal recht herzlich beim Herrn Bundesrat Stadler bedanken (demonstrativer Beifall bei der SPÖ), weil er endlich einmal unseren Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer gelobt hat. In Oberösterreich traut er sich das wahrscheinlich nicht zu tun. (Beifall und Jawohl-Rufe bei der ÖVP.)

Ich will dieses Lob auch Herrn Landesrat Hiesl aussprechen, denn er ist für die Auto­bahnen in Oberösterreich zuständig. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Ja, si­cher! Wir haben in Oberösterreich dreispurige Autobahnen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Es sind auch die Gelder und die Mittel vom Land Oberöster­reich gekommen. Ich glaube, es ist wirklich ein Schritt der Annäherung von Seiten der SPÖ, wenn von ihrer Seite auch wieder einmal Lobeshymnen kommen.

Zum Thema 180 km/h sind wir geteilter Meinung. Da ist die Anschauung der SPÖ und auch die der Grünen eine andere. Aber auch in Oberösterreich haben wir eine andere Meinung zu 180 km/h. Wie schon mein Kollege Einwallner als dein Vorredner, ge­schätzter Herr Stadler, ausgeführt hat, gelten die 180 km/h für den Führerscheinent­zug. Sollten die 160 km/h wirklich auf einer Versuchsstrecke kommen, dann gäbe es mit jetzigem Stand einen Führerscheinentzug erst bei 210 km/h. Das ist also ein wich­tiger Schritt auch im Vorfeld dieser angedachten Geschwindigkeitserhöhung in ver­schiedenen Bereichen gewesen. (Bundesrat Stadler: Nur nicht in Oberösterreich!) – Das haben wir ja gesagt! (Bundesrat Stadler: Nur in Oberösterreich sind wir brav! – Bundesrat Boden: Ich hoffe, du stimmst mit uns!)

Ich möchte jetzt auf das Beispiel Deutschland zu sprechen kommen. Es ist so, dort gibt es eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. In Deutschland gibt es auch sehr viele Ge­schwindigkeitsbeschränkungen, wo man nur 100 km/h auf der Autobahn fahren darf. Aber wenn man in Deutschland auf der Autobahn mit 130 km/h unterwegs ist, dann muss man beinahe auf dem Pannenstreifen fahren, denn da fahren alle an einem vor­bei. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Herr Stadler! Ich bin überzeugt davon, dass die Schuld für die Auffahrunfälle nicht nur bei den hohen Geschwindigkeiten liegt, sondern bei der Unaufmerksamkeit der Fahrer. Nur ein Beispiel dafür: Ich bin heute in der Nacht nach Wien gefahren, bin die vorge­schriebenen 130 km/h gefahren und hatte dabei sehr großes Glück, denn der Fahrer vor mir ist eingeschlafen. Da ist vor allem die Wachsamkeit des Hinterherfahrenden das Wichtige. Das gilt auch für Deutschland. (Bundesrat Molzbichler: Das ist aber ein Widerspruch!) In Deutschland ist der Unfallverursacher dann haftbar, wenn er nicht die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 33

Richtgeschwindigkeit von 130 km/h einhält. Es ist nicht so, wie Sie hier ausgeführt haben. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Ich möchte auch zum Thema „Tempo 50 und 70 in Wien“ etwas sagen: Das ist meiner Meinung nach ein Zickzackkurs, den man nicht nachvollziehen kann. Dieses Thema kam nach den Wiener Landtagswahlen auf. Zuerst war alles eitel Wonne und Sonnen­schein, und dann kam man daher und beschränkte die Geschwindigkeit auf 50 km/h, und dann wurde sie wieder auf 70 km/h erhöht. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Stadler.)

Auch in anderen Bereichen war es so. Auf einmal erhöhte man die Müllgebühr von 19,5 Prozent auf 28 Prozent; das macht 19 € pro Bürger aus. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Die SPÖ fährt einen Zickzackkurs seit dem Wirtschaftspro­gramm von Matznetter. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich will darauf gar nicht näher eingehen.

Wir halten unsere Linie ein: Wir wollen den Führerscheinentzug bei Übertretung der Geschwindigkeit von 180 km/h! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Regelung ist jetzt auch im Gesetz verankert. Somit wird zum Beispiel bei einer Verordnung, die 160 km/h vorsieht, nicht bei 210 km/h der Führerschein entzogen, sondern bei 180 km/h, und das ist richtig so. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Sinne sage ich: Ich stehe zu unserem Landesparteivorsitzenden Dr. Josef Pühringer, denn auch er sagt so wie ich: Bei 180 km/h rigoroser Führerscheinentzug! Ich bin genau dieser Meinung: Bei 180 km/h wird der Führerschein weggenommen! Genau das sieht das vorliegende Gesetz vor.

Wir debattieren heute nicht, ob 160 km/h oder 130 km/h gelten sollen, sondern wir de­battieren heute die Führerscheingesetz-Novelle, wo für den Entzug des Führerscheins 180 km/h gelten.

In diesem Sinne werden wir diesem Gesetz zustimmen. Wenn es um 160 km/h gehen würde, dann müsste man auch seitens Oberösterreich eine Debatte machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


10.31.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Lieber Herr Kollege Einwallner, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen gesagt, die SPÖ und die Grünen würden 210 km/h erlauben wol­len. Vielleicht sollten Sie sich unseren Einspruch ganz genau durchlesen. (Bundesrat Thomas Einwallner: Habe ich getan!) Da steht nämlich drinnen, was wir wirklich wol­len. Wir wollen nicht, dass 210 km/h möglich sind, bevor man den Führerschein ver­liert, sondern wir wollen, dass schon bei Überschreitung von 160 km/h ein Vormerk­delikt vorliegt. Das ist das, was wir wollen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Boden: Man könnte den Antrag vorlesen, wenn Sie ihn nicht lesen wollen!)

Wir können dann, wenn Sie wollen, den Einspruch ganz genau und detailliert vortra­gen, damit Sie das auch ... (Bundesrat Thomas Einwallner: Ich habe es eh gelesen!) – Sie haben ihn eh gelesen! Na super. Trotzdem: Lesen Sie ihn noch einmal genau durch!

Bei dem Führerscheingesetz – das ist jetzt die zwölfte Änderung des Führerscheinge­setzes seit 2001 – habe ich den Eindruck, dass das ein Gesetz ist, das jedes Jahr drei,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 34

vier Mal geändert wird. Es geht immer um Kleinigkeiten, und es wird immer wieder nicht ausreichend genug geändert. Auch dieses Mal ist es so, denn es fehlt, wie wir sehen, die Regelung, dass es Vormerkdelikte geben soll, die mit der Geschwindigkeit etwas zu tun haben.

Herr Bundesminister Gorbach hat jetzt mehr oder weniger im Alleingang beschlossen, es soll in Österreich eine Teststrecke geben, auf der man erlaubterweise 160 km/h ausprobieren darf. Das widerspricht meiner Meinung nach dem Ziel, die Verkehrs­sicherheit auf Österreichs Straßen zu erhöhen, und dieses Ziel sollte auch mit dem Führerscheingesetz umgesetzt werden. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundes­rates Molzbichler.)

Herr Minister Gorbach hat mit der Einführung dieser Teststrecke einen Alleingang un­ternommen und ist damit auch allein verantwortlich für mehr Verkehrsunfälle und mehr Verkehrstote. Es ist in diesem Zusammenhang schon die VCÖ-Studie angesprochen worden. Dazu gibt es aber noch weitere Studien. Jedenfalls ist bewiesen, dass es bei 130 km/h und bei 160 km/h einen Unterschied hinsichtlich der Verkehrssicherheit gibt. Das kann man nicht so einfach wegreden. Tatsache ist: Es besteht ein Unterschied! Das haben wir schon in der Fahrschule gelernt: Wenn es um das Bremsen geht, dann gibt es einen Anhalteweg, und dieser teilt sich auf in Reaktionsweg und Bremsweg. Den Reaktionsweg kann man durch technischen Fortschritt nicht beeinflussen, der richtet sich nach der Geschwindigkeit. Je höher die Geschwindigkeit, umso länger der Reaktionsweg. Den Bremsweg kann man möglicherweise beeinflussen, der ist aber vernachlässigbar.

Es ist so, dass der Unterschied beim Anhalteweg bei 130 km/h und bei 160 km/h enorm ist. Wenn man bei 130 km/h schon zum Stehen gekommen ist, hat man bei 160 km/h noch eine Geschwindigkeit von 100 km/h. Bei einem Auffahrunfall sind diese 100 km/h ziemlich sicher tödlich.

Das Problem bei der ganzen Sache ist sicher auch, dass gerade junge Menschen auf Grund von Selbstüberschätzung und von zu hohem Tempo ein höheres Unfallrisiko ha­ben, und da vor allem männliche Personen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Mädchen neigen offensichtlich nicht so zur Selbstüberschätzung. Vielleicht sollte sich das gerade Herr Minister Gorbach hinter die Ohren schreiben.

Dieser Unterschied zwischen 130 km/h und 160 km/h hat 77 Prozent mehr Verletzte und 116 Prozent mehr tödliche Unfälle zur Folge. – Darüber gibt es Studien, die das beweisen.

Der Unterschied zwischen 130 km/h und 160 km/h bringt mehr Belastung für die Um­welt und damit ein erhöhtes Gesundheitsrisiko und eine höhere Verkehrsabgabe. Zum Beispiel: Der CO2-Ausstoß steigt um 27 Prozent, die Belastung durch Stickoxide um 33 Prozent, und die Feinstaubbelastung nimmt um 41 Prozent zu. – Darüber gibt es Studien, die das beweisen, das braucht man nicht auszutesten.

Beim Lärm ist es so: Ein PKW verursacht bei 160 km/h in etwa so viel Lärm wie zwei PKWs bei 130 km/h. – Lärm macht krank! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Darüber gibt es Studien, die das beweisen, das braucht man nicht auszutesten.

Ich frage mich wirklich, wozu dieser Probebetrieb beziehungsweise dieser Testbetrieb gut sein soll. Die Zahlen sind ja bekannt! Und ich weiß auch nicht, warum man jetzt noch Studien am lebenden Objekt machen muss – noch dazu, wenn diese lebenden Objekte vorwiegend Jugendliche beziehungsweise junge Menschen sind. Ich meine, dass es wirklich verantwortungslos ist, wenn man das noch austesten will, denn das hat einfach mit Leben zu tun. Ich will nicht, dass meine Kinder einmal auf irgendeiner


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 35

Teststrecke 160 km/h ausprobieren und dadurch einen Verkehrsunfall verursachen! Das ist nicht das, was ich will. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wer diese Tests unterstützt – und mit dieser Führerscheingesetz-Novelle nehmen wir die gewollten 160 km/h mit in Kauf; das ist sicher ein Problem –, der macht sich mit­schuldig, wenn die prognostizierten Unfallzahlerhöhungen eintreten – ganz zu schwei­gen von der steigenden Umweltbelastung.

Es stimmt, die Verkehrssicherheit in Österreich hat sich in den letzten Jahren verbes­sert. Nichtsdestotrotz liegt Österreich innerhalb der EU im Schlussfeld. Es können nur mehr Spanien, Griechenland, Polen und Tschechien mithalten, was die Zahl der Ver­kehrstoten pro Million Einwohner betrifft. Also wir können wahrlich nicht sagen, wir hätten nichts mehr zu tun, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, sondern ganz im Gegenteil: Da haben wir noch sehr viel zu tun!

Nicht angepasste Geschwindigkeit ist mit 36 Prozent die häufigste Unfallursache. Wenn Minister Gorbach schon die erlaubte Höchstgeschwindigkeit an die örtlichen Ge­gebenheiten anpassen will, dann sollte er das doch in jenen Bereichen tun, in welchen es zu Temposenkungen kommen würde. Wir haben zum Beispiel für den Bereich Kor­neuburg vor einem Jahr beantragt, dass auf der A 22 auf Grund der Belastung der Anrainer das Tempolimit herabgesetzt wird. Es ist noch nicht einmal eine Antwort aus dem Ministerium auf unser Schreiben gekommen. Also das wird einfach ignoriert. Bei der Einführung der 160 km/h geht das offensichtlich schneller.

Vor dem Ausbau der A 22, der ja mit Sicherheitsmängeln begründet worden ist, haben wir jahrelang darum gekämpft, dass es zu einer Temporeduktion kommt. Dieser Forde­rung ist kurz vor dem Ausbau auch entsprochen worden. Die BH hat die Temporeduk­tion verhängt, und schon innerhalb eines Jahres war bei den Unfällen ein Rückgang zu verzeichnen.

Wenn man die Verkehrssicherheit erhöhen will, dann sollte man das Tempo reduzieren und nicht mit 160 km/h die Raserei erlauben und Menschenleben gefährden.

Europaweite Vergleiche zeigen, dass niedrigere Tempolimits, höhere Strafen und Punkteführerschein, die nicht nur zum Schein existieren, eine Reduktion bei den Ver­kehrstoten zur Folge haben. Wenn Minister Gorbach schon Tests machen will, dann sollte er doch diese Maßnahmen testen!

Das ewige Argument, es führen ja ohnehin schon alle 160 km/h, man müsste jetzt ein­fach nur die Strafregelung anpassen, ist meiner Meinung nach ziemlich hirnrissig, denn dann bräuchte man in Wirklichkeit gar keine Strafen mehr zu verhängen.

Der Minister beschließt jetzt im Alleingang, dass auf Teststrecken 160 km/h gefahren werden darf. Gleichzeitig verspricht der Herr Minister, dass diese 160 km/h auch 160 km/h bleiben werden. Die einzige Maßnahme, die gesetzt wird, ist die, dass man jetzt das Führerscheingesetz insofern ändert, als man, statt den 50-km/h-Unterschied einzuführen, beschließt, dass bei Übertretung der 180 km/h der Führerschein entzogen wird.

Würden wir jetzt dieser Gesetzesänderung zustimmen, dann würden wir indirekt auch diesen 160 km/h zustimmen. Das ist unser großes Problem!

Des Weiteren: Wenn es heißt, 160 km/h sollen 160 km/h bleiben, dann muss man bei Überschreitung der 160 km/h bereits eine massive Strafe zu erwarten haben, und das wäre für uns ein Vormerkdelikt. Das steht auch so in unserem Antrag – und nicht, dass wir 210 km/h wollen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn es um Teststrecken geht, dann gibt es auch Testpiloten, und Testpiloten sollten ihre Fahrzeuge besonders gut unter Kontrolle halten. Deshalb muss, wenn 160 km/h


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 36

160 km/h bleiben sollen, schon eine geringe Überschreitung zumindest ein Vormerk­delikt nach sich ziehen.

Einen entsprechenden Entschließungsantrag haben wir schon im Nationalrat einge­bracht – er ist dort abgelehnt worden, aber Sie können auch jetzt noch in sich gehen, wir geben Ihnen diese Chance, indem wir diesen Gesetzentwurf zurück an den Absen­der schicken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.40


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


10.40.55

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Jeder verantwortungsbewusste Man­datar sollte sich in seinen Reden an die Tagesordnung halten. Laut Tagesordnung, Tagesordnungspunkt 1, befinden wir uns in der Debatte zum Führerscheingesetz (Bun­desrat Molzbichler: Aber das darf man schon uns überlassen!) – und keineswegs in einer Debatte betreffend eine Teststrecke, die auf Verordnungswege von der Bundes­regierung verordnet wurde oder wird. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Aber der Zusammenhang ist unbestritten! Wer den Zusammenhang bestreitet, weiß nicht, wovon er redet!) Trotzdem muss ich auf Grund der Debattenbeiträge der Redner von den Oppositionsparteien natürlich auch kurz auf diese Teststrecke beziehungsweise diese Verordnung eingehen. (Rufe bei der SPÖ: Ach so!)

Es muss legitim sein, Reformwillen in Österreich auch betreffend das Straßenverkehrs­gesetz zu zeigen, nachdem die Autos auch nicht gleich geblieben sind. Jeder, der die­se Debatte nicht führen möchte, geht an der Realität vorbei. Sie selbst fahren augen­scheinlich auch Auto und werden wahrscheinlich öfters, so wie auch ich, für das Über­schreiten der zulässigen Geschwindigkeit – wenn diese auch nur minimal überschritten wurde – bestraft worden sein. (Zwischenruf des Bundesrates Gruber.) Aber es gibt Strecken – das beweist uns Deutschland –, die geeignet sind, bei Vorhandensein der entsprechenden technischen Ausrüstung des Fahrzeugs auch schneller befahren zu werden. Es ist Eigenverantwortung des Einzelnen, was die Ausschöpfung dieses Geschwindigkeitsrahmens anlangt, angesagt – Eigenverantwortung! Es wird niemand gezwungen, auf einer Strecke, die als Teststrecke angegeben wird, 160 km/h zu fah­ren. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Da sind wir aber froh!)

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf § 20 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung: „Der Lenker eines Fahrzeuges hat die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Ver­kehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung an­zupassen.“ (Bundesrat Gruber: Wofür brauchen wir dann überhaupt Beschränkungen, wenn das eh vorgegeben ist?) – Selbstverständlich steht auch das mit in Diskussion.

Die Teststrecke selbst wurde natürlich mit verschiedenen Kriterien belegt – flexible Ge­schwindigkeitsanzeigen, bauliche Voraussetzungen, bessere Kontrolle, eventuell auch eine Ausbildung bei den Fahrprüfungen, damit man mit einer höheren Geschwindigkeit besser umgehen kann, all das sind begleitende Maßnahmen.

Zur Teststrecke Spittal – ich bin nicht Experte, Sie spielen sich hier als Experten der Verkehrssicherheit auf; ich weiß nicht, wo Sie sich die Fähigkeiten erarbeitet oder sie erlernt haben. (Bundesrat Gruber: Nein, wir zitieren Experten! Aufspielen tut sich der Herr Vizekanzler zum Experten!) – Ich meine, der Herr Vizekanzler sollte sich, so wie wir als gesetzgebende Körperschaft auch, auf Aussagen und Gutachten von Experten und Fachleuten verlassen. (Bundesrat Stadler: Die sind aber negativ! Durchwegs ne-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 37

gativ!) Und wenn Fachleute und Experten festlegen, dass diese Strecke geeignet ist (Bundesrat Stadler: BZÖ-Fachleute vielleicht!), dann kann man nicht noch Haare in der Suppe suchen und finden wollen.

Vielleicht gibt es noch bessere Teststrecken, wahrscheinlich liegen diese aber in Bun­desländern, die weniger Reformwillen hinsichtlich der gesetzlichen Gestaltung und im Zusammenhang mit Verkehrssicherheit zeigen. (Bundesrat Gruber: A1-Ring wäre eine Möglichkeit!)

Ich komme zurück zur heutigen Tagesordnung. Ich billige der Opposition immer zu – das habe ich auch in meiner Funktion als Präsident dieses Hauses mehrmals betont! –, hier Einspruch gegen Gesetze zu erheben, bei denen im Nationalrat ebenfalls begrün­det dagegen gestimmt wurde, aus weltanschaulicher oder ideologischer Sicht, egal wie. Das billige ich der Opposition immer zu, denn sie tut sich sogar schwer, hier im Bundesrat ein Gesetz passieren zu lassen, das ihre eigenen Genossen im Nationalrat abgelehnt haben. – So weit, so gut.

Aber in diesem Fall geht es nicht um die Ablehnung eines Gesetzes, das Sie nicht mit­tragen können, hier geht es nicht um ein Gesetz, das 160 km/h auf Autobahnen in Ös­terreich erlaubt, sondern hier geht es um eine Verordnung, mit der die Regierung – und die kommt nun einmal nicht aus Ihrem Lager (Bundesrat Boden: Aber im Bundesrat, da ist es mehrheitlich in unserem Lager! Das tut weh!) – den Test verordnen kann, in­wieweit es in Österreich möglich ist, bei Einhaltung aller verkehrstechnischen Maßnah­men und Sicherheitsbelange auch eine höhere Geschwindigkeit zu erlauben.

Sie sollten es demokratisch anerkennen, dass die Regierung diesen Test durchführen möchte, der ganz genau beobachtet wird.

Eine Überschreitung der Geschwindigkeit um 50 km/h war bisher für das Entzugsver­fahren des Führerscheins für außerhalb der Orte vorgesehen. (Ruf bei der SPÖ: Auf Autobahnen!) Eine Nicht-Änderung des Führerscheingesetzes würde bedeuten, wie das ja hier schon ausgeführt wurde, dass erst ab einer Geschwindigkeit von 210 km/h ein Führerscheinentzugsverfahren stattfinden könnte.

Es gibt – das wissen Sie wahrscheinlich auch aus Erfahrung – immer wieder Kraftfah­rer, die bei 130 km/h notorische Schnellfahrer sind, aber sich nicht über 180 km/h wa­gen – nur wenige tun dies –, weil sie zwar sehr wohl eine Strafe riskieren, die finan­zielle Auswirkungen auf ihre Geldtasche hat, aber ein Führerscheinentzugsverfahren nicht riskieren wollen. Sie bleiben also bei einer Größenordnung von etwa 170 km/h. Und diese Autolenker würden wahrscheinlich, sollten Sie mit Ihrem Einspruch errei­chen, dass die Bundesregierung das so lässt und dieses Gesetz nicht beschlossen wird, in Zukunft die 200-km/h-Grenze anpeilen. (Bundesrat Stadler: Nein! Verstehen Sie das wirklich nicht?)

Ich verstehe sehr wohl, dass Sie das Gesetz, das hier vorliegt, beeinspruchen und da­mit den Status quo beibehalten wollen, der festhält, dass erst bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb von Orten um mehr als 50 km/h ein Führerscheinentzugsverfahren einzuleiten ist. Lassen Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, daher dieses Gesetz in Kraft treten! Springen Sie einmal über Ihren Schatten (ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ), verzichten Sie hier auf einen Einspruch, und leisten Sie damit einen Beitrag zur Verkehrssicher­heit in Österreich! (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl sowie Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stadler: Sie verstehen das wirklich nicht! Das tut mir Leid! – Ruf bei der SPÖ: Das ist Zynismus! – Bundesrat Mitterer – das Rednerpult verlassend –: Tages­ordnung und Vorlage des Gesetzes lesen! – Bundesrat Gruber: Wenn man da von Sicherheit redet, wenn man 160 fährt, das grenzt an Zynismus!)

10.47



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


10.48.04

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Befänden wir uns nicht in einer Bundesratssitzung, würde ich meinen, wir wären beim Villacher Fasching. (Beifall bei der SPÖ.) Aber die Themen, die wir heute hier erörtern, sind aus meiner Sicht viel zu ernst dazu.

Kollege Einwallner, ich muss dir ganz unverblümt sagen: Du redest auch wie der Blinde von der Farbe! Kennst die Teststrecke nicht! Ich glaube kaum, dass du dich in diesem ganzen Geschehen im Straßenbereich auskennst, das muss ich schon einmal feststellen.

Kollege Mitterer hat gesagt, dass er auch nicht Experte in dieser Richtung ist – ich kann für mich allerdings anderes sagen. Ich bin seit 20 Jahren Beschäftigter der Auto­bahnmeisterei in Spittal an der Drau und weiß sehr wohl, in welchem Zustand sich diese Strecke befindet. Ich habe vor Weihnachten ein Statement dazu abgegeben und muss dazu jetzt Folgendes sagen:

Es wundert mich, dass Ihre Aussagen, werte Kollegen in der – von mir aus gesehen – rechten Hälfte des Saales, noch immer in diese Richtung gehen, denn diese Strecke – eine zweispurige Autobahn im Gebiet Spittal bis Paternion-Feistritz – ist 30 Jahre alt. In den letzten zehn Jahren hat es dort 137 Verkehrsunfälle (Bundesrat Stadler: Ein Wahnsinn!) mit zehn Toten gegeben – meine Damen und Herren, mit 10 Toten! – und mehr als 130 Schwerverletzten. (Bundesrat Boden: Das wird sich drastisch erhöhen!)

Auf dieser Strecke, die nur zweispurig ausgebaut ist, gibt es unter anderem ein Brü­ckenobjekt im Kurvenbereich, es gibt Wildwechsel, der beschildert ist. – Ich muss also schon sagen, mit welcher Begründung diese zweispurige Strecke als Teststrecke her­angezogen wurde, verwundert mich immer wieder, da doch Minister Gorbach ur­sprünglich zwischen Haid und Sattledt, wie Kollege Stadler schon berichtet hat, eine dreispurige Autobahn, diese Teststrecke hätte einrichten wollen. Aber auf einmal reicht auch eine zweispurige Autobahn, die in keiner Weise den Kriterien der Sicherheit ent­spricht, aus, um diesen Test mit dieser hohen Geschwindigkeit durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe hier einen Zeitungsausschnitt (der Redner hält die­sen in die Höhe): In den vergangenen Jahren gab es dort 25 Geisterfahrer, und zwar nachweislich! Die Dunkelziffer ist sicherlich bedeutend höher. Es gab sicherlich auch einige, die auf der Autobahn wieder umgedreht haben! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Wir haben mehrere Geisterfahrer, auch solche, die mit Ortstafeln unter­wegs sind! Kollege Kühnel, da gebe ich dir Recht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Zur Thematik Teststrecke passt natürlich auch die Sache mit den Ortstafeln, wobei ich dazu sagen möchte: Ich glaube, das Wort „verrücken“ hat auch mit verrückt zu tun. Weiters möchte ich mich jedoch nicht zu diesem Thema äußern.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Aussage zu dieser „Teststrecke“ – unter An­führungszeichen –: Wir werden bei dieser Geisterfahrt des Herrn Gorbach sicher nicht dabei sein! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bravoruf des Bun­desrates Stadler.)

10.51


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär Mag. Mainoni ge­langt nun zu Wort.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 39

10.51.55

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Eduard Mainoni: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren des Bundesrates! Angesichts dieser doch etwas polemischen Diskussion (Zwi­schenrufe bei der SPÖ) freue ich mich, jetzt zu Wort kommen zu können, um Ihnen auch einige Dinge mitzuteilen, Dinge, die aus einer anderen Sicht betrachtet, ganz andere Ergebnisse zeigen.

Zweifelsohne ist es das oberste Gebot von uns allen, dass alles getan werden muss, um die Zahl der Verkehrsunfälle sowie die Zahl der im Straßenverkehr ums Leben ge­kommenen Menschen zu reduzieren. (Bundesrat Boden: Auch der Verletzten!) – Selbstverständlich auch die Zahl der Verletzten.

Wir sind, was die Unfallstatistik betrifft, da ja auch auf gutem Wege. (Bundesrat Molz­bichler: Deswegen erhöhen wir die Geschwindigkeit! – Bundesrat Konecny: Daher ändern wir das jetzt! Zu wenig Todesfälle!) Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang drei Zahlen nennen: Im Straßenverkehr des Jahres 1999: 1 079 getötete Personen, im Jahre 2004 waren es 878 – und im vergangenen Jahr „nur mehr“ 764. Also die Maß­nahmen, die gesetzt wurden, haben tatsächlich gegriffen. (Bundesrat Konecny: Daher ist ein Kurswechsel notwendig!) Das beginnt bei den Warnwesten, geht über das Vor­merksystem, et cetera; verschiedene Maßnahmen eben, die zur Erhöhung der Ver­kehrssicherheit beigetragen haben.

Lassen Sie mich jetzt, meine Damen und Herren, auf etwas zu sprechen kommen, das zwar nicht direkt zum Thema des jetzt zu behandelnden Tagesordnungspunktes zählt, diese Thematik jedoch zumindest berührt und beim einen oder anderen auch Emotio­nen auslöst. (Bundesrat Molzbichler: Deswegen gibt es dieses Reparaturgesetz!)

Unser Zugang zu dieser Thematik ist ein völlig anderer, und insbesondere in meiner Funktion als Staatssekretär für Forschung ist es mir sehr, sehr wichtig, dass For­schungsergebnisse aus der Verkehrstechnologie im Telematikbereich angewandt wer­den können, und zwar zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Einen Telematikeinsatz gibt es bereits entlang der Inntal Autobahn und auch entlang der Brenner Autobahn. Das heißt in der Praxis, dass über eine Zentrale in Inzersdorf jederzeit und sofort in das Verkehrsgeschehen eingegriffen werden kann durch Überkopfwegweiser, das heißt weiters, dass beispielsweise angezeigt werden kann, ob es auf der Strecke einen Unfall gegeben hat, ob es Probleme im Hinblick auf die Fahrbahn, ob es einen Stau oder eine wetterbedingte Behinderung gibt.

Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass durch den Einsatz dieser Verkehrstech­nologien die Autofahrerinnen und Autofahrer sofort reagieren können. Die Zukunft in Österreich heißt daher: „intelligente Autobahn“.

Sie alle kennen das ja, meine Damen und Herren: Derzeit sind wir noch darauf ange­wiesen, dass – etwa zu jeder halben Stunde – der ORF, und zwar über „Ö3“, Verkehrs­hinweise gibt; ausgenommen natürlich schnellere Meldungen über Geisterfahrer. – In Zukunft soll es möglich sein, dass man entlang der Autobahn in Echtzeit, das heißt jederzeit und sofort, weiß, ob es irgendwelche Gefahren, ob es irgendwelche Behinde­rungen gibt.

Ein Teil dieser Verkehrstechnologien dient eben auch dazu, zu zeigen, ob es wetterbe­dingte, ob es verkehrsbedingte Behinderungen gibt – oder ob vielleicht andere Gefah­ren drohen. Das, meine Damen und Herren, wird mit diesem Telematikeinsatz ermög­licht. In den meisten Fällen führt der Telematikeinsatz zu einer Reduktion der Ge­schwindigkeit. Das bedeutet: Bei Gefahr wird von Tempo 100 auf Tempo 80 oder Tempo 60 reduziert. Auch wenn es zu viel Verkehr gibt, wird die Geschwindigkeit redu-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 40

ziert, um sowohl die Durchflussmenge der Fahrzeuge als auch die Geschwindigkeit konstant zu halten.

Der Ansatz in diesem Zusammenhang ist nun: Diese Straßenstücke werden bestens kontrolliert und bestens überwacht, und diese Teststrecke wird die am besten über­wachte Autobahnstrecke in Österreich sein. (Bundesrat Molzbichler: Aber nur zwei­spurig, Herr Staatssekretär!) Auf dieser Strecke wird es eine Section Control geben, weiters Videoüberwachung, Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Überkopfwegwei­ser, mit denen jederzeit gewarnt werden kann, wenn es Probleme entlang dieser Auto­bahn gibt. (Bundesrat Molzbichler: Zweispurige Autobahn!)

Weiters: Zwischen 22 Uhr und 5 Uhr Früh wird dort ohnehin immer Tempo 110 ange­schrieben sein, weil es auf der A 10 diese Beschränkung ja sozusagen von Haus aus gibt. (Bundesrat Molzbichler: Weil zu diesem Zeitpunkt gerade der Wildwechsel statt­findet!) In Ausnahmefällen, meine Damen und Herren, wird jetzt die Möglichkeit ge­schaffen, in einem Testbetrieb eben, über die höchstzulässige Geschwindigkeit von 130 km/h hinauszugehen – wobei das schärfstens kontrolliert, bestüberwacht sein wird; selbstverständlich nur bei gutem Wetter und bei geringer Verkehrsdichte – und mit einem Tempo von 160 km/h fahren zu dürfen.

Eines der Probleme dieser Diskussion ist, dass manche zu suggerieren versuchen, dass man dort 160 km/h fahren müsse. (Bundesrat Konecny: Wer suggeriert das? Aber bitte! Das ist unter Ihrem Niveau!) – Ganz im Gegenteil: Es geht um die Eigenver­antwortlichkeit der Fahrzeuglenkerinnen und Fahrzeuglenker, und das bedeutet, dass im Ausnahmefalle, und zwar unter Einsatz modernster Verkehrstechnologie, auf be­stimmten Straßenstücken – und das lediglich zu Testzwecken – Tempo 160 km/h ge­fahren werden kann. Wie gesagt: Da geht es auch um die Eigenverantwortlichkeit der Fahrzeuglenkerinnen und -lenker, ob sie das tatsächlich fahren möchten und können.

Noch einmal: Diese Teststrecke ist der am besten kontrollierte Autobahnabschnitt Ös­terreichs. (Zwischenruf des Bundesrates Molzbichler.) Sie wissen ja auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass nicht umsonst die steirische Landesrätin Edlinger-Ploder von sich aus gesagt hat (Bundesrat Molzbichler: Es ist eine Frechheit, solche Aussagen zu tätigen!), sie wünsche sich eine derartige Teststrecke auch in der Steier­mark, denn sie sagt richtigerweise (Bundesrat Konecny: Wer sagt das?): So etwas ist das am besten kontrollierte Straßenstück Österreichs.

Auf einem solchen Autobahnabschnitt wird es ganz sicher zu weniger Unfällen kom­men; da wird es keine Raserei mit mehr als 160 km/h geben, wie das ja derzeit oft der Fall ist. Dort ist Tempo 160 Tempo 160  und das höchstens, bitte! Dort wird es keine unkontrollierten Verkehrsübertretungen geben, da die gesamte Strecke voll überwacht wird. Sie alle kennen sicher die Thematik rund um die Section Control hier in Wien oder auch im Wechsel-Abschnitt, wo die Verkehrsvorschriften tatsächlich eingehalten werden, weil eben jeder weiß, dass jeder, der schneller fährt, automatisch dran ist und Strafe zahlen muss. Und die Androhung einer Strafe ist ja bekanntermaßen doch noch das beste Mittel zur Verhinderung von Übertretungen im Straßenverkehr.

Zusammenfassend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Appelliert wird dabei an die Eigenverantwortung der Fahrzeuglenkerinnen und Fahrzeuglenker, und ich wage die Behauptung, dass es dort, und zwar in überwiegendem Maße, sogar zu Geschwin­digkeitsreduktionen kommen wird. Da ja verschiedene Komponenten jederzeit durch modernste Verkehrstechnologien angezeigt werden können, wird es im Ausnahmefall möglich sein, auch 160 km/h fahren zu können. – Danke vielmals. (Beifall der Bundes­räte Ing. Kampl und Mitterer sowie Beifall bei der ÖVP.)

10.58



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Höfinger. – Bitte.

 


10.58.48

Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man diese Dis­kussion verfolgt hat, muss man schon feststellen, dass diese sozusagen die verschie­densten Ausuferungen genommen hat und nicht wirklich auf den Kern der Sache beschränkt war. (Bundesrat Konecny: O ja, sie geht um den Kern! Dieses Gesetz ist das Accessoire!)

Was ist denn der Punkt dieses Gesetzes, dieser 9. Führerscheingesetz-Novelle? – Dass ein Führerscheinentzug dann durchgeführt werden kann, wenn Tempo 180 über­schritten wird (Bundesrat Stadler: Das haben wir ja jetzt auch schon! Haben wir es oder haben wir es nicht?! – Bundesrat Gruber: Das gibt es ja bereits!) – und nicht erst auf Grund dieser Teststrecke bei Tempo 210. – Wenn man sich das vor Augen führt, dann ist es, denke ich, durchaus angebracht, einer solchen Gesetzesvorlage zuzustim­men.

Was aber, meinen Damen und Herren, haben wir dazu bis jetzt an Ausführungen hier vernommen? – Ablehnung wurde aus dem Grunde ausgesprochen, weil man gegen Tempo 160 sei. Aber: Wer dies so begründet, der muss sich auch den Vorwurf gefallen lassen – das lasse ich so stehen –, für eine Freigabe bis Tempo 210 zu sein (Bundes­rat Stadler: Das ist ein Wahnsinn! – Bundesrat Konecny: Zuhören, Herr Kollege! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) und dass erst ab Tempo 210 der Führerschein ent­zogen werden soll. (Bundesrat Stadler: Wir haben 180, und wir bleiben bei 180!)

Das ist im Zusammenhang mit diesem Gesetz nämlich etwas an den Haaren herbei­gezogen, Herr Kollege, denn es ist eine sehr seichte Begründung. (Bundesrat Gruber: Das ist das Wort im Mund umdrehen!) Das wäre so, wie wenn ich sagen würde, ich bin in Zukunft gegen jedes Strafgesetz, das eine Tätlichkeit voraussetzt, denn ich bin grundsätzlich gegen Gewalt. Also, wie gesagt, diese Conclusio ist nicht richtig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin, Sie haben gemeint, dass wir uns mitschuldig machen beim Tempo 160, wenn wir diesem Gesetz zustimmen. (Bundesrat Stadler: Genau das ist der Punkt!) Genau das ist nämlich nicht der Punkt. Herr Kollege! Haben Sie ...? (Bundesrat Ko­necny: Genau das ist der Punkt!) Ja, dann bringen wir es auf den Punkt, Herr Profes­sor Konecny: Würde die Teststrecke nicht eingerichtet werden, wenn wir heute gegen dieses Gesetz stimmen würden? – Nein – und genau das ist der Punkt! Es geht dar­um, und glauben Sie mir ... (Bundesrat Konecny: Der Punkt ist, dass das ohne Parla­ment geht, und das ist eine Frechheit!) Ja, aber das diskutieren wir heute nicht! Das ist der Punkt, um den es geht. (Bundesrat Gruber: Man kann es nicht voneinander tren­nen, das gehört zusammen!) Man kann über Tempo 160 denken, wie man will, das ge­be ich ehrlich zu. Ich habe auch meine Bedenken, und das bringe ich hier ganz genau auf den Punkt. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie demonstrati­ver Beifall bei Bundesräten der Grünen. – Bundesrat Konecny: Dann stimmen Sie mit uns!) Aber ich muss mir die ehrliche Frage stellen: Wenn ich diesem Gesetz nicht zustimme (Bundesrat Konecny: Fangen Sie mit dem nicht an, das ist in Ihrer Partei nicht gesund!), würde ich diese Teststrecke heute verhindern können? – Bei Gott nicht, sondern ich würde die Aufstockung auf 210 billigen. Das ist nämlich der Punkt, um den es heute geht und den wir hier diskutieren müssen! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Umkehrschluss daraus ist ganz klar: Wer heute diesem Gesetz nicht zustimmt, billigt den Führerscheinentzug ab 210 und billigt in jedem Fall die Teststrecke mit 160. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Mitterer.)

11.02



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.02.07

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Es gibt ein paar Dinge, die ich so nicht im Raum stehen lassen kann, Herr Kollege Höfinger. – Ist er jetzt weg? Nein, da hinten sitzt er.

Das stimmt einfach nicht, denn: Was wir wollen mit unserem Zurückschicken, ist, dass es bei einer Überschreitung von 160 km/h ein Vormerkdelikt gibt, und wenn ich dieses Delikt ein paar Mal begehe, ist mein Führerschein weg. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.) Sprich: Wir wollen, dass bei 160 massive Maßnahmen ergrif­fen werden, und wir wollen nicht 210! Und wenn du das noch hundert Mal wiederholst, dann ist das vielleicht Kampfrhetorik, aber es wird nicht richtiger! (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ. – Bravoruf des Bundesrates Stadler. – Bundesrat Mag. Himmer: ... bestimmt, nicht was du vorgeschlagen hast!) – Nein, es geht jetzt um die Begründung unserer Ablehnung dieses Gesetzes, okay? Wir schicken dieses Gesetz ja mit Begrün­dung zurück. (Bundesrat Konecny: Lesen! Lesen!)

