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Stenographisches Protokoll

734. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 11. Mai 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

734. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Mai 2006

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Mai 2006: 9.04 – 18.31 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Diplomatische Akade­mie Wien“ (DAK-Gesetz 1996) geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G)

3. Punkt: Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zur Gründung einer Partner­schaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einer­seits und der Republik Tadschikistan andererseits samt Schlussakte, Anhänge, Proto­koll und Erklärungen

4. Punkt: Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit

5. Punkt: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Hel­lenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Li­tauen, dem Großherzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Por­tugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Re­publik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritan­nien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Republik Bulga­rien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Euro­päischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Bei­tritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, samt Anhängen und Schlussakte

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Privatfernsehgesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria

8. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Nie­derösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Techno­logy – Austria samt Anhang


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 2

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen, BGBl. I Nr. 133/2003, geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 geändert wird (Anti-Doping-Bundesgesetz)

11. Punkt: 19. Sportbericht 2003–2004

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend die Haftungsüber­nahme zur Zukunftssicherung der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG geschaffen, das Bundesfinanzgesetz 2006 und das Nationalbankgesetz 1984 geändert sowie ein Bundesgesetz betreffend den Erwerb von Aktien der Oesterreichischen Nationalbank geschaffen werden

*****

Inhalt

Bundesrat

Ersuchen des Bundesrates Albrecht Konecny, die Sitzung zu unterbrechen und eine Präsidiale abzuhalten ........................................................................................................................................... 9

Wortmeldung des Bundesrates Ludwig Bieringer in diesem Zusammenhang .......... 9

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Berichterstat­tung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Erhebung von Gebühren und den Ersatz von Auslagen für Amtshandlungen österreichischer Vertretungsbehörden in konsulari­schen Angelegenheiten (Konsulargebührengesetz 1992 – KGG 1992) geändert wird (775/A und 1404 d.B.), gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 8. Juni 2006 zu setzen – Annahme ...........................................  29, 143

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 34

Wortmeldung des Bundesrates Stefan Schennach zur Geschäftsbehandlung ........ 98

Personalien

Ordnungsruf ................................................................................................................. 101

Fragestunde (120.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 10

Helmut Wiesenegg (1503/M-BR/06); Ferdinand Tiefnig, Elisabeth Kerschbaum

Ludwig Bieringer (1499/M-BR/06); Dr. Ruperta Lichtenecker, Ing. Siegfried Kampl, Ing. Reinhold Einwallner

Stefan Schennach (1502/M-BR/06); Ana Blatnik, Reinhard Jany

Anna Blatnik (1504/M-BR/06); Dr. Franz Eduard Kühnel, Stefan Schennach

Jürgen Weiss (1500/M-BR/06); Erwin Preiner, Dr. Ruperta Lichtenecker, Harald Vilimsky


Bundesrat
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734. Sitzung / Seite 3

Peter Mitterer (1506/M-BR/06); Stefan Schennach, Ana Blatnik, Franz Perhab

Mag. Gertraud Knoll (1505/M-BR/06); Karl Bader, Eva Konrad

Mag. Harald Himmer (1501/M-BR/06); Reinhard Todt, Stefan Schennach

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 28

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 28

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Ewald Lindinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gesetzes-Pfusch bei Brieffachanlagen (2401/J-BR/06)                        108

Begründung: Ewald Lindinger .................................................................................... 108

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 110

Debatte:

Gabriele Mörk ............................................................................................................. 113

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 114

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 115

Helmut Wiesenegg ..................................................................................................... 116

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 117

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 119

Entschließungsantrag der Bundesräte Ewald Lindinger, Dr. Ruperta Lichten­ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostentragung für Hausbriefanlagen auf Grund des Postgesetzes – Annahme (E 213-BR/06) .................................................................................................................  116, 120

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Diplomatische Akademie Wien“ (DAK-Gesetz 1996) geändert wird (1298 d.B. und 1402 d.B. sowie 7526/BR d.B.) ...................................................................................... 30

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 30

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G) (1363 d.B. und 1403 d.B. sowie 7527/BR d.B.)                   30

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 30

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend Partner­schafts- und Kooperationsabkommen zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 4

Republik Tadschikistan andererseits samt Schlussakte, Anhänge, Protokoll und Erklärungen (1300 d.B. und 1405 d.B. sowie 7528/BR d.B.) ................... 30

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 30

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit (1161 d.B. und 1406 d.B. sowie 7529/BR d.B.) ...................................................................................... 30

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 30

Redner/Rednerinnen:

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 31

Jürgen Weiss ................................................................................................................ 33

Stefan Schennach ........................................................................................................ 33

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 34

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...................................... 35

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 35

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 35

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 betreffend einen Ver­trag zwischen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem König­reich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Hel­lenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Ir­land, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slo­wakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union) und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, samt Anhängen und Schlussakte (1389 d.B. und 1395 d.B. sowie 7523/BR d.B.) ............................................................. 36

Berichterstatter: Gottfried Kneifel ................................................................................ 36

Redner/Rednerinnen:

Harald Vilimsky ............................................................................................................ 37

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 39

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 41

Stefan Schennach ........................................................................................................ 43

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 45


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 5

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 47

Staatssekretär Franz Morak ........................................................................................ 48

Hans Ager ..................................................................................................................... 50

Harald Vilimsky (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 51

Eva Konrad ................................................................................................................... 51

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....................................................................................................................... 53

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Privatfernsehgesetz geändert wird (799/A und 1393 d.B. sowie 7524/BR d.B.) ........... 54

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 54

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 54

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria (798/A und 1358 d.B. sowie 7497/BR d.B. und 7532/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 54

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 54

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend eine Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederöster­reich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Techno­logy – Austria samt Anhang (1344 d.B. und 1359 d.B. sowie 7533/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 54

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 54

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................... 55

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 57

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 59

Michaela Gansterer ...................................................................................................... 60

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ...................................................................  61, 77

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 63

Dr. Andreas Schnider ...........................................................................................  65, 74

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 68

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 73

Stefan Schennach ........................................................................................................ 75

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................... 77

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Empfehlungen des internationalen wissenschaftlichen Ko­mitees zum Institute of Science and Technology – Austria (ISTA) – Annahme (E 212-BR/06) ..............................................................  71, 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 79


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 6

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen, BGBl. I Nr. 133/2003, geändert wird (750/A und 1396 d.B. sowie 7525/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 79

Berichterstatter: Mag. Wolfgang Erlitz ......................................................................... 79

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ............................................................................................................... 79

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ............................................................................ 80

Stefan Schennach ........................................................................................................ 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 82

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 geändert wird (An­ti-Doping-Bundesgesetz) (1416 d.B. sowie 7521/BR d.B. und 7530/BR d.B.) ................................................................................... 82

Berichterstatter: Karl Boden ......................................................................................... 82

11. Punkt: 19. Sportbericht 2003–2004 (III-301-BR/2006 d.B. sowie 7531/BR d.B.)                         82

Berichterstatter: Karl Boden ......................................................................................... 82

Redner/Rednerinnen:

Mag. Wolfgang Erlitz .................................................................................................... 83

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 84

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  85, 97

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ............................................................  88, 98, 99

Peter Mitterer ................................................................................................................ 92

Ana Blatnik .................................................................................................................... 93

Günther Köberl ............................................................................................................. 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 101

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, den Bericht III-301-BR/2006 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 102

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend die Haftungsübernahme zur Zukunftssicherung der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG geschaffen, das Bundesfinanzgesetz 2006 und das Nationalbankgesetz 1984 geändert sowie ein Bundesgesetz betreffend den Erwerb von Aktien der Oesterreichischen Nationalbank geschaffen werden (1447 d.B. sowie 7522/BR d.B. und 7534/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 102

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 102

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny .............................................................................................  102, 120

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 121

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 122

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 127

Edgar Mayer ................................................................................................................ 129


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 7

Stefan Schennach ...................................................................................................... 131

Harald Vilimsky .......................................................................................................... 134

Peter Mitterer .............................................................................................................. 136

Ludwig Bieringer ........................................................................................................ 138

Dr. Ruperta Lichtenecker (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 140

Roswitha Bachner ...................................................................................................... 140

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 143

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 143

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend § 53 Abs. 3a Sicherheitspolizeigesetz SPG (2400/J-BR/2006)

Ewald Lindinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Gesetzes-Pfusch bei Brieffachanlagen (2401/J-BR/2006)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Zusammenführung der beiden Bahnlinien Außer­fern – Allgäu (2402/J-BR/2006)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend HIV/AIDS-Prävention (2195/AB-BR/06 zu 2391/J-BR/06)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend HIV/AIDS-Prävention an Schu­len (2196/AB-BR/06 zu 2392/J-BR/06)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Jür­gen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ausreichende Dotierung der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie (2197/AB-BR/06 zu 2390/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ed­gar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterbe­setzung der Zollfahndung in Vorarlberg (2198/AB-BR/06 zu 2397/J-BR/06)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ed­gar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überstel­lung von Hubschraubern (2199/AB-BR/06 zu 2396/J-BR/06)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Bahnstrecke Bregenz–St. Gallen (2200/AB-BR/06 zu 2393/J-BR/06)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kol-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 8

legen betreffend Erhaltung der deutschen Postleitzahlen für die Gemeinde Mittelberg (2201/AB-BR/06 zu /2394J-BR/06)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Alkoholgrenze bei Bootsführern auf dem Bodensee (2202/AB-BR/06 zu 2395/J-BR/06)


09.04.10


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ich eröffne die 734. Sitzung des Bundesrates. – Bitte, Herr Professor Konecny.

 


9.04.22

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Dem Bundesrat wurde in dieser Woche ein Affront aufgedrückt – er wurde auf wirklich skandalöse Art und Weise beleidigt. Ich meine, dass sich der Bundesrat das nicht bieten lassen kann! Am Montag haben wir im Landesverteidigungsausschuss vom Herrn Verteidigungsminister erfahren, dass der Eurofighter-Vertrag so geheim ist, sodass er nicht einmal sagen könne, wer diesen Vertrag kennt. – Am Donnerstag konnten wir dann wesentliche Teile dieses Vertragstextes in einem Medium lesen.

Ich denke, das ist ein Affront gegenüber dem parlamentarischen Kontrollrecht, ein Af­front, den wir uns einfach nicht gefallen lassen können! Ich verstehe aber schon, dass dieser Vertrag geheim bleiben musste, denn Vertragsbestimmungen machen deutlich, dass nicht Kampfflugzeuge gekauft wurden, sondern die Republik verkauft wurde. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich ersuche Sie, Frau Präsidentin, die Sitzung zu unterbrechen, um uns die Möglichkeit zu geben, in einer Präsidialsitzung gemeinsam eine weitere Vorgangsweise zu erarbei­ten. Es ist klar, dass die Antworten, die uns die beiden Bundesminister am vergange­nen Montag gegeben haben, unter diesen Umständen so keinen Bestand mehr haben und wir daher diese Befragung spätestens in einer Woche auf einem anderen Wis­sensstand wiederholen müssen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.06


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Herr Fraktionsobmann Bieringer.

 


9.06.02

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, was das mit der Ge­schäftsbehandlung zu tun hat (Bundesrat Konecny: Ich habe eine Sitzungsunterbre­chung verlangt!) und warum wir eine Präsidialsitzung brauchen. Es ist aber in diesem Hause üblich, dass dem Wunsch einer Fraktion nach Abhaltung einer Präsidialsitzung stattgegeben wird, obwohl ich überhaupt keinen Sinn darin sehe. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

9.07


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Darf ich kurz die Fraktionsvorsitzenden zu mir bitten?

(Die Fraktionsvorsitzenden begeben sich zu einer kurzen Beratung zum Präsidium.)

*****

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Geschätzte Damen und Herren, ich darf Sie darüber informieren, dass wir vereinbart haben, nach dem Besuch des EU-Kommissionspräsi­denten Barroso die Sitzung zum Zweck der Abhaltung einer Präsidiale zu unterbre­chen. (Bundesrat Konecny: Einer Ausschusssitzung, Frau Präsidentin! Die Präsi­diale haben wir jetzt gehabt!)

Dann korrigiere ich, dass die Unterbrechung nicht für eine Präsidiale, sondern für eine Sitzung des Landesverteidigungsausschusses stattfinden wird.

*****


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 10

Ich eröffne somit nochmals die 734. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 733. Sitzung des Bundesrates vom 21. April 2006 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Sind heute Bundesratsmitglieder verhindert? – Das ist nicht der Fall.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Der Bundeskanzler hat über Entschließung des Bun­despräsidenten die Mitteilung gemacht, dass der Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll am 24. April 2006 durch die Bundesministerin für Inneres Liese Prokop vertreten wurde und innerhalb des Zeit­raumes vom 9. bis 13. Mai 2006 durch die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer vertreten wird.

09.09.37Fragestunde

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bundeskanzleramt

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bevor ich jetzt – um 9.10 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu er­möglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bundeskanzler. – Der Herr Bundeskanz­ler wird heute durch Herrn Staatssekretär Morak vertreten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um die Formulierung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Frage lautet:

1503/M-BR/2006

„Was werden Sie als EU-Ratspräsident unternehmen, um zu verhindern, dass gerade unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft die Mittel für EURATOM und damit für die Atomkraft in Europa eklatant erhöht werden?“ (Unruhe im Saal.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Darf ich um Senkung des Lärmpegels bitten, damit wir die Anfragebeantwortung auch hören können!

Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Präsidentin! Herr Bundes­rat! Hohes Haus! Grundsätzlich ist zu diesem Thema festzuhalten, dass Österreich atomfrei bleiben wird. Die Entscheidung über den Mix, wie Energie in einem Lande gewonnen wird, bleibt nach wie vor der nationalen Souveränität vorbehalten.

Zur Frage: Die EURATOM-Mittel sind in erster Linie nicht dem Bau von Kernreakto­ren – ich bitte, damit sorgsam umzugehen – zuzuschreiben, sondern sind gemein­schaftliche Forschungsmittel. Der überwiegende Teil dieser Forschungsmittel, zirka 70 Prozent oder 1 947 Millionen € des Rahmenprogramms, geht in die Fusionsfor­schung ITER.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 11

Fusionsforschung und die existierende Energiegewinnung aus Kernspaltung bitte ich Sie auseinander zu halten – es hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Mit der Fusionsforschung ITER erforschen die EU, Japan, die USA, Russland, China und Süd­korea die physikalisch-technische Machbarkeit einer potentiellen künftigen Energie­technologie. – Danke schön.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Bundesrat Wiesenegg, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Tiefnig, bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär, bringt die letzte beziehungsweise die aktuelle Erweiterungsrunde Vorteile hinsichtlich der atoma­ren Sicherheit in Europa?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Selbstverständlich sage ich erst einmal ja. Erstens wurde die nukleare Sicherheit im Rahmen der Beitrittsverhand­lungen zum vorrangigen Thema für Österreich erklärt, aber nicht nur für Österreich, sondern auch für die EU. Daraus ergeben sich Schließungsverpflichtungen Litauens – Blöcke I und II des AKW Ignalina – und der Slowakei – Bohunice –, die diese insbe­sondere auf Initiative Österreichs Ende 1999 eingegangen sind. Diese wurden in dem Protokoll zur Beitrittsakte festgeschrieben.

Weiters – und das auch auf österreichische Initiative – ergibt sich die Schließungs­verpflichtung des Beitrittskandidaten Bulgarien – Blöcke III und IV des AKW Kozloduj – im Jahre 2006 und selbstverständlich schon Ende 2002 die Schließung der Blöcke I und II.

Schließlich formulierte der Rat im Kontext der Erweiterung eine Reihe allgemeiner so­wie länder- und anlagespezifischer Empfehlungen zur Verbesserung der nuklearen Si­cherheit.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, dass Fusionsforschung oder Kernfusion unbedenklich ist, glaubt – so denke ich – auch nur mehr diese österreichische Bundesregierung.

Nun zu meiner Frage: Wieso haben Sie entgegen Ihren Ankündigungen bis jetzt absolut nichts getan, um während des österreichischen EU-Vorsitzes eine Initiative für die notwendige Radikalreform des unzeitgemäßen und wettbewerbsverzerrenden EURATOM-Vertrags zu setzen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Bundesrätin! Fusionsfor­schung ist im Grunde eines der großen Hoffnungsgebiete – das glaubt nicht nur die Bundesregierung. Wir erinnern uns in der letzten Zeit all der Problematiken, die im Zuge dessen aufgetaucht sind, dass China einen immer größeren Energiebedarf hat, sodass Erdgasreserven im Grunde nicht durch die mögliche Energiegewinnung, die selbstverständlich auch uns am Herzen liegt, nämlich erneuerbare Energie ergänzt werden können. Deshalb ist diese Forschung eine wesentliche Angelegenheit.

Selbstverständlich hat Österreich seinen Standpunkt innerhalb der EU-Gremien klar gemacht. Ein Ergebnis dieser Bemühungen Österreichs ist auch in den Förderverträ­gen im EURATOM-Vertrag zu sehen und ich sage noch einmal, ich denke, dass wir auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass in Europa eine andere Stimmung – denken


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Sie nur an Finnland – genau über diesen Themenkomplex vorherrscht, als das in Ös­terreich gerne gesehen wird. Noch einmal: Österreich steht nach wie vor zu der Platt­form, die wir im Bereich der Ablehnung der Atomenergie geschaffen haben.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage.

Ich bitte Herrn Bundesrat Bieringer um die Fragestellung.

 


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Staatssekretär, meine Frage lau­tet:

1499/M-BR/2006

„Was hat die österreichische Bundesregierung zur Rettung der durch hochriskante Spekulationsgeschäfte roter Bankmanager und mangelhafte Aufsicht roter Gewerk­schaftsfunktionäre ins Trudeln gekommenen BAWAG unternommen?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Sehr geehrter Herr Bundesrat, Sie sprechen hier ein Thema an, das ganz Österreich in den letzten Wochen und Mo­naten bewegt hat und im Grunde eine Mischung ist, die durchaus für den Bankenplatz Österreich – wie soll ich sagen? – einer wesentlichen Aufarbeitung bedarf. In den letz­ten Wochen kam die Bank für Arbeit und Wirtschaft in eine Situation, in der es dem Vorstand und dem Eigentümer zwingend erschien, bei der Regierung vorstellig zu wer­den, um um Hilfestellung zu ersuchen.

Die Bundesregierung hat im Zuge der notwendigen Gespräche – sprich Wirtschafts­standort Österreich, sprich Bankenplatz Österreich – dafür gesorgt, dass der Fortbe­stand der BAWAG P.S.K. gesichert werden kann. Der Entwurf der gesetzlichen Maß­nahmen ist durch den Nationalrat gegangen – er ist meines Wissens nach einstimmig durchgegangen. Heute wird das auch dem Bundesrat vorliegen, und ich hoffe, dass wir hier zum selben Beschlussergebnis kommen, wie es im Nationalrat der Fall war.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Maßnahmen der Bundesregierung im Hinblick auf die Sicherung des guten Rufes des Bankenstandortes Österreich?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Österreich bie­tet als Finanzplatz wesentliche Vorteile für internationale Anleger. Österreichische Wirt­schaftspolitik ist transparent und durch das Bestreben gekennzeichnet, die Integration mit den westlichen Industriestaaten voranzutreiben. Als Mitglied der Europäischen Union und als Teilnehmer an der gemeinsamen Währung, dem Euro, bietet Österreich hohe wirtschaftliche und politische Stabilität.

Der Zusammenbruch der BAWAG P.S.K. hat das Vertrauen der österreichischen Spa­rer und Kunden sowie der internationalen Finanzmärkte in den Finanzplatz Österreich mit Sicherheit aufs Spiel gesetzt. Das BAWAG-Rettungspaket hat geholfen, einerseits Sparer und Kunden der BAWAG abzusichern und andererseits den guten Ruf des ös­terreichischen Finanz- und Bankenplatzes aufrechtzuerhalten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die OeNB hat einen kritischen Prüfbericht zum Thema BAWAG 2001


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erstellt und diesen dem Finanzminister übermittelt. Warum hat es keine Reaktion von Finanzminister Grasser gegeben?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Wie Sie wissen – es ist das auch in den Zeitungen gestanden –, hat es verschiedene Wortmeldungen auch von ge­werkschaftlicher Seite gegeben, und die letzte Wortmeldung, die mir in Erinnerung ist, hat der ehemalige Wiener Bürgermeister zu diesem Thema gegeben.

Ich möchte jetzt schon eines sagen: Ich weise auf das Entschiedenste zurück, dass die Bankenaufsicht diesbezüglich versagt hätte. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Gruber: Wie ist das in Kärnten, Herr Staatssekretär?) Hält ein Vorstand, in diesem Fall einer Bank, bewusst Informationen zurück und informiert die Aufsicht falsch, so sind dieser wesentliche Informationsgrundlagen entzogen. Dies wird noch durch den Umstand der nicht erfolgten Rede- und Auskunftsverpflichtung des Wirtschaftsprüfers verstärkt. Eine vollständige Information des Aufsichtsrates der Bank hat ebenfalls nicht stattgefunden.

Frau Bundesrätin, ich weise auch auf die Wortmeldung von Dr. Gusenbauer hin, worin es darum ging, wo denn die Verantwortung auf Basis des Berichtes der Oesterreichi­schen Nationalbank sowie des Aufsichtsrates gewesen sei. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

 



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Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Kampl.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Frau Präsi­dentin! Herr Staatssekretär! Die SPÖ hat der Regierung vorgeworfen, den Österreichi­schen Gewerkschaftsbund mit dem ursprünglich im Finanzausschuss des Nationalra­tes beschlossenen Text des Bundesgesetzes über die Zukunftssicherung der BAWAG in den Konkurs treiben zu wollen. Medienberichten zufolge hat aber der gesamte Ös­terreichische Gewerkschaftsbund-Apparat per Schreiben vom 10. März 2006 eine un­beschränkte Haftungserklärung für die BAWAG abgegeben.

Können Sie dies nach Ihren Gesprächen mit der österreichischen Gewerkschaftsspitze bestätigen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Ich möchte hier einige Sachen klarstellen: Niemand in dieser Bundesregierung ist daran interessiert, den Gewerkschaftsbund zu schwächen. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, Ja! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Das macht er eh selbst, der Gewerk­schaftsbund!)

Ich glaube, dass im Vorfeld politischer Entscheidungen auf Sozialpartnerbasis Meinun­gen einzuholen sind, Entscheidungen zu treffen sind, die für eine auf Konsens basie­rende Demokratie eine wesentliche Voraussetzung sind. Ich meine, politische Ent­scheidungsträger, auch diese Bundesregierung, tun gut daran, über einen gut funktio­nierenden Gewerkschaftsbund glücklich zu sein.

 


Der zweite Punkt: Ich glaube auch, dass im Zuge der Verhandlungen, die im Vorfeld der Rettung der BAWAG P.S.K. stattgefunden haben und im Zuge dessen auch im Zusammenhang mit dem Gewerkschaftsbund, gemeinsam mit den Vertretern der SPÖ und des Gewerkschaftsbundes Möglichkeiten gefunden wurden und eine Einigung geschaffen wurde, die es dem Gewerkschaftsbund ermöglicht, auch weiterhin seine Pflichten wahrzunehmen und als Gewerkschaftsbund zu überleben. (Bundesrat Ing. Kampl: Danke!)

Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Einwallner.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Staatssekretär, hat es in der Vergangenheit auch bei anderen Instituten schon Fälle gegeben, bei denen eine Haftungsübernahme beziehungsweise Finanzpakete durch die Bundesregierung bezie­hungsweise durch eine Gebietskörperschaft notwendig waren? Wenn ja, welche?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: In meiner Zeit als Staatssek­retär meiner Erinnerung nach nicht. Es hat den einen oder anderen Diskussionsbeitrag gegeben, der auch in der Sendung „Zur Sache“, glaube ich, zur Sprache gekommen ist, wo aber auch klargestellt wurde – ich glaube, es war ein Journalist, der das klar­gestellt hat –, dass die Eigentumsverhältnisse der damaligen Bank selbstverständlich andere waren, nämlich dass es teilweise Staatseigentum war.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage.

Ich bitte Herrn Bundesrat Schennach um die Formulierung seiner Frage.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Vor der Fragestellung Folgendes: Es muss sich vorhin um ein Missverständnis gehandelt haben. Frau Kollegin Lichtenecker hat nicht die Finanzmarktaufsicht kritisiert – weil Sie, Herr Staatssekretär, sich so sehr gegen eine Kritik der Finanzmarktaufsicht verwahrt haben. Kollegin Lichtenecker hat sogar gesagt, dass es einen kritischen Bericht der OeNB gegeben hat und gemeint, dass dieser eigentlich beim Finanzminister gelegen ist. Das hat nichts mit der Finanzmarktaufsicht zu tun! (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das war eine wichtige Klarstellung, weil der Herr Staatssekretär da äußert heftig re­agiert hat.

Meine Frage lautet:

1502/M-BR/2006

„Wie werden die konkreten Schritte zur Umsetzung des Erkenntnisses des Verfas­sungsgerichtshofes hinsichtlich der zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten bis 30. Juni 2006 aussehen?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat, um auf die von Ihnen angesprochene Zusatzfrage zu replizieren: Auch ich habe die Oesterreichische Nationalbank erwähnt, und ich habe auch erwähnt, dass der ehemalige Bürgermeister von Wien und Herr Dr. Gusenbauer auch darauf repliziert und gefragt haben: Was ha­ben die Aufsichtsgremien der BAWAG und des Gewerkschaftsbundes mit dem Bericht der Oesterreichischen Nationalbank gemacht? – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Der Finanzminister, das Finanzministerium ist davon ausgegangen, dass bei Kenntnisnahme des Berichtes durch die Aufsichtsgremien das Haus selbst in diesem Bereich Ordnung schafft. Gleichzeitig wurden die Rückfragen, die in dieser Causa gegeben wurden, durchaus so beantwortet, als ginge hier alles mit rechten Din­gen zu und hätte im Grunde alles seine Ordnung.

Zu Ihrer Frage – ich kann Ihnen auch den ganzen Akt zur Verfügung stellen; ich möch­te das hier nicht verlesen, denn ich glaube, wir sollten fertig werden, bevor Herr Bar­roso kommt –, also kurz gehalten: Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass in Kürze eine Verordnung der Bundesregierung über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzu-


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bringen sind, zur Begutachtung versendet wird. Geplant ist, dass diese Verordnung nach Anhörung der Kärntner Landesregierung und nach der Herstellung des Einver­nehmens des Hauptausschusses des Nationalrates mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft tritt.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die ersten Äußerungen des Kärntner Landeshauptmannes gehen in die Richtung, dass er gar nicht daran denkt, diese Verordnung, die der Herr Bundeskanzler angekündigt und die er bis zum 30. Juni zu erfüllen hat ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Wir leben in einem Rechtsstaat, Herr Kampl, und das ist zu erfüllen, und zwar bis 30. Juni 2006!

Herr Staatssekretär, wurde im Ministerrat eine Ministeranklage für den Fall, dass das nicht bis zum 30. Juni 2006 umgesetzt wird, erwogen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat, Sie sind, glaube ich, schon länger in der Politik als ich, und Sie wissen, dass manchmal ein Gap zwischen Ankündigung und dem, was dann tatsächlich in der Politik passiert, besteht. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: „Manchmal“?)

Aber ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind, das auszudiskutieren, und ich meine, dass das auch im Sinne Österreichs ist.

Ich sage das auch gleich dazu, weil hier sehr viele Fragen – genau drei – zu ein und derselben Causa eingebracht wurden. Das erleichtert mir etwas die Arbeit, macht es Ihnen aber ein bisschen schwieriger, Zusatzfragen zu stellen, da diese, wie ich glaube, immer um dasselbe Thema kreisen werden.

Herr Bundesrat! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir uns die Geschichte der Kärntner Ortstafeln vor Augen führen – ich habe mir das auch aus Interesse aushe­ben lassen, weil das im Grunde eine never-ending story ist – und auch sehen, dass das Protokoll, das ich in diesem Zusammenhang über die Hintergrundinformationen habe anfordern lassen, im August 1918 beginnt und wir jetzt im Jahre 2006 sind, dann wissen wir auch (Zwischenruf) – nein, nein –, unter welchen Bedingungen, unter wel­chen Voraussetzungen und mit welchem Zugang der Menschen vor Ort, der ein an­derer ist als der in Wien – ich sage das jetzt auch einmal; jeder, der zwei-, dreimal in Kärnten war, wird das auch am eigenen Leibe erfahren haben –, all das geschieht. Man muss auch sehen, dass wir immer wieder – ganz gleichgültig, welche Administra­tion und welche Regierung in diesem Lande war und ist – den Konsens auch mit der Kärntner Landesregierung gesucht haben und suchen, auch mit der Bevölkerung. Einmal ist das nicht geschehen, 1972 – erinnern Sie sich an den Ortstafelsturm, daran, dass es Probleme in diesem Land gegeben hat, die dem Land mehr geschadet haben, als wir gedacht haben.

Meine Damen und Herren, deshalb sollten wir von dieser Verordnung ausgehen, die im Konsens, die im Grunde auf Basis des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes auf der einen Seite erfolgt, auf der anderen Seite aber auch auf das repliziert, was in den fünf Konsenskonferenzen stattgefunden hat, auch in der Konferenz mit den Kärnt­ner Bürgermeistern. Ich denke, dass das eine gute Basis ist, sich hier einer Zahl anzu­nähern, die beiden gerecht wird. Vor allem aber wollen wir, und das muss ich auch sagen, das gesamte Problem im Konsens lösen.


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Noch einmal: Die ersten Schritte werden getan, indem wir versuchen, bis zum 30. Juni eine Verordnung in Kraft zu setzen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Blatnik.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Staatssekretär! Gospod državni sek­retár! Warum hat der Bundeskanzler den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes und den Verfassungsgerichtshof selbst nicht offensiv vor den Angriffen des Kärntner Landeshauptmannes in Schutz genommen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich glaube, dass sich Angriffe auf den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes von vornherein selbst denunzie­ren. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Ich glaube, der Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofes ist stark genug, darauf zu replizieren – er hat das auch getan.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Jany.

 


Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Welche Bemühungen hat der Herr Bundeskanzler seit dem Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes im Jahr 2001 angestellt, um zu einer Lösung in dieser Frage zu kommen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich habe diese Frage grund­sätzlich schon beantwortet, aber ich wiederhole es ganz gerne: Es hat fünf Konsens­konferenzen gegeben. Es hat eine Konferenz mit den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden gegeben. Es hat Gespräche mit allen Beteiligten, sei es vom Kärntner Hei­matdienst oder auch von den slowenischen Organisationen, gegeben. Diesbezüglich waren die Bemühungen der letzten Jahre so stark wie schon lange nicht mehr oder stärker denn je.

Ich glaube, dass sich diese Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers und dieser Bun­desregierung durchaus die Belohnung verdienen würden, dass wir Ende Juni eine Ver­ordnung geschaffen haben – zusammen mit, noch einmal, der Kärntner Bevölkerung, der Kärntner Landesregierung –, die diesen Namen verdient und die allen Seiten ge­recht wird, auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage.

Ich bitte Frau Bundesrätin Blatnik um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Staatssekretär! Gospod državni sek­retár! Meine Frage lautet:

1504/M-BR/2006

Welchen Inhalt“ – die Betonung liegt auf Inhalt – „wird die von Ihnen“ – also vom Herrn Bundeskanzler – „am 4. Mai 2006 für die nächsten Tage angekündigte Verord­nung, mit der Sie“ – also der Herr Bundeskanzler – „das Verfassungsgerichtshof­erkenntnis zur Ortstafelfrage in Kärnten aus dem Jahre 2001 umsetzen, haben?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Bundesrätin! Meine Erklä­rungen werden sich jetzt nicht wesentlich ändern im Vergleich zu jenen, die ich schon dazu abgegeben habe; ich sage das aber gerne noch einmal.


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Ausgangspunkt und Grundlage für die beabsichtigte Verordnungserlassung sind zum einen die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, die staatsvertraglichen Bestimmun­gen beziehungsweise das Volksgruppengesetz – und zum anderen die mit den Vertre­tern der unterschiedlichen Gruppierungen in Kärnten geführten Konsensgespräche.

Auf Basis dieser Gespräche – ich betone: an diesen haben Vertreter des Bundes, der Landespolitik und vor allem Vertreter der Kärntner Heimatverbände und Vertreter der slowenischen Organisationen teilgenommen – haben sich als Konsenslösung 158 Kärntner Ortschaften herauskristallisiert. Das wird, würde ich einmal sagen, der Annäherungswert für diese Verordnung sein.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Frau Bundesrätin Blatnik, wird eine Zusatzfrage ge­wünscht? (Bundesrätin Blatnik: Nein, danke!) – Das ist nicht der Fall.

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Kühnel.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Staatssekretär! In welcher Form wird diese neue Verordnung Verbesserungen für die slowenische Volksgruppe bringen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Die Topographieregelung aus dem Jahre 1977 umfasst 91 Ortschaften in acht Kärntner Gemeinden. Wie Sie alle wis­sen: Ortstafeln in dieser Dichte stehen dort nicht. In den letzten 20, 30 Jahren war es offensichtlich nicht möglich, diese aufzustellen.

In dem in Ausarbeitung befindlichen Verordnungsentwurf sollen in etwa bis zu 158 Ort­schaften enthalten sein. Allein diese Zahl zeigt, dass die Bundesregierung gewillt ist, zum einen mit einer sehr substantiellen Änderung den Wünschen der slowenischen Volksgruppe nachzukommen – und zum anderen zu gewährleisten, dass die einschlä­gige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umgesetzt wird.

Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass wir einen sehr mühsamen Weg beschrit­ten haben beziehungsweise beschreiten und dass diese Thematik auf Grund der allen bekannten unterschiedlichen Zugänge äußerst schwierig und heikel ist. Ich bitte Sie daher um Verständnis dafür, dass ich es vorweg bei dieser Information belassen will, und ich darf Sie auf den Verordnungsentwurf, der in Kürze – in Kürze! – zur Begutach­tung versendet wird, verweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Staatssekretär, es ist gar nicht so schwierig, zu diesem Thema Zusatzfragen an Sie zu richten, aber in zwei Fällen haben wir eine besondere rechtliche Situation: im Falle von St. Kanzian sowie im Falle von Bleiburg.

Herr Staatssekretär, können Sie sicherstellen, dass am 1. Juli 2006 – noch dazu, wo wir ja jetzt bereits eine andere rechtliche Situation haben – in diesen beiden Ortschaf­ten zweisprachige Ortstafeln stehen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat, wir versuchen das Menschenmögliche. – Für das Unmenschliche sind andere verantwortlich. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 1500/M. – Bitte, Herr Vizepräsident Weiss.

 



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Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Staatssekretär, meine Frage lautet:

1500/M-BR/2006

„Wie beurteilen Sie die jüngste Entwicklung am österreichischen Arbeitsmarkt?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich könnte es mir leicht machen, indem ich einfach sage: gut! (Bundesrätin Bachner: Das wäre aber nicht richtig!) – Sa­gen wir: besser. Ja, besser. (Bundesrätin Bachner: Das kommt eher hin!)

Ich möchte aber jetzt auf ein paar Daten replizieren, gerade auch, wenn ich mir die Statistik, die mir vorliegt, anschaue, eine Statistik, die im Grunde genommen auf die letzten zehn Jahre abstellt: eben auf die Jahre 1996 bis 2006. Hinweisen möchte ich darauf, dass es im April 1996 in Österreich 7,3 Prozent Arbeitslose gab und heuer im April 2,6 Prozent. Im April 1997 waren es 7,2 Prozent, 1998 7,3 Prozent, 1999 7 Pro­zent, und so weiter.

Was will ich damit sagen? – Ich glaube, wir haben hier im Grunde das, was man auch braucht, wenn man sich diesem Thema nähert: einerseits die sozusagen traditionellen Möglichkeiten, die eine Bundesregierung hat, um auf Arbeitslosigkeit zu reagieren, nämlich mehr finanzielle Mittel zu geben für Schulungsmaßnahmen sowie Anreiz-Fi­nanzierungen zu machen, so zum Beispiel für Lehrlinge, andererseits müssen wir aber schon auch sagen, dass wir die Fortune des Wirtschaftswachstums haben.

Die Prognose dazu, die es jetzt gibt, auch die Entwicklung, die wir seit Jänner 2006 be­obachten können, nämlich dass da eine Trendumkehr stattfindet, sind schon auch dar­auf zurückzuführen, dass im Hinblick auf die Wirtschaftsdaten in Österreich die Wachs­tumsprognosen 2,5 Prozent lauten – mit einer Abflachung auf 2,4 Prozent für kommen­des Jahr. Das ist sozusagen nach einer langen Durststrecke ein starkes Signal, dass sich sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch bei den Exporten und in Bezug auf das Wirtschaftswachstum einiges in unserem Lande ändern wird.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Vize­präsident.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Staatssekretär, es besteht allge­meine Übereinstimmung, dass in diesem Zusammenhang der verstärkten Beschäfti­gung von Jugendlichen besondere Bedeutung zukommt.

Daher meine Zusatzfrage: Welche Maßnahmen wurden auf diesem Gebiet gesetzt?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Zu den Qualifizierungsmaßnah­men von Jugendlichen – ich habe schon kurz darauf repliziert –: kontinuierliche Erhö­hung des Mitteleinsatzes in der aktiven, in der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik; ich verweise da beispielsweise auf den so genannten Blum-Bonus sowie auf andere Mög­lichkeiten, die dazu ergriffen wurden und werden.

Im Jahre 2005 wurden jedenfalls hiefür bereits 252 Millionen € aufgewendet, und für heuer ist, vor allem im Rahmen des Beschäftigungsförderungsgesetzes, mit einer wei­teren deutlichen Steigerung der finanziellen Mittel hiefür zu rechnen.

Verweisen darf ich weiters auf die Qualifizierungsoffensive im Rahmen der Initiative „Unternehmen Arbeitsplatz“ mit Schwerpunkt Förderung der Jugendbeschäftigung, „Jobs for You(th)“, „Blum-Bonus“, Nachholen des Hauptschulabschlusses sowie Kom­bi-Lohn-Modelle. In diesem Rahmen werden im Jahre 2006 beinahe 31 000 Jugend-


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liche zusätzlich in Förderungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice einbezogen wer­den.

Begleitend zu diesen Maßnahmen stehen natürlich weiterhin Information, Beratung und Vermittlung, Förderung in allen regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und in 60 Berufsinformationszentren zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Prei­ner.

 


Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! In Anlehnung an Ihre Fragebeantwortung von vorhin: Was gedenken Sie, gegen die gegenwärtig höchste Jugendarbeitslosigkeit speziell im ländlichen Bereich konkret zu unternehmen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat, ich danke Ihnen für diese Frage. Ich habe mich selbstverständlich auch darüber informiert, um Ihnen in Vertretung des Bundeskanzlers eine Antwort darauf geben zu können, denn: Dieses Problem liegt nicht nur Ihnen und mir auf der Seele, sondern – glauben Sie mir – selbstverständlich auch dem Herrn Bundeskanzler.

Die Jugendarbeitslosigkeit hat im April 2006 um 9,7 Prozent abgenommen; das heißt: minus 3 928 jugendliche Arbeitslose. Diese Zahl ist also gegenüber dem Vergleichs­monat des Vorjahres auf 36 418 gesunken. Sowohl in der Altersgruppe der bis 19-Jäh­rigen ist die Arbeitslosigkeit gesunken, und zwar um 11,9 Prozent, als auch bei den 20- bis 24-Jährigen, nämlich um 9,1 Prozent.

Zur Frage der Schulungen, wobei seitens der SPÖ ja der Vorwurf kam, dass so viele Menschen in Schulungen sind: Ich glaube, dass Schulungen eine adäquate Antwort auf den Umbruch der Gesellschaft sind und auf das, was ... (Bundesrat Gruber: Das ist kein Vorwurf, Herr Staatssekretär! Es ist nur der Hinweis, dass diese Leute nicht in Arbeit sind! Es ist ein Hinweis, aber kein Vorwurf! Wir sind dafür, dass diese Leute in Schulungen sind!)

Sie wissen aber auch, dass dieser Vorwurf immer im Raum gestanden ist, dass gesagt wurde: Auf der einen Seite hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt Gott sei Dank etwas entspannt, auf der anderen Seite haben wir durch entsprechende Maßnahmen, so etwa durch große Investitionen im Bereich Arbeitsplatzsicherung beziehungsweise der Umschulungen, einen sehr, sehr großen Mittelinvest in diesem Bereich gemacht.

Nochmals: Schulungen in diesem Bereich sind ein adäquates Mittel, ein brauchbares und, wie ich meine, auch bei uns geradezu traditionelles Mittel. (Beifall bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Eine der von Arbeitslosigkeit hauptbetroffenen Gruppen stellen – neben Jugendlichen, neben älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und MigrantInnen – die Frauen dar, gerade auch was das Einkommen betrifft. Die Einkommensschere in Österreich klafft seit den Jahren dieser blau-schwarzen beziehungsweise schwarz-blau-orangen Regierung immer weiter auseinander.

Dazu, dass diese Einkommensschere immer weiter auseinander geht, haben auch Ihre Pensionsreform, Ihre Steuerreform und so weiter beigetragen.


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Herr Staatssekretär, was ist Ihrer Einschätzung nach von dieser Regierung getan worden, um Gerechtigkeit für Frauen herzustellen und diese Einkommensschere nicht noch weiter auseinander klaffen zu lassen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Wir werden wahrscheinlich in der nächsten halben Stunde keinen Konsens darüber erreichen, dass die Pensionsre­form eine notwendige Angelegenheit war und im Unterschied zu allen anderen europäi­schen Ländern von den Österreicherinnen und Österreichern in vorbildlicher Art und Weise nicht nur verarbeitet, sondern auch vorgelebt wurde.

Es ist ein Investment in die Zukunft gewesen, und es ist nie anders gedacht worden als als eine Maßnahme für die Jugendlichen, die in Arbeit stehen, um sie einerseits zu ent­lasten, aber gleichzeitig auch ihre Pensionsansprüche in 20, 30 oder 40 Jahren zu si­chern. Das war der Ausgangspunkt der Pensionsreform. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wissen auch, dass das Problem, das Frauen in Arbeit haben, ein Problem ist, das im Grunde alle Regierungen begleitet, auf der einen Seite wegen der so genannten Doppelbelastung Familie und Arbeitsplatz. Gleichzeitig muss ich Ihnen auch sagen, dass gerade im Bereich der Teilzeitbeschäftigung eine große Zunahme stattgefunden hat und diese vor allem von Frauen in Anspruch genommen wird.

Im Endeffekt kann ich Ihnen sagen, dass wir hier Daten haben, die im Bereich der Ar­beitskräfte ein Problem aufzeigen, das Österreich noch nie hatte, sondern das eher umgekehrt gelebt wurde, nämlich den Zustrom von Arbeitskräften aus Deutschland. Gerade in den Fremdenverkehrsbetrieben in Tirol, in Vorarlberg und in Salzburg gibt es das Problem, dass der Zustrom zu Arbeitsplätzen im Fremdenverkehr im Grunde eine breitere Basis gefunden hat, als das bisher der Fall war.

Im Endeffekt wird von der Bundesregierung, auch von der zuständigen Frauenminis­terin, alles getan, um dieses Problem, das Sie angesprochen haben, zu lösen. Mehr Investitionen, mehr Schulungen und – noch einmal – Berücksichtigung auch von Maß­nahmen, die gerade diesen Umstand beheben sollen, von dem Sie gesprochen haben.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Vi­limsky.

 


Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Werter Herr Staatssekretär! Schöne Worte, die Faktenlage sieht anders aus. Österreich hat das Jahr 2005 nicht nur die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik, sondern auch einen weiteren Pleitenrekord beschert. – Ich zitiere aus einer Meldung der Austria Presse Agentur. Und jetzt kommt ganz aktuell die EU-Frühjahrsprognose, wonach trotz eines kräftigen Wirtschaftswachstums kein Rückgang der Arbeitslosenquote in Öster­reich – und das ist die höchste Arbeitslosenquote der Zweiten Republik – zu erwarten ist.

Was ist aus Ihrer Sicht – und das ist jetzt meine Frage – der Kardinalfehler, den diese Bundesregierung begangen hat und der Österreich in diese Situation hineinmanövriert hat?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Wissen Sie, ich will hier jetzt nicht nach irgendwelchen Ausreden suchen, aber man muss bis zu einem gewissen Grad bedenken, dass Österreich ein Staat von acht Millionen Menschen ist und dass wir im Grunde die Weltwirtschaft nicht wirklich beeinflussen können mit dem Potential, das wir haben, mit dem Arbeitskräftepotential und mit den politischen Möglichkeiten, die wir dafür haben.


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Ich möchte jetzt nur eines sagen: Ich habe mir diese Frage auch gewünscht, die Sie gerade gestellt haben, und zwar einfach deswegen, weil diese Meldung mich auch ge­troffen hat, das heißt, dass die Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission im Grunde einen anderen Zugang zu diesem Thema hat.

Ich kann Ihnen nur sagen, die Zahlen, die wir von Eurostat haben – das ist nicht vom Arbeitsmarktservice oder von der Bundesregierung gemacht worden –, schauen an­ders aus und zeigen, dass wir einen Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um 0,3 Pro­zent haben, von 5,2 auf 4,9 Prozent, das heißt, da hat Eurostat im Grunde die Früh­jahrsprognose der Europäischen Union overruled und andere Zahlen bekannt gege­ben.

Und ich muss Ihnen sagen, wir müssen natürlich auch einen anderen Zugang zu die­sem Thema, wie Wirtschaft funktioniert, haben, als wir ihn immer hatten. Ich weiß schon, jeder von uns hat ganz gern, dass er mit 14 in eine Firma eintritt und mit 65 oder 53 dort wieder austritt und eine wunderbare Frühpension oder Pension erlebt.

Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass gerade im wirtschaftlichen Umfeld der heutigen Zeit die Veränderungen so radikal sind, dass das, was Sie als Pleitenrekorde bezeichnen, in Amerika, sage ich jetzt einmal, im Grunde teilweise auch eine Voraus­setzung dafür ist, überhaupt eine Firma gründen zu können, weil man weiß, der Mann hat Erfahrung, der weiß, wie es geht, und der probiert es noch einmal.

Ich glaube nicht, dass das ein Vorbild sein soll, aber ich glaube schon, dass es hier einen neuen Zugang der Österreicher zur Selbständigkeit gibt. Die eine oder andere Institution in diesem Land hat das noch nicht wirklich „geschnallt“ und vollzogen. Aber ich glaube, dass gerade das Wirtschaftswachstum, das Exportwachstum, der Platz, den wir im Bereich des Wirtschaftswachstums in Europa einnehmen, im Grunde ge­nommen eine gute Voraussetzung dafür sind, dass wir diese Zahlen weiter voran­treiben und Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, Frauenarbeitslosigkeit auf ein Maß bringen, das wieder kompatibel ist, und zwar mit dem Jahr 2000, denn da waren die Raten am niedrigsten, und nicht mit den Jahren 1996, 1997, 1998 und 1999.

Das heißt, wenn Sie davon reden, dass wir die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik haben, dann muss ich dem entgegenhalten, die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Ich muss es Ihnen ehrlich sagen, die höchste Arbeitslosigkeit war 1996 mit 7,3 Prozent, und dann 2004 und 2005 mit 7,1 Prozent. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mitterer, um die Formulierung seiner Fra­ge.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär, meine Frage lautet:

1506/M-BR/2006

„Inwiefern gedenken Sie den von Ihnen angekündigten Verordnungsentwurf bezüglich zweisprachiger Ortstafeln zu gestalten, um doch noch einen Konsens“ – die Betonung liegt, bitte, auf Konsens – „in dieser sensiblen Frage herzustellen?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Darf ich noch einmal in gleicher Art antworten, ich habe keine andere Antwort darauf: Grundsätzlich werden wir auf Basis des Verfassungsgerichtshofurteils, auf Basis der Konsenskonferenzen, auf Basis


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der Konferenzen, die wir mit den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden – es sind in etwa 156 oder 159 Gemeinden betroffen – abgehalten haben, einen Verordnungs­entwurf erarbeiten. Diesen werden wir demnächst in Begutachtung schicken.

Ich bitte Sie, quälen Sie mich nicht weiter, ich habe keine andere Antwort darauf.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Staatssekre­tär! Als ich die Anfrage gestellt habe, war mir nicht bekannt, dass zwei andere Bundes­räte ähnliche Anfragen stellen werden.

Der Herr Bundeskanzler hat immer betont, in dieser Frage keine Lösung ohne Konsens der Bevölkerung erwirken zu wollen. Ich stelle daher die Zusatzfrage: In welcher Form wollen Sie beziehungsweise der Herr Bundeskanzler den Willen der Kärntner Bevölke­rung erfragen?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Schauen Sie, Herr Bundesrat, ich weiß, worauf Sie hinaus wollen, aber es gibt auch ein klares Diktum des Bundes­kanzlers, der gesagt hat, wir lassen die Mehrheit nicht über die Minderheit abstim­men. – Ich halte das in einer Demokratie im 21. Jahrhundert durchaus für einen Zu­gang, der überlegenswert ist, auch in Kärnten, würde ich jetzt einmal grundsätzlich sa­gen. Aber ich gehe einmal davon aus.

Ich muss auch sagen, es ist die Sichtweise aus Wien eine andere als die Sichtweise aus Kärnten. Und glauben Sie mir, sowohl der Bundeskanzler als auch alle Stellen, die im Bundeskanzleramt damit befasst sind, wissen das auch zu würdigen. Deswegen meine ich, es wird schwierig sein, einen Mittelweg zwischen dem Verfassungsgerichts­hofsurteil und den Wünschen der Kärntner Bevölkerung zu finden, die nicht nur eine deutschsprachige, sondern auch eine slowenischsprachige Bevölkerung ist. Wenn wir diesen Spagat schafften, wären wir, wie ich meine, einerseits auf die Hilfe der Kärntner Landesregierung angewiesen, aber gleichzeitig selbstverständlich auch auf den Kon­sens der Kärntner Bevölkerung. Ich glaube und ersuche auch inständig darum, dass die Kärntner Landesregierung einen Versuch unternimmt, in diese Richtung zu arbei­ten.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Staatssekretär! Ich möchte Ihnen ausdrücklich dafür danken, dass Sie in Ihrer letzten Antwort darauf hingewiesen haben, dass die Kärntner Bevölkerung nicht nur eine deutschsprachige, sondern auch eine slowenischsprachige Bevölkerung ist. Das wird vielfach immer wieder übersehen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Ihr handelt nur nicht danach, Herr Kollege Kampl!

Herr Staatssekretär! Der Anfragesteller hat mehrmals auf den Konsens in der Kärntner Bevölkerung hingewiesen; das ist eine Sache. Ein Erkenntnis des Obersten Gerichts­hofes, des Verfassungsgerichtshofes, ist eine andere Sache, ein höherwertiges Gut so­gar.

Wie weit beurteilt die Bundesregierung auch die Möglichkeit, dass es zu einer Anklage vor einem internationalen Gerichtshof, bei dem dann keine Spielarten in der nationalen Interpretation mehr vorliegen, kommt, dass dies also zu einem internationalen Rechts­streit wird?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich glaube, alle Bemühungen, die der Bundeskanzler und diese Bundesregierung in den letzten Jahren gesetzt ha-


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ben, weisen darauf hin, dass wir diese von Ihnen erwähnte Möglichkeit durchaus auch in Betracht ziehen.

Ich möchte aber auch sagen, dass alles in diesem Lande getan wird, dass wir für das, was man quasi einen Konflikt nennt, der im Grunde auch eine Generationenfrage ist und eine Frage eines besonderen Geschichtsverhältnisses zwischen diesen beiden Staaten, die heute in Wirklichkeit keine Staaten mehr in dem Sinne sind, wie sie das noch vor 30, 40 Jahren waren, sondern ein und derselben Gemeinschaft angehören, eine Lösung finden.

Ich spreche jetzt von einer Lösung – ich sage jetzt nur, wie ich das einschätze –, wie wir sie zum Beispiel beim ORF-Gesetz gefunden haben, indem wir den Kärntner Slo­wenen die Möglichkeit geben, in Österreich eine Plattform auf Basis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu haben. Ich glaube, das ist eine gute Lösung. Ich muss Ihnen auch ehrlich sagen, ich halte es nicht für vernünftig, wenn wir nicht die letzte Möglich­keit einer Lösung versucht haben, dieses Thema auf eine internationale Ebene zu brin­gen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Blatnik.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Staatssekretär! Gospodo državni sek­retár! Auch ich möchte mich für den Satz bedanken, dass die Mehrheit nicht über die Minderheit abstimmen sollte. Ich als Kärntner Slowenin sehe die angekündigte Verord­nung, wonach 158 zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden sollen, als einen zu­kunftsorientierten positiven Schritt.

Sie haben auch gesagt, dass die angekündigte Verordnung der Kärntner Landesregie­rung vorgelegt wird und diese Stellung beziehen muss. Was passiert, wenn die Kärnt­ner Landesregierung mehrheitlich diese angekündigte Verordnung ablehnt? Wird sie fallen oder wird sie bleiben?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Bundesrätin! Ich könnte Ihnen jetzt sagen, wir werden diese Brücke beschreiten, wenn wir dort angekommen sind. Ich sage Ihnen aber auch noch, es ist traditionell so gewesen – ich habe Ihnen am Anfang nicht umsonst gesagt, seit 1918 –, dass natürlich auf den Meinungsbil­dungsprozess, der in Kärnten stattfindet, Rücksicht genommen wird. Aber ganz sicher stimmt auch das, was Herr Bundesrat Schennach gesagt hat, Verfassungsgerichts­hofsurteile sind diskussionslos umzusetzen.

Ich möchte aber trotzdem sagen, wir möchten nicht in denselben Fehler verfallen, den diese Republik schon einmal begangen hat, nämlich dass wir sagen, wir haben einen Ortstafelsturm, wir haben die Erregung in Kärnten, das heißt, wir brauchen das, wir möchten das auch haben und wir möchten das auch einfordern. Ich gehe davon aus, dass die Kärntner Landesregierung auf der einen Seite, aber auch die Kärntner Bevöl­kerung auf der anderen Seite klug genug sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen. (Bei­fall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Perhab, bitte.

 


Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Staatssekretär! Uns ist allen be­wusst, dass die Situation in Kärnten in dieser Frage hoch sensibel ist. Aber wie hat sich zum Beispiel die Aufstellung derartiger Ortstafeln im Bundesland Burgenland bewährt?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass im Burgenland überhaupt keine zweisprachigen Ortstafeln


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gestanden sind und dass es diese Bundesregierung war, die im Jahr 2000 diesen Ver­such unternommen hat, eine Lösung zu finden, und der Erfolg dieser Maßnahme über­wältigend war. Die Topographieverordnung-Burgenland wurde am 21. Juni 2000 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Am 31. Juli 2000, also etwa sechs Wochen später, wurde die letzte der insgesamt 260 Ortstafeln aufgestellt. Diese 260 zweisprachigen Ortstafeln verteilen sich folgendermaßen: deutsch-kroatischsprachig auf 47 Ortschaf­ten in 28 Gemeinden und deutsch-ungarischsprachig auf vier Ortschaften in vier Ge­meinden. Die Feste, die dort zu diesem Anlass stattgefunden haben, hatten Volksfest­charakter.

Ich würde mir wünschen, dass meine Kolleginnen und Kollegen in Kärnten irgendwann einmal im Sommer ins Burgenland fahren und fragen: Wie war es? Hat es weh getan? Und wenn sie die Antwort erhalten: Nein, hat nicht weh getan!, wäre das im Grunde ein Fortschritt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mag. Knoll, um ihre Frage.

 


Bundesrätin Mag. Gertraud Knoll (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär, können Sie mir Antwort auf folgende Frage geben:

1505/M-BR/2006

„Werden Sie“ – gemeint ist der Herr Bundeskanzler – „im Rahmen des Gipfeltreffens EU-USA im Juni dieses Jahres von US-Präsident Bush gem. der UNO-Forderung die unverzügliche Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers Guantánamo verlan­gen?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Bundesrätin, das ist eine Frage, die in etwa den gleichen Inhalt hat wie jene Frage, die Frau Abgeordnete Luna­cek dem Bundeskanzler im Nationalrat gestellt hat. Der Bundeskanzler hat darauf erwi­dert, dass er seine Position zu Guantánamo wiederholt klargestellt hat, dass die Forde­rung zur Schließung von Guantánamo zeitgerecht und richtig war. Ich verweise auf die Äußerungen von Tony Blair und Frau Merkel.

Es besteht der feste Wille, es darf keinen rechtsfreien Raum geben. Menschenrechte und humanitäre Standards sind im Kampf gegen den Terrorismus einzuhalten. Vieles verbindet uns mit den USA, wir sind aber nicht überall unbedingt einer Meinung. Aus Meinungsunterschieden machen wir auf beiden Seiten des Atlantiks auch kein Ge­heimnis. Wir besprechen das in einer offenen Art und Weise. Das gilt selbstverständ­lich auch für dieses Gipfeltreffen. (Bundesrätin Mag. Knoll: Besprechen, aber nicht verlangen!) – Besprechen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Bader, bitte.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wie beurteilen Sie insgesamt die Bemühungen der Europäischen Union zur Hebung des Menschenrechtsstandards?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat! Ich glaube, dass gerade in diesem Punkt die Diskussion in der Europäi­schen Union auf einem Niveau ist, das ich mir für viele Staaten beziehungsweise Staa­tengemeinschaften dieser Welt wünschen würde. Die EU hat seit Jahren die Achtung der Menschenrechte als fixen Bestandteil ihrer Außenpolitik formuliert, aber selbstver-


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ständlich auch der Innenpolitik und setzt im Bereich der Menschenrechtspolitik wichtige Akzente. Die Aufnahme von Menschenrechtsklauseln in Verträge beziehungsweise Ab­kommen der EU mit Drittstaaten zählt ebenso zu den angewandten Instrumenten wie auch die Erfassung gemeinsamer Strategien, gemeinsamer Standpunkte und gemein­samer Aktionen.

Menschenrechtsklauseln werden nicht nur in Kooperationsabkommen, sondern auch in Partnerschafts- und Assoziationsabkommen aufgenommen. Die EU ist durch diese Klauseln ermächtigt, im Falle von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, Un­terbrechung eines Demokratisierungsprozesses zum Beispiel, das Abkommen auszu­setzen oder zu beenden. Die Notwendigkeit einer kohärenten Menschenrechtspolitik steht außer Diskussion.

Österreich hat schon beim Europäischen Rat in Wien im Jahre 1998 die Idee zur Er­richtung einer Agentur zur Stärkung der Menschenrechtspolitik der EU vorgebracht. Die Errichtung einer europäischen Grundrechtsagentur ist für einen glaubwürdigen, effektiven und unabhängigen Grundrechtsschutz unerlässlich. Die Verhandlungen zur Errichtung dieser Agentur gehen zügig voran. Wir hoffen, dass es am 1. Jänner 2007 zu deren Errichtung kommen wird.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wie wird sich Österreich verhalten, wenn sich Amerika in der Frage der Schließung von Guantá­namo uneinsichtig zeigt oder sich da nichts bewegt?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Bundesrätin! Die österrei­chische Haltung ist klar, diese fußt selbstverständlich auf den Menschenrechten. Sie fußt darauf, dass es keinen rechtsfreien Raum wo auch immer geben soll, und diese Meinung wird der Herr Bundeskanzler auch zum Ausdruck bringen. Sie müssen aber jetzt auch den Unterschied zwischen der Europäischen Union und dem Vorsitz in der EU im Augenblick und der Position Österreichs sehen. Noch einmal: Österreich ist auf Basis der Menschenrechte und auf der Basis, dass es keinen rechtsfreien Raum geben soll, natürlich gegen Guantánamo.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Himmer, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, meine Frage lautet:

1501/M-BR/2006

„Wie beurteilen Sie den bei der RTR eingerichteten Fernsehfilmförderungsfonds, vor allem hinsichtlich der Auswirkungen auf den Produktionsstandort Österreich?“

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Wenn ich sagen würde, phan­tastisch, dann wäre das nicht einmal untertrieben. Wie Sie wissen, war es möglich, auf Basis der ORF-Gebühren einen Fonds einzurichten, der einen Missstand beziehungs­weise einen Umstand in Österreich behoben hat, der zu großen Schwierigkeiten ge­rade in einem Medium geführt hat, das sehr zeitgemäß ist, nämlich bei Fernsehen und Film, also bei bewegten Laufbildern. Durch die Errichtung dieses Fonds ist es uns


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gelungen, in diesem Bereich einerseits Arbeitsplätze zu schaffen, also Kameraleute, Schauspieler, Cutter und so weiter, gleichzeitig aber ein Problem zu lösen, das in allen Ländern existiert. Wenn es nämlich ein öffentlich-rechtliches Fernsehen in einem Land gibt, das im Grunde genommen der Hauptproduzent ist, gibt es so gut wie keine freien Produzenten, die auf Basis ihres Kapitals und ihres Kapitalertrags leben können, außer von Aufträgen, die sie vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen bekommen. In diesem Sinne ist dieser Fernsehfilmförderungsfonds eine Hilfe, eine zeitgemäße Struktur im Produktionsbereich zu schaffen, die es auch freien Produzenten ermöglicht, auf Basis dieses Fonds Mittel zu investieren und Koproduktionen einzugehen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Welche Fortschritte konnten von öster­reichischer Seite in Bezug auf die EU-Fernsehrichtlinie erzielt werden?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Die Fernsehrichtlinie ist ein schwieriges Thema, aber ein Thema, das die Öffentlichkeit nicht wirklich wahrnimmt. Es geht um den Umstieg von linearen Medien zu nicht linearen Medien, also vom Fern­sehen zum Internet, darum, dass im Fernsehen dieselben Inhalte angeboten werden können wie zum Beispiel im Internet – nur mit anderen Möglichkeiten für den Zuschau­er, nämlich nicht linear, das heißt, der Zuseher kann bestimmen, was er sehen will, er kann sich Sendungen herunterladen, wie auch immer er will.