Herr Staatssekretär! Sie haben schon Recht, die Telematik-Geschichten sind sicher sehr interessant, und es ist sicher wichtig und gut, dass man das Fahrverhalten an die Strecke anpasst, aber das geht genauso, wenn man die Beschränkung mit 130 lässt. Das hat nichts mit 160 zu tun. Sie können das jederzeit runterregeln, aber Sie müssen deshalb nicht auf 160 hinaufgehen. Das ist für mich überhaupt keine Begründung. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Mainoni.) Ja, aber es ist keine Begrün­dung in der Telematik zu suchen! Sie können theoretisch ... (Weitere Zwischenbemer­kung von Staatssekretär Mag. Mainoni.– Ja, eigenverantwortlich, nur wissen wir ge­nau, dass es Menschen gibt, die sich überschätzen, und das sind zumeist junge Men­schen. Die sind dann verantwortlich für sich selber ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, sie sind mündig und haben eine Prüfung gemacht, das stimmt. Aber nichtsdestotrotz sind Sie mitverantwortlich, wenn Sie Gesetze beziehungsweise die Möglichkeit schaf­fen, dass diese jungen Menschen zu schnell fahren und damit vielleicht auch andere mit in den Tod reißen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.04


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


11.04.23

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bun­desrates! Die ganze Entwicklung im Straßenverkehr überrollt uns. (Bundesrat Reisen­berger: Mit 160!) Wir alle wissen, was wir vor 50 Jahren ... (Bundesrat Konecny: Den Herrn Gorbach hat es schon lang überholt!) Herr Kollege Konecny! Jeder von uns weiß, was sich auf der Straße abspielt und zu welchen  Problemen es da kommt. Man muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, auch in Zukunft den Verkehr aufrechterhalten zu können. Mit der Öffnung des Ostens wird die Anzahl der Fahrzeuge auf unseren Straßen so enorm zunehmen, dass wir nicht nur Straßen bauen, sondern unsere Straßen auch besser ausnützen müssen. Ebenso müssen wir schauen, dass wir sie in Zukunft wirtschaftlich besser führen. (Bundesrat Stadler: Darum fahren wir schneller, super!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Absicht der Bundesregierung ist es (Bun­desrat Stadler: Nicht der Bundesregierung!), mit 2. Mai 2006 auf der A 10 in Kärnten – das ist zwischen Spittal und Villach (Bundesrat Stadler: Super Autobahn!), eine super Autobahn – ein Pilotprojekt zu starten, jedoch soll keinesfalls über 180 km/h gefahren


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 43

werden. Das heißt, mit Tempo 160 muss auch eine verschärfte Kontrolle Hand in Hand gehen, das muss sein. Niemand ist gezwungen, meine Damen und Herren, schneller zu fahren, als es seiner Gewohnheit entspricht. Die Eigenverantwortung muss bleiben, Herr Konecny! Jeder kann in Zukunft so fahren, wie er bisher gefahren ist. Ob er jetzt einen Ausflug oder eine Dienstreise macht, die Entscheidung über die Geschwindigkeit soll ihm anheim gestellt bleiben. (Bundesrat Schennach: Es gibt kein Grundrecht auf Geschwindigkeit!)

Fachleute sind mehrheitlich der Meinung, dass ein schnelles Fahren auf Autobahnen keine höhere Unfallhäufigkeit bedeutet. (Bundesrat Stadler: Das stimmt nicht! – Heiter­keit bei der SPÖ und den Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grü­nen.) – Wir werden es ja sehen! – Wir haben eine Partnerstadt in Deutschland: Arn­stadt in Thüringen, und ich fahre im Jahr vier- bis fünfmal hinauf. Da ist ein Drittel der Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbeschränkung, aber dort, wo es Geschwindigkeits­beschränkungen gibt, gibt es verschärfte Kontrollen, und ich habe dort auch schon Strafen bezahlt. Aber dort zahlt man wesentlich mehr als bei uns, und das ist auch richtig so. Aber man kennt in Deutschland deshalb keine größere Raserei.

Im Jahr 2005 gab es in Österreich 764 Verkehrstote – für uns alle viel zu viel, das ist keine Frage. Jeder von uns weiß, welche schweren Schicksalsschläge das für eine Fa­milie sind, wenn Kinder, Familienväter tödlich verunglücken. Das sind die Tatsachen, die uns täglich begegnen. Laut Aufzeichnung ist die Anzahl der Verkehrstoten seit dem Jahr 1950 um 30 Prozent zurückgegangen, obwohl wir eine so starke Ausweitung des Verkehrs haben. (Bundesrat Boden: Weil wir eine Geschwindigkeitsbeschränkung ein­gesetzt haben!)

Schauen wir uns einmal an, was die Hauptursachen für die Verkehrsunfälle sind! Hauptursache für die Verkehrsunfälle sind: 36 Prozent passen ihre Fahrgeschwindig­keit nicht an. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bravorufe bei der SPÖ.) – Herr Konecny! Bitte, das sind Fachleute! 36 Prozent der Unfälle pas­sieren deshalb, weil die Fahrzeuglenker nicht vorschriftsmäßig fahren, weil sie dort, wo sie nur 60 fahren dürfen, 100 fahren, und das vor allem im Ortsbereich!

15,7 Prozent gehen zurück auf Vorrangverletzung, 8,5 Prozent auf falsches Überholen, 7,2 Prozent auf Unachtsamkeit durch Ablenkung, 6,8 Prozent auf Fehlverhalten durch Fußgänger, 4,8 Prozent auf Übermüdung und 2,1 Prozent auf Kreislaufversagen.

Meine Damen und Herren! In den letzten 50 Jahren ist in Sachen Straßenverkehr sehr viel geschehen. Das sehen wir alle und müssen wir auch alle zur Kenntnis nehmen. Es gibt immer bessere Autos, einen immer besseren Straßenausbau, bessere Informa­tionen. Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle den ÖAMTC-Verantwortlichen und den ARBÖ-Verantwortlichen danken. Diese haben eine große Leistung dafür erbracht, dass die Situation auf Österreichs Straßen wesentlich besser geworden ist.

Eine SMS-Umfrage hat ergeben, dass 51 Prozent für Tempo 160 sind. (Bundesrat Ko­necny: Wen haben Sie denn da angerufen? – Bundesrat Molzbichler: Eine BZÖ-Umfrage!) 51 Prozent, am 5. Oktober 2005, das ist in den „Vorarlberger Nachrichten“ nachzulesen!

Im Zuge dieser Testphase wird es permanente Aufzeichnungen geben. Herr Staats­sekretär Mainoni hat ja bereits ausgeführt, dass die drei Monate dieses Tests auch da­zu genutzt werden sollen, Erfahrungswerte zu sammeln, und zwar in Bezug auf Lärm­emission, Risikoanalyse, Verkehrsstärke oder Durchschnittsgeschwindigkeit. Es wird daher Datenauswertungen vor und nach der Testphase geben.

Ich glaube, alle sollten sich einmal damit befassen, zu überlegen, was diese Bundes­regierung haben möchte (Zwischenrufe bei der SPÖ), auf keinen Fall Raser, aber die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 44

Zukunft gehört uns, und wir haben die Verantwortung auch auf der Straße für die Zukunft. (Bundesrat Stadler: Und darum fahren wir schneller?! Super!)

Der Führerschein, meine Damen und Herren, ist ja eine Visitenkarte für die jeweilige Person. Rowdys auf den Straßen sind als solche bekannt; machen wir uns da doch nichts vor! Wenn ich von Kärnten nach Wien fahre, weiß ich schon, wer so oder so fährt. Wenn jemand riskant überholt, dann weiß ich ganz genau, dass der nicht nur mich riskant überholt, sondern das wahrscheinlich ständig macht. Auf Teststrecken wird es alle technisch möglichen Kontrollen geben.

Was diese Teststrecke in Spittal/Drau betrifft, meine Damen und Herren: Das hat mit dem Führerscheinentzug überhaupt nichts zu tun! (Bundesrat Konecny: Ah, nichts zu tun?) Nein! 160 km/h sollen dort ausprobiert werden können – und ein Führerschein­entzug ist nach wie vor bei Tempo 180 zu verantworten; das ist die Zielsetzung der Bundesregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten eine Probephase mitverantworten (Bundesrat Boden: Nein! Nein! – Bundesrätin Kerschbaum: Nein, wir nicht!), und wir alle sollten anerkennen, dass da etwas geschehen muss. Die Zukunft müssen wir ja meistern. – Danke schön. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.12


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldung: Herr Kollege Ko­necny. – Bitte.

 


11.12.02

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich glaube, es ist schon noch notwendig, das Ganze in die richtige Dimension zu brin­gen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Jetzt wird nämlich so getan – auch Herr Staats­sekretär Mainoni hat sich in diese Richtung geäußert –, als sei dieser Vorstoß von Herrn Vizekanzler Gorbach von Anfang an so geplant gewesen, dass jetzt unbedingt eine Teststrecke her müsse.

Ein einfacher Blick in die damaligen Erklärungen des Herrn Gorbach und in die Reak­tionen der Tagespresse darauf zeigt, dass das schlichtweg die Unwahrheit ist: Herr Vizekanzler Gorbach hat nämlich die Forderung erhoben, man solle auf den besser ausgebauten Teilen des Autobahnnetzes mit 160 km/h fahren dürfen. – Daraufhin ist ihm aus der gesamten Öffentlichkeit ein sehr rauer Wind ins Gesicht geblasen. Ich mache der ÖVP ja nicht oft Komplimente, aber: Die Mehrheit in dieser Bundesregie­rung hat Vizekanzler Gorbach unmissverständlich mitgeteilt, dass sie eine derartige Änderung der Straßenverkehrsordnung nicht akzeptieren oder unterstützen würde. – Respekt in diesem Falle der Mehrheit der Bundesregierung!

Herr Vizekanzler Gorbach hat sich dann – das ist so bei verbohrten Menschen – darauf konzentriert, jemanden zu finden, der ihn spielen lässt. Und „zufällig“ ist er im Bundesland Kärnten fündig geworden. Der dortige Landeshauptmann, den ja mit Herrn Gorbach naheliegenderweise einiges verbindet und dessen Liebe zu schnellen Porsches bekannt ist, hat es ihm ermöglicht, in Kärnten eine Teststrecke anzulegen. – So kam es also zu dieser Teststrecke: nicht weil der unstillbare Wunsch nach einem Test bestand, sondern weil die Forderung 160 km/h auf zumindest einem Teil des österreichischen Autobahnnetzes nicht durchsetzbar war.

Nun glaube ich Ihnen schon, Herr Staatssekretär Mainoni: Es wird auf dieser Test­strecke mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht viel passieren. Es ist im Interesse derer, die einen Test verfälschen ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Ich bin davon überzeugt: Im Interesse jemandes, der einen Test verfälschen möchte, liegt es, „Labor­bedingungen“ herzustellen, die auf dem Gesamtnetz der österreichischen Autobahnen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 45

nicht herstellbar sind. All das, was Sie uns, Herr Staatssekretär, hier berichtet haben, findet zweifelsfrei statt: Diese Teststrecke wird mit Sicherheit die bestüberwachte der Republik sein. Und wenn in der Testphase dort nichts passiert ist – was ich annehme; so weit traue ich Ihren Vorbereitungen, die viele, viele Millionen Euro gekostet haben, die uns anderswo bei der Verkehrsüberwachung fehlen (Beifall bei der SPÖ und den Grünen – Ruf bei der SPÖ: 7 Millionen €!) –, dann wird sich der Herr Vizekanzler hin­stellen und sagen: Test gut ausgegangen – und jetzt machen wir das halt überall!

Ich hoffe – und ich wende mich dabei ausdrücklich an die bei weitem größere Regie­rungsfraktion –, dass sie dann so standhaft bleibt wie beim ersten Vorstoß des Herrn Vizekanzlers! – Ludwig (in Richtung des Bundesrates Bieringer), ich verlasse mich ganz auf dich! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Das alles ist jedoch – ich sage es noch einmal – kein Test, sondern ein Schauspiel. Wenn wir im gesamten österreichischen hochrangigen Straßennetz eine Struktur schaffen könnten, wie Sie sie geschildert haben, wenn das innerhalb eines angemes­senen Zeitraumes möglich und leistbar ist, dann kann man natürlich über sehr flexible Tempolimits diskutieren, allerdings – und da teile ich Ihre Einschätzung nicht – mit klaren Grenzen nach oben. Es ist doch so, dass Verkehrsexperten sagen, Tempo 140 geht auch, aber bei Tempo 160 ist mit Sicherheit auch bei höher entwickelten Fahrzeu­gen von heute mit einem exponentiellen Wachstum des Risikos und der Schadens­wahrscheinlichkeit zu rechnen, sodass dies niemand vertreten kann.

Wenn Sie sich die europäische Landkarte mit den erlaubten Höchstgeschwindigkeiten anschauen, sehen Sie, dass wir in Österreich mit den 130 km/h gut im Schnitt liegen. Niemand anderer in Europa denkt daran – und die fahren dieselben Autos wie wir –, diese Grenze anzuheben.

Natürlich geht es immer um die Eigenverantwortung der Autofahrer. Man kann selbst­verständlich jede Geschwindigkeitsbegrenzung ignorieren, man wird vielleicht ge­straft – im Autobahnnetz passiert das im Übrigen viel zu selten; selbst wenn es Fort­schritte gibt –, aber: Vor zwei Tagen haben alle, nehme ich an, jene unfassbaren Bilder aus dem Semmering-Tunnel gesehen, wo in „Eigenverantwortung“ eine Lenkerin auf einer zweispurigen Richtungsfahrbahn umdreht und in der entgegengesetzten Rich­tung weiterfährt – in „Eigenverantwortung“!

Meine Damen und Herren, wir sollten das Wort „Eigenverantwortung“ nicht karikieren! (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Was stört Sie? Mich stört an diesem Vorhaben sehr viel, aber was stört Sie daran, dass ich das hier erwähne? (Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.) Entschuldigen Sie: Ich rede jetzt nicht über Tempo 160 – und ich behaupte ja auch nicht, dass ich die alleinige Wahrheit gepachtet habe, aber es macht die Ausein­andersetzung viel leichter, wenn man dem, der spricht, zuhört! Dann passen die Zwi­schenrufe vielleicht.

Der Hinweis auf die Eigenverantwortung gilt für die große Mehrheit der Verkehrsteil­nehmer, die sich angepasst verhält. Es fahren ja auch nicht alle 50 km/h schneller als die zulässige Höchstgeschwindigkeit, dennoch: Es gibt Ausnahmen – leider zu viele –, die nicht nur sich selbst, sondern insbesondere auch die anderen gefährden, und diesen darf man doch nicht auch noch eine Tür aufmachen, eben durch eine Anhebung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. (Bundesrat Mitterer: Zum Beispiel Vouk in Kärnten im Ortsgebiet! Das befürworten Sie ja auch!) – Herr Kollege, Sie wissen ganz genau, dass es dabei um eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um etwa 5 km/h ging! (Bundesrat Gruber: Polemisch und zynisch bis zum Gehtnichtmehr!) Es ist lächerlich – absolut lächerlich! –, dieses Beispiel in einer verkehrspolitischen De­batte anzuführen! Ich bitte Sie, das nicht noch einmal zu tun! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 46

Herr Kollege Höfinger, natürlich geht es da um die Ursache – und nicht um das Acces­soire sozusagen. Die Ursache ist die Entscheidung des Vizekanzlers, Österreich und Kärnten insbesondere diese Teststrecke aufs Aug’ zu drücken. Herr Vizepräsident Weiss hat mit Recht gemeint, es geschehe das ja im Rahmen einer gesetzlich abgesi­cherten Verordnungsermächtigung. – Das ist zweifelsfrei richtig, aber ich glaube, dass das die Grenze dessen, was moralisch mit dieser Verordnungsermächtigung abge­deckt ist, überschreitet.

Es ist geradezu grotesk, dass wir uns zwar mit einer dadurch ausgelösten Novelle zum Führerscheingesetz beschäftigen dürfen, aber nicht mit dem Thema selbst. Ich halte es für unverantwortlich, dass eine so zentrale Frage außerhalb des parlamentarischen Raums und, wie ich gesagt habe, selbst außerhalb des Raums der Regierung ent­schieden werden kann. (Bundesrat Ing. Kampl: Es ist eine Probestrecke!)

Bitte? (Bundesrat Ing. Kampl: Es ist eine Probestrecke! – Weitere Zwischenrufe.) Gut. Okay, ich nehme das zur Kenntnis, dass wir uns darüber einig sind. Ich halte auch ... (Bundesrat Ing. Kampl: Probestrecke! – Bundesrat Höfinger: Sie ziehen den falschen Schluss daraus!) Nein, wir ziehen den richtigen Schluss daraus, Herr Kollege. Lesen Sie bitte die Begründung des Einspruches. Außer Zuhören ist auch Lesen eine durch­aus empfehlenswerte Kulturtechnik. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Wir stellen klar: Selbstverständlich sind wir dafür, dass der Führerschein ab dieser Grenze – 180 – entzogen werden kann. (Bundesrat Höfinger: Dann stimmen Sie zu!) Entschuldigen Sie, Herr Kollege: Nein! Ich denke nicht daran, zuzustimmen, weil ich damit diese Teststrecke sanktioniere! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Lesen Sie die Begründung unseres Einspruches, und wenn Sie sie gelesen haben – ich werde keinen Zwischenruf machen, wenn es bei einem anderen Tagesordnungs­punkt so weit ist –, dann bekunden Sie hier, dass Sie sich geirrt haben. Der Einspruch gegen das Führerscheingesetz ist die einzige parlamentarische Möglichkeit, die wir haben, gegen diesen Unsinn der Teststrecke zu protestieren! Und diese Möglichkeit werden wir uns von Ihnen nicht nehmen lassen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.22


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Lichtenecker.

 


11.22.08

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Gäste im jungen Alter, die Sie zu uns gekommen sind! Auch Sie wird das Gesetz in dieser Form betreffen. Es ist eine wichtige Geschichte, die wir hier vorliegen haben.

Natürlich gibt es einen kausalen, ursächlichen Zusammenhang genau mit diesen Test­strecken 160. Nachdem Kollege Kampl heute schon Fachleute zitiert hat und von SMS-Umfragen gesprochen hat – was immer das ist; die Jugend kann uns hier vielleicht aushelfen, was damit gemeint ist (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP), nur zur Informa­tion, Kollege Kampl: So genannte SMS-Umfragen, was auch immer das ist, als Fach­experten zu zitieren, ist vom Konsumentenschutz her verboten, genauso wie Werbung über SMS. – Das einmal gleich zu Beginn. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Staatssekretär! Das Ansinnen Ihrer ersten Worte in Ehren, und ich glaube Ihnen auch, dass es das oberste Gebot ist, die Anzahl der Verletzten, der Verkehrstoten zu senken und die Verkehrsunfälle zu reduzieren. Ich glaube Ihnen dieses Ansinnen. Aber die Frage ist die: Wie erreicht man es?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 47

Sie sind als Staatssekretär, der für den Bereich Forschung zuständig ist, sicherlich täg­lich mit zahlreichen wissenschaftlichen Studien befasst und auch damit vertraut. Fakt ist – und das haben die Kollegen und Kolleginnen, auch Kollege Molzbichler, ausge­führt –, was es denn heißt für die Zunahme der Feinstaubentwicklung, was es generell heißt für die Schädigung von Mensch und Umwelt, was es heißt an Gefährdungs­faktor – das hat Kollegin Kerschbaum ausführlichst dargelegt –, was es auch heißt an Unfallfolgekosten, die wir jährlich zu tragen haben. Und da ist dieses Vorhaben mit den 160 absolut kontraproduktiv!

Es zeigt sich dies in Studien ganz konkret, Kollege Kampl, bei Fachleuten, zitiert in or­dentlichen, anständigen Studien. In Montana in den USA ist de facto die Anzahl der tödlichen Unfälle um 55 Prozent gestiegen. In Ungarn gab es bei einem Plus von 10 Stundenkilometern um 30 Prozent mehr Unfälle. (Bundesrat Ing. Kampl: Ich habe das Beispiel Deutschland gebracht!) In Melbourne, Australien, erbrachte eine Erhö­hung von 100 auf 110 Stundenkilometer – das ist ja ein Bereich, in dem wir uns immer bewegen – um 25 Prozent mehr Unfälle.

Auch wenn ich die Bemühungen im Bereich der Telematik sehr schätze, wissen wir, dass das nicht ausgereift ist, und es wird nicht bewirken, dass wir dadurch tatsächlich die Zahl der Unfälle reduzieren, wenn wir gleichzeitig die Geschwindigkeit senken. Das kann nicht unser Ansinnen sein, und das wollen wir in dieser Form nicht.

Auch wenn du, Kollege Tiefnig – welch Geistes Kind auch immer das ist –, erklärst, dass in Deutschland 130 sozusagen gleichbedeutend mit einem Fahren auf dem Pan­nenstreifen ist, dann glaube ich, dass das zwar im Innviertel durchaus beobachtbar, aber doch etwas befremdend ist. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nachdem es heute die Kollegen aus dem Bundesland Oberösterreich schon mehrmals erwähnt haben und es einerseits die schwarze Hälfte hier herinnen auf den zuständi­gen Landeshauptmann, die rote Hälfte hier herinnen auf den zuständigen Landes­hauptmannstellvertreter zurückgeführt hat, dass es in Oberösterreich keine Teststrecke mit 160 gibt, darf ich hinzufügen: Natürlich hat der grüne Landesrat Anschober das Seine dazu beigetragen, dass wir keine Teststrecke haben werden, und das ist gut so. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

Aber noch einmal zu Minister Gorbach: Unser Minister Gorbach (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen) – „unser“ in dieser Republik, ich sage das als Staatsbürgerin dieses Landes – hat tatsächlich einen Sündenfall nach dem anderen vorzuweisen. Diese möchte ich jetzt ein Stück weit im Eilverfahren durchgehen, wofür man tatsäch­lich eigentlich länger brauchen würde. (Bundesrat Reisenberger: Dann werden wir aber nicht fertig! – Bundesrat Konecny: Müssen wir um Mitternacht unterbrechen?) So ungefähr wäre es.

De facto ist es einerseits natürlich der verkehrspolitische Unsinn von Tempo 160; das haben wir ausführlich behandelt. Die nächste Geschichte im unmittelbaren, auch amü­santen Zusammenhang ist das Thema Blaulicht, das er so gerne wollte, um schneller am Ziel zu sein, obwohl wir doch eher damit konfrontiert sind, dass wir nicht 160 km/h fahren können, sondern es immer Geschwindigkeitsbeschränkungen, die dort auch korrekt sind, gibt. Aber in der Regel sind wir auch bei 130 Stundenkilometern mit Staus konfrontiert.

Was hat er noch zu verantworten? – De facto ein Transit-Debakel! Wir haben nach den erfolglosen Verhandlungen, die federführend auch Schüssel als Kanzler mit geführt hat, einen absoluten Nachteil für die Tiroler Bevölkerung hinnehmen müssen, was tat­sächlich in dieser Form ursächlich auf Gorbach zurückzuführen ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 48

Es ist ein Versagen in der Infrastruktur- und in der Verkehrspolitik, was genauso auch die Bahnreform betrifft, und ein Versagen in der Luftreinhaltepolitik zu verzeichnen.

Was das Thema Parlament und seine Wertschätzung betrifft: Ich weiß nicht, wie es der Herr Staatssekretär mit den Ausschüssen hält, aber Minister Gorbach war sage und schreibe seit seinem Amtsantritt im Jänner das erste Mal überhaupt hier im Verkehrs­ausschuss und hat auch Rede und Antwort gestanden.

Weiter geht es mit dem Thema Reise- und Repräsentationskosten, die in diesem Res­sort übergebührlich hoch sind und immer mehr zunehmen, und natürlich dem Thema des Postenschachers, der besonders in diesem Ressort blüht und gedeiht. Es werden noch die Absicherungen für die letzten neun Monate durchgeführt, da es anderes zu erwarten gibt.

Als Allerletztes: Eigens staatliche Betriebe zu privatisieren, um dann versorgt zu sein, ist de facto eine der, sage ich jetzt einmal, kreativsten Sünden dieses Ministers in die­ser Republik. Damit möchte ich auch schon schließen.

Und nachdem die oberösterreichischen Bundesräte soeben betont haben, dass es so toll wäre, dass es in Oberösterreich keine Teststrecke mit 160 gibt, sind sie natürlich herzlich eingeladen, mit den Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion gemein­sam den Einspruch zu tragen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.29


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Him­mer. – Bitte.

 


11.29.39

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Gäste! Ich möchte am Ende dieser Diskussion nur eines festhalten, weil hier von unserer Fraktion gesagt worden ist, wir wollen verhindern, dass es erst ab 210 zur Führerscheinabnahme kommt, und werden deswegen dieser 9. Führerscheingesetz-Novelle die Zustimmung geben, und weil allerhand Diskussionsbeiträge geleistet worden sind: Abgestimmt wird jetzt über diese Novelle und nicht über die Begründung! – Kleiner Hinweis. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.30


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Klug. – Bitte.

 


11.30.32

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich möchte nur einen ganz kurzen Re­debeitrag leisten. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) An den letzten kann ich mich noch gut erinnern; ich werde kurz darauf replizieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu dem Tagesordnungspunkt eine Zeit­schrift des ÖGB und der Arbeiterkammer, „Arbeit und Wirtschaft“, in Erinnerung rufen, die bereits (Ruf bei der ÖVP: Das ist keine schwarze Zeitschrift!) in ihrer Ausgabe vom Dezember nicht nur (Zwischenrufe bei der ÖVP) – das ist das Problem – arbeitnehme­rinnen- und arbeitnehmerbezogene Themen anspricht, sondern auch zu gesellschafts­politischen Themen Stellung nimmt und zu unserem rasenden Verkehrsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, Folgendes schreibt. Ich bin der Meinung, dass das für poli­tische Entscheidungsträger doch ein relevanter Gedanke ist; wenn man kein Experte in Verkehrsfragen ist, dann sollte man sich trotzdem, bevor man politische Entscheidun-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 49

gen trifft, die Meinungen dieser Experten anhören, und wenn man keine Gelegenheit hat, sie zu hören, dann sie doch nachlesen.

Ich darf in diesem Zusammenhang aus der eben zitierten Zeitschrift diesen einen Satz vorlesen – Herr Staatssekretär, er wird vielleicht von allgemeinem Interesse sein –: In keinem EU-Land verunglücken, bezogen auf die Bevölkerungsdichte, so viele Autofah­rer wie in Österreich. Zu hohe Geschwindigkeit – Kollege Kampl, zu hohe Geschwin­digkeit! – ist bei über 40 Prozent der Unfälle die Ursache. (Bundesrat Ing. Kampl: Lesen Sie ...!)

Ich darf ganz zum Schluss die aktuelle Studie des Verkehrsclubs Österreich zu Tem­po 160 auf den Punkt bringen. Laut dieser Studie steigt das Risiko eines tödlichen Un­falles bei Tempo 160 um das Doppelte!

Ich darf sehr herzlich für die Aufmerksamkeit danken. Herr Staatssekretär, wenn Sie Ihre angebliche Erfolgsstatistik im Bereich der Unfallzahlen und der tödlichen Unfälle verbessern wollen, dann werden Sie in Zukunft eine andere Politik betreiben müssen.

Nachdem ich für die Zukunft auf die Zeitschrift von ÖGB und AK aufmerksam gemacht habe, repliziere ich noch einmal kurz auf meinen Redebeitrag in der letzten Sitzung. Kollege Kühnel, Sie können sich gar nicht vorstellen, welch angenehmes Gefühl einen sozialdemokratischen Bundesrat bei der Durchsicht des Protokolls durchströmt, wenn man sich hier im Haus bei grauslichen Arbeitsvertragsklauseln für Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte stark gemacht hat und von einem ÖVP-Bundesrat in einem Zwischenruf den Vorwurf eines Klassenkämpfers bekommt. Nach solch einer Protokoll­durchsicht kann man beruhigt einschlafen. – Herzlichen Dank! (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

11.33


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Gruber, bitte.

 


11.34.33

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich finde es schlicht auch grotesk, Herr Staatssekretär: Sie haben vorhin die Statistik bemüht, Sie haben uns erklärt, die Unfälle sind zurückgegangen – Gott sei Dank! –, die Todes­fälle und die schweren Verletzungen sind weniger geworden, und einiges mehr. Ich führe das zurück auf die wesentlich bessere Qualität der Fahrzeuge und auf die regel­mäßigen Überprüfungen der Fahrzeuge. Ich führe das zurück auf den Ausbau unseres Straßennetzes, ob es jetzt die Landesstraßen, Bundesstraßen oder Autobahnen sind. Das sind Dinge, die dazu beigetragen haben, dass die Verkehrssicherheit größer ge­worden ist.

Warum dreht man jetzt den Spieß um und sagt: Na ja, wir haben einen gegenläufigen Trend erreicht, jetzt können wir es uns auf einmal leisten, jetzt gehen wir mit der Ge­schwindigkeit hinauf? – Ich finde, das ist absoluter Unsinn! Man sollte das Schema, nach dem man bis jetzt gearbeitet hat und nach dem die Sicherheit im Verkehr den Vorrang hat, beibehalten. (Ruf bei der ÖVP: Zur Sache!) Warum macht man hier solche Bocksprünge?

Weil Sie, Herr Staatssekretär, auf die Telematik und auf moderne Technik eingegan­gen sind – ich komme auch aus einem technischen Beruf –: Super! Ich bin gestern nach Wien gefahren; einmalig die Warnungen, die kommen, alles toll! Ich darf Ihnen aber gleich ein praktisches Beispiel erzählen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 50

Zwischen Tenneck und Golling sind zwei lange Autobahntunnel, dort war gestern um 14.30 Uhr – Sie können es nachkontrollieren – auf der Überkopf-Tafel „Panne“ zu lesen, und im selben Moment „60 km/h“. Ich habe die Geschwindigkeit meines Autos auf 60 Stundenkilometer reduziert, aber ich war der Einzige, Herr Staatssekretär, der mit 60 km/h durch den Tunnel gefahren ist! Sogar LKW haben mich von hinten an­geblinkt und sind mir links vorgefahren – im Autobahntunnel! (Bundesrat Ing. Kampl: Das ist es ja!) Entweder können die Herrschaften das Wort „Panne“ nicht lesen, oder sie kennen nicht einmal die „60 km/h“-Tafel.

Es war toll, es hat super funktioniert: „Panne“ im Tunnel; aber es hat sich niemand daran gehalten! Darum frage ich mich, Herr Staatssekretär: Wo sind die Ressourcen? Wo ist das Innenministerium? Wo ist die Polizei? – Der Tunnel ist überwacht, dort lau­fen Kameras. Wo werden Leute wie dieser LKW-Fahrer, der überholt hat, zur Verant­wortung gezogen? – Es hilft mir die modernste Technik zur Steuerung des Verkehrs nichts, wenn die Leute, die im Auto sitzen und fahren, gar nicht darauf eingehen oder es einfach ignorieren. Dann hilft uns das, bitte, nichts!

Das wollte ich Ihnen nur aus der Praxis gesagt haben. Sie können es überprüfen: Es war gestern um 14.30 Uhr auf der Tauernautobahn zwischen Werfen und Golling. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.37


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Noch eine Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag, Ein­spruch zu erheben, ist somit angenommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe noch eine weitere Mitteilung zu machen: Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Einwallner, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

11.38.372. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das ASFINAG-Gesetz und das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geändert werden (1262 d.B. und 1275 d.B. sowie 7471/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Mosbacher übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


11.39.09

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautge­setz 2002, das ASFINAG-Gesetz und das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geän-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 51

dert werden, liegt in schriftlicher Form vor. Daher beschränke ich mich auf die Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 7. Feber 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


11.40.00

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf zunächst feststellen, dass bereits im Ausschuss des Nati­onalrates sowie im Ausschuss des Bundesrates die Thematik ASFINAG-Gesetz disku­tiert wurde, definitiv das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das ASFINAG-Gesetz und das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz.

Im Verkehrsausschuss des Bundesrates wurde der Änderung mit Stimmeneinhelligkeit die Zustimmung gewährt. Nach intensiver Prüfung sind wir zu der Auffassung gelangt, dass wir heute der Gesetzesänderung unsere Zustimmung geben werden. Ich möchte dies auch begründen.

Ein wesentlicher Faktor ist, dass den Aufsichtsorganen in der neuen Regelung we­sentlich klarere Vorgangsweisen zugeordnet werden und dadurch die Aufgaben, die Rechte, aber auch die Pflichten dieser Organe genauer definiert werden. Für diesen Zweck wurde auch ein Gutachten von den beiden Professoren Brünner und Hauser erstellt. Eine Reihe von Fakten, die in diesem Gutachten enthalten waren, ist nunmehr berücksichtigt worden.

Zum Zweiten betreffend den Eisenbahn-Basistunnel auf der Brennerachse: Wir Sozial­demokraten befürworten – das haben wir immer schon gesagt – eine Querfinanzierung von der Straße zur Bahn. Wir befürworten dies auch in diesem Fall und in dieser Form. Um die Verwirklichung des Eisenbahn-Basistunnels auf der Brennerachse, der beacht­liche Finanzmittel benötigt, zu ermöglichen, soll die ASFINAG verpflichtet werden, vor­erst einen Anteil der auf der A13, Brenner Autobahn, eingehobenen fahrleistungs­abhängigen Mauten für dieses Vorhaben durch die Bildung finanzieller Rückstellungen zweckzubinden.

Eines sollte man trotzdem beachten: Seit dem Jahr 2000 ist die Belastung für die Auto­fahrer durch die Steuern, durch die Abgaben und Mauten Jahr für Jahr ständig ge­stiegen. Im Jahr 2000 betrugen die Einnahmen für den Bund 7,46 Milliarden € und im Jahr 2004 beachtliche 10,06 Milliarden €, wobei nicht einmal ein Drittel, definitiv 2,8 Milliarden €, für den Straßenausbau bereitgestellt wurde. Für mich stellt sich schon die Frage, sehr geehrter Herr Staatssekretär, wie die restlichen zwei Drittel der Einnah­men, also zirka 7 Milliarden €, verwendet werden. Dienen diese zur Stopfung von Fi­nanzlöchern oder auch für die Teststrecke in Kärnten? Vor allem muss doch der Aus­bau des öffentlichen Nahverkehrs forciert werden, der den Pendlern dazu dient, ihre Arbeitsstätte zu erreichen.

Es stellt sich für mich auch die Frage, welchen Effekt die von den Regierungsparteien immer wieder ins Spiel gebrachte fahrleistungsabhängige PKW-Maut haben soll. (Bun­desrat Ing. Haller: Das ist doch klar!) Eine PKW-Maut wäre aus meiner Sicht eine reine Abzocke, vor allem für die PendlerInnen. Da ich selbst aus einer Region mit einem großen Pendleranteil komme, kann ich abschätzen, dass diese zusätzlichen Belastun­gen zur weiteren Abwanderung und dadurch zur Schwächung und Ausdünnung des


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 52

ländlichen Raumes führen und nur zu einer weiteren Querfinanzierung für den LKW-Verkehr dienen würden. Ich möchte hier nochmals unterstreichen, dass wir Sozialde­mokraten jeglichem Wunsch nach einer PKW-Maut auf Autobahnen und Landstraßen entgegenstehen. (Bundesrat Ing. Haller: Ihr Landeshauptmann sagt was ganz ande­res!) Der sagt ganz das Gleiche!

Damit wieder zurück zur ASFINAG. Die ASFINAG leistet auch eine gute Arbeit im Be­reich der Projektierung und der Trassierung neuer hochrangiger Straßenzüge. Auch in unserem Bundesland, und zwar im südlichen Burgenland, werden derzeit die Projektie­rung und die Trassierung der S7 umgesetzt, und das vor allem in einer guten Abstim­mung mit den Interessen der Bevölkerung.

Auf Grund der genannten positiven Punkte werden wir heute diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.45


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.45.24

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Wenn Herr Kol­lege Sodl gerade vorhin von der kilometerbezogenen PKW-Maut gesprochen hat, so ist das, glaube ich, ein Thema, das die SPÖ ins Spiel gebracht hat. Wir von der ÖVP sind eigentlich strikt dagegen (Bundesrat Gruber: Wir auch!), und wir sind eigentlich diejeni­gen, die sagen, das kommt in Zukunft nicht. (Bundesrat Gruber: Ich weiß nicht, woher Sie das haben!) Das ist gerade vorher gefallen.

Verkehrsinfrastruktur ist etwas ganz besonders Wichtiges. Das sehe ich, denn ich kom­me aus einer Region, wo noch ein großer Aufholbedarf besteht. Durch die EU-Erweite­rung stehen wir vor vielen wirtschaftlichen Chancen, aber natürlich auch vor Herausfor­derungen, die gerade den Verkehrsinfrastrukturbereich betreffen. Verkehrsinfrastruktur ist wichtig für Menschen, die pendeln, aber auch besonders wichtig für unsere Wirt­schaft. Für unsere Wirtschaft sind auch die internationalen Verbindungswege sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße sehr wichtig. Ich glaube aber, es ist in dieser Hinsicht auch der bestmögliche Schutz für unsere Bevölkerung sehr wichtig.

Wenn wir heute das Bundesstraßen-Mautgesetz, das ASFINAG-Gesetz und das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz behandeln, so ist dies eine Voraussetzung für eine gemeinsame Entwicklung eines europäischen Mautsystems, aber auch dafür, dass die Eigenständigkeit Österreichs gewährleistet bleibt.

Die Novelle des ASFINAG-Gesetzes ist etwas Besonderes, denn europaweit wird zum ersten Mal ein Querfinanzierungsmodell beschlossen, bei dem Geld von der Straße ge­nommen und in die Schiene investiert wird. Ab sofort werden nämlich 20 Prozent der Mauteinnahmen der Brennerstrecke für den Bau des Brenner-Basistunnels zurückge­stellt. Das sind sage und schreibe 19 Millionen € pro Jahr. Dies ist natürlich nur ein Teilbeitrag. Zusätzlich müssen wir zum Wohle unserer Tiroler Bevölkerung sicher noch einiges Geld in die Hand nehmen.

Diese Gesetzesnovelle ist aber auch ein Erfolg aus verkehrspolitischer und auch aus umweltpolitischer Sicht. Ich glaube, da müssen mir meine Kollegen von der grünen Seite Recht geben. Unser Mautsystem, das von der AFINAG umgesetzt wurde, ist zu einem Vorzeigemodell für ganz Europa geworden, denn allein durch die Einführung der LKW-Maut werden derzeit jährlich 1,2 Milliarden € in den Autobahn- und Schnellstra­ßenbau investiert. (Bundesrat Molzbichler: Aber der Schuldenstand der ASFINAG steigt ständig!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 53

Nun ist es auch möglich, die Autobahn-Vignette elektronisch zu kontrollieren, wodurch erstens eine durchgehende Kontrolle gewährleistet ist. Zweitens können durch diese Gesetzeslage ausländische Vignetten-Sünder besser verfolgt werden. Drittens wird die österreichische Polizei entsprechend entlastet. Das ist natürlich ein Beitrag für mehr Sicherheit in Österreich. Und dafür stehen wir.

Als Niederösterreicherin sind mir die Einnahmen natürlich auch besonders wichtig, wenn es darum geht, Straßenverkehrsprojekte wie zum Beispiel die Marchfeld-Schnell­straße, die Weinviertler Schnellstraße oder die Traisental-Bundesstraße, für die sich auch ein Kollege von uns sehr engagiert, umzusetzen und in weiterer Folge dann auch eine Verbindung im Waldviertel, denn nur durch Infrastrukturprojekte, glaube ich, kön­nen wir unsere ländliche Region als Wirtschaftsstandort, als Arbeitsplatz und als Nah­versorgungsraum erhalten.

Daher freut es mich besonders, dass dieses Gesetz einstimmig verabschiedet wird, und wir hoffen, dass, wenn es in nächster Zeit darum geht, die Änderung des Bundes­straßengesetzes bezüglich der niederösterreichischen und auch anderer Straßen zu beschließen, auch alle zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.50


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.50.14

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Diesner-Wais, wenn du jetzt sagst, du freust dich über diesen Beschluss und über die Einstimmigkeit besonders, weil das etwas mit der B 303, der Marchfeld-Schnellstraße et cetera zu tun hat, dann hoffe ich, du hast das irgendwo anders gelesen. Es steht nämlich glücklicherweise nicht in diesem Gesetz, sonst könnten wir nicht zustimmen. – Das nur einleitend. (Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.) Nein, das steht in einem anderen Gesetz, das heute zum Glück nicht mit beschlossen wird, denn da hätten wir nicht mitstimmen können.

Zu den großartigen Umweltschutzmaßnahmen der ASFINAG, die du auch noch er­wähnt hast, kann ich dir aus leidvoller Erfahrung aus unserem Bezirk nur sagen, dass wir bei uns ziemlich viele ASFINAG-Projekte haben und dass Umweltschutzmaßnah­men nur insoweit genehmigt werden, als sie ins Budget passen. Alles, was darüber hinausgeht, geht leider nicht. Wir haben künftig auf der A 22 wahrscheinlich 110 000 Fahrzeuge und eine patscherte Lärmschutzwand, und die Leute wohnen 20 Meter daneben. Also das sind keine Umweltschutzmaßnahmen, die jetzt so hervor­ragend zu bejubeln gewesen wären. (Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.)

Der Herr Kollege Sodl hat vorhin erwähnt, dass es so schade ist, dass nicht alle Maut­einnahmen in den Straßenausbau fließen. Für mich ist es selbstverständlich, dass die Mauteinnahmen schon auch in die Straßenerhaltung fließen und dass wir nicht alles, was wir mit der Maut einnehmen, wieder verbetonieren müssen. Ich hoffe, das sehen die anderen auch so.

Es ist außerdem nicht so, dass wir europaweit die Einzigen und Ersten sind, die eine Querfinanzierung von der Straße zur Schiene vornehmen. In Deutschland und in Italien funktioniert das bereits jetzt.

Aber jetzt allgemein zu diesem Bundesstraßen-Mautgesetz und zu dem ASFINAG-Er­mächtigungsgesetz. Wir werden zustimmen, wir werden aber mit Bauchweh zustim­men, und ich möchte Ihnen jetzt das große Bauchweh, das ich mit diesem Gesetz habe, schon näher erläutern. Es ist nicht das Bundesstraßen-Mautgesetz und die Um-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 54

setzung der EU-Richtlinie bezüglich der Interoperabilitätsrichtlinie – ein fürchterliches Wort –, sprich die automatisierte Vignettenkontrolle, Strafverschärfungen für Vignetten­sünder. Damit haben wir sicher kein Problem. Es ist auch nicht prinzipiell die Quer­finanzierung von der Straße zur Schiene, mit der wir das Problem haben. Das fordern wir schon seit langem, das fordern wir seit Jahren, und es wäre seit Jahren mit der alten Wegekostenrichtlinie möglich gewesen, wie man jetzt sieht, denn jetzt geht es auch mit der alten Wegekostenrichtlinie, und es ist immer bestritten worden, dass es geht. Jetzt geht es plötzlich. Also das ist nicht unser Problem.

Unser Problem ist, wie diese Querfinanzierung vor sich gehen wird und geregelt wer­den soll. Ich befürchte, dass dieses Problem nicht nur wir haben werden, also nicht nur wir Grünen, sondern auch der EuGH, und dass diese Vorlage jetzt wieder nicht EU-konform ist. Diese Sorge haben auch nicht nur wir, sondern die haben auch das Land Tirol und die Brenner Eisenbahn GmbH in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck ge­bracht.

Die Brenner Eisenbahn GmbH formuliert es so: Die Regelung erscheint völlig verfehlt. Bereits die geltende europäische Mautregelung nach der Richtlinie 1999/62/EG, allge­mein bekannt als Wegekostenrichtlinie, deren Umsetzung in Artikel 2 Z 27 des Ent­wurfes dargetan wird, verbietet diskriminierende Mauteinhebungen. Es darf in diesem Zusammenhang auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Brenner-Maut-Gesetz und zur Teilstreckenmaut verwiesen werden.

Nur vielleicht noch kurz zur Erläuterung: Die Rückzahlung der erhöhten Maut ist jetzt gerade im Anlaufen. Dadurch, dass es mehr oder weniger nur auf der Scheitelstrecke eine erhöhte Maut gegeben hat, hat der EuGH das wieder aufgehoben, und es sind jetzt 300 Millionen €, die mehr oder weniger in den Rauchfang geschrieben worden sind, weil es einfach falsch formuliert und falsch geregelt war.

Jetzt machen wir das Gleiche wieder. Jetzt wollen Sie wieder nur die Scheitelstrecke bemauten und das Unterinntal nicht, obwohl der EuGH die alte Mautregelung eben ge­rade deshalb aufgehoben hat, weil sich das laut EuGH zu Lasten der Verkehrsunter­nehmer auswirkt, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind. Sprich: Durch diese Bemautung einer Teilstrecke und nicht der Gesamtstrecke wurden die österrei­chischen Frächter mehr oder weniger verschont. Das ist eine Wettbewerbsverzerrung. Damit wird das Gesetz aufgehoben – und tschüss!

Wenn wir jetzt wieder beschließen, dass die Maut nur für die Scheitelstrecke erhöht werden soll, dann kommt mir das ein bisschen so vor, als würden Sie es darauf anle­gen, dass der EuGH das Gesetz wieder aufhebt und dass dann die Europäische Union wieder den schwarzen Peter zugespielt bekommt für etwas, was eigentlich wir hier verursacht haben.

Sowohl das Land Tirol als auch die Brenner Eisenbahn GmbH schlagen vor, diese Querfinanzierungsmöglichkeit allgemein im Gesetz festzuschreiben und auf alle Strecken auszudehnen, auf denen es die EU-Richtlinie zulässt, und das sind laut Zitat der Tiroler Stellungnahme die Strecke Paris–Straßburg–Stuttgart–Wien–Bratislava, die Strecke Prag–Linz, die Strecke Danzig–Warschau–Brünn–Bratislava–Wien.

Die Brenner Eisenbahn GmbH macht noch einen besseren Vorschlag, die schreibt: Die Querfinanzierung sollte systematisch in das Bundesstraßen-Mautgesetz hineingenom­men werden, und zwar mit einer Verpflichtung des Ministers, die höchstmöglichen Auf­schläge zu verrechnen und festzusetzen.

Der Vorschlag vom Land Tirol gefällt mir auch besonders gut, nämlich statt der geplan­ten Rückstellungen in der ASFINAG mit den zusätzlichen Geldern aus dieser Mautein­nahme einen Fonds zu speisen. Das finde ich an und für sich auch viel besser, denn


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 55

prinzipiell spare ich üblicherweise etwas an, um damit auch Zinsen zu lukrieren. Das ist bei einem Fonds sicher eher der Fall, denn bei der Rückstellungsregelung sehe ich nichts von einer Verzinsung dieser Rückstellungen.

Dass wir diese Gelder künftig dringend brauchen werden, glaube ich, ist unbestritten, unabhängig von den Straßenbauprojekten, die ich nicht alle unbedingt unterstütze, denn immerhin wurden beim letzten Finanzpaket der EU die geplanten TEN-Mittel stark reduziert. Wir wissen angeblich noch gar nicht so genau, habe ich im Ausschuss gehört, wie viel jetzt für unsere TEN-Projekte noch zur Verfügung steht. Wenn jetzt diese TEN-Mittel von der EU fehlen, dann werden uns bei den Infrastrukturprojekten insgesamt einfach Mittel gekürzt, und Mittel fehlen.

Des Weiteren kommt noch dazu, dass es immer wieder neue Wünsche gibt. Wir haben gerade gehört, was unser Herr Landeshauptmann von Niederösterreich sich alles wünschen würde an neuen Hochleistungsstraßen. Die würden auch alle wieder neuer Mittel bedürfen und viel Geld kosten. Dazu kommt, dass Projektkosten im Straßenbau, aber auch im Schienenbau üblicherweise nicht unbedingt dazu neigen, billiger zu wer­den, sondern dass Projektkosten üblicherweise überschritten werden.

Konsequenz ist: Es gibt weniger EU-Geld, es gibt teurere Projekte, es gibt zusätzliche Wünsche, und das muss man alles irgendwie finanzieren.

Prinzipiell hätte ich ja nichts dagegen, wenn man sagt, man schaut sich den General­verkehrsplan und die Bundesstraßenverordnung noch einmal dahin gehend an, welche Projekte wirklich sinnvoll sind und welche Projekte man vielleicht auch im Rahmen einer Überprüfung auf Klimaverträglichkeit aus diesen Plänen wieder streichen müsste. Das wäre auch eine sinnvolle Einsparungsmöglichkeit, aber unabhängig davon wird man wahrscheinlich neue Finanzierungsquellen erschließen müssen. Das haben Sie jetzt teilweise gemacht, aber eben nur teilweise, und das wäre noch stark ausbaufähig.

Wir haben große rechtliche Bedenken, was die EU-Rechtmäßigkeit dieser Umsetzung der Querfinanzierung betrifft. Alle anderen Regelungen sind aber notwendig, und des­halb stimmen wir auch diesem Gesetz heute zu. Ich würde Sie aber trotzdem bitten, noch über Verbesserungen nachzudenken. Verbesserungen sind möglich. Lesen Sie sich zum Beispiel diese beiden Stellungnahmen vom Land Tirol und von der Brenner Eisenbahn GmbH durch. Ich kann sie Ihnen auch überreichen, wenn Sie möchten, aber Sie haben sie sicherlich ohnehin.

Prinzipiell habe auch ich manchmal ein Problem mit der Fixiertheit der EU auf den freien Wettbewerb über alles. In diesem Fall bin ich aber auch der Meinung, dass nicht nur Transit-LKW die Umwelt belasten und von der Straße auf die Schiene gehören, sondern dass mehr oder weniger jeder LKW, der durch Österreich fährt, in Österreich die Umwelt belastet. Das ist auch einer, der von Wien nach Vorarlberg fährt, der fährt sogar noch weiter durch Österreich. Jeder LKW in Österreich produziert Lärm und Ab­gase, einer, der über den Brenner rollt, und einer, der von Wien nach Vorarlberg rollt.

Im Verkehrsbereich muss endlich so etwas wie Kostenwahrheit einziehen. Das ist auch mit der neuen EU-Richtlinie leider nicht möglich, weil nach wie vor die externen Kosten nicht einrechenbar sind. Aber nur wenn diese Kostenwahrheit irgendwann einmal end­lich umgesetzt wird, wird dadurch die regionale Wirtschaft gestärkt werden, Frau Kolle­gin, und nicht unbedingt nur durch den Ausbau von überregionalen Straßen. Da gibt es nämlich auch Studien, die sagen, dass das keineswegs die Wirtschaft fördert. Es gibt zu vielen Themen unterschiedliche Studien.

Die Förderung der regionalen Wirtschaft liegt sicherlich in unser aller Interesse, des­halb müsste auch eine Kostenwahrheit im Verkehr in unser aller Interesse liegen. Da-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 56

her würde ich Sie bitten, eben diese Mautregelung noch einmal zu überdenken und auszubauen. (Beifall bei den Grünen.)

12.00


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


12.00.08

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssek­retär! Werte Kollegen! Wir von der SPÖ werden diesem Ermächtigungsgesetz natürlich auch näher treten, weil ich es auch sinnvoll finde, wenn es Querfinanzierungen gibt und diese Gelder endlich einmal – ich hoffe es zumindest –sinnvoll für die ÖBB, sprich für Bahntunnels, verwendet werden.

Ich möchte aber noch einige Anmerkungen zur ASFINAG machen, da ich mich seit zwei Jahren mit dieser Materie, ASFINAG, Ausgliederungen, beschäftige. Herr Staats­sekretär! Wir haben im letzten Jahr auch ein Ermächtigungsgesetz beschlossen, in dem unter anderem auch diese Ost-Expansion drinnen war für die Bemautung und den Ausbau des osteuropäischen Straßennetzes. Ich möchte dazu sagen, dass die allge­meine Meinung, dass die ASFINAG das Herzeigeunternehmen in Österreich ist, nicht den Tatsachen entspricht. Ich möchte hier nur auf die Verhandlungen über den Über­gang der Landesbediensteten zur ASFINAG, sprich zu den Tochtergesellschaften Ser­vicegesellschaft-Nord mit Salzburg und Oberösterreich und Servicegesellschaft-Süd mit Steiermark und Kärnten, verweisen. Es betrifft in diesem Bereich zirka 500 bis 600 Bedienstete, Landesbedienstete, und die Herren Vorstandsdirektoren wollen uns seit zwei Jahren immer weismachen, dass das die beste Lösung wäre. Für uns Lan­desbedienstete ist es zurzeit überhaupt nicht lukrativ, in diese Tochtergesellschaft zu wechseln, weil das Lohnniveau dort bedeutend niedriger ist als bei uns Landesbe­diensteten.

Zwei Jahre hat es keine Bewegung gegeben, aber interessanterweise wurde der Vor­stand letzte Woche auf einmal sehr zahm, man war sehr zugänglich, und es ging ein Schreiben an die Länder, das unter anderem auch Herr Landesrat Dörfler in Kärnten erhalten hat, der der zuständige Straßenbaureferent ist, aber nicht der Personalrefe­rent. Die Personalreferenten des Landes Kärnten wissen bis heute nicht, was in die­sem Schreiben steht, das Herr Vorstandsdirektor Lückler dem Herrn Landesrat Dörfler geschickt hat. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Zur Vorgeschichte: Vorstandsdirektor Lückler hat mich vergangenen Freitag angerufen, Herr Staatssekretär, und mir mitgeteilt, dass dieser eineinhalb- bis zweijährige Kampf für mich als Kämpfer für meine Mitarbeiter sehr gut ausgegangen ist und er den Vor­schlägen näher treten würde mit einer Abfertigung von 5 000 € pro Landesbedienste­ten, wenn sie in die Gesellschaft übertreten. Man könnte in weiterer Folge auch mit Ab­fertigungsansprüchen rechnen, und es würde dann unbefristete Dienstverträge geben.

Für mich war das natürlich sehr überraschend. Ich war selbstverständlich begeistert und habe gesagt: Wenn das so ist und wenn ich das schriftlich habe, ist das für mich in Ordnung.

Zwei Tage später erging dieses Schreiben an Landesrat Dörfler in Kärnten, in dem sinngemäß das drinnen steht, was Lückler mir zugesagt hat. Interessant bei dieser Ge­schichte ist, dass es im Nachsatz dieses Schreibens – Herr Staatssekretär, Sie kennen das vielleicht, oder auch nicht; ich würde Ihnen das gerne überreichen – heißt: Im Hin­blick auf die vereinbarte Betriebsübernahme per 1. Mai dieses Jahres erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass für den Fall, dass die Personalüberlassungsverträge nicht rechtzeitig – ich beziehe mich jetzt auf Kärnten – abgeschlossen werden, die Rechts-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 57

folgen der Richtlinie des Europäischen Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen von Arbeit­nehmern beim Übergang von Unternehmen et cetera zur Anwendung kommen.

Dies hätte zur Folge, dass die Arbeitsverhältnisse der Landesbediensteten, Herr Staatssekretär, vom Land auf die Gesellschaft übergehen und somit ein direktes Dienstverhältnis zur Gesellschaft entsteht.

Unter anderem steht da noch: Um die Personalüberlassungsverträge längstens bis Ende Februar dieses Jahres abschließen zu können, bitten wir um erforderliche Maß­nahmen. – Herr Staatssekretär, warum diese Eile? Ich sehe das als versteckte Dro­hung uns Landesbediensteten gegenüber: Wenn wir nicht spuren, ist Handlungsbedarf gegeben, und man setzt diese EU-Richtlinie in Kraft.

Ich habe mich gestern erkundigt, was es mit dieser EU-Richtlinie auf sich hat, und zum Erstaunen der Rechtsvertreter wurde mir mitgeteilt, dass diese Richtlinie auf Länder und Gemeinden nicht zutrifft. Also, Herr Staatssekretär, bitte ich auch hier um Aufklä­rung in dieser Richtung.

Interessant ist für mich auch noch, warum man es so eilig hat: bis Ende Februar. Sie wissen, Herr Staatssekretär, dass bis 7. März dieses Jahres die Vorstände der ASFINAG für den Herbst neu gewählt werden müssen, und bis 7. März läuft die Bewer­bungsfrist der Vorstandsdirektoren für diese drei Posten. Es gibt derzeit zwei Vor­standsdirektoren der ASFINAG, aber es werden drei ausgeschrieben. Warum? – Man hält, so munkelt man, den dritten Vorstandsposten parat, denn sollte es im Herbst bei der Nationalratswahl nicht so ausgehen, wie man sich das wünscht, könnte dann der Intimus von Grasser, der Herr Winkler, bei der Bundesimmobiliengesellschaft oder bei der ASFINAG einen Vorstandsposten bekommen

Ich muss sagen, Herr Vorstandsdirektor Lückler muss sich natürlich beeilen (Zwischen­rufe bei der ÖVP) – ich verstehe Ihren Unmut, meine Kollegen, keine Frage! –, um die Sache mit den Ländern unter Dach und Fach zu bringen, damit er auch gute Karten für die Ausgangsposition bei der Besetzung der Vorstandsdirektoren hat. Auch das ist eine Maßnahme dieser schwarz-orangen Bundesregierung! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Staatssekretär Mag. Mainoni. – Bitte.

 


12.07.11

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Eduard Mainoni: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Aus­führungen meines Vorredners darf ich nur darauf verweisen, dass die ASFINAG unter anderem auch deshalb ausgegliedert ist, damit sie nicht im Einflussbereich der Politik ist und nicht auf Grund von irgendwelchen Weisungen und dergleichen mehr agieren muss.

Aber ich darf Sie wirklich ersuchen, mir die Unterlagen zu geben. Da Herr Vorstands­direktor Lückler Sie ohnehin persönlich anruft, nehme ich an, dass ganz gute Kontakte zwischen Ihnen und dem Herrn Vorstandsdirektor bestehen. Nichtsdestotrotz würde ich darum ersuchen, dass Sie mir die Unterlagen zukommen lassen.

Was Herrn Mathias Winkler angeht, muss ich sagen, ich habe bis jetzt noch nicht gehört – es ist, glaube ich, noch nicht einmal in der Zeitung gestanden –, dass es Gerüchte gibt, dass Herr Mathias Winkler als drittes Vorstandsmitglied der ASFINAG allenfalls zur Verfügung stünde oder nicht. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen; das ist sicherlich dem Bereich der Gerüchte zuzuordnen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 58

Ich darf ganz kurz zum Thema, das auf der heutigen Tagesordnung steht, zu sprechen kommen. Ich bedanke mich sehr herzlich, dass es zu einer einstimmigen Beschluss­fassung hier im Bundesrat kommt, weil doch eine Reihe von sehr wichtigen gesetz­lichen Maßnahmen hierbei beschlossen werden. Die Interoperabilität mag jetzt vorder­gründig noch nicht so aktuell sein, ist aber eine gesetzliche Notwendigkeit, die wir zu vollziehen haben, also ein sehr wichtiger Bereich.

Ich darf dem Ganzen noch vorausschicken – wir müssen das immer wieder erwähnen, weil es thematisch jedes Mal bei derartigen Diskussionen kommt, nämlich die fahrleis­tungsabhängige Bemautung von PKW –, dass die österreichische Bundesregierung natürlich nicht einmal im Traum daran denkt, diese fahrleistungsabhängige Bemautung von PKW in Österreich einzuführen. – Ich sage das nur, damit nicht allenfalls irgend­welche Vorwürfe, dass wir hiezu nicht Stellung genommen haben, erhoben werden können.

Ein sehr wichtiger Bereich ist tatsächlich die Finanzierung des Brenner Basistunnels. Hier sind wir innerhalb der Europäischen Union derzeit in einer Situation der Ungewiss­heit. Faktum ist, dass von der Kommission zwar ein Gesamtbudget beschlossen wurde, das Parlament sich gegenwärtig diesem Kommissionsbeschluss natürlich nicht anschließt und dass – Gott sei Dank für mich und mein Ressort! – innerhalb der Euro­päischen Union 75 Prozent mehr für Forschung ausgegeben wird. Diese Geld muss aber irgendwo weggenommen werden, weil der gesamte Budgetrahmen sich ja nicht erhöht hat. Und es wird derzeit tatsächlich auch darüber gesprochen, ob nicht die Fi­nanzierung der Transeuropäischen Netze darunter leiden wird.

Ich darf Ihnen berichten, meine Damen und Herren: In den Verhandlungen sind wir darum bemüht, danach zu trachten, das GALILEO-Projekt, das doch sehr kosteninten­siv ist – es handelt sich um Ortungsmöglichkeiten über den Weltraum hinaus –, als zivil genütztes und europäisches Projekt sozusagen in die Forschung hinüberzuziehen. Das heißt auch, dass der Ausgabenfaktor für GALILEO, der derzeit zu EU-Kommissar Ver­heugen ressortiert, in den Bereich Forschung übergeleitet wird – und zumindest dann dort einige Mittel wieder frei werden, um den Ausbau der transeuropäischen Netze zu finanzieren, wobei für uns in Österreich absolute Priorität natürlich der Brenner Basis­tunnel hat.

Was die Stellungnahme der Brenner-Eisenbahn-Gesellschaft anlangt, Frau Bundesrä­tin Kerschbaum, darf ich Ihnen das auf schriftlichem Wege übermitteln; eben auch die schriftliche Stellungnahme unseres Hauses zu dieser Stellungnahme der Brenner-Eisenbahn-Gesellschaft. Diese unsere Stellungnahme scheint schon sehr schlüssig zu sein, sodass ihr diesbezügliches „Bauchweh“, wie Sie es ausgedrückt haben, vielleicht wieder aufhört.

Nochmals: Vielen Dank für die einstimmige Annahme dieses Tagesordnungspunktes. Das hilft uns wirklich sehr. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesra­tes Ing. Kampl.)

12.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesrat Perhab das Wort.

 


12.11.23

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Molzbichler aus Salzburg (Bundesrat Molzbichler: Ich bin aus Kärnten!), ich lade Sie gerne in die Steiermark ein, wo es gerade die größte Umfärbelungsaktion der SPÖ-Steiermark in unserem Bundesland gibt (Beifall bei der ÖVP – ironische Heiterkeit bei der SPÖ –


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 59

Bundesrat Boden: Müsst ihr aber sehr schwarz eingefärbt haben!), und ich werde Sie dann fragen, ob Sie wirklich glauben, dass das alles Zufall ist!

Herr Kollege Molzbichler, machen Sie sich nicht zu viele Sorgen, ob der Kabinettchef des Finanzministers, Mathias Winkler, ASFINAG-Direktor wird oder nicht! Ich glaube, solche Diskussionen könnten wir – gerade im Hinblick auf die Steiermark – beliebig wiederholen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wie Sie sich fühlen, wenn hier im Plenum von Verkehrssicherheit und Geschwindigkeitsbeschränkungen gesprochen wird – und wir hier alle so tun, als ob wir in unserem Leben noch nie mehr als 130 km/h gefahren wären und noch nie eine Verkehrsübertretung begangen hätten. Ich als gläubiger Christ sagen: Mea culpa, mea maxima culpa!; ich bin schon öfter über 130 gefahren, wurde bestraft (Rufe bei der SPÖ: Da schau her! Na so etwas! – Bundesrat Gruber: Als Christ kann man ja beichten gehen, wenn man zu schnell fährt!) und habe meine Strafe bezahlt. Im Übrigen glaube ich, dass ich mich da sozusagen im „Mittel­feld“ der Österreicherinnen und Österreicher befinde. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da, verehrte Damen und Herren, sollte es wirklich keine Heuchelei geben, und zwar von niemandem! Nicht nur angesichts der Zuschauer und Zuhörer sollten wir da alle ehrlich sein, daher: Nicht Wasser predigen und Wein trinken! Wir alle sind fehlbar (Rufe bei der SPÖ: Genau!) – und daher sollten wir uns alle hier nicht in heuchleri­schen Aussagen ergehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Steiermark hätte sich ebenfalls um eine Tempo 160-km/h-Teststrecke beworben, aber nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil wir in Graz 250 000 PKW pro Jahr erzeugen und diese natürlich getestet werden müs­sen, aber: Es wäre ja geradezu absurd, eine Sonder-Teststrecke zu bauen. (Bundesrat Gruber: Man kann ja den A1-Ring dafür hernehmen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Überdies wäre das ja auf Grund der heutigen Auflagen und Umweltbestimmun­gen ohnehin nicht möglich.

Daher müssen diese Autos – alles Einzelbewilligungen – von Graz Richtung Moos­kirchen auf einer dreispurigen Autobahn getestet werden, was ja so nicht gerade sinn­voll ist. Aus diesen Gründen hat die Steiermark daher gleichfalls die Errichtung einer Teststrecke beantragt; allerdings haben wir eine solche nicht bekommen. (Bundesrat Gruber: Ein Glück für die Steiermark!) Aber vielleicht wird das zumindest in Zukunft möglich sein.

Auch die Steiermark, meine Damen und Herren, hat berechtigte Anliegen, was Straßen betrifft; das ist, glaube ich, allgemein bekannt. Die Grundfinanzierung kann jedoch, wie ich meine, nur über die ASFINAG erfolgen. Daher begrüßen wir beide Gesetzesvor­schläge, die ASFINAG finanziell zu stärken und so für die Zukunft Straßenprojekte fi­nanzierbar zu machen. – Ich glaube, ich brauche hier nicht extra zu erwähnen, dass ich als gebürtiger Ennstaler in Bezug auf den Ausbau der B 320 und durch die Diskus­sion über die angebliche Gefährdung des Crex Crex, sprich Wachtelkönig, schwer ge­schädigt wurde. Die Diskussion darüber zieht sich jetzt schon 20 Jahre hin!

Meine Damen und Herren, die Wirtschaft in unserer Region ist von einer Infrastruktur­verschlechterung, wie sie selten eine Region in Österreich zuvor erlebt hat, bedroht!

Daher: Eine absolute Zustimmung zu beiden Gesetzesvorlagen – in dem Sinne, dass wir auch in Zukunft finanzierbare Straßenvorhaben in Österreich realisieren können. (Beifall bei der ÖVP und der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

12.14



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 60

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. – Herr Kollege Vilimsky, ist das richtig? – Ja, danke. Der Antrag ist angenommen.

12.15.273. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1191 d.B. und 1263 d.B. sowie 7467/BR d.B. und 7472/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend das Protokoll über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Internationalen Übereinkom­men vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorgenommenen Ände­rungen in der Neufassung des Protokolls vom 27. Juni 1997 samt Schlussakte (1260 d.B. und 1276 d.B. sowie 7473/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend das Protokoll zur Neufassung des Internationalen Übereinkommens vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorgenommenen Änderungen samt Zusatzprotokoll und Schlussakte (1261 d.B. und 1277 d.B. sowie 7474/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 3 bis 5 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu allen drei Punkten ist Herr Bundesrat Molzbichler. Ich bitte ihn um die Berichte.

 


12.16.16

Berichterstatter Günther Molzbichler: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Zum Ta­gesordnungspunkt 3: Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 7. Februar dieses Jahres mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch zum Tagesordnungspunkt 4 liegt Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vor; daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung am 7. Februar 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 61

Der Bericht zum Tagesordnungspunkt 5 liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; daher gleich die Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 7. Februar 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


12.18.01

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Da es unsererseits zu Tagesordnungspunkt 3, dem Luftfahrtgesetz, keine Zustimmung geben wird, möchte ich hier ganz kurz erläutern, was uns dazu bewegt, hier die Hand nicht zu heben.

Das größte Problem für uns dabei ist, dass sich insofern nichts geändert hat, als in Bezug auf Instandhaltungs- oder Ausbildungsbetriebe bei den Genehmigungen keine Bescheide über umweltrelevante Daten erlassen werden müssen. Das heißt, wenn eine Anrainerin/ein Anrainer ein Problem wegen erhöhter Fluglärmbelastung hat, kann er/sie im Prinzip nicht sehr viel dagegen tun, jedenfalls kann der Bescheid vom Anrai­ner nicht beeinsprucht werden, was jedoch der leichtere juristische Weg wäre. Teil­weise geht es jedoch um Zehntausende Flugbewegungen im Jahr und pro Flugplatz, und ich denke, das ist doch ein Problem, dessen Lösung man einmal angehen sollte. Das fehlt uns jedoch in diesem Gesetz. Deshalb: keine Zustimmung unsererseits.

Des Weiteren sind wir auch nicht besonders glücklich darüber, dass der Austro Control stets weitere Zuständigkeiten mehr oder weniger übertragen werden. Das ist unserer Ansicht nach nicht ganz verständlich. – Das zur Begründung, warum wir diese Ände­rung des Luftfahrtgesetzes ablehnen.

Zum angeführten „Bauchweh“, Herr Staatssekretär Mainoni: Danke jedenfalls für die Unterlage! Ich fürchte jedoch, mein Bauchweh ist dadurch nicht ganz wegzubringen. Ich hoffe aber jedenfalls, deshalb keine Bauchgrippe zu bekommen.

Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Perhab: Dieser lässige Umgang, was Über­schreitungen von Tempolimits anlangt, hat mir jetzt wieder vor Augen geführt und mich darin bestärkt, dass Selbstüberschätzung eindeutig ein männliches Problem ist. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

12.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es hiezu noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 62

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend das Protokoll über den Beitritt der Europäischen Gemein­schaft zum Internationalen Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammen­arbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorgenommenen Änderungen in der Neufassung des Protokolls vom 27. Jänner 1997 samt Schlussakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend das Protokoll zur Neufassung des Internationalen Überein­kommens vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorgenommenen Änderungen samt Zusatzprotokoll und Schlussakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

12.21.506. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (1265 d.B. und 1278 d.B. sowie 7468/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich bitte um den Bericht.

 


12.22.11

Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Jänner 2006 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Februar mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Vilimsky. – Bitte.

 


12.23.19

Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, über diesen Tagesordnungs­punkt als Erster sprechen zu dürfen, als Ein-Mann-Fraktion, weil ich bei diesem Tages­ordnungspunkt, der sehr wichtig für die österreichischen Interessen ist, hier nur meiner


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 63

Meinung verpflichtet bin und nicht internationalen Sachzwängen, wie es etwa im Be­reich der Sozialistischen Internationale oder der Europäischen Volkspartei der Fall ist. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Es gibt auch die Europäische Grüne!)

Es gibt eine Reihe guter Gründe, hier nicht die Zustimmung zu erteilen. Der erste wichtige Grund ist jener, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung massiv gegen einen überhasteten Beitritt Rumäniens und Bulgariens ist. Diese Untersuchung stammt von Februar dieses Jahres, eine Eurobarometerumfrage der Europäischen Kommission, die klar zum Ausdruck bringt, dass die Erweiterung der jetzigen Europäi­schen Union in Österreich von lediglich 17 bis 20 Prozent der Menschen gutgeheißen wird. Das heißt im Umkehrschluss, 80 bis 83 Prozent sind dagegen.

Dagegen spricht aber auch das Gebot der politischen Vernunft, wenn man sich an­sieht, dass die Europäische Kommission vergangenes Jahr in ihrem Fortschrittsbericht ganz wesentliche Mängel in diesem Integrationsprozess dokumentiert hat und das mit einem erheblichen Gefahrenpotential für die Lebensmittelsicherheit der Union und nur minimalen Fortschritten im Umwelt- und Arbeitschutzbereich begründet, vor allem aber mit der Tatsache, dass die bisher ausgezahlten EU-Beihilfen in dunklen Kanälen versi­ckert sind, anstatt tatsächlich für eine Beseitigung der bestehenden Mängel eingesetzt zu werden.

Angesichts der besonders in Rumänien dominierenden Korruption sei die adäquate Verwendung der Gelder aus den EU-Fonds jedoch auch in Zukunft ungewiss. Trotz­dem werden Sie heute hier die Zustimmung erteilen, die Zustimmung gegen österrei­chische Interessen.

Ich stelle außer Frage, dass Bulgarien und Rumänien Teil der europäischen Völkerfa­milie sind. Bulgarien und Rumänien müssen einen Platz in dieser europäischen Ge­meinschaft haben. Es geht darum, wann man diesen Zeitpunkt ansetzt. Der Zeitpunkt ist mit Sicherheit verfrüht, weil die EU-Reife noch nicht gegeben ist.

Wir haben heute in Österreich rund 100 000 Personen, die sich illegal hier aufhalten. Diese illegalen Personen kommen zum überwiegenden Teil aus Rumänien und Bulga­rien, was bedeutet, dass in Rumänien und Bulgarien auch die sozialen und wirtschaft­lichen Standards nicht einmal annähernd jenen der Europäischen Union entsprechen.

Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel, warum ein Beitritt und ein Vertrag über einen Bei­tritt verfrüht erscheinen: Es ist die CIA-Affäre. Gerade Bulgarien steht ja seit längerem nicht nur im Verdacht, sondern es ist auch dokumentiert, dass Bulgarien in vielen wich­tigen Fragen im Sold der USA steht. Dafür erhält die bulgarische Regierung Geld von den USA. Das waren bei den Überschwemmungen in diesem Sommer eine Million Dol­lar, in der Energiewirtschaft Milliarden von Dollar. Darunter fällt auch die Modernisie­rung des AKW Kosloduj. Im Jahr 1999 gab es 25 Millionen Dollar zur Bewältigung der wirtschaftlichen Nachteile aus dem Kosovo-Krieg, 5 Millionen Dollar für die Zerstörung von mehr als 100 russischen Raketen.

Dafür gibt es aber Gegenleistungen. Diese Gegenleistungen sind etwa dann dokumen­tiert, wenn im UN-Sicherheitsrat Unterstützung für die USA in der Irak-Frage gegeben ist, und sie sind auch dann dokumentiert, wenn Bulgarien bevorzugt behandelt werden soll, etwa bei der Frage des Wiederaufbaus im Irak. Bulgarien steht seit längerem im Verdacht, Interessen der USA zu bedienen. Das zeigt sich auch an den Überflügen und an den Geheimgefängnissen, die für mich eindeutig ein Zeichen dafür sind, dass es mit der demokratiepolitischen Reife noch nicht so weit ist.

Angesichts dieser Volumina, die hier aus den USA Richtung Bulgarien fließen, und zu­gleich der Warnung der Regierung in Großbritannien, dass die Korruption in beiden


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 64

Ländern sehr hoch ist, kann man sich vorstellen, was in letzter Konsequenz dagegen sprechen wird.

Ich habe generell den Eindruck, dass dieses Europa von ganz massiven Änderungen betroffen ist. Es gibt eine große Gruppe, die davon ausgesperrt ist, diese Änderungen mit zu tragen: Das sind die Bevölkerungen der Mitgliedsländer. Ganz besonders schlimm ist es in Österreich.

Vor gut zehn Jahren war es so, dass eine Volksabstimmung über den Beitritt zur EU mit einer Reihe von wirklich falschen Versprechungen und unhaltbaren Tatsachen durchgepeitscht wurde. Die Bevölkerung hat damals vertraut auf das, was versprochen wurde, begonnen damit, dass der Schilling nicht abgeschafft wird und dieses Europa­geld eine reine Erfindung ist, bis hin zu der Erfindung, dass die Österreicher sich jedes Jahr viel Geld durch diesen Beitritt sparen werden und Milch und Honig fließen werden. Faktum ist heute, dass Österreich die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik hat, Faktum ist weiters, dass die ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Das stimmt schon über­haupt nicht, Herr Kollege!)

Aber, Herr Kollege, Sie können ganz einfach in der APA nachschauen: Wir haben knapp 400 000 Arbeitslose, wenn man die Vielzahl von Personen hinzurechnet, die in diversen Schulungen versteckt sind. Ab diesem Zeitpunkt, als die Österreicher mit einem Vertrauensvorschuss in diese EU hineingetäuscht wurden, war es vorbei mit der Demokratie. Es war vorbei damit, als der Schilling abgeschafft wurde, es war vorbei damit, als die erste große Runde der Osterweiterung vollzogen wurde. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber der Euro hat schon seine Vorteile!)

Naja, zum Euro muss man sagen – das hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ jüngst gut festgehalten –: Was damals ein Euro in Schilling im Verhältnis war, ist heute nur mehr 84 Cent wert. Da gibt es interessante Untersuchungen: Wenn Sie den Warenkorb neu arrangieren und eine Vielzahl von Sachen, die man ab und zu braucht, nicht hinein nehmen – einen Computer oder ein Auto –, sondern diesen auf den Bereich der tat­sächlich lebensnotwendigen Dinge reduzieren, wie Lebensmittel, Wohnung, Medika­mente, dann werden sie draufkommen, dass die Teuerungsrate um die 30 Prozent beträgt. Wenn das ein Vorteil sein soll, bleibt es Ihnen unbenommen, für mich und die meisten Österreicher ist es ein gravierender Nachteil.

Es war jedenfalls Schluss mit der Demokratie bei der ersten großen Osterweiterungs­runde, es war Schluss mit der Demokratie in Österreich, als grünes Licht für Verhand­lungen über einen EU-Beitritt mit der Türkei erteilt wurde. Es war Schluss bei der EU-Verfassung, es ist Schluss bei der jetzigen Erweiterungsrunde, es wird auch Schluss sein – so befürchte ich – bei der kommenden Erweiterungsrunde, bei der Albanien, Serbien, Montenegro und weitere bereits in der Wartehalle befindlich sind.

Und es war Schluss damit, als Bundeskanzler Schüssel erst jüngst die Mitgliedsbei­träge der Europäischen Union verdoppelt hat. Es war auch Schluss damit, als Ratsprä­sident Schüssel in Straßburg bei seiner Antrittsrede gleich einmal festgehalten hat, dass eine neue EU-Steuer für ihn ein Thema ist.

Ich halte fest: Diese Europäische Union ist auf dem falschen Dampfer unterwegs. Sie gefährdet den an sich wichtigen Prozess der europäischen Einigung als Friedens­projekt, als wirtschaftliche Union, als Gemeinschaft gleichberechtigter Völker und opfert diesen wichtigen Einigungsprozess den Interessen der Großkapitalisten, den Interes­sen der multinationalen Konzerne und den Interessen jener, die versuchen, bei einer Osterweiterung noch billiger zu produzieren und noch weniger Sozialstandards in An­griff nehmen zu müssen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 65

Das Europa, das den Kern bildet, nämlich die Gemeinschaft der Nettozahler, wird da­bei überfahren. Es werden die Steuern erhöht, die Arbeitslosigkeit steigt rasant nach oben, und in weiterer Konsequenz werden die Sozialstandards – vor allem auch im Ge­sundheitsbereich – massiv zurückgefahren. Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik, das werden Sie nicht hinwegleugnen können! (Bundesrat Dr. Küh­nel: Auch wenn Sie es wiederholen, wird es dadurch nicht wahr!) – Ich zeige Ihnen nachher gerne die Unterlage, ich zeige Ihnen den Beweis dafür!