In diesem Falle gilt es einige Probleme zu klären, einerseits etwa im Bereich der Be­nennung, dort, wo es um das Standardvokabular geht. Wie wird „Werbung“ in Deutsch­land tituliert, wie in Frankreich? Was verstehen wir unter „Schleichwerbung“ in Deutschland, was verstehen wir unter „Schleichwerbung“ anderswo, und so weiter? Wir haben also auf der einen Seite eine Begriffsdefinition in Gang gesetzt, eine Dis­kussion, die sehr gut angenommen wurde, und wir haben auf der anderen Seite zum ersten Mal auch den Text des Entwurfes der Kommission abgeklopft. Wie weit ist er brauchbar, wo ist er zu ändern?

Als erster Fortschritt kann festgehalten werden, dass grundsätzliche Tendenzen und Reaktionen der einzelnen Mitgliedstaaten zum Vorschlag und zu mehreren Detailfra­gen feststellbar sind. Wir haben einen Brief ausgesendet, in dem wir drei, vier Fragen formuliert haben, was wehtut, wenn wir es in den Entwurf übernehmen, und somit ein­mal gescannt, wo die Positionen jedes einzelnen Landes liegen. Das war ein Erfolg, und ich meine, dass wir darauf aufbauend selbst in der Kontroverse eine konstruktive Debatte führen konnten.

Der Kernpunkt – ich habe es schon gesagt – ist die Ausweitung des Anwendungsberei­ches des klassischen Fernsehens auf audiovisuelle Medien. Es ist nicht hinnehmbar, auch nicht für die Fernsehveranstalter, dass im Grunde ein und derselbe Inhalt ver­schiedenen Regulativen und Gesetzen unterliegt. Es geht um gewisse Mindestanforde­rungen, und im Augenblick wird dieses Prinzip der abgestuften Regulierung diskutiert. Ich verweise in diesem Zusammenhang zum Beispiel nur auf den Jugendschutz oder auf den Konsumentenschutz.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Todt, bitte.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! In wie viele ausländische Sendeformate wird über den Filmförderungsfonds Geld investiert – ohne Beteiligung des ORF?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich kann Ihnen das jetzt ad hoc nicht sagen, aber ich lasse Ihnen die Daten gerne zukommen.


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Grundsätzlich ist daran gedacht, auch Koproduktionen nach Österreich zu bringen, das heißt, Geld ins Land zu bringen. Und mit einer Spitzenfinanzierung dieses Fonds ist es möglich, dass wir dabei Anreize zwischen 10 und 20 Prozent haben. Das heißt, grund­sätzlich ist der Fonds darauf ausgerichtet, dass, wenn der ORF dabei ist, immer auch ein ausländischer Sender dabei ist, nie der ORF allein, und es ist so gedacht, dass die Rechte nach sieben beziehungsweise zehn Jahren bei Serien wieder an den freien Produzenten zurückfallen. Wir haben damit den Produzenten die Möglichkeit gegeben, einen Rechtestock aufzubauen, von dem sie quasi pro futuro zehren können, um Pro­duktionen bedienen zu können, die sie selber auf den Weg bringen.

In diesem Sinne noch einmal: Wenn der ORF dabei ist – und ich nehme an, er wird bei vielen dabei sein –, wird auch immer die ARD, das ZDF, ProSieben oder sonst ein Sender als zweiter Partner dabei sein, weil eben Grundbedingung ist, dass es mehr Partner sind, nicht nur der ORF allein. Es soll keine Finanzierung über die Hintertür durch den ORF passieren, das wollte ich damit sagen.

Die genauen Zahlen werde ich Ihnen gerne zukommen lassen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Seit wir die Diskussion über diesen Fernsehfilmförderungsfonds gestartet haben, wissen Sie, dass ich immer gesagt habe, das ist eine sehr wichtige und sinnvolle Innovation, und als solche hat sie sich auch erwiesen. Ich glaube, derzeit sind wieder 18 Anträge da, die bis zum Juni entschieden werden.

Der Fonds hat nun seine ersten Kindertage beziehungsweise seine ersten Jahre hinter sich – Zeit, auch ein bisschen die Praktikabilität anzusehen! Ein Vertrag etwa nicht mit einer einzelnen Sendeanstalt, sondern mit der EBU als Vereinigung aller Sendeanstal­ten ist derzeit nicht möglich, sondern man muss immer noch extra einzelne Partner fin­den, wobei die EBU natürlich eine viel größere Einheit ist und ein vielfaches Potential bietet. – Wie stehen Sie dazu, dass man das genau in diese Richtung hin betrachtet und unter Umständen, wie bei anderen Förderungen, im Falle von Gewinnen auch überlegt, ob es einen Rückfluss in den Fonds geben soll?

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Danke für die Anregung, wir werden das scannen. Ich nehme die Anregung gerne auf, wir sind nämlich gerade da­bei, den Fonds wieder einmal überprüfen zu lassen, ob es Adaptionsmöglichkeiten ge­ben sollte.

Zweiter Punkt: Ich glaube nicht, dass die österreichische Produzentenlandschaft im Augenblick in der Lage ist, überhaupt irgendetwas zu zahlen. Die Situation ist einfach so: ein kleiner Markt mit einem einzigen großen Anbieter über sehr, sehr lange Zeit, daher haben wir im Grunde das ganze Kapital dort und nicht bei den Produzenten. Wir haben zwar 3 000 österreichische Filmproduzenten, von denen wahrscheinlich fünf oder sechs in Arbeit sind, aber einer, der wirklich Geld hat und sich einen Film leisten kann, ist der Herr Spiehs. – So viel zu der Situation, die es zu bereinigen gilt.

Der Fonds bewährt sich. Wir haben ihn etwas adaptiert, weil das Ansuchen etwas zu komplex war, und das überprüfen wir gerade. Ich glaube nicht, dass wir schon in der Lage wären, diese Anregung aufzunehmen, einen möglichen Rückfluss zu überlegen, denn im Augenblick sind wir dabei, einen Produktionsstandort mit freien Produzenten zu kreieren, die auch die Aufgabe haben, den Arbeitsmarkt gerade in diesem Bereich zu entlasten, sprich, dafür zu sorgen, dass die Kameraleute, die Schauspieler, die Re­dakteure, die Cutter und so weiter in Arbeit sind, um im Bereich Film auf ein Personal-


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potential auf Basis hoher Professionalität zurückgreifen zu können. Daher ist es wich­tig, diesen Standort zu errichten.

Ich danke noch einmal für die Anregung im Zusammenhang mit der EBU, aber sicher ist eines – und das wollte ich auch noch erwähnen –: Wichtig für die freien Produzen­ten ist, dass sie möglichst viele Partner im Ausland kennen lernen. Bei der EBU als Konvolut von Firmen weiß man, wer dahinter steht und wie das organisiert ist, aber grundsätzlich, glaube ich, ist es besser, man lernt die Produzenten vor Ort kennen und kann im Endeffekt sagen: Wir arbeiten mit freien Produzenten und nicht nur mit Fern­sehanstalten zusammen! Das ist auch ein Wunsch von Herrn Spiehs, der an mich her­angetragen wurde. Er kann den Fonds nicht abrufen, weil er eben wirklich ein freier Produzent ist, und er verkauft den Film erst dann, wenn er ihn fertig gestellt hat und nicht schon als Koproduktion. – Danke.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Die Fragestunde ist somit beendet.

*****

Um in Sachen Einberufung des Landesverteidigungsausschusses Klarheit zu schaffen, gebe ich bekannt: Die Einberufung durch den Vorsitzenden liegt Ihnen mittlerweile allen vor. Die Ausschusssitzung wird nicht nach dem Besuch des Präsidenten Barroso stattfinden, sondern nach Schluss der Plenarsitzung in Lokal III.

10.08.13Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Hinsichtlich der eingelangten vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2195/AB-BR/2006 bis 2202/AB-BR/2006 sowie jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, verweise ich auf die im Sit­zungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bun­desrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Haftungsübernahme für die Finanzierung von Eisenbahn­material (EUROFIMA-Gesetz) geändert wird (1391 und 1446/NR d.B.).

*****

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7)

*****

Der eingelangte Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur be­treffend Jahresvorschau 2006 (Bereich Bildung und Forschung) auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission sowie des operati­ven Jahresprogramms des Rates wurde dem Ausschuss für Verfassung und Födera­lismus zugewiesen.

Ebenso eingelangt ist ein Konsulargebührengesetz 1992, das dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.


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Ebenso eingelangt ist ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsge­setz 1979, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes­bahnpensionsgesetz und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden, das dem Aus­schuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Weiters eingelangt ist ein Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2006, das dem Aus­schuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates sowie der 19. Sportbericht 2003 bis 2004, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Darüber hinaus wurden die Beschlüsse des Nationalrates vom 29. März 2006 betref­fend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria und eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Nie­derösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Techno­logy – Austria samt Anhang, hinsichtlich derer dem Ausschuss für Bildung und Wissen­schaft zur Berichterstattung jeweils eine Frist bis zum 10. Mai 2006 gesetzt wurde und über die schriftliche Ausschussberichte erstattet wurden, auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

*****

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass ich die Sitzung so zeitgerecht unterbrechen werde, dass der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso um 10.30 Uhr vor den Mitgliedern des Bundesrates eine Erklä­rung abgeben kann.

Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weiters gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Pro­fessor Konecny und Schennach einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für aus­wärtige Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Erhebung von Ge­bühren und den Ersatz von Auslagen für Amtshandlungen österreichischer Vertre­tungsbehörden in konsularischen Angelegenheiten (Konsulargebührengesetz 1992 – KGG 1992) geändert wird (775/A und 1404 d.B.), eine Frist bis zum 8. Juni 2006 ge­setzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Überdies gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Be-


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handlung einer schriftlichen Anfrage der Bundesräte Lindinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Gesetzes-Pfusch bei Brieffachanlagen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates verlege ich die Behandlung dieser Dringlichen Anfrage an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 4, 7 und 8 sowie 10 und 11 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Wir wer­den daher so vorgehen.

10.13.271. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Diplomatische Akademie Wien“ (DAK-Ge­setz 1996) geändert wird (1298 d.B. und 1402 d.B. sowie 7526/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G) (1363 d.B. und 1403 d.B. sowie 7527/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Euro­päischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Tadschikistan andererseits samt Schlussakte, Anhänge, Protokoll und Erklärun­gen (1300 d.B. und 1405 d.B. sowie 7528/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit (1161 d.B. und 1406 d.B. sowie 7529/BR d.B.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren Punkten 1 bis 4, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 1 bis 4 ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte um die Be­richte.

 


10.14.18

Berichterstatter Karl Bader: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe die Berichte zu den Tages­ordnungspunkten 1 bis 4.

Da alle Berichte schriftlich vorliegen, darf ich mich auf die Antragstellung beschränken.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 31

Zu Tagesordnungspunkt 1: Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 2, Auslandsösterreicher-Fonds-Gesetz: Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 3, Abkommen mit der Republik Tadschikistan und den Euro­päischen Gemeinschaften: Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 4, Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immuni­tät der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit: Der Ausschuss für aus­wärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ich denke, dass es zeitlich gesehen nicht günstig ist, in die Debatte einzugehen. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Aber ja!) Ja? – Gut.

Über allgemeinen Wunsch gehen wir in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.17.04

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich werde im Folgen­den versuchen, auf alle vier Vorlagen, die hier zur Diskussion stehen, kurz einzugehen. Beginnen möchte ich mit dem Bundesgesetz über die Diplomatische Akademie Wien.

Im Ausschuss herrschte breite Übereinstimmung bei allen Fraktionen dahin gehend, dass es sich hiebei um eine Akademie handelt, die außerordentlich gute Qualität bietet und eine gute österreichische Ausbildungsstätte ist. Dass die Diplomatische Akademie weit über die Grenzen Österreichs hinaus größte Anerkennung genießt, beweist auch der Sachverhalt, dass fast zwei Drittel aller Absolventen und Studierenden aus dem Ausland kommen. Ich denke, das ist ein gutes Zeugnis, das für diese Diplomatische Akademie spricht.

Daher ist es umso wichtiger, dass dieses Gesetz klarstellt, dass die Diplomatische Akademie den Erfordernissen des Bologna-Prozesses entspricht und eben sicherstellt, dass die internationale Anerkennung gegeben ist.

Wir werden diesem Gesetz natürlich zustimmen, weil wir damit einer Gruppe von zirka 120 Studierenden jene Möglichkeiten eröffnen, die international notwendig sind und auch im Interesse Österreichs sind.

Zu Tagesordnungspunkt 2, dem Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds:

Diese Novelle bringt eine Erweiterung des Auslandsösterreicher-Fonds, und zwar be­sonders eine Erweiterung hinsichtlich der finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
734. Sitzung / Seite 32

denn durch die Änderungen kommen jetzt auch so genannte Herzensösterreicher in den Genuss dieses Auslandsösterreicher-Fonds, indem sie in den Bezieherkreis mit aufgenommen werden.

Diese Ausweitung ist, so glaube ich, wichtig, weil gerade in der Gruppe der „Herzens­österreicher“ noch viele ehemalige österreichische Staatsbürger sind, die auf Grund der Verfolgung des NS-Regimes heute im Ausland leben.

Der Auslandsösterreicher-Fonds hat die Aufgabe, österreichische Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Ausland finanziell zu unterstützen, wenn sie materiell in eine beson­ders schwierige Situation kommen.

In Zukunft kommen auch „Herzensösterreicher“ – zur Begriffserklärung: Das sind keine österreichischen Staatsbürger mehr; sie beweisen aber durch ihr Engagement eine starke Verbundenheit zu unserem Land – und Kinder österreichischer Staatsbürger, die ihren Hauptwohnsitz im Ausland haben, in den Kreis der Bezieher von Unterstüt­zungen.

Das Einzige, was hier kritisch anzumerken ist, ist Folgendes: Meiner Information nach, Herr Staatssekretär, ist die Dotierung des Fonds gleich geblieben, während der Bezie­herkreis ausgeweitet wurde. Ich meine, dass es auch notwendig gewesen wäre, die Dotierung etwas zu erhöhen – bei aller Budgetdisziplin, die notwendig ist. Vielleicht können Sie mir dazu eine Auskunft geben. Ich glaube nämlich, dass man bei einer Ausweitung des Bezieherkreises auch das hätte berücksichtigen müssen.

Ein paar Bemerkungen auch zum Kooperationsabkommen mit der Republik Tadschi­kistan: Die ehemaligen Staaten der Sowjetunion, eben auch Tadschikistan, hatten kei­nen leichten Prozess der Loslösung von der Sowjetunion. Tadschikistan hat sich 1991 als unabhängig erklärt. Es leben dort ungefähr so viele Menschen wie in Österreich, die wirtschaftliche Situation ist allerdings eine ganz andere.

Tadschikistan gehört zu einem der ärmsten Länder dieser Region, wenn nicht der gan­zen Welt überhaupt. Das BIP pro Einwohner beträgt in Tadschikistan 141 €, während es in Österreich 29 000 € pro Einwohner ausmacht. Daran sieht man schon, welch gro­ße Unterschiede da bestehen. Gerade deshalb halte ich dieses Abkommen für so not­wendig und so wichtig, denn Ziel dieses Abkommens ist es, den politischen Dialog, die Zusammenarbeit und den Handel mit Tadschikistan zu unterstützen. Ich glaube daher, dass es wichtig und richtig ist, dass wir dieses Abkommen hier heute beschließen.

Nun ein paar Worte zum Tagesordnungspunkt 4, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbar­keit: Grundsätzlich war es in der Vergangenheit sozusagen eine historische Regel, dass ein Staat nicht von ausländischen Gerichten belangt wird. Ein Staat sollte nicht ausländischer Gerichtsbarkeit unterworfen sein. Diese Regel ist in dieser Form nicht mehr zeitgemäß, und daher kam es eben zu diesem Übereinkommen.

Es gibt kein wirklich gültiges multilaterales Abkommen in dieser Form, außer einer Ver­einbarung des Europarates. Dieser sind aber nur sehr wenige Staaten – 6 oder 7 ein­schließlich Österreichs – beigetreten.

Wir sind der Überzeugung, dass dieses Abkommen die Beziehungen zwischen den Staaten und den Unternehmen fördern und verbessern wird. Daher stimmen wir auch diesem Punkt zu.

Zusammenfassend: Es gibt also zu allen diesen vier Tagesordnungspunkten Zustim­mung von der sozialdemokratischen Fraktion. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.23



Bundesrat
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734. Sitzung / Seite 33

Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsi­dent Weiss. Ich erteile es ihm.

 


10.23.31

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich fasse mich kurz und beschränke mich in meinen Ausführungen auf das Gesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds. Dieses Gesetz bringt materiell gesehen – bis auf die Bestimmungen hinsichtlich der schon erwähnten „Herzensösterreicher“ – keine inhaltlichen Änderungen. Es ist eine Anpas­sung der in den letzten 40 Jahren herausgebildeten Rechtslage an die neuen Gege­benheiten.

Der Auslandsösterreicher-Fonds hat nach wie vor eine erhebliche Bedeutung. Es wur­den im Vorjahr immerhin über 630 000 € für 933 österreichische Staatsbürger in insge­samt 59 Staaten – mit dem Schwerpunkt Lateinamerika – zur Verfügung gestellt. Wenn man mit diesen Fällen näher befasst ist, dann weiß man, dass es in vielen Fällen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann, aber es ist außerordentlich wichtig. Abge­sehen von der symbolischen Bedeutung solcher Unterstützungen ist es nämlich viel­fach eine notwendige materielle Hilfe, um ein Mindestmaß an Lebensstandard sicher­stellen zu können.

Hinsichtlich der Dotierung ist anzuführen, dass das nicht Aufgabe einer Regelung im Bundesgesetz sein kann, sondern vom Budget abhängt – unter anderem auch von jenem der Länder, denn dieses Gesetz hat mehrere Zusammenhänge mit den Län­dern. Die Länder zahlen nämlich ungefähr – nicht ganz – die Hälfte der Fondsmittel, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil es sich um eine Art Sozialhilfe an österreichische Staatsbürger, die nicht im Inland wohnen, handelt. Die Länder waren schon bisher im Kuratorium vertreten und werden es weiterhin auf Grund einer jetzt klareren Rechts­lage sein. Die Länder sind auch insoweit betroffen, als wir jetzt einer Verfassungsbe­stimmung nach Artikel 44 Abs. 2 zustimmen müssen, die die im Artikel 22 gegebene Möglichkeit der Amtshilfe auch auf den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung – um diesen handelt es sich hierbei – überträgt.

Im Zuge der anstehenden Kodifizierung der Bundesverfassung wird es natürlich zweckmäßig sein, klarzustellen, dass die Amtshilfe auch die Privatwirtschaftsverwal­tung betrifft, und dann würde diese Verfassungsbestimmung in einer allgemeineren Regelung aufgehen.

Ich möchte mich dafür bedanken, dass im Begutachtungsverfahren auf einen Hinweis der Länder eingegangen wurde: Es war nämlich ursprünglich vorgesehen, dass bei einer allfälligen Auflösung des Fonds das Vermögen an den Bund zurückfällt, aber die Länder haben gesagt: Wenn wir schon ungefähr die Hälfte einzahlen, dann müsste das auch dort seinen Niederschlag finden!, und dem wurde entsprochen. Dafür bedanke ich mich herzlich. (Beifall bei der ÖVP.)

10.26


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


10.26.26

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Ich habe in non­verbaler Kommunikation der Präsidentin versprochen, mich „stenographisch“ zu halten, nämlich mich ganz kurz zu fassen.

Super, dass das „Master-Programm“ der Diplomatischen Akademie Wien nun ein aka­demisches Studium ist. Das ist etwas ganz Wichtiges.


Bundesrat
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734. Sitzung / Seite 34

Wunderbar, dass die Diplomatische Akademie Wien „im Grunde“ – unter Anführungs­zeichen – immer mehr auch ein Exportschlager wird, dass wir 75 Prozent der Studie­renden aus dem Ausland haben. Das erleichtert auch die Diplomatie in späteren Zu­sammenhängen: dann nämlich, wenn genau jene, die die Diplomatische Akademie Wien besucht haben, in höchste Regierungsämter in ihren Heimatstaaten kommen. Da liegt dann eine ganz andere Kommunikationsebene vor. – Wunderbar! Wir werden die­sem Punkt zustimmen.

Wir finden es auch sehr gut, dass der Auslandsösterreicher-Fonds ausgeweitet wurde, dass die materielle Hilfe – oder die Sozialhilfe, wie es Kollege Weiss gesagt hat – er­höht wurde.

Herr Staatssekretär! Trotzdem eine Anregung: Angesichts der heutigen Preise, zum Beispiel für ein Flugticket, wo dann mehrere Kuratoriumsmitglieder unterschreiben müssen, ist die Grenze von 1 000 € nicht mehr zeitgemäß. Ich schlage daher eine Ver­doppelung dieses Betrages auf 2 000 € vor. Ich denke, dass das dann praktikabler ist. Immerhin haben 1 200 Personen Mittel in Anspruch genommen.

Herr Staatssekretär! Nun zu einem Punkt, den Sie nicht auf der Tagesordnung finden: Es geht dabei um das Bemühen der beiden Oppositionsparteien – mit einer Aufforde­rung an die Regierungskoalition –, bis zur nächsten Sitzung einen Entschließungsan­trag betreffend Konsulargebühren vorzulegen. Ich hoffe, dass wir uns auf der Ebene dieser Entschließung finden können und dass diese hier beim nächsten Mal verab­schiedet werden kann. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.28


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ich danke dem Herrn Bundesrat für die Disziplin.

Wie bereits angekündigt, unterbreche ich jetzt – aus Anlass des Besuches von Herrn EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso – die Verhandlungen zur Tages­ordnung und überdies auch die Sitzung des Bundesrates bis 11 Uhr.

*****

10.29.20(Die Sitzung wird um 10.29 Uhr unterbrochen und um 11.02 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbro­chene Sitzung wieder auf.

Liegen zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt noch weitere Wortmeldungen vor? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Dip­lomatische Akademie Wien“ geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.


Bundesrat
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734. Sitzung / Seite 35

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds.

Da der gegenständliche Beschluss eine Verfassungsbestimmung enthält, bedarf dieser nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertei­len.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch dieses ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Tadschikistan andererseits samt Schlussakte, Anhänge, Protokoll und Erklärungen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immuni­tät der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Die Stimmeneinhelligkeit ist gegeben. Der Antrag ist somit ange­nommen.


Bundesrat
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734. Sitzung / Seite 36

11.06.585. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 betreffend einen Vertrag zwi­schen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Helleni­schen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Re­publik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Re­publik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slo­wakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union) und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, samt Anhängen und Schlussakte (1389 d.B. und 1395 d.B. sowie 7523/BR d.B.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zum Punkt 5 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich bitte um seinen Bericht.

 


11.08.32

Berichterstatter Gottfried Kneifel: Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzte Damen und Herren! Bevor ich den Bericht erstatte, habe ich eine Druckfehlerberichtigung vor­zunehmen:

Im gegenständlichen Bericht ist im Punkt 2 der Antragstellung in der vorletzten Zeile die Zitierung des entsprechenden Bundesverfassungsgesetzes nicht vollständig abge­druckt. Es soll dort heißen: Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bul­garien und Rumäniens zur Europäischen Union.

Ich komme zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

 


2. dem Beschluss des Nationalrates betreffend den Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem König­reich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Helleni­schen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Itali­enischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Kö­nigreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugie­sischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Re­publik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, samt Anhängen und Schlussakte zur Europäischen Union, im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


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734. Sitzung / Seite 37

Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Vilimsky. – Bitte.

 


11.11.00

Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Die Kameras sind weg, die Fotoapparate sind weg, die Journalisten sind weg, die europäische Ka­rawane zieht weiter. Was zurückbleibt, sind viele schöne Worte, Beteuerungen, aber keine neuen Beteuerungen, sondern Beteuerungen, die man seit vielen Jahren hört. In der Sache hat sich eigentlich nicht viel verändert.

Herr Kommissionspräsident Barroso erhält heute einen sehr selektiven Ausschnitt un­seres Landes und unserer Stadt. Er sieht diese würdigen Hallen hier, er wird in diver­sen Nobelhotels und bei Kongressen hier seinen Positionen ventilieren, aber er wird nicht des Eissturmes ansichtig, in dem sich viele Österreicher befinden. Seit Beginn der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist in Österreich die Armut rasant im Wachsen, die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie zuvor, unsere Sozialsysteme werden an eine Belastungsgrenze geführt, Gesundheits- und Pensionssystem wackeln, aber wir hören immer noch, beispielsweise auch heute, dass eine europäische Super-Ver­fassung weiter erarbeitet werden soll, welche unseren nationalen Entscheidungsräu­men den letzten Rest von Luft abschneiden würde.

Ich habe überhaupt den Eindruck, dass in Europa ein Kurs verfolgt wird, der nicht von den Menschen getragen wird, sondern am Tisch von einigen Mächtigen, von einigen Industriekapitänen definiert wird, wo es Schnittstellen zur Europäischen Kommission gibt, und in weiterer Folge haben das Europäische Parlament und die nationalen Parla­mente das umzusetzen, was demokratisch nicht legitimiert in Gang gesetzt wurde.

An diesen Tischen, an denen der Kurs Europas bestimmt wird, sitzen keine Arbeitneh­mervertreter, da sitzen nicht Vertreter der Familien in Europa oder auch in Österreich und können mitreden, wie dieser Kurs auszusehen hat. Der Kurs ist ein Kurs ohne so­ziales Herz und ein Kurs ohne soziales Verständnis. Da dominieren in erster Linie die Aussichten auf gute Gewinne und günstigste Standortbestimmungen mit möglichst ge­ringen Sozialstandards.

Man hat während der ersten Welle der Osterweiterung erlebt, wie Betriebe dorthin ab­siedeln, um die günstigen Produktionsbedingungen zu nutzen, und jetzt geht man einen Schritt weiter und fährt noch einmal das Sozialniveau ein Stück hinunter. In Rumänien und Bulgarien sind die Sozialstandards sicherlich wesentlich geringer als in den bereits aufgenommenen Mitgliedsländern der EU.

Dass Sie heute hier diesem Kurs Ihre Zustimmung erteilen, ist meiner Ansicht nach nicht anders zu verstehen, als dass Sie das tun, weil es ein Kurs ist, der gegen die Be­völkerung in Österreich gerichtet ist. Das war aber auch schon so, als grünes Licht zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei gegeben wurde. Fast 90 Prozent der Österreicher waren dagegen – trotzdem hat es grünes Licht gegeben!

Weitere Untersuchungen zeigen, dass nur 17 bis 20 Prozent der Österreicher für eine weitere Osterweiterung sind. Für die 80 bis 83 Prozent der Österreicher, die dagegen sind, die auch gegen einen Beitritt Rumäniens und Bulgariens im gegenwärtigen Zeit­punkt, 2007 oder 2008 sind, für die will ich heute das Wort ergreifen.

Ich will außer Streit stellen, dass Rumänien und Bulgarien Teil der europäischen Völ­kerfamilie sind, und Rumänien und Bulgarien sollen und müssen auch Teil dieser Euro­päischen Union werden, aber nicht 2007 und nicht 2008, sondern erst dann, wenn die


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734. Sitzung / Seite 38

Probleme dort bereinigt sind, wenn der Sozialstandard an unsere Durchschnittsniveaus in Europa angeglichen wird und wenn die vielen gravierenden Probleme, die nicht nur die Europäische Kommission aufgezeigt hat in ihren Fortschrittsberichten, sondern die auch quer durch Europa von den Regierungschefs kritisiert werden, etwa die Korrup­tion, ausgeräumt worden sind. Dann kann man über einen Beitritt reden, dann kann man diesen Ländern entsprechende Reife attestieren.

Sie werden ja nicht im Ernst glauben, dass man die virulenten und gravierenden Pro­bleme in Rumänien und Bulgarien, beginnend bei der dokumentierten Kritik über das Justizwesen, das Behördenwesen, die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die dort gang und gäbe sind, im Expressverfahren bereinigen kann. Es gibt weitere mas­sive Kritikpunkte, die dokumentiert sind: die Lebensmittelsicherheit, der Umweltbereich, der Arbeitnehmerbereich, und so weiter, und so fort.

Ich darf aber auch noch erinnern an die CIA-Affäre im Zusammenhang mit Bulgarien, wo dokumentiert worden ist und an die Oberfläche geschwappt ist, dass Bulgarien im Sold der USA steht, dass es Menschenrechtsverletzungen und Geheimgefängnisse gegeben hat, Überflüge, die nicht genehmigt waren. Bulgarien war dann als Dank dafür der Profitnehmer beim Aufbau im Irak und vertritt mit Sicherheit mehr die Interessen der USA als die eines potentiellen Mitgliedslandes der Europäischen Union.

Jetzt zu Österreich. – Wir haben in Österreich nach offizieller Schätzung – die Dunkel­ziffer ist sicherlich höher – rund 100 000 Menschen, die sich illegal hier aufhalten, die zu einem gut Teil aus Rumänien und Bulgarien kommen. Das ist ein klares Zeichen da­für, dass hier ein gewaltiger Migrationsdruck gegeben ist, und dieser Migrationsdruck wird sich weiter verschärfen, wenn diese beiden Länder zur Europäischen Union kom­men. Unter dem Titel der Scheinselbständigkeit erleben wir ja, wie auf dem österreichi­schen Arbeitsmarkt die Zuwanderung stärker und stärker wird und die Schutzbestim­mungen, die für den heimischen Arbeitsmarkt geschaffen werden, überhaupt nicht grei­fen.

Ich bleibe bei meinem Vorwurf, dass wir in Österreich die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik haben. Das haben die Arbeiterkammer und die statistischen Institute errechnet, die Medien berichten breit davon, und ich meine, dass die von Ihnen heute erwähnten Zahlen aus dem Jahr 1996 ein bisschen aus der parteipolitischen Motivation der Regierungssicht kommen und hier eine Trübung der Verhältnisse stattfindet.

Österreich zählt heute zu den größten EU-Skeptikern. Die letzte Eurobarometer-Um­frage der Kommission hat ergeben, dass bereits eine Mehrheit der Österreicher gegen die EU und gegen den Kurs der EU ist. Und jetzt ist wichtig zu fragen, warum. Sind die Österreicher alle verkorkste Skeptiker und Ablehner der Europäischen Union oder gibt es da vielleicht andere Hintergründe? – Für mich ist der Grund darin zu suchen, dass die Österreicher in diese Europäische Union „hinein gelogen“ wurden (Rufe bei der ÖVP: Oh, oh!), mit falschen Argumenten, die jenseits der tatsächlichen Entwicklung ge­legen waren.

Ich erinnere mich an eine Schlagzeile der „Kronen Zeitung“: Kein Europageld – D-Mark und Schilling bleiben! – Wir alle kennen die Auswirkungen: Der Schilling ist abgeschafft worden, das Europageld, der Euro, ist gekommen. Und Sie können anhand von diver­sen Untersuchungen nachvollziehen, was damals von Schilling umgerechnet ein Euro war. Ein Euro ist nur mehr 84 Cent wert. Wenn man heute einen Warenkorb schnürt, aber nicht, wie er bei uns geschnürt ist, sondern reduziert auf die tatsächlichen Le­bensverhältnisse, auf Lebensmittel, auf Wohnkosten und Medikamente, kommt man auf Teuerungsraten jenseits der 30 Prozent. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Es ist den Menschen versprochen worden, dass Milch und Honig fließen. Das Gegen­teil ist der Fall: Unsere Arbeitslosigkeit ist hoch wie nie zuvor. Wir haben in der Arbeits-


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markt ... (Bundesrätin Zwazl: Wir haben auch so viele Beschäftigte wie nie zuvor! Sie müssen den Prozentsatz rechnen!) Da haben Sie Recht: Wir haben so viele Beschäf­tigte. Warum haben wir so viele Beschäftigte? – Weil 1 Million atypische Arbeitsverhält­nisse eingegangen wurden. Das sind die Arbeitsverhältnisse, wo man geringere Sozial­standards hat, wo man nicht die Arbeitnehmerschutzbestimmungen hat, die man bei regulären Dienstverhältnissen hat. Die Schutzbestimmungen, die bei der ersten Welle der Osterweiterung in den Raum gestellt wurden, funktionieren nicht. Nach Österreich kommen unzählige Scheinselbständige, drängen hier auf unseren Arbeitsmarkt, etab­lieren sich auch, und unsere Betriebe siedeln ab nach Osteuropa.

Das, was Österreich noch an Restsouveränität in seiner Entscheidungssituation hat, soll künftig – und da gibt es auch eine klare Vorgabe unseres Bundeskanzlers – in eine europäische Super-Verfassung münden, die Österreich den letzten Rest an nationalen Selbstbestimmungsmöglichkeiten rauben würde.

Der nächste Schritt der Erweiterung, nämlich um die Türkei, würde dazu führen, dass in gut 20 Jahren das bevölkerungsreichste Land der Europäischen Union ein islami­sches wäre und damit auch Brüssel unter dem Banner des Halbmondes in seine Zu­kunft segelt. (Bundesrat Konecny: Aber bitte!) Sie können die Bevölkerungszahlen einfach hochrechnen, das steht außer Zweifel.

Die Nettozahlungen Österreichs an Brüssel steigen und steigen; zu Beginn dieses Jah­res hat der Herr Bundeskanzler diese Zahlungen verdoppelt. Die Arbeitslosigkeit befin­det sich trotz der kurzfristigen Entspannungsmomente, die heute zur Diskussion ge­standen sind, in einem Negativtrend. Die Betriebe siedeln ab.

Ich frage jetzt: Können Sie es wirklich verantworten, heute hier die Zustimmung zum EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens zu geben, wissend, dass 80 Prozent der Öster­reicher, eine satte Mehrheit also, dagegen sind? Fühlen Sie sich wirklich gut, wenn Sie heute gegen österreichische Interessen stimmen? Haben Sie schon einmal daran gedacht, die Demokratie in Österreich wieder mehr zu beleben, nicht darauf zu hören, was der Herr EU-Kommissionspräsident uns sagt und diesen Worten würdevoll zu kon­tern, sondern wieder die Österreicher zu fragen und die Österreicher den Kurs zentral mitbestimmen zu lassen?

Das ist zurzeit nicht der Fall. Sieht man von den Wahlen alle vier Jahre ab, machen die Regierungen das, was in Brüssel vorgegeben wird, hören nicht auf die Österreicher und fahren in vielen Bereichen einen Kurs gegen die Interessen der Österreicher.

Ich weiß, Sie werden heute zustimmen, weil Sie auch im Zwang der Europäischen Konservativen und der Sozialistischen Internationale sind und gar nicht aus Ihren inter­nationalen Verbindlichkeiten herauskommen. Es wäre aber gut, wenn Sie bei Ihrer Zu­stimmung wenigstens ein schlechtes Gewissen haben.

Ich werde dem überhasteten Beitritt der beiden Länder Bulgarien und Rumänien heute die Zustimmung verwehren, und ich habe dabei ein gutes Gewissen. – Danke sehr.

11.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Ko­necny. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.22.38

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, dass ich mit der einen oder anderen meiner Ausführungen auf den vorherigen „Nicht-Tagesordnungspunkt“ eingehen muss, weil einiges ungesagt bleiben musste. Ich habe, ehrlich gesagt, Kollegen Kneifel nicht verstanden, denn wenn wir eine Vereinbarung schließen, dass jeder Redner der drei Fraktionen für 5 Minuten zu Wort kommt, dann ist es ein Bruch einer Vereinbarung,


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wenn einer länger spricht, was zwar hoffentlich nicht vorsätzlich passiert ist, aber je­denfalls vom Haus so nicht hingenommen werden kann.

Das wird Folgen haben, Kollege Kneifel. Wir alle haben das Bedürfnis, uns hier auszu­drücken. Ich kann auch jetzt eine Stunde lang reden, und das wäre in dem Fall ohne Sanktion. Es ist auch die Überschreitung der Redezeit in einer Vereinbarung ohne Sanktion, aber moralisch können wir das nicht akzeptieren. Das möchte ich hier ganz deutlich zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist vom Herrn Kommissionspräsidenten zu Recht erwähnt worden – und es ist auch vom Kollegen Kneifel zu Recht erwähnt worden –, dass Österreich sicherlich zu jenen Mitgliedstaaten gehört, die in den vergangenen elf Jahren vom Beitritt zur Europäi­schen Union substanziell profitiert und im besonderen Maße von der Osterweiterung profitiert haben. Es gehört zu der noch zu schreibenden Ruhmesgeschichte der öster­reichischen Wirtschaft, die jahrzehntelang – und das zu Recht – für ihre Feigheit im Hinblick auf internationales Engagement kritisiert wurde, diese Chance der Öffnung des Ostens und später des Beitritts dieser Staaten zur Europäischen Union ganz früh­zeitig erkannt zu haben, sich mutig, engagiert und offenbar sehr klug und erfolgreich eingeschaltet zu haben. Damit wurde der österreichischen Wirtschaft eine ganz neue Dimension verliehen.

Das ist in hohem Maße anzuerkennen und es ist – bei allem, was da auch an Betriebs­verlagerungen, Komponentenzukauf mit im Spiel ist – ein ganz wesentlicher Bestand­teil der Stärke der österreichischen Wirtschaft, ihrer Möglichkeit, Steuern zu zahlen und ihrer Möglichkeit, Menschen zu beschäftigen. Das muss man deutlich aussprechen, auch mit Respekt vor jenen, die diese Chance erkannt haben und immer noch erken­nen, denn inzwischen hat sich ja der Fokus dieser Investitionen weit über die unmittel­baren Nachbarstaaten hinaus ausgedehnt.

Ich weiß, man kann den Standpunkt vertreten, wir melken diese Kuh – und dabei las­sen wir es bewenden. Herr Landeshauptmann Haider hat diesen Standpunkt einmal vor einigen Jahren vor der Osterweiterung um diese zehn Mitglieder auch öffentlich formuliert. Ich hielte das für im höchsten Maße unmoralisch. Ich glaube, dass diese Staaten eine europäische Perspektive teils schon eingelöst haben und haben müssen und dass die Fortschritte, die sie auf diesem Weg erzielen, nicht nur darin bestehen können, Gewinne österreichischer Unternehmen zu mehren – so angenehm das ist –, sondern dass auch sie von dieser Entwicklung letztlich in Form der Mitgliedschaft profi­tieren sollen.

Tatsache ist – und da verwechselt Kollege Vilimsky, um das freundlich zu sagen, et­was –, dass es jene politischen Mehrheiten in der Europäischen Union – im Parlament, in der Kommission, aber natürlich auch im Rat – gibt, die sich die Völker gewählt ha­ben: Das ist eine neoliberal-konservative Mehrheit. Dass ich, dass meine Fraktion und meine Freunde in all diesen Ländern dagegen ankämpfen, ist die eine Sache. Die Ent­scheidungen auf die nationalen Regierungen zurückzuverlagern, würde in Österreich, Herr Kollege Vilimsky, mit der Regierung, die wir haben, überhaupt nichts ändern, in Frankreich überhaupt nichts ändern, aber ich gebe zu, für die Schweden und für die Spanier wären vielleicht andere Lösungen möglich. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Wenn wir an ein gemeinsames Projekt Europa glauben – und wir tun das! –, dann geht es wie in jedem demokratischen Gemeinwesen um eine politische Auseinanderset­zung, an deren Ende eine Richtungsentscheidung stehen muss. Wir wünschen uns eine andere Richtungsentscheidung. Die Tatsache, dass die ungarische Regierung be­stätigt wurde, die Tatsache, dass es in Italien zu einem Machtwechsel gekommen ist, sind Bausteine dafür. Einige weitere Bausteine werden noch gebraucht, aber dann


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kann sich im Rat eine Mehrheit ändern, dann kann eine nächste Kommission auch eine andere politische Zusammensetzung und folgerichtig einen anderen Präsidenten ha­ben.

In Europa geht es nicht um Flaschen, weder um Weinflaschen noch um Flaschen an­derer Art. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) In Europa geht es um politische Rich­tungsentscheidungen, und die Erweiterung ist eine solche. Man kann, Kollege Vilimsky, den strengen Winter, die Regenfälle oder ein Schlagloch in einer Bundesstraße natür­lich der Europäischen Union vorwerfen. Es steht Ihnen absolut frei, das zu tun. Sie können die steigenden Arbeitslosenzahlen, die es gibt – das ist eine merkwürdige Mil­de von Ihrer Seite, aber mich überrascht bei Ihnen wenig –, nicht der verfehlten Politik der österreichischen Bundesregierung, sondern ebenfalls Brüssel anlasten. Sie können Brüssel für die Pensionsreform dieser Regierung für schuldig erklären. (Bundesrat Rei­senberger: Nur glauben wird es keiner!) Sie können das beliebig fortsetzen.

Wir wissen genau – ich glaube, auch die Österreicherinnen und Österreicher wissen das –, wer für welche Entwicklung verantwortlich ist. Unsere hausgemachten Probleme brauchen wir nicht nach Brüssel zu delegieren. Dafür sind wir ganz im Sinne der Sub­sidiarität alleine verantwortlich – nicht wir, sondern diese Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Bulgarien und Rumänien haben in den letzten Jahren – ich weiß nicht, Herr Kollege Vilimsky, wann und wie oft Sie dort waren, um das zu verfolgen – eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht. Gar keine Frage! Sie haben aber nicht das Niveau Öster­reichs erreicht. Das wäre eine übermenschliche Leistung gewesen. Bei aller Verbin­dung und Freundschaft zu den Menschen dieser Länder: Übermenschen sind sie nicht. Aber sie haben aus einer historischen Chance das Menschenmögliche gemacht, und das ist sehr viel. Dass es Restbestände gibt, wo sie in beiden Staaten selbst ganz ge­nau wissen, dass sie noch Hausaufgaben zu machen haben, ist keine Frage.

Wir sprechen über einen Beitritt, von dem ich persönlich der Meinung bin, dass er durchaus am 1. Jänner des kommenden Jahres erfolgen könnte und sollte. Wir spre­chen über einen Beitritt, bis zu dem mehr als ein halbes Jahr Zeit ist, wo es eine Reihe von Maßnahmen von beiden Staaten geben sollte und wo ganz offensichtlich auch die Kommission geneigt ist, diese energisch einzufordern.

Die Möglichkeit, an diese Staaten Forderungen zu stellen – und das beweisen die in­zwischen neu beigetretenen Mitglieder –, endet nicht mit dem Tag des Beitritts. Jede Nichterfüllung ist letztlich eine Vertragsverletzung und kann genau so wie andere Maß­nahmen vor dem Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden. Wir entlassen diese Staaten sozusagen nicht aus ihrer Verpflichtung, weiter aufzuholen, was sie durchaus auch im eigenen Interesse tun werden und tun wollen.

Es wäre zutiefst unfair, aber vielleicht demagogisch ganz nützlich, bestehende Kritik in Österreich an der Europäischen Union gegen diese beiden künftigen Mitgliedstaaten zu wenden. Ich für meine Person, ich für meine Partei lehne diese Vorgangsweise ab.

Dem Kollegen Vilimsky widme ich abschließend einen angeblich im Westen Öster­reichs üblichen Gruß; die Freunde aus Bulgarien und Rumänien hoffe ich bald in der Europäischen Union begrüßen zu können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.32


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


11.32.35

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mir erlauben, heute eine Ausnahme zu machen: Ich darf auch die beiden Exzellenzen


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aus Bulgarien und Rumänien begrüßen. Danke, dass Sie gekommen sind, um dieser Debatte beizuwohnen!

Wenn wir also hier über den EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens abstimmen, dann ist es sehr wichtig, dies irgendwie einzuordnen. Die EU hat 450 Millionen Einwohner. Jetzt sollen zwei Länder dazukommen, Rumänien mit 20 bis 22 Millionen, Bulgarien mit acht Millionen Einwohnern, in Summe ungefähr 30 Millionen. Das sind, in Prozenten ausgedrückt, zwischen 6 und 7. Und da ist schon die Frage grundsätzlicher Natur zu stellen, dass das doch eine Größenordnung ist, die für die Europäische Union in jede Richtung verkraftbar sein müsste.

Es kommt aber auch noch etwas anderes hinzu, nämlich dass einerseits Rumänien un­ter Trajan – das ist schon sehr, sehr lange her – in den abendländischen Kulturkreis eingetreten ist. Es war dann länger beim Oströmischen Reich, später ist es irgendwie anders gekommen. Andererseits ist das Großbulgarische Reich entstanden. Aber wenn in diesem Raum keine Stabilisierung herrschte, so ist es uns in Zentral- und in Westeuropa nicht immer bestens gegangen. Ich darf an die diversen Türkenkriege er­innern, aber auch an den Zerfall des Osmanischen Reiches mit all den Verwerfungen, die stattgefunden haben. Und ich muss erwähnen, dass im letzten Jahrhundert der Erste Weltkrieg von dort – damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde: nicht von Bulgarien oder Rumänien – ausging, jedenfalls vom Balkan seinen Ausgang genom­men hat. Die weiteren Katastrophen brauche ich hier nicht zu schildern.

Daher ist es ganz besonders wichtig, dass durch den Beitritt Rumäniens und Bulga­riens der Westbalkan ein Signal bekommt, dass er auch in Zukunft bei Einhaltung be­stimmter Verhaltensregeln mit einem Beitritt rechnen kann.

Eines muss uns schon klar sein: Die heutigen Verhältnisse in Serbien-Montenegro – wir werden ja sehen, wie die Volksabstimmung in Montenegro ausgehen wird – sind weitere Umstände, die diesen Raum empfindlich destabilisieren.

Wichtig ist aber in weiterer Folge auch, dass wir das so genannte Land der Skipeta­ren – jetzt darf ich kurz an Karl May erinnern – ebenfalls in die Europäische Union be­kommen, weil von dort schon das eine oder andere Unheil ausgegangen ist.

Zusammengefasst: Es ist außerordentlich wichtig, dass Rumänien und Bulgarien jetzt zur Europäischen Union kommen, denn nur so ist mittel- und langfristig eine Befrie­dung dieses Raumes möglich und die Strahlwirkung, die durch den Beitritt dieser bei­den Länder Richtung Ukraine ausgeht, soll man nicht unterschätzen, wobei sicher not­wendig ist, dass sich die Europäische Union darüber klar wird, wie groß die EU in Zukunft sein soll.

Damit keiner glaubt, dass meine Fraktion total blauäugig ist (Heiterkeit bei den Grü­nen), möchte ich kurz erwähnen, dass Rumänien und Bulgarien in zwei Bereichen, nämlich Justiz und Inneres, einen gewissen Nachholbedarf haben. Aber wir dürfen hier nicht zu kritisch sein, denn diese Länder sind erst vor 16 Jahren echte Demokratien ge­worden. Bitte betrachten wir Österreich! Als wir nach dem Zerfall der Monarchie Demo­kratie geworden sind, haben wir in der Ersten Republik auch nicht immer ein Muster­beispiel an Demokratie geboten. Da kann ich aber heute schon historisch vergleichend sagen, dass Rumänien und Bulgarien heute sicher wesentlich weiter sind als Öster­reich in der Ersten Republik.

Was ich in diesem Zusammenhang besonders anerkennen möchte, ist, dass Öster­reich auch eine Art Partnerschaft mit diesen Ländern eingegangen ist, im Bereich des Inneren und der Justiz Hilfe leistet, vor allem Ausbildungsunterstützung, damit sie ken­nen lernen, wie zum Beispiel Rechtssysteme in Europa funktionieren.


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Aus diesem Umstand heraus der Schluss: Wenn wir auf Dauer haben wollen, dass europäische Standards Fuß fassen, dann ist das sicher nur innerhalb der Europäi­schen Union und nicht außerhalb möglich.

Zuletzt möchte ich noch Folgendes erwähnen – und das ist ein kleiner Hinweis auf den Erstredner, der hier von „Zwang“ gesprochen hat –: Meine Fraktion begrüßt die Auf­nahme Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Union und wird mit Ja stimmen. Und bitte: Dieses Ja ist ohne Zwang erfolgt. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

11.38


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.38.34

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich bin hier schon öfter an diesem Rednerpult gestanden und habe ... (Bundesrat Mayer: Das stimmt!) – Ja, die Freuden!

Ich habe von der Notwendigkeit, Europa fertig zu bauen, gesprochen. Mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens kommen ganz wesentliche Teile zu diesem gemeinsamen Haus Europa dazu; ein gemeinsames Europa ohne Bulgarien und Rumänien ist ja wohl kaum vorstellbar. Zu nahe sind all unsere Beziehungen, und zu nahe ist auch das, was uns verbindet. Österreich war ja auch in seiner Vergangenheit weniger ein westeuro­päischer als ein südost- und osteuropäischer Staat, der zwar von der Mitte aus regiert wurde, der aber über Jahrhunderte in intensivsten Beziehungen stand.

Besondere Bedeutung hat der Beitritt Bulgariens und Rumäniens natürlich für die Sta­bilität und Sicherheit in Europa deswegen, weil hier zwei weitere Nachbarn aus Südost­europa, dem zentralen Raum Südosteuropas mit ihrer ganz speziellen Kenntnislage zur EU kommen. Es kann keinen Frieden und keine Sicherheit in Europa geben, wenn wir mit dem, was Kollege Kühnel als Westbalkan bezeichnet hat – die betroffenen Staaten und Völker hören lieber Südosteuropa –, wenn wir mit dieser Region keine ge­meinsame Zukunft finden. Dazu erwarte ich mir enorme Impulse von Bulgarien und auch von Rumänien.

Ich möchte auch nicht, dass wir – nur weil wir später zur EU gekommen sind – nun plötzlich die großen Verhaltenslehrer für andere Staaten und Völker sind und sagen: Wenn sie bestimmte Verhaltensregeln einhalten, dann können wir der Sache ein biss­chen näher treten!

Dass wir uns im Rahmen der Europäischen Union zu einem gemeinsamen Wertekon­strukt bekennen, ist eine Sache. Und wenn ich jetzt allein Bulgarien hernehme, das vom Erstredner so scharf kritisiert wurde – und er hat ja von der ökologischen Frage gesprochen –, dann muss ich sagen: Mit dem Beitritt Bulgariens wird das unsicherste Kraftwerk in Europa, Kozloduj, abgeschaltet! Die Blöcke 3 und 4 sind mit 1.1.2007 nicht mehr am Netz! – Und, meine Damen und Herren, es ist für Bulgarien keine Kleinigkeit, das zu tun, weil die Energie für Bulgarien ein wichtiges Exportgut ist. – Also wenn das nicht eine enorme Leistung ist!

Zweitens hat man mit Bulgarien in der Phase immer diskutiert, dass es ein atypisches Rechtssystem im Bereich des Justizwesens, im Bereich der Voruntersuchungen hat, und Bulgarien hat dieses auf Wunsch und in Diskussion mit der Europäischen Union geändert. Da geht es insbesondere – das wird wahrscheinlich Kollegen Kühnel interes­sieren – auch um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und um generell mehr Rechtssicherheit und ein Hintanhalten privater Rechtshilfeinstitutionen.


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Bulgarien und Rumänien, beide Länder sind bereit für den Beitritt; in wenigen Monaten wird es einen Bericht der Kommission geben. Und ich sage Ihnen hier offen und ehr­lich: Ich wünsche mir einen Beitritt mit 1. Jänner 2007 und nicht mit 1. Jänner 2008, denn es sind bestimmte Signale an Bevölkerungen gerichtet worden, auch gegenüber Bulgarien und Rumänien. Das ist ja nicht so einfach, das alles zu implementieren, die­se Einschnitte vorzunehmen, auch in der bisherigen Praxis eines Landes, im Bereich der Ökonomie, im Bereich der sozialen Sicherheit und so weiter! Und den Beitritt dann noch einmal hinauszuschieben, kann ja nur dazu führen, dass eine Bevölkerung in eine negative, in eine ablehnende, in eine eher zurückhaltende Position kippt – und das wol­len wir nicht. Dieser Elan, der heute in Bulgarien und Rumänien vorhanden ist, muss genützt werden!

Bulgarien wie auch Rumänien stellen uns vor eine ganz spannende Frage, konfrontie­ren uns mit einem Thema, mit dem sich die Europäische Union so oder so, ob sie will oder nicht will, auseinander setzen muss, und das wird natürlich jetzt intensiver: Mit dem Beitritt dieser beiden Länder wird die größte Minderheit, die größte Volksgruppe innerhalb der EU – jetzt spreche ich von den Roma und Sinti – noch größer. Wir brau­chen für diese große Volksgruppe – egal, ob sie in der Slowakei, ob sie in Österreich, wo immer ist, oder auch in jenem Bereich Südosteuropas, der noch nicht Teil der EU ist – ein Programm, um auch da eine Perspektive zu finden. Es reicht nicht, zu sagen, wir müssen zum Beispiel die Bettler aus Graz vertreiben, sondern wir müssen für diese große Volksgruppe eine Perspektive finden.

Das Interessante in Bezug auf Bulgarien wird auch sein: Bulgarien hat eine sehr große türkische Minderheit. Die Europäische Union hat mittlerweile schon mehr türkischstäm­mige EU-Bürger, als Österreich Einwohner hat. Die „Türkei“ innerhalb der Europäi­schen Union ist jetzt schon viel größer als Österreich, viel größer als Finnland und so weiter. Und jetzt kommt ein Land wie Bulgarien dazu, das in dieser Hinsicht eine Erfah­rung hat, eine in der Geschichte zwar nicht immer friedliche Erfahrung oder, wenn man Griechenland hernimmt, keine harmonische Erfahrung – wir haben auch keine harmo­nische Erfahrung –, aber das wird eine sehr spannende Auseinandersetzung, eine der Schlüssel-Auseinandersetzungen, der wir uns zu stellen haben.

Was ich enorm spannend finde – und Stabilität, Sicherheit in Europa sind ein ganz we­sentlicher Punkt –: dass beide Länder, sowohl Rumänien als auch Bulgarien, von An­fang an mit einem gemeinsamen Programm mit der Europäischen Union, das mehr­fach überprüft wurde, das große Problem der Unsicherheit bezüglich der moldawischen Grenze angegangen sind. Ich glaube, dass da enorme Fortschritte erzielt worden sind und dass sowohl die Europäische Union ihre Verantwortung in dieser Frage erkannt hat als auch die beiden Länder ihre eigene Verantwortung zu tragen bereit sind.

Worüber ich mich bei der deutschnationalen Anfangsrede gewundert habe: Wenn man schon aus einem politischen Spektrum kommt, das gegen diesen Beitritt ist, so wun­dere ich mich doch, dass man sich nicht wenigstens aus deutschnationaler Sicht zu sehen bemüht, dass mit dem Beitritt Rumäniens auch Siebenbürgen, eine deutsch­sprachige Minderheit, den Weg zurück in die Europäische Union findet. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Aber eine Sorge, Kollege Kühnel, müssen Sie nicht ha­ben: Graf Dracula ist wirklich nur eine Mär, wird nicht kommen.

Ich bin froh, dass wir heute mit einer überwiegenden und großen Mehrheit diesem Bei­tritt zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

11.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 



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11.47.24

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Warum ich diesen Pack mitgebracht habe? (Der Redner hebt einen dicken Stoß von Schriftstücken in die Höhe.) – Es ist ungeheuer schwierig für mich, das durchzuarbeiten, es ist meiner Meinung nach sehr kompliziert! Man könnte die 800 Seiten auf 100, 150 Seiten reduzieren.

Herr Staatssekretär, das ist das, was ich eigentlich nicht ganz verstehe: warum man dies so umfangreich gestalten muss, und das ist allein die deutsche Fassung! Man stelle sich einmal alle Sprachfassungen vor! – Ich habe also versucht, aus diesem dicken Konvolut das Positive für die heutige Zustimmung herauszufinden, aber es ist schon kompliziert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute den Herrn Präsidenten der Europäischen Kommission hier gehabt, Herrn Barroso. Ich hätte mich gefreut, wenn der Herr Präsident so viel Zeit gehabt hätte, dass wir alle die Möglichkeit gehabt hät­ten, eine Frage an ihn zu stellen. Er ist zwar der Präsident der Europäischen Kommis­sion, aber, bitte, wir sind der österreichische Bundesrat, und es gibt 25 Staaten! Und wenn der Präsident einmal in einem Bundesland ist, dann sollte schon die Möglichkeit einer Diskussion genützt werden, und wenn es ein gemeinsames Mittagessen wäre. Ich jedenfalls würde sehr viel davon halten.

Meine Damen und Herren, es gibt nämlich doch einige Dinge, die für uns alle von be­sonderer Bedeutung sind, wo Verbesserungen notwendig wären, über die man mit ihm reden könnte. Ein Beispiel dafür ist die Verfassung, wo es darum geht, wie wir hier zu einer richtigen Regelung kommen. Ein weiteres Beispiel sind die vielen Sonderausnah­men in Europa, etwa der Briten-Rabatt. Oder: In den letzten zehn Jahren – und das ist für mich bedenklich – sind 150 Milliarden an Förderungen nicht abgeholt worden, und das sind authentische Zahlen! Wenn ich das alles weiß, dann tut mir das schon Leid, dass man nicht ein bisschen eingebaut wird in das ganze Geschehen.

Aber nun zu meinem Kollegen, der heute Erstredner zu diesem Punkt war. Lieber Herr Kollege Vilimsky! Ich glaube an Österreich und ich glaube an Europa! – Das muss ein­mal die Voraussetzung sein für mich und, wie ich glaube, für uns alle, die wir für die ös­terreichische Bevölkerung bereit sein sollten und auch immer bereit sein müssen, Poli­tik zu machen. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

Herr Kollege, die Glaubwürdigkeit unserer Heimat Österreich muss erhalten bleiben, und sie ist auch international anerkannt. Es gibt kein schöneres Land, es gibt kein bes­seres Land, es gibt kein wohlhabenderes Land als Österreich, und wir alle haben daran mitgearbeitet.

Wenn man immer sagt, die Armut in Österreich muss bekämpft werden, die Gesund­heitspolitik und viele andere Dinge in Österreich müssen verbessert werden: Wir wer­den immer arbeiten müssen, um Verbesserungen zu erreichen, aber was wir in den letzten 60 Jahren gemeinsam geleistet haben, das war hervorragend und genießt auch internationale Anerkennung. Österreich hat den allerbesten Ruf in der Welt.

Ich sage das speziell zu einem Kollegen, der wahrscheinlich morgen hinausgeht und sagt, die im Bundesrat lassen sich alles bieten. – Ich glaube, keiner von uns lässt sich alles bieten. Jeder weiß, was er zu tun hat, jeder weiß um seine Schuldigkeit, und jeder ist auch für seine Aussage hier verantwortlich. Ich war es, ich bin dazu gestanden und stehe auch in Zukunft dazu! Es sollte jeder wissen, dass er für das, was er hier sagt, verantwortlich ist.


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Nun zu Rumänien und Bulgarien. Meine Damen und Herren! Ich war mit dem Kollegen Lindinger dort Wahlbeobachter. Wenn man das Land besucht und dort als Wahlbeob­achter tätig ist, dann hat man die Möglichkeit, die Menschen kennen zu lernen, die Regionen kennen zu lernen. Wenn es dort kriminelle Handlungen gibt – und die gibt es genug – und wenn es dort Armut gibt und die Völker nicht wissen, wohin sie sich wen­den sollen, dann ist Europa gut beraten, ihnen Unterstützung und die Möglichkeit zu bieten, dass sie sich uns annähern und in der Zukunft gute Europäer werden.

Herr Vilimsky! Alle, die heute zustimmen, werden kein schlechtes Gewissen haben, sondern, ich bin überzeugt, ein gutes Gewissen.

Dem Vollbeitritt Bulgariens und Rumäniens sollten wir kritisch, aber offen gegenüber­stehen. Die europäische Aufgabe ist in der heutigen Zeit, eine Verbesserung für alle Menschen Europas im Sozialbereich, im Sicherheitsbereich, in der Arbeitsmarktpolitik und in Sachen Einkommenssicherheit zu erreichen, und vor allem, für eine gemein­same Zukunft in Frieden ohne Krieg einzutreten.

Unsere Chance war noch nie so groß, wie sie heute ist. Unsere Väter hätten sich diese Chance gewünscht, sie war nicht gegeben, nicht gegeben auf Grund des Krieges, der Zwistigkeiten in Europa, der Unsicherheit in Europa, der großen Unterschiede in Euro­pa. Heute haben wir die Chance und die Möglichkeit, für ein gemeinsames Europa zu arbeiten, die Zukunft besser zu bewältigen.

Die Beitrittsverhandlungen mit Rumänien und Bulgarien haben am 14. Dezember 2004 begonnen. Am 25. April 2005 wurde die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien ein­stimmig von allen 25 Staaten beschlossen. Die bevollmächtigten Vertreter von Bulga­rien und Rumänien haben die Erklärung zur Kenntnis genommen, und zwar sind das sieben Punkte, die für die gemeinsame Aufnahme ausgearbeitet wurden.

Punkte 1 und 3: Gemeinsame Erklärung zur Freizügigkeit der rumänischen und bulga­rischen Arbeitnehmer. Die Mitgliedstaaten werden sich bemühen, den bulgarischen und rumänischen Arbeitnehmern nach dem nationalen Recht einen verstärkten EU-Zu­gang zu ermöglichen.

Punkt 2 betrifft den europäischen Körnerleguminosenanbau. Das ist auch sehr wichtig, meine Damen und Herren, denn es ist ja alles in Fluss. Dem bulgarischen Staat wurde eine Fläche von 18 047 Hektar zugestanden.

Punkt 4 betrifft den ländlichen Raum, etwas sehr Wichtiges. In Artikel 34 Abs. 1 ver­pflichten sich Bulgarien und Rumänien, innerhalb von drei Jahren, von 2007 bis 2009, eine starke Anhebung des Budgets für den ländlichen Raum zu sichern. Die Verpflich­tung für Bulgarien ist, von 183 Millionen auf 733 Millionen aufzustocken, für Rumänien, von 760 Millionen auf 3 041 Millionen aufzustocken. Wir hoffen, dass ihnen das auch gelingen möge.

Punkt 5: Die EU wird den Fortschritt der Vorbereitungen Bulgariens und Rumäniens aufmerksam zu verfolgen wissen. Im Besonderen werden die Fortschritte im Justizbe­reich, im demokratischen Aufbau und im Umweltbereich geprüft. Die EU ist auch bereit, wie in der Schutzklausel vorgesehen, behilflich zu sein.

Punkt 6: Was die Freizügigkeit der bulgarischen und rumänischen Arbeitnehmer be­trifft, gilt für Österreich wie auch für Deutschland ein bestimmter Gebietsschutz, der auch das gesamte Staatsgebiet umfassen kann.

Punkt 7: Für Bulgarien ist auch die Zuerkennung kyrillischer Schrift für Amts- und Ar­beitssprache zugelassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben auch eine moralische Pflicht, den Menschen in Bulgarien und Rumänien zu helfen. Kollege Lindinger und ich haben das


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miterlebt, wir haben gesehen, was sich dort wirklich abspielt und dass unsere Hilfe dort am meisten gebraucht wird. Jeder von uns kennt die Situation, und das reiche Europa ist in der Lage, diesen Ländern volle Unterstützung zu geben.

Derzeit sind wir im gemeinsamen Europa 457 Millionen Menschen. Mit der Erweiterung werden es um 31 Millionen mehr: zirka 8 Millionen aus Bulgarien und 23 Millionen aus Rumänien. Wir sollten die Entscheidung über die Aufnahme dieser beiden Länder mit Überzeugung treffen, meine Damen und Herren! Wir haben bereits genug Globalisie­rung, und zum Teil zeigen sich Folgen, die uns einmal auf den Kopf fallen werden. Auch diesbezüglich, glaube ich, sollten wir in Zukunft ein bisschen kritischer sein. Wir sehen doch, was sich bei den Banken abspielt. Auch das Geschehen rund um die OMV sollten wir mit Vorsicht beobachten. Ich bin überzeugt, dass alle 25 EU-Staaten die Erweiterung um Bulgarien und Rumänien begrüßen, weil dadurch auch ein Krisen­herd Europas für immer beseitigt wird. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer so­wie Beifall bei der ÖVP.)

11.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte.

 


11.57.36

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich kann mich in vielen Bereichen meinen Vorrednern nur anschließen, den Erstredner ausgenommen, da habe ich eine andere Meinung, aber das liegt auch auf der Hand.

Ich begrüße den Beitritt beider Staaten, auch wenn mir bewusst ist, dass es noch eine Reihe von Problemen gibt. Ich begrüße den Beitritt beider Staaten, auch wenn mir be­wusst ist, dass die schon angesprochenen wirtschaftlichen Vorteile nicht für alle Öster­reicherinnen und Österreicher gleich sind. Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir beden­ken müssen und den wir auch berücksichtigen müssen.

Was uns wichtig ist: dass die Erweiterung in einer Art und Weise stattfindet, dass nicht nur ein paar wenige stark profitieren, sondern dass die Vorteile der Erweiterung fair und gerecht verteilt sind. Da braucht es Maßnahmen, um ausgleichend zu wirken.

Dass beide Staaten noch Probleme haben, wird auch der nächste Fortschrittsbericht zeigen. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es den nächsten Fortschrittsbericht am 18. Mai. Ich glaube, darüber muss man schon sprechen. Man muss sich die Probleme und die Herausforderungen, die beide Staaten noch haben, ganz genau anschauen.

Für mich besonders beunruhigend sind noch die Probleme im Bereich der Justiz und der Korruptionsbekämpfung. Die Justizreformen in beiden Ländern halte ich für beson­ders wichtig, sie sind wichtig für die Rechtssicherheit, nicht nur für die Wirtschaft, nein, im Besonderen auch für die Menschen, die in diesen Ländern leben. Die Rechtssicher­heit ist zu Recht einer der Grundpfeiler unserer Europäischen Union.

Aber – das wurde auch schon angesprochen – nicht nur die Beitrittsländer haben ihre Hausaufgaben zu machen, sondern auch wir brauchen, so glaube ich, auf europäi­scher Ebene ein Instrumentarium, um weiterhin mit Beitritten von neuen Ländern um­gehen zu können. Es ist daher besonders wichtig, dass wir auf europäischer Ebene ein Instrumentarium finden, das unsere Europäische Union effektiv, effizient und demokra­tisch hält.

Es ist daher bedauerlich, dass sich die Fortschritte in Sachen Europäische Verfassung aus meiner Sicht sehr zögerlich gestalten. Ich wünsche mir da ein rasches, ein deut­liches Signal, und dies, wenn möglich, noch während der österreichischen Ratspräsi­dentschaft.


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Ich glaube, wir brauchen diese Europäische Verfassung, sie ist notwendig für Europa, damit wir ein Europa der 27 gut leben können und damit wir ein solches Europa dann auch den Menschen wieder näher bringen können und auch wieder mehr Verständnis für diese Europäische Union erzielen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Ing. Kampl.)

Der Beitritt von Rumänien und Bulgarien wird stattfinden. Es ist noch nicht sicher, ob es der 1. Jänner 2007 oder der 1. Jänner 2008 sein wird. Es gibt ja auch noch eine Va­riante dahin gehend, dass man sagt: Wann wird es denn die Empfehlung der Europäi­schen Kommission geben? Das wird sich erst nach dem nächsten Forschrittsbericht entscheiden, ob es wirklich schon jetzt demnächst sein wird, dass es die Empfehlung bezüglich Beitrittsdatum geben wird, oder aber erst im Herbst.

Auch wenn das Beitrittsdatum erst der 1. Jänner 2008 ist, bin ich überzeugt, dass
die Zeit bis dahin genutzt wird, um in den problematischen Bereichen weitere Fort­schritte zu erzielen. Und wir sollten uns bemühen, beide Staaten so gut wie möglich
bei den Reformen zu unterstützen. Wir sind für diese EU-Erweiterung! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der Grünen und der ÖVP sowie des Bundes­rates Ing. Kampl.)

12.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

 


12.01.49

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Vorsitzender! Herr Präsi­dent! Meine Damen und Herren! Ich weiß, Wahlkampf ist immer und überall. Ich glau­be, wir sollten manchmal innehalten und ein bisschen überlegen: Wie gehen wir mit uns selbst um? Wie gehen wir mit diesem großen Projekt Europa um? Und wie gehen wir mit der Zukunft dieses Europa um? – Es gibt dieses große Wort, dass Österreich in gewissem Sinne eine „Versuchsstation für den Weltuntergang“ sei – es stammt aus der Zeit um die Wende des 19. Jahrhunderts von Karl Kraus. Das heißt, wir haben eine sehr große Inklination dahin gehend, dass wir negative Sachen gerne glauben. Und deswegen sollten wir damit umgehen lernen und uns die Frage stellen: Wie gehen wir gerade mit so großen Würfen und Entwürfen wie Europa um? Und deshalb bitte ich darum: Machen wir es uns ein bisschen schwerer! Machen wir es uns nicht so leicht, zu sagen, wie furchtbar das alles ist! – Das nur an die Adresse des Erstredners.

Ich weiß, Wahlkampf ist immer und überall, aber trotzdem. Es sind auch die Arbeits­losenzahlen – ich habe es bereits zuvor in der Fragestunde gesagt – nicht jene, die Sie genannt haben, und so weiter und so weiter. Trotzdem möchte ich ein paar Richtigstel­lungen machen. Ich glaube, es ist einfach an der Zeit, das auch zu tun.

Wir befinden uns in Wahrheit deswegen in einer großen Stunde, weil es um nicht mehr und nicht weniger als um die Wiedervereinigung Europas geht – und ich glaube, das muss uns etwas wert sein: Das muss uns ein Risiko wert sein, das muss uns diese Perspektive wert sein, das muss uns unser Wirtschaftswachstum wert sein. Und das kann man jetzt an sehr vielen Parametern festmachen.

Ich glaube, eine der Problemlagen im Zusammenhang mit der BAWAG – weil wir von dieser heute noch kurz geredet haben – war natürlich auch, dass das Investment der BAWAG in eine ganz andere Richtung gegangen ist als jenes, das zum Beispiel die Raiffeisen-Banken, die Erste Bank oder die Bank Austria getätigt haben. Das war eines der großen Probleme. Wir haben hier im Grunde nicht dort investiert, wo es im Augen­blick „abgeht“, sondern dort, wo möglicherweise das Feld wesentlich schwieriger ist und die Konkurrenz wesentlich größer ist und wo wir uns einfach wesentlich besser


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auskennen, weil es ein Teil unserer Welt, ein Teil Österreichs im Sinne eines größeren Verständnisses von Österreich ist.

Mit dem Beitritt dieser beiden Länder findet die historisch bedeutsame letzte Erweite­rungsrunde, die institutionell bereits im Vertrag von Nizza verankert wurde, ihren Ab­schluss. Ich meine also, im Grunde eine große Perspektive, die in Nizza auf Schienen gelegt wurde!

Die Wiedervereinigung Europas war immer eine der großen strategischen Zielsetzun­gen der Außenpolitik Österreichs. Und ich meine auch, man sollte den Namen, die da­mit verbunden sind, auch einen gewissen Respekt dafür zollen, dass sie zu einem Zeit­punkt, zu dem das überhaupt nicht auf der Tagesordnung stand, in dieser Zielset­zung – ich erinnere nur etwa an die große Rede von Figl oder in späterer Folge von Busek oder von Alois Mock – im Grunde schon einen zentralen Aspekt der Politik des Donauraums sahen, und zwar nicht in einer Form, die in Richtung österreichisch-ungarische Monarchie und Restitution und dergleichen geht, sondern in die Richtung, dass man sagte: Wie denken wir Europa neu? Wie gehen wir mit diesem Gedanken um? Und was ist für Europa und in späterer Folge, wie ich Ihnen noch sagen werde, auch für Österreich das Beste?

Ein besonderes Augenmerk galt dabei immer, wie schon in der Regierungserklärung von 1945 erwähnt, der friedvollen und freundschaftlichen Zusammenarbeit mit allen Ländern des Donauraums, und dazu zählen auch Rumänien und Bulgarien. Von ihnen führen vielfältige Verbindungslinien nach Österreich: historische, kulturelle, politische und nicht zuletzt auch wirtschaftliche.

Auf die wirtschaftlichen Überlegungen ist schon der eine oder andere Redner einge­gangen, ich erwähne das nur kursorisch: Die Erste Bank übernahm für 3,75 Milliar­den € die Mehrheit der Banca Comerciala Romana, die OMV 51 Prozent des rumäni­schen Ölkonzerns Petrom; am Telekom-Sektor denke ich nur etwa an Mobiltel, im Be­reich der Energieversorgung an EVN, E.ON und ČEZ, also diese Energieverwerter und Energieagenturen. Ingesamt investierte die österreichische Wirtschaft in diesen beiden Ländern seit 1990 beinahe 10 Milliarden €. Und wenn wir uns heute die große Export­offensive Österreichs anschauen, wenn wir diese Zahlen hinterfragen, dann werden wir auch wissen, wo sie herkommen, warum wir dort sind, wo wir stehen. Und ich glaube, das war auch die Politik, die in diesem Land 1945 begonnen und bis zum heutigen Tag konsequent verfolgt wurde. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen hier allerdings nicht nur beim Wirtschaftlichen stehen bleiben, denn ich glaube, das Ganze hat andere Implikationen auch noch, außer dass wir sagen können, es geht dadurch wirtschaftlich aufwärts mit Europa oder mit Österreich. Selbstverständlich gehen all die Problemfelder, die wir heute politisch bedenken beziehungsweise abdecken müssen, weit über das Wirtschaftliche hinaus. Sie betreffen natürlich auch die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit innerhalb des europäischen Rahmens, weil die Bedrohungspotentiale selbstverständlich ganz andere geworden sind, als sie es noch vor 30 oder 40 Jahren waren, die Migrations­bewegungen, die Sicherheitsbedürfnisse, die dabei auf den Menschen zukommen; im Umweltbereich – denken Sie nur daran; die Grünen haben es schon angemerkt – im Zusammenhang mit der Stilllegung der Blöcke von Kozloduj beziehungsweise der Reaktoren der Bauart von Tschernobyl.

Ein weiteres Thema, das wir durchaus auch bedenken müssen, ist die Frage: Wie geht es den jungen Menschen in diesen Ländern? Denken Sie nur etwa – um jetzt ein ganz plakatives Beispiel zu nennen – an die Problematik der rumänischen Straßenkinder, wo im Grunde die internationale Teilnahme und das Lenken der internationalen Auf-


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merksamkeit auf dieses Problem auch den Staat selbst dazu verlockt, dazu verführt haben, mit diesem Thema anders umzugehen.

Trotzdem – und das muss man an dieser Stelle auch noch sagen – wird bei diesen Ländern auch auf die strikte Erfüllung aller Beitrittsvoraussetzungen geachtet. So war und ist die Beitrittsreife beider Länder Gegenstand intensiver Überprüfungen. Als zu­sätzliche Sicherung wurde die Möglichkeit vorgesehen, das angestrebte Beitrittsdatum um ein Jahr zu verschieben.

Am 16. Mai wird die Kommission einen Bericht vorlegen, in dem sie, falls sie es für not­wendig hält, diese Verschiebung empfehlen kann. Die Entscheidung darüber würde dann noch unter der österreichischen Präsidentschaft beim Rat liegen. Aber auch nach dem EU-Beitritt wird es in Bezug auf Rumänien und Bulgarien ähnliche Schutzklauseln für Österreich geben – das sollte man den Menschen auch nicht verschweigen –, wie wir sie schon von der Erweiterung 2004 kennen.

Derzeit, meine Damen und Herren, haben 14 EU-Mitgliedstaaten den Beitrittsvertrag bereits ratifiziert. Wenn Sie den mit Beschluss des Ermächtigungs-BVG bereits einge­leiteten Ratifizierungsprozess mit Ihrer heutigen Zustimmung zur Ratifikation des Bei­trittsvertrages unterstützen, wird Österreich bald das 15. Land sein. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 


12.09.15

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Staats­sekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ho­her Bundesrat! Ich kann mich jetzt kurz fassen, da wir schon sehr viel über dieses The­ma gehört haben. Beim Punkt 5 der heutigen Tagesordnung beschäftigen wir uns ja mit vielen bilateralen Verträgen, von vielen Ländern Europas und auch Österreichs, aber hauptsächlich mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens, mit den Bedingungen ihres Beitritts und mit den Anpassungen der EU-Verträge.

Ich habe mich mit diesem Thema in der 731. Sitzung sehr ausführlich beschäftigt und werde dies heute wieder tun, weil ich glaube, dass Rumänien und Bulgarien sehr wich­tige Länder mit Vorbildwirkung für den gesamten Balkan sind. Der von unserem Bun­deskanzler und unserer Bundesregierung gewählte Weg, eine Vollintegration mit einem klaren Monitoring als begleitender Kontrolle, ist der einzig richtige, und ich glaube, dar­über sind wir uns auch großteils einig.

Für meine Begriffe wäre alles andere – ein verzögerter Beitritt, ein Aufschieben – Was­ser auf die Mühlen der Beitrittsgegner in diesen Ländern, die es ja auch gibt, und hätte verheerende Folgen. Lieber Kollege Vilimsky, wenn Sie sagen, mit Rumänien und Bul­garien gehe es ein Stück hinunter, so bin ich da ganz anderer Meinung: Mit ihnen geht es ein Stück hinauf, und Österreich und die gesamte EU werden davon auch sehr pro­fitieren!

Selbstverständlich möchte ich auch nicht verschweigen, was ich auch bisher immer ausgesprochen habe, nämlich dass es noch verschiedene Probleme gibt. – Ich brau­che aber auch nicht darauf hinzuweisen, dass wir in Österreich auch Probleme haben und wirklich nicht immer mit dem erhobenen Zeigefinger des Musterschülers agieren müssen. – Aber all diese Probleme, meine Damen und Herren, können als Vollmitglied, mit begleitender Hilfestellung der EU, besser bewältigt und all diese Reformen besser umgesetzt und auch von uns besser begleitet werden. Erinnern wir uns nur daran, wie dynamisch sich Ungarn und Slowenien entwickelt haben! Die Mängelliste dieser Län­der war auch sehr groß.


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Rumänien und Bulgarien könnten der dynamische Motor für die gesamte Region auf dem Balkan werden, und ich würde das auch sehr begrüßen. – Ganz schlecht wäre allerdings die Situation, wenn man einem Land den Beitritt gestatten und dem anderen das Schicksal der Warteposition aufhalsen würde. Das würde ich nicht gut finden.

Österreich hat, wie ich bereits gesagt habe, schon bei den letzten Beitritten, im Zuge der Osterweiterung, sehr profitiert und wird dies bei Rumänien und Bulgarien wieder tun. Mit diesem Beitritt rückt Österreich noch mehr in das Zentrum von Europa, und für viele österreichische Investoren – der Herr Staatssekretär hat es auch schon gesagt –, wie zum Beispiel Mobilkom, OMV, EVN, Erste Bank, um nur einige zu nennen, würden dadurch auch mehr Rechtssicherheit und die Möglichkeit weiterer Investitionen ge­schaffen.

Die Frau Außenministerin hat im Nationalrat im Zusammenhang mit diesem Thema von einer Wiedervereinigung Europas gesprochen, und ich kann da auch dem Kolle­gen Konecny nur beipflichten: Diese beiden Länder haben eine historische Chance und haben das Menschenmögliche in ihrem Land geleistet; und dieses Fenster ist nur eine kurze Zeit offen, aber ich glaube, aus diesem Fenster sollte eine Tür werden, eine Tür in die EU! Manche Abgeordnete im Nationalrat haben auch von einer Heimkehr Rumä­niens und Bulgariens gesprochen: Auch das kann ich nur bestätigen. Österreich ver­binden mit Rumänien und Bulgarien viele Sympathien, und Österreich hat ein großes kulturelles, wirtschaftliches, aber im Besonderen auch ein menschliches Interesse an diesem Beitritt.

Meine sehr geschätzten Exzellenzen! Österreich wird als guter Partner Rumänien und Bulgarien auf dem Weg in die europäische Familie begleiten. Glück auf! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Vilimsky das Wort. Ich weise auf die Redezeitbegrenzung hin. – Bitte.

 


12.14.21

Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Bundesrat Ager, hat vermeint, ich hätte gesagt, mit Rumänien und Bulgarien in der EU würde es eine Stufe nach unten gehen. – Das habe ich nicht gesagt!

Richtig ist, dass ich gesagt habe, dass Industriekapitäne und Großkonzerne nach Wirt­schaftsräumen suchen und daher auch Länder wie Bulgarien und Rumänien, wo die Sozialstandards um eine Stufe tiefer sind als in den neuen EU-Mitgliedsländern, bevor­zugen würden. – Danke.

12.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Konrad zu Wort. – Bitte.

 


12.15.04

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich zu Beginn sagen, dass es immer so ange­nehm ist, wenn man direkt nach dem Kollegen Ager redet, weil er sich fast immer in einer sehr sachlichen und in einer sehr fundierten Art auch über EU-Themen äußert. Jetzt ist er nicht mehr direkt mein Vorredner, und Herr Vilimsky hat mich dann gleich wieder an seine ursprünglichen Ausführungen erinnert, aber auf diese werde ich dann später noch eingehen.


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Wir sind für einen Beitritt von Rumänien und Bulgarien, und zwar zum frühestmögli­chen Zeitpunkt, wie dies auch Kollege Schennach schon ausgeführt hat, aus dem schlichten und sehr wichtigen Grund, dass der Prozess, der in diesen Ländern dadurch inszeniert wird, dass diese Länder den Wunsch haben, der EU beizutreten, eigentlich das Wichtigste ist. Durch diesen Wunsch wird ganz viel Energie frei, und diese muss man jetzt nützen, weil es natürlich in diesen Ländern für deren Bevölkerung auch mit Belastungen verbunden ist, all die Umstellungen vorzunehmen, die nötig sind, damit diese Länder dann sozusagen auch EU-reif sind. Und daher muss man den jeweiligen Bevölkerungen auch etwas geben, woran sie sich festhalten können, sodass sie sa­gen: Wir arbeiten jetzt nicht ins Nichts hinein, sondern wir haben ein konkretes Ziel! – Aus diesem Grund ist die grüne Fraktion für einen schnellstmöglichen Beitritt dieser beiden Länder und wird hier auch heute zustimmen.

Das heißt nicht, dass wir nicht auch sehen, dass es, wie dies im letzten Monitoring-Be­richt auch zum Ausdruck gebracht wurde, in einigen Bereichen massiven Nachholbe­darf gibt: zum Beispiel was die Reform der öffentlichen Verwaltung betrifft, das Funktio­nieren des Justizsystems, die Verfolgung von Korruptionsfällen auf höchster Ebene, die Bekämpfung von Menschenhandel und zum Beispiel auch das Thema der Integra­tion der Roma, zu dem ich mich ja schon letztes Mal bei dieser Debatte geäußert habe. Ich möchte nur noch ein paar Stichworte dazu sagen.

Massiv auffallend ist einfach der um vieles niedrigere Bildungsstandard der Roma in diesen beiden Ländern, eine viel höhere Arbeitslosenquote, wesentlich geringeres Einkommen und schlechterer Gesundheitszustand als beim Rest der Bevölkerung. Auch der Anteil von Roma-Kindern in Sonderschulen ist überdurchschnittlich hoch. Die Wohnsituation von Roma ist nicht vergleichbar mit jener der restlichen Bevölkerung. In Rumänien leben zum Beispiel 65 Prozent der Roma und in Bulgarien 45 Prozent in Wohnungen ohne fließendes Wasser. – Da gibt es also ganz massive Unterschiede, und man sieht ganz deutlich, dass es von Seiten der Länder starke Initiativen braucht, um die Situation für die Roma zu verbessern. Wir befinden uns ja jetzt gerade in der Dekade zur Eingliederung der Roma, und ich behaupte, dass der Wunsch der beiden Länder, der EU beizutreten, auch hier eine Triebfeder gewesen sein muss. Da man sagt, die EU toleriert Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen nicht, hoffen wir, dass es für die Roma auch einen entsprechenden positiven Fortschritt geben wird.

Es sind bei den Punkten, von denen ich vorher gesprochen habe, jetzt schon Fort­schritte zu erkennen, zum Beispiel was die Verfolgung von Korruptionsfällen auf höchs­ter Ebene betrifft. Es gibt eine Ankündigung des Generalstaatsanwaltes in Sofia, dass er die Immunität von Abgeordneten, denen gesetzwidrige Bereicherung, Schmuggel, sexueller Missbrauch von Minderjährigen oder Amtsmissbrauch vorgeworfen wird, auf­heben wird. Gerade auf höchster Ebene klarzumachen, dass diese Dinge nicht toleriert werden und dass es in solchen Fällen keine Immunität geben kann, ist wichtig, und in der Frage der Korruption ist vor allem die Symbolik auch sehr wichtig. Hoffen wir, dass diese Ankündigung auch umgesetzt wird und dass es auf diesem Wege weitergeht.

Jetzt noch ein paar Worte zu den Ausführungen des Kollegen Vilimsky. Seine Ausfüh­rungen waren ein ganz anschauliches Beispiel für eine in Österreich leider sehr belieb­te Sportart, nämlich das Schuld-Pingpong: Immer wenn man der Meinung ist, irgend­etwas läuft schief, kann man sich überlegen: Wer ist schuld? – Herr Konecny hat schon gesagt, was man alles, wenn man will, der EU anlasten kann. Es ist vor allem auch eine Frage der Phantasie. Prinzipiell ist es ja unbestritten so, dass die Regierungspar­teien eher dazu neigen, etwas, was in Wien nicht funktioniert, der EU anzulasten. (Ruf bei der ÖVP: Na ja!) Das ist in gewisser Weise verständlich, das ist auch eine Frage von Marketing, es ist nur nicht unbedingt sehr ehrlich. Und dass es in der EU durchaus Bereiche gibt, wo es besser laufen kann – keine Frage. Aber es ist eben schon auch


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eine Frage der Mehrheiten: Wer entscheidet? Es ist ja nicht so, dass die EU eine un­veränderliche Institution ist, die ohne politische Meinung entscheidet, sondern da ste­hen durchaus auch Menschen dahinter, die eben mit ihren Meinungen diese Entschei­dungen bewegen.

Wenn wir uns anschauen, wie sich die Österreicherinnen und Österreicher laut letztem Eurobarometer zur EU äußern, ist sehr auffallend, dass, im Vergleich zum Rest der EU-Länder, in Österreich eine wirklich schlechte Meinung herrscht. Zum Beispiel sagen auf die Frage, ob die EU generell gut oder schlecht ist, 31 Prozent der Österreicher: „gut“, im Vergleich zu 49 Prozent der Bevölkerung im Rest der EU. Für „schlecht“ hal­ten 33 Prozent der Österreicher die EU, während es in anderen EU-Ländern 15 Pro­zent sind. Daran ist also ganz stark zu sehen, dass die öffentliche Meinung nicht für die EU ist. Das ist aber für mich kein Argument dafür – wie es vielleicht Herr Vilimsky ver­wenden würde –, dass man sagt: Die EU ist generell schlecht, und so weiter.

Das ist vielleicht auch eine Frage des Marketing. Es ist nämlich auffällig, dass in ande­ren Ländern die Meinung über die EU durchaus besser als in Österreich ist. Das hängt schon auch damit zusammen, dass es in Österreich eben „in“ ist, sich gegen die EU auszusprechen, und das ist ein Problem. Denn Österreich ist in der EU, und Österreich hat nichts davon, wenn die Bevölkerung immer wieder darin bestärkt wird, dass man sagt: Nein, die EU ist eigentlich nicht so toll!

Diese Umfragen zeichnen vor allem ein emotionales Bild. Da geht es nicht um eine sachlich fundierte, inhaltliche Kritik daran, was in der EU konkret falsch läuft und verän­dert werden sollte, sondern das sind emotionale Befindlichkeiten. Die Politik würde gut daran tun, sich bei der Frage der EU mehr auf eine sachliche Diskussion zu verlegen, anstatt immer nur auch emotionale Vorurteile zu schüren. (Beifall bei den Grünen so­wie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.21


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht; danke.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Ab­schluss des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindes­tens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der ab­gegebenen Stimmen bedarf, stelle ich hiermit die für die Abstimmung erforderliche An­wesenheit fest.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menmehrheit. Der Antrag, dem vorliegenden Beschluss im Sinne des genannten Bun­desverfassungsgesetzes die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. (Allge­meiner Beifall – mit Ausnahme des Bundesrates Vilimsky.)


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12.23.016. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatfernsehgesetz geändert wird (799/A und 1393 d.B. sowie 7524/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


12.23.17

Berichterstatter Franz Perhab: Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatfernsehgesetz geändert wird.

Es wurde bereits im Ausschuss Stimmeneinhelligkeit erzielt. Der Bericht liegt schriftlich vor, daher kann ich mich auf die Antragstellung beschränken:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erhe­ben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist ange­nommen.

12.24.237. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria (798/A und 1358 d.B. so­wie 7497/BR d.B. und 7532/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend eine Vereinbarung ge­mäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria samt Anhang (1344 d.B. und 1359 d.B. sowie 7533/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 7 und 8 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Köberl. Ich bitte ihn darum.

 


12.24.50

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe zunächst den Bericht des Ausschus­ses für Bildung und Wissenschaft zu dem Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:


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Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf weiters den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B‑VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errich­tung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria samt Anhang bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme zum Antrags­text:

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


12.26.19

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich mir den Bericht des Ausschusses des Nationalrates durchgelesen habe, sind mir ein paar Zeilen ins Auge gestochen, nämlich jene, die übertitelt sind mit „Die Mission: Grundlagenforschung auf höchstem Niveau“. In diesem Absatz ist mir eines ganz besonders aufgefallen, denn dort wird erklärt: Das „Institute of Science and Technology – Austria wird“ – und dieses „wird“ halte ich für die sprachlich interessante Formulierung – „Grundlagenforschung auf Spitzenniveau in Forschungsgebieten, die in Österreich noch unerschlossen sind, etablieren, herausragende Arbeitsbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten für exzel­lente Forscherinnen und Forscher anbieten, (...) einen wesentlichen Beitrag zur weite­ren Steigerung der Attraktivität des Wissenschafts- und Forschungsstandorts Öster­reich leisten und damit an der Umkehrung des ‚brain drain‘ in einen ‚brain gain‘ mit­arbeiten, (...)“

Interessant finde ich die Formulierung „wird“, denn das alles sind Ziele, die man sich sehr wohl stecken kann und deren Wichtigkeit wir auch alle unterschreiben würden. Dass das aber durch die Gründung dieses Institutes geschehen wird, ist vielleicht eher ein frommer Wunsch und wird durch die Formulierung mit „wird“ sicher nicht automa­tisch so eintreten.

Abgesehen davon gibt es da einen kleinen inhaltlichen Widerspruch. Denn es wird ein „brain drain“ erwähnt; „brain drain“ heißt – kurz zur Erklärung –, dass die guten Köpfe, die gut ausgebildeten Menschen, die Nachwuchsforscherinnen und ‑forscher Öster­reich oder das jeweilige Land verlassen und in anderen Ländern eine Karriere machen. Etwas weiter hinten wird unter der Überschrift „Die Konsequenz für Österreich: For­cierte Exzellenzstrategie“ erklärt, dass Österreich „als Ausbildungsstätte für wissen­schaftlichen Nachwuchs und für hoch qualifizierte Arbeitskräfte“ hohe „internationale Anerkennung“ genießt. Das widerspricht ein bisschen der Analyse, dass es in Öster­reich einen „brain drain“ gibt – entweder ist es das eine oder das andere. Ich würde eher die Analyse unterstreichen, dass es hier sehr wohl einen „brain drain“ gibt. – Das zum Einstieg.

Ich werde mich jetzt nicht allzu sehr über die geographische Lage auslassen, die die­ses Institut haben wird. Ich möchte nur einen Satz dazu sagen: Niederösterreich wird in


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letzter Zeit schon sehr gut bedient. Wenn Sie sich zum Beispiel anschauen, dass das Universitäts- und Forschungszentrum Tulln von der BOKU, sagen wir einmal, ausge­gliedert und in Niederösterreich angesiedelt wird, dann verstehe ich zwar sehr gut, dass Niederösterreich ein Interesse daran hat, möglichst viele hochwertige For­schungseinrichtungen in Niederösterreich anzusiedeln, aber da drängt sich schon auch eine Befürchtung auf.

Erstens: Das Interesse des Landes Niederösterreich in Ehren – aber das sind Fragen, die man wissenschaftspolitisch entscheiden muss, und es ist nicht so sehr eine Frage, mit welchem Landeshauptmann man hier am besten verhandelt. Davon abgesehen sind Universitäten und Forschung in der Bundeskompetenz, und dieses Forschungs­zentrum in Tulln zum Beispiel ... (Bundesrat Mag. Himmer: Aber irgendwann muss es ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Moment, Moment, zuhören! (Bundesrat Konecny: Nicht aufregen!) Ich habe gesagt: zuhören; Sie können sich dann immer noch aufregen. (Bundesrat Schennach: Nicht so nervös, Kollege Himmer! – Bundesrat Konecny: Wir sind noch nicht bei den Eurofightern!) – Gut, die Herren haben fertig dis­kutiert.

Das sind Konstruktionen, für die es eine Finanzierung von Land und Bund gemeinsam gibt. Ich habe hier die Befürchtung, dass der Bund damit beginnt, sich seine Finanzie­rung durch eine Finanzierung der Länder aufzufetten. Aber das soll nicht passieren, dass der Bund durch diese Hintertür eine Aufgabe abstreift und dass dann die Länder im Prinzip miteinander in einen finanziellen Wettkampf darüber treten müssen, ob die Forschungsinstitute und die universitären Einrichtungen noch gut ausgestattet sind. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Mag. Himmer: Aber das ist noch kein Gedanke zum Thema! – Bundesrat Schennach: So folgen Sie ...!)

Sie sind heute so ungeduldig! (Bundesrat Mag. Himmer: Das hat alles nichts zu tun ...!) Haben Sie später noch etwas vor? (Heiterkeit. – Bundesrat Mag. Himmer: Ich bin aber nicht nervös!) Wenn Sie etwas zum Thema hören wollen (Bundesrat Mag. Himmer: Ja, bitte!), diesen Gefallen tue ich Ihnen gerne. Ich wollte nur ein biss­chen ... (Bundesrat Mag. Himmer: Irgendetwas zum Thema!) Ja, es ging schon ums Thema; Sie müssen vielleicht noch ein bisschen weiter darüber nachdenken. (Bundes­rat Mag. Himmer – in Richtung des Bundesrates Schennach –: Man kann nämlich Nie­derösterreich ...!) – Dann kommen wir nun zum Thema, auch wenn der Herr jetzt nicht zuhört; das ist ja sein Problem. (Bundesrat Schennach – in Richtung des Bundesrates Mag. Himmer –: Nein, das hat sie nicht gesagt, sondern ...! – Gegenruf des Bundes­rates Mag. Himmer. – Bundesrat Konecny: Bitte, Herr Kollege!)

Zum prinzipiellen Konzept einer Elite-Universität: Ich kann verstehen, dass es immer wieder ein ehrfürchtiges Erschauern gibt, wenn man von Harvard und von den anderen Ivy-League-Colleges redet, und es ist keine Frage, dass sie wissenschaftliche Höchst­leistungen erzielen. Das ist wirklich etwas sehr Schönes. Aber man muss schon sagen, dass es auch in Amerika selbst inzwischen Stimmen gibt, die sagen: Diese so genann­ten Elite-Universitäten sind eigentlich in erster Linie für die Professoren da, dort gibt es eine sehr eng gewobene wissenschaftliche Clique. (Bundesrat Dr. Kühnel: Waren Sie einmal dort, Frau Kollegin? Ich meine, ich frage mich wirklich, was Sie uns da zum Besten geben!) – Also ich rede jetzt einfach weiter, und wir können uns vielleicht nach­her noch konkret unterhalten.

Eine Universität sollte auch für die Studierenden da sein, darum geht es mir, und es gibt eben Zweifel, ob diese Elite-Universitäten nicht in erster Linie den Professoren und vielleicht erst in zweiter Linie den Studierenden dienen. So verständlich es vielleicht ist, dass man einen Wunsch nach einer österreichischen Uni mit vergleichbarem Ruf hat – das wäre ja etwas Schönes, wenn wir eine derartige Einrichtung von Weltruf auch in Österreich hätten –, dieses Institute of Science and Technology wird ein Placebo blei-


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ben! Das wird vielleicht in manchen Bereichen die Befindlichkeit verbessern, aber es wird nicht die eigentlichen Probleme lösen. (Bundesrat Mag. Himmer: Warum?) – Sie sind heute so ungeduldig; jetzt hören Sie doch einfach zu!

Das Mantra der Weltklasse-Universität – das war ja bisher das Mittel: wir sind Welt­klasse, wir haben Weltklasse-Universitäten! – hat die Befindlichkeit nicht verbessert. Jetzt versucht man es mit diesem Institut. Unsere Ablehnung zu diesem Punkt ist bitte nicht so zu verstehen, dass wir gegen wissenschaftliche Höchstleistungen sind. Unse­rer Meinung nach wird man sie aber auf diese Art, durch die Gründung dieses Instituts, nicht automatisch erreichen. (Bundesrat Mag. Himmer: Warum? – Bundesrat Ko­necny: Bitte!)

Erstens handelt es sich – und da ist der englische Name „Institute of Science and Technology“ durchaus der richtige – um ein Forschungsinstitut und nicht um eine Uni­versität. Denn eine Universität besteht auch aus Studierenden, und die werden dort nur in ganz geringer Zahl vorzufinden sein. Dies ist wichtig: Das ist keine Elite-Universität, das ist ein Forschungsinstitut.

Was dieses Forschungsinstitut forscht, wissen wir leider nicht. Es ist zwar sehr schön, wenn dort Höchstleistungen errungen werden, aber es wäre schon interessant, in wel­chen Bereichen dies geschieht. Eines kann man auch sagen: Wonach dort geforscht wird, das wird mit relativ großer Wahrscheinlichkeit zum technisch-naturwissenschaftli­chen Bereich gehören, aber nicht zum geisteswissenschaftlichen, denn damit lässt sich wahrscheinlich zu wenig oder kein Geld machen.

Wissenschaftliche Höchstleistungen lassen sich nicht verordnen, und auch das hoch gelobte Harvard war, als es gegründet wurde, nicht als Elite-Uni gegründet worden, sondern das gibt es seit 1636, und es hat sich eben mit der Zeit zu einer wissenschaft­lichen Spitzeneinrichtung entwickelt. Ich weiß nicht, ob wir hier 350 Jahre warten wol­len – wahrscheinlich nicht! Abgesehen davon hat Harvard 2,6 Milliarden US-Dollar an Jahreshaushaltsbudget und ein Stiftungsvermögen von fast 26 Milliarden US-Dollar. Auch in der Finanzierung werden österreichische Einrichtungen sicher nicht mithalten können. Ein weiteres großes Problem ist, dass wissenschaftlicher Nachwuchs in Öster­reich an den Universitäten eben keine Perspektive sieht; das ist der vorhin erwähnte „brain drain“.

Der Begriff Elite, der jetzt zumindest im Sprachgebrauch immer verwendet worden ist – diese Elite-Universität, die hier im Raum steht –, ist dabei wahrscheinlich der verräte­rische Bestandteil. Denn in der Bildungspolitik in Österreich geht es in den letzten Jah­ren schon in eine elitäre Richtung. Dieser Prozess hat mit der Einführung von Studi­engebühren begonnen; das habe ich schon zu anderen Zeiten ausgeführt, und ich möchte die Geduld von Herrn Himmer jetzt nicht über Gebühr strapazieren. (Bundesrat Mag. Himmer: Ich habe eh schon aufgegeben!)

Dieser Prozess steht jedenfalls völlig konträr zu meiner Auffassung von Bildungspolitik, die nicht heißt, an einzelnen Stellen zu schauen, dass wir Nobelpreise erringen, son­dern, dass Bildung vor allem für die Menschen da sein soll, und zwar nicht nur für jene, die dann Nobelpreise gewinnen. Ich glaube, dass Österreich von mehr an gut ausgebil­deten Studierenden wahrscheinlich mehr hätte als davon, dass dieses Geld jetzt hierfür ausgegeben wird. Das ist das falsche Signal und die falsche Maßnahme, und dem werden wir nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


12.35.12

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Als niederösterreichische Bundesrätin


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freue ich mich und begrüße ich die Entscheidung, dass die Elite-Universität oder das Forschungsinstitut am Standort Niederösterreich angesiedelt wird. (Bundesrat Mag. Himmer: Bravo! – Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Es ist dies sicherlich von positiver Bedeutung und ein guter Impuls für unser Land. Niederösterreich wird gefordert sein, rund um die Region die nötige Infrastruktur zu errichten beziehungsweise die erforderlichen Verkehrsmaßnahmen zu setzen, was uns auch, davon bin ich überzeugt, gelingen wird. Ich möchte hier auf die Donau-Universi­tät in Krems hinweisen, die seit 1995 in Betrieb ist und beste Qualität bietet. Waren es in Krems in der Wintersaison 1995/96 noch 93 Studierende, so sind es im Winter­semester 2005/06 bereits 3 228 Studierende aus 42 Ländern – um das 35fache mehr!

Hohes Haus! In unserer wissensorientierten Gesellschaft wird großes Augenmerk auf die Aus- und Weiterbildung gelegt. Es müssen auch die hiezu notwendigen Einrichtun­gen geschaffen werden, um die Spitzenfachkräfte in unserem Land halten zu können. Die Einbindung von namhaften Wissenschaftern – das Kuratorium wird 14 Mitglieder zählen – ist unerlässlich für den Erfolg eines derart ambitionierten Projektes. Daher muss man auch größten Wert auf eine Übereinstimmung der Meinungen bei Entschei­dungen legen. Ich bin froh, dass die Diskussion über die Elite-Universität abgeschlos­sen ist, da man zu der Erkenntnis gekommen ist, dass dies eine Ausbildungsstätte für besonders Interessierte eines Faches sein wird.

Wir Sozialdemokraten haben gemeinsam mit den grünen Abgeordneten am 19. April 2006 im Ausschuss den Antrag gestellt, dass den Experten nochmals die Gelegenheit zur schriftlichen Darlegung ihrer Positionen gegeben wird. Unsere Forderungen waren unter anderem, dass das Kuratorium zur Hälfte mit Wissenschaftern besetzt wird be­ziehungsweise dass zusätzlich 30 Millionen € für den Fonds zur wissenschaftlichen Forschung, die auch den bestehenden Universitäten zugute kommen, bereitgestellt werden müssen. Der anerkannte Wissenschafter Haim Harari hat hiezu Stellung bezo­gen und die Änderungen sowie Kommentare der Frau Ministerin vorgelegt.

Die Bedingungen der SPÖ für die Zustimmung zum Bundesgesetz über dieses For­schungszentrum wurden erfüllt. Änderungen gab es im § 6; diese Änderungen ergän­zen einerseits die Zusammensetzung und Bestellung des Kuratoriums und präzisieren andererseits die Aufgabenstellungen hinsichtlich der Bedeutung des Kuratoriums als Genehmigungs- und Aufsichtsorgan. Überdies wird die Aufgabe des Beirates integriert, weshalb der Beirat als eigenes Organ entfallen kann.

In den Absätzen 3 bis 8 werden die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Kura­toriums festgelegt. Entscheidend ist dabei die Erweiterung des bisher vorgeschlagenen Stammkuratoriums von ursprünglich sieben – vier von der Bundesregierung bestimmte Mitglieder, drei vom Land Niederösterreich – auf mindestens 14 Personen. Dies wird erreicht, indem zu den bisher mindestens sieben Mitgliedern sieben international aner­kannte Wissenschafter als weitere Mitglieder hinzukommen. Damit wird auch sicherge­stellt, dass jedenfalls die Hälfte aller Mitglieder Wissenschafterinnen und Wissenschaf­ter sind. Die Bundesregierung stellt, wie vorgesehen, vier und unser Bundesland Nie­derösterreich drei Mitglieder.

Meine Damen und Herren! Das Vorzeigeprojekt Elite-Universität darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Bildungssystem auch Geld fehlt. Die Ausbildung an den heimischen Schulen und Universitäten leidet an den Einsparungen unserer Bun­desregierung. Die geforderten zusätzlichen 30 Millionen € für den Fonds zur wissen­schaftlichen Forschung – ein Teil wird auch den bestehenden Universitäten zugute kommen – müssen aber auch dementsprechend verwendet werden.

Wenn ich vielleicht noch darauf hinweisen darf, dass in den Schuljahren 2000 und 2001 insgesamt 5 000 Lehrer an den Pflichtschulen abgebaut wurden, so war das be-


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stimmt keine Hebung der Schulqualität. Frau Bundesministerin! Diese Sparmaßnah­men heben sicherlich nicht die Qualität der breiten Basis, die wir aber benötigen wer­den, um Spitzenforschung und hohe Ausbildungsqualität erzielen zu können.

Die Zustände an der Universität Graz stehen nur beispielhaft für diese Sparwelle. 1999 standen den Universitäten 1,22 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zur Verfügung. Im Budget 2006 sind es nur mehr 0,98 Prozent, also um ein Fünftel weniger. Daher ist diese Bundesregierung aufgerufen, endlich umzudenken. Bildung ist kein Luxus für einige wenige. Bildung muss ein Recht sein, das jedem zusteht.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, zurückkommend auf die Elite-Universität in Nie­derösterreich: Ich freue mich als Abgeordnete dieses Bundeslandes über die, so meine ich, doch zufrieden stellende Einigung, da ich auch eine große Befürworterin der De­zentralisierung bin und Niederösterreich diese Chance auch sicherlich nutzen wird. Es wird aber nicht nur Niederösterreich, sondern ganz Österreich davon profitieren. Es wird ein Beitrag sein für die Zukunft des Mehr-Wissens und des höchsten Ausbildungs­standes. Hoffen wir, dass dieses Institut seinen Betrieb aufnehmen und eine erfolgrei­che sowie bedeutende Einrichtung und Ergänzung für die Stärke der österreichischen Wirtschaft werden wird. Freuen wir uns auf einen guten Standort für Wissenschaft und Forschung in unserem Land! Freuen wir uns auf unsere Elite-Universität! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.42


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


12.42.43

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die letzten ambitio­nierten Worte von Kollegin Ebner – „freuen wir uns!“ – würde ich auch gerne sagen, aber es gibt bedauerlicherweise einige Gründe, warum dem nicht so ist.

Klar ist, dass Bildung, Forschung und Entwicklung die Basis für die Zukunft ist. Wer nicht in diese Bereiche investiert, lebt de facto auf Kosten der nächsten Generation. Insofern ist es ein kluger und wichtiger Schritt, auch im Bereich der Exzellenz weiter­zudenken und einen Schwerpunkt zu setzen.

Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob es besser ist, einen Standort für eine Neugründung zu finden, oder, in bestehende Exzellenzschwerpunkte in den verschie­denen Bundesländern – es ist Graz heute genannt worden; es gibt natürlich auch Oberösterreich mit seiner Johannes-Kepler-Universität, es gibt natürlich Innsbruck, Salzburg und so weiter – zu investieren. (Bundesrat Dr. Kühnel: Warum nicht Linz? – Bundesrat Konecny: Sagte sie, Herr Kollege!) Herr Dr. Kühnel! Linz ist selbstverständ­lich schon längst an vorderster Stelle genannt worden. (Bundesrat Dr. Kühnel: In Linz beginnt’s!) Genau so ist es!

Wenn Herr Dr. Kühnel schon Linz anführt, komme ich jetzt auf das Procedere zu spre­chen. Frau Ministerin! Alle Bundesländer wurden aufgefordert, entsprechende Bewer­bungen für diesen neuen Standort einzureichen. Dem sind Wien, Steiermark, Oberös­terreich und Niederösterreich mit einem unglaublichen Aufwand nachgekommen. Dann bekam de facto jemand den Zuschlag, der aller Wahrscheinlichkeit nach und den Infor­mationen zufolge bereits vorher schon festgestanden ist.

Man hätte sich also vermutlich das ganze so genannte offizielle Ranking und Hearing und sonst was sparen können. Das finde ich wirklich sehr bedauernswert, Frau Minis­terin! Wir hätten uns der Fairness halber für die Forschung, aber auch der Fairness halber für die Johannes-Kepler-Universität und ihre Institute eine fairere und ordentli-


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chere Vorgangsweise erwartet. Wir denken, dass wir in Oberösterreich mit der Johan­nes-Kepler-Universität und Hagenberg einen ausgezeichneten Standort gehabt hätten, einen wesentlich besseren als Gugging ... (Bundesrat Mag. Himmer: Hagenberg – ist das nicht auch in der „Pampa“?)

Kollege Himmer, ich lade dich gerne zu einem Ausflug nach Hagenberg ein. Hagen­berg: exzellent, perfekt, Weltruf! In Gugging habt ihr, soweit ich weiß, keine Universität. Das ist wirklich grüne Wiese. Ich möchte aber hier gar nicht mehr auf diese Standort­geschichte und auf die schlechte Erreichbarkeit eingehen. Ich verstehe ja auch, dass die Kollegin Gansterer, die Kollegin Ebner, alle Niederösterreicher und Niederösterrei­cherinnen ein Plädoyer dafür halten. Dennoch muss man auch auf die rationalen Dinge schauen, und da gibt es einfach Mankos. Auch ich liebe ambitionierte Projekte, aber das ist das hier nicht.

Da heute das Komitee angeführt wurde: Das Komitee besteht aus elf Mitgliedern, und sie sind alle männlich. Es gibt darin keine einzige Frau, und das ist wirklich zu bedau­ern, dass hier wiederum nicht darauf geachtet wurde, dass die Geschlechtergerechtig­keit auch hier Einzug hält, denn es gibt sehr wohl hervorragende Forscherinnen im na­tionalen und internationalen Bereich, gerade auch in den technischen Belangen, zu denen hier auch geforscht werden soll.

Dass es bislang keinen solchen Forschungsschwerpunkt gibt, der hier dann gesetzt werden soll, ist eine eigenartige Geschichte. Man kann sich zwar ungefähr vorstellen, wohin die Reise gehen soll, doch Standorte und Gebäude werden immer auch danach gebaut und ausgerichtet, was darin passieren soll und muss. Und dieser Aspekt lässt ebenfalls zu wünschen übrig.

Kollegin Ebner hat angeführt, dass es auch eine Ausbildungsstätte für Hochqualifizierte ist. Ich würde mir das wünschen. Es gibt sehr wohl das Doktoratsstudium, das dort machbar ist, aber es ist, wie das aus den Statuten ersichtlich wird, das Postdoc-Stu­dium herausgestrichen worden, und das ist nicht verständlich. In einer exzellenten For­schungseinrichtung hat man natürlich eine Postdoc-Studienrichtung einzurichten. Das ist also wirklich nicht mehr verständlich. Was ist da los? Wohin geht die Reise? Soll das exzellent werden, oder was soll das? Wir warten auf die Antworten und bedauern, dass es in dieser Form zu einem solchen Standort gekommen ist. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Gansterer. – Bitte.

 


12.47.53

Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich möchte zu Beginn festhalten, dass ich mich sehr freue, dass auch die Kollegen der So­zialdemokratie heute nach dem Hin und Her, das ich nicht ganz nachvollziehen konnte, nun doch zustimmen werden. (Bundesrat Konecny: Das Hin und Her hat immerhin 30 Millionen € für die Forschung gebracht! Vielleicht sollten wir noch ein paar Mal Hin und Her veranstalten, vielleicht werden es dann 60 Millionen €!)

Herr Professor Konecny, dass ich mich als Niederösterreicherin natürlich ganz beson­ders darüber freue, dass der Standort des neuen Institutes für Science and Technology in Klosterneuburg/Maria Gugging sein wird, auch das werden Sie alle nachvollziehen können. Unabhängig von meinem Landespatriotismus bin ich jedoch tatsächlich über­zeugt, dass der Standort sehr gut gewählt ist. Er befindet sich in einer totalen Grün- und Ruhelage und doch am Rande der pulsierenden Großstadt Wien. Ich kann mir


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sehr gut vorstellen, dass in dieser Atmosphäre die klügsten Köpfe kreativ studieren, lehren und forschen können. Ganz abgesehen vom Standort denke ich, dass es höchst an der Zeit ist, dass Österreich ein solches Institut bekommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben uns in den letzten Jahren immer ganz vehement für die Schwächsten in unserer Gesellschaft eingesetzt im schulischen Bereich, im Bereich der Bildung, aber auch bei den Arbeitsplätzen im wirtschaftlichen Bereich. Und das ist gut so, und das muss auch in nächster Zeit immer so fortgesetzt werden. Genauso wichtig ist aber, dass wir die Begabtesten fördern, denn schlussendlich sind es doch auch sie, die durch ihre Forschung im technischen wie auch im medizinischen Bereich Errungen­schaften hervorbringen, die gerade den Schwächsten Hilfestellung sind, die ihre Pro­bleme mildern und oft sogar auch lösen.

Was wir auch wissen, ist, dass in der Vergangenheit viele höchstbegabte Wissenschaf­ter Österreich verlassen haben. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Und Wissenschafterin­nen!) Und Wissenschafterinnen – selbstverständlich! Auch ich bedauere, dass im Ko­mitee keine vertreten sind, da gebe ich der Kollegin gerne Recht! Sie haben Österreich verlassen, weil sie eben nicht diese Basis und diese Förderung vorgefunden haben. Österreich ist ein kleines Land. Wie viele Möglichkeiten haben wir denn schon, uns weltweit wirklich einen Namen zu machen? Ein solches Institut gibt uns diese einma­lige Chance. Nicht nur dass unsere klügsten Köpfe, die großen Söhne und Töchter Ös­terreichs das Land nicht mehr verlassen müssen, können wir uns zusätzlich noch inter­national solche Menschen nach Österreich holen.

Das alles sind meiner Überzeugung nach Argumente, die einfach dafür sprechen, ne­ben dem ganz wichtigen – und ich vertrete ja auch die Wirtschaft – Impuls, den ein sol­ches Institut natürlich auch auslöst. Durch die Spin offs können Arbeitsplätze geschaf­fen werden, was ganz wichtig ist, und das vielleicht auch am Rande der Großstadt und nicht wie sonst immer im Ballungszentrum. Es ist wichtig für den ländlichen Raum, dass auch dort Wirtschaft leben kann.

In diesem Sinne werde ich aus voller Überzeugung und aus ganzem Herzen als Nie­derösterreicherin, aber auch gemeinsam mit allen meiner Fraktion zustimmen. Ich freue mich, wie schon gesagt, dass das auch die Kollegen der Sozialdemokratie ma­chen. Es wäre schön, wenn das auch die Fraktion der Grünen tun könnte. Ich freue mich auf jeden Fall heute schon auf die Eröffnung in Klosterneuburg/Maria Gugging. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.51


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Gehrer mit den besten Wünschen zu ihrem heutigen Geburtstag das Wort. (Allgemeiner Beifall.)

 


12.51.50

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich bedanke mich für die guten Wünsche! – Ich möchte zwei Sachen ansprechen. Zum einen die gesamt­hafte Bildungspolitik und zum anderen das Exzellenz-Institut für Forschung in Kloster­neuburg.

Gerade im Bereich der Bildungspolitik ist es der Bundesregierung ein Anliegen, die Breite und die Spitze zu fördern. Wir brauchen die Breite und wir brauchen auch die Spitze. Ich frage mich manchmal, warum das Wort „Elite“ so auf Widerstand stößt. Ohne Elite sind keine Spitzenleistungen möglich. In der Breite hat die österreichische Bundesregierung eine große Lehrlingsoffensive gestartet. Wir haben mehr Lehrlinge, wir haben die integrative Lehre ins Leben gerufen, wir haben 1 800 junge Menschen, die in dieser integrativen Lehrlingsausbildung ausgebildet werden. Wir haben die frühe


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Sprachförderung, das Eingehen auf Kinder, die Schwachen haben wir im besonderen Maße gefördert.

Im Bundesschulbereich haben wir eine Schulbauoffensive für beste Rahmenbedingun­gen gestartet. Wir haben in den letzten Jahren über 240 Schulen renoviert, erweitert, neu gebaut. Es konnten also in den letzten zehn Jahren jedes Monat zwei Schulen neu, vollkommen neu gestaltet, den jungen Menschen und den Lehrerinnen und Leh­rern übergeben werden. Wir haben das Budget für die Fachhochschulen verdoppelt, die Studierendenzahlen haben sich verdoppelt. Wir haben, und ich bitte Sie, das auch in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen, für den Forschungsbereich und für den Uni­versitätsbereich hohe Beträge zur Verfügung gestellt, damit die Forschung und die Uni­versitäten sich in Zukunft positiv entwickeln: 1 Milliarde € mehr für die Universitäten 2007, 2008, 2009, 500 Millionen € für die Generalsanierung aller Gebäude, über 500 Millionen € für das Gesamtbudget der Universitäten.

Meine Damen und Herren, es gibt kein Land in Europa, in dem die Universitäten heute schon wissen, dass sie in den nächsten Jahren 14 Prozent mehr Budgetmittel erhalten werden. Das ist gut so! Die Universitäten können damit rechnen, sie können damit ihre Zielsetzungen vorantreiben. Wir haben 3 Milliarden € mehr für Forschung bis 2010 vor­gesehen.

Jetzt bin ich beim zweiten Bereich, beim Bereich des Exzellenz-Institutes. Das Wort „Elite-Universität“ ist von mir nie verwendet worden, es ist vom Erfinder, Herrn Profes­sor Zeilinger, zuerst verwendet worden, und wir haben damals schon gesagt, es ist ein Exzellenz-Institut für Forschung.

Was wollen wir? – Wir wollen zu den guten Instituten, zu den exzellenten Instituten, die wir in Österreich bereits haben, die gut funktionieren, die von der Akademie der Wis­senschaften und anderen Institutionen  betrieben werden, noch einen besonderen Leuchtturm dazusetzen.

Meine Damen und Herren, es gibt in Österreich viele junge Forscher und Forscherin­nen, die eine Zeit lang im Ausland sind. Das ist gut so, denn Forschung lebt von Inter­nationalität. Wir wollen aber, dass sie wieder zurückkommen. Es gibt viele junge Leute, die in Österreich studieren wollen, wie Sie gerade an den letzten Entwicklungen gese­hen haben, weil in Österreich ein gutes Studium angeboten wird.

Dass unser Bildungswesen, dass unser Wissenschaftswesen, dass unser Universitäts­wesen und Forschungswesen gut sind, wurde gerade heute von einem Schweizer In­stitut bestätigt. Ein Schweizer Institut hat in einer Untersuchung festgestellt: Öster­reichs Bildungswesen ist topp!, nämlich das Institut für Management Development in der Schweiz, das über 50 Länder untersucht und herausgearbeitet hat, dass die öster­reichischen Bildungsangebote die wesentliche Grundlage dafür sind, dass die jungen Menschen in Österreich einen Arbeitsplatz finden und dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich weit unter dem EU-Durchschnitt und weit unter derjenigen Finnlands liegt. Es ist ganz klar: Jeder einzelne junge Mensch, der keinen Arbeitsplatz hat, ist einer zu viel. Wir starten zahlreiche Maßnahmen.

Dieses Institut für Science and Technology wird in Klosterneuburg errichtet werden, und ich möchte wirklich alle bitten, die daran Kritik üben, einmal zu überlegen, dass man so etwas nur in Zusammenarbeit mit der regionalen Ebene machen kann. Man kann niemandem etwas hineinsetzen. Ich brauche das Interesse und das Engagement. Einen Wettbewerb zu machen, wo der beste Standort ist, ist an und für sich in einer Wettbewerbsgesellschaft die richtige Vorgangsweise. Nicht ich pflanze etwas wo hinein, sondern ich frage: Wer will mit mir etwas verwirklichen? Ich bin eine erklärte Föderalistin, ich bin durch Vorarlberg so geprägt. Ich will nicht, dass der Bund etwas


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aufpfropft, sondern ich möchte, dass in Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden, mit den regionalen Stellen ein derartiges großes Projekt verwirklicht wird.