Wir werden, wenn Rumänien und Bulgarien im Jahr 2007 zur Europäischen Union kommen, abermals diese Nettobeiträge erhöhen müssen, und abermals werden die Österreicher dafür tief in die Tasche greifen müssen, dass diese Erweiterungsexperi­mente mit schlechter Vorbereitung und völlig überhastet vorgenommen werden.

Ich habe in meiner Bezirksgruppe – ich bin Obmann der FPÖ in Mariahilf – eine Stell­vertreterin, die bulgarischstämmig ist, die eingebürgert ist und die mich gefragt hat, wie das politisch aufs Tapet gekommen ist, ob denn dieses Europa völlig von allen guten Geistern verlassen ist. Sie hat relativ gute Kenntnis von den Vorgängen in Bulgarien, und sie hat klar und unmissverständlich festgehalten, dass, wenn man ein bisschen hinter die Kulissen einer internationalen Verhandlungsrunde blickt, ganz massive de­mokratiepolitische Defizite gegeben sind, die Sozialstandards erschreckend gering sind und eine Annäherung an das, als was sich Europa gerne bezeichnen und worunter sich Europa gerne definieren würde, ein katastrophal schlechter Weg wäre.

Sie werden heute trotzdem grünes Licht geben, das weiß ich. Sie werden grünes Licht geben, obwohl 80 Prozent der Österreicher dagegen sind. Sie werden grünes Licht ge­ben, obwohl massive Bedenken der Europäischen Kommission ins Treffen geführt wur­den. Ich kann mich morgen gut in den Spiegel schauen. Ich weiß, ich kann heute öster­reichische Interessen – rot-weiß-rote Interessen! – vertreten, und werde das durch die Ablehnung Ihres Antrages dokumentieren. – Danke sehr.

12.34


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Reinhold Ein­wallner. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.34.20

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir behandeln hier heute im ersten Schritt ein Ermächtigungsgesetz, es geht also um ein Ermächtigungsverfahren und dann erst in einem zweiten Schritt um die genauen inhalt­lichen Punkte eines Erweiterungsvertrages für die Länder Bulgarien und Rumänien. Ich denke, dass uns genau dieses zweistufige Verfahren die Möglichkeit gibt, einerseits ein ganz klares Ja zu sagen, dass wir für den Beitritt beider Länder sind und ihn auch aktiv unterstützen, andererseits aber auch beiden Ländern noch etwas Zeit zu geben, um die inhaltlichen Erfordernisse tatsächlich zu erfüllen.

Bei Rumänien und Bulgarien handelt es sich um zwei ganz wichtige Handelspartner Österreichs. Es gibt erfreulicherweise einen Handelsbilanzüberschuss mit beiden Län­dern – einen Überschuss, der bei Rumänien zirka 550 Millionen € beträgt und bei Bul­garien ungefähr 170 Millionen €. Neben diesen aus meiner Sicht sehr erfreulichen wirt­schaftlichen Daten ist es aber auch notwendig, auf die Bereiche hinzuweisen, in denen beide Länder noch Aufholbedarf haben.

Die Monitoring-Berichte der Europäischen Kommission zeigen vorhandene Mängel auf. Gravierende Mängel gibt es vor allem in den Bereichen Justiz und inneres Ressort. Diese Bereiche sind noch nicht in einer Form entwickelt, dass sie jetzt wirklich dem europäischen Standard entsprechen. Es gibt – und das darf man nicht verhehlen –


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 66

schwer wiegende Probleme im Bereich der Korruption, der Geldwäsche, auch bei den Minderheitenrechten und Misshandlungen in Polizeigewahrsam.

Die Reformen im Bereich Inneres und im Justizbereich müssen also so weit reichen, dass sie eine effektive Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Korruption ermöglichen und diese eindämmen können. Das Positive ist aber, dass man allein durch die Aussicht auf den Beitritt das Reformtempo enorm beschleunigt hat und dass in den letzten Jahren sehr viele Fortschritte in diesen Bereichen gemacht wurden. Man sieht auch, dass beide Staaten sehr bemüht sind, die Voraussetzungen zu erfüllen.

Ich denke, dass es neben dem Einfordern von Verbesserungen auch die Bereitschaft von uns und unseren Ländern geben sollte, diesen Ländern aktiv Hilfe und Unterstüt­zung anzubieten. Als Beispiel – wir hatten das heute schon ganz kurz in der Frage­stunde – möchte ich hier die Bekämpfung des Kinderhandels nennen. Da geht es nicht nur darum, Bulgarien und Rumänien in die Pflicht zu nehmen, nein, da sind auch die Empfängerländer und auch die Transitländer, die da betroffen sind – und auch Öster­reich gehört dazu –, aufgefordert zu handeln.

Es gibt in vielen Regionen Österreichs – ganz egal, in welchen Gebieten Österreichs, aber besonders stark natürlich in den Ballungszentren – viele Kinder, Jugendliche un­ter 14 Jahren, die bei illegalen Handlungen aufgegriffen wurden. Im Jahr 2004 waren es zum Großteil rumänische Kinder, die von Schleppern nach Österreich gebracht und zum Stehlen und Betteln eingesetzt wurden.

Ich freue mich über die Ankündigung der österreichischen Bundesregierung, im Rah­men der Ratspräsidentschaft auch Maßnahmen zu setzen, die zur Bekämpfung des Kinderhandels wichtig sind, denn es ist ein sehr wichtiges Thema. Ich denke, man kann auf diesem Gebiet nie genug tun. Kritisch muss man anmerken, dass sich meiner Meinung nach in den letzten fünf Jahren fast ein bisschen zu wenig auf dieser Ebene getan hat.

Die Sozialdemokratische Partei steht zu einer sinnvollen Erweiterung der Europäischen Union. Umso wichtiger ist es aber auch, dass wir eine europäische Verfassung erzielen und erreichen können, denn zurzeit arbeiten wir auf europäischer Ebene mit einem Re­gelwerk, das meiner Meinung nach nicht für die jetzige Größe der Europäischen Union geeignet ist und schon gar nicht dann, wenn diese 27 Länder umfasst.

Klar muss sein, dass es rasch eine Lösung in Sachen europäische Verfassung geben muss, damit diese Europäische Union weiterhin handlungs- und somit auch erweite­rungsfähig bleibt.

Beide Länder, Rumänien und Bulgarien, sind wichtige Länder für Europa, beide Länder sind wichtige Handelspartner Österreichs. Daher ist zu hoffen, dass sie die noch offe­nen Fragen gut und rasch bewältigen. Rumänien und Bulgarien sind Teil Europas. So­bald die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, sollen sie auch Teil dieser Europäi­schen Union werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Ager das Wort. – Bitte.

 


12.40.01

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Staats­sekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur ganz kurz darauf eingehen, es ist ja bezeichnend: Kollege Vilimsky hat uns zu diesen Themen ein paar „Rülpser“ dagelassen und ist dann gegangen. (Heiterkeit bei Bundes­räten der SPÖ.) Wir kennen die Meinung dieser Gruppe, im Besonderen was die Aus-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 67

länderfrage betrifft, sehr gut – aber so kann man Europa nicht gestalten, und das ist auch nicht der richtige Weg. Und es ist auch nicht die richtige Ausdrucksweise, im glei­chen Atemzug zu sagen, aber man sei für Europa und man sei für eine Gestaltung und für ein Zusammenleben in Europa. Also das kann nie und nimmer funktionieren!

Ich bin aber sehr froh, dass wir mit der linken Reichshälfte – Kollege Einwallner, ich kann all das, was Sie gesagt haben, unterstreichen – da einmal einer Meinung sind, denn ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass man in Europa auch einmal beginnt, die Zweiklassengesellschaft zu minimieren, und danach strebt, dass wir uns in Zukunft auf gleicher Augenhöhe bewegen.

Liebe Freunde! Punkt 6 der heutigen Tagesordnung betrifft ein Bundesverfassungs­gesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union. Wenn man die österreichische Geschichte und die Geschichte der beiden Beitrittsländer Rumänien und Bulgarien verfolgt, dann sieht man, dass es da viele, viele gemeinsame Facetten gegeben hat. Man hat beiden Län­dern eine klare Zeitangabe genannt, und im Zusammenhang mit diesem Thema gibt es auch immer wieder Anlass zu Verwunderung: Man soll zwar verhandeln, aber die Dinge dann bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. – Das ist ja keine effektive Verhandlung, sondern das ist eigentlich nur Augenauswischerei!

Es hat eine klare Zeitangabe gegeben, und Rumänien und Bulgarien haben begonnen, ihre Hausaufgaben entsprechend zu machen. Die EU sollte daher meiner Meinung nach nicht wegen eigener Probleme dies jetzt in Frage stellen und nicht über eine Ver­schiebung nachdenken. Der gewählte Weg – und da sind wir uns einig –, auch unseres Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel, nämlich eine Integration mit einem klaren Monito­ring, ist meiner Meinung nach und auch Ihrer Meinung nach der einzig richtige. Zudem ist auch in der Finanzvorschau der EU – und mehr haben wir ja noch nicht – der Beitritt bereits fix eingeplant.

Österreich und die EU werden diesen beiden jungen Demokratien in vielen Belangen Hilfestellungen geben müssen – da sind wir schon auch einer Meinung –, Österreich und die EU werden aber – im Schnittpunkt zwischen Ost und West – von diesen Beitrit­ten auch viel profitieren, wie wir es ja auch bisher schon getan haben.

Ich möchte darauf hinweisen, dass viele österreichische Unternehmen in Rumänien und Bulgarien große Investitionen getätigt haben und schon vor Ort sind. Mit dem Bei­tritt entsteht auch hier mehr Rechtssicherheit, und es gibt auch einen großen wirt­schaftlichen und sozialen Aufschwung in Rumänien und Bulgarien, und auch unsere österreichischen Unternehmer sind natürlich davon betroffen.

Selbstverständlich muss man den Fokus auch auf Dinge richten – und das möchte ich nicht verschweigen –, die bei jungen Demokratien noch nicht so gut funktionieren können: auf die Bekämpfung der Korruption – Kollege Einwallner hat es bereits ge­sagt –, den Schutz der Minderheiten und das Vorantreiben der Justizreform als einen der wichtigsten Punkte.

Aber all diese Reformen, meine Damen und Herren, können als Vollmitglied mit beglei­tender Hilfestellung der EU besser umgesetzt und kontrolliert werden. Eine Verschie­bung des Beitrittes hätte in Rumänien und Bulgarien fatale Folgen, und sie wäre Wasser auf die Mühlen der Beitrittsgegner, die es in diesen Ländern selbstverständlich auch gibt und die natürlich sehr froh wären, wenn es da Verzögerungen geben würde, weil sie dann sagen könnten: In der EU ist ja auch niemand daran interessiert, dass ihr da eintretet!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 68

Ich bin der Meinung, wir sollten aus ehrlicher Überzeugung Rumänien und Bulgarien diesen Vertrauensvorschuss geben, weil er auch als positives Zeichen von allen Bal­kanstaaten begrüßt wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich Peter Schieder, den ehemaligen Präsidenten des Europarates, erwähnen, der dieses Thema aufgeworfen und die Wichtigkeit der Region des gesamten Balkans mit ins Spiel gebracht hat. Erinnern wir uns doch, wie dynamisch sich Ungarn und Slowenien in der EU entwickelt haben; Rumänien und Bulgarien könnten bei ähnlicher Entwicklung zum dynamischen Motor für die ganze Balkanregion werden! – Da bin ich ganz der Meinung von Peter Schieder, der dieses Thema aufgeworfen hat.

Die fast einstimmige Zustimmung im Nationalrat zu einer Vorlage, mit der die verfas­sungsrechtliche Grundlage für die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU geschaffen wird, ist für mich Vorbild. Es ist, wie ich schon gesagt habe, auch ein Schritt, um die Zweiklassengesellschaft in Europa in Zukunft zu minimieren.

Wir im Bundesrat sollten dies auch tun, wir sollten auch zustimmen. Wir sollten nicht mit Vorbehalten zustimmen, sondern wir sollten uns freuen. Willkommen Bulgarien, willkommen Rumänien in der europäischen Gesellschaft! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ und bei den Grünen.)

12.46


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach.

 


12.46.33

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem heutigen Be­schluss des Beitrittes Bulgariens und Rumäniens sind wir das zwölfte Land, das diese Ratifizierung vornimmt. Elf haben bereits ratifiziert. Ich glaube, es ist besonders wich­tig, dass das derzeitige EU-Vorsitzland mit diesem Schritt und mit dieser Ratifizierung ein Signal auch an alle anderen setzt, jetzt zügig nachzuholen, was derzeit ansteht. Ich will auch gar nicht in Diskussionen eintreten, ob man jetzt bei Verzögerungen das eine Land vorlässt, zum Beispiel Bulgarien, und Rumänien auf eine Warteposition schiebt. Tatsache ist: Dieser Beitritt ist von Seiten der Europäischen Gemeinschaft mit den bei­den Ländern äußerst intensiv vorbereitet worden.

Das Jahr 2007 ist bewusst als Zeitpunkt angesetzt worden. Die Gesellschaften Bulga­riens und Rumäniens haben enorme Anstrengungen unternommen, um – das klingt jetzt vielleicht wie von oben herab – ihre EU-Reife nachzuweisen und auch sozusagen abzuliefern. Ich möchte nur etwa den Bereich der inneren Sicherheit hervorheben, wo sich zum Beispiel Bulgarien in einer Arbeitsgemeinschaft der EU auch gemeinsam mit Österreich befindet. Auch die Bulgaren sehen, wie die Rumänen, das Problem mit den Außengrenzen zu den ehemaligen Sowjetrepubliken, insbesondere zu Moldawien. Es können da nur gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, wie das etwa auch bei der Grenze zu Kasachstan und zu Weißrussland bereits stattfindet.

In der Bevölkerung Bulgariens und Rumäniens ist heute festzustellen – das Bild ist ja auch in Österreich, aber auch in allen anderen Ländern früher nicht immer ganz so ge­wesen –, dass trotz jenen, die gegenüber der Mobilität und der Öffnung Bedenken ha­ben – ich spreche da etwa den agrarischen Sektor an –, auch ältere Menschen ihre Zukunftsängste verlieren und das Klima ein überwiegend positives ist. Wir sollten die­ses positive Klima nicht strapazieren!

Ich halte eine rasche Ratifizierung der Beitrittsverträge in allen 25 Mitgliedsländern für absolut dringend und notwendig, und Bulgarien und Rumänien werden sicher sehr, sehr wertvolle Mitgliedsländer werden. Der Lückenschluss in Südosteuropa muss dann


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 69

nur mehr mit jenen Staaten der früheren Republik Jugoslawien erfolgen, denen wir uns in einer besonderen Weise widmen müssen. Der weiße Fleck zwischen Griechenland und Slowenien, das wird der ganz großen Anstrengung bedürfen. Diese Lücke gilt es zu schließen – im Sinne der Stabilität, des Friedens und der Sicherheit in Europa.

Aber Bulgarien und Rumänien haben immer eine sehr europäische Orientierung ge­habt – selbst Bulgarien, das ja in einer EU-Debatte in ganz besonderem Maße gefor­dert ist: Kein Land hat eine so große türkische Minderheit wie Bulgarien! Damit ist Bul­garien sicherlich eines jener künftigen Mitgliedsländer, die bei dieser Debatte in einer besonderen Art und Weise auch ihren Debattenbeitrag einbringen müssen, und dieser Dialog funktioniert.

Mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien wird die größte Minderheit innerhalb der Europäischen Union, die Roma und Sinti, noch einmal größer, und die Europäische Union wird sich klar darüber sein müssen, dass sie ein Programm machen muss, was diese Minderheit betrifft. Für diese große Volksgruppe – die ja schon durch den Beitritt der Slowakei und Ungarns, aber auch Tschechiens heute mittlerweile die größte ist und durch Bulgarien und Rumänien noch anwächst – bedarf es in den Sozialprogram­men, in den Beschäftigungsprogrammen, in der Stärkung von deren Integration eines Aktionsprogramms der EU. Ich weiß, das ist ein Riesenbrocken, der hier vor uns steht, aber wir müssen uns des Problems bewusst sein, dass das eine der großen Heraus­forderungen ist, die auf uns zukommen.

In diesem Sinne schließe ich mich dem Kollegen Ager vollinhaltlich an, der seinen Bei­trag mit den Worten beendet hat: Willkommen Bulgarien, willkommen Rumänien! – Die EU wird damit wirklich um zwei wichtige Länder reicher – im Sinne der Kultur, im Sinne der Völkergemeinschaft. In Europa wächst zusammen, was zusammengehört, und deshalb ist es wichtig, diesen Vertrag hier und heute zu ratifizieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich er­teile ihm das Wort.

 


12.52.27

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Herr Kollege Vilimsky nicht mehr anwesend ist: So kann man die Dinge ja doch nicht im Raum stehen lassen! Wir wissen, dass es Anfang März ein Volksbegehren seitens dieser Vereinigung geben wird, wo man entsprechende Werbung machen will, um aus der EU auszutreten. Ich hoffe, dass da eine klassische Minderheitenfeststel­lung erfolgen wird, indem relativ wenige Leute hingehen. Denn wir wissen aus Umfra­gen, dass jeder sicher an der EU das eine oder andere kritisiert, dass aber an einen Austritt bei den Österreichern keineswegs zu denken ist.

Das Zweite, was mich an seiner Rede etwas gestört hat, ist, dass die Beweislage of­fensichtlich sehr dünn ist, mit der argumentiert wird, was Überflüge der Amerikaner und so weiter betrifft. Selbst der im Europarat sehr massiv unterwegs seiende schweize­rische Abgeordnete Marty hat neulich eingestanden: So dicht ist die Beweislage bisher nicht.

Außerdem: Zu konstruieren, dass, wenn Überflüge stattgefunden haben sollten, man­gelnde demokratische Reife vorliegt, das ist schon ein starker Schluss, denn, bitte, mir fällt gerade die Bundesrepublik Deutschland ein, wo es auch derartige Überflüge gab; und da nun zu sagen, dass dort die demokratische Reife fehlt, ist zumindest abstrus.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 70

Nun, was Österreich betrifft, so habe ich gehört, Kollege Vilimsky trauert dem Schilling nach. Na gut, das mag schon sein, nur habe ich bei ihm die Vermutung – und damit, glaube ich aber, ist er der Einzige in diesem Saal –, dass er vielleicht noch eine andere Nostalgie hat; auf diese will ich aber nicht näher eingehen. (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Meinen Sie die nach den Kronen?)

Als Nächstes: seine Feststellung, es gäbe nun die höchste Arbeitslosigkeit in der Zwei­ten Republik. – Er ist etwas jünger als ich, aber so jung ist er auch wieder nicht. Wenn er sich entsprechend mit den Statistiken auseinander gesetzt hätte, hätte er festge­stellt, dass in den vierziger und fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Arbeits­losigkeit sicher höher gewesen ist.

Wenn ich dann noch dieses Gewäsch über Großkonzerne, Kapitalisten und so weiter höre, dann denke ich mir: Ist er vielleicht auch ein nostalgischer Anhänger eines Sys­tems, das im Osten den Wind der Realität nicht überlebt hat? (Bundesrat Schennach: Das ist aber euer Koalitionspartner!) – Er nicht, bitte! (Bundesrat Schennach: Er nicht – er zufällig nicht!)

Nun komme ich zu meiner eigentlichen Rede, nämlich über das Bundesverfassungs­gesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union.

Es ist etwas verwunderlich – auch für Juristen –, aber es ist eben notwendig, dass hier ein zweistufiges Verfahren durchgeführt wird, und es ist auch in den Reden im Natio­nalrat eindeutig der Hinweis gekommen, man möge doch prüfen, ob nicht in Zukunft ein einstufiges Verfahren stattfinden kann, damit das auch etwas schneller und präg­nanter ginge. Hiezu ist es aber notwendig, dass die Verfassung geändert wird; diese Änderung liegt jetzt in diversen Ausschüssen des Parlaments und wird sicher vor den Wahlen nicht mehr zu einem Abschluss geführt werden können.

Zu den rechtlichen Aspekten gehört auch – hier ist es notwendig, auf die Erläuterungen in der Regierungsvorlage zu verweisen –, dass die Übernahme des Gemeinschafts­rechtes eben nicht zur Gänze verfassungsändernd ist. In den Erläuterungen steht, dass „eine genaue Bezeichnung jener Teile des Beitrittsvertrages (einschließlich insbe­sondere des darin verwiesenen Unionsvertrages und EU-Sekundärrechts), welche ver­fassungsändernd sind, kaum möglich und eine verfassungsrechtliche Verankerung des gesamten Beitrittsvertrages äußerst unzweckmäßig wäre“. – Daher diese Vorgangs­weise, und, wie gesagt, mit dieser müssen wir zumindest jetzt, beim Beitritt von Rumä­nien und Bulgarien, noch leben.

Ich möchte aber auch ausdrücklich festhalten, dass sowohl im Verfassungsausschuss des Nationalrates als auch im Verfassungs- und Föderalismusausschuss des Bundes­rates diese Gesetzesmaterie mit Stimmeneinhelligkeit zur Annahme empfohlen worden ist.

Was bedeutet nun ein Beitritt dieser Länder für Österreich und für die EU? – Es ist zweifelsohne ein Schritt, der schon in gewissem Maße bedeutend ist, denn eigentlich hätten Rumänien und Bulgarien bei dem Beitritt, der mit 1.5.2004 erfolgt ist, dabei sein sollen; weil aber gewisse Mängel aufgetreten sind – sie sind von den Kollegen Einwall­ner, Ager, Schennach schon erwähnt worden –, konnte der Beitritt dieser Länder eben nicht mit dem Zehner-Paket verabschiedet werden, und daher diese zeitliche Verzöge­rung.

Diese Verzögerung hat dazu geführt, dass auf jeden Fall auf dem rechtsstaatlichen Sektor massive Verbesserungen eingetreten sind, dass eine Reform der Justiz stattge­funden hat – was das Ermittlungsverfahren betrifft, was die Staatsanwaltschaft betrifft, was die Richter angeht. Das Reformtempo in diesen Ländern wurde gesteigert, und die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 71

Beitrittsaussicht hat auch dazu geführt, dass in diesen Ländern eine Verbesserung der allgemeinen ökonomischen Situation eingetreten ist. Ein Zeichen dafür ist auch, dass zum Beispiel österreichische Unternehmen – ich will jetzt keine Namen nennen – mas­siv in diesen beiden Ländern investiert haben. Wie schon zitiert worden ist und wie es auch schon der Herr Bundeskanzler gesagt hat: „Es ist ganz besonders wichtig, diesen Ländern einerseits die Integration anzubieten, aber andererseits auch eine gewisse Kontrolle, ein Monitoring durchzuführen, damit der rechtsstaatlich-demokratische Weg nicht nur eingeleitet, sondern auch zu Ende geführt werden kann.“

Außerdem verdienen beide Länder auch einen entsprechenden Vertrauensvorschuss. Man soll nicht immer davon ausgehen, dass der Mensch grundsätzlich schlecht ist, sondern davon – und das ist eine zutiefst christliche Auffassung –, dass der Mensch grundsätzlich gut ist, und das soll man auch gegenüber anderen Nationen, Ländern und Völkern zum Ausdruck bringen.

Eines erscheit mir aber ganz besonders wichtig: In beiden Ländern sind seit dem Um­sturz immer wieder andere Parteien durch demokratische Wahlen an die Macht ge­kommen, und diese Änderungen sind, bitte, problemlos und gewaltlos über die Bühne gegangen. Ich will dabei nicht an andere Länder weiter östlich erinnern, wenn dort unter Umständen eine Machtclique abgewählt wird, mit welchen Verwerfungen dann zu rechnen ist.

Zuletzt darf ich noch einmal wiederholen, dass meine Fraktion einerseits keinen Ein­spruch erheben möchte, dass wir andererseits auch die verfassungsmäßige Zustim­mung zu diesem Gesetz erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Ing. Kampl.)

13.00


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

 


13.00.47

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich den Ausführungen aller mei­ner Vorredner  – außer jenen des Kollegen Vilimsky – anschließen. Lassen Sie mich aber dazu noch einen Gedanken aussprechen: Es ist zwar in Bulgarien und Rumänien vieles besser geworden, aber vieles wird in Zukunft noch zu tun sein.

Am morgigen Tag beginnen die Olympischen Winterspiele in Turin. Es werden 2 500 Athleten aus 85 Ländern – so viele wie bisher noch nie bei Spielen – aufeinander treffen und im friedlichen Wettstreit um Medaillen kämpfen. Gerade dieser olympische Gedanke sollte auch der internationalen Politik zugrunde gelegt werden, nämlich das friedvolle Miteinander. Gerade heute wäre dies besonders wichtig.

Ich wünsche unseren 82 Teilnehmern an den Olympischen Winterspielen besonders viel Glück und Erfolg und hoffe als Vorsitzender des Sportausschusses, dass es dies­mal vielleicht nicht so bronzen wie in Salt Lake City wird, sondern dass es goldene Spiele für Österreich und vor allem für unsere Sportler werden. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.02


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


13.02.48

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich über die klaren und scharfen Worte der ÖVP zu den Ausführungen von Bundesrat Vilimsky. Es ist angenehm zu hören, dass Sie hier so eine klare Position vertreten. Ganz interessant


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 72

finde ich es, dass sich Bundesrat Vilimsky zwar kurz zum Beitritt von Bulgarien und Rumänien äußert, aber dann ausschließlich über Österreich redet. Auch wenn wir hier im österreichischen Parlament sind, so ist das eine europäische Materie. Ich finde, das würde es schon rechtfertigen, ein bisschen mehr auf die Situation dieser Länder ein­zugehen und das Ganze nicht ausschließlich aus dem nationalen Blickwinkel zu be­trachten. (Beifall bei den Grünen.)

Dass es in Bulgarien und auch in Rumänien durchaus noch Handlungs- und Reformbe­darf gibt, das haben Vorredner und Vorrednerinnen schon dargelegt; das ist ganz klar. Das ist auch im Monitoring-Bericht der Kommission klar zum Ausdruck gekommen. Ich möchte kurz auf einen Punkt eingehen, der auch in diesem Bericht genannt wurde, nämlich die Frage der Integration der Roma, die in beiden Ländern noch nicht so funk­tioniert, wie sie funktionieren sollte. Man ist weit von einer echten Integration entfernt.

Generell sind Roma in allen Ländern in Europa eine der am stärksten diskriminierten Minderheiten, und in allen Ländern, für die Statistiken oder Umfragen vorliegen, haben Roma einen deutlich niedrigeren Bildungsstandard, eine viel höhere Arbeitslosigkeit und ein wesentlich geringeres Einkommen wie auch einen schlechteren Gesundheits­zustand als der Rest der jeweiligen Bevölkerung, was jetzt für Bulgarien und Rumänien im Speziellen zutrifft, weil diese beiden Länder einen relativ großen Anteil an Roma ha­ben. Der Anteil von Roma-Kindern in Sonderschulen ist in diesen Ländern überdimen­sional hoch. Das heißt, es ist für Roma-Kinder kaum möglich, einen normalen Zugang zum Bildungssystem zu haben. Das hat die Folgen, die wir kennen: Wenn man im Bil­dungssystem nicht verankert ist, nicht die entsprechenden Chancen hat, wird man auch den Rest seines Lebens nie die gleichen Chancen haben wie andere Mitbürger.

Roma leben auch in Bulgarien und Rumänien oft in benachteiligten Gebieten mit schlechter Wohnqualität. Es fehlen oft die grundlegendsten Dienstleistungen, und es gibt begrenzten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Gebiete, in denen Roma leben, sind teilweise schon slum-ähnlich, muss man sagen.

In einer Studie der Europäischen Kommission habe ich zwei Zahlen gefunden: 65 Pro­zent der in Rumänien befragten Roma und 45 Prozent der in Bulgarien befragten Roma leben in einer Wohnung ohne fließendes Wasser. Solche Zustände sind ein ganz klares Indiz dafür, dass die Integration dieser Bevölkerungsgruppe bei weitem noch nicht so fortgeschritten ist, wie es zu erwarten ist. Diesbezüglich gibt es massiven Nachholbedarf für diese beiden Länder.

Allerdings gibt es auf EU-Ebene eine ganze Reihe von Projekten, die genau eine bes­sere Integration der Roma und auch mehr Chancen für Roma-Minderheiten zum Ziel haben. Zum Beispiel wurde die Initiative „Dekade zur Eingliederung der Roma 2005–2015“ gestartet.

Ich möchte jetzt, ganz abgesehen von allen wirtschaftlichen Aspekten, die der Beitritt für diese beiden Länder hat, die Kollege Ager schon angeführt hat, Folgendes sagen: In Bulgarien und auch in Rumänien gibt es Fortschritte. Diese beiden Länder bemühen sich, die Situation langsam – aber sie gehen es wenigstens an – für diese Bevölke­rungsgruppe endlich zu verbessern. Allein dieser Wille ist dadurch begründet, dass diese Länder Mitglieder der Europäischen Union sein wollen.

Das ist für mich nach wie vor eines der stärksten Argumente dafür, auch solche Länder aufzunehmen, und das ist auch ein Argument, das man dann in Hinblick auf den Türkeibeitritt wird diskutieren müssen. Es bedeutet für Minderheiten, für diskriminierte Gruppen in diesen Ländern auf jeden Fall eine Verbesserung, das im Sinne einer Völ­kergemeinschaft anzugehen. Es muss daher auch in unserem Interesse sein, die Situ-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 73

ation diskriminierter Menschen in anderen Ländern über diese Verlockung des EU-Bei­tritts zu fördern. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ und der ÖVP.)

13.06


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Mag. Schweit­zer. – Bitte.

 


13.06.47

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich ganz kurz auf den Debat­tenbeitrag des Kollegen Kühnel eingehe, der seiner Hoffung Ausdruck verliehen hat, dass das Volksbegehren, das demnächst in Österreich zur Unterschrift aufgelegt wird, hoffentlich eine Minderheitenfeststellung wird. – Schauen wir einmal, wie das Ergebnis schlussendlich sein wird! Ich glaube, dass es in Österreich beziehungsweise in der Europäischen Union insgesamt auch eine differenziertere Diskussion geben müsste. Auch heute ist diese Diskussion nicht ganz so differenziert, wie ich sie mir wünsche.

Es gibt natürlich genügend Gründe für eine gewisse Europaskepsis in Österreich und auch Gründe dafür, warum viele gegen eine Erweiterung sind, weil eben in der Vergan­genheit einiges nicht wirklich differenziert betrachtet wurde.

Erlauben Sie mir, kurz an etwas zu erinnern, wofür ich auch keine Erklärung finde! Als einer, der zu den Europaabgeordneten der ersten Stunde gehört hat, habe ich zum Beispiel die Entwicklung des Wechselkurses miterlebt. Ich habe ja noch in ECU ge­rechnet, und ich kann mich daran erinnern, dass der Kurs des ECU zwischen 11,80 S und 12,40 S – in alter Währung – hin und her gependelt ist. Bei der Festlegung des Wechselkurses haben wir auf einmal festgestellt, dass 1 € aus österreichischer Sicht 13,76 S wert ist. Also frage ich mich: Was ist da passiert zwischen ECU und Euro? Warum hat sich der Wechselkurs auf einmal so dramatisch zu unseren Ungunsten verändert? – Das haben sich wahrscheinlich viele in Österreich gefragt und auch den Schluss gezogen: Hier haben wir ordentlich draufgezahlt!

Niemand hat sich in weiterer Folge wirklich mit dieser Frage in der Öffentlichkeit be­schäftigt – auch nicht, als es darum gegangen ist, die Mitgliedsländer für die gemeinsa­me Währung zu bestimmen. Es wurden zwar klare Kriterien vorgegeben. Sie erinnern sich, die Stabilitätskriterien waren klar definiert. Aber als es schlussendlich darum ging, klar und deutlich zu sagen, wer dabei ist und wer nicht dabei ist, ging es plötzlich nicht mehr darum, diese Kriterien zu erfüllen, sondern es hat gereicht, wenn man irgendwo in der Nähe – oder auch nicht in der Nähe – dieser Kriterien war.

Es ist jetzt nicht die Frage, ob das positiv oder negativ ist, Herr Kollege Schennach, es ist die Frage, wie das von der Bevölkerung aufgefasst wird, wenn sie erlebt: Die Euro­päische Union gibt Vorgaben, die dann nicht eingehalten werden. Genau das ist der springende Punkt! Wenn man sich eine Latte legt und sagt: Da muss man drüber!, aber es dann auch reicht, das Limit erfüllt zu haben, wenn man die Latte gerissen hat oder unten durchgesprungen ist, dann ist das nicht verständlich. Oft hat man das Gefühl, es hat auch gereicht, wenn man die Latte gerissen hat, und trotzdem darf man die nächste Höhe probieren. Im Sport ist das ein ungültiger Versuch; wenn man drei ungül­tige Versuche hat, dann muss man ausscheiden.

Natürlich ist es unser aller Ziel, dass Bulgarien und Rumänien Mitglieder der Europäi­schen Union werden. Ich glaube, dass sich diese beiden Länder jetzt in einer sehr wichtigen Phase des Beitrittsprozesses befinden: Jetzt geht es vor allem darum, dass beide Länder – das ist wichtig, und dafür brauchen diese Länder unsere ganze Unter­stützung, auch die Unterstützung der Europäischen Union – die verbleibende Zeit bis


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 74

zum nächsten Monitoring-Bericht der Kommission, der übrigens am 17. Mai erfolgen wird, produktiv dazu nützen, um tatsächlich am 1. Jänner 2007 beitrittsreif zu sein.

In jenen Monitoring-Berichten hiezu, die wir bereits kennen, wird festgehalten, dass ein Beitritt zum Termin Jänner 2007 möglich, jedoch da noch einiges zu erledigen sei. Die EU-Kommission überlegt ja auch bereits, eine Verschiebung des Beitritts für ein Land, ja eventuell für beide, zu empfehlen.

Deshalb wird es notwendig sein, dass erstens einmal die Beitrittskandidaten alle Be­mühungen unternehmen, um die hiefür notwendigen Kriterien zu erfüllen – und dass es zweitens eine massive Unterstützung durch die Länder der Europäischen Union für diese beiden Länder gibt.

Ich betone nochmals: Es ist unser gemeinsames Interesse, dass beide Länder zum Termin Jänner 2007 der EU beitreten, wir unterstützen das in jeder Hinsicht, und wir sollten natürlich auch darüber nachdenken, was eine allfällige Beitrittsverschiebung alles auslösen könnte. – Die Auswirkungen wären sicherlich für die Europäische Union insgesamt äußerst bedenklich, sollte es überhaupt so weit kommen.

Deshalb ist es notwendig, dass wir alles tun – sowohl in den Beitrittskandidaten-Ländern als auch in den Mitgliedsländern –, um das gewünschte Ziel zu erreichen, nämlich einen Beitritt zu dem geplanten Termin Jänner 2007. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.12


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.12.54

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Unter Punkt 6 der heutigen Tagesordnung gilt es, die Ermächtigung zur Ratifikation der EU-Beitrittsverträge für die Länder Rumänien und Bulgarien zu behan­deln.

Eine kleine Vorgeschichte: Am 15. Februar 2000 wurden die Beitrittsverhandlungen mit Rumänien und Bulgarien eröffnet. Im Juni 2004, und zwar in Dublin, hat der Euro­päische Rat einer grundsätzlichen Aufnahme beider Staaten zugestimmt – jedoch mit der Auflage, dass eine Aufnahme nur mit weiteren Anstrengungen Rumäniens und Bul­gariens möglich sein wird. Ich bin davon überzeugt, dass sich diese beiden Länder sehr bemüht haben, diese Zwischenzeit sozusagen dazu zu nützen, tatsächlich in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen werden zu können.

Die Zielsetzung ist ein EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens mit 1. Jänner 2007. Bul­garien und Rumänien haben bereits am 27. Mai 2005 die Ratifikationsurkunde hinter­legt.

Der Beitrittsvertrag sieht den 1. Jänner 2007 als Beitrittsdatum vor. Herr Staatssekretär Schweitzer hat soeben gesagt, dass es möglich sei, dass ein Beitritt eventuell erst am 1. Jänner 2008 erfolgen könne, sofern beide Länder mit seitens der EU gemachten Auflagen nicht zeitgerecht fertig werden. Eine Verschiebung ist also bis 1. Jänner 2008 möglich.

Für uns im Bundesrat steht in diesem Zusammenhang und heute lediglich die Frage der verfassungsrechtlichen Aspekte zur Diskussion. Vieles andere muss jedenfalls auch noch diskutiert werden: Auf Grund der letzten großen EU-Erweiterung von 15 auf 25 Länder gibt es noch eine Reihe von Problemen zu bewältigen. Und: Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürgern in die EU sollte gestärkt werden. Da gibt es also noch


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 75

viel zu tun! Vor allem mangelt es meiner Meinung nach sehr an der Information sozu­sagen bis zum letzten Glied im Staate, nämlich bis zur Familie. Diesbezüglich gibt es wirklich noch einiges zu tun.

Vieles ist jedoch in der großen Gemeinschaft der 25 bereits geschehen: 450 Millionen Menschen wollen für immer Frieden; die Europäische Union stellt die größte Wirt­schaftskraft der Welt dar. Hinweisen darf ich in diesem Zusammenhang auch auf Fol­gendes: einheitliche Währung, freie Niederlassung, Anpassung der sozialen Leistun­gen, friedenssichernde Maßnahmen und noch vieles andere mehr.

Sehr geehrte Damen und Herren, viel hat jedoch noch zu geschehen, ich nenne nur: Arbeitsmarktproblematik, Vertrauen aufbauen – auch in Bezug auf Religionen –, recht­liche Mitgestaltung, soziale Absicherung, Minderheitenrechte, Menschenrechtsstan­dards, verfassungsmäßige Sicherheit, finanzielle Ausgewogenheit, Absicherung der ländlichen Regionen und so weiter und so fort.

Viele Menschen sind noch abwartend, aber: Die Menschen in Rumänien und Bulgarien sollen es auch einmal besser haben. Wir sollten diesen Ländern, diesen jungen Demo­kratien helfen. Partnerschaften zu diesen Ländern – im wirtschaftlichen Bereich, aber auch in Belangen, die die Jugend betreffen – bestehen ja bereits; das funktioniert sehr gut.

Meinen Damen und Herren! Ich persönlich bin ein überzeugter Europäer, auch als Ver­treter einer Gemeinde – der 35. Europa-Gemeinde übrigens –, nämlich der Marktge­meinde Gurk. Wir haben jährlich 250 000 Besucher, die unter anderem den weltbe­rühmten Dom zu Gurk besuchen. Mit Stolz nennen wir unsere Marktgemeinde Gurk „Stätte europäischer Begegnung“.

Hohes Haus! Rumänien hat 22 Millionen Einwohner; die Fläche ist viermal so groß wie die Österreichs. Bulgarien hat acht Millionen Menschen; die Fläche ist gleich groß wie die Österreichs. Ein Beitritt dieser beiden Länder zur EU erfordert daher auch von Ös­terreich eine große Anstrengung, aber: Wir können es schaffen, wir haben die Kraft dazu!

Vielleicht gibt es hiezu keine allzu große Euphorie bei den Österreicherinnen und Ös­terreichern, aber wir sollten unsere Bürgerinnen und Bürger von der Wichtigkeit dieses Schrittes überzeugen, denn 60 Jahre nach dem fürchterlichen Zweiten Weltkrieg müs­sen wir für einen dauerhaften Frieden immer und immer wieder eintreten. – Ich danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Ko­necny. – Bitte.