Klar feststellen möchte ich auch Folgendes: Dass wir im Gesetz Postdoc nicht mehr drinnen stehen haben, hat einen einzigen Grund: Es ist selbstverständlich, dass Wis­senschafts- und Forschungszentren Postdoc-Angebote machen, es ist aber nicht selbstverständlich, dass dort PhD-Angebote gemacht werden. Es gibt keine Postdoc-Studienrichtungen. Wenn jemand bereits das Doktorat hat, kann er an einem For­schungsprojekt mitarbeiten. Das ist bei Professor Penninger so, das ist bei allen Insti­tuten so. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Natürlich gibt es die! Es gibt beides, Postdoc und PhD!) Aber dass man eine PhD-Ausbildung und ein Doktorat anbieten kann, das muss ich in ein Gesetz hineinschreiben. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist doch selbstverständlich!)

Nein, ein Institut wie zum Beispiel das von Professor Penninger kann kein Doktorat vergeben, kann kein PhD vergeben. Das muss an einer Universität vergeben werden. Die Postdoc-Angebote sind jedoch die selbstverständlichen Angebote in allen For­schungseinrichtungen. Das hat also überhaupt nichts mit irgendeiner Fehlentwicklung zu tun. Wir mussten hineinschreiben, dass PhD vergeben werden können, denn die können normalerweise nur an der Universität vergeben werden, und deswegen war das im Gesetz festzuhalten. Das andere dagegen ist eine Selbstverständlichkeit. (Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Warum war es dann ursprünglich im Gesetzentwurf?)

Ich darf zusammenfassend feststellen: Mit der Gründung eines Exzellenz-Institutes ge­hen wir einen Schritt in die europäische Richtung, in die Richtung, dass Europa im Wettbewerb mit den anderen Kontinenten bestehen kann und dass Österreich im Wett­bewerb mit anderen Ländern bestehen kann. Wir bieten damit den jungen Menschen zusätzlich zu den bereits bestehenden Möglichkeiten ungeheure Chancen, und ich freue mich sehr, dass die sozialdemokratische Fraktion sich nun doch entschlossen hat, ohne Wenn und Aber dem Antrag der Bundesregierung und dem Antrag der Mehr­heit im Nationalrat zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Oho, „ohne Wenn und Aber“!)

12.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es ist ein Zufall, dass auch der nächste Redner, Herr Bundesrat Dr. Kühnel, heute Geburtstag hat. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

 


13.00.03

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Ich darf mich zuerst für die Glückwünsche zu meinem Geburtstag bedanken! Auch ich bin im Sternzeichen Stier, daher ist eine gewisse Robustheit gegeben. Das heißt, politische Zwischenrufe und so weiter können mich in der Regel nicht erschüt­tern.

Nun zum eigentlichen Thema. Das Institut für Science and Technology ist etwas, das im Grunde genommen die Verwirklichung der Lissabon-Ziele darstellt – wir klagen dau­ernd darüber, dass wir bis zum Jahr 2010 nicht die entsprechenden Arbeitsplätze zur Verfügung haben werden, dass wir nicht Forschungsstandort Nummer eins der Welt sind und so weiter, aber wenn dann in dieser Richtung etwas unternommen wird, dann erheben sich in Österreich gelegentlich, nicht von allen, manche werden auch vom Saulus zum Paulus, immer wieder Widerstände –, und in den Lissabon-Zielen steht vor allem auch drinnen, dass Forschung und Innovation von besonderer Wichtigkeit sind.

Frau Bundesministerin Gehrer hat ja schon erwähnt, dass es in Österreich im universi­tären Bereich einerseits um die Breite geht, aber wichtig ist für uns auch die Spitze, denn der alte marxistische Grundsatz, dass angeblich die Summe der Quantität irgend-


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wann zur Qualität führt, hat sich als ein Humbug herausgestellt. (Bundesrat Konecny: Lesen Sie einmal den Marx, bevor Sie so einen Unfug erzählen! – Bundesrat Todt: Haben Sie Marx überhaupt gelesen? – Bundesrat Konecny: Lesen Sie zuerst einmal Marx!)

Die EU selbst hat sich auf Grund der Lissabon-Agenda in diesem Jahr auch dafür ein­gesetzt, dass sozusagen die Exzellenz-Universitäten gefördert werden, denn es wird in Brüssel oder zumindest im Raum Brüssel ein entsprechendes Institut eingerichtet, das dann mit den nationalen Spitzeninstituten zusammenarbeiten soll.

Wenn ich auf Österreich zurückkomme, dann ist es eindeutig, dass wir ein rohstoffar­mes Land sind. Wir haben nicht so wie die Scheichs viel Öl und Gas oder irgendwelche anderen Bodenschätze, sondern wir haben glücklicherweise gut ausgebildete Leute in Österreich, Talente, die, auch wenn es dem Zeitgeist nicht immer ganz entspricht, aus­gesprochen fleißig sind. Und diese Talente, die sozusagen mit Fleiß gekoppelt sind, sollen gefördert werden. (Bundesrat Konecny: Er denkt an seinen Klub!) Herr Profes­sor Konecny, jetzt hören Sie mir bitte kurz zu. (Bundesrat Konecny: Ich höre Ihnen immer zu!) Vorhin haben Sie geschlafen, aber das macht nichts. (Bundesrat Konecny: Nein, habe ich nicht!)

Im Jahr 2003 oder 2004 wurde in einem Tiroler Bergdorf ein Projekt des Professors Zeilinger vorgestellt. Am Podium saßen zwei Klubobmänner der staatstragenden Par­teien. Der eine Klubobmann war fasziniert von dem Projekt, der andere auch, denn er hat gesagt, er tritt auch für dieses Exzellenz-Institut ein. Daraufhin hat Klubobmann Molterer gemeint, er werde zu gegebenem Zeitpunkt auf diese Aussage zurückkom­men. Kaum war der Klubobmann dieser staatstragenden Partei in Wien, hat er in einem Interview erklärt, dass diese Exzellenz-Einrichtung nicht in Österreich vorgese­hen ist, sondern irgendwo anders in der EU. Dann dürfte er – das kann ich natürlich jetzt nicht bestätigen, aber es ist eine Vermutung von mir, und hier kann man gelegent­lich auch eine Vermutung aussprechen – mit dem Wissenschaftssprecher seiner Partei gesprochen haben, und daraufhin wurde diese Exzellenz-Einrichtung abgelehnt.

Jetzt muss ich schon eines sagen (Bundesrat Konecny: Sie bringen da zwei Sachen durcheinander!) – Herr Professor, das ist so, glauben Sie mir das (Bundesrat Ko­necny: Nein! Sie bringen da etwas durcheinander!) –: Im Nationalrat haben Sie auch nach langem Hin und Her zugestimmt. (Bundesrat Konecny: Nein, nachdem wir unse­re Forderungen durchgesetzt haben!) Sie können doch nicht sagen, dass es ein gerad­liniger Kurs war; Sie sind, so wie es früher eine Marinetaktik auf den Weltmeeren war, rechts und links gefahren. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Normaler­weise muss man das tun, wenn man vor dem Wind kreuzt!) Im Nationalrat haben Sie dem jedenfalls nach langem Bauchweh und so weiter zugestimmt, und im Bundesrat haben Sie es wieder verzögert. Das ist die Wahrheit!

Nun zur Bewerbung Wiens. In Wien gibt es einen Landeshauptmann, der eine beson­dere Stellung hat, denn er hat kein eigenes Ressort. Er hat das Exzellenz-Institut zur Chefsache erklärt, aber dann habe ich – ich verfolge natürlich die Wiener Politik sehr intensiv – schon ein bisschen den Eindruck gehabt, dass er zu dem Zeitpunkt, als es um die finanzielle Ausstattung dieser Einrichtung ging, offensichtlich nicht der Chef im Ring war.

Noch etwas anderes: Wir haben ja in Österreich bereits eine Vielzahl von besonderen Einrichtungen. Ich darf erinnern an die Verwaltungsakademie des Bundes, an die Dip­lomatische Akademie – da haben Sie heute sogar zugestimmt –, an die Sicherheits­akademie, an die Theresianische Militärakademie (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), an die Landesverteidigungsakademie. (Bundesrat Todt: Die Theresi­anische Militärakademie als Forschungseinrichtung!) Bitte, das sind besondere Einrich-


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tungen! Gehen Sie einmal hin, schauen Sie, was dort für eine Lern- und Forschungs­atmosphäre ist, dann können Sie da mitreden!

Wichtig ist aber in Österreich – da danke ich der Frau Bundesministerin in hohem Ma­ße –, dass jetzt, auch mit den anderen Ministern, danach getrachtet wird, ein entspre­chendes Forschungsklima in jeder Richtung zu fördern. Wichtig ist, dass wir bei unse­ren Kindern schon in der Volksschule die Neugier wecken, denn nur mit der Neugier sind à la longue gesehen entsprechende Forschungsergebnisse zu erzielen.

Frau Kollegin Ebner ist lang und breit darauf eingegangen, wie der Beirat und so weiter ausschaut. Darüber will ich mich nicht sonderlich verlieren (Bundesrat Konecny: No secrets, please!), denn das sind organisatorische Maßnahmen, über die man sicher diskutieren kann, vor allem lange diskutieren kann (Bundesrat Konecny: Aber Sie offenbar nicht!); ähnlich wie über Geschäftsordnungsfragen, worin Sie, Herr Professor, ja ein Meister sind.

Jetzt möchte ich eines sagen: Ich habe zum Beispiel zum Weizmann-Institut, zur ETH Zürich, aber auch zur Max-Planck-Gesellschaft ein großes Vertrauen, und wenn sich Persönlichkeiten dieser drei Einrichtungen in Österreich für dieses besondere Institut zur Verfügung stellen, dann habe ich einfach das Vertrauen, dass hier Positives ge­schehen wird, dass hier etwas weitergebracht wird.

Dann gibt es noch einen – man könnte vielleicht sagen – strategischen Grundsatz: Man soll in der Wirtschaft, aber auch bei solchen Einrichtungen nicht kleckern, sondern klotzen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Hier wird ohnehin nicht geklotzt!) „Klotzen“ be­deutet, dass man die finanziellen Mittel konzentriert. Daher ist es wichtig, dass wir jetzt dieses besondere Institut mit den entsprechenden finanziellen Mitteln auf die Beine stellen, und wenn dieses Institut dann gedeiht und Ergebnisse erzielt, dann kann man gerne noch, wenn die finanzielle Unterstützung gegeben ist, vielleicht auch in Linz et­was machen. Aber Hagenberg kenne ich. Dass dort so eine besondere Atmosphäre ist, das mag schon sein, nur ist es ein bisschen klein geraten. (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Also ehrlich, das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun noch zum Abschluss etwas, weil Gugging erwähnt worden ist: Dankenswerterwei­se hatte ich die Möglichkeit, in den Vereinigten Staaten – die immer wieder herhalten müssen, indem man sie prügelt, auf allen möglichen Sektoren – eine besondere Ein­richtung zu besuchen und dort auch zu studieren. Diese Einrichtung war mehr oder we­niger irgendwo in den Plains angesiedelt, und diese monastische Atmosphäre dieser Einrichtung – sie ist in gewissem Maße auch in Klosterneuburg/ Gugging gegeben – ist für Forschung, Lernen und so weiter ausgesprochen ideal. Daher gratuliere ich zu die­ser Entscheidung, denn mir ist wichtig, dass dort hervorragende Forschungsergebnisse erzielt werden, und nicht, dass es recht nahe an Wien liegt, um sozusagen immer am Nachtleben der Stadt teilnehmen zu können.

In diesem Sinne unterstützt meine Fraktion selbstverständlich dieses besondere Insti­tut. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Das ist eine sonderbare Begründung! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ohne die ÖVP-Oberösterreich! Das ist skandalös!)

13.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte.

 


13.10.00

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Frage, die uns treibt, ist die Frage nach


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dem Standort. Auch heute ist sie schon angesprochen worden, und wenn ich mich recht an unsere Ausschussarbeit entsinnen kann, so war es auch dort großes Thema.

Mein Vorredner Kühnel hat es bereits angesprochen, ebenso Frau Kollegin Ebner, der ich wirklich zu folgendem Satz gratulieren möchte (Bundesrat Schennach: Überra­schung!) – ich habe mich von der Überraschung noch gar nicht erholen können, aber ein wesentlicher Satz neben vielen wesentlichen Sätzen war nämlich der –: „Ganz Ös­terreich“ wird „davon profitieren“. – Das ist einmal das Erste.

Kollege Kühnel hat gerade von Amerika gesprochen (Bundesrat Schennach: Und von Oberösterreich!), und jetzt erlaube ich mir einfach, die zwei Erfolgsgeschichten von zwei Institutionen zu erwähnen, die interessanterweise denselben Gemeinde-, Dorf- oder Stadtnamen tragen, nämlich „Cambridge“.

Cambridge in der Nähe von London, eine Stunde Fahrzeit von London – ich weiß nicht, ob schon jemand von Ihnen dort war –, ein eher verschlafener Ort (Bundesrat Ko­necny: Na bitte!) – bravo! –, ein eher verschlafener, aber ein sehr netter Ort. Hochin­teressant. Nicht in London angesiedelt, sondern, wie schon mein Vorredner sagte, ein gutes Beispiel dafür. Auch eine hohe Erfolgsquote.

Wenn ich mich recht entsinne, gibt es dort, glaube ich, 60 Nobelpreisträger in Naturwis­senschaften. Das ist, wenn ich mich richtig erkundigt habe, mehr, als es in ganz Frank­reich auf diesem Gebiet gibt. Also im Grunde kann man sagen, ein sehr hoher Output.

Zweites Cambridge. (Bundesrat Konecny: Aber die Besiedelung ist etwas anders als in Gugging!) – Herr Professor, hören Sie mir doch einmal zu, denn Sie waren ja eigent­lich derjenige – vielleicht werden Sie noch auf das Thema eingehen –, der sehr stark gesagt hat: Wie kann man diesen Standort wählen, nämlich vor allem, was die Grund­stücke, was die Größe betrifft? – Da sage ich dann auch noch etwas dazu, aber zuerst zum zweiten Cambridge:

Das zweite Cambridge liegt in der Nähe von Boston, und wir wissen, dass dort auch ein sehr erfolgreiches Institut ist, nämlich das MIT. Und wenn man sich das genauer anschaut, wird man merken, dass man dort auch einige Kilometerchen zu fahren hat. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Es geht nicht um die grüne Wiese!)

Der dritte Standort ist Stanford. Wenn ich es richtig weiß, liegt das südlich von San Francisco. Und jetzt kommen wir auf die Grundstücke, Herr Professor, nämlich ... (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Warten wir ab! Herr Professor Konecny ist erst nach mir am Wort. Das kommt ja noch! Ich muss ja leider etwas vorwegnehmen. Ich weiß aber, was der Herr Professor noch sagen wird, weil er es schon im Ausschuss gebracht hat, und ich denke, ich sollte vorher, da ich jetzt am Wort bin, darauf eingehen. (Ironische Hei­terkeit bei der SPÖ.) Was meine ich mit Stanford? – Interessant ist, dass dort die Spin-off-Institutionen bis nach Silicon Valley reichen, und ich glaube, das ist nicht die Ent­fernung zwischen Klosterneuburg und Wien, sondern viel, viel weiter. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Warum schreien Sie denn so?) Und das ist genau in dem Sinne und sogar noch viel mehr, wie es die Kollegin Ebner gesagt hat, nämlich dass ganz Öster­reich profitieren wird.

Jetzt werden sich manche vielleicht fragen ... (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Lich­tenecker.) Nein, nein, Ruperta! Ich möchte jetzt wirklich ausreden. Ich möchte meinen Gedankengang wirklich philosophisch darlegen. (Bundesrat Konecny: Wenn Sie ver­sprechen, dass Sie ausreden, dann sind wir still! – Heiterkeit.) Ja, das freut mich. Kol­lege Konecny sagt immer dann etwas, wenn es ein bisserl eng wird für ihn in seiner Argumentation. Das habe ich schon festgestellt, auch bei den letzten Malen. (Beifall bei der ÖVP.) Aber macht nichts, wir sind ja hier in einer parlamentarischen Debatte, also


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freut es mich ja auch. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Das ist ja großartig. (Bundesrat Schennach: Sind Sie jetzt Kontraredner?) Nein, überhaupt nicht. Ich möchte ihn sogar noch von seinem Argument überzeugen, dass das, wie es ge­wählt worden ist, hervorragend ist. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)

Es wurden Grundstücke in der Größe von 179 000 Quadratmetern ausgewählt, um das einmal klarzustellen. Es ist für mich eher eine ältere Philosophie eines Campus-Mo­dells, dass man meint, alles muss sich in der unmittelbaren Umgebung ansiedeln. Wenn man das möchte, dann kann ich dem Argument, das im Ausschuss von Kollegen Konecny gebracht worden ist, schon etwas abgewinnen. Anders ist es aber, wenn man davon ausgeht, dass ganz Österreich etwas profitieren soll.

Deshalb freue ich mich auch als Steirer – und eben als Nicht-Niederösterreicher – über die Entscheidung für Niederösterreich, möchte aber trotzdem sagen, dass ich als ein Mitglied dieser Kammer selbstverständlich dem auch zustimme, weil die beiden Gut­achten, die ja eingeholt worden sind – auf der einen Seite jenes von Harari, auf der an­deren Seite jenes von Rektor Badelt –, ganz klar drüberbringen, dass es nur in Koope­ration mit den bereits bestehenden exzellenten – wie es drinnen steht – Einrichtungen und Institutionen funktioniert. Damit sind genau solche Universitäten wie die Johannes Kepler Universität oder wie unsere Karl-Franzens-Universität gemeint. Selbstverständ­lich.

Ich glaube, dass das auch das Modell ist, dass man hergeht und sagt, man hat eine Spitze. Ich rede auch ungern von „Elite“ und möchte da die Frau Ministerin unterstüt­zen. Wir haben ja nie von „Elite-Universität“ geredet, sondern von „Exzellenz-Institut“. Es steht auch nirgends etwas von Universität im Gesetz, bitte, sondern es steht von einer Einrichtung, die post angesetzt ist, um es so zu sagen. Ich glaube, dass darin für uns die große Chance liegt, uns selbst zu fragen, gemeinsam mit unseren wirklich ex­zellenten Leuten, wie es gehen soll. Da bin ich wirklich froh darüber – ich wiederhole das, was ich bereits im Ausschuss gesagt habe –, dass im nationalen, aber auch im in­ternationalen Komitee Rektoren unserer Universitäten drinnen sitzen, und zwar genau auch die Rektoren, die zuerst ihre Zweifel gehabt haben. Ich denke da zum Beispiel an Sünkel aus Graz, der zuerst genauso gesagt hat: Wie können wir das machen? Gehen wir da nicht unter? Der sitzt hier mit drinnen, aber auch die Rektorenkonferenz.

Ich glaube, in diesem Sinne müssen wir uns das ansehen, und da ist es meiner Mei­nung nach sogar gut, dass in Zukunft nicht alles rund um Klosterneuburg angesiedelt wird, weil es im modernen technologischen Zeitalter ja nicht darum geht, dass ein Pro­fessor oder ein Mitarbeiter zehn Schritte bis zu seinem Spin-off-Betrieb hat – ich darf noch dazusagen, dass hoffentlich nicht nur Professoren Spin-off-Betriebe haben, son­dern auch andere Leute auf dieser Welt –, sondern prinzipiell geht es darum, dass man sehr gut vernetzt ist.

Ein für mich auch wichtiger Punkt, den Frau Kollegin Konrad angesprochen hat, wenn ich es richtig im Kopf habe, ist der mit der Philosophie, würde ich sagen. Ich würde es jetzt nicht so als Geisteswissenschaft sehen, sondern ich würde es eine starke Philoso­phie nennen. Deshalb bin ich froh, dass dieses Institut „Institute of Sience and Techno­logy“ heißt, weil es klar drüberbringt, dass Wissenschaft mit Technologie verbunden ist, denn in meinem Wissenschaftsverständnis kann eine Wissenschaft nur existieren, wenn sie interdisziplinär arbeitet.

Deshalb bitte ich von dieser Stelle aus – diese Bitte richtet sich auch an alle diejenigen, die verantwortlich sind für dieses Institut –, dass es auch eine starke Philosophie gibt, aber nicht nur, wie wir es auch oft auf Universitäten erleben, in Kommissionen – ich spreche jetzt etwa die Ethikkommissionen an –, die oft etwas nur mitlaufend betreuen, sondern wo auch philosophisch Grundlagen entwickelt werden, wie man technologisch


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vorgeht und welche Fragestellungen man dabei berücksichtigt, denn sonst kommen wir zu folgendem Resultat – und dazu kommen wir oft –: dass gewisse Dinge einfach un­hinterfragt geforscht werden. Das ist ein Problem. Und warum? – Weil man sagt, dass ein Diskurs darüber Rechtfertigung genug sei.

Deshalb glaube ich – und dafür möchte ich mich hier auch ganz stark machen –, dass es ganz wichtig ist, dass das Wort „science“ diese Interdisziplinarität erfährt und dass man das in diese Richtung – da möchte ich auch wirklich zustimmen – vorantreibt. Ich sehe hier ganz große Hoffnungen, weil gerade diejenigen, die als Erste dabei waren, dazu Anlass geben. Ich denke hier an Zeilinger, den ich sehr, sehr gut kenne und von dem ich weiß, dass er genau einer ist, der seine Forschungen auf einem sehr stark phi­losophisch-ethischen Verständnis betreibt. Und deshalb bitte ich, dass man hier wirk­lich ohne Wenn und Aber zustimmt.

Einen Punkt habe ich mir da noch dazugeschrieben, weil es geheißen hat, die Länder werden ausgesaugt oder immer mehr wird auf die Länder übertragen. Da sollte man sich die Zahlen einmal genauer anschauen. Der Bund zahlt 195 Millionen €, das Land Niederösterreich 30 Millionen €, Drittmittel betragen 135 Millionen €, jährliche Aufsto­ckung der Drittmittel durch den Bund in Höhe von 95 Millionen €. Das ergibt 455 Millio­nen €. Also ich glaube, es ist auch hier ein schöner Ausgleich gelungen, wobei man schon sieht, wo dieses Institut angesiedelt ist.

Nur bitte ich auch, nicht gleich im Gesetzestext festzuschreiben, was dort zu forschen ist. Denn genau das macht die Selbständigkeit einer wissenschaftlichen Organisation wie so eines Institutes, wie auch einer Universität aus: die Unabhängigkeit und die Freiheit im Forschen. Denn sonst wäre es umsonst gewesen, dass Sie eingefordert haben, dass es wenigstens eine Parität zwischen Politikern und Wissenschaftern gibt, wenn man das jetzt auf diese Art und Weise wieder rückgängig machen wollte. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Ko­necny. – Bitte. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Konecny –: Wird das jetzt etwas Unerwartetes?)

 


13.19.11

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Man tut sich sehr leicht als Sprecher dieser Regierungs­partei, wenn man nicht versteht. Das erklärt manche der Ausführungen. Ich werde mich bemühen, einiges davon zurechtzurücken. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ihre Begeis­terung ist nicht die Voraussetzung meiner Wortmeldung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Haim Harari, der Vorsitzende jener Wissenschaftergruppe, die das Gefäß, das wir heute beschließen, auch mit Inhalt versehen soll, hat in einem Interview festgestellt: „Für mich steht fest, die Wörter Exzellenz, Elite und Universität dürfen im Namen nicht vorkommen“ – aber auch in der Diskussion, würde ich hinzufügen. „Erstens muss ein Institut zuerst einmal exzellent sein, bevor es sich so nennen kann, und das wird ein langer Prozess sein, zweitens darf es nicht den Anschein geben, dass irgendein ande­res Institut nicht exzellent ist – und natürlich gibt es jetzt schon exzellente Forschung in Österreich.“

Ich glaube, das sollten wir einmal als Grundvoraussetzung festhalten: Mit dieser Ein­richtung erfinden wir nicht die wissenschaftliche Forschung in Österreich, wir fügen etwas hinzu, dem wir unsere besten Wünsche mit auf den Weg geben und von dem wir hoffen, dass es ein Erfolg wird.


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Die Idee, eine solche Nicht-Universität – weil eine Undergraduate-Ausbildung nicht stattfindet – zusätzlich zu schaffen, ist durchaus von uns begrüßt worden. Herr Kollege Kühnel, Sie haben – ich nehme einmal an, absichtlich – die Diskussion über jenes europäische Netz von Exzellenz-Universitäten, die nichts mit dem heutigen Beschluss zu tun hat, damit vermengt, um zu dieser Argumentation zu kommen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Habe ich nicht vermengt!)

Aber das, was wir immer und mit großer Konsequenz vertreten haben, ist eines: Die Schaffung einer solchen Einrichtung darf nicht zu Lasten der Finanzierung anderer wis­senschaftlicher Forschungsstätten in Österreich gehen – ja, mehr noch: Wenn man für eine solche Einrichtung zusätzliche Mittel aufzubringen in der Lage ist – was zu begrü­ßen ist –, dann muss es auch für die anderen wissenschaftlichen Forschungseinrich­tungen mehr Geld geben!

Diese zentrale Forderung der Sozialdemokratie ist in dem Gesprächsprozess lange nicht und zuletzt erfreulicherweise doch akzeptiert worden. Die zusätzlichen 30 Millio­nen € für die Forschung sind ein Erfolg für die Forschung, und sie sind – in aller Bescheidenheit – auch durch die Konsequenz des sozialdemokratischen Standpunkts zustande gekommen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Das Zweite: Ich habe Kollegen Schnider – das mag an der Begrenztheit meiner Bereit­schaft, auf Rabulistik einzugehen, liegen – schlichtweg nicht verstanden, wie er an uns appelliert hat, man solle jetzt die Wissenschaft arbeiten lassen. – Also, war es nicht so, dass die Wissenschafter – nämlich jene, die die Berufung in diese Gruppe angenom­men haben – verlangt haben, dass eine angemessene Vertretung der Wissenschaft im Kuratorium sichergestellt ist, und wir uns diese Forderung zu Eigen gemacht haben und bis in die letzte Minute im Nationalratsausschuss diskutiert und verhandelt wurde, um eine halbwegs taugliche Formulierung zu finden, die das gewährleistet? Wer außer uns hat denn sichergestellt, dass es Wissenschafter im Entscheidungsgremium dieses Instituts gibt? – Sie mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Schni­der: Warum wollen Sie es dann festschreiben in dem Gesetz, was geforscht wird?)

Entschuldigung! Keine Rede davon! Lesen Sie, bitte! (Bundesrat Mag. Baier: Aber na­türlich haben Sie das!) – Herr Kollege, darf ich ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nein, ich werde Ihnen das dann genau vorlesen, was wir wollen – es wird nämlich ein Entschließungsantrag ... (Bundesrat Mag. Baier: Das ist jeden Tag anders!)

Nein, überhaupt nicht! Worum es geht, ist – auch das werden wir anmerken und habe ich im Ausschuss angemerkt –, dass jene Formulierungen über die gleichgewichtige Vertretung von Bund und Land Niederösterreich und Wissenschaft an sich nur als Grundsatzbestimmungen enthalten sind.

Ich habe es im Ausschuss unter durchaus beifälligem Nicken des Ministeriumsvertre­ters so formuliert: Wenn ich dieses Gesetz bei der Vereinspolizei als Vereinsstatut ein­reiche, dann bekomme ich es wieder zurück mit der Bemerkung: „Nicht ausreichend klar“. (Bundesrat Mag. Baier: Niemand hat genickt! Der Vertreter des Ministeriums schon gar nicht, weil es ja ohnehin verständlich ...! – Zwischenbemerkung von Bundes­ministerin Gehrer.) – Er hat!

Frau Ministerin! Es ist im Gesetz, das wir heute beschließen werden, die Forderung enthalten, dass ständig – das ist kein bestimmter Begriff – die Parität sichergestellt werden muss. Bei der Genese der Mitglieder ist die Notwendigkeit, dass, wenn ein Drit­ter ins Kuratorium aufgenommen wird, gleichzeitig ein Wissenschafter ernannt wird – was jede Rechtsnorm verlangt –, nicht enthalten. Ich kann mir vorstellen – das sage ich auch dazu –, dass das nicht in einer Gesetzesnovellierung – obwohl Herr Professor Harari das angeregt hat –, sondern bei der Festlegung der Geschäftsordnung des


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Kuratoriums in ausreichender Weise erfolgen kann. Gestatten Sie mir aber: Auf Mängel wird man, gerade wenn es um ein Exzellenz-Projekt geht, den Finger doch noch drauf­legen dürfen?!

Das Dritte ist: In der Tat ist es hoch an der Zeit, eine schwerpunktmäßige Orientierung der neuen Einrichtung vorzunehmen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nein, ich werde sie nicht vornehmen! Dazu fühle ich mich nun tatsächlich nicht in der Lage! Das ist die Auf­gabe jener Dreiergruppe, die eingesetzt wurde und der 90 Tage Zeit für einen Vor­schlag gegeben wurde.

Ich war ein bisschen überrascht bei der ersten Ausschusssitzung, als der Vertreter des Ministeriums diesmal nicht genickt hat, sondern gemeint hat, diese seien ja nur von der Industriellenvereinigung nominiert, dann allerdings gemeint hat, damit wolle er sich nicht von ihnen distanzieren.

Ich würde von der Frau Bundesministerin gerne wissen, wie man mit diesen Vorschlä­gen dieser Dreiergruppe eigentlich umgehen will: Ob das ein Papier ist, das man auch, wenn es einem nicht so gefällt, gleich wieder verschwinden lässt, oder ob es doch einen hohen Grad nicht von Verbindlichkeit – das ist eine Privatarbeit –, aber einen hohen Grad von Bedeutung haben wird.

Häuser und Grundstücke, Hubschrauberlandeplätze und Kegelbahnen mögen für eine solche Einrichtung sinnvoll sein, aber entscheidend ist naturgemäß der Inhalt und vom Inhalt ausgehend die Suche nach jenen Menschen, die diese Einrichtung prägen. Das haben wir vom ersten Augenblick an vertreten, wir unterstreichen es heute noch einmal in dem Entschließungsantrag, den ich einbringen werde, und ich lade Sie ein, diesem zuzustimmen.

Es kommt ein Weiteres dazu: Es kommt dazu, dass es eine Standortdiskussion ge­geben hat, die unter verschiedenen Gesichtspunkten geführt wurde. – Was Kollege Schnider zu argumentieren versucht hat, habe ich wieder einmal nicht verstanden. (Bundesrat Dr. Schnider: Nein!) Richtig ist, dass die meisten Campus-Einrichtungen nicht gerade im Herzen einer Großstadt, sondern im Weichbild, in ihrem Umfeld lie­gen. – Übrigens bitte ich, mich für meine skandalöse Unwissenheit zu entschuldigen: das eingeschaltete Internet hat mich belehrt, dass die Standortentscheidung Cam­bridge im Jahr ... (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: 1263!) – 1263 und nicht 1400 gefal­len ist. Also, London war damals vermutlich ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Dr. Schnider.)

Nein, überhaupt nicht, Herr Kollege! Nur, London war damals kleiner als Cambridge. Es war also eher ein Vorort von Cambridge als umgekehrt. (Bundesrat Dr. Schnider: Was ist mit Stanford?) – Herr Kollege! Verrennen Sie sich nicht! Ich lasse gelten, dass Cambridge heute zum Weichbild von London gehört und nicht umgekehrt. Natürlich sind dort solche Einrichtungen angesiedelt – es hat an sich ja niemand das Parla­mentsgebäude ins Gerede für den Standort gebracht.

Wo Sie allerdings wirklich völlig falsch liegen, ist die Frage der zusätzlichen Grundstü­cke für Spin-offs. – Ich habe hier – wenn auch nur aus einer Zeitungsmeldung – das in dieser Hinsicht durchaus mustergültige Tullner Projekt für die Expositur der Bodenkul­tur-Universität mitgebracht. Dort ist das Universitätsgelände, und im Halbkreis darum herum – aber diese sind offenbar nicht mehr auf dem Stand der Zeit, wie Kollege Schnider meint – sind die Grundstücke für die Betriebsansiedlung im Größenverhältnis ungefähr 3 : 2 – also mehr für die Betriebsansiedlung –, weil es natürlich sinnvoll ist, von der Kapazität von Menschen, von ihrer Tagesarbeitszeit aus betrachtet, diese bei­den Punkte – Ausbildung und/oder Lehre und berufliche Ausübung – so zusammenzu­bringen, dass die Wegstrecken relativ gering sind, im Idealfall fast bei null.


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Mit der wissenschaftlichen Vernetzung hat das überhaupt nichts zu tun, Herr Kollege! Und natürlich ist mit jeder einschlägig tätigen Forschungsstelle Universitätsdeparte­ment oder was immer in Österreich und international zu vernetzen! Hier geht es aber durchaus um die physische Präsenz der Handelnden.

Wo sie wohnen, ob sie sich dazu den städtischen Bereich mit seinem Freizeitangebot oder die ländliche Ruhe aussuchen, ist völlig irrelevant und eine durchaus individuelle Entscheidung.

Die Topographie von Gugging wird es leider nicht leicht machen, die erforderlichen Grundstücke dazuzugeben, erstens wegen des Profils, das in dieser Gegend domi­niert – es geht im Wesentlichen um ein Bachtal mit anschließendem Hügel ... (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Ja, natürlich, ich weiß, daher wissen Sie, dass es stimmt, was ich ... (Bundesrätin Zwazl: Wir haben mehr als einen kleinen Hügel!) – Gut, wenn Sie dazu in der Lage sind, Frau Kollegin. Wir haben hier in dem 15a-Vertrag, über den wir auch zu entschei­den haben, eine sehr vage Verpflichtung des Landes Niederösterreich im Hinblick auf diese Grundstücke, die ich mir stärker gewünscht hätte.

Um es ganz deutlich zu sagen: Eine Verpflichtung, in Verhandlungen mit Grundeigen­tümern einzutreten, ist nicht wirklich jene Sicherheit, auf die ein solches Institut bauen können sollte. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Aber widmen kann man, Herr Kollege! All diejenigen, die das Projekt Tulln geschaffen haben – und das war sozusa­gen im selben Bundesland und im Amt der Landesregierung mit denselben Verantwort­lichen, so nehme ich an –, wissen das, haben es getan, und sie können es bis zum Projekt Gugging nicht vergessen haben. Ich würde bitten, ihnen die Möglichkeit zu ge­ben, ihre Kenntnisse anzuwenden.

Wir werden sowohl dem Gesetzesbeschluss des Nationalrates wie auch dem 15a-Ver­trag zustimmen. Aber wie gesagt: Wir laden Sie ein, zu einigen Punkten dazu und ge­stützt auf die Stellungnahme des Herrn Professors Harari einen Entschließungsantrag anzunehmen.

Ich darf nur am Rande anmerken, weil schon wieder das dümmliche Wort „Verzöge­rung“ gefallen ist: Ich halte es für legitim, dass der Bundesrat sich zusätzliche Expertise holt, wenn er eine Vorlage im Ausschuss berät, notabene dann, wenn es sich um eine Vorlage handelt, die nicht durch ein Begutachtungsverfahren gegangen ist. Es haben sich sowohl der Vorsitzende der Rektorenkonferenz, Professor Badelt, als auch Profes­sor Harari außerordentlich erfreut darüber gezeigt, dass sie zu dieser Stellungnahme eingeladen wurden, und sie haben beide Interessantes, nicht notwendigerweise in je­dem Einzelfall von uns Geteiltes, uns mitzuteilen das Bedürfnis gehabt.

Sie können sicher sein, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass wir dieses Instrument weiterhin in dem Umfang, in dem es uns notwendig erscheint, nützen werden, um unsere Entscheidungen auf eine breitere und sachkundigere Ebene zu stellen.

Ich bringe also den Entschließungsantrag ein, der auch dem Präsidium vorliegt und fol­genden Wortlaut hat:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Prof. Konecny und KollegInnen betreffend Empfehlungen des internati­onalen wissenschaftlichen Komitees zum Institute of Science and Technology – Austria (ISTA), eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7


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Der ehemalige Präsident des Weizmann Institutes, Professor Haim Harari, betont in seiner schriftlichen Äußerung vom 1. Mai 2006 gegenüber dem Bundesrat zum Be­schluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria, dass er „sicher sei, dass es wie in jeder lebenden Organisation der Fall ist, in einigen Jahren, wenn das ISTA auf einem kon­stanten normalen Niveau arbeitet, notwendig sein kann, auf der Basis der zu diesem Zeitpunkt gesammelten Erfahrungen, einige Änderungen in das Gesetz einzuarbeiten.“

Weiters führt er aus, „dass die Kommentare zum Gesetz nur in seinem eigenen Namen vorgelegt wurden und von ,unserem Komitee“ – seinem Komitee – „auf Grund des starken Zeitdrucks durch den Zeitplan des Nationalrates überhaupt nicht diskutiert wur­den. Dieser Zeitplan wurde lange vor der Bestellung unseres Komitees und der Aus­wahl seiner Mitglieder festgelegt. Nichtsdestotrotz haben meine Kollegen im internatio­nalen Komitee nach diesem Sachverhalt meine Vorschläge unterstützt und zwischen uns gibt es keine großen Meinungsunterschiede in dieser Angelegenheit.“ –

Meine Damen und Herren! Das ist wichtig, weil es zeigt, dass es sich nicht um eine Einzelmeinung, sondern durchaus um den Standpunkt derer handelt, denen – ich neh­me an, in Abstimmung mit dem Ministerium – eine entscheidende Verantwortung bei der Definition der Forschungsfelder übertragen wurde. –

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert,

1. den Empfehlungen des internationalen wissenschaftlichen Komitees in vollem Um­fang Rechnung zu tragen und raschest umzusetzen sowie insbesondere unverzüglich Forschungsschwerpunkte für das ISTA festzulegen;

2. erforderlichenfalls entsprechende Entwürfe zur Novelle des Bundesgesetzes über das Institute of Science und Technology – Austria dem Nationalrat vorzulegen und dar­über hinaus Mechanismen zu entwickeln, wie die im Gesetz vorgesehene ‚ständige’ Parität von WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen zu operationalisieren ist;

3. auf das Land Niederösterreich einzuwirken, am Standort Klosterneuburg/Maria Gug­ging Flächen zur Errichtung von ,spin-offs sicherzustellen sowie

4. dem Bundesrat bis zum 1. Juli 2006 einen Bericht über die nach den Punkten 1 bis 3 getroffenen Maßnahmen vorzulegen.“

*****

Wir gestatten uns also, Anregungen zu geben. Ich lade Sie ein, diese Anregungen mit uns zu diskutieren. Und ich lade Sie ein, bei einer Erstbewertung der Vorarbeiten im Sommer und bei vielen anderen Gelegenheiten, wo wir sehen werden, ob hoffentlich aus diesem Projekt das wird, was Österreich braucht, festzustellen, ob wir – durchaus gemeinsam – einen richtigen oder einen falschen Weg eingeschlagen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist genü­gend unterstützt und steht in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.37.05

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Vervollständigung des Reigens der Niederösterreicherinnen. – Ich persönlich habe nicht so ein besonders großes Problem mit dem Standort Klosterneuburg oder Gugging. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist nicht mein großes Problem. Ich verstehe nur nicht ganz, wie es mit 1,5 Millionen € möglich sein wird, eine wirklich vernünftige öffentliche Verkehrsanbin­dung zu schaffen, wie es in der 15a-Vereinbarung drinnen steht, aber wenn es gelingt, soll es mir recht sein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wo ich die großen Probleme sehe, ist in erster Linie bei dieser Vorgangsweise. Ich wohne in der Nähe der Burg Kreuzenstein, und die meisten, die diese Burg besichtigt haben, wissen, der Graf hat damals einen Tisch gekauft und dann rund um diesen Tisch eine Burg gebaut, weil er sonst den Tisch nicht in die Burg hineingebracht hätte. Jetzt planen wir hier ein Elite-Institut, wissen noch gar nicht, was da hineinkommen soll, aber fangen schon zu bauen an. Das verstehe ich als Laie nicht. (Bundesrat Schennach: Und ohne Ausschreibung!)

Ohne Ausschreibung, mit Ausschreibung – egal. Man weiß noch nicht, was hinein­kommt, ob dort Medizin oder sonstige Technik geforscht wird. Da wird, so denke ich, ein Unterschied auch bezüglich der Anforderungen an die Räumlichkeiten gegeben sein. (Bundesrat Schennach: Das ist nicht egal!) – Das stimmt, es ist nicht egal, ob ohne Ausschreibung.

Kurz zu dem, was die Frau Ministerin gesagt hat: Es sei wichtig, die Breite zu fördern, damit man auch die Spitze fördern könne. Sie haben dann angeführt, es gäbe die Lehr­lingsoffensive. – Ich kenne trotzdem einige Lehrlinge, die schon 20 bis 40 Briefe weg­geschickt haben und trotzdem keine Lehrstelle bekommen haben. (Bundesrätin Zwazl: Dann schick sie mir!) – Diese schicke ich dir persönlich vorbei, jawohl.

Dann haben Sie die Sprachoffensive angeführt. Wir haben eine Anfrage gehabt im Landtag in Niederösterreich, wie viele Kinder denn in den Genuss dieser Sprachoffen­sive, dieser Frühförderung kommen. Da gibt es 1 800 Kinder, die von insgesamt acht Hilfskräften mehr oder weniger die deutsche Sprache erlernen sollen. Da bin ich ge­spannt, wie das funktioniert, und ich bin schon sehr gespannt auf die Evaluierung die­ser Sprachoffensive.

Dann sprachen Sie von der Schulbauoffensive, von der Breitenförderung. Es ging um die Breite und die Spitze. Jetzt bin ich einmal bei der Breite. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Vielleicht hört ihr mir bis zum Schluss zu, dann wird das Ganze aufgelöst. Bei der Schulbauoffensive ist es so, dass offenbar in den letzten Jahren neue Schulen oder neue Bundesschulen nur mehr gebaut werden, wenn die Gemeinden vorfinanzie­ren.

Im Zusammenhang mit der universitären Ebene habe ich jetzt zur Breite von Ihnen überhaupt nichts gehört. (Bundesrat Dr. Kühnel: Es geht auch nicht um die Breite, sondern um die Spitze!) – Es ging um die Breite. Die Frau Ministerin selbst hat gesagt, Breite sei wichtig und Spitze sei wichtig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn ich die Breite nicht fördere und nicht stärke, sondern verdünne, dann werde ich einfach ein Problem mit der Spitze haben, die ich draufsetze, denn dann fällt das mög­licherweise um. Und wenn ich nicht einmal weiß, in welche Richtung diese Spitze schauen soll, weil ich auf irgendwelche Entscheidungen warte und nichts weiterma-


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chen will, wenn ich zuerst baue und dann überlege, was hineinkommt, dann ist das ge­samte Projekt, denke ich, einfach zu früh angefangen worden. Da sollte man vorher die Breite fördern und dann die Spitze. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer zweiten Wortmeldung erteile ich Herrn Bun­desrat Dr. Schnider das Wort. – Bitte.

 


13.40.50

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wenn hier ein Entschließungsantrag vorliegt, hat man darauf zu reagieren und etwas dazu zu sagen. (Bundesrat Konecny: Gerne!)

Unsere Seite wird nicht das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu etwas auffordern, schon gar nicht zu dem, was in diesem Antrag steht, und zwar aus folgenden Gründen:

Erster Punkt: Es steht hier wortwörtlich – deswegen habe ich das jetzt auch so ge­sagt –:

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur“ hat Folgendes zu tun:

„... unverzüglich Forschungsschwerpunkte für das ISTA festzulegen;“. – Das betrifft genau das, wovon ich vorhin schon gesprochen habe: Ich bin sehr wohl der Meinung, dass sich das Institut, nachdem es sich konstituiert hat, nachdem es das Präsidium und so weiter gibt, das überlegt, aber nicht das Ministerium. Daher können wir beim ersten Punkt schon nicht mitgehen.

Zweiter Punkt: Herr Professor Harari schreibt, sichtlich in Abstimmung auch mit seinen Kollegen, wie Sie auch schon vorher gesagt haben: ... Änderungen und Kommentare in meinem eigenen Namen der Ministerin vorlegen würde. Ich tat dies, und ich muss mit Zufriedenheit feststellen, dass die meisten der wichtigen vorgeschlagenen Abänderun­gen tatsächlich in das Gesetz eingearbeitet wurden, so wie es ... (Bundesrat Konecny: Weil wir es im Ausschuss durchgesetzt haben!) – Darf ich das fertig zitieren?! Sie ha­ben den Teil, den Sie vorlesen wollten, auch vorgelesen, aber nicht den ersten Teil, sondern nur den, der danach folgt.

Ich zitiere also weiter: ... eingearbeitet wurden, so wie es vom Nationalrat beschlossen und nunmehr dem Bundesrat vorgelegt wurde. Einige dieser Abänderungen sind von höchster Wichtigkeit.

Meine Damen und Herren, damit gehe ich davon aus, dass die wichtigen Anliegen, die diese Gruppe hat, drinnen sind, warum soll ich daher noch einmal auffordern und sa­gen, was noch alles zu tun ist?

Zu Punkt 2 des Antrags, den Politikern und Wissenschaftern. Es gibt einen Gesetzes­text und eine Geschäftsordnung, und es haben sich, soviel ich weiß, diese Gruppen, die sich hier konstituieren, eine Geschäftsordnung zu geben. Und diese sollen sie sich auch überlegen.

Zu Punkt 3: Was Gugging oder Klosterneuburg, wie wir zu sagen pflegen, betrifft, habe ich, glaube ich, bereits ausführlich erörtert, dass ich glaube, dass da auf Grund der Artikel-15a-Vereinbarung genug von Seiten des Landes Niederösterreich getan ist, auch für die Absicherung dessen, was hier zugesagt wurde. Damit ist dieser Punkt für mich hinfällig.


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Zu Punkt 4: Es ist sogar im Gesetz eine Vier-Jahres-Evaluierungsphase enthalten. Das steht auch im Gesetz! – Damit ist dieser Entschließungsantrag für unsere Seite hinfäl­lig. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitte­rer.)

13.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.43.43

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben in der letzten Ausschusssitzung zwei exzel­lente Wissenschafter um Stellungnahmen ersucht. Diese sind mittlerweile eingetroffen. Wir, die sozialdemokratische Fraktion und die Fraktionen der Grünen, haben gemein­sam diesen Weg beschritten.

Eine Türe war der Eingang – zwei Türen allerdings waren der Ausgang. Wir bedauern, dass die sozialdemokratische Fraktion heute diesem Gesetz ihre Unterstützung gibt. Aus unserer Sicht wäre dieses Gesetz, so wie es derzeit vorliegt, durchaus mit höchs­ter Berechtigung vom Bundesrat zu beeinspruchen – es wird nicht dazu kommen. Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag wird, lieber Kollege Schnider, eine weitere wichtige Definition vorgenommen (Bundesrat Bieringer: Ist eh klar!), deshalb werden wir, Kollege Bieringer, diesem Entschließungsantrag zustimmen, dem Gesetz selbst aber nicht.

Meine Damen und Herren, ich finde es überhaupt nicht lustig, dass wir ein international committee und ein national committee haben, das sehr umfangreich ist – aber keine einzige Frau darin vertreten ist. Ich finde das überhaupt nicht lustig. Das heißt, offen­sichtlich darf das, was hier entsteht, ausschließlich von Männern gemacht werden, ob­wohl an der Spitze des Ressorts eine Frau steht. Ein bisschen Feingefühl in die Rich­tung wäre notwendig, wo wir eine Diskussion in Österreich darüber haben, wie die Situation der Frauen an den Universitäten und Hochschulen ausschaut, nämlich in den Führungsetagen. Und nun bauen wir etwas Neues, und das Neue ist 100-prozentig männer-clean, das heißt, es sind ausschließlich Männer, die hier forschen.

Außerdem haben wir ein nationales Komitee, bei dem wir einzig und allein den deutschsprachigen Raum einbeziehen. – Was wollen wir eigentlich: Wollen wir einen Hauch von Internationalität, oder ziehen wir uns hier zurück?

Zu den Beispielen des Kollegen Schnider mit Cambridge und London. London hatte zu diesem Zeitpunkt weniger als 40 000 Einwohner; das nur zur Information. Ich glaube, „Groß-Klosterneuburg“ wird schon bald in die Richtung kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider.) – Das funktioniert nicht!

Frau Bundesministerin Gehrer hat sich gerade eine Notiz gemacht, ich hätte auch noch gerne eine Antwort von der Frau Bundesministerin. Ich habe hier die beiden Versionen des Antrages. Im ersten Antrag steht drinnen: Postdoc-Programme. Im zweiten Antrag ist das einfach gestrichen. Das gehört aber eigentlich zu Modernität und zu einem zu­kunftsträchtigen Institut, das nicht „Elite-“ sein darf, haben wir gerade von Harari ge­hört, aber auch nicht „Exzellenz-“, denn das soll es sich erst erarbeiten. Nach dem Uni­versitätsorganisationsgesetz, Kollege Konecny, darf es schon „Exzellenz-“ heißen, weil es ja ein besonderer Fokus ist und das dadurch rechtlich gedeckt ist. Harari, ein Mann der Wissenschaft, geht allerdings von einem viel hehreren Anspruch aus. Gut, soll sein.

Frau Bundesministerin, worin wir uns völlig einig sind, ist: Man muss die Breite fördern, und man muss die Spitze fördern – ganz klar. Aber, Kollege Schnider, du machst aus


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einer Schwäche eine Stärke. Du sagt, es sei gut, dass wir nicht wissen, was da heraus­kommen solle (Bundesrat Dr. Schnider: Das habe ich nicht gesagt, ...!), und man solle möglichst lange nicht wissen, was herauskommen solle.

Wir werden ein Haus bauen, wir werden Geld zur Verfügung stellen – aber möglichst lange nichts wissen, nichts entscheiden, denn sonst müsste man vielleicht sagen, dass der Standort falsch ist, dass die gesamte Entscheidung nicht richtig ist.

Kollege Bieringer, du kannst empört sein oder nicht (Bundesrat Konecny: Er ist nicht empört, er liest!), die Bauplanungsarbeiten Niederösterreichs wurden, bevor die Artikel-15a-Vereinbarung existiert hat und ohne Ausschreibung durchgeführt – das wurde auch im Ausschuss bestätigt. Du warst nicht im Ausschuss, aber das ist dort bestätigt worden. Sei empört, wie du willst, aber das darf doch nicht wahr sein: Ohne Ausschrei­bung fange ich Bauplanungsarbeiten an, es gibt noch nicht einmal eine Artikel-15a-Vereinbarung. Vom Land wurde das bereits beauftragt, und man hat uns im Ausschuss gesagt, was bereits baulich getan wird.

Professor Harari zum Beispiel meinte zu der Geschichte – diese Aussage ist übrigens noch nicht einmal einen Monat alt –: Man kann ein wissenschaftliches Gebäude nicht entwerfen und bauen, bevor man weiß, welche wissenschaftlichen Felder darin vertre­ten sein werden. Ich kann auch nicht eine Fabrik bauen, bevor ich weiß, ob Coca Cola oder Mercedes produziert wird.

Ich habe diesen beiden Sätzen eigentlich nichts hinzuzufügen. (Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Schnider.) Herr Kollege Schnider, das Nicht-Wissen ist keine Stärke, son­dern zeugt von Schwäche! (Beifall bei den Grünen sowie der SPÖ.)

Deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag zustimmen, um endlich ein bisschen Klarheit in diese Sache zu bringen.

Kollege Schnider, in vielen Dingen verstehen wir uns ja blendend, aber das, was du gesagt hast, hätte ich gerne festgeschrieben, nämlich dass die interdisziplinäre Philo­sophie dieses Haus, das dort entsteht, befüllen, bereichern und zu einem Credo ma­chen soll. – Wunderbar, nach dem Entschließungsantrag ist es möglich, dass wir das sehr bald auch einmal festlegen. Ja, das, was Kollege Schnider will, wird hier einmal festgehalten, und wir gehen nicht nach dem Motto vor: Mein Gott, das werden wir sehen, wir geben ein bisschen Geld her, irgendwas wird dann schon herauskommen. (Präsidentin Roth-Halvax übernimmt wieder den Vorsitz.)

Der nächste Punkt des Entschließungsantrages: Lieber Kollege Schnider, was ist denn schlecht daran, wenn man da auf das Bundesland Niederösterreich einwirkt? Dieses ist ja, wie wir merken, sehr flexibel und sagt: Bitte bedenkt, dass es ein internationaler Standard ist, dass sich an solchen Zentren „spin offs“ entwickeln, sonst ist das Ganze eine unsinnige Aktion. Diese „spin offs“ benötigen aber Platz, und die Leute, die dort forschen und nachher in ihren eigenen „spin offs“ arbeiten, wollen sich nicht durch Klosterneuburg durchzwängen, wenn sie irgendwo – jetzt muss ich aufpassen, was ich sage, denn ich habe Frau Kollegin Zwazl versprochen, ein bestimmtes Wort hier nie wieder zu verwenden (Bundesrätin Zwazl: Ja!), und meine Versprechen halte ich –, wenn sie also irgendwo in einer anderen Ecke Niederösterreichs ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.) Was? Kollege Baier, das, was ich sage, hält, das weiß auch die Frau Präsidentin.

Das heißt, all das hat keinen Sinn. Daher ist im Entschließungsantrag die Bitte enthal­ten, auf das Land Niederösterreich einzuwirken. Das ist sehr sinnvoll und mit ein Grund dafür, dass wir diesen Entschließungsantrag unterstützen.

Frau Bundesministerin! Der FWF braucht noch in diesem Jahr, noch 2006, 30 Millio­nen, um jene Forschungsprojekte, die eingereicht wurden, zu realisieren. Wir bauen


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und diskutieren jetzt über Gugging – alles wunderbar. Es sind derzeit im FWF aber Projekte, deren Umsetzung 30 Millionen bedarf. (Zwischenbemerkung von Bundesmi­nisterin Gehrer.) Wird das Geld zur Verfügung stehen? – Wenn ich jetzt höre, dass es da sein wird, dann haben wir, muss ich sagen, in dieser Debatte einen weiteren großen Erfolg erreicht; das ist wunderbar. Aber ich nehme an, dass Sie, Frau Ministerin, sich noch zu Wort melden werden.

Meine Damen und Herren! Ein Eingang – zwei Ausgänge. Wir werden dagegen stim­men, beim Entschließungsantrag werden wir uns wieder treffen. (Beifall bei den Grü­nen sowie der SPÖ.)

13.52


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Konecny: Sie müssen jetzt schon das ... Projekt ins rechte Licht gegenüber dem Kollegen Kühnel rücken!)

 


13.52.58

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Wenn Sie das ohnehin schon verstanden haben, Herr Kollege Konecny (Bundesrat Konecny: Ich bin ja ganz bei Ihnen!), dann brauche ich das nicht mehr zu tun. Herr Kollege Kühnel hat dazu auch eine klare Meinung (Bundesrat Konecny: Der Kollege Kühnel war ganz dane­ben!), die wir schon besprochen haben, und daher habe ich überhaupt keine Veranlas­sung, in irgendeiner Weise daran zu zweifeln.

Ich wollte nur eine Klarstellung zum Kollegen Schennach machen, und zwar zum Aus­schuss: Es war im Ausschuss nie die Rede davon, dass bereits bauliche Maßnahmen veranlasst oder Gebäude gebaut werden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Erwecken Sie nicht diesen Eindruck, denn von Ministeriumsseite wurde einzig und allein bestätigt, dass angedacht ist, ein Nebengebäude (Bundesrat Schennach: Nein!) – ein Nebengebäude! – so zu adaptieren, dass eine kleine Gruppe dort die Ar­beit aufnehmen kann.

Herr Kollege Schennach, manchmal ist der Wunsch der Vater des Gedankens (neuer­licher Zwischenruf des Bundesrates Schennach), und wenn Sie es so verstehen woll­ten, kann ich Ihnen ohnehin nicht helfen. (Bundesrat Schennach: Es sind nicht wir zwei allein gesessen!) Ich möchte das nur einmal klarstellen, und das war ganz in die­se Richtung gemeint.

Zum Zweiten möchte ich sagen: Natürlich ist dem, was Kollege Schnider gesagt hat, absolut beizupflichten. Jetzt geht es einmal darum, eine Rahmenbedingung für dieses Institut zu schaffen, damit die Arbeit aufgenommen werden kann. Und Teil dieser Ar­beit ist es eben auch, eine Entscheidung zu treffen, in welche Richtung dort wissen­schaftliche Arbeit betrieben werden soll. Das ist ganz klar. Der erste Schritt muss jetzt sein, einmal die Rahmenbedingungen in Form dieser Gesetzesvorlage zu schaffen, und das Zweite ist dann, den Inhalt festzulegen. Das ist halt so, und wenn man weiß, dass man den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen kann, weil man sonst stol­pert, ist das eine ganz normale Vorgangsweise, die auch die Grünen verstehen wer­den. (Beifall bei der ÖVP.)

13.55


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ich darf Frau Bundesminister Gehrer nun das Wort erteilen.

 


13.55.15

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst eine Richtigstel­lung vornehmen. Herr Kollege Schennach hat gesagt, es sind nur Männer, die hier for-


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schen. (Bundesrat Konecny: Das hat er nicht gesagt!) – Wir haben Beratungsgre­mien. Wer forscht, wird erst dann, wenn alle Gremien eingerichtet sind, feststehen. Sie können davon ausgehen, dass ich dafür sorgen werde, dass im Kuratorium selbstver­ständlich auch Frauen vertreten sein werden.

Das Zweite: Postdoc-Programme werden selbstverständlich an allen Forschungsein­richtungen in der ganzen Welt, an allen Forschungseinrichtungen in Österreich ange­boten. Das ist das Wesen von Forschungseinrichtungen, das muss nicht in einem Ge­setz stehen. (Bundesrat Schennach: Aber da stand es!)

Im Gesetz muss stehen, dass PhD-Ausbildungen angeboten werden können, denn der Doktorgrad kann normalerweise nur von Universitäten vergeben werden und nicht von Forschungseinrichtungen.

Meine Damen und Herren der Opposition! Ich bitte Sie sehr eindringlich und sehr herz­lich, Ihren Entschließungsantrag zurückzuziehen, und zwar aus folgenden Gründen: Mit der ersten Forderung legen Sie dem neuen Institut für Science and Technology eine Zwangsjacke an (Bundesrat Konecny: Nein!), eine Zwangsjacke, die ihm die Poli­tik verpassen soll.

Ich möchte Ihnen jetzt genau sagen, wie auf der ganzen Welt die Vorgangsweise beim Suchen der Forschungsfelder ist – ich habe mich genau informiert. Ich war im Weiz­mann-Institut und habe mit den dort Zuständigen gesprochen. Dort gibt es ein Kurato­rium. Das Kuratorium legt fest, in welchen Bereichen, in welchen großen Bereichen, in welchen Nischen die Forschung angesiedelt sein soll. Dann werden die besten Köpfe gesucht, und mit diesen besten Köpfen wird verhandelt. Und wenn ich in einem For­schungsbereich drei beste Köpfe finde, dann forsche ich dreimal in diesem Bereich. Wenn ich in einem Forschungsbereich vorläufig keinen besten Kopf finde, der zu mir kommen möchte, dann wird dieser Bereich vorläufig zurückgestellt.

Ich werde diesem neuen Institut nicht vom Ministerium aus eine Zwangsjacke anlegen, indem ich vorschreibe, in welchen Bereichen man dort forschen muss. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Das Zweite, meine Damen und Herren: Sie verlangen, dass jetzt schon wieder von mir dargestellt wird, wie das Gesetz umgesetzt werden soll. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Das ist der alte Gedanke des alten Zentralismus, wo man ein hoch stehen­des Kuratorium für nicht fähig hält, eine Geschäftsordnung zu machen, die dem Geset­zestext entspricht. (Ruf bei der ÖVP: ÖGB!) Ich lehne diesen alten Zentralismus ab!

Ich ersuche Sie daher dringend, diesen Entschließungsantrag zurückzuziehen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

13.58


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Techno­logy – Austria.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Empfehlungen des internationalen wissen­schaftlichen Komitees zum Institute of Science and Technology – Austria vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 212-BR/06.)

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Sience and Technology – Austria samt Anhang.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.00.429. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen, BGBl. I Nr. 133/2003, geändert wird (750/A und 1396 d.B. sowie 7525/BR d.B.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Erlitz. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


14.01.09

Berichterstatter Mag. Wolfgang Erlitz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministe­rin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Kulturausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Kulturausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

 


14.01.57

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das vorliegende zu ändernde Bun­desgesetz, mit dem die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Aus­stellungen der Bundesmuseen geregelt wird, gewährleistet künftig den Leihgebern von Exponaten eine Garantie, die die Rückgabe des Kunstwerks sichert. Damit wurde ein Brückenschlag geschaffen, der den internationalen Austausch von Kulturgütern fördert und unseren kulturellen Bildungsaufgaben noch mehr gerecht wird.


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Der manchmal geäußerte Einwand, dass mit diesem Gesetz Eigentumsrechte einge­schränkt werden, ist im Hinblick auf die zu erwartenden Erleichterungen beim Zustan­dekommen von Ausstellungen zu vernachlässigen. Eine öffentliche Ausstellung der Kulturgüter würde jedenfalls bei Unklarheiten in der Eigentumsfrage ohne Zweifel eine Hilfestellung beim Auffinden oder Rückverfolgen der jetzigen Eigentümer bieten.

Auch den Anregungen der Landeskulturreferentenkonferenz wurde mit diesem Gesetz nachgekommen. Das ist ebenfalls positiv festzuhalten.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle auch über den Kulturbericht sprechen. Leider wur­de dieser Kulturbericht wieder von der Tagesordnung genommen. Dabei könnte man hier über die Museumspolitik der Bundesregierung sehr gut diskutieren, denn wenn man sich die Missstände im Kunsthistorischen Museum ansieht, stellt sich schon die Frage, ob es überhaupt eine Museumspolitik gibt.

Nichtsdestotrotz werden wir den Änderungen des Bundesgesetzes über die vorüber­gehende Immunität von Leihgaben zustimmen. Die vorgeschlagenen Änderungen neh­men eine Präzisierung vor. (Beifall bei der SPÖ.)

14.04


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. Ich erteile es ihm.

 


14.04.08

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Liebe Präsi­dentin! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte zum vorlie­genden Gesetz nur kurz Stellung beziehen.

Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen eines gelebten Föderalismus, dass wir in dieser Kammer des Parlaments einen einstimmigen Beschluss über ein Gesetz fassen, das auf eine Anregung der Landeskulturreferenten zurückgeht, und meine, dass diese Er­leichterungen eines modernen Museumsbetriebs in der Praxis dem Kulturstandort Ös­terreich gut tun werden und richtig sind.

Herr Kollege Todt, zurückweisen möchte ich Ihren Hinweis auf Missstände im Kunst­historischen Museum. (Zwischenruf des Bundesrates Todt.) Ich weise diesen jetzt ein­fach einmal zurück und möchte mich bei der Frau Ministerin bedanken. In den letzten zehn Jahren ist die Besucherzahl – ich weiß schon, man kann sagen, Besucherzahlen sind nicht alles – von 1,2 Millionen auf immerhin 3,5 Millionen angestiegen. Ich glaube, das ist gut und richtig. (Bundesrat Todt: Anerkennenswert!) Wir sind stolz, eine Muse­umslandschaft zu haben, die eines Kulturlandes würdig ist. Wir sind auch stolz, dass in den Ländern Ausstellungen betrieben werden können, die auf Initiativen der Länder, der öffentlichen Hand oder auch Privater zustande kommen. Ich glaube, wir kommen da einem Bildungsauftrag nach und können stolz darauf sein. Wir müssen also nicht immer alles schlecht machen.

Ich kann mich hier in diesem Haus schon an große Skandalisierungsdebatten erinnern, die dann am Ende durch die Wahrheit und die Zeit überrollt worden sind. Wir können, wie ich meine, wirklich stolz sein. Und ich darf mich an dieser Stelle bei dir, Frau Minis­terin, und bei all deinen Mitarbeitern und den vielen Kulturbetreibern in diesem Land bedanken. Wir können meiner Ansicht nach stolz und froh darüber sein, über ein rei­ches kulturelles Erbe zu verfügen, und auch darüber, dass wir mit diesem kulturellen Erbe auch verantwortungsvoll umgehen zum Wohle unserer Kinder.

Wenn wir hier Erleichterungen beschließen, dann kommen wir auch dem Bildungsauf­trag nach und nebenbei natürlich auch den touristischen Komponenten, die in diesem Land auch eine traditionell große Rolle spielen. – Also rundherum eine positive Ent­wicklung.


Bundesrat
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Deshalb meine ich noch einmal, wir sollten in diesem Haus, gerade wo wir heute einen einstimmigen Beschluss fassen, nicht kryptisch über Missstände reden, die nicht vor­handen sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.07


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


14.07.12

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Lieber Kollege Spiegelfeld-Schneeburg, was heißt, nicht über Missstände in Museen reden? Ich weiß nicht, was dieses fast priesterliche Vorgehen von Ihnen hier jetzt zur Sache hat.

Ich sage Ihnen einmal, was unsere Sache ist. Dem Antrag keinen Einspruch zu erhe­ben, werden wir hier unsere Zustimmung geben. – Das ist einmal das Erste.

Das Zweite ist: Wir kennen natürlich die internationalen Diskussionen, die unter Mottos gelaufen sind wie „Nofretete will nach Hause“. Sie kennen sicher die Diskussion, die Österreich betrifft, über den Federschmuck Montezumas, ich würde eher meinen, eines seiner Hohenpriester, beziehungsweise über Adele in New York. Da geht es natürlich um Rechtstitel, um große Diskussionen, die auch die UNESCO führt. Der frühere fran­zösische Kulturminister Lang war ja noch vor über zehn, 15 Jahren auf diesem Gebiet sehr federführend.

Wir müssen diese Diskussion weiterführen, auch wenn es um unterschiedliche Rechts­titel geht. Das eine sind Restitutionssachen, das andere sind grundsätzlich moralisch-ethische Diskussionen, die eine Zeit betreffen, die jetzt sozusagen nicht in dieser kur­zen überschaubaren Zeit des 20. Jahrhunderts angesiedelt ist. Darüber müssen wir weiter diskutieren.

Jetzt geht es darum, dass viele Häuser auf Grund bestimmter Begehrlichkeiten unter Schock stehen. Es gilt, innerösterreichisch den Sammlungsaustausch zu fördern, dafür zu sorgen, dass Sammlungen oder Ausstellungen überhaupt zustande kommen. Des­halb sehe ich hier kein Problem, dem Antrag zuzustimmen.

Nun aber zum Zweiten, da ich schon am Rednerpult stehe. Liebe Frau Bundesminister, ich höre immer wieder, dass es Versuche gibt, im Rahmen einer Ausstellung das so genannte Schliemann-Gold oder den so genannten Schatz des Priamos, den größten Goldschatz der Antike, nach Österreich zu bringen. Ich würde wirklich davon abraten. Der Weg dieses Schatzes des Priamos ist mehr als dubios. Wir alle wissen, dass ein wirklich übler Schatzräuber, Schatzgräber, nämlich Herr Schliemann, das ausgegraben hat, dass man dann verschiedene Summen gezahlt hat in Richtung der Türkei, dann natürlich in Richtung der Griechen, dass er dann diesen Schatz, weil er nicht wollte, dass er in Deutschland verbleibt, dem Zaren angeboten hat.

Dann kamen andere Ereignisse dazwischen. 1945 haben die Trophäen-Brigaden der sowjetischen Armee im Flakturm Zoo, und zwar im Saal N 11, diesen Schatz gefun­den, nachdem ein sehr beherzter Kustos diesen Schatz bis zum Schluss sogar gegen bewaffnete Truppen verteidigt hat. 2001 ist durch einen Zufall, weil ein Dokument nicht vernichtet wurde, die Übernahmebestätigung des Schatzes vom Herbst 1945 in Mos­kau aufgetaucht. 2001 wurde der Schatz in einem Speicher einer Brauerei bei Moskau dann auch tatsächlich gefunden. Er umfasst 8 900 einzelne Teile. Er wurde dann 2003, glaube ich, zum ersten Mal der Öffentlichkeit in einer Ausstellung wieder zugänglich gemacht.

Liebe Frau Bundesministerin, also wenn wir diesen Schatz nach Österreich holen, dann haben wir einige internationale Verfahren oder Beschlagnahmeverfahren am


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Hals. Ich kann mir vorstellen, die Türkei möchte das zurück. Ich kann mir vorstellen, die Griechen wollen das zurück. Ich kann mir vorstellen, die Deutschen wollen es zurück. Und die Russen werden sagen: Moment, Ihr habt diese Leihgabe von uns! Also ich würde vor dieser Aktion wirklich warnen, weil sie uns in große Kalamitäten bringt. Aber dem vorliegenden Gesetz stimmen wir zu. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.11


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

14.12.2510. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 geändert wird (Anti-Doping-Bundesgesetz) (1416 d.B. sowie 7521/BR d.B. und 7530/BR d.B.)

11. Punkt

19. Sportbericht 2003–2004 (III-301-BR/2006 d.B. sowie 7531/BR d.B.)

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 10 und 11 ist Herr Bundesrat Boden. Ich bitte ihn um die Berichte.

 


14.12.51

Berichterstatter Karl Boden: Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 geändert wird (Anti-Doping-Bundesgesetz).

Der Bericht liegt Ihnen allen schriftlich vor, ich komme daher sogleich zur Antragstel­lung.


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Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten betreffend den 19. Sportbericht 2003–2004.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen allen schriftlich vor, daher komme ich sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den 19. Sportbericht 2003–2004 zur Kennt­nis zu nehmen.

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Mag. Erlitz. Ich erteile es ihm.

 


14.14.12

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Man könnte hier wirklich mit Fug und Recht behaupten, kein Nachteil ohne Vorteil. Der bedauerliche Vorfall von Turin wäh­rend der Olympischen Spiele hat zweierlei bewirkt: Einerseits hat man sich in Öster­reich seit damals intensiv mit der Dopingproblematik beschäftigt und auf der anderen Seite rasch auch ein Anti-Doping-Bundesgesetz zuwege gebracht.

Ebenso erfreulich ist, dass dieses Gesetzeswerk doch in einer offensichtlich sehr kon­sensualen Atmosphäre entstanden ist, und zwar unter Einbindung aller wesentlichen Sportverbände, und im Nationalrat auch einstimmig beschlossen werden konnte. Wenn dabei von einem Meilenstein in der Sportpolitik und einem sehr modernen, hervorra­genden Gesetz gesprochen wird, dann muss ich sagen: Ich kann mich diesen Lobprei­sungen sicherlich auch anschließen, möchte aber dennoch gerne einige kritische An­merkungen zum Sport insgesamt anfügen, denn ich meine, so hervorragend dieses Gesetz auch ausgefallen sein mag und ausgefallen ist, bekämpfen wir letztlich mit die­sem Werk doch nur ein Symptom, aber nicht das Wurzelwerk, das zu diesem funda­mentalen ethischen Dilemma des Sports führt, denn für schneller, höher, weiter schei­nen offensichtlich alle Mittel recht zu sein. Fragen nach Zweck und Sinn sind da zweit­rangig. Der Spitzensport ist zu einem Spektakel geworden, manche meinen, zu einem Spektakel verkommen.

Sport, das sind Geldranglisten, das ist Kampf um Millionen, das ist Big Business, das ist zunehmend tolerierte Rücksichtslosigkeit, das ist Existenzkampf, Entertainment und Zirkus, und zwar in einem Raum mit immer weniger moralischen Wertvorstellungen. Es wäre auch, glaube ich, in diesem Zusammenhang illusorisch, zu glauben, die Wirt­schaft jetzt als Sponsor des Sportes könne und werde sich gegenüber prinzipienlosen Funktionären oder in einem zum Showbusiness mutierenden Sport als Ordnungsfaktor erweisen. Für Konzerne, die einander im Wettbewerb gegenüberstehen und sich letzt­lich allein ihrem wirtschaftlichen Nutzen verpflichtet fühlen, ist solidarisches Handeln im Interesse moralischer Werte zumindest schwer vorstellbar. Das heißt aber, der Sport selbst beziehungsweise die ihn in allen Instanzen repräsentierenden Organisationen müssen ihre Prinzipien hegen, pflegen und verteidigen, denn sonst gehen auch das beste Gesetz und die beste Absicht ins Leere.

Der elementarste Verstoß gegen alle Prinzipien des Sports ist eben wohl das Doping. Dahinter steht in unverhüllter Weise die Maxime – frei nach Brecht –: Zuerst kommt das Siegen, also das Geldverdienen, dann die Moral. Doping, das heißt Betrug, das heißt Diebstahl, das heißt Bereicherung auf Kosten anderer – also alles Handlungen, die in anderen gesellschaftlichen Segmenten selbstverständlich dem Strafrecht unter­liegen.

Die größte Triebfeder für aktives Doping, also mit Wissen des Athleten durchgeführtes Doping, ist einfach der enorme Leistungsdruck, der hinter dem Sportler steht, und zwar dadurch, dass eben bei internationalen oder nationalen Wettbewerben quasi nur noch diejenigen beachtet werden, die auf dem Podest, also auf dem Stockerl stehen, denn nur diese Athleten bekommen Medaillen, Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit und Sponsorenverträge. Niederlagen werden grundsätzlich zu Pleiten und Blamagen. An­ständige Verlierer erwartet nicht mehr Respekt, sondern sehr oft auch Häme.


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Es muss wohl auch die Politik alles dazu beitragen und Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der Sport seine moralische Kraft und seine Fähigkeit zur Integration nicht verliert, und zwar vor allem dort nicht verliert, wo er für die Gesellschaft wirklich wichtig ist, nämlich wo er für Millionen von jungen Leuten eine soziale Funktion erfüllt, wo er Menschen zu Solidarität, Kameradschaft und friedlichem Miteinander führt.

Wer immer noch glaubt, Doping verharmlosen zu können, der wird den Sport auch bei einem ganz wichtigen Segment der Gesellschaft in Misskredit bringen, nämlich bei den Eltern unserer Kinder, denn die schicken ihre Kinder gerade deswegen in Sportvereine, weil sie eben darauf vertrauen, dass die Kinder dort ein positives Umfeld erwartet, dass Sport den Charakter junger Menschen so formt, dass auch im Gegner ein fairer Sport­freund gesehen wird, was letztlich auch ins übrige Leben übertragen werden sollte.

Wenn ich damit auch sagen will, dass es im Sport letztlich nicht in erster Linie um das Siegen geht, nicht um Medaillen geht, so steht das nicht im Widerspruch dazu, dass Sport ohne Leistungsgedanken natürlich nicht denkbar ist. Der Sport als spielerischer Wettkampf, als Freude an der Bewegung und als Anreiz zu eigener persönlicher Leis­tungsfähigkeit kann klarerweise auf hervorragende Einzelleistungen nicht verzichten. Solche sportlichen Höchstleistungen sind seit eh und je Vorbild und Ansporn, die den Weg zur sportlichen Lebensweise ebnen und die Menschen zu einer gesunden sportli­chen Betätigung hinführen. Das heißt – und darauf möchte ich hinaus –, Leistungssport ist die Triebfeder, ist die Vorlage für breite sportliche Betätigung, also für Breitensport.

Gerade aus diesem Grund muss der Spitzensport klarerweise nach sauberen, ethi­schen Prinzipien reguliert werden, weil er eben Vorbildwirkung und Vorbildfunktion für den Breitensport hat.

Da aber der Sport und sein Image nicht besser sein können als die Gesellschaft, in der sie eingebettet sind, liegt es letztlich an uns allen – natürlich auch an jedem Übungslei­ter und Funktionär und Verein bis hin zur Spitze der Sportorganisationen, aber letztlich an uns allen –, an diesen von mir angezogenen Prinzipien festzuhalten und sie der Ju­gend zu vermitteln. Das heißt, die gemeinsame Beschlussfassung beziehungsweise die heutige Annahme dieses vorliegenden Anti-Doping-Bundesgesetzes sollte ein weit­hin sichtbarer Wegweiser sein, den Sport insgesamt in der Spur ethischer Prinzipien zu halten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

14.21


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Ich erteile es ihr.

 


14.21.11

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Sport ist ein wichtiger Faktor in unserer Gesellschaft, in unserem Land, sowohl im gesundheitlichen als auch im wirtschaftlichen Sinn, und zwar einerseits der Breitensport, den wir alle, so hoffe ich, ausüben, und andererseits der Spitzensport.

Wir haben gute Hochleistungssportler in sehr vielen Disziplinen, denen wir die Daumen drücken. Wir sind sehr stolz auf ihre Erfolge und natürlich auch auf ihre Vorbildwirkung für unsere Jugendlichen. Spitzensportler unterliegen aber auch großem Leistungsdruck und gesellschaftlichem Druck, denn es geht, wie mein Vorredner schon gesagt hat, immer darum, wer Sieger wird, denn nur der Sieger steht oben und ist populär. Die Versuchung, zu verbotenen Hilfsmitteln zu greifen, ist oft sehr groß, daher hat sich die internationale Staatengemeinschaft zum Kampf gegen Doping entschlossen, denn es soll eine wirklich faire Auseinandersetzung zwischen den Sportlern und Sportlerinnen gewährleistet sein.


Bundesrat
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734. Sitzung / Seite 85

Ich denke, dieses Anti-Doping-Bundesgesetz wird in Österreich dafür sorgen, dass si­chergestellt wird, dass keine unfairen Mittel zum Einsatz kommen. Die internationalen Regelungen sind in dieses Gesetz miteingeflossen und werden auch angenommen. Wir schaffen damit eine Grundlage für eine unabhängige Doping-Kontroll-Einrichtung, die ebenso wie die WADA jederzeit Kontrollen anordnen kann. Diese Kontrollen bedeu­ten aber auch starke Eingriffe in die Privatsphäre unserer Sportler, denn sie können immer und überall erfolgen.

Wichtig ist, glaube ich, auch, dass die Mediziner bei der Verabreichung von Arzneimit­teln die Leistungssportler dann informieren müssen, wenn verbotene Wirkstoffe darin enthalten sind.

Besonders problematisch – Sie haben es bereits angesprochen – ist es, wenn Jugend­liche damit konfrontiert werden, durch Doping ihre Leistungen zu steigern. Da richtet sich mein Appell auch an alle Eltern, denn ich glaube, dass sehr oft der Ehrgeiz der Eltern wesentlich größer als jener der Kinder ist, und in diesem Fall ist natürlich die Gefahr, die Versuchung, zu solch unerlaubten Mitteln zu greifen, einfach sehr groß. Wie wir alle wissen, kann das gesundheitliche Schäden für die Kinder zur Folge haben, daher ist die Prävention bei Jugendlichen sehr wichtig. Es sollte natürlich schon in den Schulen damit begonnen werden. Werte, wie schon ausgeführt, sind einfach etwas Wichtiges, auch Werte im Sport, man muss sie den Kindern im Elternhaus und auch in den Schulen vermitteln.

Die Sportorganisationen verpflichten sich zu einer umfassenden Doping-Prävention. Nur durch die Einhaltung der Anti-Doping-Regeln werden Bundesfördermittel gewährt.

Wichtig ist auch, dass ein Anhörungsverfahren vor der Verhängung von Disziplinar­maßnahmen gegen einen Sportler, der gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen hat, stattfinden muss, denn es soll keinesfalls zu einer Kriminalisierung kommen. Der ver­dächtige Sportler muss die Möglichkeit bekommen, sich gegen die Vorwürfe, die gegen ihn vorliegen, zu wehren. Es kann auf keinen Fall so sein wie in Turin, wo keinerlei Ver­teidigung möglich war.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass das Anti-Doping-Bundesgesetz, natürlich auch unser Bundes-Sportförderungsgesetz 2005, ein Gesetz ist, das es unseren Sport­lern und Sportlerinnen ermöglicht, in einen fairen Wettkampf zu treten. Dieses Anti-Do­ping-Bundesgesetz zeigt, dass auch die Politik Interesse an einem fairen sportlichen Wettkampf hat und dass wir auf unsere österreichischen Athleten, die Erfolge für unser Land bringen, stolz sind. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

14.25


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


14.25.59

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich habe mir den Sportbericht im Hinblick auf drei Be­reiche genauer angesehen, nämlich auf die Bereiche Frauenförderung, Breitensport und Nachwuchsförderung. Zum Glück ist dieser Bericht im Internet als PDF-Datei ab­rufbar, man kann daher ganz nette Statistiken erstellen.

Thema „Frauenförderung“ – dazu habe ich nicht allzu viel gefunden. Unter dem Kapitel „Gesellschaft und Sport“ steht zum Beispiel: „Österreich hat im April 2004 den Vorsitz in der Arbeitsgruppe European Women and Sport (EWS) übernommen.“


Bundesrat
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Ein Stückchen weiter unten steht: „Good governance im Sport – Sport als Trendsetter für die neue Bürgergesellschaft“. – Das ein Frauenkapitel? Da hätte man meiner Mei­nung nach zumindest BürgerInnengesellschaft schreiben müssen.

Was auch immer das jetzt genau heißen soll – ganz am Schluss dieses Absatzes steht noch ein spannender Satz, und zwar: „Die Konferenz am Ende der Präsidentschaft markiert den Höhepunkt Österreichs nationaler und internationaler Aktivitäten im Be­reich Frauen und Sport.“

Genau genommen finde ich es ziemlich traurig, wenn eine Konferenz den Höhepunkt von Aktivitäten setzt. Eigentlich hätte ich mir schon vorgestellt, dass ein bisschen mehr Aktivitäten gesetzt werden, nämlich auch solche, die den Frauen im Sport direkt zugute kommen, die zum Beispiel in Form von Förderungen ausbezahlt werden könnten.

Eine weitere Konferenz – wieder nur Gerede –, nämlich die Konferenz frauen.sport.kultur, hat im Jahr 2003 in Graz stattgefunden. Damals wurde offen­sichtlich erläutert, wie der Status quo der Frauen und Mädchen im österreichischen Sport aussieht, welche Projekte und Initiativen geplant sind und welche innovativen Wege beschritten werden, um die Partizipation von Mädchen und Frauen im Sport zu fördern. Das waren die zentralen Fragen der Konferenz. – Die Antworten auf diese Fragen habe ich in dem Bericht leider nicht gefunden. Sie hätten mich sehr interessiert, aber sie sind leider in dem Bericht nicht festgehalten worden.

Es gibt in dem Bericht noch etwas, das mit Frauen zu tun hat, und zwar unter dem Titel  „Gender Mainstreaming – GeM“: „Mit dem Ministerratsbeschluss vom 11. Juli 2000 wurde GeM von der Bundesregierung als handlungsleitendes Prinzip anerkannt und“ – dann ist wieder geredet worden – „eine interministerielle Arbeitsgruppe dazu eingerich­tet.“

„Die Realisierung von GeM läuft in zwei Richtungen: im Bereich der Bundes-Sportför­derung ... und ..., im Zuge des Sportberichtes.“

Also im Zuge des Sportberichts habe ich dieses Gender Mainstreaming sehr vermisst. Ich habe in dem Bericht online die Begriffe „Sportler“ und „Sportlerinnen“ gesucht. Ins­gesamt kommt der Begriff „Sportler“ 196-mal vor, das Wort „Sportlerinnen“ oder die ge­genderte Form dazu gibt es insgesamt 63-mal. – Man sieht, wie gegendert dieser Be­richt ist. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schweitzer.) – Ich würde mei­nen, dass es Sportler und Sportlerinnen gibt und dass man einen Bericht normaler­weise auch geschlechtsneutral abfassen kann beziehungsweise auch die weibliche Form dazuschreiben kann. Das habe ich damit gemeint, und das ist in diesem Bericht nicht der Fall. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schweitzer.)

Das ist das Problem, das ist aber das, was bei der vorigen Konferenz ja offensichtlich erläutert wurde. Es stehen nur leider keine Antworten in dem Bericht, sondern nur die Fragen.

Die Sportlerinnen sind in diesem Bericht aber nicht nur formal unterrepräsentiert, son­dern auch unter dem Punkt „Budget“. Es gibt zwar einen Budgetposten „Frauenför­derung“, der im Jahr 2003 mit 240 000 € dotiert war, im Jahr 2004 nur mehr mit 192 600 €. – Zum Vergleich dazu: Es gibt den Posten „Fußball-Challenge 2008“, eine Förderung für junge Fußballer, der im Jahr 2003 mit rund 201 000 € dotiert war, im Jahr 2004 mit rund 1,4 Millionen €, und diese Förderung hat ganz sicher nichts mit auch nur einer einzigen Frau zu tun gehabt! – So weit zur Sportförderung. Die Sportför­derung für Frauenförderung ist zurückgestrichen worden, letztendlich gekürzt worden, die Förderung für dieses Fußball-Challenge ist doch ziemlich massiv angewachsen.


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Ich habe mir auch noch angesehen, wie viele Trainer und Trainerinnen es denn gibt, die Sportförderung bekommen. Es gab in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt 200 Trainer, Trainerinnen gab es 14.

Ich will damit nur aufzeigen, dass Sport offensichtlich laut diesem Bericht ... (Zwischen­bemerkung von Staatssekretär Mag. Schweitzer.) Ja, aber man findet im Bericht nichts von einem großartigen Angebot von Ihnen. Die Frauen kommen nicht. Sie müss­ten sie mehr „locken“, vielleicht auch mit ein bisschen Geld.

Warum ist es so wichtig, dass auch Frauen zum Sport kommen – wie Sie sich das auch wünschen würden? Auf der einen Seite ist Sport einfach ein wichtiger Beitrag für die Gesundheit, und auf der anderen Seite hat der Leistungssport unbestritten eine ge­wisse Vorbildwirkung. Es gibt ziemlich viele Männer auf der Piste, die glauben, sie seien der Franz Klammer, es gibt ziemlich viele Männer auf dem Fußballplatz, die glau­ben, sie seien der Hans Krankl. Frauen – wo sind sie?

Aber jetzt weg vom Thema „Spitzensport“ hin zum Thema „Breitensport“. Auch diese Wörter habe ich online gesucht; es ist ja, wie gesagt, ganz nett, dass der Bericht als Pdf-Datei vorhanden ist. „Leistungssport“ habe ich 87-mal gefunden, „Spitzensport“ 67-mal, „Breitensport“ 28-mal; diese 28-mal „Breitensport“ haben allerdings sehr wenig mit finanziellen Mitteln zu tun gehabt. Ich weiß, dass erst seit der letzten Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes darauf mehr Wert gelegt werden soll, und das ist auch wichtig und gut so. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Gelegt wird!) Wird, ich hoffe! Es ist auch gut so, dass darauf mehr Wert gelegt wird, nur eben im Bericht über die Jahre 2003 und 2004 merkt man noch nicht sehr viel davon.

Letztendlich ist es so, dass ein Großteil der Breitensport-Förderung indirekt über die Gemeinden erledigt wird. Viele Sportstätten werden gebaut, viele Fußballplätze und Hallen werden von Gemeinden zur Verfügung gestellt. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schweitzer.) Ich kann es Ihnen schriftlich geben, wenn Sie es vergessen sollten.

Auf Seite 85 im Bericht steht etwas von „volkswirtschaftlichen Einsparungseffekten“ durch den Sport. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Da haben wir eigene Studien ge­macht!) – Ja, das ist eine ganz tolle Studie. 3,64 Milliarden € sind laut Bericht erzielbar (Staatssekretär Mag. Schweitzer: ... Prozent des BIP!) – ja, das habe ich mir in Klam­mern dazugeschrieben –, aber diese volkswirtschaftlichen Einsparungen kommen nicht unbedingt den Gemeinden zugute. Die Gemeinden müssen doch sehr viel investieren, daher würde ich mir wünschen, dass das ein bisschen mehr auch vom Bund gefördert wird.

Letzter Punkt, den ich mir noch genauer angesehen habe: die Nachwuchsförderung. Unter den Budgetposten auf Seite 40 aufgefallen ist mir dieses „Fußball-Chal­lenge 2008“, Nachwuchsförderung für die Fußball-EM 2008. Die Summe für die Nach­wuchsförderung insgesamt ist von rund 991 000 € im Jahr 2003 auf rund 2,1 Millio­nen € im Jahr 2004 erhöht worden. Fußball ist natürlich ein wichtiger Sport, das will ich gar nicht abstreiten; meine Buben spielen auch Fußball. Fußball ist ein Breitensport, der sicher nicht unwichtig ist.

Leider gibt es auch da zu wenig Mädchen, aber es ist nun einmal so, dass das offenbar nicht der große Mädchensport ist. Trotzdem gibt es dafür irrsinnig viel an Förderungen. Eine Förderung für den Nachwuchs für eine Fußball-EM wird ganz sicher nicht von Frauen in Anspruch genommen werden können – Maß und Ziel wären da, denke ich mir, doch angebracht!

Im entsprechenden Ausschuss des Nationalrates gab es den Antrag der Grünen, einen eigenen Frauen-Sportbericht zu erstellen, und dieser Antrag ist verschoben worden.


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Das ist, finde ich, sehr schade; vielleicht hätte das auch Ihnen geholfen, die Frauen mehr zum Sport zu bringen, was Sie ja wollen.

Ein weiterer Antrag, der verschoben worden ist, war der Antrag betreffend „Play Fair at the Olympics!“. Dem kann ich mich auch die Wirtschaft betreffend anschließen. Ich würde mir wünschen, dass es nicht nur im Sport Fairplay gibt, sondern auch in der Sportartikelwirtschaft. – Das könnte vielleicht auch die österreichische Bundesregie­rung etwas unterstützen, zumindest mental! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.35


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Mag. Schweitzer das Wort. – Bitte.

 


14.35.13

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich heute ausnahmsweise zweimal zu Wort melden, weil es mir ein Anliegen ist, Kollegin Kerschbaum gleich jetzt auf ihre Fragen zu antworten. Ich hoffe, sie notiert sich auch alles, damit sie bei einer allfälligen nächsten Sitzung nicht noch einmal die gleichen Fragen stellt.

Auf die bemerkenswerte Rede des Kollegen Erlitz werde ich dann in meiner zweiten Wortmeldung einzugehen versuchen. Respekt – aber wir werden dann auch feststel­len, was die Gesellschaft vom Spitzensport alles erwartet, verlangt, und wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, werden die Sportler sehr oft als nicht besonders leistungsfähig und als Versager eingestuft. Ich frage mich ja auch sehr häufig, wie man es schafft, bei der Tour de France innerhalb von drei Wochen mit zwei Ruhetagen 4 000 Kilometer zu strampeln; manchmal mit Bergankünften nach 7 Stunden Fahrtzeit in einem Stundenschnitt von 40 Kilometern pro Stunde. Manche schaffen das mit dem Auto nicht! – Aber wenn nur flach gefahren wird, wenn es keine spektakulären Berg­wertungen gibt, dann sinkt das Interesse. Also wer übt wodurch wie viel Druck auf den Spitzensport aus? Darüber wird noch zu diskutieren sein.

Ich werde mich jetzt wirklich eingehend mit den Ausführungen der Kollegin Kersch­baum auseinander setzen. Sie hat einen Sportbericht als Grundlage genommen, der all das nicht beinhaltet, was in letzter Zeit passiert ist. Man sollte sich, wenn man hier ver­sucht, eine kritische Rede zu halten, auch auf den aktuellen Stand bringen. Und der Stand, Frau Kollegin Kerschbaum, ist natürlich ein ganz anderer!

Sie wissen, dass es uns gelungen ist, das Glücksspielgesetz so zu verändern, dass es mehr Fördermittel für den Sport gibt. Meine Vorgänger, das waren Kollege Wittmann und Kollege Edlinger, haben sich auf ein Glücksspielgesetz geeinigt, das die Sportför­derung eingefroren hat; ja nicht einmal eine Valorisierung war notwendig. Das heißt, unter dem Strich ist das Geld für den Sport weniger geworden. Der eine hat den De­ckel oben eingezogen, der andere unten. Es hat geheißen: 500 Millionen Schilling – alte Währung –, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Natürlich ist das durch die Infla­tion immer weniger geworden, und der Sport hat fürchterlich darunter gelitten.

Wir haben nach intensiven Verhandlungen mit dem Finanzminister zuerst einmal eine Änderung des Glücksspielgesetzes zustande gebracht. Wir bekommen jetzt 3 Prozent des Gesamtumsatzes der Österreichischen Lotterien für den Sport. Noch dazu ist es uns gelungen, einen Deckel unten einzuziehen. Anstatt bei 36,3 Millionen €, wie es vorher der Fall war, eingefroren bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, liegt die Untergrenze jetzt bei 40 Millionen €. Der große Vorteil: nach oben offen! Das hat dazu geführt, dass wir bereits ein Jahr später anstatt 36,3 Millionen € für die besondere Sportförderung 46 Millionen € zur Verfügung gehabt haben und in diesem Jahr bereits 54 Millionen € für die besondere Sportförderung zur Verfügung haben.


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Daraus resultieren natürlich enorme Leistungen für den Sport, und auf diese Leistun­gen, im Zusammenhang mit Frauen im Sport und Breitensport, komme ich jetzt natür­lich ganz besonders gerne zu sprechen.

Wir haben uns nach Athen 2004 mit den Verantwortlichen des organisierten Sports und mit den Sportlern in Bad Tatzmannsdorf zusammengesetzt und darüber gesprochen, was wir mit den zusätzlichen Mitteln tun. Und, Frau Kollegin Kerschbaum, wir haben uns darauf geeinigt, drei Schwerpunkte zu setzen. Der eine Schwerpunkt war Trai­nerausbildung, Trainerfortbildung und Trainerbezahlung. (Bundesrätin Bachner: Trai­nerinnen! Gibt es keine Trainerinnen?) Da sind die Trainerinnen inkludiert, meine sehr geehrten Frauen, nur darf ich Ihnen Folgendes sagen: Ich kann die Frauen nicht zur TrainerInnenausbildung tragen! Wir versuchen jedes Jahr, eine Trainerin des Jah­res auszuzeichnen, aber das Problem ist: Wir finden keine Trainerin.

Es gibt im österreichischen Sport keine Trainerinnen – wir haben jetzt Frauen, die die Ausbildung zur Trainerin machen –, aber der Umstand, dass es bis dato keine Trai­nerinnen im Sport gab, ist zurückzuführen auf die Sportpolitik des Kollegen Wittmann, auf die Sportpolitik des Kollegen Schlögl, auf die Sportpolitik all jener, die vorher dafür verantwortlich waren. (Bundesrat Kraml: Nicht schon wieder ausreden! – Bundesrat Reisenberger: Wie lange machen Sie das?)

Ich mache das jetzt drei Jahre – und es gibt schon Trainerinnen in Ausbildung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass es bei all jenen, die sich einer gewis­sen Ideologie verbunden fühlen, nicht gut ankommt, wenn ihre Leute in ihrem Job ver­sagt haben. Aber das ist eben einmal so: Da haben sie leider versagt! (Bundesrat Gru­ber: Da gibt es in dieser Regierung genug!)

Nichtsdestotrotz, wir haben diese Versäumnisse, Frau Kollegin Kerschbaum, natürlich aufzuarbeiten versucht, und es gibt jetzt tatsächlich einige Schwerpunkte im Bereich Frauensport, auf die ich gerne eingehe.

Wir haben zum Beispiel bei der Sporthilfe-Förderung veranlasst, dass es zusätzlich zu einer normalen Sportler- und Sportlerinnenförderung – da wird eingestuft in Nach­wuchsklasse, in nationale Klasse und in Weltklasse – eine Förderung für die Frau im Spitzensport gibt. Bemerkenswerterweise gibt es keine Förderung für den Mann im Spitzensport. – Das ist also eine positive Diskriminierung der Sportlerinnen. (Bundes­rat Boden: Super!)

Übrigens: Diese Förderung für die Frau im Spitzensport macht zusätzlich rund 400 € pro Monat aus. (Bundesrätin Kerschbaum: Pro Frau?) Pro Frau, natürlich!

Wir haben auch dafür gesorgt, dass Spitzensportlerinnen, die im Laufe ihrer Karriere Mütter geworden sind, ein ganz spezifisches Projekt nützen können, nämlich: Wir stel­len über die Sportförderung Au-Pair-Mädchen zur Verfügung, sodass sie tatsächlich ihren Sport und vor allem das dafür notwendige Training weiter in vollem Umfang be­treiben können, wenn nicht andere Gründe für eine Einschränkung vorliegen. – Das ist eine weitere Maßnahme, die den Frauen im Spitzensport besonders entgegenkom­men soll.

Wir haben natürlich auch festgestellt, dass bei den österreichischen Entsendungen der Anteil der Männer bei weitem überwiegt, egal, ob es in Richtung Weltmeisterschaft in einer bestimmten Sportart geht oder ob es Olympische Spiele sind. Auch darauf haben wir, Frau Kollegin Kerschbaum, sehr rasch reagiert. Mir persönlich hat es immer weh­getan, dass ich, wenn ich mir im Internet oder im Teletext die Resultate angeschaut habe, feststellen musste, dass wieder einmal im nordischen Skisport, im Biathlon keine Frauen am Start waren. Meine erste Reaktion darauf – Sie wollen das doch alles im Detail wissen, Frau Kollegin Kerschbaum – war, dass wir in Saalfelden eine eigene


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Möglichkeit für die Ausbildung von Mädchen im nordischen Skisport eingerichtet ha­ben. Gemeinsam mit der Handelsakademie und vielen anderen Schulen in Saalfel­den – da haben wir optimale Bedingungen – haben wir einen spezifischen Mädchen- und Frauenförderungszweig für Skispringen, für die nordische Kombination, für den nordischen Skilauf und für Biathlon eingerichtet.

Mit Frau Trixi Schuba arbeiten wir an einem spezifischen Frauenprojekt im Eiskunst­lauf. Es tut uns besonders weh, dass in dieser traditionsreichen Sportart in Österreich momentan keine einzige Frau beziehungsweise kein einziges Mädchen in den Ergeb­nislisten zu finden ist.

Wir haben auch jedes einzelne an uns herangetragene Projekt, das frauen- bezie­hungsweise mädchenspezifisch war, nicht nur auf dessen Umsetzbarkeit überprüft, sondern wir haben jedes Projekt mit einem Schwerpunkt Frauensport oder Mädchen­sport auch bereits umgesetzt. Es gibt kein einziges Projekt, das nicht umgesetzt wurde! Es gibt schon etliche davon, aber das werden Sie erst im nächsten Sportbericht finden. Ich hoffe, dass Sie dann auch positiv vermerken werden, dass einiges im Bereich des Frauensports bereits passiert ist.

Wovon ich nichts halte, ist, dass man bei der Verteilung der Geldmittel sagt: 50 Prozent muss man jetzt in die Frauenförderung stecken!, weil nämlich die Verteilung der Bun­des-Sportfördermittel sehr häufig an das Erbringen von Leistungen gebunden ist. Das heißt, Spitzensportförderung ist abhängig von Leistungserbringung.

Aber im Nachwuchsbereich haben wir schon die Weichen dafür gestellt, dass Frauen in vermehrtem Ausmaß auch im Spitzensport erfolgreich sein können.

Noch etwas ist uns ganz wichtig, nämlich „After Sports“.  Viele Mädchen und Frauen sagen, dass sie deshalb nicht in den Spitzensport gehen, weil die Karriere nach der Karriere für sie ein Problem ist. Deshalb haben wir das Projekt „After Sports“ entwi­ckelt, gemeinsam mit der Sporthilfe, mit Wifi und mit Heller Consult. Wir hatten 40 ehe­malige Spitzensportlerinnen im Projekt, um ihnen nach einer persönlichen Potential­analyse ... (Bundesrat Reisenberger steht vor der ersten Bankreihe und spricht mit Bundesrat Konecny.) – Wenn sich die beiden Herren irgendwo anders hinbegeben würden, könnte ich die Frau Kerschbaum sehen. Frau Präsidentin, ich muss Blickkon­takt zur Anfragestellerin haben, aber das wird mir hier nicht ermöglicht, denn in seiner Erscheinung verstellt mir der Herr Bundesrat den Blick auf diese, weil er so im Vor­dergrund ist. (Bundesrat Reisenberger verharrt auf seinem Platz und spricht weiter mit Bundesrat Konecny.) Ich würde die Frau Kerschbaum gerne sehen – oder wollen Sie unhöflich sein? (Bundesrat Reisenberger stellt sich nun neben die erste Bankreihe, wodurch die Sicht zu Bundesrätin Kerschbaum frei wird.)

Wir haben für 30 absolute Spitzensportlerinnen nach einer Potentialanalyse ein spezifi­sches Ausbildungsprogramm angeboten, sodass sie nach der Karriere eine weitere Karriere beginnen können. Ich glaube, dass es für viele junge Frauen und Mädchen, wenn sie talentiert sind, durchaus ermutigend ist, es im Spitzensport zu versuchen, er­folgreich zu sein, weil von uns auch für die Karriere nach der Karriere einiges getan wird.

Was Sie an dieser Nachwuchsförderung insbesondere kritisieren, ist ein spezifisches Projekt. Dieses spezifische Projekt heißt „Challenge 2008“ und dient der Vorbereitung der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft auf die heimische Europameister­schaft, beginnend mit dem Jahr 2000. Ich lasse es mir nicht zum Vorwurf machen, dass wir nicht alles getan haben, um ein einigermaßen ordentliches beziehungsweise vertretbares Abschneiden der österreichischen Nationalmannschaft bei der heimischen Fußball-Europameisterschaft zu gewährleisten.


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Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir von der Politik zeigen, dass wir nicht nur die Organisation dieses Großereignisses im Land unterstützen – Sie wissen, im Endeffekt profitieren wir sehr viel von solchen großen Sportereignissen –, sondern dass uns auch das sportliche Abschneiden unserer eigenen Mannschaft ein großes Anliegen ist, und deshalb haben wir dieses Projekt ins Leben gerufen, und das müssen wir jetzt auch entsprechend finanzieren.

Wir unterstützen ganz intensiv – gerade in Wien! – auch ein Fußballerinnen-Projekt. Und ich unterstütze im Burgenland unseren FC Südburgenland, wo es auch eine Frau­enmannschaft gibt. Aber es ist wirklich sehr schwierig, die Frauen beim Sport zu behal­ten. Ich selbst habe das als Trainer einer Mädchenmannschaft erlebt: Viele sehr talen­tierte Mädchen haben auf einmal mit 16 oder 17 Jahren – und das geschieht von einem Tag auf den anderen – ganz andere Interessen und sind weg. Sie sind einfach weg! Ich habe das mit meiner eigenen Tochter erleben müssen: Sie ist mit 17 Jahren österreichische Meisterin geworden, mit 18 Jahren hat sie das alles nicht mehr interes­siert. – Das passiert leider! Aber das ist ein anderes Thema.

Jetzt zum Breitensport, Frau Kollegin. – Der Breitensport ist eines unserer größten Anliegen. Ich empfehle Ihnen die Homepage von „Fit für Österreich“ oder das neue Bundes-Sportförderungsgesetz, denn da würden Sie sofort feststellen können, dass wir für den Breitensport einen eigenen Budgetansatz geschaffen haben und rund 2,5 Mil­lionen € direkt in die Aktion „Fit für Österreich“ investieren, die die Kindergarten-Sport­angebote genauso umfasst wie die Verbindung von Schule, Sport und Freizeit.

Mit der „spark7 SLAM Tour“ hatten wir bereits große Erfolge in allen Bundesländern, zuletzt im Schulzentrum in Linz-Auhof, wo sich 16 Vereine mit 2 000 Schülern präsen­tiert haben und wo sehr viele Schüler gesagt haben: „Klass, der Sport, da geh’ ich hin!“

Wir haben die Aktion „Fit for Business“ laufen, die betriebliche Gesundheitsvorsorge, und wir haben die Aktion „Fit für 50 plus“ laufen, sind da mit einer Roadshow unter­wegs und waren das letzte Wochenende auf der Rieder Gesundheitsmesse, wo wir großen Erfolg hatten, und wir können sagen, dass wir im Breitensportbereich sehr viel erreicht haben. Wir haben sogar so viel erreicht, Frau Kollegin, dass der Sport als Dienstleister im Gesundheitssystem in Hinkunft eine große Rolle spielen wird. Uns hat nämlich das Einsparpotential von 3,6 Milliarden € sehr beunruhigt, und wir haben gese­hen, dass das eine Riesenchance ist.

Wenn wir heute die Krankenkasse der gewerblichen Wirtschaft so weit gebracht ha­ben, dass sie den so genannten Fit-Hunderter ihren Mitgliedern zahlt, wenn sie ein Angebot von unseren Vereinen annehmen, das mit dem Gütesiegel „Fit für Österreich“ zertifiziert ist, dann ist das, glaube ich, ein erster Schritt, der durchaus in die richtige Richtung geht. Das ist in Wahrheit epochal.

Wenn wir heute im Gesundheitspass, den jeder kriegt, der die Vorsorgeuntersuchung machen lässt, die Möglichkeit vorgesehen haben, dass der behandelnde Arzt Bewe­gungseinheiten im Rahmen von „Fit für Österreich“ verschreiben kann, dann ist das, glaube ich, auch etwas, worauf wir durchaus und zu Recht stolz sein können.

Wenn wir heute mit dem Chef der größten Gebietskrankenkasse Österreichs, mit Herrn Bittner, vereinbart haben, dass wir in Hinkunft die Diabetes-mellitus-Erkrankten nicht mehr medikamentös behandeln, sondern mit Bewegungseinheiten, und wenn das Ganze über die e-card abgerechnet werden kann, dann ist das eine tolle Geschichte.

Ich glaube, dass wir im Breitensportbereich sehr viel getan haben, wenn ASKÖ, ASVÖ und UNION dafür Geld bekommen, dass sie dieses Bewegungsangebot entwickeln, von uns prüfen lassen und dann, wenn es okay ist, das Qualitätssiegel bekommen und


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als Dienstleister im Gesundheitssystem auftreten können. Das sind in Wahrheit Meilen­steine!

Ich wünsche mir, egal, wer das weiter macht – natürlich hoffe ich, dass ich das noch weiter machen kann –, dass in die gleiche Richtung weitergearbeitet wird, denn dann können wir für viele Menschen sehr, sehr viel erreichen.

Sport bringt Lebensqualität, bringt mehr Spaß am Leben. Und gleichzeitig machen wir aus dem Krankheitssystem ein Gesundheitssystem – mit dem Sport als Dienstleister in diesem System. – Sollten dazu noch Fragen offen sein, gebe ich gerne Auskunft.

Abschließend sage ich nur noch, dass wir die Sportförderung für die Fachverbände – auch für die Frauenverbände! – verdoppelt haben. Jedes Projekt, das, von wem auch immer, eingereicht wird und das plausibel ist, wird umgesetzt. Bringen Sie uns Frauen­projekte – wir machen es miteinander! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mit­terer.)

14.53


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Danke schön, Herr Staatssekretär.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Bundesrat Mitterer vor. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.53.44

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich stelle eingangs fest, dass Politik eine unsportliche Tätigkeit ist. Ich konnte nämlich gestern auf Grund der Anwesenheit im Bundesrat am Businesslauf in Klagenfurt, veranstaltet von der Wirtschaftskammer Kärnten, nicht teil­nehmen. Das heißt, Politik und Sport sind sehr schwer miteinander vereinbar.

Danke, Herr Staatssekretär, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass auch die Wirt­schaft großes Interesse daran hat, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund sind – und das wird man unter anderem auch durch Sport.

Das Sportland Österreich ist auf allen Ebenen erfolgreich – und seit wenigen Tagen auch vorbildlich durch das neue Anti-Doping-Bundesgesetz. Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass es eine Anlassfall-Gesetzgebung ist, denn man hat an diesem Gesetz sehr lange gebastelt, und es ist ein bemerkenswertes Anti-Doping-Gesetz da­bei herausgekommen, ein Regelwerk, auf das wir stolz sein können.

Auch hier im Bundesrat erfährt dieses Gesetz, so wie es aussieht, die einhellige Zu­stimmung. Es ist dies ein Gesetz, das zu mehr Fairness und Rechtssicherheit im Sport beiträgt. Durch dieses Gesetz werden nicht nur die Athletinnen und Athleten unter­stützt, sondern auch die Funktionärinnen und Funktionäre, die ärztlichen Betreuerinnen und Betreuer und die Trainerinnen und Trainer. Und dafür möchte ich dem Herrn Staatssekretär danken.

Aber ich bedanke mich von dieser Stelle aus auch bei all jenen Personen, die am Zu­standekommen dieses Gesetzes mitgearbeitet haben, und es waren nicht wenige, die dazu ihren Beitrag geleistet haben. Es waren dies Mitarbeiter im Bundeskanzleramt, Vertreter der Länder, der Ärzteschaft, die Sportverbände – und nicht zuletzt der Natio­nalrat und auch wir, der Bundesrat, die wir unseren Beitrag zu leisten haben, um die­ses Gesetz in Kraft zu setzen.

Was mir allerdings dabei fehlt, das ist die mediale Berichterstattung. Wenn es darum geht, Österreich – vielleicht auch zum Teil aus Neid – international im Bereich Doping schlecht zu machen, dann werden auch die Medien in Österreich nicht müde, darüber zu berichten. Ich hätte mir ein ähnliches mediales Interesse erwartet, wenn Österreich als Vorreiter in Europa ein fortschrittliches Anti-Doping-Gesetz beschließt.


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Nun zum Sportbericht. – Frau Kollegin Kerschbaum, ich kann mich kürzer fassen, denn ich habe so wie Sie diesen Bericht gelesen, und wir brauchen ihn hier nicht im Detail zu diskutieren. Ich habe festgestellt, dass eindrucksvoll auf über 300 Seiten die Leis­tungen des österreichischen Staates und somit der österreichischen Steuerzahler für den Bereich des Sportes dargestellt worden sind. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Quantität heißt nicht Qualität!) Der Meilenstein „Bundes-Sportförderungsgesetz“ wurde vom Staatssekretär bereits erwähnt: die Aufhebung der Deckelung, die Mindestgaran­tie von 40 Millionen €, aus denen in der Zwischenzeit schon 54 Millionen € pro Jahr ge­worden sind.

Aber auch die Aufhebung der Befristung ist etwas Wesentliches, denn sie ermöglicht eine mehrjährige Planung. Es ist gerade bei Großveranstaltungen nationaler und inter­nationaler Art notwendig, dass man nicht nur von einem Jahr auf das andere denkt. Das gilt zum Beispiel auch für die Fußball-Europameisterschaft 2008. Da können wir mit den Mitteln für ein Jahr nicht auskommen. Mit der mehrjährigen Planung wird das letztlich ebenfalls mit geregelt. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann sagen: Wir alle sind stolz darauf, dass unsere Sportlerinnen und Sportler Leis­tungen erbringen, die im Verhältnis zur Größe unseres Landes weltweit Beachtung fin­den.

Auch eine Bemerkung zur Sportstättenförderung. – Als Kärntner Bundesrat möchte ich mich dafür bedanken, dass es nach langem Hin und Her letztlich doch mit dem Sport­stadion in Klagenfurt geklappt hat. Wichtig ist nicht, wer der Vater dieses Projektes ist, sondern wichtig ist, dass wir diese tolle Veranstaltung für 2008 – es geht dabei um Spitzensport – nach Österreich bekommen.

Es gibt natürlich auch Spitzensportarten, die von Österreicherinnen und Österreichern nicht so stark ausgeübt werden, die aber weltweit Aufsehen erregen und die Bekannt­heit Österreichs als Sportland, aber auch als Tourismusland fördern. Ich denke da etwa an Beachvolleyball in Klagenfurt. An dieser Stelle ein Dankeschön dafür, dass es im­mer wieder Mittel aus dem Sportförderungsgesetz dafür gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachwuchsförderung ist eine Grundlage für weitere Erfolge. Der Herr Staatssekretär hat hier schon bestätigt, dass dafür die Mittel erhöht worden sind.

Auch der Breiten- und Gesundheitssport, der Behindertensport und die Sportwissen­schaften finden entsprechende Beachtung – auch die Trainerinnen- und Trainerförde­rung.

Dennoch möchte ich abschließend sagen: Trotz der vielen Mittel der österreichischen Sportförderung – es mögen 60 bis 70 Millionen € statt 54 Millionen € sein – sind wir auf noch etwas angewiesen: dass es nämlich in den kleinen Vereinen vor Ort Tausende ehrenamtliche Trainerinnen und Trainer gibt, die bereit sind, in all den verschiedenen Sportarten unsere Jugend an den Sport heranzuführen und sie auszubilden. Diesen Tausenden ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern möchte ich für ihre zumeist unbedankte Arbeit auch von dieser Stelle aus meinen aufrichtigen Dank aussprechen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

15.00


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


15.00.30

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretár! Erlauben Sie mir, bevor ich auf das eigent­liche Thema – das Anti-Doping-Gesetz – eingehe, etwas klarzustellen.


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Ich bin der Präsidiale sehr dankbar dafür, dass sie es mir ermöglicht hat, dass ich auch in meiner Muttersprache, in Slowenisch, reden darf. Das, was ich auf Slowenisch sage, ist eine kurze Zusammenfassung des deutschen Textes. Es tut mir Leid, dass ich bei meiner letzten Rede jemandem gesagt habe: Dann müssen Sie es lernen! – Das steht mir nicht zu, und ich nehme das zurück. (Allgemeiner Beifall.)

Zum Thema, zum Anti-Doping-Gesetz. – Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um ein Gesetz, das Klarheit sowohl für die Sportlerinnen und Sportler als auch für die Verbände schafft. Es ist ein Gesetz, das in das Sportförderungsgesetz eingeglie­dert wird. Es ist ein Gesetz, das das Dopingverfahren in zivilrechtlicher Form regelt. Es ist ein Gesetz, das auf dem bestehenden Welt-Anti-Doping-Code und auf einer UNESCO-Vereinbarung basiert. Und es ist ein Gesetz, in dem Doping ganz klar und genau definiert ist.

Es ist ein Gesetz, mit dem die Kontrollverfahren standardisiert und definiert wurden. Es ist ein Gesetz, das es Sportlerinnen und Sportlern ermöglicht, Beweismittel in An­spruch zu nehmen. Es ist ein Gesetz, das es Sportlerinnen und Sportlern ermöglicht, in die Entscheidungskommission Personen ihres Vertrauens zu entsenden. Es ist ein Ge­setz, in dem auf datenschutzrechtliche Probleme Bedacht genommen wurde. Es ist ein Gesetz, mit dem Fairness im Sport gefördert wird. – Ein guter Schritt also, ein positiver Schritt, und wir werden dem selbstverständlich zustimmen.

Vielleicht noch eine Anmerkung zum Problem Doping im Allgemeinen: Es haben meine VorrednerInnen bereits erwähnt, dass es Doping nicht nur im Leistungssport gibt, son­dern dass das Risiko und die Gefahren sowohl beim Breitensport als auch beim Frei­zeitsport zunehmen. Es ist für mich sehr bedenklich, meine Damen und Herren, dass man Doping-Präparate mit einem Mausklick aus dem Internet bestellen kann. – Hier und jetzt appelliere ich an uns alle: Es muss intensive Aufklärung betrieben werden, denn diese ist vor allem für die jungen Menschen sehr wichtig.

Und jetzt die slowenische Zusammenfassung. (Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Hvala. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


15.04.53

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Der heute vorliegende 19. Sportbericht, umfassend die Jahre 2003 und 2004, wurde von meinen Vorrednern in vielen Facetten schon erläutert, und ich pflichte einigen bei, wenn sie, wie Kollege Erlitz, vor allem das Problem der Glaubwürdigkeit des Spitzen­sports mit der Vorbildwirkung, das in einer gewissen Grauzone doch immer wieder an­gesiedelt ist, angesprochen haben.

Auch der falsche Ehrgeiz, den Kollegin Diesner-Wais angesprochen hat im Zusam­menhang mit Doping, ist sicherlich ein Problem, das weit über das Thema Sport selbst hinausgeht.

Der Frau Kollegin Kerschbaumer (Bundesrätin Kerschbaum: Nicht mit „er“! Kersch­baum!), die vor allem die Rolle der Frauen herausgekehrt hat, darf ich dann ein kleines Detail nennen, das sie vielleicht beruhigt oder beunruhigen wird, und ich bin auch unserem Herrn Staatssekretär sehr, sehr dankbar, der hier natürlich sehr profund diese Teile detailliert aufgeschlüsselt hat.


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Worum geht es in diesem 19. Sportbericht, woraus besteht er im Wesentlichen? – Und hier darf ich mich wirklich kurz halten und auf Stichworte beschränken.

Es ist im Vorwort des zuständigen Bundeskanzlers Dr. Schüssel vor allem der gesell­schaftspolitische Aspekt angesprochen, Sport als Wirtschaftsfaktor, wie es Kollege Mitterer auch angesprochen hat, und auch, dass Sportlerinnen und Sportler aus Öster­reich zu internationalen Botschaftern unseres Landes geworden sind und das kleine Land Österreich – klein im geographischen Sinn und auch was die Bevölkerungszahl angeht – eigentlich zu einer großen Sportnation geworden ist.

Der Herr Staatssekretär hat es schon angesprochen, und ich gratuliere ihm auch dazu: zu diesem Bundes-Sportförderungsgesetz, mit welchem es gelungen ist, eine finan­zielle Basis für den Sport – den Spitzensport, den Breitensport und so weiter; Details haben wir bereits gehört – zu sichern, und zwar nicht nur für ein Jahr, sondern auch darüber hinaus. Wir haben gehört, es sind über 50 Millionen €, die hier zur Verfügung stehen. Die detaillierte Auflistung der Projekte, Großveranstaltungen und Organisatio­nen ist in diesem Sportbericht enthalten.

Die Förderungskontrolle ist auch ein wesentlicher Teil: Hier wird darauf geachtet, dass diese Mittel auch zweckentsprechend verwendet werden. Das ist auch ein Grund, war­um dieser Sportbericht erst im Jahr 2006 vorliegt. Im Ausschuss haben wir gehört, dass es eben bis September 2005 gedauert hat, bis diese Berechnungszeiträume auch abgearbeitet wurden.

Der Leistungssport wurde bereits angesprochen, ebenso die Nachwuchsförderung, der Breiten- und Gesundheitssport.

Ein wesentlicher Bestandteil – er wurde heute noch nicht angesprochen – ist der Be­hindertensport: Auch hier geschieht sportlich und menschlich sehr, sehr Beachtliches.

Ein weiterer Punkt: Sportlerehrungen für Spitzensportler.

Ich darf auch noch einen Bereich ansprechen, der die Infrastruktur betrifft: Es gibt neun Zentren – so genannte Bundes-Sporteinrichtungen –, und ich darf mich hier als Vertre­ter der Region des Salzkammergutes auch bedanken: Das Bundes- und Sportzentrum in Obertraun, das über eine optimale Infrastruktur – Sport-Infrastruktur – verfügt, wurde auch im Beherbergungsbereich generalsaniert und ausgebaut und verfügt jetzt über 200 Betten auf Vier-Stern-Basis. Das ist eine Infrastruktur, die nicht nur von heimi­schen, sondern auch von internationalen Sportlern gerne auch als Trainingslager in Anspruch genommen wird.

Es folgen Berichte der einzelnen Ministerien – ob es jetzt das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst ist, wo vor allem auch der Bereich Sport an Schulen, Unis und in Ausbildung detailliert erläutert wurde: Das Angebot geht hier vom A bis zum Z – „Z“ habe ich nicht gefunden, aber „A“ für American Football und „W“ für Wasserspringen, wo hier Ausbildungsprogramme angeboten werden.

Ein Bereich umfasst die Österreichische Bundessportorganisation BSO – immerhin drei Dachverbände mit insgesamt zirka 3,2 Millionen Mitgliedern –, 53 anerkannte Fachver­bände, den Behindertensportverband, und das ÖOC ist seit 2004 auch Mitglied.

Die Österreichische Sporthilfe wurde hier bereits genannt.

Lassen Sie mich noch ein paar wissenswerte Details herausstreichen:

Wer, glauben Sie, meine Damen und Herren, ist der an Mitgliedern und Vereinen stärkste Verband in Österreich? – Ich nehme es vorweg: Es ist der Bereich Fußball mit zirka 2 223 Vereinen und über 423 000 Mitgliedern. Davon – und jetzt komme ich zu


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Ihnen, Frau Kollegin Kerschbaumer – ... (Rufe: Kerschbaum!) – Entschuldigung, ich korrigiere mich: Kerschbaum!

Es sind immerhin 104 Frauen-Fußballmannschaften in acht Landesverbänden, und ku­rioserweise werden diese Frauenteams auch als „Mannschaft“ bezeichnet – auch hier wäre also vielleicht Handlungsbedarf gegeben –, und man spricht von Frauenteams oder Teams Fußball spielender Frauen. Das vielleicht als Anregung, um hier auch die­sem Gender-Aspekt zu entsprechen.

An zweiter Stelle der mitgliederstärksten Vereine steht der Tennisbereich mit 1 756 Vereinen und rund 178 000 Mitgliedern. Es folgt der in Österreich sehr hoch ge­schätzte und auch was das mediale Echo angeht sehr stark vertretene Schilaufbereich mit 1 232 Vereinen und rund 150 000 Mitgliedern. Und an vierter Stelle – man würde es fast nicht glauben – eine Sportart, die meist unbeachtet ist, aber Österreich ist auch eine Nation der EisstocksportlerInnen und EisstockschützInnen mit 1 830 Vereinen und rund 130 000 Mitgliedern. Am hinteren Ende findet sich der Curlingbereich mit nur vier Vereinen in Österreich und 130 Mitgliedern, und der Zillensport ist überhaupt nur ein Verein mit 34 Mitgliedern. Ich glaube, das ist ein Teil eines Ruderclubs, wo ein beson­deres Sportgerät, die Zille eben, verwendet wird.

Die Leistungsbilanz spiegelt sich auch in den Medaillengewinnen bei WM- und Welt­cup-Gesamtsiegen wider. In diesen beiden Jahren hat es 167 Damen und Herren ge­geben, die Medaillen errungen haben. Und auch nicht unerwähnt bleiben sollen die Medaillengewinner bei den Olympischen Sommerspielen – auch hier war eine Frau da­bei, Kate Allen, die dabei für Österreich sensationell eine Goldmedaille errungen hat –, aber auch bei den Paralympics in Athen mit insgesamt 14 Medaillen. (Allgemeiner Bei­fall.)

Zusammenfassend kann man sagen, wir blicken wieder auf zwei Jahre Sportgesche­hen in Österreich zurück. Dieser Blick kann uns zu Recht mit Stolz erfüllen. Die positi­ven Seiten des Sports für viele Bereiche der Gesellschaft werden zunehmend in ihrer Bedeutung wahrgenommen. Sport spielt nicht nur eine nicht mehr wegzudenkende Rolle in der Gesundheitsvorsorge, sondern tritt auch verstärkt im sozialen Bereich in den Vordergrund. Sport ist auch eine bedeutende Größe in der österreichischen Wirt­schaft. Österreich als Tourismus- und Sportland bietet eine gelungene Symbiose aus landschaftlicher Schönheit und attraktiven Sportangeboten, und lassen Sie mich auch hinzufügen: auch aus perfekten Organisationen, was die Ausrichtung von Großveran­staltungen betrifft.

Ich darf, nachdem die Sportveranstaltungen, die bisher abgewickelt wurden, schon an­geführt wurden, noch auf zwei oder drei zukünftige Großveranstaltungen hinweisen. Da ist erstens die Fußball-EM 2008, und für mich als Steirer besonders interessant ist na­türlich die Bewerbung von Schladming für die alpine Ski-WM 2011. Franz Perhab, der das genauestens mitverfolgt hat, sitzt hier. Am 25. Mai wird in Portugal die Entschei­dung darüber fallen. Drücken Sie mit mir und Franz Perhab gemeinsam die Daumen, dass Schladming den Zuschlag erhalten wird!

Und schließlich soll auch die Bewerbung Salzburgs für die Olympischen Winterspie­le 2014 nicht unerwähnt bleiben.

Ich bedanke mich beim Bundeskanzler, der selbst ein begeisterter Fußballspieler ist, und bei Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich habe mir sagen lassen, Sie sind nicht nur ein exzellenter Läufer, sondern auch ein Schifahrer der Sonderklasse, dem es gelingt, die Streif unter der doppelten Zeit des Siegers zu bewältigen. Kompliment für Ihre Unter­stützung des österreichischen Sports, danke aber auch allen Mitarbeitern der Ministe­rien für ihre Arbeit und für die Erstellung dieses Berichtes!


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Abschließend: Der Sport lebt von der Begeisterung, vom Einsatz und vom Engagement der Menschen. Ich möchte allen Aktiven – Trainerinnen, Trainern, Funktionärinnen, Funktionären und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – für ihre Verdienste um den öster­reichischen Sport sehr, sehr herzlich danken. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.14


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.14.24

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär – oder Frau Staatssekretärin: Was ist Ihnen lieber? (Heiterkeit.) Ich weiß nur, wenn dieses „Gendern“ in die andere Richtung geht, dann „reißt“ es immer alle. Wenn man zu Ihnen sagen würde: Herr Staatssekretärin!, dann würde es Sie „reißen“, oder? Darum ist es doch nicht so abwegig, wenn ich sage, im Sportbericht fehlt das „-Innen“ sehr häufig. Das war meine Aussage, und das haben Sie offenbar nicht ganz verstanden. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Soll man sagen: Frau Kerschbaumerin?)

Es genügt Frau Kerschbaum. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Da wollen Sie nur den „Baum“?) Da war es nicht so sehr das „Gendern“; da wäre mir der richtige Name ein­fach angenehm gewesen. (Heiterkeit.)

Bezüglich des Dopinggesetzes kann ich mich den Ausführungen der Kollegin Blatnik nur vollinhaltlich anschließen. Aber zu Ihrer Rückwortmeldung wollte ich schon noch sagen: Es ist der Sportbericht 2003/2004 auf der Tagesordnung, darum kann ich nicht über 2005 und 2006 reden, denn einen solchen Bericht habe ich noch nicht gesehen. – Punkt eins. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: So habe ich Sie auch verstanden!) – Das ist sehr nett, aber Sie haben so getan, als ob ich vom falschen Bericht gesprochen hätte. Auf der Tagesordnung ist der Bericht über 2003/2004. (Bundesrat Gruber: Das ist der erste Bericht des Herrn Staatssekretärs!)

Sie haben unter anderem erwähnt, es sei so schwer, Frau oder Mädchen zum Sport zu bekommen, und mit 14 oder 16 haben die Mädchen oder Frauen dann andere Interes­sen. Ich denke, dass auch Burschen andere Interessen haben ab einem gewissen Al­ter. Vielleicht ist da aber mehr Bemühen dahinter, sie doch beim Sport zu halten – oder woran auch immer es liegt. Ich denke, es ist einfach nicht genug, zu sagen, Frauen kommen nicht zum Sport, sondern man sollte vielleicht diesbezüglich ein wenig aktiv werden. Es wäre schon sehr zufrieden stellend, wenn das tatsächlich stimmt, was Sie mir erzählt haben darüber, was in diesem Bereich alles passiert.

Sie haben aber gesagt, Sie wollen nicht, dass das Budget aufgeteilt wird: 50 Prozent für die Frauen und 50 Prozent für die Männer. Das will ich auch nicht. Aber wenn sich das Ministerium schon seit dem Jahr 2001 mit Gender Mainstreaming beschäftigt, dann hätte sich das Ministerium auch mit Gender Budgeting beschäftigen können, wo man einfach festhält: Wie viel Geld wird für Sportlerinnen zur Verfügung gestellt und wie viel Geld  für Sportler, und in welchem Bereich sind die Sportlerinnen und in wel­chem Bereich sind die Sportler.

Dass Fußball in erster Linie ein Sport ist, den Männer ausüben und leider sehr wenig Frauen, das stimmt, aber es gibt wahrscheinlich auch andere Sportarten, die haupt­sächlich Frauen ausüben, die aber vielleicht weniger gefördert werden.

Es gibt einen ganz tollen Vorschlag vom Österreichischen Gewerbeverein; den habe ich vor einem Jahr gelesen. Das wäre vielleicht auch eine Art Sportförderung: Zahlen wir doch die Steuer der Laufschuhe zurück! Ich denke, Laufen zum Beispiel ist ein


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Sport, den sehr viele Frauen und Mädchen ausüben, und da gibt es nicht wirklich eine besondere Förderung dafür.

Es ist einfach so: Fußball und Schifahren sind die Standardsportarten in Österreich. Die werden auch im Fernsehen übertragen, und da gibt es dann ziemlich viele, die zu­schauen, aber weniger, die diese Sportarten auch selber ausüben. Und in diese Berei­che fließt auch ziemlich viel an Förderung – während andere Sportarten, die vielleicht doch mehr die Frauen und Mädchen ansprechen, möglicherweise doch etwas zu wenig gefördert werden. Und um das festzustellen und einmal festzuhalten: Wo fließt das Geld hin, wo könnte man Mädchen und Frauen mehr fördern?, wäre zum Beispiel Gen­der Budgeting sehr interessant.

Die „-Innen“ im Bericht fehlen mir auch. Ich glaube, erstellt worden ist dieser Bericht schon unter Ihrer Leitung, Herr Staatssekretär; Sie stehen auch im Vorwort. Daher mei­ne Anregung an Sie: Immer „-Innen“ hinten dran; dann fühlen sich beide angespro­chen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.18


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär Schweitzer, Sie sind am Wort.

 


15.18.33

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Et­was enttäuscht darüber, dass die durchaus interessante Sportdebatte bei vielen Mit­gliedern dieses Hauses nicht allzu großes Interesse erweckt, melde ich mich trotzdem gerne noch einmal zu Wort.

Ich glaube, dass Sport wahrscheinlich in unserer Gesellschaft – und das sollten sich insbesondere Politiker von wahlwerbenden Parteien merken – eine wesentlich größere Rolle spielt. (Bundesrat Schennach: Haben Sie schon aufgehört ...?)

Ich weiß es ja, Herr Kollege, aber Sie offensichtlich nicht. Sie hören ja nicht einmal Ihrer eigenen Kollegin zu, was mich unheimlich enttäuscht. Wenn sie sich wirklich mit dem Thema auseinander setzt und Sie inzwischen für Unruhe in den Bankreihen sor­gen, dann finde ich das irgendwie despektierlich der eigenen Kollegin gegenüber. Das sage ich Ihnen ganz gerne von hier.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Im Prinzip wird von der Regierungsbank Abgeordneten nicht gesagt, was sie zu tun haben!

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Frau Präsidentin, wenn Sie da nicht eingreifen, dann erlaube ich mir, das von hier aus zu sa­gen. (Bundesrat Gruber: Das steht Ihnen aber nicht zu! Ich würde ein bisschen Mäßi­gung von der Regierungsbank her erbitten, Herr Staatssekretär! Wir sind noch nicht im Wahlkampf! – Weitere Zwischenrufe.)

15.20


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär! Jetzt ist aber schon eine Sache klarzustellen, bitte: Die Abgeordneten haben hier ihr freies Wort, und von der Regierungsbank haben Sie keine Polemik zu betreiben, sondern von der Regie­rungsbank wird den Abgeordneten Auskunft gegeben! Ich bitte Sie, sich daran zu hal­ten! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


15.20.15

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Staatssekretär Schweitzer hat uns vorgeworfen, dass wir hier in den hinteren Reihen


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während eines Redebeitrages für Unruhe gesorgt hätten. Es war jedoch der Wunsch der Regierungsparteien, seinen eigenen Kollegen, nämlich Herrn Staatssekretär Ku­kacka, früher von der Debatte zur Dringlichen Anfrage aus dem Haus zu entlassen, und das wurde hier auf diese Art kurz erörtert. Wir hätten die Sitzung auch unterbre­chen können.

Ich erwarte, dass Herr Staatssekretär Schweitzer diesen Anwurf oder diese Flegelei zurücknimmt. Ansonsten müssten wir die Sache Kukacka neu diskutieren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär Schweitzer, bitte.

 


15.21.02

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Kollege Schennach: Weder „Anwurf“ noch „Flegelei“, das stelle ich einmal fest, sondern ich habe lediglich verkündet, was ich hier gesehen habe. Sie haben während eines Redebeitrages Ihrer Fraktionskollegin für enorme Unruhe gesorgt und damit die Aufmerksamkeit, die die­sem Redebeitrag hätte zuteil werden können, einfach nicht gestattet. Aber es ist Ihr Problem, wie Sie damit umgehen. (Bundesrat Reisenberger: Jetzt macht er schon wieder weiter! Was soll denn das?)

Was ist denn? – Sie stellen sich da hin ... (Bundesrat Reisenberger: Ich glaube, Sie wissen nicht, was Ihnen zusteht oder nicht, Herr Staatssekretär! Geben Sie Auskunft!)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär! Was heißt: „Was ist denn?“ Bitte mäßigen Sie sich! Wir sind ja hier nicht in einem Wirtshaus! (Staatssek­retär Mag. Schweitzer: Ja, das hätten Sie vorher sagen müssen, dass wir in keinem Wirtshaus sind! – Bundesrat Winter: Das ist ja ein Wahnsinn!)

Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass es sich hier um ein Wirtshaus handelt, dann muss ich Sie ersuchen, unter Umständen einmal draußen ein bisschen nachzudenken, was da wirklich los ist! Sie sind in einem Parlament. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen!

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Frau Prä­sidentin! Ich habe das Wort „Wirtshaus“ nicht in den Mund genommen; das stelle ich einmal klar fest. Dieser Begriff kam von Ihnen. (Bundesrätin Mag. Knoll: Entschuldigen Sie sich!)

Aber ich bin gerne bereit, mich jetzt wieder der Sache zu widmen. Ich glaube, Sport ist eine wichtige Sache. Es sollten einige dieses Thema durchaus etwas ernster nehmen, denn das, was der Sport für unsere Gesellschaft zu leisten imstande ist, ist von sehr großer Bedeutung. Ich wollte mich eigentlich sehr ernsthaft mit dem Debattenbeitrag des Kollegen Erlitz, den ich wirklich für qualitativ sehr hoch stehend gehalten habe, auseinander setzen.

Herr Kollege Erlitz, wir sind gerade jetzt in der täglichen Diskussion mit der Tatsache konfrontiert, dass ein bekannter Künstler des Drogenmissbrauchs überführt wurde und das in die Öffentlichkeit gekommen ist. Wir müssten diese Diskussion dann, wenn es um Doping geht, wirklich auch in einem breiteren Rahmen führen. Wo wird denn noch gedopt? – Es stimmt, im Sport wird gedopt, und im Sport wird jemand, der dopt, auch bestraft, und zwar sehr hart bestraft.

Wenn der Sportler das erste Mal des Dopings überführt wird, wird er zwei Jahre lang gesperrt. Jetzt muss man sich das einmal vorstellen: Wenn es sich um einen Schützen handelt, der zum Beispiel ein Glas Wein getrunken hat und an einem Wettbewerb teil­nimmt, dann hat er gedopt. Das bedeutet zwei Jahre Sperre, das bedeutet für einen


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Profisportler zwei Jahre Berufsverbot. Nach Ablauf dieser zwei Jahre wiederholt sich womöglich dieser Fall. Er trinkt vor dem Wettkampf ein Glas Wein. Das bedeutet Be­rufsverbot für ein ganzes Leben! Das ist das, was im Sport Gültigkeit hat.

Jetzt kommen wir zu Künstlern im Bereich der Musik, im Bereich des Theaters zurück. Kommen wir zum Management in vielen Großbetrieben! Wenn man die Frage stellt, ob da gedopt wird, dann kann man ruhig darauf antworten: Natürlich gibt es dort Doping­fälle.

Wie geht man damit um, Herr Kollege Erlitz? Wie geht man zum Beispiel in diesem aktuellen Fall mit dem Überführten um? Wird er kriminalisiert? Man stelle sich vor, wie die Öffentlichkeit, wie auch die Berichterstattung, wie die für die Berichterstattung Ver­antwortlichen mit Sportlern aus Österreich umgegangen sind, denen bis heute nichts nachgewiesen wurde! Ich erinnere daran, wie man einen äußerst erfolgreichen Trainer, der im österreichischen Skilanglaufsport – Sie sind ja Steirer – im Jahre 1999 bei der Weltmeisterschaft in der Ramsau für diese großen Erfolge verantwortlich war, nämlich Walter Mayer, verfolgt hat, ja dessen Existenz ruiniert hat, ohne einen einzigen Beweis in der Hand zu haben. Ich finde es zutiefst deprimierend – zumindest zutiefst depri­mierend –, wie man hier Existenzen ruiniert hat! Der Mann ist kaputt.

Ich habe guten Kontakt zu Walter Mayer. Er ist kaputt, den hat man kaputtgemacht. Und da sollte man daran denken, ob das wirklich in Ordnung war, was passiert ist. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Man hat die österreichischen Sportler Tag und Nacht kontrolliert. Es gab innerhalb eines Jahres 337 Kontrollen bei Sportlern des Österreichischen Skiverbandes. Felix Gottwald, den ich persönlich gut kenne, der nicht einmal eine Vitamin C-Brause nimmt, wurde 27 Mal kontrolliert, Hermann Maier 17 Mal kontrolliert, Michaela Dorfmeister zwölf Mal kontrolliert. Die Ergebnisse waren negativ.

Bei den zehn kontrollierten nordischen Skisportlern der österreichischen Olympiamann­schaft hat sich nach langem Hin und Her herausgestellt, dass alle Kontrollen negative Ergebnisse hatten.

Jetzt muss ich einmal sagen: Trotz all der Rahmenbedingungen, die nicht von den Sportlern geschaffen werden ... Ich war vor Ort bei den Olympischen Spielen in Pra­gelato und ich sage Ihnen, ich bin bei Gott kein schlechter Ausdauersportler. Ich habe mir die Langlaufski angeschnallt und bin mit dem Lois Stadlober diese Zehn-Kilometer-Loipe, die man sehr oft im Fernsehen gesehen hat, weil alle Wettkämpfe dort stattge­funden haben, gelaufen. Beim ersten Anstieg musste ich stehen bleiben, weil ich ein­fach keine Luft mehr bekam, beim zweiten Anstieg noch einmal. Für die Zehn-Kilo­meter-Runde habe ich fast eine Stunde gebraucht. Und die Spitzensportler sind das 50 Kilometer-Rennen am letzten Tag der Olympischen Spiele unter zwei Stunden ge­laufen. Das heißt, die sind wirklich top vorbereitet auf solche Ereignisse.

Aber welche Funktionäre sind dafür verantwortlich, dass man so eine Loipe mit solch extremen Schwierigkeiten in 2 000 Meter Höhe aussucht, wo die Luft unheimlich dünn ist, wo man schier Übermenschliches leisten muss, wenn man überhaupt drüber kom­men will? Wer sucht denn so etwas aus?

Wo kommt denn der Druck dafür her, dass man bei der Tour de France 4 000 Kilo­meter in drei Wochen fahren muss mit Bergetappen, die einem Übermenschliches ab­verlangen?

Setzen wir uns doch selber aufs Rad und fahren wir, ich den Gschriebenstein hinauf, die Tiroler das Kitzbüheler Horn! Ich bin da einmal hinaufgefahren. Das ist unmensch­lich, wenn man da hinauffahren muss.


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Wer verlangt denn diese Leistungen von den Sportlern? Sind das nicht diejenigen, die Soletti fressend und Spritzer saufend vor dem Fernseher sitzen, die solche Leistungen von den Sportlern verlangen? (Bundesrätin Mosbacher schüttelt den Kopf.) – Sie schütteln den Kopf. Nicht Sie, Frau Kerschbaum, die Kollegin dahinter. Ich sage, dass ich Recht damit habe. – Die Couch-Potatoes sind es unter anderem auch, die solche Leistungen verlangen, denn sie machen die Einschaltquoten aus. Sie machen die Ein­schaltquoten aus, die wieder wichtig sind für die Unterstützung durch das Fernsehen und für den Verkauf der TV-Rechte, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Unruhe bei der SPÖ.)

Wenn Sie diese Diskussion nicht führen wollen, dann müssen Sie es sagen, aber diese Diskussion muss geführt werden. Die Spitzensportler müssen vor solcher Sensations­lust und Sensationsgier geschützt werden. (Bravoruf des Bundesrates Kritzinger so­wie Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß schon, dass das nicht jeder hören will. Das weiß ich schon. Deshalb versu­chen wir, in einem gemäßigten Rahmen ein Gesetz in Österreich – und wir haben es Gott sei Dank gemeinsam zustande gebracht – zu schaffen, sodass die Sportler nicht kriminalisiert werden, wenn sie eines Dopingvergehens überführt werden. Niemand wird kriminalisiert, der jetzt Betroffene wird nicht kriminalisiert. Wenn er eines Verge­hens nach dem Suchtgiftmittelgesetz überführt wird, wird er nicht sofort kriminalisiert.

Aus diesem Grund war es uns wichtig, dieses Anti-Doping-Gesetz genau so zu gestal­ten, wie es ist, nämlich mit einer Berufungsmöglichkeit, mit einem Schiedsgericht und mit einer Aufklärungskampagne.

Ich bin froh darüber, dass es uns gelungen ist, dieses Gesetz einstimmig zu beschlie­ßen. Und wenn ich jetzt ein bisschen eine Diskussion ausgelöst habe, dann war das durchaus in meinem Sinn. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl sowie Beifall bei der ÖVP.)

15.30


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär Schweitzer! Was nicht in unserem Sinne ist, ist, dass Sie Zuseher von sportlichen Ereignissen als „So­letti-Fresser“ und „Couch-Potatoes“ bezeichnen. Ich erteile Ihnen dafür einen Ord­nungsruf. Das ist noch nicht oft vorgekommen, das weiß ich. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Aber es ist für mich einfach unfassbar, dass jemand, der dafür da ist, für die Österrei­cher – nicht für eine Gruppe von Spitzensportlern, sondern für die Österreicher insge­samt – den Sport attraktiv zu machen, Menschen, die sich via Fernsehen Sportübertra­gungen ansehen, so bezeichnet. Ich muss Ihnen sagen, Ihre Diktion entbehrt wirklich jedes Verständnisses. Wie gesagt: Diesen Ordnungsruf habe ich im vollen Bewusst­sein erteilt, dass man mit Österreichs Fernsehzusehern so nicht umgeht. (Beifall sowie Rufe bei der SPÖ: Jawohl!)

Liegt hiezu noch eine Wortmeldung vor? – Das ist nicht der Fall.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2006 betreffend ein Anti-Doping-Bundesgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Nun gelangen wir zur Abstimmung über den 19. Sportbericht 2003–2004.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Auch hier ist wieder die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

15.33.1912. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend die Haftungsübernahme zur Zukunftssiche­rung der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG geschaffen, das Bundesfinanzgesetz 2006 und das National­bankgesetz 1984 geändert sowie ein Bundesgesetz betreffend den Erwerb von Aktien der Oesterreichischen Nationalbank geschaffen werden (1447 d.B. sowie 7522/BR d.B. und 7534/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Sodl übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


15.33.58

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Mai 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend die Haftungsübernahme zur Zu­kunftssicherung der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG geschaffen, das Bundesfinanzgesetz 2006 und das Nationalbank­gesetz 1984 geändert sowie ein Bundesgesetz betreffend den Erwerb von Aktien der Oesterreichischen Nationalbank geschaffen werden.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Mai 2006 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


15.35.22

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Jener Teil der Beschlüsse des Nationalrates, die dem Ein­spruchsrecht des Bundesrates unterliegen und die wir hier behandeln, sind ein Teil eines Maßnahmenpaketes, das spät, aber doch (Ruf bei der ÖVP: „Spät“?) von der Bundesregierung vernünftigerweise im Interesse des Finanzstandortes Österreich auf den Weg geschickt wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.– Oh, welch Auf­regung!

Wir können uns noch sehr gut daran erinnern, mit welchen Worten sich der Herr Bun­deskanzler – und ich habe kein Problem damit, diese als verantwortungslos zu be­zeichnen – in einer frühen Phase der Diskussion geäußert hat, als selbstverständlich die Frage einer entsprechenden Maßnahme der staatlichen Politik bereits im Raum stand. Das ändert nichts daran, dass diese Maßnahme vernünftig und richtig ist und


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dass wir selbstverständlich zustimmen, auch wenn es begreiflicherweise öffentliche Diskussionen über einige Elemente dieses Paketes gegeben hat.

Es ändert nichts daran: Wir sagen ja zu diesen Maßnahmen, weil sie notwendig sind –im Interesse der viertgrößten österreichischen Bank, im Interesse von deren Kunden, im Interesse von deren Beschäftigten und eben nicht zuletzt auch im Interesse des Fi­nanzplatzes Wien. Es ist ganz klar, dass diese Maßnahmen vor einem spezifischen Hintergrund notwendig wurden. Es ist nicht meine Absicht, darum herumzureden.

Tatsache ist, dass schwere Verfehlungen, zumindest im Management, entscheidend zur Schieflage eines an sich erfolgreichen Institutes beigetragen haben, nein, diese ur­sächlich herbeigeführt haben. Dieses Unternehmen, das im Eigentum des Österreichi­schen Gewerkschaftsbundes steht – gar keine Frage –, hat sich in vielen Jahren eine Marktposition erarbeitet, die beachtlich ist, ist weit überdurchschnittlich gewachsen und hat sich an einem bestimmten Punkt auf Geschäfte eingelassen – wobei es dabei kei­neswegs allein war –, die hochriskant waren und die demzufolge auch jene Verluste mit einkalkulierten, die dann tatsächlich eingetreten sind.

Es war Ewald Nowotny, der nunmehrige Generaldirektor dieses Instituts, der in einer sehr beeindruckenden, aber auch sehr verständnisvollen Art und Weise auf die Proble­me hingewiesen hat, wenn erfolgreiche Manager – und das waren sie alle auch zu ir­gendeinem Zeitpunkt ihres Lebens – beginnen, so von sich überzeugt zu sein, dass sie auf Kritik und Kontrolle nur mehr allergisch reagieren, weil ihre bisherigen Erfolge sie zu der Vermutung veranlassen, sie könnten gar nichts falsch machen. Ewald Nowotny hat hinzugefügt, dass er hoffe, bei seiner reichen Erfahrung aus anderen Bereichen vor diesem Syndrom gefeit zu sein.

Ich glaube, dass das auch im Kern das Problem war, dass in einer Abfolge von zumin­dest zwei Generaldirektoren – und der Dritte hatte nicht die Kraft, das zu ändern – ein System entstanden ist, in dem alle Mechanismen, die innerhalb des Betriebes hätten bestehen sollen – kontrollierend, diskutierend, abwägend –, außer Kraft gesetzt wur­den und in dem die externe Kontrolle ebenfalls nicht funktioniert hat.

Hinzuzufügen ist, dass es ihnen mit ihrer Persönlichkeit ganz offensichtlich gelungen ist, diejenigen, die sie kontrollieren sollten, so zu beeindrucken, dass sie sich mehr als Teil eines Systems denn als Kontrollore verstanden haben, welche die primäre Aufga­be gehabt hätten, kritisch zu sein, nicht aber abzunicken. Genau das ist aber gesche­hen, und aus dieser ganz offensichtlich falsch verstandenen Loyalität heraus wurden Probleme, die diese Bank – bereits lange – hatte, auch auf den Eigentümer übertra­gen, und er wurde gewissermaßen mit diesen Problemen infiziert.

Das ist nicht die monetäre Geschichte, aber es ist die Struktur dessen, was geschehen ist und was mit Sicherheit – nicht nur im Bereich der Arbeiterbewegung, sondern sehr wohl auch im Bereich der Finanzwirtschaft – Anlass zu tiefer Nachdenklichkeit geben sollte.

Ich habe nicht die Absicht, irgendetwas dadurch zu beschönigen, dass ich feststelle, dass das auch anderen im österreichischen Kreditapparat passiert ist, wenn auch nicht in der gleichen Dimension. Es waren aber auch anderswo die unfehlbaren, unkritisier­baren Chefs, die – um ein Beispiel zu nennen – gegenüber dem Land Kärnten oder ge­genüber dem Eigentümer Grazer Wechselseitige den Eindruck der absoluten Erfolgs­garantie ihrer Entscheidungen vermittelt haben, Kontrollmechanismen außer Kraft ge­setzt und viel Geld – weniger Geld als bei der BAWAG; ich sage das korrekterweise noch einmal dazu – in den Sand gesetzt haben. Es ist das – ich weiß nicht, ob ich sa­gen soll: erfreulicherweise – kein Spezifikum jener Bank und jenes Eigentümers, für die heute gesetzliche Maßnahmen beschlossen werden.


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Die Herren, die dafür die Verantwortung zu tragen haben, werden sich ganz offensicht­lich in ihrer Mehrzahl auch strafrechtlich für ihre Verhaltensweisen zu verantworten haben. Die Entscheidung darüber, wer von ihnen sich gegenüber welchen Beschuldi­gungen zu verantworten hat, ist nicht politisch zu treffen, sondern von den Strafverfol­gungsbehörden und letztlich von den Richtern. Die Verantwortlichen haben sich außer­dem ganz offensichtlich auch einer zivilrechtlichen Haftung ausgesetzt. Wenn die Pha­se der strafgerichtlichen Beurteilung über die Bühne sein wird, dann wird in der Folge allenfalls die Frage nach Haftungen, der Herausgabe von Vorteilen, die illegitim erlangt wurden, und Ähnlichem zu stellen sein. Das ist dann freilich eine politische Entschei­dung jener, die geschädigt wurden. – Das ist die eine Geschichte.

Die andere Geschichte ist der Versuch eines Angriffes auf den politischen Mitbewer­ber, und dieser Versuch, aus einer katastrophalen und Existenz bedrohenden Fehlent­scheidung von Managern und denen, die ihnen geglaubt haben, ein sozialdemokra­tisch-gewerkschaftliches Sittenbild zu konstruieren, liegt meines Dafürhaltens bei allem Verständnis für lustvolle Ausübung politischer Angriffe – wie ich mit großer Ehrlichkeit sagen möchte – an der Grenze, wenn nicht jenseits der Legitimität.

Unbestreitbar: Da gab es einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der seine Funktion offen­sichtlich im Interesse der Bank und nicht im Interesse des Eigentümers ausgeübt hat. Da gab es einen Gewerkschaftspräsidenten, der diesem engen Mitarbeiter in einer kri­tischen Situation den sich aus diesem Verhältnis ergebenden Glauben geschenkt hat und demzufolge sehr, sehr schwerwiegende Entscheidungen für den Österreichischen Gewerkschaftsbund getroffen hat. – Keine Frage: Damit wird und muss sich die öster­reichische Gewerkschaftsbewegung auseinandersetzen! Und sie muss sich auch mit anderem auseinandersetzen.

Ich bin lebenslanges Mitglied und zeitweiliger Funktionär dieser Bewegung, und ich ha­be nicht die geringste Absicht, dies zu bedauern oder mich dafür zu schämen. Ganz im Gegenteil: Das ist etwas, aus dem ich ein Stück meiner persönlichen und politischen Identität beziehe!

Gerade deshalb sage ich das. Ich empfinde das nicht als politischen Auftrag, wie das Zwischenrufer in anderen Fällen beurteilen zu sollen gemeint haben, sondern ich drü­cke damit das tiefe Gefühl aus, dass daraus – und das kann nur der Anfang sein – per­sonelle Konsequenzen gezogen werden müssen, weiters Konsequenzen betreffend die Strukturen und den Entscheidungsmechanismus und schließlich unter dem Druck der ökonomischen Verhältnisse auch Konsequenzen für das, was man so unschön „den Apparat“ nennt, weil dieser Apparat ja aus Menschen, und zwar aus sehr engagierten und wertvolle Arbeit leistenden Menschen besteht.

Es wird schon so sein, dass sich der ÖGB zur Überwindung dieser nicht hausgemach­ten, aber ins Haus geschleppten finanziellen Probleme strukturell wird verschlanken müssen. Es ist gar keine Frage, dass er verantwortungsvoll gegenüber dem Unterneh­men und den Beschäftigten einen Käufer für diese Bank zu suchen haben wird. Und es wird ein tiefer Schock bleiben, der lange nachwirken wird. Wer etwas anderes sagt oder behaupten würde, der würde sich selbst belügen oder versuchen, andere zu be­lügen.

Das, was wir in den letzten Wochen sowohl im gewerkschaftlichen Bereich als auch im Bereich der SPÖ miterlebt haben, ist aber etwas unendlich Ermutigendes. Ich spreche jetzt von der Reaktion von Menschen, die sich – als Mitglieder, Funktionäre, Vertrau­enspersonen oder Betriebsräte – dieser Bewegung zugehörig fühlen und die genau wissen, dass zu unterscheiden ist zwischen dem Fehlverhalten Einzelner und der Auf­gabe einer Gemeinschaft, die im Dienste der Arbeitnehmer steht und für diese Tag für Tag – sei es in Arbeitsrechtsprozessen, sei es bei Kollektivvertragsverhandlungen, sei


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es durch Interventionen – unendliche Erfolge herausholt und das auch in der jetzigen Situation jeden Tag tut.

Viele von Ihnen, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, wer­den – wie ich doch annehme – ebenfalls Mitglieder des Österreichischen Gewerk­schaftsbundes sein. (Bundesrat Bieringer: Jawohl!) In deinem Fall weiß ich es, ich habe jetzt aber von „vielen“ gesprochen, es muss sich also nicht jeder einzeln melden! Es ist dies unser gemeinsamer Gewerkschaftsbund, in dem wir als politische Fraktio­nen naturgemäß nicht immer einer Meinung sind, wie uns auch das Faktum, dass das hier unser gemeinsamer Bundesrat ist, nicht daran hindert, als Fraktionen in diesem gelegentlich sehr unterschiedlicher Meinung zu sein.

Es sollte aber der eine dem anderen etwas nicht in Abrede stellen: dass er das, was er sagt, in seinem Bestreben vertritt, das Bestmögliche für die Mitglieder dieser Gewerk­schaft zu erreichen. In dieser Gewerkschaft sollte der eine dem anderen ehrlicherweise nicht vorwerfen können, nicht im Interesse der Mitglieder zu handeln. Wir mögen auch im ÖGB unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was im Einzelfall für die jeweili­gen Mitglieder das Richtige ist. Das ist legitim, und, um ganz ehrlich zu sein, möchte ich hinzufügen: Weder christliche Gewerkschafter noch sozialdemokratische Gewerk­schafter sind in ganz konkreten Fragen innerhalb der eigenen Reihen immer hundert­prozentig derselben Meinung, welcher Schritt jetzt notwendig und richtig ist und wel­chen man daher auswählen sollte. (Bundesrätin Bachner: So ist es!)

Ich finde das eigentlich sehr gut, denn das ist der lebende Beweis dafür, dass es sich da nicht um einen merkwürdigen monolithischen Apparat handelt, wo „Par ordre de Mufti“ – oder wie auch immer – eine Meinung entsteht, die dann bis ins letzte Glied durchgezogen wird. So funktioniert der ÖGB nicht, und ich sage dazu: Erfreulicher­weise funktioniert er nicht so!

Es ist dies eine Einladung an Sie als Mitglieder dieses Gewerkschaftsbundes und sei­ner Gliederungen, an Sie ganz persönlich und an die Gruppen und Mitglieder, die Sie vertreten, am Prozess einer Neukonstituierung und Neustrukturierung und natürlich auch einer Reform dieses wichtigen Gewerkschaftsbundes teilzunehmen, mitzuwirken und sich dort einzubringen. Glauben Sie mir: Ich werde das auch tun! Ich bin weit da­von entfernt, irgendein Spitzenfunktionär zu sein. Selbst meine Sektionsfunktion habe ich schon vor vielen Jahren zurückgelegt, seitdem ich diesen Beruf nicht mehr aktiv ausübe. Aber ich bin Mitglied, und ich bin ein überzeugtes und begeistertes Mitglied, und ich werde mich natürlich intern und für den Fall des Falles auch in der Öffentlich­keit adäquat zu Wort melden.

Das Vertrauen in die Idee, die hinter dieser Gewerkschaftsbewegung steht, und die Überzeugung von der Notwendigkeit einer funktionierenden Gewerkschaft als Basis für unsere Sozialpartnerschaft, die in den letzten Wochen erfreulicherweise nicht nur von Gewerkschaftern, sondern auch von den Vertretern anderer Sozialpartner, nämlich von der Unternehmerseite, betont wurde, sind ein wichtiger Impuls für die jetzt notwendigen Maßnahmen.

Es gibt in dieser Entwicklung vieles, was mich beschämt, und nichts, außer der Reak­tion der Menschen, was mich stolz macht. Diese Reaktion der Mitglieder und Vertrete­nen ist das, was mich davon überzeugt, dass der Prozess der Reform erfolgreich sein wird, nicht zuletzt auch deshalb, weil er erfolgreich sein muss.

Betreffend den heutigen Gesetzesbeschluss wurde im Nationalrat lange darum gerun­gen, eine notwendige Klarstellung herbeizuführen, und nur unter der Bedingung, dass nicht der Konkurs des ÖGB die Voraussetzung für das Schlagendwerden der Bundes­haftung ist, konnte die Vorlage unsere Zustimmung finden. Diese Lösung beinhaltet auch unschöne Elemente. Ich gebe freimütig zu, dass der Preis, zu dem der Bund die


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Nationalbankaktien übernimmt beziehungsweise die zu übernehmen wir ihm eben erst mit unseren Beschluss ermöglichen, eigentlich eine Beleidigung und kontraproduktiv ist. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Sagen wir so, Herr Staatssekretär: Der Preis, der bisher verhandelt wurde. Wenn Sie Namhaftes draufzulegen bereit sind – und Namhaftes beginnt bei der Null hinter der gegenwärtigen Zahl –, dann bin ich gerne bereit, mich in der nächsten Sitzung für die jetzt gemachte Äußerung zumindest im Rückblick zu entschuldigen.

Ich weiß, zu welchen Preisen Nationalbankaktien in weiter zurückliegender Vergangen­heit den Besitzer gewechselt haben. Das, was jetzt geboten wird, ist mit Sicherheit der ... (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Herr Staatssekretär, es gibt natürlich eine Gesprächsbasis mit dem gegenwärtigen Eigentümer, und ich beziehe mich auf die Zahl, die in diesen Gesprächen genannt wur­de. Wenn Sie ein Angebot legen, das vor der bekannten zweistelligen Zahl noch eine Null hat, werde ich nicht anstehen, mich ausführlich zu entschuldigen. Dann kommen wir dem realen Wert ein bisschen nahe. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Ich meinte: Hinten! Hinter der Zahl! Nullen sind nur hinten relevant, wenn ich auch zu­gebe, dass eine Ansammlung von Nullen nicht immer eine mathematisch, aber poli­tisch sehr gefährliche Zahl sein kann! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist nicht von mir! Das ist einer der berühmten Aphorismen von Stanislaw Jerzy Lec! Ich will nicht fremde literarische Produkte für mich in Anspruch nehmen. Aber die Bemerkung hat mich dazu verleitet. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das ist der unschöne Teil, so wie es der Versuch ist, aus einem jämmerlichen Managerscheitern eine politische Angelegenheit zu machen. (Bundesrat Bader: Was ist es sonst?) Es ist das, was ich gesagt habe: Es ist ein Ver­sagen der Kontrolle gegenüber einem jämmerlichen Versagen eines Managements, das sich grandios überschätzte. Herr Kollege! Damit habe ich begonnen. Wenn Sie mir erst jetzt zuhören, dann muss ich die Passage wiederholen, wozu ich eigentlich nicht die Absicht habe. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Es freut mich, dass Sie aufgewacht sind!

Meine Damen und Herren! Jeder, der das tut, was jetzt alle behaupten, sich nämlich um den Finanzplatz Österreich Sorgen machen, ist gut beraten, wenn er das bespricht, was vorliegt, und nicht die Wunschvorstellung! Ich weiß schon: Ein paar Monate vor einer Wahl ist es ein Geschenk des Himmels, dem politischen Mitbewerber sagen zu können, dass er eine Bank in den Ruin geführt hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der politische Mitbewerber heißt SPÖ, und Sie werden ihn noch kennen lernen, bezie­hungsweise kennen Sie ihn schon, werden ihn aber noch besser kennen lernen! (Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Kollegen in Salzburg, in der Steiermark und in Wien haben diesen politischen Mit­bewerber in eindrucksvoller Weise kennen gelernt, und die anderen werden noch Gele­genheit dazu haben! – Aber lassen wir das. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schni­der.) Kollege Schnider weiß, was er von diesem politischen Mitbewerber zu halten hat! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Okay! Dann mache ich einen Vorschlag! Ich teile das auf: Sie applaudieren mir bitte für die Rede bis vor 3 Minuten, und am Schluss dürfen Sie dann pfeifen!

Zurück zum Thema. – Es ist ein Geschenk des Himmels. Aber die SPÖ hat keine Bank geführt. Ihre Verantwortlichen ... (Bundesrat Höfinger: Doch! – Gegenrufe bei der ÖVP.) Ach so! Herr Kollege! Das ist jetzt an der Grenze! Das ist natürlich von der Im­munität umfasst, aber die Unterstellung, dass irgendein Funktionär der SPÖ in die Ge-


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schäftsführung der BAWAG und diese Geschäfte eingegriffen hat, ist eigentlich klags­fähig! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Höfinger: Was ist mit Verzetnitsch?)

Auch Verzetnitsch hat naturgemäß nicht in diese Geschäfte eingegriffen. Für das, was er getan hat, hat er seine Funktion zurückgelegt beziehungsweise musste sie zurück­legen, und dafür gibt es eine Auseinandersetzung zwischen dem ÖGB und seinem frü­heren Präsidenten. Seine Verfehlung war, eine falsche Entscheidung getroffen zu ha­ben, gestützt auf das Urteil eines engen Mitarbeiters, der vielleicht nicht nur in diesem Fall nicht die Interessen des ÖGB, sondern die Interessen des Bankmanagements ver­treten hat. Das haben Sie übrigens vor zehn Minuten einigermaßen widerspruchsfrei zur Kenntnis genommen! (Bundesrat Mayer: Nicht alles schönreden! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Wenn Sie der Meinung sind, jetzt noch schnell einen Wirbel machen zu müssen, dann kann ich auch gehen, und Sie machen den Wirbel ohne mich! Mit dem, was ich sage, kann es nichts zu tun haben, denn das habe ich schon vor zehn Minuten gesagt.  

Meine Damen und Herren! Sie sind also im Begriff, diese Chance ausnützen zu wollen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Bitte? Wie meinen, Herr Kollege? (Bun­desrat Dr. Kühnel: Ich habe gemeint, den Kollegen Kneifel haben Sie gerügt, der et­was länger gesprochen hat, und Sie reden jetzt schon ...!) Entschuldigen Sie! Es ist mir nicht bewusst, dass der Herr Staatssekretär in drei Minuten gehen muss! Bei Herrn Barroso war das ein bisschen anders. Falls Sie das nicht mitbekommen haben, dann sollten Sie der Frau Präsidentin ein bisschen zuhören, wenn Sie die entsprechenden Vorgaben mitteilt. – Das nur zu dieser mir völlig unbegreiflichen Zwischenbemerkung. Eine Diskussion darüber zahlt sich wirklich nicht aus. Ich weiß, dass ich in diesem Punkt mit der Hälfte der ÖVP-Fraktion ohnedies einer Meinung bin, nur mit Ihnen offen­bar nicht. Ich werde damit zu leben haben.

Nochmals: Sie haben alle Möglichkeiten zu versuchen, das zu behaupten ... (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.) Nicht in der Sache BAWAG, in der Barroso-Debatte! (Bundesrat Schennach: Das war ein Missverständnis!) Ich entschuldige mich, wenn das missverständlich war. In der Frage BAWAG-Debatte glaube ich das eher nicht, bei anderen könnte es höher sein!

Meine Damen und Herren! Sie werden das probieren! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Menschen in diesem Land wissen, was Sie davon zu halten haben. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Die Verantwortlichen stehen jetzt und im Herbst nicht zur Wahl. Sie stehen, wie zu erwarten ist, in ihrer Mehrzahl vor Gericht. – Das ist nicht ganz dasselbe. (Bundesrat Mag. Baier: Wer kandidiert denn dann bei der SPÖ? – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Herr Kollege, ich bemühe mich sehr, ruhig zu bleiben. Die Unterstellung, dass die Kan­didaten der SPÖ Kriminelle sind, ist von einer derartigen Ungeheuerlichkeit, dass ich versucht bin, hinzugehen – ich bin Kandidat! – und Ihnen eine runterzuhauen: rechts und links! Das ist eine Frechheit, die bodenlos ist! (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Himmer: Zur Geschäftsordnung! Rufe bei der ÖVP: Ordnungsruf!)

16.00


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Konecny, ich muss jetzt aus mehreren Gründen unterbrechen. Erstens ist es bereits 16 Uhr, und die Sitzung ist auf jeden Fall für die Dringliche Anfrage zu unterbrechen

Zweitens ist es einhellige Meinung, dass das Wort „Frechheit“ in so einem Gremium nichts verloren hat und einen Ordnungsruf nach sich zieht. Ich würde wirklich darum bitten, dass auch bei emotionellen Themen – und es handelt sich da zweifellos um ein


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emotionelles Thema – immer die Form gewahrt bleibt, denn wir stehen unter der Be­obachtung der Österreicher – nicht nur unserer Parteimitglieder. Bieten wir ihnen bitte kein Bild, über das sie dann nur den Kopf schütteln und sagen: Mit der Politik ist nichts anzufangen! Im Gegenteil: Sie sollen stolz auf die Politiker sein, die in diesem Land wirken. Wir müssen jetzt sowieso unterbrechen. Wenn wir die Debatte dann fortsetzen, ersuche ich darum, in einem etwas gemäßigteren, urbaneren Ton miteinander umzu­gehen. (Bundesrat Konecny: Gerne! Beifall der SPÖ.)

Dass ich die Verhandlungen zur Tagesordnung unterbrochen habe, habe ich bereits gesagt.

16.02.04Dringliche Anfrage

der Bundesräte Ewald Lindinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gesetzes-Pfusch bei Brieffachanlagen (2401/J-BR/2006)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Ewald Lindinger, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Ver­lesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Lindinger zur Begründung als erstem Anfragesteller das Wort. – Bitte.

 


16.02.21

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das ist das Corpus Delicti (der Redner stellt ein Hausbrieffach vor sich auf das Rednerpult), um das es heute bei dieser Dring­lichen Anfrage geht und das sehr vielen Österreicherinnen und Österreichern sehr viel Geld kosten wird, die unschuldig dazu gekommen sind, dafür einiges aufzuwenden.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Wir haben heute diese Dringliche An­frage an Sie eingebracht, weil der Verfassungsgerichtshof mit 25. April Teile des Post­gesetzes aufgehoben hat.

Dies ist die Fortsetzung einer Reihe von verpfuschten Gesetzen dieser Bundesregie­rung, die der Verfassungsgerichtshof aufheben musste. Wir Sozialdemokraten haben schon bei den Postgesetznovellen 2003 und 2005 auf jene Bestimmungen aufmerk­sam gemacht und 2005 im Bundesrat gegen diese Novelle gestimmt.

Der Schaden, der durch das verpfuschte Gesetz verursacht wurde, ist noch nicht ab­sehbar, aber ich orte drei verschiedene Gruppen von Geschädigten. Ich werde dies auch später in meinen Ausführungen begründen. Abgesehen von der Größe der Brief­kästen – Sie haben sie ja gesehen – und dem nicht vorhandenen Schutz vor fremdem Zugriff ist die Umsetzungsfrist mit 30. Juni 2006 einer der von uns kritisierten Punkte, die auch vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden.

Ein Beispiel: Im guten Glauben, sich auf die Gesetze verlassen zu können, wurde von den betroffenen Wohnungs- und Hauseigentümern mit der Umrüstung begonnen be­ziehungsweise wurde diese teilweise auch schon abgeschlossen. – Sie wollten keine Strafe von sage und schreibe 30 000 € riskieren. Allein die Gemeinde Wien hat schon 220 000 Briefkästen umgerüstet und kein Recht auf Rückerstattung der angelaufenen Kosten.


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Die geschätzte Anzahl in ganz Österreich wird mit über 1 Million Briefkästen in den Wohnanlagen angegeben. Die Kosten dafür werden auf zirka 100 Millionen € ge­schätzt.

Meine Damen und Herren! Die erste Gruppe der Geschädigten sind jene Hauseigen­tümerinnen und Hauseigentümer, die in vorauseilendem Gehorsam auf ihre eigenen Kosten oder auf Kosten der Mieter die Postkästen schon ausgewechselt haben.

Allein die im Gesetz vorgesehene Umsetzungsfrist bis 30. Juni 2006 war zu knapp be­messen – die EU-Richtlinie sah eine Frist bis 2009 vor. Dies erkannte auch der Verfas­sungsgerichtshof und hob diese Bestimmungen auf. Die österreichische Bundesregie­rung hatte es da ganz eilig. Ich weiß nicht, wollten da einige schnelles und gutes Geld machen? – Es wäre aber nicht notwendig gewesen, eine so kurze Frist zu setzen.

Die Verpflichtung der Gebäudeeigentümer zum Auswechseln oder Errichten von Haus­briefanlagen wurde als verfassungswidrig aufgehoben. Eine solche Verpflichtung stellt einen Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrecht dar. Laut Verfas­sungsgerichtshof wäre ein solcher Eingriff nur dann gerechtfertigt, wenn dies im öffent­lichen Interesse gelegen wäre. Das öffentliche Interesse kann jedoch vom VfGH nicht gesehen werden, sondern nur das Interesse von teilweise konkurrierenden Anbietern von Postdienstleistungen.

Die Bundesregierung hat sich im Verfahren beim VfGH mit so genannten Vorgaben der EU – ich würde salopp sagen – eine Ausrede gesucht. Allein das bisher Erläuterte ist schon Grund genug für eine Dringliche Anfrage an den zuständigen Bundesminister. Geschätzte Damen und Herren! Ich komme aber nun zu einer weiteren Gruppe von Geschädigten, nämlich zur österreichischen Wirtschaft.

Die österreichische Bundesregierung schädigt mit diesem Husch-Pfusch-Gesetz die österreichische Wirtschaft. In der Branche bekannte Unternehmen haben sich im Ver­trauen auf die Postgesetznovellen 2003 und 2005 auf die Umrüstung eingestellt und zum Beispiel auch Mitarbeiter aufgenommen. Es ist laut Branchenauskunft davon aus­zugehen, dass es mit dem VfGH-Urteil zu einem Abbau von 200 Arbeitsplätzen ge­kommen ist beziehungsweise kommen wird.

Ein Beispiel aus meiner Region: Ein junger, innovativer Unternehmer hat aus Anlass dieses Gesetzes eine Firma gegründet. Mit seinen Mitarbeitern entwickelt er ein öster­reichisches Produkt aus österreichischen Materialien. Zehn neue Arbeitsplätze wurden in Vertrieb und Montage geschaffen. Für die Produktion wurde eine Partnerfirma auch aus der Region gefunden. Diese Firma investierte wiederum 100 000 € in eine neue Fertigungsmaschine, um gegen Billigprodukte aus den osteuropäischen Ländern kon­kurrenzfähig zu sein. In dieser Firma wurden wiederum zehn weitere Arbeitsplätze da­mit geschaffen.

Weil sich niemand auf die verfassungsmäßige Haltbarkeit – Gesetze haben eine kurze Ablaufdauer – verlassen kann, sind auch diese Arbeitsplätze gefährdet. Diese Bundes­regierung bringt mit Husch-Pfusch-Gesetzen Firmen in Insolvenzgefahr oder treibt sie in den Konkurs. Ist das die Initiative für die KMUs? – Diese Frage stellen wir uns selbst. Das war die zweite Gruppe der Geschädigten.

Nun zur dritten Gruppe, jenen 200 Menschen, die ihren Arbeitsplatz jetzt verlieren oder schon verloren haben. Das sind mit den betroffenen Familienangehörigen zirka 500 Personen, die jetzt in Existenzangst leben oder von der Arbeitslosigkeit bedroht sind. Geschätzte Damen und Herren! Der volkswirtschaftliche Schaden lässt sich noch nicht abschätzen.


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Der oberösterreichische Landtag hat heute in seiner 29. Sitzung als letzten Tagesord­nungspunkt einstimmig einen Initiativantrag beschlossen, der lautet:

„Der Oö. Landtag möge beschließen:

Die Oö. Landesregierung wird ersucht, bei der Bundesregierung entsprechend dem jüngsten VfGH-Erkenntnis für eine Neuregelung der Umrüstungsverpflichtung und Kos­tentragung einzutreten und für alle Betroffenen – unabhängig vom Umrüstungszeit­punkt – im Sinne einer Gleichbehandlung aller Verpflichteten, eine einheitliche Lösung zu schaffen.“

Meine Damen und Herren, Sie sehen, im oberösterreichischen Landtag wurde dies heute verantwortungsbewusst von allen Parteien einstimmig beschlossen und an die Bundesregierung weitergeleitet.

Herr Staatssekretär! Es ist Zeit, rasch zu handeln, um Klarheit für die Mieter, die Haus­eigentümer und die Firmen und deren Mitarbeiter im Sinne des VfGH-Urteils herzustel­len.

Herr Staatssekretär Kukacka, mit der Beantwortung der 15 an Sie gestellten Fragen bringen Sie vielleicht Licht ins Dunkel.

Geschätzte Damen und Herren! Ich hoffe, dass Sie heute dem Entschließungsantrag, der eingebracht wird, Ihre Zustimmung erteilen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.11


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich Herr Staats­sekretär Mag. Kukacka zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.11.27

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Herr Vize­kanzler hat mich mit der Beantwortung Ihrer Dringlichen Anfrage gemäß § 61 Abs. 3 GO-BR beauftragt, und ich darf Ihnen daher auftragsgemäß Folgendes mitteilen:

Grundsätzlich möchte ich zur Thematik der Hausbrieffachanlagen festhalten, dass man den historischen Ablauf beim Zustandekommen der derzeit geltenden Regelung be­achten muss. Redmail, ein privater Anbieter, hat sich 2002 mit einer Beschwerde an die EU-Kommission gewandt und einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Haus­brieffachanlagen begehrt, da nach Auffassung von Redmail durch den ihr verwehrten Zugang zu diesen Anlagen eine wettbewerbliche Diskriminierung gegeben wäre.

Um einer drohenden Verurteilung durch den EuGH zuvorzukommen, hat die Bundesre­gierung 2003 beschlossen, eine Novelle des Postgesetzes zu erarbeiten. In mehreren Gesprächsrunden – zum Beispiel auch unter der Leitung der Bundeswettbewerbsbe­hörde – hat man sich entschlossen, dass die 2003 beschlossene Umrüstungspflicht mit Kostentragung durch die Hauseigentümer die praktikabelste Variante wäre, den alter­nativen Postanbietern den Zugang zu den Hausbrieffachanlagen zu gewähren.

Sie müssen wissen, dass die Problematik des Zugangs zu den Hausbrieffachanlagen bei den alten EU-Mitgliedsländern nur in Österreich beziehungsweise auch bei den neuen EU-Ländern nur in Polen gegeben ist. In allen anderen EU-Mitgliedstaaten ha­ben alternative Anbieter bereits jetzt die gleichen Möglichkeiten zur Zustellung wie die Monopolisten.

Die Kostentragung durch die Hauseigentümer wurde auch aus dem Grund normiert, dass die Hauseigentümer seit dem Postgesetz 1972 für die Anbringung von Haus­brieffachanlagen bei Neubauten verantwortlich sind. (Bundesrat Wiesenegg: Bei Neu­


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bauten! Bundesrat Konecny: Aber nicht die Kostenträger! Sie sind verantwortlich, aber nicht die Kostenträger!) – Natürlich waren sie auch die Kostenträger, wenn sie selbst diese Hausbrieffachanlagen errichtet haben, selbstverständlich. Überall dort, wo die Post sie nicht errichtet hat – und sie hat sie in den letzten Jahren nicht selbst errich­tet –, waren die Hauseigentümer natürlich jene, die für diese Anbringung der Haus­brieffachanlagen verantwortlich waren und sie auch finanziert haben. Selbstverständ­lich! – Wer sonst hätte sie finanzieren müssen?

Im Zuge des damaligen Begutachtungsverfahrens wurden von vielen Betroffenen Stel­lungnahmen abgegeben, und die Regierungsvorlage wurde auch vom Verfassungs­dienst des Bundeskanzleramtes überprüft. Entsprechende berechtigte Stellungnahmen wurden auch eingearbeitet. Von einer Husch-Pfusch-Aktion kann daher überhaupt keine Rede sein. Vielmehr würde der von der SPÖ am 25. Jänner 2006 im Nationalrat eingebrachte Antrag mit der vorgeschlagenen Kostentragung durch Private unserer Meinung nach eine wettbewerbsverzerrende Maßnahme darstellen.

Weiters würde die von der SPÖ vorgeschlagene Fonds-Lösung mehrere Fragen auf­werfen, zum Beispiel die Frage, inwieweit neu in den Markt eintretende Postdienstan­bieter in die Fonds-Lösung mit einbezogen werden könnten beziehungsweise in wel­chem Prozentsatz die Marktteilnehmer in diesen Fonds einzahlen müssen. Außerdem erhebt sich die Frage, ob dann bei Markteintritt eines neuen Marktteilnehmers den an­deren Mitbewerbern eine anteilige Refundierung ihrer Kosten zuzugestehen wäre.

Der Vorschlag der SPÖ hat also ebenfalls noch umfassenden rechtlichen Diskussions­bedarf und könnte keinesfalls ohne weiteres übernommen werden.

Nun zur Beantwortung der konkreten Fragen, die mir gestellt wurden. – Es liegt ja die Anfrage vor, ich brauche also die einzelnen Fragen nicht vorzulesen.

Zur Frage 1:

Diesbezügliche Berechnungen liegen dem Ressort nicht vor.

Zur Frage 2:

Die Kostentragung erfolgte bisher seitens der Hauseigentümer. Seitens des Verfas­sungsgerichtshofes wurde klargestellt, dass eine Rückforderungsmöglichkeit für ent­standene Kosten nicht vorgesehen ist. Vielmehr ist eine bereits erfolgte Umrüstung als Zukunftsinvestition zu verstehen, da davon ausgegangen werden muss, dass frühes­tens ab 2009 in einem voll liberalisierten Markt auf alle Fälle ein Zugang für alternative Postdienstleister gegeben sein muss.

Zur Frage 3:

Die Hausbrieffachanlagen bleiben im Eigentum des jeweiligen Errichters. Dies ent­spricht der Rechtslage seit dem Postgesetz 1972.

Zur Frage 4:

Derzeit laufen Verhandlungen auf Beamten- und Expertenebene über mögliche gesetz­liche Regelungen.

Zur Frage 5:

Die im SPÖ-Antrag vorgeschlagene Kostentragung durch private Anbieter wäre nicht nur eine wettbewerbsverzerrende Maßnahme, es stellt sich bei der von der SPÖ vorge­schlagenen Fonds-Lösung auch die Frage, inwieweit später eintretende Marktteilneh­mer in die Fonds-Lösung mit einbezogen werden könnten. Weiters muss auf eine mög­liche Ungleichbehandlung im Falle einer Fonds-Lösung gegenüber Einfamilienhausbe-


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sitzern hingewiesen werden, da diese seit jeher die Kosten für eine Umrüstung selbst tragen mussten.

Zu den Fragen 6 und 7:

Die Weitergabe von entsprechenden Schlüsseln wurde im Vorfeld der Novelle 2003 mehrfach diskutiert, jedoch von allen Beteiligten letztendlich als untaugliches Mittel ver­worfen, da sich unter anderem die Frage der Haftung für allfällig nicht zugestellte Brief­sendungen stellt.

Zur Frage 8:

Es wurden keine zusätzlichen Studien und Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Selbstverständlich wurde aber die Postgesetznovelle begutachtet. Im Zuge des Begut­achtungsverfahrens wurde die Regierungsvorlage neben den Betroffenen auch vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes geprüft und allfällige Bestimmungen, so­fern sie nicht der Grundintention des Gesetzes widersprachen, auch berücksichtigt.

Zur Frage 9:

Eine eigene Informationshotline wurde nicht eingerichtet, da für Anfragen aller Bürger grundsätzlich das Bürgerservice des Vizekanzleramtes zur Verfügung steht, bezie­hungsweise wurden viele Anfragen seitens der Obersten Post- und Fernmeldebehörde direkt beantwortet.

Zur Frage 10:

Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes werden grundsätzlich im Bundesgesetz­blatt kundgemacht und sind daher der Öffentlichkeit frei zugänglich. Weiters wurde ausführlich in den Medien beziehungsweise auf der Homepage des Verfassungsge­richtshofes über die Sachlage informiert.

Zu den Fragen 11 und 12:

Ich möchte den Verhandlungsergebnissen nicht vorgreifen und kann daher keine de­taillierten Angaben darüber machen. Darüber hinaus wurde das Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes erst vergangene Woche veröffentlicht.

Zur Frage 13:

Grundsätzlich sind die erfolgten Umrüstungen nicht als verlorener Aufwand einzustu­fen, wie ich bereits eingangs erklärt habe. Die Frage einer steuerlichen Geltendma­chung ist an das Finanzministerium zu richten.

Zur Frage 14:

Es gibt keine Rechtsgrundlage für allfällige Schadenersatzansprüche. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass eine Rückerstattung der Kosten nicht vor­gesehen ist.

Zur Frage 15:

Diese Frage ist eine politische Wertung Ihrerseits und keine Frage der Vollziehung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

 


Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mörk. Ich bitte sie, das Wort zu nehmen.


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16.22.15

Bundesrätin Gabriele Mörk (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 4. Mai 2006 war um 12 Uhr im „Stadtradio Wien“ zu hören, dass nach einem Entscheid des Verfas­sungsgerichtshofes Hausbesitzer nicht mehr für die Errichtung neuer Postbriefkästen zahlen müssen, da dies nicht im öffentlichen Interesse liegt, und dass die Verpflich­tung, bis 1. Juli 2006 neue Hausbrieffachanlagen zu errichten, nicht mehr besteht. Da­mit kippten die österreichischen Verfassungsrichter am 25. April des heurigen Jahres die völlig verpfuschte Gesetzgebung der österreichischen Bundesregierung hinsichtlich des Austausches der Briefkästen.

Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war natürlich am 5. Mai Thema in vielen österreichischen Tageszeitungen. Ich darf Ihnen einige Beispiele bringen.

In der „Kleinen Zeitung“ war zu lesen: „Bewohner müssen doch nicht bezahlen. Kosten für die neuen Brieffächer dürfen nicht Eigentümern und Mietern verrechnet werden, ur­teilt der VfGH. Aber kein Anspruch auf Rückzahlung für schon montierte Postkästen.“

In den „Salzburger Nachrichten“: „Zurück an den Absender. Hausbesitzer müssen nicht für das Umrüsten der Brieffächer zahlen, beschied der Verfassungsgerichtshof. Viele haben aber die neuen Anlagen bereits montiert.“

Im „Standard“ war Folgendes zu lesen: „Neue Briefkästen: Gericht kippt Gesetz. Haus­eigentümer müssen nicht für die neuen Briefkästen bezahlen, entschieden die Höchst­richter. Für das zuständige Ministerium ist die künftige Finanzierung eine offene Fra­ge.“

Im „WirtschaftsBlatt“, Nummer 2609, war zu lesen: „Financiers für Postkästen gesucht. Frohbotschaft für Hauseigentümer: Sie müssen die Errichtung der neuen Briefkästen nicht bezahlen, sagen die Verfassungsrichter. Nun beginnt die Suche nach anderen Fi­nanciers.“

„Neue Kronen Zeitung“: „Neue Postkästen wurden jetzt zu Fall gebracht. Ein überra­schender Urteilsspruch des Höchstgerichtes sorgt für Wirbel: Hausfächer müssen nicht mehr ausgetauscht werden.“

In der „Presse“ konnte man Folgendes lesen: „Hausbesitzer siegen vor Gericht. Die Kosten für die Umstellung der Briefkästen dürfen nicht auf die Gebäudeeigentümer abgewälzt werden, sagt der VfGH.“

Und am 6. Mai des heurigen Jahres war im „WirtschaftsBlatt“, Nummer 2610, unter Ressort „Meinungen und Ideen“ unter anderem Folgendes zu lesen – Zitat –: „Post­kastl-Murks: Wenn der Gesetzgeber Denkpause macht. Wie berichtet, wurde das Gor­bach-Gesetz zum Postkasten-Tausch am Donnerstag vom Verfassungsgerichtshof ge­kippt. Hausbesitzer und Hausverwaltungen, die bis jetzt an eine gewisse Verbindlich­keit von Gesetzen in Österreich geglaubt und ihre Brieffachanlagen umgerüstet haben, sind die Angeschmierten: Sie haben völlig nutzlos insgesamt Millionen an Euro für etwas ausgegeben beziehungsweise auf die Mieter abgewälzt, was nach höchstrichter­licher Ansicht gar nicht nötig gewesen wäre.

Einem Ministerium muss es zuzumuten sein, dass Gesetzesvorschläge gründlich auf ihre juristische Kompatibilität geprüft werden. Wozu haben wir Heerscharen an prag­matisierten Experten, die dafür sorgen sollten, Folgeschäden nicht zu Ende gedachter Gesetzesideen für die Steuerzahler zu vermeiden? (...)

Natürlich werden Hausbesitzer ihr Geld dafür zurückfordern, dass sie von Gorbach in die Irre geleitet worden sind. Die Gemeinde Wien, die bereits mehr als 200 000 Brief­fächer in den Gemeindebauten umgerüstet hat, könnte die Sache politisch weidlich nützen. Eine Amtshaftungsklage gegen Gorbach steht im Raum.“ – Zitatende.


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Ich glaube, diese Pressemeldungen veranschaulichen, was von diesem Gesetz zu hal­ten ist. Dieses Gesetz zur verpflichtenden Errichtung der Hausbriefanlagen wurde von Ihnen, Herr Staatssekretär, und von der Regierung durchgeboxt, obwohl die EU die Postliberalisierung erst für 2009 festgelegt hat und obwohl es bereits im Vorfeld unzäh­lige Bedenken im Hinblick auf die Verfassungskonformität gegeben hat.

Mit diesem Husch-Pfusch-Gesetz hat die Bundesregierung einen Schaden in Millionen­höhe verursacht. Für Hunderttausende Haushalte wurden die Briefkästen bereits aus­getauscht, weil dies unter Androhung von Strafen bis zu 30 000 € bis zum 1. Juli des heurigen Jahres vorgeschrieben war. Jetzt stellt sich heraus, dass dies nicht auf deren Kosten gehen darf.

Wenn nur für die Hälfte der drei Millionen Haushalte in Österreich bereits neue Brieffä­cher installiert wurden, handelt es sich um einen Schaden in der Höhe von zirka 60 Mil­lionen €. Wie den Pressemeldungen zu entnehmen ist, werden Schadenersatzansprü­che geprüft, um den betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümern, aber auch den Mieterinnen und Mietern zu ihrem Recht zu verhelfen und das bereits zu Unrecht be­zahlte Geld zurückzuholen.

Ein Beispiel: In den mehr als 220 000 Wiener Gemeindewohnungen und den rund 40 000 weiteren gemeindeeigenen Mietobjekten wie zum Beispiel Ordinationen oder Geschäftslokalen wurden bereits 75 Prozent der neuen Brieffächer montiert. 95 Pro­zent der Brieffächer wurden bereits produziert, und der Rest ist noch in Produktion. Kosten für die bereits montierten Brieffächer in der Höhe von rund 5,2 Millionen € sind bereits entstanden. Dieser Betrag wurde bereits den Mieterinnen und Mietern über den § 3 Mietrechtsgesetz angerechnet. – Wer kommt nun für den Schaden dieser Mieterin­nen und Mieter auf?

In der „Neuen Kronen Zeitung“ vom 9. Juli 2003 war folgendes Zitat von Infrastruktur­minister Gorbach zu lesen:

„Wir werden aber, so Gorbach, Wege finden, dass nicht die Mieter als die Letzten in der Kette die ganze Kostenlast zu tragen haben.“ – Zitatende.

Ich frage Sie: Welche Wege wurden seither für die Mieter und Mieterinnen gefunden?

Wiener Wohnen, die städtische Wohnhäuserverwaltung, hat auf Grund des Erkenntnis­ses des VfGH einen Montage- und Lieferstopp verhängt. Wer trägt die entstandenen Kosten etwa für die Lagerung der nicht montierten Brieffächer oder eventuell zu erwar­tenden Schadenersatzklagen der beauftragten Firmen?

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sollte nun dazu genutzt werden, das Postgesetz im Sinne der Eigentümerinnen und Eigentümer und vor allem auch der Mieterinnen und Mieter zu ändern. Aus meiner persönlichen Sicht erscheinen mir unter anderem folgende Punkte als besonders wichtig: verbindliche Regelung betreffend Hauszutritt, Entnahmesicherheit bei bereits montierten Brieffächern, verbindliche Rege­lungen für Werbemittelverteiler und eine Koordination der Postanbieter.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich ersuche Sie: Ändern Sie dieses Gesetz im Sinne der österreichischen Bürgerinnen und Bürger! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


16.31.02

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Es ist ja bereits in den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Ku-


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kacka die Historie, die hinter dieser Gesetzesthematik steht, dargestellt worden: Es sind mehrere Lösungen diskutiert worden und auch hier im parlamentarischen Prozess zur Diskussion gestanden, die das Problem offensichtlich nicht gelöst haben, etwa die Übergabe eines Schlüssels, wo aber die Befürchtung vorhanden war, dass der Nächs­te den Brief wieder herausnimmt, den der erste Zusteller hineingelegt hat. Auch die Vorschläge der Sozialdemokratie, was die Fonds-Variante, was die Kostentragung durch Private betrifft, sind mit einer Reihe von Problemstellungen verbunden, die da­mals im Diskussionsprozess nicht wirklich einer Lösung zugeführt werden konnten.

Es gibt jetzt diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes – und auch den Zu­gang, auf Verfassungsgerichtshoferkenntnisse ganz gelassen zu reagieren und die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen. Das wird in diesem Fall auch so sein, indem es zu einer neuen Gesetzesvorlage kommen wird. Deswegen sage ich auch gleich prophylaktisch dazu – da ich es im Gespür habe beziehungsweise die Vor­ankündigung gemacht worden ist, dass noch ein Entschließungsantrag eingebracht wird –, damit sich nicht noch ein Kollege meiner Fraktion zu Wort melden muss, dass wir keine Veranlassung sehen, jetzt mit einem Entschließungsantrag an das Ministe­rium heranzutreten, da ja ohnehin der klare Auftrag des Verfassungsgerichtshofes vor­liegt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Einen Entschließungsantrag zu beschließen ist für einen Landtag, der bekanntlich nicht Bestandteil der Bundesgesetzgebung ist, eine legitime Möglichkeit, eine Meinungs­äußerung nach Wien zu schicken. Sie als Parlamentarier haben ja alle die Möglichkeit dann, wenn eine neue Gesetzesvorlage in Begutachtung geht, voll in den Gesetzwer­dungsprozess einzugreifen, im Gegensatz zu einem Landtag, und daher sehen wir kei­ne Notwendigkeit, zusätzliche Aufforderungen an das Ressort zu richten zu jenen, die in Klarheit ohnehin bereits vom Verfassungsgerichtshof ergangen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

16.34


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


16.34.22

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Lindin­ger und Kollegin Mörk haben schon ausgeführt, was denn die Crux beim vorliegenden Gesetz war, was die Nachteile für den Wirtschaftsbereich und für die Privaten sind, eben die Unsicherheiten beim Datenschutz, die Fluten an Werbematerial, die erwartet werden, und so weiter. Und es stimmt: Es handelt sich hier um eine Materie, die nicht einfach zu regeln ist, wie es Kollege Himmer ausgeführt hat.

Dennoch ist zu erwarten und zu verlangen, dass Gesetze so ausgeführt werden, dass sie verfassungskonform sind. Es ist schon eine zähe, mühselige Geschichte, dass wir in Permanenz mit diesen Gesetzen beschäftigt sind, die Nachteile für die Konsumentin­nen und Konsumenten haben, die Nachteile für die Wirtschaft bringen und die außer­dem noch verfassungswidrig sind.

Deshalb hat klugerweise der Oberösterreichische Landtag heute einstimmig, alle vier Parteien, einen Initiativantrag beschlossen, welcher der Regierung übermittelt werden wird. Ich denke, der Bundesrat kann hier eine gute und verstärkende Funktion haben und sollte dieses Anliegen auch deponieren. Ich denke, wenn federführend im Ober­österreichischen Landtag die Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei, der FPÖ und des BZÖ in dieser Sache unterwegs sind, dann können mit Sicherheit auch die Kollegen Wolfinger, Kneifel, Tiefnig, Spiegelfeld-Schneeburg und Baier einem Ent-


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schließungsantrag zustimmen. Diese verlassen jetzt vorsichtshalber, außer dem Kolle­gen Kneifel und dem Kollegen Wolfinger, den Raum.

Wenn Herr Landeshauptmann Pühringer das in dieser Form unterstützt, dann, denke ich, werden Sie das Aviso vom Herrn Landeshauptmann haben, und Ihr Kollege Staatssekretär Kukacka aus Oberösterreich wird das sicherlich freudig entgegenneh­men, wenn die oberösterreichischen Bundesräte das jetzt auch unterstützen.

In diesem Sinne bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Lindinger, Dr. Ruperta Lichtenecker und KollegInnen betreffend Kos­tentragung für Hausbriefanlagen auf Grund des Postgesetzes

Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend dem jüngsten VfGH-Erkenntnis für eine Neuregelung der Umrüstungsverpflichtung und Kostentragung einzutreten und für alle Betroffenen – unabhängig vom Umrüstungszeitpunkt – im Sinne einer Gleich­behandlung aller Verpflichteten eine einheitliche Lösung zu schaffen.

*****

Geschätzte Kollegen, in diesem Sinne freuen wir uns auf Ihre Unterstützung, die wir hiemit auch erwarten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Wiesenegg zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


16.37.51

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine geschätzten Damen und Herren! Alles, was Sie, Herr Staatssekretär Kukacka, hier historisch Revue passieren ließen, haben auch die Höchstrichter Revue passieren lassen. Nur, Ihre Aussagen lösen das Problem nicht, und Sie alle, meine geschätzten Damen und Herren, ... (Ruf bei der ÖVP: Der Ent­schließungsantrag auch nicht! – Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Ku­kacka.) – Lassen Sie mich fertig ausführen, dann kann ich Ihnen wahrscheinlich wei­terhelfen! (Heiterkeit. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie haben mir das erste Mal nicht ganz Folge geleistet. Hätten Sie das getan, hätten wir unter Umständen jetzt dieses Problem nicht, und ich sage Ihnen jetzt, warum.

Sie alle werden sich noch daran erinnern, dass ich in der Debatte zur Postgesetz-No­velle 2005 als einer der Hauptbetroffenen hier im Hohen Hause meine begründeten Bedenken zu dieser, wie ich gesagt habe, voreiligen und zum jetzigen Zeitpunkt völlig unnotwendigen Gesetzesnovelle zum Ausdruck gebracht und Sie von der ÖVP gebe­ten habe, auf Ihre Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat einzuwirken und diese Sor­gen weiterzugeben. – Herausgekommen ist nichts anderes als ein so genannter Behar­rungsbeschluss dieser Regierung, den, und das wissen Sie alle, die Höchstrichter ge­kippt haben und der jetzt korrigiert werden muss.

Als ich auf den Umstand, geschätzte Damen und Herren – ich schaue jetzt genau in die entsprechende Reihe –, der Strafsanktionen bis zu 30 000 € hinwies, war aus den Reihen der ÖVP zu hören: Die werden ohnehin nicht schlagend, und, Bürgermeister,


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bitte von deiner Seite keine Panikmache! – Dieser Punkt war auch ein Grund für die Höchstrichter, anzuordnen, dieses Gesetz zu ändern.

Vielmehr teilen die Höchstrichter – und das ist heute in keinem Redebeitrag zum Aus­druck gekommen – auch meine Befürchtung, die ich mehrmals in diesem Hause ge­äußert habe: dass die Postgesetz-Novelle 2005 einen eklatanten Eingriff in das Eigen­tum der Hauseigentümer, besonders meiner Gemeinde als einem der großen Woh­nungsbesitzer, darstellt, Herr Staatssekretär.

Wir, die Gemeinde Reutte, haben nämlich mit vielen anderen Hauseigentümern hier staatsbürgerlich und vorbildlich gehandelt und in Umsetzung dieses, wie von mir be­reits erwähnt, voreiligen Beharrungsgesetzes, wie ich es nenne, in dem Strafsank­tionen ab 1. Juli 2006 festgeschrieben sind, mit einem Kostenaufwand von mehr als 20 000 € alle Briefkästen montiert.

Es ist einfach falsch, wenn Sie, Herr Staatssekretär Kukacka, sagen, dass diese Brief­kasten-Aktion nur bei Neubauten gilt! Wir haben sehr viele historische Bauten, in de­nen ohnehin schon im Hinblick auf die historische Bausubstanz ein Problem besteht: Auch dort mussten diese Briefkästen erneuert werden, und nicht nur in Neubauten!

Geschätzter Herr Staatssekretär, meine Damen und Herren: Als besonderer Schlag ins Gesicht für uns alle hat sich herausgestellt, dass die Kosten der Montage – das habe ich auch bereits erwähnt – nicht durch die Anbieter, sondern durch die Hauseigentümer getragen werden müssen. Und jetzt ist es so, dass wir uns als Hauseigentümer mit den Anbietern herumschlagen sollen, damit wir diese Kosten wieder hereinbekommen?! – Ich bitte also, auch das vielleicht zu berücksichtigen, damit wir als Hauseigentümer oder als Vertreter der großen Kommunen hier zu jenem Recht kommen, das die Höchstrichter bestätigten.

Dass die Bundesratsmehrheit eine wichtige Rolle im Sinne der Bürgerinnen und Bürger spielt, findet somit seine plakative Darstellung in dem, was ich heute sage, und in dem, was ich zur Postgesetz-Novelle 2005 gesagt habe. Sie trägt somit auch zur Qualitäts­verbesserung von Gesetzen bei – was wir auch hiemit eindrucksvoll beweisen.

In diesem Sinne wünsche ich mir, meine geschätzten Damen und Herren, und zwar besonders von Ihnen, Herr Staatssekretär Kukacka, beziehungsweise Ihrem Minister, dass dieses Gesetz so behandelt wird, wie es sich die Bürgerinnen und Bürger vorstel­len und wie es die Höchstrichter in ihren Entscheidungen nun auch dem Gesetzgeber vorgeben. Das wünsche ich mir, und das wäre richtig so. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

16.42


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich er­teile ihm das Wort.

 


16.43.01

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Die ganze Problematik der Postkästchen, Herr Staatssekre­tär, ist etwas tief greifender, als es Ihre Beantwortung der 14 Punkte dieser Anfrage war.

Leider Gottes gehöre ich zu jenen Bürgermeistern, die feststellen müssen: Bei uns hat man vor 20 Jahren das Gericht zugesperrt, dann hat man die Gemeinde zusammen­gelegt, dann hat man uns den Gendarmerieposten, der 150 Jahre lang bestanden hat, weggenommen (Bundesrat Schennach: Nur der Dom von Gurk ist noch offen, nicht wahr?), Herr Kollege, und dann hat man die Post, die 150 Jahre lang in unserer


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Gemeinde – Bischofssitz und so weiter – war, auch noch weggenommen! (Bundesrat Gruber: Und jetzt haben wir das Problem mit den Postkasteln!)

Herr Staatssekretär! Mein Kollege Wiesenegg hat die Probleme ein bisschen aufge­zeigt – sie gehen wirklich tiefer! Es gibt nämlich Postkästchen, die jemand privat hat – diese muss man selbst bezahlen –, weiters gibt es Postkästchen bei Gemeinschafts­häusern – diese gehören entweder einer Wohnbaugesellschaft oder der Gemeinde –, und schließlich gibt es Postkästchen draußen im ländlichen Bereich, wo 20 Postkäst­chen nebeneinander sind – und diese wurden alle von der Post installiert.

Jetzt sah diese neue Regelung Folgendes vor: In meiner Gemeinde, Herr Staatssekre­tär, sind wir gezwungen gewesen – ich habe hier die Unterlagen –, nachdem ich aus­geschrieben hatte und eine Firma in Oberösterreich, eine Firma Odörfer, uns ein gutes Angebot gemacht hatte, das neu zu machen.

Die nächste Problematik: Wir haben zwei Zusteller. Bis 100 Gramm – das hat sich ja geändert nach der neuen Gesetzeslage – ist jedermann berechtigt, die Post zuzu­stellen, darüber auch die Post. – Also was sollen wir jetzt machen? Sollen wir zwei Postkästchen anbringen? – Also ich muss sagen, diese ... (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) – Nein, Herr Staatssekretär, diese Problematik, wenn man draußen vor Ort ist, schaut wirklich ein bisschen kurios aus.

Wir haben das gemacht, weil die Bevölkerung es braucht. Wir haben das von der Ge­meinde her finanziert, nur: Die weitere Welle muss ja folgen!

Und dann: Ein Kästchen kostet 30 € – plus Montagekosten! Das sind alles Kosten, wo man wirklich sagen muss, dass die Sache schlecht durchberaten wurde. Vielleicht denkt in diesem Fall die Bundesregierung noch einmal darüber nach, Herr Staatssek­retär: Was kann man besser machen?

Die Situation ist ja draußen so – und das ist ja interessant! Da gibt es nämlich Zei­tungsmeldungen, die hochinteressant sind und die ich hier kurz vorlesen muss – ich zitiere –:

Das Postmonopol für persönlich adressierte Sendungen bis zu 100 Gramm wird begin­nend mit 2006 schrittweise liberalisiert beziehungsweise abgeschafft.

Weitere Themen – das steht in der Zeitung! –: Wer ist verantwortlich? Wer trägt die Kosten? Wie muss der Briefkasten beschaffen sein? Wo findet man ÖNORM-Postkäst­chen?

Ich habe nämlich nicht einen Postkasten auswählen dürfen, den ich bevorzugt hätte – meine Gemeinde ist nämlich eine Gemeinde, in der wir sehr viele, rund 250 000 Gäste haben, und da habe ich mir gedacht: Na ja, vielleicht könnte man diesen schönen Post­kasten nehmen. – Nein, nein: Das muss ein ÖNORM-Postkasten sein.

Weitere Fragen sind: Wer haftet für die beschädigten Anlagen? Was ist mit den Anla­gen im Eigentum der Post? – Die stehen ja dort!

So, und jetzt gibt es den anderen Briefträger – denn bei mir ist ja die Post aufgelöst worden! Ich habe ja nicht mehr die Post in meiner Gemeinde, sondern ich habe einen Postpartner.

Nun, das Problem ist wirklich so – ich gebe nicht gerne jemandem Recht, der nur Op­position oder populistische Politik macht wie die Antragsteller, das ist nicht meine Art, aber, Herr Staatssekretär, da sollten wir wirklich nachdenken!

Jetzt kommt die Welle in den ländlichen Bereichen. Diese haben ja den Nachteil, dass sie die Post holen gehen müssen. Wer dort wohnt, muss vier, fünf Kilometer fahren – wenn er Schüler hat, bringen sie ihm die Post mit. Er muss die Post holen! – Er hat die


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Postkästen jetzt installiert, und jetzt kommt die neue Welle, jetzt muss er das selbst machen. – Vielleicht sollte man darüber nachdenken.

Sehr interessant ist, in dieser Zeitung zu lesen. Da heißt es zum Punkt „Information“: Österreichische Post AG, Verband Österreichischer Zeitungen, Handelsfirmen, An­sprechpartner im Bundesministerium für Verkehr, Innovationen und Technologie: Herr Ministerialrat Dr. Alfred Stratil und Herr Franz John.

Aber ich würde sagen: Diese Problematik stellt sich, und wir können uns heute nicht davonschleichen, Herr Staatssekretär, sondern diese Thematik sollten wir wirklich be­raten! Vielleicht finden wir einen Weg, der uns allen weiterhilft. Das wäre gut. – Danke. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehö­rigkeit.)

16.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Zu Wort gemeldet hat sich noch Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


16.48.23

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Eine ganz kurze Bemerkung, Herr Staatssekretär Kukacka – ich weiß, Sie haben es eilig; und zuständig sind Sie auch nicht wirklich. Daher also nur zum Mitgeben:

Sie haben davon gesprochen, dass das Problem der Beteiligung der privaten Anbieter an diesen Kosten eine Wettbewerbsverzerrung wäre. – Ich kann das nicht erkennen!

Wenn ich als ein weiterer Wettbewerber Taxifahrten anbiete, habe ich als Grundvor­aussetzung ein Fahrzeug zu erwerben und entsprechend den gesetzlichen Normen auszustatten. Die Post hat – Marktnachteil oder zumindest hochwertige Investition – hunderttausende Postkästchen angekauft und montieren lassen; die wird jetzt gewis­sermaßen entschädigungslos enteignet, weil ihre Postkästen für nicht mehr verwend­bar erklärt werden. – Das Ressort hat sicher darüber nachgedacht.

Aber ich glaube nicht, dass der Marktzutritt neuer Anbieter bedeuten kann, dass Drit­te – jetzt rede ich gar nicht von der Post – verpflichtet werden können, denen den Marktzutritt zu ermöglichen. – Da gebe ich dem Herrn Bürgermeister (in Richtung Bun­desrat Ing. Kampl) ganz Recht: Ich sehe das genau so, wie Sie es ausgeführt haben!, und ich füge, aus meiner spezifischen Situation heraus, hinzu – und es ist in der Be­gründung des Antrages der SPÖ, den Sie so weggeputzt haben, auch enthalten –: Für Häuser, die denkmalgeschützt sind oder in einer Schutzzone liegen – im städtischen Bereich, wo keine Wiese davor ist –, gibt es bei Beachtung der gesetzlichen Vorschrif­ten aus diesem Rechtsbereich keine Möglichkeit, die Postkastenanlagen draußen an­zubringen.

Ich verwahre mich dagegen, dass mich die Postordnung dazu zwingt, ein Haus gene­rell zu öffnen beziehungsweise – wieder auf eigene Kosten – dahinter eine neue Sper­re anzubringen, damit private Anbieter etwas in den Briefkasten einwerfen können, zu­mal deren Marktfähigkeit zu einem guten Teil durch die Benützung minderqualifizierten Personals ermöglicht wird, Personal, dem man – verständlicherweise – in der Bevölke­rung nicht dasselbe Vertrauen wie den Mitarbeitern der Post AG entgegenbringt.

Ich weiß von vielen Fällen, dass sich – nach heutigem Zustand, also die Briefkästen noch nicht umgestellt – Mieter auch in meinem Haus geweigert haben, den redmail-Zusteller ins Haus zu lassen. Es ist für den, dem zugestellt wird, nicht angenehm, das dann auf der Straße zu finden. Ich verstehe die Problematik, aber ich sehe eigentlich auch nicht ein, warum Fremdpersonen der Zugang zu einem Bereich eröffnet werden


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soll, der in zunehmendem Maße in jedem Haus – und das leider aus guten Gründen – versperrt ist.

Ich sehe keine andere Lösung, als die neuen Bewerber, die neuen Anbieter substan­tiell an Kosten, die sie für ihren Markteintritt brauchen, zu beteiligen. Ich glaube nicht, dass eine solche „Eintrittsgebühr“ EU-rechtswidrig ist, weil sich natürlich jeder neue Anbieter seine Produktionsmittel zuvor beschaffen muss. Und wenn für die Briefzustel­lung Postkästen erforderlich sind, dann ist auch dieses Produktionsmittel neu zu be­schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es dazu noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Lindinger, Dr. Lichtenecker, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend Kostentragung für Hausbriefanlagen auf Grund des Postgesetzes vor.

Wir kommen zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 213-BR/06.)

16.52.50Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir setzen die Verhandlung über den Tagesordnungs­punkt 12 fort.

Am Wort ist weiterhin Herr Bundesrat Professor Konecny.

 


16.52.53

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, diese Rede noch lange fortzusetzen. Ich nehme natürlich den Ordnungsruf der Frau Präsidentin zur Kenntnis – und es ist mir auch bewusst, dass ich mich habe provozieren lassen, etwas, was man nicht machen sollte.

Ich wiederhole: Eine Pauschalverdächtigung gegenüber hunderttausenden Mitgliedern der Sozialdemokratie und offenbar auch der Gewerkschaftsbewegung werden wir nicht nur nicht hinnehmen, sondern Sie werden auch die Reaktion dieser hunderttausenden Menschen zu bemerken haben.

Was vorgefallen ist, ist – ich wiederhole mich – eine tiefe Enttäuschung für viele von uns; selbstverständlich auch für mich. Und es ist eine Aufforderung zum Handeln für alle von uns. Es ist die Bereitschaft vorhanden, die notwendigen Schritte zu setzen; und diese werden die Gewerkschaftsbewegung stärker machen.

Der Gesetzesbeschluss, den wir heute fassen, wird den österreichischen Bankenappa­rat stärken und eine positive Weiterentwicklung der BAWAG, wie angekündigt wurde, unter einem neuen Eigentümer ermöglichen. – Das Erste wollen wir gemeinsam, weil wir offensichtlich alle für diese Vorlage stimmen, das Zweite will jedenfalls die linke Seite dieses Hauses.

Wir werden sehr hart auf all jene reagieren, die glauben, da Störfeuer schießen zu kön­nen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.54



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


16.54.36

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich habe mich gleich jetzt zu Wort gemeldet, da Herr Bundesrat Konecny einige Punkte angeschnitten hat, die richtig gestellt werden müs­sen. (Bundesrat Konecny: Bitte!)

Herr Bundesrat Konecny hat den Zeitpunkt kritisiert, hat gesagt, dass sich die Bundes­regierung zu spät eingeschaltet habe. – Es hat bitte schon Tage vor dem 1. Mai 2006 laufend Kontakte mit der BAWAG-Führung, mit dem BAWAG-Vorstand beziehungs­weise der ÖGB-Führung gegeben, ab wann die Hilfe gelten soll. Die BAWAG-Führung selbst hat gesagt, es wäre vorteilhaft – das wäre es auch gewesen, leider konnte das nicht erreicht werden –, dass vor einer staatlichen Hilfe erst mit den Refco-Aktionären und Refco-Gläubigern eine Vereinbarung geschlossen wird, denn wenn der Staat ein­springt, schaut das dann anders aus.

Daher ist der Vorwurf, die Regierung hätte sich zu spät eingeschaltet, absolut falsch! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Wir wissen, dass es bis heute bei der BAWAG noch keinen Abschluss gibt – und na­türlich ist es so, dass bei amerikanischen Rechtsanwälten, wenn sie sehen, dass der Staat da dabei ist, deren Phantasie geradezu beflügelt wird. Die Hilfe des Staates, eine Haftungsübernahme war deshalb notwendig, weil die BAWAG keine Bilanz mehr hätte erstellen können. Die große BAWAG hätte keine Bilanz mehr erstellen können! – Das dazu, weil ja immer wieder gesagt wurde, das war ein Sündenfall im Jahre 2001 und seither sei diese Bank wieder auf gutem Fuße. – Mitnichten ist dem so! Von einer sa­nierten Bank kann da überhaupt keine Rede sein!

Ich habe gerade am Handy die Meldung bekommen, um wie viel eine andere Bank, nämlich die Bank Austria, gerade wieder ihre Gewinne erhöht hat. (Bundesrat Ko­necny: Aber die Meldung über die Verluste der Hypo Alpe-Adria haben Sie auch be­kommen!) In einem solchen Umfeld, in dem andere Banken Rekordgewinne machen, ist die BAWAG praktisch fast zahlungsunfähig! Und wieso? – Es war nicht die allgemei­ne wirtschaftliche Lage, es sind auch nicht Großkreditnehmer sozusagen umgefallen, sondern der Grund ist einzig und allein der, dass seitens der BAWAG Hochrisikoge­schäfte in der Karibik getätigt wurden – und das noch dazu jahrelang.

Da gilt es schon, einiges zu durchleuchten und sich näher damit zu befassen, so etwa: Wann wurden diese Geschäfte wieder aufgenommen? – Mitte der neunziger Jahre. „Zufälligerweise“ hieß zu dieser Zeit der BAWAG-Aufsichtsratsvorsitzende Herbert Tumpel, also der heutige AK-Präsident. (Bundesrat Bieringer: „Der gehört der ÖVP an“!) Unter diesem wurden seitens der BAWAG, und zwar im Jahre 1996, die Hochrisi­kogeschäfte wieder aufgenommen.

Als besonders merkwürdig muss man es schon bezeichnen, dass unter sozialdemokra­tischen Finanzministern – und das jahrelang – keine Bankprüfung bei der BAWAG durchgeführt wurde (Ruf bei der ÖVP: Da schau her!), obwohl man seitens der Ban­kenprüfer hätte wissen müssen – es saß ja dort auch ein Staatskommissär (Bundesrat Kraml: Jetzt kommen wir schön langsam ins Eck!) –, dass solche Geschäfte von der BAWAG wieder aufgenommen worden sind. Offensichtlich ist dort vieles am Aufsichts­rat vorbei gemacht worden, wurden also damals wieder diese riskanten Geschäfte auf­genommen – und es erfolgte keine Bankprüfung. Und was dazu kommt: Die Bankprü­fung wurde personell weiter ausgehungert, statt diese aufzustocken. Zu dieser Zeit gab es hiefür nur mehr 30 Beamte!


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Die Bankprüfung war zu dieser Zeit so erschlankt, ja so abgewirtschaftet, dass sie selbst nicht mehr dazu in der Lage war, eigene Prüfungen vor Ort durchzuführen, son­dern sie musste immer die Notenbank mit solchen Prüfungen beauftragen!

Der Rechnungshof hat sich zweimal mit dieser Situation beschäftigt und diesen Miss­stand klar aufgezeigt, eben auch anhand der Rieger-Bank. Der Rechnungshof hat also klar aufgezeigt, welche Missverständnisse es zwischen der BAWAG und den Noten­bankprüfern gab, dass die Kommunikation nicht klappt – und dass ein solcher Zustand unhaltbar ist.

Trotzdem haben sozialdemokratische Finanzminister diesen Zustand so belassen. Erst im Jahre 2001, und zwar nach längeren Vorerhebungen, wurde die Finanzmarktauf­sicht eingeführt (Bundesrat Konecny: Der Minister hat den Bericht nicht gelesen!) und dieses ganze System auf eine vollkommen neue Grundlage gestellt. Inzwischen gibt es 120 Prüfer (Ruf bei der SPÖ: Hat aber auch nichts genützt!) – und nicht mehr, so wie früher, 30 Prüfer!

Im Nationalrat hat es eine Debatte gegeben über angeblichen Postenschacher seitens dieser Bundesregierung. – Da muss ich schon die Frage stellen: Welches sozialdemo­kratisches Netzwerk war da am Werken, dass keine Prüfungen erfolgten, dass die Bankprüfung ausgehungert wurde? Und das nur, weil es um eine Gewerkschaftsbank ging?! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Und was war von 2001 bis jetzt? Das ist schon eine berechtigte Frage, Herr Staatssekretär! – Bundesrat Gruber: Die letzten fünf Jahre, Herr Staatssekretär! Wo? Wo sind die Prüfer? – Bundesrat Rei­senberger: Fünf Jahre! Fünf Jahre!)

Jetzt noch einmal zu dem Verkaufspreis ... (Bundesrat Gruber: Und die letzten fünf Jahre? Bitte, wo?) Die Verluste sind ja in den neunziger Jahren passiert; damals sind sie passiert, nicht jetzt. Und die Refco-Affäre ist erst jetzt aufgetaucht. (Bundesrat Rei­senberger: Fünf Jahre! Das ist 1999 gewesen ...!)

Zum Verkaufspreis der Anteile an der Nationalbank: Aus den Gesetzesunterlagen und den Erläuterungen geht hervor, dass es derzeit noch keine Verkaufsverhandlungen und daher auch noch keinen Verkaufspreis gibt. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass es ja nicht übliche Bankenanteile sind, sodass man diese auch nicht so bewerten kann, wie es für einen Verkaufswert üblich ist. Denn mit diesen Anteilen verdient man ja fast nichts, weil für die nichtstaatlichen Eigentümer überhaupt nur 10 Prozent des Gewinns die Grundlage für eine mögliche Dividendenzahlung sind. Außerdem ist die­ser Anteil noch gedeckelt, sodass alle nichtstaatlichen Eigentümer maximal 100 000 € erhalten können. Unter diesen Gesichtspunkten stellen diese Anteile hinsichtlich des Verkaufswerts einen äußerst geringen Wert dar. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

17.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.01.33

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bin recht froh darüber, dass Kollege Konecny erklärt hat, dass er sich hier wohl emotional etwas hat hinreißen lassen. Herr Kollege Konecny! (Bundesrat Konecny spricht mit Bundesrat Schenn­ach.) – Ich würde ihm gerne etwas sagen, aber er spricht mit einem anderen Fraktions­obmann.

Ich möchte hier nicht noch einmal Öl ins Feuer gießen, und ich verstehe auch, dass Sie sich provoziert gefühlt haben. Dennoch meine ich, dass, wenn hier der Ordnungs-


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ruf für das Wort „Frechheit“ ergangen ist, dies auch richtig ist, weil das sozusagen nach der Geschäftsordnung ein verbotenes Wort ist. Ich meine aber auch, dass die Andro­hung einer Ohrfeige – oder sogar von zwei: links und rechts – ebenfalls nicht in Ord­nung ist. (Bundesrat Kraml: Ausgleichende Gerechtigkeit!) Ich würde nur bitten, dies a) nicht auszuführen und b) sich dafür vielleicht zu entschuldigen. Dies hielte ich für nicht unangemessen. (Beifall bei der ÖVP.)

Folgendes hat mich auf jeden Fall betroffen gemacht – und ich habe mir gedacht: Was wird Kollege Konecny uns heute zu dieser Thematik erzählen? –: dass von Ihnen ein Weg gefunden werden musste – und das war mir eigentlich klar –, hier den Herrn Bun­deskanzler zu beschuldigen. Was ich als ein besonders starkes Stück gefunden habe, ist, dass, bevor ein Wort der Selbstkritik, der Scham oder sonst irgendetwas gekom­men ist, als allererster Punkt Kritik am Bundeskanzler geübt wurde. Das ist wohl wirk­lich absurd! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen uns nicht in aller Tiefe zu erzählen, welche Vorkommnisse wir in den letzten Wochen an die Oberfläche haben kommen gesehen. Wir wissen um die dramatische Entwicklung der letzten Wochen. Es ist in der Zwi­schenzeit bekannt, dass die BAWAG hochriskante Geschäfte in der Karibik gemacht hat, es ist auch bekannt, dass diese Aktivitäten in den neunziger Jahren gestoppt wur­den. Es ist in der Zwischenzeit Wissensstand, dass mit Zustimmung des Aufsichtsrates der BAWAG, der Eigentümervertreter, diese Geschäfte wieder aufgenommen wurden. Es ist von vielen die Verantwortung nicht richtig wahrgenommen worden, die Manager in der BAWAG konnten in einem hohen Maße tun und lassen, was sie wollten.

Es hat der Bundeskanzler, es hat die Bundesregierung, es haben die politischen Kräfte den wirtschaftlichen und politischen Schaden auch für den Eigentümer ÖGB reduziert. Wir haben mit diesem Gesetz gemeinsam eine Grundlage dafür geschaffen, das Risiko für den Finanz- und Bankenplatz nicht nur zu reduzieren, sondern auch dem Finanz- und Bankenplatz Österreich eine Chance zu geben. Es war auch dieser Bundeskanz­ler, der dem ÖGB und der BAWAG wieder eine Zukunftsperspektive gegeben hat. Ich habe die Worte des neuen Gewerkschaftsbundpräsidenten Hundstorfer noch im Ohr, der gesagt hat: Der Gewerkschaftsbund sagt danke! – Auch das, Herr Kollege Ko­necny, hätte ich für eine passende Einleitung gehalten, zumal Sie immer noch stolz erklären, ein Gewerkschaftsmitglied zu sein. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Molz­bichler: Da sind wir alle stolz! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da Kollege Konecny heute rein von der Grundtemperatur her recht moderat war, möchte ich mich in das, was ich zu diesem Thema mitgebracht habe – alles in dem großen Umfeld „Die SPÖ kann nicht wirtschaften“, worüber wir ja sehr viel wissen, von den Milliardenpleiten in der Verstaatlichten bis hin zu „Konsum“, Bank Austria, Bank Burgenland, BAWAG (Ruf bei der ÖVP: ARBÖ!), ARBÖ –, nicht weiter vertiefen. (Bun­desrat Boden: Was sagst du zu dem Eurofighter?) Ich wollte das nur in Form von Stichworten anreißen. Wie gesagt, ich tauche jetzt nicht in die Tiefe ab, weil, wie ge­sagt, Kollege Konecny insgesamt recht moderat war.

Ich möchte aber einen unverdächtigen Zeugen zitieren, der aus der Sozialdemokratie kommt und einiges zum Thema BAWAG gesagt hat. Da gibt es ein Interview zwischen den alten Kumpeln Alfred Worm und Helmut Zilk in „NEWS“; Helmut Zilk wieder gene­sen, worüber wir uns sehr freuen. Da fragte ihn Alfred Worm eigentlich ziemlich allge­mein: „Was sagst du zum Thema BAWAG?“ (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Wir können selbst lesen!)

Darauf antwortete Zilk: „Das ist der Anfang vom Ende eines Begriffes, der für 150 Jah­re der Menschheit Sinn gegeben hat und der die Menschheit verbessert, veredelt hat: Ich spreche von der solidarischen Arbeiterbewegung. Eine ganz, ganz schreckliche


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Entwicklung. Die Arbeiterbank BAWAG, der ,Konsum, der ÖGB: lauter Dilettanten. Dann hab ich mir den Gusenbauer in der ‚Pressestunde‘ angehört. Wie er sagte, der ÖGB habe mit der Partei nix zu tun, da hat’s mir den Magen umgedreht. Ich bin er­schüttert, wie sehr die Sozialdemokratie abgebaut hat: Im Bildungswesen, in den Be­dürfnissen der Menschen und vielem anderen. Im 19. Jahrhundert hat die Sozialdemo­kratie so unendlich viel für die Menschen getan“, und so weiter. „Ich bin empört und gleichzeitig erschüttert.“ – Zitatende. (Bundesrat Boden: Wer sagt, dass das stimmt?)

Da jetzt der Zwischenruf gekommen ist, „Wer sagt, dass das stimmt?“: Das finde ich gerade am heutigen Tag sehr interessant, weil Kollege Bieringer unter Bezugnahme auf die Debatte, die wir mit dem Landesverteidigungsausschuss hatten, gesagt hat: Er verlässt sich vorderhand nicht auf das, was in der Zeitung steht. (Bundesrat Boden: Würde ich auch machen!) – Daraufhin hat Ihr Fraktionsvorsitzender Konecny eine Aus­sendung gemacht, in der er gemeint hat: Bieringer beleidigt den gesamten Journalis­mus in Österreich (Heiterkeit bei der ÖVP), weil er nicht eins zu eins glaubt, was in der Zeitung steht. – Deswegen lese ich jetzt aus der Zeitung weiter vor. (Heiterkeit und Bei­fall bei der ÖVP.)

„Ja“, sagte Helmut Zilk, „ja, so ist es. In so schändlicher Weise hat sich ...“ (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) – Bitte, hört zu, wenn Zilk spricht! (Neuerliche Heiterkeit sowie Bei­fall bei der ÖVP.)

Weil Worm ihn nach der „persönlichen Betroffenheit“ fragte, sagte Zilk: „Ja, so ist es. In einer so schändlichen Weise hat sich eine ideologische Gemeinschaft noch nie selbst entleibt.“ Hier lasse ich wieder ein bisschen aus; dann führt er Folgendes weiter aus, und das halte ich für sehr bemerkenswert. Dr. Zilk, der doch keine unmaßgebliche Per­son in der Sozialdemokratie ist und durchaus so etwas wie Insiderwissen hat, sagte zu dem Symptom BAWAG:

„Wir haben zwar alle gewusst, dass vieles nicht in Ordnung ist in der Bawag und im ÖGB. Wir haben einfach darüber hinweggesehen. Die skandalöse Geschichte der Penthäuser ist ja nur die Spitze des Eisberges gewesen. Auch die ideologische Spitze des Eisberges. Das hat jeder gewusst, wie luxuriös diese Herren über den Dächern von Wien logieren. Der Gusenbauer braucht jetzt nicht zu sagen, er hat das nicht ge­wusst. Niemand braucht das zu sagen. Jeder hat das gewusst, dass das nicht in Ord­nung ist. Es ist eine Schande, wie sehr diese Leute abgezockt haben.“ – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich lasse es damit bewenden, mit den deutlichen Worten, die Helmut Zilk zu dieser traurigen Situation gefunden hat. Und ich glaube, es ist ja wohl wirklich klar, dass in diesem Zusammenhang Erschütterndes passiert ist.

Jetzt möchte ich noch auf zwei Punkte Bezug nehmen, die der Fraktionsobmann der Sozialdemokratie vorgebracht hat, nämlich dass es sich bei dem Versagen der Mana­ger um ein Spezifikum handelt, das in der Wirtschaft mehr oder weniger allgemein stattfindet, und als Zweites, dass jetzt die ÖVP versucht, ein Sittenbild zu konstruieren.

Dazu möchte ich ganz deutlich sagen: Dieses Sittenbild, das wir hier vorfinden, hat nicht die ÖVP konstruiert! Wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, muss die ÖVP zurzeit nicht besonders viel zu diesem Thema sagen. Es kommt eine Explosion nach der anderen; da haben wir nicht das Öl hineingegeben, da haben wir nicht das Feuer hin­gegeben.

Wenn ich jetzt zum Beispiel sage: Sittenbild – sprechen wir über den Kollegen Verzet­nitsch! Mir persönlich ist es wirklich völlig gleichgültig, wer wie wohnt, insbesondere wenn es ihm dabei gut geht; wenn es ihm schlechter geht, habe ich ein bisschen Mit­leid, und wenn es ihm sehr schlecht geht, sehr viel Mitleid. Aber ich bin ziemlich neid-


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los, wenn jemand schön lebt. Ich habe auch überhaupt kein Problem damit, dass Kol­lege Verzetnitsch von dort eine schöne Aussicht hat, Stephansdom, feine Sachen und so weiter, auch das ist kein Problem.

Aber das Sittenbild ist doch wirklich seit 1991 bekannt, dass einer, der Aufsichtsrats­präsident ist, in demselben Haus sitzt, dessen Kontrollorgan er ist. Und derjenige ... (Bundesrat Konecny: Eigentümer! – Bundesrätin Bachner: Er war nie Aufsichtsrats­präsident, Kollege Himmer!)

Eigentümervertreter! Ich korrigiere mich gerne: Er ist der Eigentümer, er bestimmt den Aufsichtsratspräsidenten, er bestimmt alle Kontrollgremien! Ich habe ihn hier et­was abgewertet, das tut mir Leid. Und entschuldige, liebe Kollegin Roswitha Bachner: Dass er die Eigentümerrolle sehr stark wahrgenommen hat, ist jetzt wohl nachhaltig bewiesen (Bundesrätin Bachner: Das bestreitet ja niemand! Ist ja auch seine Aufga­be!), mit den Garantien, mit ein bisschen Fonds-Gründen und so weiter. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Er hat sich also sehr als Eigentümer gefühlt, das kann man ja sagen; danke für den Hinweis! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Nachbar an Nachbar wohnt man mit demjenigen, den man als Manager bestellt und dem gegenüber man eigentlich die Eigentümerinteressen vertritt. Aber da versteht man sich gut, der eine tut dem anderen nicht weh, der eine hat eine etwas bessere Gage, und der andere hat eine etwas nettere Wohnung, ein bisschen teilt man sich den Swimmingpool und so weiter.

Dieses Sittenbild war bekannt, und ich weiß, dass es auch einigen in der Sozialdemo­kratie alles andere als angenehm war. Ich möchte hier wirklich nicht pauschal urteilen, indem ich sage: Alle sind so. Ich möchte nur feststellen: Er war über viele Jahre der Präsident der Gewerkschaftsbewegung, und man hat nicht die Konsequenzen gezo­gen, sondern man hat ihn immer wieder mit neuem Vertrauen ausgestattet.

Der Wiener Bürgermeister Häupl, für den ich in einigen Facetten durchaus hohen Re­spekt habe, hat sich bemüßig gefühlt, dazu zu sagen: Dieser Kollege Verzetnitsch – ich bin noch immer beim Thema „Sittenbild“ – müsste eigentlich den Maria-Theresien-Orden bekommen. Ich habe bis jetzt noch nichts darüber gehört, dass die Verleihung schon im Detail geplant wäre; ich glaube, da ist eher wieder der Rückzug angesagt. Aber ich möchte zum Thema „Sittenbild“ nur daran erinnern, dass man zu dem Zeit­punkt, zu dem Verzetnitsch seinen Rücktritt erklärt hat, eigentlich noch in der Phase war, ein bisschen einen Hero aus ihm zu machen. Die ist jetzt vorbei, er ist in der Zwi­schenzeit gekündigt. Wenn ich in diesem Fall die Medien heranziehe – ich lege mich jetzt nicht fest, ob sie gut oder schlecht sind –, dann kann ich sagen: Es war, sofern ich es richtig registriert habe, auf jeden Fall so, dass der Bürgermeister in der Zwischenzeit schon darüber nachgedacht hat, ob man Verzetnitsch nicht aus der Partei ausschlie­ßen sollte.

In dasselbe Sittenbild passt noch etwas – und meinetwegen, wenn wir heute schon da­bei sind: das sage ich jetzt auch aus einer gewissen Empfindlichkeit als ÖVPler her­aus –, und in diesem Zusammenhang möchte ich sagen, dass ich schon seit Monaten und Jahren immer wieder Artikel über den in der Zwischenzeit letztverbliebenen Wirt­schaftsexperten der Sozialdemokratie, Hannes Androsch, lese. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Tumpel passt ja nicht mehr so gut in ein Expertenteam, Verzetnitsch, Elsner und so weiter sind sozusagen als Galionsfiguren der Wirtschaftskompetenz abhanden ge­kommen. Jetzt kommt wieder einmal Androsch aus der Mottenkiste heraus; er freut sich immer, wenn er in der Zeitung irgendetwas sagen kann. (Bundesrat Kraml: Der war nie in der „Mottenkiste“!)

Wie gesagt, da möchte ich auch einmal auf das Thema „Sittenbild und Androsch“ Be­zug nehmen. Dieser hat erklärt, er habe nebenbei ein halbes Dutzend Bankpleiten bei


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der ÖVP so geregelt, dass ÖVP-nahe Bankinstitute nicht Pleite gegangen sind. Es fehlt aber jegliche Information darüber, warum und wieso oder welches Institut das über­haupt gewesen sein soll.

Da Androsch zum Thema „Wirtschaftskompetenz“ so hochgelobt wird: Hat sich irgend­jemand von euch einmal zu Gemüte geführt, was Androsch in den letzten Jahren alles gekauft hat? – Er ist regelmäßig in der Zeitung, weil er immer wieder etwas kauft: Bösendorfer; bei den Klimt-Bildern ist er dabei; bei der Post AG kauft er sich ein paar Prozent. Wenn die VA-Tech Hydro zur Diskussion steht, sagt er: Ja, das ist eigentlich auch nicht uninteressant, da bin ich dabei! Wenn Mateschitz aus Spielberg aussteigt, sagt er: Oh, ich, Androsch, konzipiere da schon ein anderes High-Tech-Konzept! Wenn es um die Montanwerke Brixlegg geht, sagt Androsch: Ja, das ist auch wieder interes­sant! Es würde ihn persönlich reizen. Die marode Augarten-Manufaktur sei eigentlich auch etwas, zu dem man sich etwas überlegen müsste. Vielleicht steigt er dort auch ein. Faserhersteller Lenzing: Androsch überlegt Rettung. Telekom Austria: Na ja, wenn wir eine österreichische Lösung brauchen, kauft es sich eben der Androsch.

Er taucht ständig auf, kauft die ganze Welt, verschwindet wieder und hinterlässt dabei den Eindruck, er hätte wahnsinnig viel Einfluss. Er rettet ununterbrochen irgendein Unternehmen, aber bevor es dazu kommt, ist er eigentlich schon wieder dabei, das nächste Unternehmen zu retten. – Dies zum Thema „Sittenbild“.

Nun möchte ich noch auf das Thema Bezug nehmen, ob es ein Spezifikum ist, dass Manager schlecht sind, dass Manager unverantwortlich handeln, dass Manager schlecht handeln. Da glaube ich generell – und darin gebe ich Konecny Recht –, dass es das überall gibt. Ich glaube, da sind wir uns ja schnell einig: Gute, Schlechte, Blöde, sehr Blöde und so weiter, die gibt es überall. Aber man muss ganz klar sagen: Bei einem Unternehmen ist es eine sehr wichtige Frage: Wer ist der Eigentümer, und wie vertritt der Eigentümer seine Rechte?

Wenn der Eigentümer eine Person ist, zum Beispiel der immer wieder zitierte Franky Stronach oder irgendeiner, der einmal viel Geld gehabt hat, weil er irgendwann etwas gut gemacht hat, und dann das Geld „verbläst“, hat er es eben „verblasen“; es ist ja auch sein Geld. Das ist aber in diesem spezifischen Fall schon etwas anderes, weil hier all die Gelder, die entstanden sind, aus den vielen, vielen Beiträgen der kleinen Gewerkschaftsmitglieder entstanden sind, die in eine Solidargemeinschaft eingezahlt haben, um gemeinsam vertreten zu werden.

Dann wird man Präsident, auf einmal hat man Hunderte Millionen und eine ganze Bank: super!, man hat einen Überblick, auch wohnungsmäßig (Heiterkeit bei der ÖVP), und ist super unterwegs. Wenn man schon in dieser Liga mitspielt, dass man sagt, im Prinzip ist man in erster Linie gar nicht mehr der oberste Arbeitervertreter, sondern eigentlich gehört man zur Hautevolee dazu, weil man sogar eine Bank hat, dann finde ich das auch noch nicht schlecht. Aber dann müsste man die Kompetenz haben, die richtigen Personen auszusuchen!

Diese Verantwortung hat Verzetnitsch – oder wer auch immer – verliehen bekommen durch die Wahl der vielen Gewerkschaftsmitglieder, und das Vermögen, das er dort verwaltete, war ja nicht sein Vermögen. Er hatte die Verantwortung: Wen mache ich zum Manager? Wer kommt in den Aufsichtsrat? Wer ist der Aufsichtsratspräsident? Wer sind die Aufsichtsratsmitglieder? In der Folge: Wer wird Generaldirektor? Wer kon­trolliert den Generaldirektor? Wer kontrolliert den gesamten Vorstand?

Das alles sind Entscheidungen und Funktionen, die eine hohe Qualität erfordern. In solchen Fragen ist es eben nicht ausreichend, dass wir alle Haberer sind. Ich persön­lich bin der Meinung, dass es gar nicht schlecht ist, wenn sich die Menschen im Leben verstehen. Dass mitunter Leute, die miteinander arbeiten, auch Haberer sind, dem ge-


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genüber bin ich eigentlich nicht reserviert. Allerdings muss man sicherstellen, dass die Kontrollfunktionen nicht versagen.

Es ist nicht allgemein so, sondern es ist nur in einem bestimmten Umfeld so, dass Kon­trolle völlig ausgeschaltet wird, weil es einen riesigen Gewerkschaftsbund gibt, der Geheimnisse um sich hat – der sagenumwobene Streikfonds und so weiter, der ja nur so ein Pscht-Geschichte ist, die man nur so geheim weiß, wie der US-Präsident den Atomcode – und in dem alles intransparent ist und einer allein alles entscheiden kann. (Bundesrätin Bachner: Vermischen Sie doch nicht alles!)

Da hat auch die interne Kontrolle versagt. Wer hat denn Herrn Verzetnitsch kontrol­liert? Jeglicher Kontrollmechanismus hat da versagt! (Bundesrat Boden: Das müssen Sie Grasser sagen!)

Die ungeheure Verantwortung für die Auswahl des falschen Managements, für die Aus­wahl der falschen Eigentümervertreter, die dieses Management überprüfen sollten, trägt ausschließlich die Gewerkschaftsspitze, und aus dieser Verantwortung kann sie auch niemand entlassen. (Bundesrat Schennach: In welchem Zusammenhang stehen deine Auslassungen zu Androsch hiemit?) – Weil er der letzte verbliebene ... Wenn du alles andere verstanden hast, gehe ich auf das eigentlich gar nicht mehr ein. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen und sagen: Ich habe es sehr richtig gefunden, als Hundstorfer gesagt hat: Danke! Danke, das hat Rudolf Hundstorfer gesagt. Das finde ich völlig richtig, dass er danke gesagt hat. Ich finde wirklich auch, dass der Ge­werkschaftsbund dieser Bundesregierung danke sagen kann, dem Nationalrat danke sagen kann, dem Bundesrat danke sagen kann, und vor allem den Österreicherinnen und Österreichern danke sagen muss, die Verständnis dafür haben. (Bundesrat Bierin­ger: So ist es!)

Danke muss der Gewerkschaftsbund deswegen sagen, weil die Bundesregierung ein Gesetz vorlegt und der Nationalrat und der Bundesrat dieses Gesetz beschließen, in dem die Allgemeinheit, nämlich auch jene, die nicht Gewerkschaftsmitglieder sind, Soli­darhaftung übernehmen, damit diese wichtige Einrichtung weiter existieren kann. Ge­nau deshalb, so meine ich, kann der Gewerkschaftsbund auch allen Österreicherinnen und Österreichern danke sagen. Wir sagen auf jeden Fall: Danke, liebe Österreicherin­nen und Österreicher! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer. – Bravo­rufe bei der ÖVP.)

17.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker zu Wort. – Bitte.

 


17.23.48

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Die Ereignisse seit Anfang März überschlagen sich regelrecht, sie machen tief betroffen, und dies aus mehreren Gründen. Was ist passiert? In diesem Zusammenhang stellen sich zwei wesentliche Fragen.

Die eine Frage ist die der Veranlagung. Banken haben eigene Prinzipien, eigene Ziele, die in der Regel klar definiert sind. Das ist aber immer auch davon abhängig, wer der Eigentümer dieser Bank ist. Eine Eigentümerin wie die Gewerkschaft muss andere Ziele haben, andere Kriterien, die ich sehr wohl im moralischen Bereich, im ethischen Bereich ansiedeln würde. Anlagen sollten in diesem Bereich anders erfolgen als im „normalen“ Bankengeschäft.


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Es ist dramatisch, was hier passiert ist, dass viele Milliarden in dieser Form versenkt worden sind. Die zweite Frage, die sich stellt, betrifft das Thema Kontrolle. Dass es möglich ist, dass ein Präsident und ein Finanzchef über Jahre werkeln und tun und Millionen über Millionen versenken, verspielen, wie auch immer, ist eine äußerst heikle Geschichte, weil Kontrolle ein wesentlicher Bereich ist in Vereinen wie die Gewerk­schaft einer ist, aber auch in Banken und in Aufsichtsräten. Und genau das ist der Be­reich, dessen Funktionieren hier schwer zu hinterfragen ist.

Was da abgelaufen ist und warum es da nicht auch mehr Transparenz gegeben hat, ist nur schwer nachvollziehbar. Es gibt eine Menge Spekulationen, warum und wieso das so gewesen ist. Es ist klar, dass es ein Ja zu einer rückhaltlosen Aufklärung geben muss. Es ist dies auch die Frage eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Nationalrat, die im Raum steht. Es ist auch klar, dass die Bank BAWAG gesichert werden muss; es ist klar, dass der Schutz des Ansehens des Finanzplatzes Österreich im Vordergrund stehen muss. Daher wird es natürlich auch die Zustimmung der Grü­nen zum vorliegenden Gesetzentwurf geben.

Dennoch sind in diesem Zusammenhang auch noch andere Verantwortungen anzu­sprechen. – Heute sind da schon mehrmals Namen gefallen. – Die ÖVP sitzt heute so­zusagen erste Reihe fußfrei, studiert „NEWS“-Interviews und so weiter. Dennoch: Es gibt zwei Aufsichtsräte in der BAWAG, die kommen von der ÖVP. Es gibt zwei Mit­glieder der ÖVP, die sitzen im Präsidium des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. (Bundesrat Bieringer: Einer! – Bundesrätin Bachner: Zwei!) Es sitzt ein Mitglied in der Zentralkontrollkommission. Es stellt sich daher die Frage, meine Herrschaften von der ÖVP: Was ist da passiert? – Bedauerlicherweise sitzen wir nicht im Präsidium; bedau­erlicherweise sitzen wir nicht im Aufsichtsrat. – Das ist schon sehr fragwürdig.

Ich möchte jetzt noch einen Fall anschneiden, und der ist in den erschütternden Ereig­nissen rund um die BAWAG völlig untergegangen, nämlich die Hypo Alpe-Adria-Bank. Damit sind wir im Süden dieses Landes. Ein Besitzer ist das Land Kärnten, der Eigen­tümervertreter ist Landeshauptmann Haider, ein zentraler Miteigentümer – nämlich zu 40 Prozent. Die haben genauso mit Hochrisikogeschäften eine im Vergleich mit der BAWAG, gemessen an der Bilanzsumme, wesentlich höhere Summe versenkt. Und was ist? – Gar nichts ist. Ja, da schaut man zu. Es gibt da einen großen Unterschied: Bei der Hypo Alpe-Adria-Bank und den Anteilen des Landes Kärntens geht es ganz zentral um Steuergelder, und bei der BAWAG geht es um Vereinsgelder. Und das ist schon ein Unterschied. (Bundesrat Bieringer: Da schießen Sie aber jetzt schon über das Ziel hinaus!)

Kollege Bieringer, es ist doch ganz klar: Wenn Schüssel mit Haider in trauter Zweisam­keit ein Sparbuch eröffnen geht und man dann sagt, man schießt über das Ziel hinaus, dann muss ich sagen: Das kann es doch nicht sein! Es mutet schon leicht eigenartig an, wenn da überhaupt kein Blick darauf geworfen wird.

Summa summarum: Nach dem, was jetzt am Bankenplatz Österreich passiert ist, muss es auch klar sein, dass es für die Anlagen von Banken – ich verstehe alle Finanznöte und sonst was – klare Kriterien gibt, die moralisch, ethisch und ökologisch korrekt sind. Es geht um eine Demokratisierung des Gewerkschaftsbundes. Das steht an. Es gibt eine Diskussion um den Anteil der Frauen, das Urwahlrecht. Wie wird der Präsident gewählt? Was jedoch für den Österreichischen Gewerkschaftsbund gilt, gilt genauso auch für die Wirtschaftskammer. Auch das ist in Diskussion gewesen, aber leider ist es abgeblockt worden, hier eine Demokratisierung des Wahlrechts vorzunehmen. (Bun­desrat Kneifel: Was soll das jetzt?) Was die eine Seite betrifft, betrifft auch die andere Seite. Was die Demokratisierung betrifft, ist es jedenfalls so.


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Es geht natürlich auch um die Kontrolle innerhalb der Gewerkschaft, eine Kontrolle, die in dieser Form versagt hat und mangelhaft war. Zentral geht es aber auch um die Stär­kung der Bankenaufsicht. Viele, viele Bereiche stehen zur Änderung an. Es ist ein tra­gischer Fall, den wir jetzt vorliegen haben. Ich denke, er rüttelt auf und muss zu Ver­besserungen in vielen Bereichen führen, die wir hier in dieser Form auch einfordern. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


17.29.47

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon einiges über die Machenschaften und die Ereignisse der letzten Wochen und Monate gehört, die inzwischen ja unvor­stellbare Ausmaße angenommen haben.

Kollege Himmer hat sozusagen den tiefsinnigen Punkt der ganzen Situation beleuchtet, etwas pointiert. Ich werde, wenn Sie gestatten, jetzt eher den pragmatischen Teil über­nehmen und gleich auf eine Aussage der Kollegin Lichtenecker zu sprechen kommen, dass nämlich ÖVP-Leute im ÖGB-Präsidium sitzen und ÖVP-Leute auch im Aufsichts­rat sitzen. Da kann ich auch sagen, die Frau Kollegin Bachner sitzt im ÖGB-Präsidium. Dann hätte sie das auch gewusst.

Ich kenne Frau Kollegin Bachner. Wenn sie etwas von diesen ganzen Manipulationen gewusst hätte, dann würde sie heute nicht hier sitzen. So viel Ehrlichkeit gestehe ich der Frau Kollegin Bachner zu. Genauso gilt auch die Unschuldsvermutung für jene ÖVP-Leute, die in diesen Gremien sitzen, weil diese ÖVP-Leute von dieser ganzen Manipulation keine Ahnung hatten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Das ist ja klar! – Bundesrätin Bachner: Das hat sie auch gar nicht gesagt!) Das muss man in aller Deutlichkeit hier sagen: keine Ahnung! (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Es geht um die Hinterfragung!) Da gibt es nichts zu hinterfragen. Wenn ich von Vorgängen nichts weiß, dann kann ich darüber auch nichts berichten. Das ist sozu­sagen ein alter Hut, liebe Kollegin.

Zum pragmatischen Teil: Die viertgrößte Bank Österreichs, unsere BAWAG – und ich sage bewusst „unsere“, weil es auch das Bankinstitut der Republik Österreich ist, siehe Vorfinanzierung der Abfangjäger, das kann man ja auch hier ins Treffen führen –, wurde durch unglaubliche Machenschaften, durch Spekulationen in der Karibik an den Rand der Insolvenz, an den Rand des Untergangs gebracht. Milliardenklagen von Gläubigern aus dem Refco-Desaster gegen die BAWAG, gesperrte Konten in den USA, beschlagnahmte Konten in den USA. Noch dazu haben auf Grund dieses schwe­ren Imageverlustes, den wir erlitten haben, Tausende Sparer – und das waren, bitte, nicht alles ÖVP-Mitglieder und christliche Gewerkschafter – mehr als 1 Milliarde € von der BAWAG abgezogen und somit beinahe den Konkurs, die Insolvenz herbeigeführt.

Ich darf hier auch die Situation der MitarbeiterInnen der BAWAG erwähnen, 6 000 an der Zahl. Die Probleme, die die ÖGB-Mitarbeiter in den letzten Wochen und Monaten gehabt haben, waren auch nicht gerade klein. Das sind immerhin 2 000 Leute, die durchaus zu bedauern sind, und ich darf ihnen allen zu ihrer Standhaftigkeit gratulieren und dazu, dass sie durchgehalten haben.

Wenn Sie sagen – Kollege Konecny ist jetzt nicht da –, dass die Bundesregierung zu spät – wir haben das heute schon einmal angesprochen – gehandelt habe, kann man das nur mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Kollege Hundstorfer und die Spitzen des ÖGB, die mit der Bundesregierung verhandelt haben, sind am 1. Mai erst dann


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zum Bundeskanzler gekommen, als sie ihre 1. Mai-Feier vor dem Wiener Rathaus ab­solviert hatten.

Dort hat man den Bundeskanzler des „Neo-Liberalismus“ und „Turbo-Kapitalismus“ ge­ziehen und so von der improvisierten Rathausmauer herunter sozusagen der versam­melten Menge präsentiert. Das war ganz klar: Das hat einen gewissen Charme. Wenn man diese ganzen Versammlungen hintangehalten hätte und früher zum Bundeskanz­ler gegangen wäre, hätte man eben ein paar Stunden früher an diesem Gesetz basteln können. Das ist doch ein alter Hut! (Bundesrat Reisenberger: Sie wissen genau, dass es da auch noch keine Einigung mit den Gläubigern gegeben hat! Schieben Sie das jetzt nicht auf den Ersten Mai!) – Ja eben, weil noch keine Einigung auch mit den Gläu­bigern aus Amerika zustande gekommen ist. Das sind Tatsachen! Das kann man doch nicht dementieren!

Die kriminellen Aktivitäten haben nicht nur einen materiellen, sondern auch einen ge­waltigen Imageschaden verursacht und gefährden den Finanzplatz Wien und den Fi­nanzplatz Österreich in besonderer Art und Weise. Österreich hat in den letzten Jahren eine hervorragende wirtschaftliche Entwicklung erlebt, wir hören tagtäglich die Erfolgs­meldungen der österreichischen Börse. Damit dieser erfolgreiche Weg nicht gefährdet wird, hat diese Bundesregierung im Einvernehmen mit dem ÖGB und den österreichi­schen Banken rasch gehandelt und mit dem vorliegenden Gesetz zum Erhalt der BAWAG und der Sicherung des Finanzplatzes Österreich die erforderlichen Schritte eingeleitet, denn die Insolvenz einer Großbank wie der BAWAG hätte für das Finanz­system, für unsere Wirtschaft verheerende Folgen gehabt und wahrscheinlich einen Dominoeffekt ungeahnten Ausmaßes ausgelöst.

Kollege Konecny hat angedeutet, dass Bundeskanzler Schüssel praktisch Öl ins Feuer gegossen habe. – Wenn der Bundeskanzler das gemacht hätte, dann wäre die ganze Partie wirklich explodiert! Davon können wir ausgehen! – Genau das Gegenteil hat die Bundesregierung gemacht, nämlich durch rasches und effizientes Handeln die BAWAG gerettet!

Sie von der SPÖ geben allen anderen die Schuld an diesem Desaster. Denken Sie ein­mal nach, wer diese ganze Malaise verursacht hat! Sie machen die Täter zu Opfern – und das ist einfach gegen jede Logik! Aber Logik war ganz offensichtlich, wenn es ums Geld geht, noch nie Ihre Stärke. (Beifall bei der ÖVP.)

Hat nicht Kollege Gusenbauer gesagt, die BAWAG wäre ein Kriminalfall? Deshalb ha­ben sich viele kleine Sparer gesagt: Weg mit unserem Geld, denn unsere sauer erspar­ten Silberlinge wollen wir nicht in einem Kriminalfall stecken lassen! Derartige Aussa­gen haben auch dazu beigetragen, viele Sparer zu verunsichern.

Auch als Gewerkschaftsvertreter bin ich dieser Bundesregierung dankbar dafür, dass diese Haftungsübernahme in Höhe von 900 Millionen € gewährt wird, wenngleich ich hoffe, dass sie nie gebraucht wird und die BAWAG sich durch die Unterstützung der Bundesregierung aufraffen und zu einem erfolgreichen und positiven Geschäftsverlauf zurückkehren kann. Es ist deshalb geradezu paradox, Bundeskanzler Schüssel und der Regierung vorzuwerfen, sie wolle den ÖGB in den Konkurs treiben, weil als Bedin­gung der Staatsgarantie für die BAWAG auf der Haftung des Gewerkschaftsbundes bestanden wurde. Es ist das ein untauglicher Versuch, ja ein verzweifelter Versuch der SPÖ, einen Gegenangriff zu lancieren. Der moralische Konkurs ist bereits eingetreten, in wirtschaftlicher Hinsicht wird durch die Staatshaftung und das Geld der Konkurrenz­institute in Höhe von 450 Millionen € der Untergang vermieden. – Das ist die Wahrheit! Alles andere ist – auf gut Vorarlbergerisch gesagt – an Schmarra!

Eine andere Problematik ist der Zustand des ÖGB, der sich durch diese Skandale und Kriminalfälle in eine tiefe Krise manövriert hat. Das bereitet nicht nur Kopfzerbrechen,


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sondern ist eine existenzgefährdende Materie. Trotzdem habe ich Vertrauen in den neuen Präsidenten Rudolf Hundstorfer, weil ich ihn persönlich kenne, weil ich ihm das zutraue und weil er eine lückenlose Aufklärung und eine Aufräumung dieses Saustalls versprochen hat. Ich glaube, dass dies ein Beginn für eine große Reform sein kann, denn der wirtschaftliche und politische Schaden, den der ÖGB erlitten hat, ist enorm und wird für lange Zeit ein Thema in der Gesellschaft und natürlich auch in der Ge­werkschaftsbewegung sein.

Die Gewerkschaftsbewegung ist deshalb aufgefordert, rasch über eine totale Reform in einem breit angelegten Dialog ohne Tabus nachzudenken, denn wenn uns die Mit­glieder in ähnlicher Weise verlassen, wie die Bankkunden ihre Ersparnisse bei der BAWAG behoben haben, dann: Gute Nacht, ÖGB! Bei diesen Reformen, und es müs­sen tief greifende und ehrliche sein, geht es insbesondere um Demokratisierung, Stär­kung der Kontrollmechanismen und Wiederentdeckung – ich sage bewusst Wiederent­deckung – der Minderheitenrechte. Wir können hier eine Anleihe bei den Arbeiterkam­mern nehmen. Bei denen ist es seit Rechberger und Zacharias eine Selbstverständ­lichkeit, dass die Kontrolle von den Minderheitsfraktionen ausgeübt wird und vor allem auch ausgeübt werden kann – werden kann, das ist der entscheidende Terminus. Das Engagement der Gewerkschaften sollte sich nicht in Parteipolitik und in Fraktionsarbeit erschöpfen, sondern die Kreativität und Dynamik sollte in die Betreuung der Betriebs­rätinnen, der Personalvertreterin und in die Mitglieder investiert werden. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.

Ziel muss es also sein, den Gewerkschaftsbund neu zu organisieren, denn Österreich braucht starke Interessenvertretungen, braucht die Erfolgsbilanz der gelebten Sozial­partnerschaft und einen starken überparteilichen ÖGB, wobei aber Überparteilichkeit nicht nur auf dem Papier stehen darf, sondern auch tatsächlich gelebt werden muss. Wir brauchen einen starken ÖGB für die Probleme in einer globalisierten Welt, in der der Konkurrenzkampf immer härter wird, und für den sozialen Frieden in Österreich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie: Verabschieden Sie sich von der Philosophie der siamesischen Zwillinge, denn diese Thesen sind längst überholt!

Glück auf!, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Ing. Kampl.)

17.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


17.40.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Von grüner Seite befinde ich mich sozusagen auf neutralem Boden. Ich bin weder der Generalanwalt oder Strafverteidiger des ÖGB oder der BAWAG und auch nicht der, der das erklären muss, wie sich die Regierung in den letz­ten Wochen verhalten hat.

Deshalb versuche ich, diese Position einmal aus der Mitte zu nehmen und einfach von meinen persönlichen Empfindungen zu sprechen, wie man Schock für Schock dieses Desasters mitgehört hat und wozu man schon sagen muss, dass jeden Tag die Empö­rung eher dem Schmerz gewichen ist, dass die Schmerzgrenze überschritten worden ist. Es tut wirklich weh, was man hier hört.

Aber zuerst einmal ein Wort zur BAWAG: Ich kenne die BAWAG und die Art, wie sie arbeitet, von ihren Filialbetrieben, und ich muss sagen, ich habe in meiner Tätigkeit selten Bankmitarbeiter und Bankmitarbeiterinnen kennen gelernt, die dermaßen profes­sionell, dermaßen freundlich und dermaßen exakt und kundenorientiert gearbeitet ha-


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ben, wie die MitarbeiterInnen in den Filialen der BAWAG. Ich kann nur sagen, es wäre schade gewesen um jede einzelne Stelle in den BAWAG-Filialen, die verloren gegan­gen wäre, denn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der BAWAG haben nichts damit zu tun, dass der Eigentümervertreter offensichtlich ein jahrzehntelanges Ungeschick bei der Auswahl von Spitzenrepräsentanten bewiesen hat, Spitzenrepräsentanten, die im Grunde mit dem Eigentümer nichts gemeinsam haben, sondern eher entweder in dem autoritären Zirkel oder in dem Parvenu-Zirkel zu finden sind, aber nicht jene Demut vor dem Amt hatten, das man sich eigentlich von Personen an der Spitze einer im Eigen­tum einer Gewerkschaftsbewegung befindlichen Bank erwartet.

Meine Damen und Herren! Was hat die Regierung gemacht? – Die Regierung hätte – und es ist Wurscht, welche Regierung, jede Regierung auf der Welt, jede Regierung jedweder Couleur –, wenn es um eine der größten Banken geht, um die Hausbank der Republik, handeln müssen.

Der Koalitionspartner der jetzigen Regierung hat zu diesem Agieren gemeint, hier legt der Brandstifter Feuer und ruft nachher nach der Feuerwehr. Das habe nicht ich ge­sagt, das hat auch nicht die Opposition gesagt, das hat Ihr eigener Regierungspartner, der Landeshauptmann von Kärnten, gesagt. (Bundesrat Ing. Kampl: Aber in welchem Zusammenhang?) Er hat es gesagt. Sie können es zur Kenntnis nehmen. (Bundesrat Ing. Kampl: Man muss den Zusammenhang sehen!)

Ich selbst muss sagen, der Abfluss, der an diesem heißen Tag, an diesem Freitag pas­siert ist, hat sehr wohl etwas mit Parteitagen in Linz zu tun gehabt, hat mit Erklärungen zu tun gehabt und mit einem Gefühl der Unsicherheit kleiner Sparer und Kleinstsparer und Einleger, und es ist natürlich auch zu einer Verschiebung von Gewichten in der Republik, auch zu einer finanziellen Verschiebung, gekommen.

Was dann kam, Herr Staatssekretär – verzeihen Sie mir, dass ich das sage, aber als ich die Bilder gesehen habe, als ich das gehört habe, habe ich mir gedacht, jetzt sind wir endgültig in der politischen Schmiere angekommen –, war diese Einzahlungsaktion, der Demütigung nächster Schritt. (Bundesrätin Bachner: Ja!) Also ich glaube, anstän­dige Sanierer hätten sich das nicht geleistet. Das haben sich Sanierer oder helfende Sanierer geleistet, die daraus auch noch politisches Kleingeld schlagen wollten. (Bun­desrat Kneifel: Gerade umgekehrt ist es! Sie machen das!) Dass jener, der von den Brandstiftern spricht, da auch noch dabei war, ist eine ganz andere Sache und wirft ein bezeichnendes Licht auf ihn.

Dass man dann ausgerechnet den 1. Mai hernimmt, um die Gewerkschaftsbewegung – das sage ich jetzt einmal so, die Gewerkschaftsbewegung wird das vielleicht anders sehen – zu zwingen, in der Not eine politische Kapitulation zu unterzeichnen – denn letztlich kommt das, was am 1. Mai nächtens passiert ist, in irgendeiner Form einer politischen Kapitulation gleich –, das ist der nächste Schritt.

Meine Damen und Herren! Ich habe im Ausschuss gefragt: Gibt es ein einziges Gut­achten, das darüber Auskunft gibt, wie viel die Oesterreichische Nationalbank wert ist? Dass die Wertigkeit der Oesterreichischen Nationalbank 150 000 Millionen beträgt, das kann nur ein Scherz sein. Dass 20 Prozent davon mit bis maximal 33 Millionen bewer­tet werden, ist, gelinde gesagt, ein Witz. Es ist ein Witz, dass hier 20 Prozent Anteile von ÖGB und BAWAG an der OeNB mit einer Art Butterbrotpreis abgespeist werden, denn ich könnte Ihnen hier zehn Immobilien, zehn kleinere Immobilien in Wien nennen, die ein Vielfaches der 150 Millionen € wert sind, und da gehe ich noch nicht einmal auf die Stammhäuser der Nationalbank ein.

Meine Damen und Herren! Was hier erzwungen wird, ist in meinen Augen und in den Augen vieler höchst unanständig (Bundesrätin Bachner: So ist es!), denn die Haftung der Republik für die BAWAG kostet die Republik letztlich keinen Euro. (Bundesrat


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Kneifel: Hoffentlich!) Aber was Sie hier an Gewichten verschieben ... (Bundesrat Knei­fel: Hoffentlich wird das nicht schlagend!) Gut, dass gerade Kollege Kneifel sich mel­det, denn es hat ja offensichtlich alles eine Geschichte. Wir von den Grünen gehören dieser Geschichte nicht an, Kollege Kneifel, aber es hat offensichtlich eine Geschichte, dass sowohl die Wirtschaftskammer als auch die Industriellenvereinigung und der ÖGB sich in der Nationalbank eingekauft haben oder Träger der Nationalbank sind. Sie ver­schieben diese Gewichte. Sie nützen hier eine Situation aus, um zu einer Verschie­bung der Gewichte zu kommen.

Da Kollege Mayer hier gesagt hat, das hätte alles nicht gestimmt, war es im ursprüng­lichen Text, Herr Kollege Mayer, sehr wohl so, dass die Haftung der Republik erst ein­getreten wäre – sonst hätten wir nicht einen Abänderungsantrag bewirkt –, wenn der ÖGB in Konkurs geschickt worden wäre. Das ist Faktum, und das können Sie hier und heute nicht leugnen! (Bundesrat Bieringer: Ist es so beschlossen worden?) Das war der Text, Herr Kollege Bieringer, und ich denke, wer diesen Text ausgehandelt hat, wer die Kapitulation in der Nacht des 1. Mai herbeigeführt hat, wird wissen, was ... (Bun­desrat Bieringer: Sie unterstellen das!) Ich unterstelle das, ja, weil diese ganze Krise vom wirklichen Management-Pfusch selbstherrlicher BAWAG-Manager an der Spitze letztlich nun zu einer großen Umverteilung von Gewichtungen geführt hat, und ich unterstelle, dass die Schwächung des ÖGB – entschuldigen Sie! – dieser Regierungs­koalition doch, bitte, in den Schoß gefallen ist (Bundesrat Bieringer: Schuld ist die Re­gierung! Oder?), denn der Gewerkschaftsbund hat doch – da hat Kollege Mayer viel­leicht sogar mitdemonstriert – die größte Demonstration der Zweiten Republik herbei­geführt, und zwar gegen Maßnahmen dieser Regierung. (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist so was von absurd!) Das ist gar nichts von „absurd“! (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist schon absurd! – Bundesrat Kneifel: Jetzt ist die Regierung schuld!)

Lieber Kollege Himmer, offensichtlich passiert jetzt dasselbe wie vorhin: Ich habe nicht verstanden, was der Kollege Himmer mit dem Hannes Androsch machte, ihr versteht offensichtlich das Ganze, was ich sage, nicht. Das ist jetzt irgendwie ein Problem. (Bundesrat Kneifel: Ich verstehe! Die Regierung ist schuld!) Es ist ein Problem. Ich sa­ge, dass es Krisengewinner gibt, Herr Kollege Kneifel, und die Krisengewinner rühren sich jetzt gerade in diesem Saal ziemlich laut. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn es Krisengewinner gibt, Kollege Mayer, dann gibt es auch welche, die die Krise verschuldet haben. (Bundesrat Mayer: Ja, genau! Das war aber nicht die Regierung!) Und die sind auch klar. Aber wir haben Krisenverschulder und wir haben Krisengewin­ner, und es ist immer noch die Frage: Darf man jetzt auf einmal die Krisengewinner nicht mehr attackieren? Darf man nicht einmal sagen, dass es hier zu einer extremen Verschiebung in der Zweiten Republik, zu einer Verschiebung bis in die Grundfesten gekommen ist? Das werden wir noch sehen. (Bundesrat Mag. Himmer: Das hätte man vermeiden können, wenn es eine Kontrolle gegeben hätte! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass sich der ÖGB heute ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Ich weiß, Krisengewinnler zu sein, tut weh, wenn man es hört. Es tut weh, wenn man es hört, dass man Krisengewinnler ist. Wäre ich Regierungsmitglied gewesen, das am 2. Mai eine BAWAG-Filiale belagert und eine Schmierenkomödie abzieht, da würde ich mich heute noch genieren, wäre ich da dabei gewesen. (Bravorufe bei der SPÖ. – Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Leider ist ein wirklich tapferer Bankmanager wie Nowotny nicht in der Lage gewesen, diese 2 000 € den Adressaten wieder zurückzuschicken, denn das ist nicht gegangen. Wir wissen das alle, und ich nehme an, im Sinne der BAWAG werden wir das hier alle unterstützen, weil es um die Hausbank Österreichs geht. Aber schauen Sie sich doch


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dabei noch einmal in den Spiegel und schauen Sie sich an, was in den letzten zwei Wochen passiert ist. Der ÖGB wird sich in den Spiegel schauen müssen! (Bundesrat Mag. Himmer: Wir können uns in den Spiegel schauen!) Sie müssen das auch. (Bun­desrat Mag. Himmer: Wir haben gehandelt!) Die Krisenverursacher müssen genauso in den Spiegel schauen wie die Krisengewinnler. Und da gehören Sie dazu, Kollege Himmer; nicht namentlich und nicht persönlich, sondern im Sinne einer Gemeinschaft, der Sie angehören, oder einer Regierung, die Sie vertreten.

Der ÖGB wird eine Reihe von Reformen brauchen: von der Spitze bis tief hinunter, und es wird nicht nur darum gehen, Sektionen aufzulösen. Das wissen wir. Das wird der ÖGB machen. Da werden Christdemokraten, Grüne, Alternative und sozialdemokrati­sche Gewerkschafter sich noch oft die Köpfe einschlagen müssen, aber dass der ÖGB eine Reform braucht, ist klar.

Was ich nie verstanden habe – da bin ich zum Beispiel beim Kollegen Mayer –, ist, dass die Mehrheit, nämlich eine Mehrheit, die so stark ist, sich auch noch selber kon­trolliert. Hier wird es radikale Reformen innerhalb des ÖGB geben müssen, damit auch die Akzeptanz gegeben ist. Denn bitte: Dieses Land braucht – der Kollege Kneifel wird bitten und betteln, der Herr Leitl wird bitten und betteln, ebenso die Industriellenvereini­gung –, dieses Land braucht eine Balance, eine Balance von Arbeitgebern und Arbeit­nehmern, aber es braucht keine Balance von Krisenverursachern und Krisengewinn­lern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Vilimsky. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von SPÖ und ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Am Wort ist Herr Kollege Vilimsky!

 


17.52.21

Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere meine sehr ge­ehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich möchte Ihnen ein paar Zeilen zum Vortrag bringen, von denen Sie sich nicht persönlich angesprochen fühlen sollen, aber die Geisteshaltung, die einige in Ihren Reihen zutage gefördert haben, soll doch sehr wohl auch Thema sein. Ich zitiere Kurt Tucholsky:

„An einen Bonzen

Einmal waren wir beide gleich, beide Proleten, im deutschen Kaiserreich“ – ich extem­poriere: beide Proleten in unserem Österreich –, „beide in derselben Luft, beide in glei­cher verschwitzter Kluft. Dieselbe Werkstatt, derselbe Lohn, derselbe Meister, dieselbe Fron, beide dasselbe elende Küchenloch. Genosse, erinnerst du dich noch?

Aber du, Genosse, warst flinker als ich, dich drehen, das konntest du meisterlich. Wir mussten leiden, ohne zu klagen, aber du, du konntest es sagen, kanntest die Bücher und die Broschüren, wusstest besser die Feder zu führen. Treue um Treue, wir glaub­ten dir doch. Genosse, erinnerst du dich noch?

Heute ist das alles vergangen. Man kann nur durchs Vorzimmer zu dir gelangen. Du rauchst nach Tisch die dicken Zigarren, du lachst über Straßenhetzer und Narren, weißt nichts mehr von alten Kameraden, wirst aber überall eingeladen. Du zuckst die Achseln beim Hennessy und vertrittst die deutsche“ – extemporiert: die österreichi­sche – „Sozialdemokratie.


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Du hast mit der Welt deinen Frieden gemacht. Hörst du nicht manchmal in dunkler Nacht eine leise Stimme, die mahnend spricht: Genosse, schämst du dich nicht?“ – Zi­tatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, tun Sie doch nicht so, als wüss­ten Sie nicht seit vielen Jahren über den Penthouse-Sozialismus Bescheid! Tun Sie nicht so, als wüssten Sie nicht, wie Herr Verzetnitsch residiert hat, wie Herr Elsner resi­diert hat! Es war im Jahr 1991, in dem wir das aufgezeigt haben im Fall Elsner und auch im Fall Verzetnitsch mit 50 Tonnen schweren Schwimmbecken in der Wiener Innenstadt. Jetzt hier so zu tun, als wäre man von diesem „Sauhaufen“ – ich zitiere den Wiener Bürgermeister – überrascht, ist etwas kühn.

Und tun Sie von der SPÖ auch nicht so, als wüssten Sie nicht Bescheid über die Ga­gen der Bosse im ÖGB, die sich alle im Ausmaß von rund 15 000 €, ein bisschen tiefer, ein bisschen darüber, bewegen: Haberzettl, Katzian, Hundstorfer, Richard Leutner, der, glaube ich, die Liste anführt mit 16 575 €, Werner Muhm, und so weiter, und so fort.

Herr Professor Konecny, wie fühlt man sich – Sie haben mich heute mit einem Gruß angesprochen, der angeblich im Westen verbreitet sein soll –, wie fühlt man sich, wenn man auf einem Parteitag der SPÖ oder bei sonst einer Zusammenkunft der SPÖ dem Genossen Verzetnitsch oder Elsner mit dem sozialdemokratischen Grußwort „Freund­schaft“ begegnet, sehr wohl wissend, welcher Saustall hier beheimatet ist?

Ich will aber auch die ÖVP in dem Fall nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. (Bun­desrat Boden: Ach, da schau her!) Wir haben drei Aufsichtsräte, einen Vizegeneral­direktor der ÖVP, und, Herr Kollege Himmer, der Sie heute den Altbürgermeister Zilk zitiert haben – ich habe das auch gelesen, es sind sehr gute, sehr nette Zeilen –, viel­leicht können Sie auch erklären, warum diese Bundesregierung gerade über die rote Hausbank die Vorfinanzierung für den Eurofighter abgewickelt hat.

Die Begründung war: wegen der guten internationalen Kontakte und Erfahrungen der BAWAG. Das muss einmal in aller Deutlichkeit festgehalten werden. Und da gilt es auch noch, das nicht unter den Teppich zu kehren, sondern in weiterer Folge zu unter­suchen, denn ich behaupte, Rot und Schwarz hängen in der Sache viel mehr zusam­men, als man bei dem ganzen Theater nach außen vielleicht mutmaßen könnte.

In Richtung SPÖ: Wenn es die SPÖ wirklich ernst meint mit der Kritik am Eurofighter, dann hätte ich gern noch vor der Wahl eine Garantieerklärung, dass die SPÖ für den Fall, dass sie der kommenden Bundesregierung angehört – was für mich eine sehr wahrscheinliche Einschätzung ist –, bereit ist, diesen Deal, der gerüchteweise bis zum Himmel stinkt, auch tatsächlich zu beenden, zu stornieren. Bis heute gibt es das nicht. Bis heute wissen wir nur, dass die Vorfinanzierung über die rote BAWAG gelaufen ist.

Und wenn ich zur BAWAG zurückkomme und zur SPÖ, kann ich nur sagen: Der rote Lack bei der Sozialdemokratie ist ab, und das, wovor manche warnen, der Neoliberalis­mus, hat sich in erschreckender Art und Weise bei der ganzen BAWAG- und ÖGB-Causa gezeigt.

Jetzt bin ich wieder bei der ÖVP, die hier ganz bewusst ein mehr als hinterfragenswer­tes Spiel betrieben hat, bei dem die ÖVP, wissend, dass die viertgrößte österreichische Bank auf dem Spiel steht, zuerst zugesehen hat, und dann, als die Situation sehr sen­sibel war, sich auf einmal der Herr Bundeskanzler Schüssel hinstellt und diese ganze Causa mit der Hochwasserkatastrophe vergleicht. Hier in einer derartigen Weise Öl ins Feuer zu gießen, ist ein Akt, der besonders unverantwortlich ist. Und ich behaupte, dass die ÖVP auch Interesse daran gehabt haben könnte (Bundesrat Bieringer: Das ist falsch zitiert worden! Das muss man einmal klarstellen!) – Sie können gerne nach­her zu meinem Beitrag Stellung beziehen –, dass die ÖVP Interesse daran gehabt ha-


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ben könnte, den Wert der BAWAG in den Keller zu reden, und zwar aus der einfachen Motivation heraus, sie in weiterer Folge irgendwo zum Schnäppchenpreis anderen In­teressenten anbieten zu können.

Ich verstehe nicht – und da bin ich wieder bei Ihnen –, wieso die Sozialdemokratie die BAWAG in dieser mehr als dunklen Stunde einem derartigen Verkaufsdruck aussetzen will. Wenn ich mein Auto verkaufen würde und gerade durch Schlamm und Schmutz gefahren bin, werde ich es sicherlich nicht in diesem Zustand zum Verkauf anbieten. Ich werde schauen, dass ich es innen sauge und außen poliere und den Motor über­prüfe, und dann werde ich es zum Verkauf anbieten. (Bundesrat Boden: Den bringst du nicht mehr an, wenn du durch den Schlamm gefahren bist!)

Daher: Wer es wirklich ernst meint – und ich zähle mich dazu –, die BAWAG als viert­größte österreichische Bank mit ihren 6 000 Beschäftigten samt ihren Familien, den vielen kleinen Sparern, die noch nicht geflohen sind, zu retten, der muss jetzt auch ge­gen diesen Verkauf stimmen, weil es unverantwortlich wäre, in der jetzigen Situation die Bank zum Schnäppchenpreis irgendwelchen internationalen Interessenten, mög­licherweise aus dem konservativen Bereich, feilzubieten, sodass dann sowohl die 6 000 Beschäftigten wanken würden als auch die guten Konditionen, die die BAWAG heute noch hat, wahrscheinlich Zug um Zug an die weitaus höhere Konditionenpolitik der anderen Institute angeglichen werden müssten.

Generell meine ich, dass man die Geister, die da gerufen wurden, jetzt nicht mehr los wird. Wir lesen heute in der Zeitschrift „NEWS“, dass Ed Fagan, US-Staranwalt, sich hinter die Sache geklemmt hat. Und trotz aller Wichtigkeit seitens der Republik, mit einer Haftung der BAWAG unter die Arme zu greifen, spricht man bereits von einem Streitwert, der in die Höhe von einer Milliarde US-Dollar gehen soll.

Jetzt frage ich: Wer soll dieses Institut mit dem jetzigen Hintergrund, mit einer Milliar­denklage im Rücken kaufen? Um welchen Preis kann das sein? Kann es überhaupt noch eine österreichische Lösung sein, und warum begibt man sich künstlich in diesen Verkaufsdruck, der mit Sicherheit zum Schaden des österreichischen Bankenplatzes, der Beschäftigten und letztendlich auch der Republik sein wird?

Ich werde heute der Haftung der Republik selbstverständlich die Zustimmung erteilen, weil es ein kleiner Lichtblick in einer sehr dunklen Gasse für die BAWAG ist und die viertgrößte österreichische Bank aus meiner Sicht gerettet werden muss. Ich will mich damit auch hinter die Beschäftigten der BAWAG – 6 000 Menschen mit ihren Familien, die derzeit zutiefst verunsichert, in Sorge und in Angst sind – und auch hinter die Tau­senden kleinen Sparer und Anleger stellen, die der BAWAG immer noch die Treue hal­ten und noch nicht geflohen sind.

Wenn man die BAWAG retten will, bedarf es – so denke ich – eines nationalen Schul­terschlusses. Da müssen ÖVP und SPÖ aufhören zu streiten, aufhören, irgendwelche strategischen Machtüberlegungen zu wälzen. Sie sollten vielmehr gemeinsam an einem Strang ziehen und fernab der Parteipolitik jene Maßnahmen ergreifen, die zu einer Rettung, Sanierung und zu einer langfristig gedeihlichen Entwicklung dieser Bank führen. – Danke sehr.

18.01


Präsidentin Sissy Roth-Halvax (den Vorsitz übernehmend): Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


18.02.01

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich habe mich schon gestern zu Wort gemeldet und war auch in der Liste, habe aber meine Wortmeldung nach der sehr emotionalen Wortmel-


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dung des SPÖ-Vorsitzenden Prof. Konecny zurückgezogen, die insgesamt moderat war und eigentlich nur einen ganz kleinen, leichten Seitenhieb in Richtung Kärnten be­züglich Hypo Alpe-Adria enthalten hat, der es mir nicht wert erschien, dazu Stellung zu nehmen. (Bundesrat Gruber: Die Zeitung von gestern!)

Ich habe aber die Wortmeldung zurückgezogen, bevor Kollegin Lichtenecker am Wort war, weil ich der Meinung war (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Es freut mich, dass ich Sie motiviere!), aus der Ecke einer beinahe Wirtschaftssachverständigen und einer, die auch in der Wirtschaftskammer tätig ist, werden sicherlich nicht Unwahrheiten oder fal­sche Informationen, die in den Medien zu finden waren, über ein Kärntner Erfolgsbank­geschäft verbreitet werden. Sie hat es getan, und deshalb muss ich ans Rednerpult gehen und den Unterschied zwischen der Affäre BAWAG und der Affäre Hypo Alpe-Adria, die es auch gibt, klarstellen. Ich wäre sonst ein schlechter Vertreter des Landes Kärnten hier im Bundesrat.

Die BAWAG-Geschichte, diese unrühmliche, findet heute hoffentlich halbwegs einen Abschluss. Ich möchte auf die Einzelheiten nicht mehr eingehen, es wurde von allen, auch sehr selbstkritisch von der SPÖ-Fraktion, dazu Stellung genommen. Tatsache ist, dass sie fast pleite ist, dass sie ÖGB-Mitgliedsbeiträge zur Rettung und eventuell, wenn die Haftung schlagend wird, noch Steuergeld braucht.

Anders die Hypo Alpe-Adria. Diese war Anfang der neunziger Jahre im SP-dominierten Land Kärnten – die Hypo war ja die SPÖ-Hausbank sozusagen – mit 200 Mitarbeitern fast pleite. Ab dem Zeitpunkt, als in der ersten Phase des Landeshauptmannes Haider die Hypo privatisiert worden ist, hat sie einen steilen Aufwärtskurs genommen. Die bei­den Kollegen der SPÖ-Fraktion aus Kärnten werden mir da Recht geben, dass die Hypo Alpe-Adria heute 5 000 Arbeitskräfte hat, davon 1 000 allein in Kärnten (Bun­desrat Schimböck: Wo sind die anderen 4 000?) – das heißt, sie hat die Zahl der Mit­arbeiter verfünffacht –, dass sie sogar in der Lage war, dem Land Kärnten 500 Millio­nen € in fünf Jahren, beginnend mit diesem Jahr, für einen Zukunftsfonds zur Verfü­gung zu stellen. (Bundesrat Gruber: Wo sind die Finanzzahlen?) Das wird auch so sein, Herr Gruber. Ihr habt die Informationen immer aus den Medien. Wenn ihr den Medien alles glaubt! (Bundesrat Gruber: Ihr glaubt ja auch immer alles!) Was glaubt ihr, was ich über euch schon alles gelesen habe! Ich habe mich aber dann immer infor­miert, ob das auch stimmt.

Diese 500 Millionen € werden den Kärntnerinnen und Kärntnern für Projekte zur Verfü­gung stehen, das ist der wesentliche Unterschied.

Im Einzelnen: BAWAG – in 14 Jahren wurden über 1,4 Milliarden € verspekuliert mit Auftrag des Vorstandes. Hypo Alpe-Adria – ein einzelner Mitarbeiter verspekuliert in 14 Tagen 328 Millionen € ohne Wissen des Vorstandes. Vorher habe ich gesagt: mit Auftrag des Vorstandes, da: ohne Wissen des Vorstandes.

Die Kontrolle bei der BAWAG versagt, der Vorstand verschleiert und vertuscht den Milliardenskandal, die Spekulationen werden trotz hoher Verluste fortgesetzt. Hypo:
die Kontrolle funktioniert. Nach dem Spekulationsverlust reagiert der Vorstand prompt, der verantwortliche Mitarbeiter wird beurlaubt, ist in der Zwischenzeit ... (Bundesrat Mag. Klug: Na so prompt war das nicht!)

Ich bin ein Gegner von Sippenhaftung, aber der verantwortliche Mitarbeiter ist ein Sohn eines ehemaligen SPÖ-Landesrates in Kärnten. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Also wirklich!) Wie gesagt, ich lehne Sippenhaftung ab, aber wenn Sie mit unfairen Zwi­schenrufen antworten, dann muss ich natürlich noch ein paar Sachen bringen. (Bun­desrat Mag. Klug: ÖVP-Landesräte sind auch schon bankrott gegangen!)


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Nächster Unterschied: Im Jahr 2000 ist die BAWAG pleite, nur durch Verpfändung des Streikfonds und eine Haftung des ÖGB mit seinem gesamten Vermögen kann die Bank gerettet werden. Die Kärntner Landesbank ist erfolgreich. Die Spekulationsverluste – das ist jetzt der wichtige Punkt – können durch stark steigende Gewinne ausgeglichen werden, nicht durch Steuergelder! (Bundesrat Gruber: Das dürfte ein Irrtum sein!) Ich habe andere Informationen, Sie haben sie aus der Zeitung. (Bundesrat Gruber: Du hast die geschönten Informationen!) – Herr Gruber, Sie können dann ans Rednerpult kommen, wenn Sie sich schon als Bankfachmann aufspielen!

Allein im Jahr 2004, in dem leider 328 Millionen € durch einen Mitarbeiter in den Sand gesetzt oder ins Meer versenkt wurden, gab es dem gegenüber einen Gewinn von 400 Millionen €. Das wurde auch in der Bilanz durch zwei Wirtschaftsprüfungsinstitute abgesegnet. Das wurde erst im heurigen Jahr zurückgezogen.

Der nächste Punkt: Führende SPÖ- und ÖGB-Funktionäre sitzen im Vorstand und Auf­sichtsrat und sind damit für die Pleite der BAWAG mitverantwortlich. Umgekehrt hat Landeshauptmann Dr. Jörg Haider die Politik aus dem Vorstand und Aufsichtsrat her­ausgehalten. Er ist lediglich Eigentümervertreter, der allerdings vom Vorstand nicht informiert wurde. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Als er informiert wurde, hat es ja die bekannten ... (Bundesrat Gruber: Das ist ganz etwas anderes?!)

Ich weiß, es tut euch weh. Ich wollte nur etwas richtig stellen. Sie wollen weiterhin Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn sie die BAWAG mit der Hypo vergleichen. Ich sage Ihnen noch einmal: Die BAWAG kostet die Mitglieder des ÖGB Geld, die BAWAG wird den Steuerzahler Geld kosten (Bundesrat Mag. Klug: Das stimmt auch nicht!), die Hypo Alpe-Adria bringt dem Steuerzahler in Kärnten durch den Zukunftsfonds und durch ihr Engagement bei den verschiedensten Projekten Geld. (Bundesrätin Dr. Lich­tenecker: Und die Verluste lösen sich auf?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch etwas sagen, nachdem ich wie die Frau Kollegin auch Interessenvertreter bin, seit kurzem sogar Vizepräsident der Wirtschaftskammer Kärnten. Es wäre für mich ein Leichtes zu sagen, es kann mir nur recht sein, wenn der ÖGB geschwächt ist, denn umso leichter tut man sich in der Interessenvertretung für seine eigenen Leute. Es ist nicht so! Die Wirt­schaftskammer Österreich hat eine tief greifende Reform ohne Skandale bereits fast abgeschlossen. Der ÖGB wird jetzt erst zu einer Reform kommen, nachdem er vor der Pleite steht. Das ist – ich sage es noch einmal – der Unterschied.

Ich werde trotzdem aus dem einen Grund zustimmen, weil wir die BAWAG als Bank erhalten sollen, weil wir den Tausenden unschuldigen Mitarbeitern in diesem Institut verpflichtet sind und weil wir auch dem Ansehen des Wirtschafts- und Bankenstandorts Österreich verpflichtet sind. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl sowie bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

18.10


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Bundesrat Bieringer ist als Nächster zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


18.10.01

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es soll niemand glauben, ich will hier die Debatte verlängern, aber es sind ein paar Aussagen gefallen, die unbe­dingt ins rechte Lot gerückt gehören.

Meine Damen und Herren, ich sage das als einer, der dem Österreichischen Gewerk­schaftsbund länger angehört, als so mancher hier Lebensjahre auf dem Rücken hat. Ich weiß, dass das kein Verdienst ist. (Bundesrat Kraml: Da kann man nichts dafür!) 


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Lass mich ausreden! – Ich weiß, dass das kein Verdienst ist. Ich denke auch nicht daran, irgendetwas gegen den Gewerkschaftsbund zu machen.

Ich halte ausdrücklich fest, ich finde es richtig, dass die Höhe der Mittel im Streikfonds des Gewerkschaftsbundes geheim bleibt. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Rei­senberger.) Der Streikfonds darf aber nicht so geheim bleiben, dass nur einer oder zwei etwas darüber wissen, sondern nach meinem Dafürhalten müsste eigentlich der Kontrollausschuss des Gewerkschaftsbundes darüber Bescheid wissen.

Frau Kollegin Lichtenecker! Es ist schon weit hergeholt, die Wirtschaftskammer dem Gewerkschaftsbund gleichzusetzen, wie Sie es getan haben. (Bundesrätin Dr. Lich­tenecker: Die Demokratiegeschichte, das Ur-Wahlrecht, um das ist es hier gegangen!) Frau Kollegin! Sie haben hier gesagt, die ÖVP solle sich nicht aufregen, bei der Wirt­schaftskammer sei das nicht anders. Es ist gegangen ... (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Die Demokratiegeschichte!) – Ja, ich komme sowieso zur Demokratiefrage! Es ist um das Recht der Minderheiten und um die Kontrolltätigkeit gegangen. Und wenn Sie die Kontrolltätigkeit der Wirtschaftskammer jener des Gewerkschaftsbundes ge­genüberstellen, dann ist das gelinde gesagt ein starkes Stück. Das möchte ich aus­drücklich sagen! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Frau Kollegin Lichtenecker, jeder, der mich kennt, weiß, dass ich kein Naheverhältnis zur Wirtschaftskammer habe, aber lassen Sie gefälligst die Kirche im Dorf! Es gibt keine Kontrollinstanz in der Wirtschaftskammer, die die Mehrheit bestückt. Aber sagen Sie mir ein einziges Kontrollinstrument beim jetzigen ÖGB – beim jetzigen! –, in dem eine Minderheit auch nur ein Wort des Sagens hat! Sagen Sie mir das! Das gibt es in der Wirtschaftskammer nicht. Daher ist dieser Vergleich so weit an den Haaren herbei­gezogen, wie es weiter nicht sein kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, hier wurde gesagt, dass die Gespräche zwischen der Re­gierung und dem von mir sehr geschätzten Generaldirektor Nowotny und Herrn Prä­sidenten Hundstorfer erst am 1. Mai begonnen haben. Das ist schlichtweg falsch! Es wurden lange vorher, einige Tage vorher Gespräche geführt, und auf Wunsch von Herrn Generaldirektor Nowotny wurde über diese Gespräche nichts verlautet, und zwar wegen der Refco-Affäre. Das ist meiner Meinung nach verständlich, denn wenn die Amerikaner gewusst hätten, dass die österreichische Regierung für die BAWAG ge­radesteht, dann wären die Verhandlungen ein bisschen anders verlaufen. Lassen wir doch bitte die Kirche im Dorf!

Bezüglich Gewinnbeteiligung bei der Nationalbank: Es ist eben so, dass 90 Prozent des Gewinnes der Nationalbank dem österreichischen Staat zugeführt werden und nur 10 Prozent den anderen Eigentümern. Und wenn man diese 10 Prozent hernimmt, dann kommt ein anderer Buchwert heraus als bei jeder anderen Immobilie in dieser Republik.

Meine Damen und Herren, was wir jetzt tun müssen – und auch das ist meine tiefe Überzeugung –, ist Folgendes: In meinem Gemeinderat ist ein Betriebsrat des Öster­reichischen Gewerkschaftsbundes vertreten. Was dieser zurzeit mitmacht, kann nur je­mand wissen, der an dieser Stelle ist. Das haben diese 1 000 Mitarbeiter und die Funk­tionäre des ÖGB nicht verdient. Das möchte ich ausdrücklich festhalten.

Halten wir daher in dieser Causa Maß! Und halten wir auch Maß im Sinne der 6 000 Bediensteten der BAWAG, die alle zusammen nichts für dieses Schlamassel können! Und tun wir bitte nicht so, als ob keiner gewusst hätte, dass es da einige Pent­häuser gibt! Tun wir nicht so, als ob niemand gewusst hätte, dass für diese Penthaus­wohnungen 1 200 € Miete als angeblich ortsüblicher Preis gezahlt wurden!


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Meine Damen und Herren, wenn gesagt wird, für eine Wohnung mit 200 m2, mit was weiß ich wie viel Kubikmetern Wasser für einen Swimmingpool auf dem Dach, mit was weiß ich wie viel Quadratmetern Terrasse seien 1 240 € pro Monat – da hat ja hoffent­lich niemand gesagt: pro Jahr, denn das wäre ja der Gipfelpunkt! – marktgerecht, dann muss ich doch festhalten: Sagen Sie das einem kleinen Arbeitnehmer, der sich eine nicht geförderte Wohnung nehmen muss und für 60 m2 700 € pro Monat hinblättern muss! Das müssen Sie dem erklären und niemand anderen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Daher würde ich bitten: Kommen wir wieder auf den Boden der Tatsachen zurück! Schauen wir, dass das so schnell wie möglich zum Wohle der Mitarbeiter des Gewerk­schaftsbundes der Vergangenheit angehört! Und schauen wir, dass so etwas niemals wieder vorkommt! Damit meine ich: Gehen wir Reformen beim ÖGB an, von der Wur­zel hinauf bis zur Spitze!

Als ich den Aufsichtsratsvorsitz in der Salzburger Abfallbeseitigung GmbH vor 14 Jah­ren übernommen habe, hat mein Vorgänger dafür monatlich 25 000 S bekommen. Ich habe gesagt, ich mache das im Interesse meiner Gemeinde und brauche daher dafür keine Entschädigung. (Bundesrat Wiesenegg: So wie ich!) Ich habe das als Selbstver­ständlichkeit gesehen. Und ich sehe das auch nach wie vor als selbstverständlich an und würde mich schämen, würde ich nicht so gehandelt haben. (Beifall des Bundes­rates Ing. Kampl.)

Daher verstehe ich auch nicht, dass Leute, die an und für sich einiges an Gehältern von irgendwoher bekommen, dann nicht genug bekommen können und noch mehr wollen. Diese Dialektik muss aufhören, dann wird es bei uns auch wieder aufwärts ge­hen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer. – Bravorufe bei der ÖVP.)

18.17


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort ge­meldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. Ich erteile es ihr.

 


18.17.11

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Kollege Bieringer! Meine Ausführungen zum Thema Systemänderungen und Reformen haben sich bei der Wirtschaftskammer auf das Thema Demokratie und Wahlrecht bezogen – Punkt. Und auf das ... (Bundesrätin Zwazl: Demokratie? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Auf eine Demokratiereform, auf eine Wahlrechtsreform und – auf das bestehe ich – nicht auf das, was Kollege Bieringer ausgeführt hat.

18.17


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. (Bun­desrätin Bachner meldet sich zu Wort.)

Bitte, Frau Bundesrätin Bachner, Sie haben sich noch gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.

 


18.17.46

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe der Diskus­sion sehr lange zugehört. Ich habe ursprünglich nicht vorgehabt, mich zu melden. Ich sage es auch ganz offen: Es macht mich nicht stolz, gerade zu diesem Thema hier am Rednerpult stehen zu müssen. Wenn mir jemand vor wenigen Monaten gesagt hätte, dass wir heute so einen Gesetzesbeschluss fassen müssen, hätte ich – das darf ich jetzt nicht sagen, sonst erhalte ich einen Ordnungsruf – ihn gefragt, ob irgendwie nicht


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alles ganz dicht ist. Ich habe mir – das sage ich ganz offen – nicht vorstellen können, dass die Vorkommnisse, die vorgekommen sind, in so einer Dimension möglich sind.

Kollege Bieringer hat es jetzt zum Schluss gesagt, und auch Kollege Edgar Mayer hat das erwähnt – und das ist richtig so, wie er es gesagt hat –: Gerade wir im ÖGB – und da zähle ich mich auch dazu, obwohl ich im Leitungsgremium bin – haben nichts davon gewusst. Das gesamte Präsidium war von diesen Vorkommnissen nicht informiert. Wir haben das bis auf die zwei handelnden Personen alle zum selben Zeitpunkt, am selben Tag erfahren – das ist ja mittlerweile öffentlich bekannt. Ob das jetzt Präsidiumsmitglie­der der FCG oder der FSG waren, ist völlig gleich, es waren alle gleich betroffen.

Ich bin auch die Letzte, die hier in diesem Raum versucht, jemand anderem die Schuld zuzuweisen, ganz im Gegenteil. Das ist in unseren Reihen passiert. Wir als ÖGB sind die Eigentümer, haben die Verantwortung zu tragen, und diese werden wir auch noch weiter tragen müssen, weil ja noch alles restlos aufgeklärt werden muss. Da brauchen wir überhaupt nicht drüber reden. Es wurde auch bereits gehandelt, weil ja mehrere Personen mittlerweile ihre Funktionen zurückgelegt haben.

Folgendes stört mich aber schon sehr. Ich will nicht als undankbar erscheinen, weil ich weiß, dass wir uns in einer Krise befinden. Aber wenn es dann so rüberkommt, Herr Kollege Himmer, dass ich 30 Mal am Tag danke zur Regierung sagen müsste ... (Bun­desrat Mag. Himmer: Zu den Österreichern!) – Zu denen muss ich erst danke sagen, wenn die Haftung schlagend wird, denn vorher tut es den Österreichern ja nichts. (Bun­desrat Mag. Himmer: Nein!) – Bitte, lasst auch die Kirche im Dorf!

Ich habe gesagt, ich bin nicht undankbar, aber ich stelle die Frage in den Raum: Was wäre gewesen, wenn es jetzt nicht zu diesem Gesetzesbeschluss gekommen wäre? Welche Folgen hätte es für die Steuerzahler oder für die Österreicherinnen und Öster­reicher gegeben, wenn die BAWAG in Konkurs gegangen wäre? – Ich meine, darüber brauchen wir ja wohl nicht zu diskutieren!

Dieses Problem gilt nicht nur für die BAWAG, sondern auch für alle anderen Banken. Es hat schon mehrere Banken gegeben, Herr Staatssekretär – auch wenn Sie, Herr Staatssekretär, heute in der Früh in der Fragestunde behauptet haben, in Ihrer Amts­zeit gab es das nicht –, bei denen die Regierung zu Haftungsmaßnahmen greifen musste! Ich habe nicht genau im Kopf, seit wann Sie Staatssekretär sind – ist auch völ­lig egal in diesem Zusammenhang –, aber es hat das schon gegeben, nur wurde es unter weniger öffentlichem Aufsehen gemacht als in diesem Fall, weil das eben ... (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Nein, bitte! Etliche! Länderbank und so weiter, da hat es schon mehrere Fälle gegeben. (Ruf bei der ÖVP: Wer war verantwortlich für die Län­derbank? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage ja nicht, wer verantwortlich ist, aber es ist das nicht die erste Bank, bei der es zu Schwierigkeiten gekommen ist. Ich sage es jetzt noch einmal: Stolz darauf ist nie­mand von uns, aber tun wir nicht so, als wäre so etwas nicht schon einmal vorgekom­men! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eines muss ich schon auch dazusagen, ohne da jemandem die Schuld zuzuweisen: Es ist großes mediales Echo im Zusammenhang mit der BAWAG, da eben der ÖGB der Eigentümer ist, entstanden, und daran waren Regierungsmitglieder bis hinauf zum Herrn Bundeskanzler nicht ganz schuldlos, auch wenn sie vielleicht aus dem Zusam­menhang gerissen zitiert wurden und so weiter, aber man muss sich eben in einer hoch sensiblen Situation – und so viel Ethik traue ich dem Herrn Bundeskanzler zu – überlegen, wie man etwas formuliert! Und diese Aussagen von wegen Hochwasser (Zwischenruf des Bundesrates Wolfinger) oder auch: Na ja, wir müssen uns schon überlegen, ob wir die BAWAG für den Wahlkampf verwenden oder nicht, denn ganz werden wir sie nicht draußen lassen können!, haben zur Beunruhigung der Sparer bei-


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getragen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Also wenn ihr jetzt so tut, als wäre das nicht die Schuld auch dieser Leute, seid ihr im Irrtum. (Zwischenruf des Bundesrates Höfin­ger.) – Beruhigen Sie sich wieder!

Faktum ist ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, lassen wir die Kirche im Dorf! Fak­tum ist – ich habe es schon gesagt –, diese Suppe haben wir selbst auszulöffeln. Dar­an besteht überhaupt kein Zweifel.

Ich möchte noch einmal an Aussagen des Kollegen Bieringer anschließen, denn er hat ein paar richtige Worte gesagt, und zwar sowohl was die BAWAG-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter betrifft als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ÖGB. – Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, ich selbst setze mich auch zum Telefon und telefoniere mit Mitgliedern oder anderen Personen, die sich bei uns beschweren und so weiter, ich weiß, was unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen erleben, ich weiß, was wir im ÖGB erleben. Und das erleben Menschen, die in Wirklichkeit für diese Ge­schichte absolut nichts können! – Das ist der eine Punkt, und deshalb bin ich dankbar für den Aufruf, sich hier doch etwas zu mäßigen.

Der zweite Punkt betrifft den Österreichischen Gewerkschaftsbund; Kollege Schennach hat es gesagt: Man wollte den ÖGB demütigen und doch etwas in die Enge treiben. Es sind medial ein paar Dinge passiert, die nicht in Ordnung waren, die mir wirklich nicht gefallen haben, aber die möchte ich gar nicht beurteilen, denn nach den Informationen, die ich im Umfeld in der Diskussion über diesen BAWAG-Besuch der Regierungsmit­glieder gehört habe, richtet sich dieser Besuch bei den Leuten draußen von selbst. Auf Grund der Aussagen im Zusammenhang mit diesem BAWAG-Auftritt kann ich nur sa­gen, dass er wirklich „äußerst gut“ bei der Bevölkerung angekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Höfinger.) Jeder hat gesagt: Das ist jetzt aber schon wirklich tief!

Weil sich Herr Kollege Vilimsky auch wieder bemüßigt gefühlt hat, gerade der Sozial­demokratie vorzuwerfen, dass wir in Saus und Braus leben, Folgendes: Der Landes­hauptmann von Kärnten zum Beispiel – er kommt ja noch immer aus diesem Umfeld, auch wenn sie sich jetzt alle teilen und dann anders zusammengehören; aber sie haben ja alle einmal zusammengehört – hat einmal gegen den Bundeskanzler geredet, dann ist er aber brav mit in die Filiale marschiert. Ich habe mir gedacht, als ich das im Fernsehen gesehen habe: Entweder vertraut er der BAWAG doch noch mehr und legt dort sein Geld an, weil er der Hypo Alpe-Adria nicht mehr vertraut, oder er glaubt, damit im Wahlkampf ein paar Punkte zu machen. – Und das sollte man sich überlegen!

Für den ÖGB gesagt – da hat Kollege Mayer heute schon einiges Richtiges gesagt, aber zum Beispiel auch die Kollegen Bieringer und Schennach –: Wir wissen, dass es auf Grund dieser Vorkommnisse notwendig ist – es war ja auch schon vorher in Dis­kussion, nicht erst auf Grund der Vorkommnisse –, den ÖGB zu reformieren!

Wir haben aus diesem Schaden gelernt, und wir werden entsprechende Maßnahmen setzen, dass wir so rasch als möglich wieder eine stabile Organisation haben, dass wir so rasch als möglich das Vertrauen der Mitglieder, bei denen es uns jetzt teilweise ab­handen gekommen ist, wieder zurückgewinnen, damit wir wieder unseren Aufgaben gerecht werden können und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ord­nungsgemäß vertreten können.

Ich würde wirklich alle bitten, doch auch an die Leute, die im Hintergrund stehen, zu denken und die Polemisierung etwas zurückzunehmen. Ich glaube nämlich, dass schon bewiesen ist, dass die österreichische Gewerkschaftsbewegung in diesem Land einen sehr, sehr wichtigen Beitrag geleistet hat.

Was mich bei der ganzen Berichterstattung quer durch den Gemüsegarten, die teil­weise positiv und teilweise negativ war, auch sehr gefreut hat, ist: dass auch sehr, sehr


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viele Unternehmerinnen und Unternehmer, Vertreter der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung sehr, sehr sachlich gesagt haben: Uns liegt etwas an der So­zialpartnerschaft! Uns liegt etwas an einem starken ÖGB! Wir wollen einen kräftigen Partner zum Verhandeln, es liegt uns nichts daran, einen geschwächten ÖGB gegen­über zu haben! – Ich denke und hoffe, dass das auch ernst gemeint war.

Soweit ich dazu beitragen kann, werden wir alles daran setzen, auch in Zukunft ein guter Partner für Sozialpartnergespräche zu sein, vor allem aber auch für die Durchset­zung der Rechte der ArbeitnehmerInnen in diesem Lande, damit wir auch weiterhin zum Wohle dieser Menschen arbeiten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.27


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Herr Staatssekretär Morak hat sich zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


18.27.25

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Wenn mich mein Kurzzeitge­dächtnis nicht ganz im Stich gelassen hat, dann war dieser Vorfall, den Sie genannt haben – was der Herr Bundeskanzler über diese gemeinsame Kraftanstrengung in einer wesentlichen, kritischen Situation in dieser Republik gesagt hat –, diese Aussage am Freitag. Am Samstag hatten die Banken zu, auch die BAWAG, Sonntag hatte die BAWAG zu, Montag war der 1. Mai, am Dienstag war der Besuch gemeinsam mit an­deren Mitgliedern der Bundesregierung in der BAWAG, und dabei hat der Herr Bun­deskanzler dort ein Sparbuch eröffnet. Danach war Schluss vor den Bankschaltern mit den Schlangen von Menschen, die bei der BAWAG Geld abheben wollten. (Bundes­rätin Bachner: Habe ich auch nicht bezweifelt!) – Ich möchte das nur zur Klarstellung sagen. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Ich möchte noch etwas sagen, einfach deswegen, weil es mir auch wichtig ist. Die Frage: Was wäre gewesen, wenn ...?, ist eine richtige Frage, aber ich möchte sie nicht als Handlungsanleitung für eine Wiederholung verstanden wissen. (Bundesrätin Bachner: Habe ich nicht behauptet!) Das kann sich diese Republik nicht leisten! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer. – Bundesrätin Bachner: So ist es!)

18.28


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.29.41Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3


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der Geschäftsordnung des Bundesrates, dem Ausschuss für auswärtige Angelegenhei­ten zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Erhebung von Gebühren und den Ersatz von Ausla­gen für Amtshandlungen österreichischer Vertretungsbehörden in konsularischen An­gelegenheiten geändert wird, eine Frist bis 8. Juni 2006 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.30.31Einlauf

 


Präsidentin Sissy Roth-Halvax: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Freitag, 9. Juni 2006, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, 7. Juni, ab 13 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.31.18Schluss der Sitzung: 18.31 Uhr

 

 

 

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