 


13.18.11

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich kann mich vielen Argumenten, die in dieser Debatte bereits geäußert wurden, anschlie­ßen. Auf der einen Seite kann eine solche Debatte – ich habe nicht diese Absicht – Anlass dazu sein, die Befindlichkeit der und in der Europäischen Union zu debattieren. Wir alle wissen – und wir spüren es auch in unserer täglichen politischen Arbeit –, dass es ein hohes Maß an Skepsis unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt, und wir tun uns manchmal gar nicht leicht, den Argumenten – auch wenn sie vordergründig und plakativ sind –, die Menschen verwenden, eine sachgerechte Antwort entgegenzuset­zen, weil es keine Frage ist, dass sich die Europäische Union in einer krisenhaften Situation befindet.

Die Tatsache, dass wir mit einem Entscheidungssystem, das auf eine viel geringere Zahl an Mitgliedstaaten ausgerichtet war, in der Union leben müssen, ist ein ganz zent-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 76

rales Manko. Was bei 25 evidenterweise nicht funktioniert, wird mit 27 auch nicht bes­ser funktionieren – ganz im Gegenteil! –, und es ist eine vorrangige Aufgabe, da zu einer neuen Struktur zu finden, von der auch klar ist, dass sie nicht in mehr Veto ma­chen soll, sondern nur in mehr Vergemeinschaftung bestehen kann.

Wenn man 25 oder 27 – wie viele auch immer – nationale Standpunkte unter einen Hut bringen will, dann ist das im Wege eines Kompromisses, der in der 9er-EU relativ pro­blemlos funktioniert hat, nicht wirklich vorstellbar. Auch wenn wir, wie jeder andere Mit­gliedstaat auch, mit nationalen Standpunkten dann gelegentlich in der Minderheit blei­ben werden, ist eine Ausweitung des Bereiches der Mehrheitsentscheidungen unab­dingbar.

Inwieweit – und das ist eine politische Forderung, die in vager und nicht präzisierter Form von vielen vertreten wird – das ein Gegengeschäft werden kann, bei welchem mehr Mehrheitsentscheidungen in der Union mit der Rückgabe gewisser Kompetenzen an die Nationalstaaten ausgeglichen werden können, ist eine gute und im Detail zu de­battierende Frage, nämlich, inwieweit das auch durch eine Selbstbeschränkung erfol­gen könnte.

Der krankhafte Regelungszwang von Bürokratien ist kein Brüsseler Phänomen, son­dern zeichnet österreichische Ministerien genauso aus wie Landesverwaltungen – und wie eben Brüssel auch. Das ist eine systemimmanente Erscheinung, aber sie ist natür­lich dann besonders schmerzlich, wenn sie auf einer für die Menschen schwer nach­vollziehbaren Ebene auftritt und von einer weit weg gelagerten Entscheidungsebene kommt, der man mit Recht sagen kann, dass man ihr eine Sensibilität für bestimmte nationale Besonderheiten – ob sie sinnhaft sind oder nicht, sei hier dahingestellt, aber sie sind ein Stück unserer Identität – nicht unbedingt unterstellen kann.

Es ist aber auch klar, dass Staaten – in diesem Fall diese ganz konkreten zwei Staa­ten –, mit denen Beitrittsverhandlungen geführt und abgeschlossen wurden, nicht mit dem Hinweis darauf, dass das Gebäude, in welchem sie Zimmer beziehen sollen, noch nicht ganz fertig und austapeziert ist, wie wir uns das vorstellen, vor der Tür stehen gelassen werden sollen.

Als der Prozess der Osterweiterung eingeleitet war, haben die zehn neuen Mitglieder und eben diese beiden Staaten um den EU-Beitritt angesucht, und es wurden mit ihnen Verhandlungen aufgenommen.

Auch wenn es nicht vollinhaltlich das „Regatta-Modell“ geworden ist, von dem viele ge­sprochen haben, hat sich doch gezeigt, dass mit zehn der Beitrittswerber rascher der gemeinsame Standard, die Umsetzung des Acquis-Communautaire erreicht werden konnte – und dass es mit diesen beiden Staaten länger dauern würde. Daher sind eben zehn Staaten längst Mitglied der Union, während für diese beiden der 1. Jän­ner 2007 anvisiert ist, mit der Möglichkeit, das auch ein Jahr später zu tun.

Keine Frage: Es hängt in erster Linie von diesen beiden Staaten – das heißt konkret, von der Politik in diesen beiden Staaten – ab, ob bis zum in Aussicht genommenen Beitrittstermin die Bedingungen, die Standards erreicht werden.

Ich kenne beide Länder recht gut und auch eine Reihe der im entsprechenden Feld agierenden Politiker, und ich kann aus eigener Erfahrung beides bestätigen: das ener­gische und konzise Bemühen der Regierungen, diese Standards zu erreichen – eben­so aber die Mängel, die es gibt.

Die Europäische Kommission wird uns im Frühjahr einen Bericht vorlegen, in welchem sie ihre Bewertung vornimmt. Das ist ein wichtiger Hinweis, aber es ist nicht die Bibel. Wir werden trotzdem um unser eigenes Urteil gefragt werden. Wir werden uns dann,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 77

wenn wir tatsächlich über den Beitritt abzustimmen haben werden – heute legen wir ja nur den Rahmen fest –, zu entscheiden haben.

Ich möchte das nicht voreilig in der einen oder anderen Richtung beantworten, aber es ist klar, dass der Prozess des Aufholens, die Anstrengungen, die unternommen wer­den, mit viel Sympathie begleitet werden sollten. Wenn ich mir die Reaktion namhafter österreichischer Wirtschaftszweige und ihr Investitionsverhalten in diesen beiden Staa­ten in Erinnerung rufe, dann gehe ich davon aus, dass diese nach gründlicher Ein­schätzung der Situation ein positives Urteil gefällt haben, denn wenn es an Rechts­staatlichkeit, an wirtschaftlicher Sicherheit und an all den anderen Faktoren, die für Wirtschaftsunternehmen maßgeblich sind, mangeln würde, dann würden nicht große österreichische Energieunternehmen und große österreichische Banken dort in diesem Ausmaß investieren.

Wir geben aus großer Überzeugung der heutigen Vorlage unsere Zustimmung. Sie ist eine Grundlage für eine weitere Entscheidung, die wir zu treffen haben werden. Ich will meine Sympathie auch für die nächste Entscheidung nicht verhehlen, auch wenn ich mit Interesse – aber, wie gesagt, nicht im Sinne eines Urteilsspruches – auf den Be­richt der Kommission warte.

Europa ist im Wachsen, es hat seine Wachstumsschmerzen, was ja auch bei Kindern passieren soll, aber diese beiden neuen Mitglieder, wenn sie es denn werden, sind eine Bereicherung: Es sind Staaten einer unbestreitbar europäischen Identität in ihrer Geschichte.

Es ist zu früh, einen Willkommensgruß auszusprechen, aber es ist durchaus an der Zeit, die Hoffnung auszusprechen, dass wir uns im gemeinsamen Europa finden wer­den. (Allgemeiner Beifall.)

13.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der gegenständlichen Beschluss bedarf gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustim­mung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 78

13.28.157. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kol­legen betreffend einheitliches Verpflegungsgeld für Zivildiener (147/A (E)-BR/2005 sowie 7469/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Preiner. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


13.28.33

Berichterstatter Erwin Preiner: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entschließungsantrag der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend einheitliches Verpflegungsgeld für Zivildiener.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den Antrag in seiner Sitzung vom 7. Februar 2006 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Annahme des gegenständlichen Entschließungsantrages zu empfehlen, der wie folgt lautet:

Die für den Vollzug des Zivildienstgesetzes zuständige Innenministerin wird aufgefor­dert, umgehend Maßnahmen einzuleiten, um nach Absprache mit sämtlichen Träger­organisationen, den politischen Parteien sowie der Zivildienervertretung (Plattform für Zivildiener) ein Kostenteilungsmodell einzuführen, das jedem Zivildienstleistenden ein einheitliches Verpflegsgeld von 13,60 € pro Tag garantiert und für die Zivildiensteinrich­tungen keinen unzumutbaren Mehraufwand bedeutet.

Die Innenministerin wird weiters aufgefordert, sämtliche, notwendigen Maßnahmen in die Wege zu leiten, um raschest die laut VfGH-Urteil den Zivildienstleistenden der Jah­re 2001 bis 2005 vorenthaltenen Verpflegsgelder zu refundieren.

Als Berichterstatter stelle ich namens des Ausschusses für innere Angelegenheiten den Antrag, der Bundesrat wolle diese Entschließung annehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Baier. – Bitte.

 


13.30.35

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt ein Entschließungsantrag vor, der im Ausschuss mit Stimmenmehrheit beschlossen wurde – und zu diesem möchte ich jetzt eingangs als Kontraredner Stellung nehmen.

Die Österreichische Volkspartei ist nicht so sehr deswegen dagegen, weil man dem nicht durchaus inhaltlich zustimmen könnte, sondern vielmehr deswegen, weil dieser Entschließungsantrag aus unserer Sicht überholt ist.

Warum ist dieser Antrag überholt? – Deswegen, weil er zum einen am 21. Dezember eingebracht wurde, was aber noch nichts aussagt, und zum anderen im Zusam­menhang mit der Einigung vom 2. Februar, die das Innenministerium beziehungsweise vielmehr die Innenministerin als zuständige Ministerin für den Zivildienst mit den Trä­gerorganisationen hat erreichen können, dieser Entschließungsantrag ... (Bundesrat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 79

Wiesenegg: Mit wem?) Reden Sie ruhig lauter, dann kann ich auf Ihren Zwischenruf auch reagieren! (Bundesrat Wiesenegg: Mit welchen Trägerorganisationen?)

Mit welchen Trägerorganisationen? – In Ihrem Entschließungsantrag steht „mit sämt­lichen Trägerorganisationen“.  (Bundesrat Wiesenegg: Eben!) Jetzt frage ich Sie, ob Sie das wirklich ernst gemeint haben. (Bundesrat Wiesenegg: Sehr ernst!) Ich be­haupte, dass es nicht so ist, denn wenn Sie an einer Lösung interessiert sind, dann können Sie doch nicht ernsthaft erwarten, dass man mit sämtlichen Zivildienstträgeror­ganisationen eine Einigung sucht, denn das würde ja Jahre in Anspruch nehmen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Wie viele Trägerorganisationen gibt es denn überhaupt? Haben Sie sich da kundig ge­macht? (Bundesrat Wiesenegg: Selbstverständlich!) Da bin ich aber schon sehr ge­spannt auf die Zahlen, die Sie uns hier mitteilen werden. (Bundesrat Wiesenegg: So­wieso!) Ich selbst bin Obmann einer Organisation, die auch Zivildiener beschäftigt. Wir haben zwei Zuweisungsplätze, und das würde auch bedeuten, dass man auch mit uns Verhandlungen aufnimmt. Ich bin natürlich immer verhandlungsbereit.

Wenn es Ihnen um die Sache geht, dann müssen Sie erkennen, dass da natürlich zu­erst das Innenministerium beziehungsweise die Innenministerin mit den wesentlichen, großen Trägerorganisationen Verhandlungen führen muss, denn sonst geht das ja erst wieder zu Lasten der Zivildiener. Vergessen Sie nicht: Wir vertreten in erster Linie die Zivildiener beziehungsweise ich stehe hier hauptsächlich als Vertreter der Zivildiener – und nicht als Vertreter der Trägerorganisationen. (Oho-Ruf des Bundesrates Wiesen­egg. – Bundesrat Konecny: Schön! Mit welcher Legitimation?) Wenn Ihnen das nur ein „schön“ abnötigt, Herr Kollege Konecny, dann darf ich Ihnen sagen: Mir sind die Zivildiener wichtiger als die Trägerorganisationen, weil ich ein Jugendvertreter bin! (Beifall bei der ÖVP.)

Das dürfte bei Ihnen anders der Fall sein. – Sollten Sie also tatsächlich an einer Lö­sung interessiert sein, dann sollten Sie sich nicht an das Wort „sämtliche“ klammern.

Zurück zu meinem Ausgangsgedanken: Dieser Entschließungsantrag ist für uns mit der Einigung mit den Trägerorganisationen am 2. Februar eigentlich obsolet geworden. Mit dem entsprechenden Kostenteilungsmodell, dem auch die Organisationen zuge­stimmt haben, ist für uns der Weg frei für eine Gesetzesvorlage. Wie Sie wissen, wird die nächste Sitzung des Innenausschusses am 22. Februar stattfinden, und da soll es schon zu einem Gesetzesvorschlag kommen.

Das heißt, wir sehen es nicht als notwendig an beziehungsweise glauben vielmehr, dass eine Beschlussfassung dieses Entschließungsantrages nicht notwendig ist, weil das ungefähr so wäre, als ob man Wasser in die Donau tragen würde. (Bundesrat Ko­necny: Wenn Niedrigwasser ist, kann man es ganz gut brauchen!) Wir glauben, dass wird das nicht noch einmal brauchen.

Ich habe den Eindruck, na gut, Sie haben da einen Antrag, der im Übrigen wortgleich im Nationalrat eingebracht wurde, und jetzt ... (Bundesrat Konecny: Na selbstver­ständlich! Wir reden mit einer Zunge!) Dass Sie mit einer Zunge reden, wundert mich, denn Sie haben hier in diesem Hause ein anderes Abstimmungsverhalten als im Natio­nalrat. Das ist ja gerade dann nicht eine Zunge, aber bitte. (Bundesrätin Bachner: Nicht immer und nicht überall!)

Ich habe mehr den Eindruck, Sie handeln nach dem Motto: Na gut, jetzt haben wir schon einen Antrag eingebracht und jetzt wollen wir ihn durchdrücken! – Ob das sinn­voll ist oder nicht, sei dahingestellt.

Wir können jedenfalls, meine Damen und Herren, diesem Antrag nicht zustimmen, weil er schon erfüllt ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ: Wo?) Sie werden verstehen, dass


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 80

es keinen Sinn macht, dem, was Sie in diesem Antrag fordern, zuzustimmen, wenn es schon erfüllt ist. Es würde diesem Haus auch kein gutes Zeugnis ausstellen, würde es das noch einmal beschließen, so im Nachhang beziehungsweise nach dem Motto: Wir haben’s im Übrigen ohnehin schon gewusst! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

13.36


Präsidentin Sissy Roth-Halvax (den Vorsitz übernehmend): Zu Wort gemeldet hat sich als Nächster Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich erteile es ihm.

 


13.36.24

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Ich hätte gerne gesagt, geschätzte Frau Innenminister in dieser wichtigen Sache! Hohes Haus! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich wissen Sie – auch Sie, Herr Kol­lege Baier –, dass ich in diesem Hause bekannt bin für eine sachliche Auseinander­setzung; so ist es auch bei dieser sehr wichtigen Materie.

Geschätzte Damen und Herren! Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ-Frak­tion haben gemeinsam mit mir diesen Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag betref­fend einheitliches Verpflegungsgeld für Zivildiener eingebracht, weil zum einen eine klare Begründung und Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof vorliegt und weil es zum anderen für uns – und für mich im Besonderen; ich komme darauf als Bür­germeister und Mitglied dieses Hauses noch zu sprechen – klar ist, dass die Zivildiener eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe erfüllen, von der wir allesamt profitieren, was Sie genauso gut wie ich wissen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Jugendliche, die sich aus Überzeugung oder weshalb auch immer dem Zivildienst stel­len, verdienen unseren Respekt, unsere Hochachtung und unsere Hilfestellung. Daher, meine geschätzten Damen und Herren, hat die Politik und somit auch der Bund die Möglichkeit der Ableistung des Zivildienstes geschaffen.

Dieser Entschließungsantrag stellt einen wesentlichen Teil dieser Hilfestellung und An­erkennung seitens der Politik und von mir als Bundesratsmitglied gegenüber den Zivil­dienstleistenden dar. Umso mehr bin ich schon ein wenig verwundert, dass es die Dis­kussion darüber gibt, dass das festgelegte Verpflegungsgeld durch den Verfassungs­gerichtshof von 13,60 € nun auch im Zusammenhang mit den Trägerorganisationen als den zusätzlichen finanziellen Leistungserbringern beurteilt und gesehen wird. Ich bin aber noch mehr darüber verwundert, dass der Bund, der in Gesetzgebung und Voll­ziehung für den Zivildienst zuständig ist – und Sie wissen das besser als ich –, diese seine Aufgabe offensichtlich nicht mehr zufriedenstellend erfüllt.

Nun zu Ihnen, Herr Kollege Baier: Dieser Gesetzesantrag wäre im Parlament nicht not­wendig gewesen, hätte es eine Entschließung vom 7. Juli 2005 gegeben mit dem Wort­laut: Die Bundesministerin für Inneres wird ersucht, unter Berücksichtigung der Judi­katur des Verfassungsgerichtshofes – und das ist der wesentliche Punkt! (Bundesrat Mag. Baier: Die Judikatur ist zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorgelegen!) – die notwen­digen Schritte zur Präzisierung einer Mindesthöhe eines angemessenen Verpflegungs­geldes für Zivildienstleistende einzuleiten.

Dies wäre eine wesentliche Grundlage für das Handeln der Regierungsparteien im Par­lament gewesen. (Bundesrat Mag. Baier: Die Judikatur ist zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorgelegen!)

Wenn Sie jemand sind, der einer Trägerorganisation vorsteht, wissen Sie, dass wir alle als Trägerorganisationen einen wesentlichen Beitrag für die Leistungen der Zivildiener heute leisten und auch schon in der Vergangenheit geleistet haben. (Neuerlicher Zwi-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 81

schenruf des Bundesrates Mag. Baier.– Ich erkläre es Ihnen! – Es ist geradezu ein Schlag ins Gesicht, wenn man hier dieses wichtige gesellschaftspolitische Thema so behandelt wie Sie. (Bundesrat Mag. Baier: Das steht im Antrag nicht drinnen!)

Hohes Haus! Meine geschätzten Damen und Herren! Die beiden neuen Verordnungen vom 13. Jänner 2006 und vom 2. Feber 2006 erhöhen ohnehin die früher geleisteten Beträge für Trägerorganisationen exorbitant. Und ich füge hinzu: So bezahlen wir als Trägerorganisationen je Zivildiensttätigem monatlich für die Sozialversicherung 77,60 €. Die Grundvergütung pro Zivildiener beträgt statt 218 € nun monatlich 262,90 €. Auch die Abgeltung an den Bund ist erhöht worden und beträgt 150 €. Zu­sätzlich wird verfügt, dass in Hinkunft für die freiwillige Naturalversorgung 13,60 € zu bezahlen sind. – Bisher haben wir als Träger je Zivildiener für jeden freien Tag 6,54 € bezahlt, was ohnehin weit über dem zuerst vorgegebenen Betrag von 3,40 € liegt.

Geschätzte Damen und Herren! Allein diese Tatsachen zeigen, dass wir als Träger­organisationen ohnehin in dieser Sache der Zivildienstleistenden gefordert sind. Unter der nun bestehenden Regierung aus ÖVP und BZÖ ist es jedoch zum Markenzeichen geworden – das können wir alle in den Ländern und in den Gemeinden nachvollziehen; und das muss man auch wissen –, dass immer mehr Leistungen des Bundes auf die Ebene der Länder und der Gemeinden und hier im speziellen Fall auf die jeweiligen Trägerorganisationen – daher wundere ich mich über Ihre Ausführungen – „herunter­gebrochen“ werden. Dies ist ein Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen, der von uns als politisch Verantwortliche – egal, welcher Fraktion; das halte ich hier fest – so nicht hingenommen werden kann und darf. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Als Bürgermeister und als Verantwortlicher – das sage ich Ihnen auch – einer großen Trägerorganisation kann ich nur an diese Regierung appellieren, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und meinem Entschließungsantrag Folge zu leisten und der gesetzlich auferlegten Pflicht einer Bundesregierung nachzukommen.

Meine Damen und Herren! Ich sehe aber auch – und jetzt komme ich zu einem we­sentlichen Punkt –, dass die jetzige Bundesregierung ihre Fehlinterpretation, so wie Sie sie auch heute hier im Hohen Hause geschildert haben, einsieht, dass es jedoch keine Gesprächsbasis zum Beispiel zu einer der größten Trägerorganisationen, der „Platt­form Zivildienst“, gibt. (Bundesrat Mag. Baier: Was ist das für eine Trägerorganisa­tion?) Das wurde auch heute mehrmals hier in diesem Hause bestätigt. (Bundesrat Mag. Baier: Das ist ja keine Trägerorganisation! – Bundesrat Mayer: Das ist eine Inter­essenvertretung und keine Trägerorganisation!)

Geschätzter Herr Bundesrat, ich stelle daher fest – und das mit aller Deutlichkeit! –, dass hier keine Einigung der Vertreter eingeleitet ist. (Bundesrat Mag. Baier: Das ist keine Trägerorganisation!)

Meine geschätzten Damen und Herren, somit ist es nun der Entschließungsantrag der Sozialdemokraten, der 10 400 Zivildienenden zu ihrem Recht verhelfen wird. Ich den­ke, wir alle, insbesondere Sie von der Österreichischen Volkspartei, geschätzte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind gut beraten, heute diesem Entschlie­ßungsantrag die Zustimmung zu geben, ihn zu unterstützen, um hier eine endgültige gemeinsame Regelung für unsere Zivildiener zu erreichen. – Ich danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.44


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile es ihr.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 82

13.44.20

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich sagt einem allein ja schon der Hausverstand, dass man mit 6 € am Tag, wie dies bei den großen Trägern üblich war, nicht satt werden kann.

Ich habe vor kurzem ein ganz billiges Lokal am Naschmarkt gefunden; ein Mittagessen um 4 €. Da blieben dann 2 € übrig – das wäre vielleicht ein Kaffee aus einem Automa­ten und vielleicht noch eine belegte Semmel, also nicht unbedingt ausreichend, um sich einen ganzen Tag lang zu verpflegen.

Sie werden jetzt sagen, dass wir diesbezüglich ohnehin einer Meinung sind, dass ganz klar ist, dass das nicht reicht, aber trotzdem hat es den Verfassungsgerichtshof ge­braucht, um festzustellen, dass mehr als das Doppelte, nämlich 13,6 €, als Verpfle­gungsgeld auszuzahlen sind.

Bei der bisherigen Regelung war es im Prinzip so, dass der Zivildienst zu einer Art „ide­alistischer Luxuszeit“ geworden ist, die man sich selbst leisten können muss oder die sich die Eltern leisten können müssen. – Das war jedoch nicht Sinn der Sache! Man kann also sagen, es ist höchst an der Zeit für eine Änderung, und ich bin sehr froh dar­über, dass der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung getroffen hat.

Es ist eine österreichische Eigenheit, dass eine vom Verfassungsgerichtshof getroffene Entscheidung nicht, wie man das eigentlich erwarten würde, zur Folge hat, dass dieser Mangel sofort behoben und die Situation sofort bereinigt wird. Das kennen wir ja auch aus anderen Zusammenhängen.

Auch in diesem Fall sieht es also fast wieder so aus, als würde diese Frage ver­schleppt, diskutiert und mit – nicht den Tatsachen entsprechenden – Meldungen in die Länge gezogen. Und zumindest nach dem, was ich an Pressemeldungen zu diesem Thema durchgesehen habe, muss ich sagen: Der Einigung von Anfang Februar, die Sie erwähnt haben, dieser Meinung konnten sich offenbar nicht alle Trägerorganisatio­nen anschließen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie sagen jetzt, dass das nicht geht – versuchen sollte man es schon, so unbedeutend, glaube ich, waren diese ... (Bundesrat Mag. Baier: Sie wollen eine rasche Lösung, und Sie wollen eine Lösung mit allen Trägerorganisationen!) – Sie wollen offenbar eine Lö­sung, wie sie jetzt gemacht werden soll, die dann aber auch nicht hält, weil nicht alle mitziehen, und das hat dann den gleichen Effekt. Sinnvoller wäre es, dass man vorher mit den Leuten redet. Aber dieses Problem von Ihrer Seite her haben wir in sehr vielen Fällen.

Dass Zivildiener einen sehr wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten, brauche ich, glaube ich, hier nicht extra auszuführen. Ich hoffe, dass beim Großteil hier im Saal diesbezüglich Einigkeit besteht. Es gibt jedenfalls eine ganze Reihe von Organisatio­nen, die ihre Arbeit nicht fortführen könnten, wenn es nicht die Arbeit von Zivildienern gäbe. Und abgesehen vom sozialen Bereich machen Zivildiener, zum Beispiel Juristen, juristische Beratung, leisten in Ausländerberatungseinrichtungen und so weiter Arbeit. Diese Arbeit und damit der Zivildienst darf, wie gesagt, kein idealistischer Luxus sein, den man sich einmal gönnt, weil man jung ist und Ideale hat, sondern das muss auch etwas sein, was einem finanziell nicht unbedingt zum Nachteil gereicht.

Es ist schon auffällig, dass in eigentlich allen Regelungen, die den Zivildienst und den Grundwehrdienst betreffen, die Zivildiener schlechter gestellt sind als die Grundwehr­diener. Zum Beispiel bei der Dauer – das ist ein ganz klarer Fall –: Die Dauer des Zivil­dienstes ist länger als der Dienst an der Waffe, wie es so schön heißt. Ich kann hinter dieser Regelung nur einen ideologischen Hintergrund sehen: Da wird eine Wertung vorgenommen, nämlich dass der Zivildienst – so wichtig er ist – von der Regierung viel-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 83

leicht doch als nicht ganz so wichtig und nicht ganz so anstrengend angesehen wird und dass er deshalb doch ein bisschen länger dauern darf.

Dieser Meinung bin ich nicht, und ich glaube, dieser ideologischen Wertung wurde auch, was die Frage des Verpflegungsgeldes betrifft, vom Verfassungsgerichtshof eine klare Abfuhr erteilt.

Uns ist es ein Anliegen, dass das Verpflegungsgeld endlich, und zwar schnell und auch so, dass es hält, also abgesprochen mit denen, die es dann auch umsetzen müssen, ausgezahlt wird. Natürlich betrifft das auch die Refundierung. Selbstverständlich muss sichergestellt sein, dass die vorenthaltenen Verpflegungsgelder der Jahre 2001 bis 2005 zurückgezahlt werden und diese Menschen auch nachträglich noch zu ihrem Recht kommen.

Uns liegt etwas an einer raschen Lösung – wir sind gegen ein Herumschieben der Ver­antwortung, wie dies jetzt eventuell wieder passieren wird.

In diesem Sinne wird die grüne Fraktion diesem Antrag die Zustimmung erteilen. (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.48


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Ein­wallner. Ich erteile es ihm.

 


13.49.00

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Man sieht an den letzten Debatten­beiträgen, dass es durchaus noch viele Unklarheiten gibt (Bundesrat Dr. Kühnel: Für Sie! Für uns ist alles klar! – Bundesrat Konecny – in Richtung ÖVP –: Für Sie waren die 6 € auch klar!), daher ist unser Entschließungsantrag nach wie vor absolut berech­tigt und nach wie vor aktuell, weil es noch nichts Konkretes gibt. (Neuerlicher Ruf des Bundesrates Konecny in Richtung ÖVP.)

Herr Kollege Baier, Sie stellen sich hier heraus und sagen, dass es Ihnen um die Zivil­diener geht. Am Dienstag haben Sie im Ausschuss gesagt: Das ist ja alles kalter Kaffee, das interessiert uns überhaupt nicht mehr, vertagen wir es doch, das brauchen wir alles nicht! – Das ist die Meinung der ÖVP zu diesem Thema! Da haben wir eine andere Meinung, Herr Baier! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Stad­ler: Die Junge ÖVP und Österreich!)

Uns geht es darum, den Menschen, die Zivildienst leisten, die entsprechende Wert­schätzung entgegenzubringen. Und das fehlt bei der Österreichischen Volkspartei ganz offensichtlich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bravoruf des Bundesrates Ko­necny. – Bundesrat Bieringer: Das ist etwas, was Sie nicht verstehen, glaube ich!)

Die Bundesregierung, Herr Bieringer, und im Speziellen die ÖVP-Innenminister (Bun­desrat Bieringer: Sie reden von etwas, was Sie nicht verstehen!) sind dafür verant­wortlich, dass es dieses grausame Schauspiel um das Verpflegungsgeld der Zivildiener gibt! So schaut’s aus! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Bieringer: Na geh!)

Die Opfer sind leider die Zivildiener – und das kann es nicht sein! Wenn ich jetzt höre, dass es den einen oder anderen Fortschritt gäbe, muss ich sagen: Leider gibt es – dies wurde von Kollegem Wiesenegg schon angesprochen – keine Gesprächsbasis mit der größten Interessenvertretung der Zivildiener in unserem Lande. (Bundesrat Bieringer: Wer ist denn das?) Die „Plattform für Zivildiener“. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 84

Leider gibt es auch noch keine vernünftige Regelung betreffend die Gelder, die den Zivildienstleistenden der Jahre 2001 bis 2005 refundiert werden sollen, wie dies ge­schehen soll. Und selbst wenn es eine solche gäbe, müsste ich fragen: Wo ist denn die Frau Innenminister? Dann sollte Sie doch hier sein und uns die Lösung präsentieren! Aber sie ist nicht hier – es gibt offensichtlich doch noch keine Einigung, sonst wäre die Frau Innenminister hier, wenn ihr das Thema wirklich wichtig wäre. Die Regierungs­bank ist jedoch leer, meine Damen und Herren; daraus schließen wir, dass es noch keine vernünftige Lösung dieser Frage gibt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es gibt also noch keine Lösung zum Thema Zivildiener. Uns Sozialdemokraten geht es darum, rasch eine Lösung zu finden (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer) und den Zivildienern jene Wertschätzung entgegenzubringen, die sie für ihre Leistungen verdie­nen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.52


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Noch einmal zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Mag. Baier. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Konecny – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Mag. Baier –: Erklärungsaufwand?)

 


13.52.40

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Kollege Konecny, ich bin nicht der Einzige in diesem Haus, der sich mehrmals zu Wort meldet. Wenn es in Zukunft dann immer heißt, dass man in einem solchen Fall „Erklärungsaufwand“ habe, dann werden wir uns das sehr genau anschauen und anhören.

Zu zwei, drei Aspekten möchte ich noch etwas sagen: Natürlich geht es um eine ra­sche Lösung. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes liegt seit November vor. Nun gibt es eine Einigung mit den Trägerorganisationen entsprechend dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, und daher frage ich: Was soll da keine Lösung sein? – Ich frage Sie das allen Ernstes. (Bundesrat Gruber: Kollege, haben Sie die Lösung mit? – Bundesrat Konecny: Sie brauchen den Verfassungsgerichtshof, um festzustel­len, dass man von 6 € nicht leben kann!) Ich habe eher den Eindruck, dass Sie sich an diesem Problem festklammern wollen. (Bundesrat Konecny: Ungeheuerlich!) Lassen Sie los! Sie wollen nur das Problem behalten, vor sich hertragen und sagen: Hauptsa­che, ich habe ein Problem, damit ich mich auch weiterhin beschweren kann! – Schau­en Sie doch der Realität in die Augen, da gibt es eine Einigung! (Bundesrat Gruber: Dann geben Sie sie uns!) Hören Sie auf, hier zu polemisieren! Das ist eine unsachliche Art und Weise, die ihresgleichen sucht. (Bundesrat Gruber: Sagen Sie uns die Lösung! Geben Sie sie uns!)

Sie brauchen nur die Zeitungen der letzten Tage zu lesen, dort steht es drinnen! (Rufe bei der SPÖ: Wo?) Sie wissen ohnehin immer ganz genau, was in den Zeitungen steht (Bundesrat Gruber: Wir wollen es von der Frau Innenminister wissen!), und daraus er­gibt sich ja auch Ihre politische Meinung – dies sieht man auch am heutigen Dringlich­keitsantrag wieder. (Bundesrat Konecny: Anfrage, Herr Kollege!)

Lassen Sie mich bitte Folgendes noch sagen: erstens zur Frau Kollegin Konrad. Frau Kollegin, Sie wollen eine rasche Einigung. – Die gibt es, die liegt vor (Bundesrat Ko­necny: Nein! – Rufe bei der SPÖ: Wo?): im Interesse der Zivildiener. Es gibt die Eini­gung mit den Trägerorganisationen (Ruf bei der SPÖ: Mit welchen?), dass die Zivildie­ner voll verpflegt werden müssen. Wenn sie nicht voll verpflegt werden können, ist das Verpflegungsentgelt, wie vom Verfassungsgerichtshof festgestellt, mit entsprechenden Abschlägen – diese sind zulässig; wenn Sie das Erkenntnis gelesen haben, müssten Sie das wissen – auszuzahlen. – Jetzt höre ich nicht mehr: „Wo?“ Das ist die Lösung des Ganzen! (Bundesrat Gruber: Wo haben wir sie denn?!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 85

Also nicht mehr „Wo?“ oder „Wie?“, das ist ganz einfach; dazu zwei Sätze: Die Träger­organisationen haben für die Verpflegung zu sorgen. Wenn das nicht möglich ist, ist das Verpflegungsentgelt in der Höhe, wie vom Verfassungsgerichtshof festgestellt, auszuzahlen. – Das ist die Lösung.

Ich frage Sie: Ist das so schwierig? Ist das kompliziert? Das müsste doch auch von der SPÖ verstanden werden können. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gru­ber: Wir wollen es aber schriftlich haben! Wir wollen es bestätigt haben!)

Frau Kollegin Konrad, zur Dauer: Sie widersprechen sich ja selbst. Zuerst sagen Sie: Da muss man sich mit allen Trägerorganisationen einigen, da müssen sozusagen alle an einen Tisch und da müssen alle unterschreiben. (Zwischenruf der Bundesrätin Kon­rad.) Und im zweiten Absatz (Bundesrat Stadler: Wollen Sie jemanden ausschließen? Typisch ÖVP: Ausschließen! Ausgrenzen!) sagen Sie: Und überhaupt, die Zivildiener sind soviel schlechter gestellt als die Präsenzdiener, was die Dauer betrifft.

Jetzt frage ich Sie: Wissen Sie, wer hauptsächlich dafür war, dass die neun Monate kommen? Wissen Sie, wer „Untergang!“ gerufen hat, als es um die Verkürzung gegan­gen ist und als wir Gespräche über die sechs Monate geführt haben? – Ich werde es Ihnen sagen: die Trägerorganisationen! Die Trägerorganisationen haben gesagt: Wir nehmen keinen einzigen Zivildiener mehr auf!

Jetzt frage ich Sie: Was ist Ihnen lieber, sind Ihnen die sechs Monate lieber oder ist es Ihnen lieber, dass es weiterhin einen Wehrersatzdienst gibt? Darauf möchte ich eine Antwort haben. Aber das versäumen Sie! (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Einwallner ... (Ruf bei der SPÖ: Welcher?) Der Kollege Einwallner aus Vorarl­berg (Ruf bei der SPÖ: Der Einwallner! – Bundesrat Konecny: Der einzig wahre, wirk­liche!), der ältere Einwallner. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Wie auch immer, das könnt ihr ja dann persönlich im Zwiegespräch ausmachen, was er alles ist und so weiter; er wird sich dann sicher auch dafür bedanken.

Kollege Einwallner, ich verstehe Ihre Argumentation überhaupt nicht. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Kein Wunder!) Und wenn Sie sich nur einen Moment lang mit der Materie befasst hätten, wüssten Sie, dass das, was Sie hier gesagt haben, schlichtweg Unsinn war. Ich würde Ihnen schon empfehlen, dass wir – gerade wir Jungen hier in diesem Hause – eine Argumentation pflegen, die zumindest begründet ist und auch einen Funken von Seriosität hat. – Das, was Sie heute hier geliefert haben, ist nichts anderes als übelste Kampf-Rhetorik, und dafür schäme ich mich eigentlich. (Beifall bei der ÖVP.)

13.58


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schenn­ach. Ich erteile es ihm.

 


13.58.16

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wo Kollege Baier lebt, denn sein Ausdruck „Kampf-Rhetorik“ ist etwas Interessantes. Aber ich habe das heute hier nicht als Kampf-Rhe­torik erlebt, sondern als das Ringen um Selbstverständlichkeiten.

Lieber Kollege Bieringer, ich war einer der ersten, die Zivildienst gemacht haben. Und dass ich heute auf einem Wiener Mandat sitze, hat damit etwas zu tun, nämlich dass es zu dem Zeitpunkt, zu dem ich um Zivildienst angesucht habe, einen Landeshaupt­mann namens Eduard Wallnöfer gegeben hat, der gesagt hat – so wie Haider heute –: Mir ist das Wurscht, wenn die da einen Zivildienst beschließen, in Tirol wird keine Ein­richtungsorganisation zur Verfügung gestellt! – Daraufhin musste ich meinen Zivildienst


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 86

im Osten Österreichs ableisten. Deshalb bin ich nach Wien gekommen; zuvor war ich im SOS-Kinderdorf.

Ich möchte Ihnen nur eines sagen, lieber Kollege Bieringer: Es ist nichts Unanständi­ges, Zivildiener zu sein. (Bundesrat Bieringer: Habe ich etwas gesagt?!) Das, was die Zivildiener leisten, ist ein hoher Dienst an der Gesellschaft. Auch die Trägerorganisatio­nen, Kollege Baier, leisten gewaltig viel Arbeit, die der Staat an sie ausgelagert hat! Und deshalb sind nicht diese Trägerorganisationen, die man hier darstellt, jemand, der nur ein Unmaß an Forderungen einbringt, sondern sie leisten das, was Sie immer wie­der von der zivilen Gesellschaft verlangen; der Ausdruck „Bürgergesellschaft“ wurde ja von Ihnen kreiert.

Diese Trägerorganisationen leisten ein gerüttelt Maß an sozialer, an gesundheitlicher Versorgung, die der Staat selbst gar nicht mehr machen kann. Und mit diesen müssen wir im Dialog sein.

Wenn Sie heute sagen, es gäbe eine Einigung, dann sage ich Ihnen, die „Volkshilfe“ hat schon gesagt, es gibt keine Einigung. – Jetzt sagen Sie, dass das eine „verdäch­tige Gruppe“ sei, die „Volkshilfe“ sei nämlich aus der roten Reichshälfte. Aber die Jo­hanniter – keine sozialdemokratische Vorfeldorganisation, auch keine grüne – waren die Ersten von der Blaulichtgruppe, die gesagt haben, was die Frau Bundesministerin verkündet habe, sei nicht wahr; es gibt keine Einigung.

Es musste der Verfassungsgerichtshof bemüht werden, um der ÖVP vorzurechnen, dass man von 6 € am Tag nicht leben kann. Wir haben die ganzen Jahre versucht, das der ÖVP klar zu machen.

Übrigens, Kollege Bieringer: Wer sind denn die Zivildienstorganisationen? Sie als „alter Fuchs“ aus der Kaserne wissen, dass es Soldatensprecher gibt, und die werden auch als solche akzeptiert und in alle Verhandlungen eingebunden. Das dürfen die Zivildie­ner auch, sie haben auch so eine gewählte Organisation. Mit dieser Vertretung muss sich auch ein Ministerium, eine Regierung an einen Tisch setzen – und nicht nur im Be­reich der Landesverteidigung mit den Soldatensprecherinnen und -sprecher. Und mit dieser Vertretung gibt es auch keine Einigung.

Man kann nicht, nachdem der Verfassungsgerichtshof euch von der Regierungsseite aufgezwungen hat, festzustellen, wie viel man am Tag zum Leben braucht, wenn man von 6 Uhr in der Früh bis am Abend harte Arbeit leistet, und ihr jetzt endlich begriffen habt, dass man 13,60 € dafür braucht, zur Tagesordnung übergehen, wenn zwischen 40 000 und 50 000 Fälle ungeregelt bleiben. Man sagt, man habe 100 000 € einge­spart. – Auf welchem Rücken aber habt ihr 100 000 € eingespart? Auf dem Rücken hart arbeitender Zivildiener! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt geht es darum, dass es mit der Änderung des Zivildienstgesetzes kein Herum­schwindeln gibt: wenn zum Beispiel das Ministerium sagt, wir erklären uns für die Alt­fälle zuständig, und es wird postwendend widerrufen! – Waren Sie im Ausschuss, in dem sogar der Sektionschef gesagt hat: Nein, wir sind nicht zuständig, wir haben das nicht gesagt!? Wer das gesagt hat, wisse er nicht, er ist ... (Zwischenruf des Bundes­rates Mag. Baier.) Nein, nein! Das Ministerium ist nicht zuständig, hat er gesagt. (Bun­desrat Mag. Baier: Er hat gesagt! Er hat das nicht gesagt!) Nein, er hat gesagt, er wisse nicht, wer es gesagt hat! Das Ministerium fühle sich aber nicht zuständig. Es kann erst zuständig werden – das hat er gesagt, ich habe es mitgeschrieben, ich bin des Schreibens und des Zuhörens mächtig –, wenn das Zivildienstgesetz sagt, dass es zuständig ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 87

Aber hier hat man versucht – und das ist unanständig, Herr Kollege, das muss man einmal sagen! –, von diesen 100 000 €, die auf dem Rücken der Zivildiener eingespart wurden, möglichst viel zu behalten und nicht auszahlen zu müssen, indem man gesagt hat: Machen wir doch eine ganz knappe Frist, wo sich die 45 000 Leute ...! (Bundesrat Mag. Baier: Das stimmt doch nicht! – Bundesrat Konecny: Natürlich stimmt das!) Das hat die Frau Bundesministerin sogar selbst erklärt, das können Sie nachlesen! (Bun­desrat Mag. Baier: Sechs Monate!) Nein, der erste Vorschlag war ein Monat: Inner­halb von vier Wochen sollen sich jene melden, die Ansprüche haben, und wer diese Frist verpasst, hat Pech gehabt. – Das ist unanständig, Herr Kollege, das ist unanstän­dig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Mag. Baier: Nein, nein!)

Dieser Antrag, den wir hier heute leider nur mit Mehrheit und nicht mit ... (Bundesrat Mag. Baier: Der ist überholt!) – Der ist überhaupt nicht überholt! Was rede ich denn seit fünf Minuten hier? Das ist ja unfassbar! (Bundesrat Boden: Er versteht es nicht! – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Es sind die 50 000 Altfälle offen, es gibt keine Rege­lung! Es ist nichts überholt!

Der Herr Sektionschef hat sich auch noch gewünscht, dass man das Zivildienstgesetz ohne Begutachtung schnell durchzieht, weil dann alles viel schneller vonstatten gehe. Das Problem haben wir aber schon öfter gehabt, schnell etwas zu ... (Ruf bei der ÖVP: Ihr wollt eine schnelle Lösung! ...) Wir wollen eine umfassende, eine faire Lösung, dar­um geht es, und dazu trägt dieser Antrag bei! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.05


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reisen­berger. Ich erteile es ihm.

 


14.05.11

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Kollege Schennach, ich glaube, wir dürften am Dienstag bei einer anderen Ausschusssitzung als Kollege Baier gewesen sein, denn mir ist es auch nicht anders in Erinnerung, als dass der Herr Sektionschef klar und deutlich gesagt hat: Wer immer es gesagt hat, er wisse davon nichts. Von der Frau Minister weiß er diesbe­züglich nichts, und von jemandem anderen auch nicht. Und er meinte noch: Wenn Sie so wollen, bin ich das Ministerium, und von mir gibt es so eine Aussage nicht! – Ganz klar und deutlich war das.

Lieber Kollege Baier, das hast du auch klar und deutlich gehört. Es ist halt schwierig, wenn man hier im Kreis rundherum redet und etwas schön machen will, was nicht schön zu machen ist, etwas, was in Wirklichkeit für eine Partie von Leuten unerträglich ist, die du auch vertreten sollst und musst. Die Junge ÖVP in deinem Bundesland wird dich wahrscheinlich mit Fetzen durch die Gegend jagen, wenn man ihnen vorspielt, was du uns hier dazu sagst! So schaut es in Wirklichkeit aus! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich bin allerdings mit dir in einer Richtung zumindest hundertprozentig auf einer Seite: Es geht uns um die Zivildiener; eine ganz wichtige Sache, nur vergiss bitte eines nicht: Um Zivildienern die Möglichkeit zu geben, bei den diversen Organisationen arbeiten zu können, darf man natürlich auch die Organisationen nicht außer Acht lassen. Das wäre genauso, wie wenn man sagen würde: Ich habe eine Kuh, ein Muttertier und ein Kalb. Das Kalb braucht noch die Milch der Mutter, aber weil ich das Kalb schon habe, bringe ich die Mutter um. Damit ist in kurzer Zeit auch das Kalb tot. – Das wollen wir ja wohl nicht, oder? Und wenn wir solche Argumente vorbringen, dann reden Sie von „Kampf-Rhetorik“! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Liebe Freunde, auch in Vorarlberg schaut das nicht anders aus als in Wien, Kärnten oder sonstwo!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 88

Auch dazu ein weiteres Wort, offensichtlich reden hier etliche von etwas, von dem sie wirklich keine Ahnung haben: Ich war auch bei der ersten Partie der Zivildiener dabei, und ich bin stolz darauf. Wisst ihr, wie das damals noch war in Klosterneuburg? (Zwi­schenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Ja, als Vorsitzender des Landesverteidi­gungsausschusses. Ich werde dir dann noch einige Sachen dazu sagen, lieber Herr Kollege Kühnel. – Wisst ihr, wie das damals noch war in Klosterneuburg? Du bist ge­fahren und du hast nicht Trinkgeld in Barform bekommen, sondern du hast damals noch eine Wurstsemmel, ein Stückl Speck, Eier et cetera bekommen. Das war schön, okay, aber diese Zeit ist heute auch vorbei! Das gibt es dort auch nicht mehr!

Und da sind wir genau wieder bei der Frage: Wie sollen sich diese Menschen ernäh­ren? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es muss Ihnen klar sein, und das ist schon ein paar Mal gesagt worden: 6 € sind ein Witz, 13,6 € sind nichts, womit ich mir ein Sparbuch eröffnen kann, es geht in die Richtung, wo man sagen kann: Na ja, verhungern tust du damit nicht!

Wir kommen nicht daran vorbei: Ohne Verfassungsgerichtshof hätte sich da überhaupt nichts abgespielt; da wärt ihr ganz woanders hinmarschiert. Ihr vergesst offensichtlich immer wieder eines dabei: dass die Tätigkeiten, die diese Zivildiener machen, für die Allgemeinheit sind. Das sind keine Tätigkeiten, wo sich einer einen Sport daraus macht, keine Tätigkeiten, die er zum Spaß und zur Gaudi macht: Rettung, Kranken­pflege, Altenbetreuung und vieles mehr. (Bundesrat Mag. Himmer: Hat das irgendwer gesagt? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das sind Tätigkeiten, die für uns alle wichtig und gut sind, und daher muss man auch mit diesen Organisationen Kontakt aufnehmen – und nicht nur mit zwei oder drei, die einem gerade passen. Man kann doch nicht einfach sagen: Ich kann ja nicht mit einem jeden reden!, sondern da muss man eben Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme finden.

Wenn du, Kollege Baier, sagst: Das musst du mir vorhüpfen, wie du so etwas machen willst!, dann muss ich dir sagen: Organisationstechnik dürfte nicht dein großes Ste­ckenpferd sein, denn sonst müsstest du wissen, wie es möglich ist, Kontakt mit Organi­sationen – egal, wie viele es sind – aufzunehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Ich habe gesagt, dass ich bei der ersten Partie Zivildiener dabei war und heute Vorsit­zender des Landesverteidigungsausschusses bin. Das hat auch seinen Grund: Meine Beziehung zum Bundesheer ist eine ziemlich enge geworden, denn bereits im Jah­re 1980 haben wir von der Gewerkschaft Metall, damals als eine der ersten, die Paten­schaft über die Maria-Theresien-Kaserne übernommen, und ich hatte die Ehre, für unsere Gewerkschaft damals dort zu sein und konnte sehr viel Zeit mit den Soldaten dort verbringen.

Und das ist genau das, was mich dazu bewegt hat, zur Kenntnis zu nehmen, und das sehe ich heute nach wie vor so: Das Militär ist in Ordnung, da gibt es überhaupt nichts, die Leute, die dort als Berufssoldaten beschäftigt sind oder ihren Militärdienst ableis­ten, sind alle in Ordnung, was aber nicht heißt, dass ich mit den Bestimmungen, die diese Bundesregierung und dieser Bundesminister für unser Bundesheer machen, ein­verstanden bin. – Im Gegenteil: Da habe ich ganz andere Vorstellungen. – Und so läuft das hier auch, lieber Herr Kollege Kühnel! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich würde Sie wirklich ersuchen, davon abzugehen, hier immer wieder zu behaupten, es wäre eh alles geregelt. – Es ist nichts geregelt! Es sind ein paar Formalsachen hin­geworfen worden. Selbst der Sektionschef sagte: Schauen wir uns das einmal an, war­ten wir, was kommt! – Es ist nichts da!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 89

Wenn gerade du, Kollege Baier, die Zivildiener als eine wichtige und unterstützens­werte Gruppe empfindest und wenn du willst, dass wir Nägel mit Köpfen machen, dann musst du geradezu auf unserer Seite sein! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.10


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Wortmeldung: Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


14.10.33

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Länger in diesem Haus zu sitzen als andere ist kein Verdienst, aber es er­möglicht einem ein längeres Gedächtnis. Ich habe mich jetzt noch einmal vergewissert: Es ist jetzt etwa vier Jahre her, dass die damalige Festlegung des Verpflegungsgeldes in diesem Hause auf der Tagesordnung stand. Auf dem zweiten Platz von mir aus ge­sehen rechts ist der damalige Bundesminister Strasser gesessen. Und Frau Bundes­rätin Melitta Trunk, heute Abgeordnete zum Nationalrat, hat nach präzisen Berechnun­gen das eingekauft, was man um 6 € bekommen konnte, und hat das dem Herrn Bun­desminister auf einem Tablett hierher gestellt.

Der damalige Innenminister Strasser ist in einem Ausbruch, den ich eigentlich noch nie in diesem Hause erlebt habe, aufgesprungen und hat gebrüllt, er sei noch nie in sei­nem Leben so beleidigt worden – ich habe keine Ahnung, warum –, und er hat das Haus verlassen. Die damals in noch weitaus größerer Anzahl vertretenen Bundesräte der Regierungsfraktionen – viele von ihnen sind durch Mandatsverlust aus dem Haus ausgeschieden – haben ihre Empörung pflichtschuldig zum Ausdruck gebracht.

Kollege Baier und alle Kolleginnen und Kollegen, die das jetzt so rechtfertigen: Es ist absolut lächerlich, zu unterstellen, irgendjemand in diesem Lande könne sich mit dem bisherigen Taggeld irgendwie verpflegen. (Bundesrat Mag. Baier: Das haben wir auch nie behauptet!) – Also entschuldigen Sie: Beschlossen haben Sie es! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege, ohne Verfassungsgerichtshof hätte es keine Erhöhung gegeben! Kol­lege Baier hat mit Recht darauf hingewiesen, die Regierung bemüht sich doch ohnehin, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes so rasch wie möglich umzusetzen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, brauchen Sie den Verfas­sungsgerichtshof, um zu wissen, dass um zwölf Uhr Mittag ist?! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Brauchen Sie den Verfassungsgerichtshof, um zu wissen, dass man mit 6 € nicht leben kann?! Das ist doch wirklich eine Verhöhnung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Verhöhnung der Zivildiener, Herr Kollege Baier, um die Sie sich angeblich so ... (Bundesrat Mag. Himmer: Bitte Lärmschutz auch für das Plenum!) – Bitte, wenden Sie sich an die zuständige Dienststelle! Drehen Sie (in Richtung des Tontechnikers) mich bitte zurück – der Kollege hat Schmerzen! (Ruf bei der ÖVP: Das ist Schnee von ges­tern!) – Nein, das ist nicht Schnee von gestern! Sie hatten lange Zeit, einen ausrei­chenden Tagsatz festzusetzen, das ist die Möglichkeit der Mehrheit; das ist die Mög­lichkeit der Regierung; das ist die Möglichkeit eines Ressortchefs/einer Ressortchefin.

Nein, wir haben zum Verfassungsgerichtshof gehen müssen! (Bundesrat Mag. Baier: Sie haben gar nichts getan! ... – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) – Herr Kollege Baier, wir sollten uns über die „Milch­straße“ einigen, innerhalb deren wir debattieren!

Also: Wir mussten zum Verfassungsgerichtshof gehen. Der Verfassungsgerichtshof hat das bestätigt, was wir politisch ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Wir! Wir! Wer? Sie? – Bun-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 90

desrat Mag. Baier: Sie haben nichts gemacht!) Gut, okay! (Bundesrat Schennach: Die ÖVP ist zum Verfassungsgerichtshof gegangen! – Heiterkeit bei den Grünen.)

Herr Kollege Baier, ich schließe daraus, dass hinter dem Rücken der Öffentlichkeit die ÖVP zum Verfassungsgerichtshof gegangen ist und die Aufhebung beantragt hat. (Hei­terkeit und Beifall bei der SPÖ.) Es gibt „Argumente“, zu denen mir ernsthaft nichts mehr einfällt; das gebe ich freimütig zu.

Also der Verfassungsgerichtshof hat Sie gezwungen – sonst wären wir jetzt noch beim alten Satz –, das Taggeld anzuheben. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.) – Herr Kollege, es gibt keine Einigung! Es gibt, wenn Sie schon so wollen, eine generelle Linie, die das Ministerium angetragen hat und die von einer Reihe wichtiger Träger­organisationen als Gesprächsgrundlage genommen wurde; das ist richtig. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Entschuldigen Sie, aber es ist offenbar hoffnungslos, sachgerecht debattieren zu wollen. Aber Sie dürfen eines nicht übersehen, und der Ruf: Sind es alle Trägerorganisationen?, hat etwas für sich: Es sind natürlich völlig an­dere Voraussetzungen gegeben, abhängig davon, wie viele Zivildiener in welcher Art von Struktur tätig sind.

Kollege Bieringer, ich darf das laut sagen, hat gesagt: Ich habe kein Problem! Ich habe sechs Zivildiener in der Gemeinde; für meine Bediensteten gibt es ein entsprechendes Verpflegungsangebot, das auch diese Zivildiener in Anspruch nehmen! – Okay. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Ja, selbstverständlich! Mein Sohn hat im Oktober seinen Zivil­dienst beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, disloziert im Staatsarchiv, abgeschlossen. Das Staatsarchiv hat keine Personalverpflegung. Es gibt ein relativ preisgünstiges Restaurant in der Nähe, und der Vater hat sich einen kleinen Zuschuss leisten können; er ist daher nicht verhungert. Aber das Dokumentations­archiv kann keine Verpflegung anbieten, und daher bestehen dort andere Strukturen: In einer Großküche kann man um 13,60 € ein anderes Essen herstellen, als wenn man jemanden mit 13,60 € – und da ist noch von Abschlägen die Rede, was absurd ist – ins nächstgelegene Beisel schicken muss.

Sehen Sie, genau um das geht es, und genau deshalb sind die Trägerorganisationen und Interessenvertretungen mit einer so pauschal über einen Kamm geschorenen Lö­sung nicht einverstanden. Ich stelle der Frau Bundesminister nicht in Abrede, dass sie einen Vorschlag auf den Tisch gelegt hat, aber an diesem ist zu feilen. Und wenn im Ausschuss der zuständige Beamte sagt: Ich weiß nichts von einer Einigung!, dann sollte das selbst Ihnen zu denken geben.

Meine Damen und Herren, dieser Entschließungsantrag ist alles andere als überholt! (Bundesrat Wiesenegg: Er ist aktueller denn je!) Er ist zugegebenermaßen jetzt in einem anderen Umfeld aktuell als vor eineinhalb Monaten. Wir haben ihn gestellt, um Ihr sehr zögerliches Eingehen auf den Entscheid des Verfassungsgerichtshofs zu be­schleunigen; das ist richtig.

Festzuhalten, dass es eine Lösung in diesem Sinn geben muss, ist, weil es diese Lösung noch nicht gibt, auch heute notwendig. Und wenn Sie eine Sekunde das ernst nehmen, was Sie gesagt haben, nämlich dass Sie die Interessen der Zivildiener vertre­ten, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als zuzustimmen. (Beifall der Bundesrätin Bachner.) Und wenn die Frau Minister das ohnehin tut, dann gestehe ich Ihnen zu: Nehmen Sie es als Bekräftigung für sie! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.18


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Letzter Redner hiezu: Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 91

14.18.27

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Wenn mein Hund mit dem Schwanz wedelt, argumentiert er zehn Mal besser als Sie in dieser Frage des Zivildienstes, Herr Mag. Baier. Das sei nur fest­gestellt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Untermauern, liebe Freunde, kann ich das nur durch einen Bericht, der für mich von großer Bedeutung ist.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Kollege, ich bitte, Tiervergleiche zu unterlassen!

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (fortsetzend): Wie soll ich es sonst erklären, wenn ich so einen gescheiten Hund hab’? (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Eines möchte ich festhalten, geschätzte Damen und Herren – das wurde ja auch schon vom Kollegen Schennach angeschnitten –: Es ist schon beschämend, dass in dieser heiklen Frage der Verfassungsgerichtshof Pate stehen muss. Das ist ein wesentlicher Punkt.

Meine geschätzten Damen und Herren! Alles, was diese Bundesregierung tut – und es wundert mich, dass die Bürgermeister der ÖVP nicht laut aufschreien –, ist, folgendes Schreiben an die Trägerorganisationen und somit auch an meine Gemeinde zu schi­cken, Frau Kollegin Fröhlich, in dem es nur lapidar heißt: Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie dem beiliegenden Bundesgesetzblatt vom 13. Jänner 2006 entneh­men können, wird die Pauschalvergütung für Zivildienstleistende mit Wirkung vom 1. Jänner 2006 auf – wie von mir bereits erwähnt – 262,90 € erhöht. Weitere Zuschläge folgen. Ebenfalls wird per 1. Jänner 2006 der Sozialversicherungsbeitrag für die Zivil­dienstleistenden pro Monat auf 77,60 € erhöht.

Jetzt kommt der nächste Punkt. Weiters haben Sie – und wir, diejenigen, die nicht für den Zivildienst zuständig sind, sondern der Bund, und das ist das Frappierende an der ganzen Diskussion, die ich hier mit der ÖVP und mit Ihnen, Herr Baier, führen muss –, weiters heißt es hier:

Weiters hat sich auch das Zivildienstgeld nach § 28 Abs. 2 und 4 Zivildienstgesetz ab 1. Jänner wie folgt geändert: In der Kategorie A – wissen Sie, wie hoch es ist? Herr Baier, Sie reden über diese Themen: Wie hoch ist es? Wie hoch ist es? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wenn Sie ein Bundesgesetzblatt lesen, Herr Baier, und darüber disku­tieren, sollten Sie die Fakten wissen! Alle! – Jetzt: 500 €! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wissen Sie, Herr Baier, wie die Kategorie II aussieht? Und wissen Sie, wie die Kate­gorie III ausschaut? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das sind Punkte, die nun die Kom­munen und deren Träger zu zahlen haben. Daher besteht auch das Recht – und für mich als Bürgermeister zehn Mal so sehr –, Ihnen zu sagen, dass die Situation für die Kommunen und für die Träger so unerträglich ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen. – Bundesrat Mag. Baier: Wo haben Sie Ihren Hund ...?)

14.21


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Ko­necny: Kollege Baier muss noch die Zahlen nennen!) – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 92

Wir kommen zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Entschließungsantrag 147/A (E) der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend einheitliches Verpflegungsgeld für Zivildiener ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehr­heit. (Beifall bei der SPÖ.)

Der gegenständliche Entschließungsantrag 147/A (E) der Bundesräte Wiesenegg, Kol­leginnen und Kollegen ist sohin angenommen. (203/E-BR/2006.)

14.22.298. Punkt

Selbständiger Antrag 148/A-BR/2006 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Lud­wig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhal­tung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und deren Konsequenzen für Österreich“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun auf Grund der ergänzten Tages­ordnung zum Punkt 8 der Tagesordnung.

Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 148/A der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundes­rates zum Thema „Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und deren Konsequenzen für Öster­reich“.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung ge­ben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. (Bundesrat Bieringer: Siehst, Wiesenegg, das ist der Unterschied, wer einen Antrag einbringt!) Der Antrag auf Abhaltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag 148/A verweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche die Sitzung bis 16 Uhr zur Verhandlung der Dringlichen Anfrage.

*****

(Die Sitzung wird um 14.24 Uhr unterbrochen und um 16 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

16.00.50Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesmi­nisterin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 93

Verdacht auf zweckwidrige Verwendung von öffentlichen Geldern im Sozialmi­nisterium zu Gunsten einer politischen Partei (2379/J-BR/2006)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kolle­gen an die Frau Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumen­tenschutz.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung seiner Anfrage das Wort.

 


16.01.28

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Als Jörg Haider sein BZÖ gegründet hat, hat er gleichzeitig verkündet, dass diese neue Partei keine Bürokratie aufbauen werde, und hinzugefügt: Wir finden momentan das Auslangen mit dem Apparat der Regierungsmitglieder.

Diese Aussage ist in Wirklichkeit als Aufforderung zum Amtsmissbrauch zu interpretie­ren. Denn es ist zweifelsfrei nicht die Aufgabe des Kabinetts von Bundesministern, die Parteiarbeit einer Organisation, die sich diese Kosten gerne ersparen möchte, zu leisten. Diese Ansage war zugleich auch eine gefährliche Drohung, weil klar war, dass über diese persönlichen Dienstleistungen hinaus öffentliche Mittel das ersetzen sollten, was dem BZÖ an finanziellen Möglichkeiten nicht zur Verfügung stand.

Meine Damen und Herren! Regierungsinformation war und ist bei jeder regierenden Konstellation ein problematisches Thema, das räume ich gerne ein. Eine Regierung, auch auf Landes- oder Stadtebene, hat Interesse daran, die Bürger über das, was sie als Erfolg empfindet, zu informieren, und sie hat Interesse daran, sich dabei in einem guten Licht darzustellen. Es ist eine delikate Aufgabe, hier Ausgewogenheit zu erzie­len. Ich darf zum Beispiel daran erinnern, dass die Information, die die Stadt Wien an alle Haushalte verbreitet, mit großer Regelmäßigkeit und gerade vor Wahlen die Spre­cher aller Fraktionen zu Wort kommen lässt, auch wenn naturgemäß andere Themen, wie die Darstellung der Arbeit der Verwaltung, ebenfalls eine große Rolle spielen.

Es ist auch eine Frage, ob man etwas hat, worüber man informieren kann. Gerade das ist im gegenständlichen Fall zweifelsfrei nicht der Fall. Wir haben es releviert in dieser Anfrage, die ich Ihnen nicht vorzulesen die Absicht habe; ich habe heute schon auf den Reiz der Kulturtechnik des Lesens hingewiesen. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grü­nen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist klar, dass hier in der Formgebung, in der Farbwahl eine Kampagne gewählt wur­de, die gezielt und bewusst neben die Werbelinie, und zwar ganz knapp neben die Werbelinie des BZÖ gesetzt wurde. Es ist ganz klar erkennbar, dass ein Slogan ge­wählt wurde, der mit der Parteibezeichnung nahezu verwechselbar ist. Dafür, wie wich­tig das den Auftraggebern war, spricht die Tatsache, dass ein offensichtlich nicht ganz billiges Werbemittel eingestampft werden musste – wer die Kosten dafür getragen hat, werden wir vielleicht noch erfahren –, weil eben jenes Logo, jene Farbgebung und jene Bezeichnung fehlten, die die Identität zwischen dem Ministerium und vor allem dieser Partei signalisieren sollten.

Gerade deshalb, weil Regierungsinformation ein so heikles Thema ist, hat dankens­werterweise der Rechnungshof ziemlich klare und jedenfalls zu berücksichtigende Richtlinien dafür erarbeitet. Ich gehe davon aus, dass diese auch der Frau Bundes­minister bekannt sind. Ich kann nicht erkennen, wo und wie diese Richtlinien bei der gegenständlichen Kampagne eingehalten und berücksichtigt worden wären.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 94

Dass diese Kampagne darüber hinaus von einer Fülle von Peinlichkeiten überschattet war, ist ja jedem Österreicher und insbesondere den angesprochenen Pensionistinnen und Pensionisten bekannt. Bevor die Empfänger der Information für Pensionisten in Jubel darüber ausbrechen konnten, dass ihnen die Freifahrt auf öffentlichen Verkehrs­mitteln zugesagt wurde, kam dann – in Klammer: und wer hat das jetzt wieder be­zahlt? – die gesondert zugesendete Korrektur, die korrekterweise darüber informierte, dass es keine Freifahrt gibt, wohl aber Begünstigungen. Dass andere Informationen schlichtweg falsch waren und dann – nicht ganz so kostenaufwendig, aber ebenfalls – richtig gestellt wurden, vervollständigt das Bild einer vollkommen schief gegangenen Aktion.

Was bleibt, ist keine Informationsleistung, die erbracht wurde, sondern lediglich der Versuch – ob der gelungen ist, kann ich nicht beurteilen –, eine eindeutig parteipoli­tische Werbeaktion mit Mitteln des Steuerzahlers durchzuführen.

Wir haben eine Fülle von konkreten Fragen gestellt, von denen ich hoffe, dass die Ant­wort es uns ermöglichen wird, den Sachverhalt genauer zu erkennen und gegebenen­falls weiter nachzufragen. Die Darstellung in der Tageszeitung „Kurier“ ... (Bundesrat Bieringer tritt zum Rednerpult und bietet dem hustenden Redner ein rot eingewickeltes Zuckerl an.) – Danke, aber beim Reden tue ich mir schwer damit. Danke für die Spen­de; man nimmt. (Bundesrat Bieringer: So sind wir! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Werben Sie schon für die große Koalition?) Ja, das ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe ganz im Gegenteil den Verdacht, du wolltest mir „das Maul stopfen“. (Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Bieringer: Da tun wir was Gutes, und wie man es macht, ist es falsch!)

Was bleibt, ist die Tatsache einer eindeutig parteipolitisch akzentuierten Werbeaktion, die aus Steuermitteln bezahlt wurde. Eine Regierung, die behauptet, die Sparsamkeit auf ihre Fahnen geschrieben zu haben, und die diese Sparsamkeit gerade die Pensio­nisten, aber auch viele andere Bevölkerungsgruppen in schmerzlichster Art und Weise spüren ließ, hat offensichtlich keine Hemmungen, 4,2 Millionen € – wenn der Betrag stimmt – für diese Aktion aus dem Steuertopf zu nehmen.

Die Tageszeitung „Kurier“ – und ich darf darauf hinweisen, dass diese nicht gerade im Eigentum der SPÖ steht und nicht gerade ein sozialdemokratisches Leibblatt ist ... (Bundesrat Kritzinger: Gott sei Dank!) Bitte? (Bundesrat Kritzinger: Gott sei Dank! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Ich habe weder ein Bedauern, dass das nicht so ist, noch ein Glücksgefühl darüber.

Tatsache ist, dass eine Zeitung, deren Eigentumsverhältnisse jedenfalls nicht eine Spur in die Löwelstraße legen, einen Bericht veröffentlicht hat, in dem darüber hinaus Stimmungen aus Ihrem Ministerium, Frau Bundesminister, wiedergegeben wurden, in dem Beamte sich als belastet durch intransparente und unkontrollierbare Vorgänge erklärten, in dem Beamte zum Ausdruck brachten, dass sie ganz offensichtlich einen wirklichen inneren Konflikt haben, ob sie bei dieser Aktion nicht gegen ihren Amtseid verstoßen, und worin relativ deutlich der Verdacht geäußert wurde, dass über diese höchst problematische Werbeaktion hinaus auch direkt Mittel aus diesem Budget abge­zweigt wurden, um BZÖ-Veranstaltungen zu finanzieren.

Ich kann mir diesen Vorwurf nicht zu eigen machen, ich habe keine Informationen dar­über. Aber das, was Sie bisher dazu verlauten ließen, Frau Bundesminister, war derart vage und unbestimmt, dass es mit Sicherheit nicht geeignet ist, diese Vorwürfe aus der Welt zu schaffen.

Es ist nicht meine Absicht, hier vor Ihrer Beantwortung irgendwelche Vorwürfe zu erhe­ben. Es geht um Steuergelder, es geht um die zielgerichtete Verwendung von Steuer­geldern, und es geht um politische Sauberkeit. Ich bitte Sie, Frau Bundesminister, uns


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 95

in Ihrer Beantwortung nicht zu erzählen, wie großartig das Ministerium ist, sondern sehr konkret auf die einzelnen Fragen einzugehen, damit wir uns ein Bild machen kön­nen. Wir gehören nicht zu denen, die vorschnell urteilen, aber gerade deshalb verlan­gen wir – (in Richtung von Bundesrat Bieringer, auf dessen Husten bezogen:) soll ich dir das Zuckerl zurückgeben? –, dass auf präzise Fragen präzise geantwortet wird.

Das ist nicht nur eine Sache Ihres Ministeriums, das ist nicht nur eine Sache einer Par­tei, es ist auch nicht nur eine Sache einer Person, sondern hier geht es darum, dass die Österreicherinnen und Österreicher darauf vertrauen müssen, dass ihre Steuerleis­tungen für das verwendet werden, wozu sie bestimmt sind. Alles andere wäre ein Skandal; und wenn der Aufruf Jörg Haiders, die Möglichkeiten der Ministerbüros für die Partei zu nützen, so verstanden würde, dann wäre das ein ganz, ganz großer Skandal. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Antworten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.12


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich die Frau Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Haubner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


16.12.46

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Ich werde auf die Fragen, die Sie mir gestellt haben, konkrete Antworten geben; das ist auch der Sinn einer Dringlichen Anfrage. (Bundesrat Ko­necny: Wir haben schon anderes erlebt!) Ich möchte mich aber zu Beginn entschieden dagegen verwahren, dass es mit einer Informationskampagne des Sozialministeriums Parteienfinanzierung, Parteiwerbung oder ähnlich gestaltete Möglichkeiten mit der Par­tei, der ich angehöre, gibt.

Ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen Dinge eingehen, bevor ich die Fragen beant­worte. Wenn man bei der Farbe beginnt, die vielleicht von manchen als eine nur einer Partei zuzuordnende gesehen wird, dann muss ich darauf hinweisen, dass diese Farbe nicht die ausschließlich in unserer Informationskampagne des Ministeriums verwen­dete, sondern eine von vielen ist. (Bundesrat Konecny: Der Text ist schon schwarz!) Wenn ich schaue, wie häufig dieses berühmte Orange – und dieses Orange wird jetzt wirklich berühmt – allein beim ORF vorkommt, auch wenn von Vertreterinnen und Ver­tretern Ihrer Partei im Insert der Name in Orange aufscheint, und in anderen Organisa­tionen verwendet wird, dann ist das jetzt, so glaube ich, ein bisschen eine Übertrei­bung, wenn man sich hier auf eine Farbe konzentriert.

Meine Damen und Herren! Was „Zukunft“ betrifft, ist das ein Logo, das wir haben. „Zu­kunft soziales Österreich“ ist ein sehr positiv besetzter Begriff, der auch auftaucht, wenn Sie ins Internet gehen und nachschauen, wo überall „Zukunft“ verwendet wird. Ich denke, gerade in einem Sozialministerium hat man die Aufgabe, auch die Zukunft weiter sozial zu sichern und weiter sozial zu gestalten.

Es geht bei dieser Dringlichen Anfrage um eine Informationskampagne meines Hau­ses. Herr Bundesrat Konecny hat es schon richtig gesagt: Informieren ist notwendig, vor allem dann, wenn man über etwas zu informieren hat. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie bei der ÖVP.) Sie bezweifeln aber im nächsten Satz, dass dieses Haus etwas zu übermitteln und zu transportieren hat. Ich glaube, gerade das Sozialministerium ist in der Zusammensetzung, die es jetzt hat, eines der um­fangreichsten Ministerien überhaupt und umfasst Bereiche, die jeden Menschen, jede Bürgerin und jeden Bürger, irgendwann einmal im Laufe seines Lebens unmittelbar betreffen. Das ist der Bereich der Familien, der Bereich der Jugend, der Bereich der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 96

Senioren, der Bereich des Konsumentenschutzes und der Bereich der Menschen mit Behinderungen.

Wenn ich mir anschaue, was in den letzten fünf Jahren in diesen Bereichen geschehen ist, dann sage ich, dass wir viel zu informieren haben, denn hier werden für die Men­schen Leistungen angeboten, Leistungen, die verbessert wurden, Leistungen, die wei­terentwickelt wurden und auf die die Menschen ein Anrecht haben. Viele Leistungen sind nur per Antrag möglich und werden nicht automatisch zugestellt. Gerade solche Bereiche, wie ich sie jetzt erwähnt habe, sind es, in denen die Menschen auch sehr viele Fragen haben. Wir sehen das tagtäglich bei unserem Pflegetelefon, bei unserer Familien-Servicestelle, wir sehen es bei unserer Jugend-Info, dass diese Dinge tagtäg­lich nachgefragt werden. Ich denke, man hat als politisch Verantwortlicher, als Minister auch die Verantwortung, gezielt zu informieren. Mit dieser Informationskampagne tun wir das.

Ich habe schon des Öfteren im Hohen Haus, im Nationalrat in Anträgen, in Entschlie­ßungsanträgen, in Debattenbeiträgen auch von Vertreterinnen und Vertretern der Op­position gehört, dass wir mehr informieren sollen, zum Beispiel im Bereich des Kinder­betreuungsgeldes oder der Familienleistungen. Ich habe auch einen Auftrag des Ho­hen Hauses, was die Information über das Behindertengleichstellungsgesetz anlangt. Seit 1. Jänner 2006 gibt es das Behindertengleichstellungsgesetz, und hier müssen wir sehr viel informieren, gemeinsam mit den Bundessozialämtern, gemeinsam mit ande­ren Einrichtungen, gemeinsam mit der Wirtschaft. Das ist momentan der wichtigste Teil dieser Kampagne, die derzeit läuft.

Wenn ich wieder auf die Farbe zurückkommen darf: Wenn Sie sich die Farbe an­schauen, dann ist sie wirklich nicht Orange, sondern ich glaube, sie ist momentan Lila; bei den Pensionen ist es Grün gewesen.

Daher sage ich, wir haben die Pflicht, zu informieren und Leistungen zugänglich zu machen. Dies kann man entweder durch Einzelmaßnahmen oder durch eine entspre­chende Kampagne tun. Eine Kampagne wurde im Jahre 2005, im März 2005 ausge­schrieben, und zwar europaweit, weil wir Vergaberichtlinien zu beachten haben. Der Zuschlag ist im Oktober 2005 an den Bestbieter erfolgt.

Seit Oktober 2005 wird in den Teilbereichen, die ich jetzt erwähnt habe, informiert: im Bereich der Familien; im Bereich der Altersvorsorge, insbesondere der Pensionen, weil sich da sehr viel Positives für die Senioren und für die Pensionisten geändert hat; im Bereich der Pflege, weil da vor allem die verbesserte Pflegevorsorge von hohem Inter­esse gewesen ist und es auch weiterhin ist für diejenigen, die zu Hause pflegen; und jetzt im Bereich der Menschen mit Behinderungen. Der letzte Bereich wird den Konsu­mentenschutz betreffen. Der Konsumentenschutz ist auch Sache unseres Hauses, und da beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Konsumentenschutz für und mit jungen Menschen.

Daher ist das ein in sich schlüssiges Paket, das genau die Dinge anspricht, über die die Menschen informiert werden sollen. Vor allem werden auch, was immer wichtig ist, die Anlaufstellen den Menschen immer wieder vor Augen geführt. Wenn ich mir an­schaue – wir begleiten ja diese Kampagne –, was die Anruferstatistik und insgesamt die Kontakte im ersten Monat dieses Jahres, im Jänner, gezeigt haben, so haben die Menschen Anfragen bezüglich Finanziellem, bezüglich Sozialversicherung gestellt. (Bundesrat Konecny: Das waren die 200 000 Pensionisten, die die Pensionserhöhung urgiert haben, die sie nicht gekriegt haben!)

Vielleicht hier noch eine Tabelle, weil wir seitens der Abteilung sehr genau Buch füh­ren, was die „Trümmerfrauen“ anbelangt, und wir auch eine Prognose haben, weil das ja bis August weiterläuft. Hier können wir ganz genau sehen: Im Jänner 2006 ist die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 97

Zahl der Anträge wieder sprunghaft angestiegen, weil wir informiert haben. Wir beglei­ten diese Informationen natürlich auch mit wöchentlichen Berichten, was die Inhalte an­belangt, denn es geht ja nicht nur um Zahlen, sondern es geht letztendlich auch darum, dass wir, dass ich und meine Mitarbeiter erfahren, was wichtig ist und wo die Men­schen der Schuh drückt.

Daher sage ich noch einmal: Es ist keine Werbekampagne, denn Werbekampagnen sind mit Personen verbunden. Als ehemalige Landespolitikerin in Oberösterreich weiß ich, was Werbekampagnen sind, denn hier gibt es keine einzige Information eines Res­sorts – ich möchte jetzt nicht irgendjemanden herausgreifen –, auf der nicht mindes­tens so groß wie der Text das Bild des verantwortlichen Landesrates ist. (Bundesrat Konecny: Und da nicht?) Und ich sage, hier informieren wir. Wir informieren über In­halte, wir informieren über das, was sich in den letzten Jahren verbessert hat. (Bundes­rat Konecny – eine Broschüre in die Höhe haltend –: Ist das nicht Ihr Bild?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn das heute für Sie nicht der Zeit­punkt ist – Herr Kollege Konecny hat schon gesagt, ich soll nicht darüber reden, wie gut das Sozialministerium ist und was wir alles gemacht haben (Bundesrat Konecny: Wir wissen es!); wenn Sie es wissen, freut mich das –, ich möchte trotzdem, wenn Sie erlauben, auch hier von meinem Rederecht, das ich habe, Gebrauch machen und ein paar Dinge sagen, bevor ich dann auf die konkrete Beantwortung komme.

Österreich hat ein sehr hohes Sozialschutzniveau (Bundesrat Konecny: Das hat diese Regierung übernommen!), ein Sozialschutzniveau, das von 28 Prozent im Jahre 2000 auf fast 30 Prozent, genau gesagt 29,6 Prozent, im Jahr 2003 angestiegen ist. Wir lie­gen damit über dem europäischen Durchschnitt.

71,5 Prozent der Sozialausgaben von 67 Milliarden € entfallen auf Geldleistungen. Wir haben also ein Sozialsystem, das sehr viele individuelle und direkte Leistungen ausbe­zahlt, der Rest entfällt auf Sachleistungen. Insgesamt entfällt ein Drittel des Bundes­haushaltes auf den Bereich Soziales.

Ohne Sozialleistungen hätten 43 Prozent der gesamten Bevölkerung ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle, tatsächlich sind es 13 Prozent. 13 Prozent sind immer noch zu viel, aber Sie können daraus die Auswirkungen der Sozialleistungen ersehen. Gerade mit der Erhöhung des Ausgleichzulagenrichtsatzes für Kleinstpensio­nistinnen und Kleinstpensionisten haben wir diese über die Armutsschwelle gehoben.

Der Bundesbeitrag nur allein für diese Pensionen liegt bei 29 Millionen €, insgesamt geben wir aus unserem Haus, aus dem Sozialministerium, 6,71 Milliarden € für Pensio­nen aus.

Der Aufwand für die Pflegevorsorge betrug im Jahr 2003 2,91 Milliarden €. Das Pflege­geld wurde 2005 erstmals seit zehn Jahren um 2 Prozent erhöht.

Daneben gibt es noch Verbesserungen, die ich zuerst schon kurz angeführt habe, wie zum Beispiel auch die Familienhospizkarenz, die wir verbessert haben. Ich glaube, das war ja heute auch auf der Tagesordnung, und ich hoffe, dass diese gute Maßnahme jetzt auch in Kraft treten kann.

Auch was die Familienleistungen anbelangt, sind wir europaweit im Spitzenfeld. Wir haben allein im Jahr 2003 – dafür haben wir ganz gesicherte Daten – rund 7 Milliar­den € für Familien in Form von Transferleistungen und von Sachleistungen zu Verfü­gung gestellt. Natürlich schlägt gerade das Kinderbetreuungsgeld mit einer hohen Stei­gerung dieser finanziellen Leistungen zu Buche.

Das heißt, wir haben – einige Beispiele hiefür habe ich erwähnt – die gesetzliche Land­schaft verändert, verbessert, aber es besteht auch die Notwendigkeit, die Menschen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 98

massiv und sehr intensiv darüber zu informieren. Der Auftrag für diese Informations­tätigkeit ist einerseits auch vom Hohen Haus an mich herangetragen worden, anderer­seits gibt es, gerade was das Kinderbetreuungsgeld anbelangt, im Familienlastenaus­gleichsgesetz den § 39k Abs. 2 des FLAG 1967, wonach Informationsmaßnahmen vor­zusehen sind.

Daher denke ich, wir haben den Auftrag zu informieren ernst genommen. Wir haben aber auch den Auftrag ernst genommen, nicht gegen die empfohlenen Richtlinien des Rechnungshofes zu verstoßen. Diese empfohlenen Richtlinien des Rechnungshofes sind zwar nicht Gesetz, aber doch eine Empfehlung.

Ich denke, wenn es hier heißt „Die Öffentlichkeitsarbeit“ – ich möchte Ihnen das jetzt nicht alles vorlesen, denn Sie kennen es, ich glaube, zum Teil ist es heute auch schon in den Medien gewesen – „beziehungsweise die Informations- und Werbemaßnahmen wären unmittelbar auf die vergangene, gegenwärtige oder aktuell zukünftige Tätigkeit der Bundesregierung beziehungsweise des jeweiligen Ressorts zu beziehen.“, so wer­den wir dem mit dieser Information gerecht.

Weiters: „Die Bundesregierung beziehungsweise das Bundesministerium tritt bei allen Formen der Öffentlichkeitsarbeit deutlich als Bundesregierung beziehungsweise Bun­desministerium in Erscheinung.“

Oder: „Die Öffentlichkeitsarbeit beziehungsweise die Informations- und Werbemaßnah­men aus Haushaltsmitteln dürfen auch in der engeren Vorwahlzeit fortgesetzt, jedoch nicht auf parteipolitische Wahlwerbung ausgerichtet werden.“

Und ich sage noch einmal: Ich verwahre mich dagegen, dass das parteipolitische Wahlwerbung ist, denn wir würden damit auch jene Menschen, die wir informieren –das sind die Älteren, das sind auch die Behinderten –, in eine Diskussion hineinbrin­gen, die sie nicht brauchen und die man hier zu Recht nicht führen darf. (Bundesrat Konecny: Die Diskussion zwischen Ihnen und den Betroffenen wurde schon am Tele­fon geführt!)

Ich glaube, es ist auch wichtig, was der Rechnungshof weiters sagt: „Die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit beziehungsweise von Informations- und Werbemaßnahmen durchgeführten Umfragen sollten der Erforschung der Meinungen und des Informati­onsgrades der Bevölkerung über die Arbeit der Bundesregierung beziehungsweise des Bundesministeriums dienen.“

Ich habe zuerst schon gesagt, wir arbeiten hier sehr stark begleitend, um auch im Rah­men unserer Bürgerservicestellen, die von guten Mitarbeitern besetzt sind, das heraus­zuholen, was notwendig und was wichtig ist.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal zusammenfassen und sagen, dass wirk­same und gerechte Sozialpolitik den Menschen in den Mittelpunkt stellen muss und stellen soll, und dass der einzelne Mensch gerade im Sozialbereich der wichtigste ist. Jeder Mensch muss den gleichen Zugang zu Informationen haben, jeder Mensch muss Zugang haben zu dem, was ihm zusteht. Daher ist die Information eine Möglichkeit, die wir hier wahrgenommen haben.

Ich darf Sie wirklich bitten, auch in der nachfolgenden Diskussion die Dinge so zu se­hen, wie sie sind. Ich weiß schon, es ist natürlich auch partiepolitisch eine gewisse Dis­kussion notwendig – ich kenne das selbst aus meiner Zeit als Parlamentarierin im Land und im Bundesrat –, aber ich sage noch einmal: Information, Informationskampagnen hat es auch in der Vergangenheit immer gegeben, hat es in der Vergangenheit bei allen Regierungen gegeben. Und wenn ich mir so die Vergangenheit anschaue, ist gerade die Partei, die hier diese Dringliche Anfrage stellt, eigentlich mengenmäßig und finanziell immer am stärksten mit derartigen Werbemaßnahmen ausgestiegen. Ich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 99

möchte jetzt nicht Zahlen aus der Vergangenheit auf den Tisch legen, aber da ist früher schon für einzelne Kampagnen viel Geld ausgegeben worden, ohne dass ein Einziger öfter mit der Bahn gefahren ist.

Ich glaube, das Sozialministerium hat die große Chance, Leistungen, die für die Men­schen notwendig sind, gesetzeskonform korrekt weiterzugeben. Ich denke, das ist eine Aufgabe, die ich als Ministerin auch in Zukunft wahrnehmen werde, gemeinsam mit meinen Beamten, die nicht nur bei der Vergabe und bei der Kontrolle sehr korrekt ar­beiten, sondern die auch bei allen Förderungen entsprechend den Richtlinien sehr kor­rekt ihre Arbeit leisten.

Ich darf jetzt zur konkreten Beantwortung der Fragen kommen. (Bundesrat Konecny: Gute Idee!)

Zur Frage 1: Ja.

Zur Frage 2:

Im Oktober 2005; Vertragsunterfertigung Mag. Axel Clodi am 19. Oktober 2005 bezie­hungsweise BMSG-Sektionschef Dr. Günther am 25. Oktober 2005.

Zur Frage 3:

Aichner Clodi Werbeagentur GmbH, Petersbrunnstraße 17, 5020 Salzburg.

Zur Frage 4:

Vertragsgegenstand ist die Erstellung, Durchführung und Umsetzung eines einheit­lichen Kommunikationskonzeptes für das BMSG sowie das Bundessozialamt anhand ausgewählter Themenschwerpunkte. Gemäß Ausschreibungsunterlage sind dies die Bereiche Generalkommunikationskonzept mit Einzelprojekten wie Behinderung und Pflegevorsorge, Kinderbetreuungsgeld, Familienallianz, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Kindererziehung, Altersvorsorge, Information über Pensionsharmonisierung.

Zur Frage 5:

Ja. Im Einzelnen handelt es sich um die Empfehlungen des Rechnungshofes im Wahr­nehmungsbericht des Rechnungshofes der Reihe Bund 2003/2, Seite 90, und im Rech­nungshofbericht der Reihe Bund 2005/13, Seite 32 und Seite 167.

Die Informationskampagnen des BMSG entsprechen allen gesetzlichen Vorschriften und auch den bestehenden Empfehlungen des Rechnungshofes.

Zur Frage 6:

Der Koalitionspartner war von der Informationskampagne durch die öffentliche Aus­schreibung in der „Wiener Zeitung“ am 29. März 2005 informiert.

Der Vertrag wurde, wie gesetzlich vorgesehen, dem Bundesministerium für Finanzen übermittelt, von diesem abgezeichnet und wieder zurückgesandt.

Eine Information des Bundeskanzleramtes war und ist bei Vergaben der einzelnen Mi­nisterien nicht vorgesehen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Zu den Fragen 7 und 8:

Von meinem Ressort wurden folgende Rechnungen – es sind Teilrechnungen – zu fol­genden Inhalten anerkannt:

für Informationsmaßnahmen, die im Bereich der Sektion I wirksam werden, 171 089,10 €;

für Informationsmaßnahmen, die im Bereich der Sektion II wirksam werden, 563 633,52 €;


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 100

für Informationsmaßnahmen, die im Bereich der Sektion IV wirksam werden, 1 0740 048,60 € (Bundesrat Konecny: Den Betrag noch einmal! „0740“?), ja, Entschul­digung, 1 074 048,60 €;

für Informationsmaßnahmen, die im Bereich der Sektion V wirksam werden, 1 761 000 €.

Insgesamt anerkannt wurden bisher 3 570 488,53 €. (Bundesrat Konecny: Das ist mehr als die Vertragssumme!) 3 570 000 €. (Bundesrat Konecny: Inklusive Mehrwert­steuer?) – Inklusive Mehrwertsteuer, ja. Alle Zahlen sind inklusive Mehrwertsteuer.

Zur Frage 9:

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat in der Zentralstelle an die 650 Beamte. Fiktive Gerüchte der Medien über angeb­liche Einzelaussagen kommentiere ich nicht und daher beantworte ich die Frage 9 mit: Nein, das Gegenteil ist der Fall.

Zu den Fragen 10 und 11:

Nein. Die Folder wurden auf Grund einer Entscheidung des BMSG entsorgt, weil sie in­haltlich obsolet waren. (Bundesrat Konecny: Was heißt das?)

Zur Frage 12:

Die Entsorgung war mit Kosten von 2 033,66 € verbunden.

Zur Frage 13:

Es gibt kein oranges Logo. Nachstehend darf ich die Farbdefinitionen der Farbtöne, die für dieses Logo verwendet wurden, erläutern. Es handelt sich hier um Gelbtöne, und zwar ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ, insbesondere des Bundesrates Konecny.) Ich kann Ihnen nur die Farbmarke sagen, wie die Mischung ist. Gelb: Hintergrund be­ziehungsweise Fond, auf dem die Wortmarke steht: Pantone 1205HKS1K, 30 Prozent, das ist ein Gelbton. (Anhaltende ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Für das Logo als einen Teil unserer neuen CD ist die Firma Aichner Clodi verantwort­lich.

Zur Frage 14:

Die Entwicklung einer neuen CI-Richtlinie ist mit Kosten in der Höhe von 50 000 € ver­anschlagt. Inklusive Umsatzsteuer sind das Kosten in der Höhe von 60 000 €.

Zur Frage 15:

Diese Kosten sind Teil des Rahmenvertrages, siehe § 1 des Rahmenvertrages, Leis­tung Generalkommunikationskonzept.

Zu den Fragen 16 und 17:

Nachdem der 4. April 2005 für die Rechnungsabwicklung des BMSG keine eigene Zeit­rechnung darstellt, ist die Frage aus temporären Gründen nicht beantwortbar.

Derzeit steht eine an mich gerichtete parlamentarische Anfrage mit der Num­mer 3790/J betreffend Informations- und Werbemaßnahmen 2005 in meinem Haus in Bearbeitung, deren Ergebnis ich Ihnen nach Fertigstellung gerne übermitteln kann.

Zur Frage 18:

Ich schließe das aus.

Zur Frage 19:

Mit Ausnahme der Sekretariats- und Schreibkräfte beziehungsweise des Hilfspersonals waren am 1. Februar 2006 insgesamt elf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Minister-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 101

büro und neun Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Büro des Herrn Staatssekretärs tätig. Trotz umfangreicher Zusatzaufgaben durch den EU-Ratsvorsitz wurde die Mitar­beiterzahl in meinem Büro im letzten Jahr um zwei gesenkt.

Zur Frage 20:

Von den unter Frage 19 angeführten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen haben im Minis­terbüro zehn einen Sondervertrag gemäß § 36 des Vertragsbedienstetengeset­zes 1948 und einer einen freien Dienstvertrag; im Büro des Herrn Staatssekretärs haben sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Sondervertrag gemäß § 36 VBG, eine Mitarbeiterin ist in der Entlohnungsgruppe v1, Bewertungsgruppe 5, ein Mitarbei­ter in der Entlohnungsgruppe v2, Bewertungsgruppe 5, eingestuft.

Zur Frage 21:

Nein, es gibt keine Arbeitsleihverträge.

Zur Frage 22:

Die monatlichen Grundbezüge für die unter Frage 19 angeführten MitarbeiterInnen in­klusive Dienstgeberabgaben verursachen im Februar 2006 Kosten von insgesamt 53 630,25 € für das Ministerbüro und insgesamt 44 032,34 € für das Büro des Herrn Staatssekretärs. – Damit liegt mein Ministerium weit unter dem Schnitt aller Ministerien.

Zur Frage 23:

Ja, ich kann das ausschließen, denn viele meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozialministerium – so wie auch in anderen Ministerien – sind politisch engagiert. Es ist aber nicht und darf auch nicht die Aufgabe des Dienstgebers sein, ein politisches En­gagement, das in der Freizeit ausgeübt wird, zu bewerten.

Wenn sich Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in einem Wahlkampf befinden oder sich einer Kandidatur stellen, dann gilt § 18 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, der da lau­tet:

„Dem Beamten, der sich um das Amt des Bundespräsidenten oder um ein Mandat im Nationalrat, im Europäischen Parlament oder in einem Landtag bewirbt, ist ab der Ein­bringung des Wahlvorschlages bei der zuständigen Wahlbehörde bis zur Bekanntgabe des amtlichen Wahlergebnisses die erforderliche freie Zeit zu gewähren.“ Das Glei­che gilt auch für Vertragsbedienstete.

Zur Frage 24:

Der Behindertenanwalt ist weisungsfrei und hat sich überparteilich und unabhängig um die Belange der Behinderten zu kümmern. Der nunmehrige Behindertenanwalt war Vi­zekanzler, Bundesminister und Dritter Präsident des Nationalrates. Es wird daher öfter vorkommen, dass er von Journalisten zu politischen Betrachtungen aus seiner Sicht und auch zu seiner eigenen Meinung befragt wird. Dies geschieht aber nicht in seiner Funktion als Behindertenanwalt.

Gemäß § 13 c Abs. 1 Bundesbehindertengesetz ist der Behindertenanwalt zuständig für die Beratung und Unterstützung von Personen, die sich im Sinne des Bundes-Be­hindertengleichstellungsgesetzes oder der §§ 7a und 7q des Behinderteneinstellungs­gesetzes in der jeweils geltenden Fassung diskriminiert fühlen. Er kann zu diesem Zweck Gesprächsstunden und Sprechtage im gesamten Bundesgebiet abhalten.

Ich darf Ihnen vielleicht auch kurz berichten, was der Behindertenanwalt in seiner bis­herigen Tätigkeit von eineinhalb Monaten getan hat: Mag. Herbert Haupt hat seit Be­ginn seiner Tätigkeit als Behindertenanwalt Bürgersprechtage in folgenden Landesstel­len des Bundessozialamtes abgehalten: Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 102

Tirol, Vorarlberg und Kärnten. Am 14. und 15. Februar steht der Behindertenanwalt in den Landesstellen Steiermark und Salzburg den Bürgerinnen und Bürgern für ihre An­liegen zur Verfügung.

Auf Grund der positiven Resonanz und der Vielzahl von Vorsprechenden ist seitens der Behindertenanwaltschaft eine baldige Wiederholung der Bürgersprechtage im ge­samten Bundesgebiet vorgesehen.

Derzeit werden von der Behindertenanwaltschaft zirka 230 aktuelle Anliegen und An­fragen bearbeitet. Darüber hinaus hat der Behindertenanwalt spezifische Gespräche mit Spitzenvertretern der AUVA, des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, der Gerichtshöfe, der ÖBB, mit den Behinderten-Vertrauenspersonen und mit den gro­ßen Behindertenverbänden geführt.

Ich möchte bezüglich der Aussagen von Mag. Herbert Haupt, er werde alles dazu bei­tragen, dass das BZÖ im nächsten Parlament vertreten sein werde, noch einmal beto­nen, dass er diese Aussage nicht in seiner Funktion als Behindertenanwalt bezie­hungsweise in der Ausübung seiner Tätigkeit als Behindertenanwalt getroffen hat, son­dern als Privatperson, was auf Grund der Meinungsfreiheit jedem Menschen zusteht.

Obwohl für den Behindertenanwalt – im Gegensatz zu Volksanwälten – keine politische Funktion untersagt ist, hat Mag. Herbert Haupt sein Mandat als Abgeordneter zum Na­tionalrat per 25. Jänner 2006 niedergelegt.

Ich hoffe, dass ich die Fragen in Ihrem Sinne beantwortet habe und darf zum Schluss noch Folgendes anführen, was die Abrechnungen dieser Informationskampagne anbe­langt:

Die Zahlen, die ich Ihnen vorgelesen habe, sind Teilbeträge aus Teilabrechnungen. Die Abschlussrechnung wird nach Abschluss aller Teilabrechnungen erfolgen. Ich werde, um etwaigen Vorwürfen, die seit gestern oder vorgestern im Raum stehen, entgegen­zutreten, in meinem Haus jetzt zusätzlich die interne Revision beauftragen, die schon sehr gut gearbeitet hat, als der Auftrag vergeben und der Vertrag erstellt wurde. Ich möchte, dass die interne Revision jetzt auch zusätzlich all diese Teilbeträge prüft, um Vorwürfe dieser Art von meinem Haus und auch von mir als Sozialministerin fern­zuhalten. – Ich danke Ihnen. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie bei der ÖVP.)

16.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, in der die Redezeit jedes Redners beziehungsweise jeder Rednerin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Blatnik das Wort. – Bitte.

 


16.45.21

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Gospod president! Gospa ministrica! (Die Rednerin stellt eine Tafel aufs Rednerpult, auf der eine Seite aus dem „Kurier“ mit der Überschrift „Seid umschlungen, Millionen“ und einem Foto von Bundesministerin Haubner mit Landeshauptmann Dr. Haider zu sehen ist. – Heiterkeit im Saal. – Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das ist aber ein liebes Foto! – Ruf bei der SPÖ: Sie sind gut getroffen! – Die Tafel fällt vom Rednerpult. Die Rednerin stellt sie wieder auf.) – Ihr seht, wie schnell so etwas fallen kann.

Liebe Frau Ministerin! Sie haben von Informationen gesprochen. Das war die Informa­tion, die ich gestern beim Frühstück gesehen und gelesen habe, und ich glaube, dass diese Dringliche Anfrage deswegen so berechtigt ist, weil diese Information – ich rede von Information aus dem „Kurier“ – ganz genau zu analysieren und zu hinterfragen ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 103

Sie haben vor der Beantwortung der gestellten Fragen von der Vergangenheit gespro­chen, Frau Ministerin. Ich habe im „Kurier“ Mails gefunden, die Österreicher und Öster­reicherinnen an den „Kurier“ geschickt haben. Sie lauten wie folgt:

„Ja – es gab auch früher Missstände – aber einmal ganz ehrlich: Sind wir jemals so schamlos belogen worden, wie unter der Herrschaft des ‚schwarzen Riesen’ mit seinen blauen Orangen?“

Oder ein weiteres Mail – ich zitiere aus der Vergangenheit: „Alte Regierungen plauder­ten zwar nicht so viel über ‚anständige Leute’, sondern konnten mit dem Begriff ‚An­stand’ noch etwas anfangen!“ – Das sind Informationen von österreichischen Steuer­zahlern und Steuerzahlerinnen aus der Vergangenheit!

Wie am Anfang schon gesagt: Seid umschlungen, Millionen. – Das ist eine Information, eine Schlagzeile des „Kurier“. Es handelt sich dabei, wie vorher erwähnt, um 4,2 Mil­lionen €. – Das sind zirka 60 Millionen alte Schilling!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! 60 Millionen alte Schilling, ausgegeben für eine Info­kampagne der Frau Bundesministerin, 4,2 Millionen €, die von Steuerzahlern und Steu­erzahlerinnen bezahlt werden müssen – eine Informationskampagne „Zukunft soziales Österreich“!

Bei dieser Kampagne zieht sich der orange Faden durch. Man kann jetzt darüber strei­ten: Frau Bundesministerin! Haben Sie ein gelbes schönes Sakko an oder ein oran­ges? (Bundesministerin Haubner: Das ist ein oranges! Das habe ich bewusst ge­macht! Gelb passt mir nicht!) – Man kann darüber streiten. Ich weiß schon, wie das Orange zustande kommt. (Bundesrat Konecny: Es sind Gelbtöne drinnen!) – Gelbtöne sind drinnen, ja, das stimmt.

Sie haben widersprochen und dementiert, dass in dieser Informationskampagne Wahl­werbung und Wahlfinanzierung versteckt sind. Ich glaube, jetzt muss der Rechnungs­hof handeln. Der Rechnungshof, aber auch der Finanzminister und der Bundeskanzler müssten da handeln und das ganz genau klären, um diese Informationen so darzustel­len, wie sie sind und wie sie sein sollten.

Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es handelt sich hier auch um eine Informationskampagne, die Pensionisten und Pensionistinnen verunsichert. (Zwi­schenruf des Bundesrates Kritzinger.)

Es gibt eine Broschüre „Pensionsanpassung“. Ich zitiere wieder ein Mail – das sage ja nicht ich, das sagen die Österreicherinnen und Österreicher –:

„Ich als Pensionistin habe mich über den Erhalt dieses Folders mehr als aufgeregt. Noch dazu kam ja eine Woche später noch eine Berichtigung. Die Kosten für diese ‚Info’ hätte die Frau Minister den Pensionisten geben können. – Die hätten sich sicher­lich mehr als gefreut!“ (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. Bundesrat Kraml: Die kennen ihre eigenen Zahlen nicht einmal!)

Das ist ein Mail aus dem „Kurier“ und nicht meine Information, ein Mail von österreichi­schen Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen. (Bundesrat Höfinger: Die Steuerzahler ... Wirtschaftsprogramm der SPÖ!) Es ist einfach falsch: Die Anträge für die Befreiung von der Rezeptgebühr sind nicht bei der Pensionsversicherungsanstalt zu stellen, son­dern bei der Gebietskrankenkasse. (Bundesrat Konecny: Vielleicht hätten Sie das Ihre Beamten schreiben lassen sollen! Die kennen sich nämlich aus!) Das sind diese Pein­lichkeiten, die mein Kollege Albrecht Konecny zwar als solche bezeichnet, aber nicht explizit erwähnt hat. – Ich möchte sie erwähnen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 104

Eine zweite Peinlichkeit: Es wird den Pensionisten und den Pensionistinnen eine kos­tenlose Benützung öffentlicher Verkehrsmittel schmackhaft gemacht. – Falsch! Die Voraussetzung dafür ist, dass man blind, taub oder stumm ist.

Frau Ministerin! Sie haben Pensionisten und Pensionistinnen einfach getäuscht, und Täuschen ist leider gang und gäbe im BZÖ.

Eine weitere Information laut „Kurier“ – ich spreche nur von Informationen laut „Ku­rier“! –: Es handelt sich um eine Informationskampagne, die allgemein gehalten ist, wo es keine lückenlose Nachprüfung geben kann, eine Informationskampagne, die nicht wirtschaftlich, nicht zweckmäßig, aber auch nicht sparsam ist.

Sie haben vorhin widerlegt oder dementiert – und das betone ich noch einmal, weil es für mich ganz wichtig ist –, dass dahinter eine Parteifinanzierung des BZÖ versteckt ist. Ich erwarte, dass der Rechnungshof handelt. – So eine Information haben wir heute wieder im „Kurier“ bekommen. (Die Rednerin hält die Kopie einer Seite aus dem „Ku­rier“ in die Höhe, die den Titel „Ruf nach dem Rechnungshof“ trägt und auf der Oran­gen abgebildet sind. Bundesrat Bieringer: Sind das Tomaten oder Orangen?)

„Ruf nach dem Rechnungshof.“ – Auch ich bin der Meinung, dass da der Rechnungs­hof seine Arbeit aufnehmen soll, um zu klären, was da dahintersteckt. (Bundesrat Bo­den eine Ausgabe des „Kurier“ in die Höhe haltend, auf der das Foto in Originalfar­ben zu sehen ist : Ich kann es auch färbig zeigen! Das sind Orangen! Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie können dann ruhig herauskommen – es ist ja eine Dringliche An­frage –, und jeder, der informieren will, kann hier am Rednerpult die Kolleginnen und Kollegen informieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es handelt sich um eine Informationskampagne, die 4,2 Millionen € kostet. Die Steuerzahler und die Steuerzahlerinnen bezahlen dafür. Sie haben in Ihrer Beantwortungen gesagt, dass 1,2 Millionen € für die Kinderbetreuungs­kampagne verwendet werden. Wenn ich jetzt 1,2 Millionen € von den 4,2 Millionen € abziehe, bleiben 3 Millionen € übrig. Das sind zirka 42 000 S oder mehr. (Rufe bei der ÖVP: 42 Millionen!) Frau Ministerin! Was geschieht mit diesem Geld – konkret, detail­liert, direkt? (Bundesministerin Haubner: Das habe ich ja gesagt!) Zusammenfassend: Ich glaube, Aufklärung und Information, die richtig ist, ist gefragt.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) 

Wenn Sie das nicht verstanden haben (Bundesrat Bieringer: So ist es!), dann mache ich Ihnen einen Vorschlag im vereinten Europa, wo die slowenische Sprache Amts­sprache ist: Lernen Sie sie einfach! – Danke. – Hvala. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.55


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich erteile es ihm.

 


16.55.22

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube, es ist eine sehr berechtigte Diskussion, im Parlament darüber zu reden, was mit den öffentlichen Geldern passiert.

In diesem Zusammenhang ist es natürlich immer interessant, dass solche Gelder für Kampagnisierungen nicht falsch verwendet werden. 4,3 Millionen € sind nicht wenig Geld, sondern eine Menge. – Das ist ja heute bereits gesagt worden; das wären unge­fähr 60 Millionen Schilling.

Ich frage Sie: Was, schätzen Sie, gibt ungefähr der Presseinformationsdienst der Stadt Wien im Jahr aus? (Bundesrat Wolfinger: Ein bisschen mehr!) – Ich nenne Ihnen den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 105

letzten Voranschlag. Der Anfragesteller Professor Konecny – nicht Konecnik (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ) – kommt ja aus Wien.

Ich sage es Ihnen: Der letzte Voranschlag aus dem Jahr 2004 waren 20 Millionen €. Um korrekt zu sein: Der Voranschlag betrug 19,733 Millionen €. Allerdings ist, wie Sie ja wissen, der Voranschlag nicht das, was ausgegeben wird, sondern es wird immer ein bisschen mehr ausgegeben.

Was schätzen Sie ungefähr: Um wie viel ist dieser Voranschlag überzogen worden? (Bundesrat Kneifel: Nein!) – Ungefähr! Ein Tipp! 2 Millionen, 3 Millionen, 4 Millionen? Wer bietet mehr? – Ich gebe Ihnen die Antwort: Um 8,4 Millionen € ist der Voranschlag überzogen worden – kommentarlos überzogen worden! – (Bundesrat Kneifel: Nein! Das gibt es nicht! Da hast du dich verschaut! Das kann ich mir nicht vorstellen!)

Damit wir also die Dinge, über die wir da diskutieren, ins rechte Licht rücken: Wir müs­sen darüber diskutieren, was im Sozialministerium wie in jedem anderen Ministerium geschieht, aber das, was die Stadt Wien in einem Jahr überzieht – nur überzieht! – ist das Doppelte der Summe, von der wir hier sprechen, die die Frau Bundesministerin Haubner zu verantworten hat. (Bundesrat Boden: Das ist ja nur eine Kampagne! Was gibt das Ministerium fürs ganze Jahr aus? Bundesministerin Haubner: Das ist fast eine Jahreskampagne! Bundesrat Boden: Das kann man nicht vergleichen! Du ver­gleichst Äpfel mit Birnen!)

Darf ich Ihnen überhaupt zum Thema Kostenrechnung etwas sagen. – Ich fände es sehr freundlich – auch von der Frau Präsidentin –, wenn Sie mir zuhörten. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie ein bisschen ein Gefühl für die Kostenrechnung und die Bud­getierung der Stadt Wien haben: Es gab im Jahr 2001 für den Presseinformations­dienst einen Voranschlag von 21 Millionen. Der Rechnungsabschluss betrug dann 26 Millionen – okay, das sind auch 5 Millionen mehr, aber für Wiener Verhältnisse De­tails.

Da er dann im Jahr 2001 statt 21 Millionen 26 Millionen ausgegeben hat, hat man sich offensichtlich gesagt: Nächstes Jahr sparen wir! Der Voranschlag für 2002 betrug 15,3 Millionen. Man ist dann im Rechnungsabschluss ungefähr auf die 15 Millionen ge­kommen. Wie viel, glauben Sie, waren es genau? – Genau waren es 29,4 Millionen! (Heiterkeit bei der ÖVP.) – Das macht einen Differenzbetrag von 14 Millionen in einem Jahr! Man hat sich ein bisschen verkalkuliert. Wofür hat man einen Voranschlag? – Man kann ihn ja überschreiten.

Man hat den Voranschlag im Jahr 2002 um 14 Millionen überschritten. Wer hat eine Vermutung, was im Jahr 2002 war? (Bundesrat Dr. Kühnel: Nichts! Ah, schon: Natio­nalratswahlen!)  Wahlen! Wer glaubt, dass das nicht mit den Wahlen zusammen­hängt, bitte melden! – Denken Sie darüber nach!

Nächstes Jahr, Voranschlag 2003: Jetzt sparen wir endgültig – 19,7 Millionen! – Mhm!, nicht ganz ausgegangen! Rechnungsabschluss: 27 Millionen. (Wow-Rufe bei der ÖVP.)

So, und damit bin ich schon am Ende: Der Ausgangswert für das Jahr 2004 waren 19,7 Millionen – herausgekommen sind 28 Millionen.

Gut. Damit haben Sie eine Art Einführung darüber, was Sie von einem Voranschlag der Stadt Wien, speziell der sozialdemokratischen Stadtregierung, halten können.

Frau Kollegin Blatnik! Ich kann Ihnen das auch immer in Schilling übersetzen: Allein in diesen vier Jahren sind 111 Millionen € ausgegeben worden! Sie haben vorhin gesagt: 60 Millionen Schilling! 1 500 Millionen Schilling hat allein der Presse- und Informations­dienst ausgegeben!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 106

Aber man muss ja langfristig planen. So hat die Gemeinde Wien, die MA 53, im Juni 2005 für die nächsten 10 Jahre einen Vertrag für die Medienarbeit abgeschlossen, und zwar in Höhe von 263 Millionen €. – Für Frau Kollegin Blatnik eine Hochrechnung in Schilling: ungefähr 3 600 Millionen Schilling.

Und da wird natürlich allerhand informiert, gar keine Frage. Da ist auch die Auslands­kommunikation dabei. – Übrigens – interessant, weil von Ihnen immer wieder zitiert in diesem Zusammenhang – hat der Rechnungshof bereits im Jahr 1998 diese Kosten für die besagte Auslands-PR kritisiert. Aber das ist hier offensichtlich nicht so sehr von Interesse.

Und wie der Kollege Konecny sehr richtig gesagt hat, ist es ja die parlamentarische Aufgabe, dass man sehr konkrete Fragen stellt und dass man auf diese sehr konkreten Fragen dann gerne sehr konkrete Antworten hätte. Die Wiener ÖVP – Sie wissen: eine Oppositionspartei in Wien (Bundesrat Boden: Minderheit!), eine Minderheit, aber wir wollen auch Minderheiten schützen (Bundesrat Boden: Hoffentlich!) –, die Wiener ÖVP ist natürlich eine Oppositionspartei, die kritische Fragen stellt, die einfach den Bürgermeister befragt. So geschehen im Juni 2005.

Und ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen. Sie können sich vorstellen, wir können das in der Wiener ÖVP auch so machen wie die SPÖ, nämlich: 17 Fragen stellen. Ich nehme aber nur eine heraus.

Die erste Frage war: Welche genauen Kosten sind jeweils in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2005 durch Inserate der Stadt Wien in diversen Printmedien entstanden? –Und dann haben wir uns noch getraut, einen Klammerausdruck hinzuzufügen: Wir hät­ten das gerne aufgeschlüsselt nach Werbeeinschaltung unter Nennung des Printmedi­ums, dessen Ausgabedatum, konkreter Auftraggeber, Einschaltung des Themas, Inhalt und Kosten. – Gut.

Die Beantwortung dieser Anfrage ist dem Bürgermeister nicht sehr dringlich erschie­nen; jedenfalls gab es bis September keine Beantwortung dieser Frage. Jetzt könnten wir sagen: Mein Gott!, man könnte den Bürgermeister ja auch einmal erinnern und sagen: Geh bitte, Bürgermeister (Bundesrat Wiesenegg: Die Bürgermeister sind alle gleich!), du hast vergessen, was zu beantworten! – Und das haben wir auch getan. Vom 29. September an haben wir dann bis Ende Oktober den Bürgermeister mit einem „Guten Morgen, Herr Bürgermeister!“ jeden Tag per Presseaussendung erinnert, dass es sehr freundlich wäre, wenn er diese Frage einmal beantworten würde, und wir ha­ben uns sogar – ich habe nachgeschaut – jeweils einen unterschiedlichen Pressetext einfallen lassen, um den Bürgermeister immer wieder zu erinnern, damit ihm nicht langweilig wird. (Bundesrat Reisenberger: Harry, was hat denn das gekostet, diese „Guten Morgen!“-Fragen? Muss einen Batzen Geld gekostet haben!)

Auf jeden Fall hat er gegen Ende der Periode gesagt, na ja er hat zwei Anfragen wäh­rend der Periode nicht beantwortet, und es war eine von zwei, die er vergessen hat. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Gut. Es hat die nächste Periode begonnen. Es waren dann etwas andere Abgeordnete, aber wir haben wieder die gleiche Frage gestellt, die ich Ihnen zuvor genannt habe. Wir haben nicht die gleichen 17 Fragen gestellt, aber unter anderem: Welche genauen Kosten sind in den Jahren 2002 bis 2005 durch Inserate der Stadt Wien in diversen Printmedien entstanden? – Und es kam die Antwort vom Herrn Bürgermeister (Bun­desrätin Bachner: Na bitte!): Der PID hat in den Jahren 2002 bis 2005 rund 6 000 Ein­schaltungen in bis zu 400 Printmedien auf eigene Rechnung oder anderer Abteilungen beauftragt. – Zitatende. (Heiterkeit bei der ÖVP.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 107

Und jetzt, bitte, Betriebswirte und alle Controller dieses Landes zuhören: Schon an­hand dieser großen Zahl sieht man, dass der administrative Aufwand der Aufschlüsse­lung all dieser Beauftragungen im gewünschten Detaillierungsgrad nicht gerechtfertigt ist. – Zweites Zitat. (Neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP.)

Was lernen wir daraus? – So viel Geld kann man nicht aufschreiben, das kann man nur ausgeben! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Mitterer.)

Und damit Sie sehen, was „Direct Marketing“ der Stadt Wien ist: Da bekommen Sie in alle Haushalte ein Bezirksblatt, völlig unabhängig; da kommen die unterschiedlichen Stadträte, Schicker und Sima und so weiter, vor. (Bundesrat Boden: Das Thema total verfehlt!)

Dann haben Sie den „Eistraum“; da kommen auch die Stadträte vor. (Bundesrat Ko­necny: Kollege Himmer! Das ist nicht nur die Gemeinde Wien!)

Und, weil wir es heute schon gehabt haben: Es gibt zum Beispiel auch „Hund und Katz“. – Ich hab’ noch nicht geschaut, ob Ihr Hund (in Richtung Bundesrat Wiesenegg) da auch drinnen ist (lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer), weil ich nicht jede Ausgabe lese. Aber es sind dann zum Teil natürlich auch nicht SPÖ-Mandatare drinnen, zum Beispiel ein Kommerzialrat Wolfgang Schimböck, der Geschäftsführer der ZK Messen und Kongresse (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer), der in „Hund und Katz“ – & Co – ganz „objektiv“ als Geschäftsmann darüber informiert, wie sich auf den Messen die unterschiedlichen Ge­nerationen treffen können.

Und dann haben Sie „Wien aktuell“, und dann haben Sie eigene Medien auch für die Mitarbeiter der Gemeinde. Ein kleiner Fauxpas ist passiert beim Kursprogramm, wo auch unser ehemaliger Kollege, der Michael Ludwig, ein sehr kluger Bursche – wer ihn kennt, weiß das – , der Chef des – wie heißt das bei euch?– Bildungswerks, oder ist das bei den anderen?, gleich auf der zweiten Seite mit der Grete Laska drinnen ist, aber die Farbe: in Blau! Ich muss sagen: Ein Fauxpas! (Heiterkeit bei der ÖVP), aber zeigt ein bisschen auch einen Hang zu einem Schuss Objektivität.

Und wenn Sie zum Beispiel in dieser Stadt joggen, dann bekommen Sie auch das rich­tige Magazin „Laufen in der Stadt“ – Laufen für Fortgeschrittene, also nicht für Anfän­ger, sondern für richtige Profis. Und wer kann Ihnen das erklären? – Natürlich nur die Frau Stadträtin Grete Laska: Laufen für Fortgeschrittene.

Und damit komme ich eigentlich zum Schluss meiner Rede. Nur eine kleine Quizfrage noch: Was glauben Sie, welche Farbe hat das Shirt der Läuferin daneben? (Bundesmi­nisterin Haubner: Orange!) Grün, orange, schwarz – oder doch rot? (Lebhafter Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

17.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich er­teile ihm das Wort. (Rufe bei der ÖVP in Richtung des sich zum Rednerpult begeben­den Bundesrates Schennach. – Bundesrat Kneifel: Sie haben es jetzt wirklich schwer!)

 


17.08.33

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Danke für das Mitgefühl, Kollege Knei­fel! (Heiterkeit.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Lieber Harry Himmer, was wolltest du uns jetzt 20 Minuten lang hier sagen? (Bundesrat Stadler: Fasching!) Nein, Fasching war es nicht! Ich bin ja nebenbei auch Lehrer. Kollege Schnider, wir werden uns nachher zusammensetzen und überlegen, wie man so etwas nach der PISA-Stu­die bewerten sollte. Ich würde sagen, Harry Himmer hat zeitlebens wahrscheinlich im


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 108

Deutschunterricht unter Themenverfehlung gelitten, aber in der humoristischen Darstel­lung und Redestärke einen Einser. Ein Einser und ein „Nicht genügend“ ist ein Dreier; er hat somit durchaus die Rede bestanden. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Aber die The­menverfehlung war schon einigermaßen gravierend. Okay. Ich weiß ja, die ÖVP macht das hier seit jeher. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Nein, Herr Kühnel, Sie sind auch so ein Pawlow’scher Reflexmensch. Lassen wir die Pawlows zu Hause!

Lieber Kollege Himmer! Jedes Mal, wenn wir Missstände im Rahmen der Bundesregie­rung besprechen, bekommen wir hier eine Wiener Gemeinderatssitzung oder Land­tagssitzung „verpasst“. Ich finde das sehr interessant. Es könnte das bei Ihnen die Sehnsucht sein, dass Sie unser Haus sehr bald verlassen möchten, aber das Wahl­ergebnis dazu nicht ausgereicht hat. Aber es werden noch andere Zeiten kommen, und vielleicht ist dann ein Einzug in den Wiener Landtag möglich. Dann haben Sie alle diese Möglichkeiten.

Aber, Herr Kollege Kühnel, Sie wissen es ja auch, und vor allem Sie müssten es ja besser wissen – ich meine, ich bin ja auch in Opposition in Wien und weiß etwas; ich weiß zumindest, was der PID für Leistungen erbringt –, Sie müssten wissen, dass der PID ja nicht nur Presse- und Informationsdienst alleine ist. Wenn Sie, Kollege Kühnel, etwa nur an die Flächenwidmungen, die aufgelegt werden, denken, und das sind dutzende pro Monat: Die gehen an jeden Haushalt, der davon betroffen ist, und all das wird finanziert über den PID. Wenn irgendwo eine Ausstellung über eine Neugestaltung einer Fußgängerzone ist oder was auch immer – es wird vom PID bezahlt.

Dass hier aus oppositioneller Sicht natürlich auch Fragen zu stellen sind, ist ja nicht von der Hand zu weisen, und das tun wir ja auch. Aber wir tun es auch auf Bundes­ebene, und da war Ihre Rede ein Blinder Fleck – oder ein schwarzer Fleck. Dabei müssten Sie sich eigentlich von Seiten der ÖVP doch etwas gekränkt fühlen, wenn Sie hören, dass über eine gigantische Kampagne der Hinweis von der Frau Bundesminis­terin kommt: Na ja, irgendjemand im Kanzlerbüro wird ja wohl die „Wiener Zeitung“ lesen! Da steht drinnen, dass wir gerade dabei sind, 4,2 Millionen € auszugeben.

Ich weiß nicht: Ist das so? Was macht man denn eigentlich in der Ministerratssitzung? Informiert man nicht, wenn solche Schlüsselkampagnen in solchen Summen – in sol­chen Summen! – anstehen? Ist das ein Nullthema? Nein, da muss man in der „Wiener Zeitung“ nachlesen, was ein Ressort um derartige Summen unternimmt! – Aber gut.

Wir könnten das ja einmal insgesamt betrachten: Seit Schwarz-Blau mit orangen Ein­sprenkelungen übernommen hat, stehen derzeit ungefähr eine halbe Milliarde Euro zu Buche – das ist eine ganz schöne Summe! –, eine halbe Milliarde Euro, die verwendet wurden – man kann es jetzt genau aufschlüsseln –  etwa für sündteure Beraterver­träge. Übrigens nehme den Herrn Grasser jetzt einmal noch auf die andere Seite, denn er war ja ganz besonders in den ersten Jahren für diese sündteuren Beraterverträge verantwortlich. Allein 10 Millionen € hat er gebraucht, dass er extern beraten wurde, wie er die BIG am besten verscherbelt, unterpreismäßig also. Und die verschiedenen PR-Kampagnen sind in einer ähnlichen Höhe. Wir halten derzeit bei einer halben Milli­arde.

Wer es überbieten mag, ist dazu aufgefordert. Unterbieten werden Sie dieses Ver­prassen und diese Geldverschwendung, die seit dieser Regierungsbildung damals die zwei Regierungen unter Schüssel zu verantworten haben, nicht. Sie werden sie nicht unterbieten: diese sündteuren externen Beraterverträge, PR-Verträge, diese so ge­nannten Informationskampagnen.

Kommen wir aber jetzt zur Frau Bundesministerin, denn sonst muss sie auch noch für den Herrn Bundesminister Grasser hier Rede und Antwort stehen. Das wollen wir nicht. Es genügt ja eigentlich das, was auf dem Tisch liegt. Ich habe mich immer schon ge-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 109

wundert, was Jörg Haider bei der BZÖ-Gründung mit folgendem Satz gemeint hat: Wir finden momentan das Auslangen mit dem Apparat der Regierungsmitglieder! (Hört-Hört-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Bachner: Was steckt da dahinter?) Da fällt mir eigentlich nur eine klare Antwort ein, nämlich er meinte: Machen wir doch alles über unsere Ministerbüros! Wir verlieren die Wahlen, unsere Kassen sind leer, aber dort können wir das ja wohl hineinbuttern!

Ich habe im Wiener Wahlkampf einen BZÖ-Stand gesehen, und der Kollege vom BZÖ hat mich gebeten, mit ihm zu reden; er war ganz alleine. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Ich habe mir angeschaut, was der Kollege vom BZÖ im Wiener Wahl­kampf hergibt: Es war ein Druckwerk aus dem Ministerium Gorbach, mit Ministerium und allem drauf – und übrigens auch dieses gelbe Orange, dieses Pantone-Gelb, das allerdings sehr durchzogen ist von einem orangen Hauch, sodass man es eigentlich aus der Ferne gar nicht mehr anders als eben als Orange sehen kann –, und es stand da in Gelb und Orange: Wie kommen junge Wiener zu einem Führerschein? Eigentlich eine völlig „nebbiche“ Geschichte, aber das war das Einzige, was dieser Herr in seinem Körberl hatte. In diesem Körberl waren Orangen und die Information über den Führer­schein, gehalten in der Farbe, die auch die Frau Bundesministerin für ihre Aussendung oder für ihre Kampagne verwendet.

Bitte, das heißt: Wir finden momentan das Auslangen mit dem Apparat der Regie­rungsmitglieder! Das und nichts anderes heißt es! Schauen Sie die Homepage der Re­gierung an: Das ist eine Orgie in Orange! Schauen Sie, da drüben ist gerade ein Lap­top, auf dem das zu sehen ist!

Ich kann mir ja vorstellen, wie diese Ausschreibung erfolgt ist. Es gibt ja so schöne Wörter, Kollege Himmer. Sie werden ja wissen, was ein Mehrwert ist oder was eine Umwegrentabilität ist? Und bei diesem Briefing hat man natürlich geschaut – übrigens ist der Vorsitzende dieser ganzen Briefing-Geschichte, wie Sie es ja hoffentlich bestäti­gen werden, der heutige Kabinettschef Ihres Staatssekretärs Dolinschek –: Wie könnte man denn da eine gewisse Umwegrentabilität zustande bringen, damit das, was wir hier machen, nämlich: Wir finden momentan das Auslangen mit dem Apparat der Re­gierungsmitglieder!, auch wirklich spruchreif wird? Und das geht natürlich einmal in die Werbelinie. Der Slogan ist ja nicht „ohne“: vom „Bündnis Zukunft Österreich“ zu Ihrem Slogan „Zukunft soziales Österreich“, „Zukunft Österreich“. Das wirkt so, als ob es voll eingeschlagen hätte.

Was bedeutet außerdem: Farbe einer Kampagne und eines Ministeriums? Ich denke, alle unsere Ministerien haben eigentlich die eine Farbe, und die ist eigentlich Rot-Weiß-Rot und nicht irgendwelche anderen Farben. Wenn wir jetzt anfangen, je nach­dem, wie der Minister oder die Ministerin eines Ministeriums ist, das CI umzufärben, dann verschwenden wir eigentlich eine Menge Geld, das die Menschen für die realen Dinge bräuchten. (Beifall der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

Frau Bundesministerin! Sie haben erklärt, das sei eine Informationskampagne. Es geht ja hier um die sieben Richtlinien. (Heiterkeit des Bundesrates Mayer.) – Sie haben einen lustigen Tag heute, Kollege Mayer, nicht? (Heiterkeit.) Sie sind auf einer rosa Wolke oder wo auch immer, aber das ist in Ordnung. Es ist ja schön, wenn Kollegen einfach einen fröhlichen Tag haben.

Die Frage ist: Hält das, was die Frau Bundesministerin da getan hat – wir sagen, es ist eine versteckte Parteienwerbung und keine Informationskampagne –, dem Rechnungs­hof stand? Der Rechnungshof hat; weil es seit 2000 unerträglich war mit den Werbe-Geschichten der Ministerien, extra sieben Richtlinien erlassen. Und es steht einfach hier der Verdacht im Raum, dass das mit Sicherheit nicht diesen sieben Richtlinien entspricht.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 110

Darf ich Ihnen einmal so etwas vorlesen, eine Kampagne in Orange: Bin ich ein Wunschkind?, fragt das erste Kind. – Ja, mein Schatz, du bist ein Wunschkind!, ant­wortet die Mutter. Bin ich auch gewünscht?, fragt das zweite Kind. – Du natürlich auch. – Und ich? – Und die Mutter blickt auf zwei weitere ihrer insgesamt fünf Kinder: Ihr seid alle unsere Wunschkinder.

Das ist der Wunschkind-Spot des Sozialministeriums. Was will es uns damit sagen? (Bundesministerin Haubner: Mehr Kinder! Europa braucht Kinder!) Sind wir jetzt auf Mutterkreuztour oder was? Fünf Kinder ist das Ziel – interessante Sache! Aber, bitte, was ist daran Information? Was ist daran Information? Ich sehe daraus keine Informa­tion. (Bundesrat Boden: Meidet Discos!) Information wäre: Wo bekomme ich was und wie? Aber das ist irgendwie eine subtile Sache: Bist du vielleicht keine gute Mutter, wenn du nicht mehr als drei Kinder hast? Ich weiß es nicht! Aber das ist das, was wir auch in diesen Spots sehen. Und da ist die Frage: Was ist das?

Das Nächste: Sie brauchen den Pensionisten nicht mitteilen – ich meine, die Falschin­formation des Folders ist ja sowieso Sonderklasse; und dafür geben Sie 4,2 Millionen € aus! –, dass sie ab sofort öffentlich gratis fahren dürfen, und dann schicken Sie ihnen noch einmal hinten nach, dass das eigentlich nicht wahr ist. Das ist ja eine Veräppe­lung jener Leute, um die eigentlich diese so genannte Informationskampagne gegan­gen wäre!

Frau Bundesministerin! Sie sind noch eine Reihe von Antworten auf Fragen schuldig, die Sie heute in der Form nicht ausreichend erhellt haben. Hinsichtlich der Ausschrei­bung und hinsichtlich der Abrechnung stehen eine ganze Reihe von Fragen im Raum. Sie sagen, Sie hätten 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus. Es gibt massive Andeutungen aus Ihrem Haus, dass manche Beamten und Beamtinnen bereits großes Bauchweh damit haben.

Das heißt: Stellen Sie sich diesen Fragen! Ich hoffe, dass die Spitze des Rechnungs­hofes da nicht eine falsche Mauer macht, sondern dass der Rechnungshof nun diese neuerliche Kampagne – Werbekampagne oder wie auch immer – nach seinen eigenen sieben Richtlinien bewertet und anschaut und dass nicht nur eine hausinterne Kontrolle durchgeführt wird.

Das wäre es, das erwarten wir. Und bitte verwenden Sie das Geld in Zukunft dort, wo es tatsächlich brennt, und nicht für einen solchen Schabernack, hinter dem sich natür­lich eine parteipolitische Werbekampagne abzeichnet! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.21


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


17.21.39

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Die Diskussion, die wir heute führen, ist ja nicht uninteressant, sondern, wie ich glaube, sehr sinnvoll. Und wenn die Frau Bundesministerin herkommt und be­reit ist, ihre ganze Verantwortung offen zu legen und ihre Leistungen kundzutun, dann bin ich davon überzeugt, dass wir eigentlich aufmerksam sein und der Bundesregie­rung Dank zollen sollten. (Bundesrat Reisenberger: Ja, freilich!)

Lieber Kollege, es gibt sehr vieles, was in der letzten Periode getan wurde. Vor allem viele sozial bedürftige Österreicher sind sehr froh, nicht die Herren Bundesräte und nicht die Herren Nationalräte, sondern es gibt bescheidene Österreicher, die dankbar für jede Verbesserung sind. (Bundesrat Reisenberger: Wenn sie es kriegen würden! Das ist das Problem!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 111

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Behindertenmilliarde – was habt ihr im Parlament geschimpft, trotzdem zugestimmt, und wir sind alle sehr froh, dass es die Bundesregierung ermöglicht hat, dass 1 Milliarde freigegeben wurde, um sozial bedürf­tigen Menschen in vielen Bereichen helfen zu können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

Viele Hunderte Vereine haben Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Wir sind sehr froh darüber. Siehe die Entschließungsanträge in der XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates. Ich werde versuchen, Ihren Kollegen etwas mitzuteilen. Der Entschlie­ßungsantrag 561 der Abgeordneten Mandak, Freundinnen und Freunde betreffend No­vellierung des Mutterschutzgesetzes hinsichtlich der Einführung der Informationspflicht des Arbeitsgebers über das Ende der arbeitsrechtlichen Karenz sowie der Entschlie­ßungsantrag 324 der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Heidrun Silhavy und KollegIn­nen hinsichtlich des Kinderbetreuungsgeldes. Aber auch zahlreiche Presseaussendun­gen verschiedener Institutionen fordern verstärkte Informationsmaßnahmen der Bun­desregierung für die Eltern.

Seitens der Opposition beziehungsweise von diversen Einrichtungen wurde in vergan­genen Jahren beanstandet, dass die Bevölkerung zum Thema Kindergeld zu wenig in­formiert sei. So stellte beispielsweise die Arbeiterkammer am 12. Mai 2005 fest, dass Mütter und Väter in Elternkarenz Beratung und Information bräuchten, und zum Thema Wochengeld forderte die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Mandak, am 26. April 2005 Information für betroffene Frauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was wollen wir? – Die Leute, die es nicht brauchen, finden nämlich eher zu den besagten Stellen als jene, die es wirklich brau­chen. Das ist eine bekannte Weisheit! Ein Bürgermeisterkollege aus Tirol hat heute seine Argumentation eingebracht, die ich voll inhaltlich unterstütze. Die Probleme, mit denen wir Bürgermeister konfrontiert werden, kennen Sie, die nicht Bürgermeister sind, nicht! Das, meine Damen und Herren, sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen! (Bun­desrätin Mag. Neuwirth: Entschuldigung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, seien wir froh, dass neun Bürgermeister hier anwe­send sind! Heute sind von Frau Bundesministerin Haubner Broschüren gezeigt worden. Ich habe eine Broschüre, die heute zufällig in meiner Tasche ist, weil ich sie lesen wollte. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Zufällig!) – Ich habe ja nicht gewusst, dass ihr heute einen Dringlichen Antrag einbringt! Das wollte ich lesen, ich wollte mit dem Zug fahren, aber ich habe mich verspätet und bin nicht mit dem Zug gefahren. Eine sehr in­teressante Broschüre, die an alle verschickt wurde. Passt auf! Kinder brauchen Liebe und so weiter, jeder weiß, was damit gemeint ist. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Diese Broschüre zeigt auf 25 Seiten 25 verschiedene Probleme! Es ist für alle, die es brauchen, etwas dabei. Das ist, so denke ich, ein Beweis dafür – es ist nur ein Heft, solche Hefte haben wir ja viele bekommen –, dass das notwendig ist; das wissen wir.

So, meine Damen und Herren, und jetzt komme ich zu einer Aussage von Frau Bun­desministerin Haubner. Ein Drittel des gesamten Budgets wird für soziale Leistungen in Österreich verwendet. Wir sollten glücklich sein darüber, dass wir in der Lage sind, diese Leistungen überhaupt durchzuführen! Kaum ein Staat der Welt ist weiter oder besser in der Lage als wir Österreicher. Das war Leistung, das war Fortschritt, da ha­ben wir alle mitgearbeitet – und wir sollten daher alle dankbar sein!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat Folgendes erhöht: Mittel zur Bekämpfung der Armutsgefährdung, den Ausgleichszulagensatz, Mittel für die Pflegevorsorge, das Pflegegeld, Mittel für Familienleistungen, Kinderbetreuungs­geld, Gesundheitsleistungen, Mittel für den Konsumentenschutz, Mittel für Pflegeange­legenheiten, für Vereine, für das Veterinärwesen, für die Alterssicherung, für Frauen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 112

Schülerfreifahrten, finanzielle Zuwendungen für „Trümmerfrauen“, und so weiter und vieles mehr. Wie sollten wir das den Leuten erklären?

Frau Bundesministerin Haubner, ich würde sagen, diese Mittel, die für diese Informa­tion, die für PR aufgewendet wurden, sind gut angelegte Mittel. (Bundesrat Stadler: Überhaupt für falsche Information!) Man sollte verstärken, dass die Mittel dort hinkom­men!

Zu Herrn Kollegem Konecny. – Er ist jetzt nicht da, aber ich muss trotzdem etwas sa­gen. Er hört wie immer meine Reden mit, kommt dann sehr aufmerksam herein und weiß über alles Bescheid. Aber jetzt passt auf! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Küh­nel.) – Ja, wahrscheinlich. – Kollege Konecny spricht nämlich von Mittelabzweigung, Parteifinanzierung ohne Zuordnung durch die Frau Sozialminister.

Zur Medienkritik: Medien sind in Österreich derzeit jene, die eigentlich nicht das tun, was sie tun sollten. Ich denke, das sehen wir alle so. (Heiterkeit des Bundesrates Stad­ler. – Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) Da, so denke ich, sind wir uns alle einig, was die Medien in Österreich machen! Wenn unsere großen Redakteure in den vergangenen 60 Jahren nicht besser gewesen wären, hätten wir heute nicht den Wohl­stand, den wir haben. Diese haben alle mitgeholfen! Sie haben das Positive geschrie­ben, sie haben das Beste in den Medien gebracht und uns nicht gegenseitig ausge­spielt! Das ist das Problem von heute.

Jetzt komme ich zu einem Beispiel: Der „trend“, der ja allen bekannt ist, schreibt am 11. November 2005 – hoch interessant! –: „Hilflosigkeit ist ein Hilfsausdruck“ bei der SPÖ. Der Unsinn, der im Zusammenhang mit dem verlustig gegangenen 425-Millio­nen-Euro-Kredit der BAWAG von den Eigentümern zu hören war, tut weh.

Und da geht es weiter: 4 177 Schilling oder 303 € Verlust für jeden der 1,4 Millionen Mitglieder des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.

Das wird nicht geschrieben! Bescheiden! (Bundesrat Reisenberger: Das stimmt ja nicht! Das ist eine Falschinformation! Das hast du schon zum zweiten Mal gelesen! Das stimmt nicht! Das hat die „Presse“ so geschrieben!) – Da, bitte schön. Kümmert euch einmal um diese Sachen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

So geht das jedenfalls weiter! Im Übrigen: 425 Millionen, das ist nur ein Viertel des Schadens aus der „Konsum“-Pleite; viele andere Pleiten könnte man da auch noch auf­zählen.

Daher, meine Damen und Herren von der Opposition, tun Sie doch nicht immer drama­tisieren! Man sollte nicht dramatisieren, sondern für Österreich arbeiten! Frau Bundes­ministerin Haubner, wir bitten Sie, in dieser Bundesregierung auch weiterhin für Öster­reich zu arbeiten! (Bundesrat Boden: Nur mehr bis in den Herbst!) Die Österreicherin­nen und Österreicher brauchen diese Unterstützung, sie sind sehr dankbar dafür – und sie werden heuer noch die Möglichkeit haben, den Dank in der Wahlzelle auszuspre­chen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.30


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Kersch­baum – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es ist ja schon so viel gesagt worden!)

 


17.30.57

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin Haubner, Sie haben vorhin erklärt, dass es früher, und zwar unter einer SPÖ-Regierung, noch viel schlimmer gewesen sei. Sie wollten


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 113

aber nicht näher ausführen, „wie schlimm“ das war, sondern haben nur beiläufig er­wähnt, dass damals niemand mehr mit der Bahn gefahren sei. – Da möchte ich jetzt schon die Frage stellen, ob eine ÖBB-Werbung vergleichbar ist mit dem, was Sie da jetzt an Broschüren unter die Leute bringen. Es stimmt schon, das ÖBB-Logo war auch rot – und es wundert mich, dass es noch immer rot ist, denn eigentlich habe ich in letzter Zeit erwartet, dass es blau oder orange wird. Das ist jedoch nicht passiert; das freut mich jedenfalls.

Trotzdem, Frau Bundesministerin Haubner: Ich glaube, dass man das wirklich nicht vergleichen kann mit dem, was da jetzt an Farbenspielen seitens Ihres Ministeriums geschieht.

Auch Herr Kollege Himmer hat uns erläutert, dass es im roten Wien in Wirklichkeit nicht anders beziehungsweise sogar noch viel schlimmer sei. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Bei den Roten haben Sie offensichtlich auch ganz schön „gestän­kert“, wenn ich mir so anschaue, was an Presseaussendungen und „Erinnerungen“ an den Herrn Landeshauptmann Häupl losgelassen wurde. Also Ihrer Ansicht nach darf man zwar der SPÖ gegenüber stänkern, anderen gegenüber jedoch nicht, denn dann betrachten Sie das offensichtlich als „Majestätsbeleidigung“! (Bundesrat Mag. Himmer: Freundlich! Guten Morgen, Herr Bürgermeister!)

Im Wiener Wahlkampf hat es dann auch noch so interessante Plakate gegeben; diese haben mir auch von der Farbe her sehr gut gefallen, aber gleich daneben gab es auch andere Plakate, wobei ich mich noch genau daran erinnere, dass Ihr Foto drauf war. Ich weiß nicht mehr genau, welche Information da dabei war, jedenfalls: Diese Plakate haben haargenau gleich ausgeschaut wie die Wahlplakate des BZÖ.

Das solche Ausgaben „zufälligerweise“ in zeitlichem Zusammenhang mit Wahlen ste­hen, ist nicht zu übersehen, ist schon sehr auffällig. Sie, Frau Bundesministerin Haub­ner, haben zuvor gesagt, dass Sie jetzt über die letzten fünf Jahre Ihrer „intensiven Arbeit“ informieren. – Meine Frage: Warum informieren Sie erst jetzt – und haben das die letzten fünf Jahre nicht gemacht? Jetzt, im Wahljahr? (Bundesministerin Haubner: Ich bin seit einem Jahr Ministerin!)

Das Ministerium könnte vorher auch informieren, daher: Warum informiert man jetzt vor den Wahlen – und hat das nicht durchgehend in den letzten fünf Jahren gemacht? Aber da hatten Sie wahrscheinlich für Information keine Zeit, sondern das geht erst jetzt vor dem Wahlkampf – oder? (Bundesministerin Haubner: 2005 ist so viel pas­siert!)

Da Sie, Frau Bundesministerin, gesagt haben, diese Farbe sei nicht orange, sondern gelb: Während des Wiener Wahlkampfes hat die Farbe, die dieses Logo hatte, wirklich zum Verwechseln mit dem auf BZÖ-Plakaten ausgeschaut. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Bundesministerin Haubner: Grün ist auch dabei!) – Ja, grün ist auch dabei. Grün lässt sich offensichtlich nicht verhindern; es ist ja auch die Rückseite der neuen ÖVP-Wahlfolder ziemlich grün geworden. Die Farbe Grün nimmt jede Partei immer gern. (Ruf bei der ÖVP: Die Farbe kann nichts dafür!) 

Zum Informationsgehalt dieser angesprochenen Werbematerialien, die da ins Haus flattern, wobei ja Herr Himmer vorhin in Zweifel gezogen hat, ob der Informationsgehalt der seitens der Stadt Wien ausgesendeten Werbematerialien groß sei. Das einzige, was ich auf der Homepage des Bundesministerium für Soziales gefunden habe – ich persönlich habe ja diese Folder nicht bekommen; ich bin keine Pensionistin und habe auch zum Glück auch keine anderen Folder gebraucht ... (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Haubner.) Behindert bin ich zum Glück auch nicht. Kinder habe ich schon; ich weiß daher nicht, warum ich diesen einen Folder nicht bekommen habe.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 114

Zum Informationsgehalt von „Nachrichten aus der Zukunft“. Sehr „informativ“ finde ich natürlich, dass es ab 1. Jänner 2006 Pensionsanpassungen gibt. Wer hat das in Öster­reich vorher nicht gewusst?! Und der Header „Je fairer die Pension, desto höher die Bewegungsfreiheit“ sagt natürlich auch „sehr viel“ aus.

Selbstverständlich bin ich mir dessen bewusst, dass Information heutzutage eigentlich nur mehr relativ plakativ verkauft werden kann, aber der „Informationsgehalt“ dieses Folders ist wirklich ... (Bundesministerin Haubner: Da ist die Telefon-Nummer!) – Dass die Telefon-Nummer die eigentliche Info ist, das muss man wirklich extra dazusagen.

Zusammenfassend: Ich meine, das ist schon sehr verwechselbar, und man sollte sich auf jeden Fall einmal genau anschauen, wie weit es da um Information – oder doch eher um Werbung geht. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Vilimsky. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.35.13

Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Schade, dass Kollege Himmer jetzt nicht da ist, denn es wäre schon sehr verlockend, auf seine Ausführungen hier zu replizieren. Kollege Himmer hat jedenfalls in einer guten, in einer humorvollen und in vielen Passagen richtigen Art und Weise die Gebarung der Bundeshauptstadt Wien thematisiert, was er allerdings nicht gemacht hat, ist, zurückzublicken auf die Jah­re 1996 bis 2001, wo die kleine ÖVP-Wien Teil der Wiener Stadtregierung war und sich in dieser Zeit sozusagen schadlos gehalten hat an öffentlichen Mittel, und zwar so, wie das bis dahin noch nie der Fall gewesen ist.

Ich erinnere mich noch gut an den Wahlkampf 2001, wobei damals ein Sonderbudget des Presse- und Informationsdienstes zwischen Rot und Schwarz vereinbart wurde, um mit diesem Sonderbudget – es ging damals um rund 250 Millionen Schilling – in Farbmagazinen und Tageszeitungen Werbung für Wiener Stadträte zu betreiben. Damit sollten deren „glorreiche Leistungen“ präsentiert werden, glorreiche Leistungen, die diese offensichtlich fünf Jahre lang vorher nicht der Öffentlichkeit darstellen haben können.

Kollege Himmer wäre jedenfalls gut beraten – vor allem, da er in einem so brüchigen Glashaus sitzt –, nicht mit Steinen zu werfen. Und was er auch nicht machen sollte: ein Unrecht mit einem anderen Unrecht sozusagen aufzuwiegen zu versuchen.

Ich bin wirklich unverdächtig, der SPÖ Recht geben zu wollen, aber wo die SPÖ Recht hat, hat sie Recht. Und sie hat Recht damit, die Geschichte einer Partei aufzurollen, eben anhand eines sehr aktuellen Beispiels, und die Verwendung öffentlicher Mittel einer Prüfung zu unterziehen.

Es war vor ein paar Monaten, als sich eine Partei mit dem Namen BZÖ quasi selbst ins Leben rief, eine Partei, die sich bis zum heutigen Tage keiner einzigen Wahl auf Bun­desebene gestellt hat. Das heißt, diese Partei muss auch weiterhin mit dem Vorwurf leben, eine Phantom-Partei zu sein, eine Partei, die demokratisch nicht legitimiert ist. Und man sieht das ja auch an deren Politik. Dort, wo das BZÖ angetreten ist, blieb es außerhalb jeder gesetzgebenden Körperschaft, ist also zusagen mit dem demokratie­politischen Nirwana behaftet; in Wien liegt das BZÖ sogar hinter den Kommunisten.

Wie war es denn, als diese Partei gegründet wurde? – Da hat der Obmann dieser Par­tei, Landeshauptmann Jörg Haider, vollmundig gesagt: Ja, wir übernehmen die Schul­den, die wir zurück gelassen haben! Und es war das ein großer Haufen an Schulden, der ja auch ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Gebarung dieser Damen und Herren


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 115

geworfen hat beziehungsweise wirft! Ja, wir übernehmen diese Schulden!, sagte Hai­der, aber: Was hat er dann tatsächlich gemacht? – Nichts! Er ist ein politischer Zech­preller! (Bundesrat Wolfinger: Das interessiert ja keinen!)

Wenn wir heute hier über einen aktuellen Fall sprechen, interessiert es sehr wohl, auch ein bisschen in die Vergangenheit zu schauen und Licht dort hineinzubringen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Wenige Wochen nach dem Gründungskonvent des BZÖ war es so, dass seitens des BZÖ immer wieder von „interessierten Bürgerin­nen und Bürgern“ gesprochen wurde. – In Wahrheit waren dort versammelte Mitarbei­ter von Ministerbüros, die sozusagen zwangsverpflichtet wurden und die auch das Par­tei-Programm, wie man hörte, schreiben mussten.

Als wir von der Freiheitlichen Partei Einsicht in die Bücher nehmen konnten, hat sich das interessanter gestaltet als jede noch so spannende Kriminalgeschichte: Es war un­glaublich, wie da mit Mitteln der öffentlichen Hand, wie da mit Mitteln aus der Parteien­förderung umgegangen wurde! Die Tageszeitungen haben ja berichtet über diese gi­gantischen Spesen-Etats – bis hin zu luxuriösen Autos, die gleichfalls mit öffentlichen Mitteln gekauft wurden!

Nächstes Beispiel in dieser Chronique scandaleuse: Plötzlich taucht auf, dass der „Bündnissprecher“ des BZÖ in eine Autoschieberaffäre verwickelt gewesen sein soll. Die SPÖ hat eine parlamentarische Anfrage gestellt, in der stand, dass ein Haftbefehl gegen Herrn Scheuch vorliege. Wir sind in der EU, und jetzt wäre es ja an sich recht einfach, dass die österreichische Innenministerin Auskunft erhält vom Nachbarland Ungarn; nur war das nicht der Fall. Ungarn hat bis heute Informationen darüber ver­weigert – und bis heute ist daher unklar, ob die Handschellen klicken, wenn ein Manda­tar der Republik Österreich, nämlich Herr Scheuch, nach Ungarn fährt. – Auch diesbe­züglich wäre es gut, wenn Herr Scheuch einmal Licht in diese ganze Sache bringen würde; er drückt sich jedoch davor.

Zum Wiener Wahlkampf: Wir erinnern uns alle daran, dass vom Justizressort eine Printwerbung geschaltet wurde, die hauchnah daran war, wie das BZÖ werblich auftritt.

Wir erinnern uns an den Fall des geschäftsführenden Obmannes des BZÖ, Hubert Gorbach, der in seiner aktiven Zeit als Verkehrsminister den Verkauf der ÖBB-Boden­seeschifffahrt so in die Wege geleitet hat, dass er sich, wenn das BZÖ nach der kom­menden Nationalratswahl nicht mehr vertreten sein wird, quasi seinen künftigen Arbeit­geber über ein Geschäft der Republik herausverhandelt hat.

Und jetzt haben wir eine neue „Bombe“: 4,2 Millionen € an Steuergeld, die da höchst unsauber verwendet worden sein sollen. – Ich frage mich: Für wie blöd halten einige den „Kurier“, für wie blöd halten einige dieses Hohe Haus, wenn sie uns glauben ma­chen wollen, dass man diese offensichtliche Nähe mit irgendwelchen PANTONE-Zah­len verschweigen kann, wenn sie uns glauben machen wollen, dass hier nicht eine parallele Parteiförderung stattgefunden hat? – Diese Sache ist so offensichtlich, dass ein Blinder den Zusammenhang wahrscheinlich besser sieht als diejenigen, die die Augen jetzt davor verschließen.

Ich habe mich in der Geschäftsordnung des Nationalrates kundig gemacht: Die Ge­schäftsordnung des Nationalrates sieht die Möglichkeit vor, dass 20 Mandatare einen Prüfauftrag in die Wege leiten können. Wir haben ja heute erlebt, dass der Präsident des Rechnungshofes, Herr Josef Moser – ein guter Freund von Landeshauptmann Hai­der und der Familie Haider (Bundesministerin Haubner: Das ist ein Wahnsinn!) –, gleich einmal festgestellt hat: Das brauchen wir nicht zu prüfen, wozu denn auch? (Bundesministerin Haubner: Das ist ein Wahnsinn! Das ist jetzt wirklich tief!) – Ich sage, dass ein Prüfauftrag in Bezug auf diese Kampagne, die mittlerweile die Schlag-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 116

zeilen füllt und bei der viele Missstände zutage gebracht werden, mehr als notwendig wäre.

Die Zeit ist knapp, die Nationalratswahl rückt näher. Es gibt keine Umfrage, kein Mei­nungsforschungsinstitut und keinen ernst zu nehmenden Kommentator der Politik, der vermeint, dieses BZÖ wäre nach der nächsten Wahl noch vertreten. Daher: Es ist wichtig, jetzt in dieser Frage die politische Verantwortung dingfest zu machen, es ist wichtig, Licht in dieses Dunkel zu bringen – und nicht, sich mit irgendwelchen PANTONE-Farben aus der Verantwortung zu stehlen. – Danke sehr. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wieder kein Applaus!)

17.42


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.43.02

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Hohes Haus! Wiederum muss ich in meiner Eigen­schaft als jahrelanger Präsident des Landtages in Kärnten wie auch nach meiner kur­zen Zeit hier als Präsident des Bundesrates sagen: Ich habe viel Verständnis für Oppo­sition, dass sie kritisch hinterfragt, was die von ihr nicht geliebte Regierung für ihre Bür­ger und für dieses Land macht. Ich bin allerdings eher erschüttert, dass man Medien­berichten glaubt – Sie glauben ja auch nicht immer allen Medien, aber in diesem Fall anscheinend schon –, die auf Grund von anonymen Informationen einen Skandal her­aufbeschwören.

Sie hinterfragen nicht, Sie machen allerdings (Bundesrat Molzbichler: Wir verlangen Aufklärung, deswegen hinterfragen wir!) vom guten Recht der Opposition Gebrauch, Fragen an die Ministerin zu stellen. (Bundesrätin Bachner: Was ist eine Dringliche? – Eine Dringliche ist eine Frage! Wir haben etliche Fragen gestellt!) – Das ist ein gutes Recht (Bundesrätin Bachner: Na also!) – und es waren 24 kritische Fragen, ich habe sie genau durchgelesen –, das ist hinterfragenswert nach einem solchen Zeitungsbe­richt. (Bundesrätin Bachner: Na bitte! Mehr tun wir nicht!)

Aber es hat – anders, als in einer Pressemeldung, die ich auch noch kurz in Ausschnit­ten zitieren werde, behauptet wird – auch klare Antworten gegeben, und dies innerhalb kürzester Zeit! Das muss man auch einem Ministerium, das ja insgesamt ein riesiges Instrument darstellt, zubilligen: dass man erst recherchieren muss – in dieser kurzen Zeit! (Bundesrat Boden: ... zwei Tage Zeit gehabt schon!) – Für mich waren diese 24 Antworten klar präsentiert.

Verantwortungsbewusste Volksvertreter, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, würden auf Grund dieser Anfragebeantwortung nun, wenn man schon nicht den Zeitungsbericht recherchiert, zumindest einmal die Anfrage­beantwortung recherchieren, deren Inhalt nachgehen und sich davon überzeugen, ob das stimmt oder nicht stimmt, bevor man von weiteren Anschuldigungen und Diffamie­rungen hier am Rednerpult ausgeht.

Der Pressedienst des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion ist übertitelt mit: „Skandalöse Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch Ministerin Haubner“. – „Skandalöse Anfragebeantwortung“? Bei so klaren Antworten, bei 24 Fra­gen?! – „Lächerlich und armselig“ – ist das der Stil, in dem wir im Bundesrat bisher gewohnt waren, miteinander umzugehen?

Die Erklärung, dass die verwendeten Farben Gelb- und nicht Orange-Töne seien, wird hier kritisiert. – Das ist eine Tatsache! Vielleicht passiert es mir auch, wenn ich noch länger hier im Bundesrat bin und in meinem Alter vorgeschritten bin, dass ich dann


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 117

auch teilweise farbenblind werde. (Ruf bei der SPÖ: Kann alles passieren!) Das kann sein; ich wünsche es mir nicht! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Der arme Bundesrat!)

Aber dass die Ministerin uns etwas „zugemutet“ habe, was dem „seriösen parlamenta­rischen Geschehen“ „spottet“, das glaube ich nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Keine seriöse Oppositionspolitik ist das, was Sie hier betreiben. Das grenzt an Hass und Menschenhatz. (Rufe bei der SPÖ: Geh bitte!) Das sind persönliche Diffamierun­gen und Angriffe gewesen – wie wollen Sie denn das sonst bezeichnen? – Beides, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind schlechte Ratgeber in der Politik und werden auch vom Wähler nicht gustiert.

Gustiert vom Wähler (Rufe bei der SPÖ: „Gustiert“? – „Goutiert“ wohl!) werden Leistun­gen (Bundesrat Boden: Ortstafeln verrücken, sind das Leistungen?), und auch diese Leistungen wurden heute vor der Anfragebeantwortung von der Ministerin für soziale Sicherheit und Generationen ausführlich dargelegt. (Bundesrat Boden: Ortstafeln ver­rücken ist eine „Leistung“!)

Nach einer jahrzehntelangen SP-Herrschaft in diesem sehr, sehr schwierigen Ministe­rium ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, das Kindergeld einzuführen. – Ich weiß schon, dass Ihnen das nicht gefällt – den Müttern gefällt es! Es gefällt Ihnen nur des­halb nicht, weil der Ursprung in Kärnten war. (Bundesrat Molzbichler: Mütterpension in Kärnten: Almosenzuteilung!) – Natürlich muss sich jetzt auch ein Kärntner Bundesrat dazu zu Wort melden. (Bundesrat Molzbichler: Erniedrigung für die Mütter, sich anzu­stellen, stundenlang!) Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, Herr Kollege!

Dass die Behinderten-Milliarde beschlossen und budgetiert worden ist, das ist ein Wunsch aller gewesen! – Erhöhung der Ausgleichszulage im Jahre 2006 auf 690 €! –Erhöhung des Pflegegeldes: Fünf Jahre innerhalb der SPÖ-Herrschaft: null Erhöhung – jetzt zumindest eine Erhöhung um 2 Prozent. (Bundesrat Boden: Aber auch erst nach fünf Jahren!) – Dass die Sozialquote auf 29,5 Prozent gestiegen ist und damit über dem EU-Schnitt liegt, das sind Dinge, die die Wählerinnen und Wähler, die die Bürger wollen.

Errungenschaften für unsere Bürger, vor allem für die sozial Schwächeren – darüber muss man auch informieren! Und dafür bedanke ich mich auch bei unserer Ministerin. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

17.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass die Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen den Entschließungsantrag 149/A betreffend Schaffung eines ausreichenden Lehrveranstaltungsangebotes in den Bereichen Päda­gogik und Didaktik für die Studenten der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fa­kultäten für eine Zusatzqualifikation als Erwachsenenbildner eingebracht haben, den die Präsidentin zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zugewiesen hat.

Des Weiteren gebe ich bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zehn Anfragen, 2378/J bis 2387/J, eingebracht wurden.

*****


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
731. Sitzung / Seite 118

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 16. März, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht und Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 14. März, ab 12 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.49.45Schluss der Sitzung: 17.49 Uhr

 

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien