Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

739. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Mittwoch, 13. Dezember 2006

 

 


Stenographisches Protokoll

739. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 13. Dezember 2006

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 13. Dezember 2006: 9.04 – 14.20 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbediensteten­gesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Richterdienstgesetz geän­dert werden (Besoldungs-Novelle 2007)

2. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresversor­gungsgesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz, das Pensi­onsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (2. Sozial­rechts-Änderungsgesetz 2006 – 2. SRÄG 2006)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen bis zur Neuregelung der Pflege erlassen werden (Pflege-Übergangsgesetz)

5. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2005 der Bundesregierung

6. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2007

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Johann Höfinger ....................................................................................... 8

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates ........................................................................ 9

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Man­datsverzicht der Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 10


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 2

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates ................................................................................................................... 11

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Harald Vilimsky ......................................................................................................................... 12

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes des Bundesrates ......................................................................................................................................... 13

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Thomas Einwallner ...................................................................................................... 14

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates ................................................................................................................... 14

Angelobung der Bundesräte Franz Breiner, MMag. Barbara Eibinger, Monika Mühlwerth und Martin Preineder ....................................................................................................................... 15

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR .................................................................................................. 17

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer, Stefan Schenn­ach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Frak­tion – Annahme ..........................................................  18, 18

6. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ord­ner für das 1. Halbjahr 2007    ............................................................................................................................... 87

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Amtsenthe­bung der Bundesregierung und Staatssekretäre, Betrauung der Mitglieder der Bundesregierung bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Fortfüh­rung der Verwaltung und seiner Person mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bun­desregierung sowie Betrauung der Staatssekretäre bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Funktionen durch den Bundespräsidenten ................................... 16

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 17

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 17

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbediensteten­gesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Richterdienstgesetz geändert werden (Besoldungs-Novelle 2007) (1 d.B. und 4 d.B. sowie 7644/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 18


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 3

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 18

Redner/Rednerinnen:

Johann Giefing ........................................................................................................ ..... 19

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 19

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 21

Staatssekretär Dr. Alfred Finz ............................................................................... ..... 22

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 23

2. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005 (III-303-BR/2006 d.B. sowie 7645/BR d.B.) ................................................................................................................. 23

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ......................................................................... 23

Redner/Rednerinnen:

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 23

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 27

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 29

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 31

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 32

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 34

Jürgen Weiss ........................................................................................................... ..... 36

Volksanwältin Rosemarie Bauer .......................................................................... ..... 37

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka ............................................................................ ..... 39

Volksanwalt Mag. Hilmar Kabas ........................................................................... ..... 41

Helmut Wiesenegg ................................................................................................. ..... 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-303-BR/06 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 43

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresver­sorgungsgesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2006 – 2. SRÄG 2006) (27/A und 8 d.B. sowie 7646/BR d.B.) ........ 43

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 44

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 44

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 46

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 47

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 48

Franz Wolfinger ....................................................................................................... ..... 49

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 51

Staatssekretär Sigisbert Dolinschek .................................................................... ..... 52

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 54

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen bis zur Neuregelung der Pflege erlassen werden (Pflege-Übergangsgesetz) (25/A und 5 d.B. sowie 7647/BR d.B.) ..................................................................................... 54


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 4

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 54

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................... 54

Wolfgang Sodl .............................................................................................................. 56

Sissy Roth-Halvax .................................................................................................  57, 65

Peter Mitterer ................................................................................................................ 59

Ana Blatnik .............................................................................................................  60, 63

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 61

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 62

Stefan Schennach ........................................................................................................ 64

Staatssekretär Sigisbert Dolinschek ......................................................................... 66

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 68

5. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2005 der Bundesregierung (III-307-BR/2006 d.B. sowie 7648/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 68

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 68

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 68

Hans Ager ................................................................................................................ ..... 72

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 73

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ..... 77

Helmut Kritzinger ................................................................................................... ..... 78

Maria Mosbacher .................................................................................................... ..... 79

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 80

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ..... 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-307-BR/06 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 87

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Josef Taus/Martin Schlaff/bulgarische MobilTel und BAWAG – Zusammen­hänge mit unterdrücktem OeNB-Prüfbericht vom April 2001 (2451/J-BR/06)

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend merkwürdigen Personenschützer (2452/J-BR/06)

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend merkwürdigen Personenschützer (2453/J-BR/06)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend etwaige Verwicklung österreichischer Unternehmen in den illegalen Rohstoffabbau und -handel in der Demokratischen Republik Kongo (2454/J-BR/06)

Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Lehrstellen suchende Jugendliche (2455/J-BR/06)


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 5

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Handhabung der von der Schweiz nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zu leistenden Vergütung (2456/J-BR/06)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend schlampiges Agieren von Behörden vernichtet die materi­elle Existenz einer österreichischen Familie (2457/J-BR/06)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend schlampiges Agieren von Behörden vernichtet die materielle Existenz einer österreichischen Familie (2458/J-BR/06)

Wolfgang Sodl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend „Vollziehung und Kontrollen nach dem Pyrotechnikgesetz 2005“ (2459/J-BR/06)

Ernst Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Sicherheitsstudie für Sportgroßveranstaltungen (2460/J-BR/06)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Biopatent-Monitoring-Ko­mitee (2461/J-BR/06)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Biopatent Monitoring Kommission (2462/J-BR/06)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Entsorgungsrichtlinien asbesthältiger Eternitplatten (2463/J-BR/06)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Biopatent Monitoring Kommission (2464/J-BR/06)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Neuordnung der Stellenausschreibung an Schulen (2465/J-BR/06)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Biopatent Monitoring Kommission (2462/J-BR/06) (Zu 2462/J-BR/06)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesen­egg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückzahlungen des Zuschusses zum Kin­dergeld (2233/AB-BR/06 zu 2425/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesen­egg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konzeptentwurf des Bundesministeriums für Finanzen zur Erhöhung der Abgaben für Wasserkraftwerke (2234/AB-BR/06 zu 2427/J-BR/06)


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 6

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Gabriele Mörk, Kolleginnen und Kollegen betreffend mangelnde Information der KonsumentInnen über die digitale Um­stellung des ORF (2235/AB-BR/06 zu 2424/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Lanzenkirchner Werkskanal und das Verhalten der damit befassten Behörden (2236/AB-BR/06 zu 2426/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Solidar­gemeinschaft zur Versicherungsdeckung von Schäden aus Elementarereignissen (2237/AB-BR/06 zu 2433/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Solidargemeinschaft zur Versicherungsdeckung von Schäden aus Elementarereignissen (2238/AB-BR/06 zu 2428/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstieg aus der Atomenergie und Forcierung des Ökostromausbaus (2239/AB-BR/06 zu 2434/J-BR/06)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Untätigkeit der Justiz im Kriminalfall BAWAG (2240/AB-BR/06 zu 2441/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entscheidung der Bundesregierung zur Be­schaffung der „Eurofighter“ (2241/AB-BR/06 zu 2436/J-BR/06)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend bildungspolitische Tätigkeiten während des österreichischen EU-Vorsitzes (2242/AB-BR/06 zu 2439/J-BR/06)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lesetests des Ministeriums (2243/AB-BR/06 zu 2440/J-BR/06)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lärmschutz A 22 (2244/AB-BR/06 zu 2438/J-BR/06)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Elisa­beth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ökostromabwicklungsstelle (2245/AB-BR/06 zu 2437/J-BR/06)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Elisa­beth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend aufgelassenes Gipsbergwerk in Maria Enzersdorf/NÖ (2246/AB-BR/06 zu 2442/J-BR/06)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Autobahn­anschluss Johannes-Kepler-Universität, Nichtberücksichtigung der Wünsche der Be­völkerung und der Bedürfnisse einer hochwertigen Bildungseinrichtung (2247/AB-BR/06 zu 2443/J-BR/06)


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 7

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend disziplinäre Maßnahmen nach kritischen Äußerungen gegen einen ÖVP-Politiker (2248/AB-BR/06 zu 2444/J-BR/06)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Abkommens mit der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (2249/AB-BR/06 zu 2445/J-BR/06)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dolomitsteinbruch KG Bruckneudorf/Kai­sersteinbruch (2250/AB-BR/06 zu 2448/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Josef Taus/Martin Schlaff/bulgarische MobilTel und BAWAG – Zusammenhänge mit unterdrücktem OeNB-Prüfbericht vom April 2001 (2251/AB-BR/06 zu 2451/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dolo­mitsteinbruch KG Bruckneudorf/Kaisersteinbruch (2252/AB-BR/06 zu 2447/J-BR/06)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tilgungsfristen bei Sexualstraftätern (2253/AB-BR/06 zu 2449/J-BR/06)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung des Flugverkehrs über Vorarlberg (2254/AB-BR/06 zu 2450/J-BR/06)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dolomitsteinbruch KG Bruckneudorf/Kai­sersteinbruch (2255/AB-BR/06 zu 2446/J-BR/06)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Rein­hard Toth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrstellen suchende Jugendliche (2256/AB-BR/06 zu 2455/J-BR/06)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend merkwürdigen Personenschützer (2257/AB-BR/06 zu 2452/J-BR/06)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend merkwürdigen Personenschützer (2258/AB-BR/06 zu 2453/J-BR/06)


09.04.17


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich eröffne die 739. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 738. Sitzung des Bundesrates vom 20. September 2006 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ewald Lindinger, Mag. Susanne Neuwirth und Wolfgang Sodl. (Rufe: Sodl ist da!)

Sodl hat die Abmeldung nicht rückgängig gemacht. Ich begrüße ihn sehr herzlich bei der heutigen Sitzung. (Heiterkeit.)

Ebenfalls begrüße ich die Zuhörerinnen und Zuhörer, insbesondere Frau Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Ruperta Lichtenecker, die heute offensichtlich der Angelobung ihres Nachfolgers beiwohnen will. Herzlich willkommen, Ruperta! (Allgemeiner Beifall.)

09.05.18Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Eingelangt sind Schreiben des Niederösterreichischen Landtages, des Oberösterreichischen Landtages, des Wiener Landtages und des Stei­ermärkischen Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise die Wahl der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes:

„Der Landtag von Niederösterreich

Präsident Mag. Edmund Freibauer

3109 St. Pölten, 19. Oktober 2006

Landhausplatz 1, Haus 1a

Telefon 02742/9005/12400

Telefax 02742/9005/13430

Herrn

Präsident des Bundesrates

Gottfried KNEIFEL

Parlament

1017 Wien

Ltg.-W-5/3-2006 und Ltg. W-5/4-2006

Sehr geehrter Herr Präsident!

Herr Bundesrat Johann HÖFINGER teilte mit Schreiben vom 18.10.2006 mit, dass er mit Wirkung der Angelobung als Abgeordneter zum Nationalrat am 30. Oktober 2006 auf sein Mandat als Bundesrat verzichtet.

Das Ersatzmitglied des Bundesrates Franz HILLER teilt mit Schreiben vom 18.10.2006 mit, dass er mit Wirkung vom 30. Oktober 2006 auf die Funktion eines Ersatzmitgliedes für den Bundesrat verzichtet.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 9

Mit freundlichen Grüßen

Beilagen

Verzichtserklärung“

*****

„Ollern, 18. Oktober 2006

An den

Präsidenten des NÖ Landtages

Mag. Edmund Freibauer

Landhausplatz 1

3109 St. Pölten

Betrifft: Zurücklegung Mitglied des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich, Johann Höfinger, Hauptstr. 21,3004 Ollern verzichte mit Wirkung meiner Angelo­bung als Abgeordneter zum Nationalrat am 30. Oktober 2006 auf mein Mandat als Bundesrat.

Hochachtungsvoll

BR Johann Höfinger“

*****

„Laa/Thaya, 18. Oktober 2006

An den

Präsidenten des NÖ Landtages

Mag. Edmund Freibauer

Landhausplatz 1

3109 St. Pölten

Betrifft: Zurücklegung Ersatzmitglied des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich, Franz Hiller, Hanfthal 37, 2136 Laa/Thaya verzichte mit Wirkung vom 30. Oktober 2006 auf die Funktion eines Ersatzmitgliedes für den Bundesrat.

Hochachtungsvoll

LAbg. Franz Hiller“

*****

„Der Landtag von Niederösterreich

3109 St.Pölten, Landhausplatz 1, Haus 1a

Ltg.-W-5/4-2006

XVI. Gesetzgebungsperiode

Tagung 2006/07


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 10

Betreff: Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates

Herrn

Präsident des Bundesrates

Gottfried KNEIFEL

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 40. Sitzung am 16. November 2006 fol­gende Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedern des Bundesrates durchge­führt:

auf Vorschlag des NÖ Landtagsklubs der Österreichischen Volkspartei

Martin PRElNEDER

(Mitglied anstelle von Johann Höfinger)

Franz HILLER

(Ersatzmitglied für Martin Preineder)

Ich beehre mich, den Bundesrat hievon in Kenntnis zu setzen.

St. Pölten, am 16. November 2006

Der Präsident des Landtages von Niederösterreich:

(Mag. Edmund Freibauer)“

*****

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Man­datsverzicht sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes:

DIE ERSTE PRASIDENTIN DES

OBERÖSTERREICHISCHEN LANDTAGES

ANGELA ORTHNER

Linz, am 25. Oktober 2006

L-16/20-XXVI-Rm

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Gottfried Kneifel

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker;

Verzicht auf die Ausübung des Mandats als Bundesrätin

Sehr geehrter Herr Präsident!

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker teilte mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 mit, dass sie mit Ablauf des 29. Oktober 2006 auf ihr Mandat als Bundesrätin verzichtet.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 11

Diese Verzichtserklärung ist am 24. Oktober 2006 beim Landtag eingelangt und ist ge­mäß § 9 Abs. 2 der Landtagsgeschäftsordnung und gemäß § 3 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates mit 30. Oktober 2006 rechtswirksam.

Mit freundlichen Grüßen!

1 Beilage“

*****

„DIE GRÜNEN

Dr. Ruperta Lichtenecker

Bundesrätin

Sprecherin für Wirtschaft, Tourismus

Wissenschaft und Forschung der Grünen OÖ

Landgutstraße 17, 4040 Linz

An die

Erste Präsidentin des Oö. Landtages

Frau LAbg. Angela Orthner

Landhaus

4021 Linz

Linz, 23. Oktober 2006

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Aufgrund des Ergebnisses der Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 werde ich ab 30. Oktober 2006 Mitglied des Nationalrates sein.

Ich erlaube mir daher mitzuteilen, dass ich mit Ablauf des 29. Oktober 2OO6 auf mein Mandat im Bundesrat verzichte.

Mit besten Grüßen

Dr. Ruperta Lichtenecker

Bundesrätin

Sprecherin für Wirtschaft, Tourismus, Wissenschaft und Forschung Grüne OÖ

Abschriftlich an den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Gottfried Kneifel

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien“

*****

„DIE ERSTE PRÄSIDENTIN DES

OBERÖSTERREICHISCHEN LANDTAGES

ANGELA ORTHNER

Linz, am 9. November 2006

L-16/21-XXVI-Rm


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 12

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Gottfried Kneifel

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien

Nachwahlen zum Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 9. November 2006 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art. 29 Oö. Landes-Verfassungsgesetz die Nachwahl eines Ersatzmitgliedes durchgeführt hat.

Es wurde gewählt:

als Ersatzmitglied an 9. Stelle:

Dritte Präsidentin Doris Eisenriegler, geboren am 29. Oktober 1945,

4073 Wilhering, Atriumweg 16.

Mit freundlichen Grüßen!“

*****

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes:

„JOHANN HATZL

ERSTER PRÄSIDENT

DES WIENER LANDTAGES

Herrn

Präsident des Bundesrates

Gottfried Kneifel

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Wien, 19. Oktober 2006

04570/2006/0001-MDSALTG

Mandatsrücklegung

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das Mitglied des Bundesrates, Herr Harald Vilimsky, legt mit 30. Oktober 2006 sein an siebenter Stelle gereihtes Mandat im Bundesrat zurück.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl

1 Beilage“

*****


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 13

„Bundesrat

Harald Vilimsky

Am Heumarkt 9/4/66

1030 Wien

Herrn

Landtagspräsident

Johann Hatzl

Im Hause

Wien, 16-10-2006

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident!

Ich, Harald Vilimsky, verzichte auf mein Mandat als Bundesrat (7) mit Wirkung vom 30.10.2006 und meiner gleichzeitigen Angelobung zum Nationalrat.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Harald Vilimsky

Bundesrat“

*****

„JOHANN HATZL

ERSTER PRÄSIDENT

DES WIENER LANDTAGES

Herrn

Präsident des Bundesrates

Gottfried Kneifel

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Wien, 23. November 2006

04838-2006/0001-MDSALTG

Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das Mitglied des Bundesrates Harald Vilimsky hat mit seiner Wahl in den Nationalrat mit Wirkung vom 30. Oktober 2006 sein an siebenter Stelle gereihtes Mandat im Bun­desrat zurückgelegt. Das Ersatzmitglied Monika Mühlwerth ist mit Wirkung vom 30. Ok­tober 2006 auf diese Stelle nachgerückt.

Auf Vorschlag des Klubs der Wiener Freiheitlichen wurde in der Sitzung des Wiener Landtages vom 23. November 2006 Frau Mag. Heidemarie Unterreiner als neues Er­satzmitglied für die siebente Stelle gewählt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl“

*****


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 14

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandats­verzicht sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes:

„LANDTAG

STEIERMARK

SIEGFRIED SCHRITTWIESER

Präsident Landtag Steiermark

Herrn

Gottfried Kneifel

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl-Renner Ring 1- 3

1017 Wien

Graz, am 31. Oktober 2006/Pi

BETREFF: GZ.: LTD-W1/9

Sehr geehrter Herr Präsident!

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 (eingelangt am 24. Oktober 2006) hat Bundesrat Thomas Einwallner mitgeteilt, dass er auf sein Bundesratsmandat mit Ablauf 29. Okto­ber 2006 verzichtet.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Beilage“

*****

„Thomas Einwallner

8832 Oberwölz, Raiming 16

Herrn Landtagspräsident                                                                          Oberwölz, am 20.10.2006

Siegfried Schrittwieser

8011 Graz-Landhaus

Mandatsrücklegung

Sehr geehrter Herr Präsident!

Hiermit gebe ich bekannt, dass ich mein Mandat als Abgeordneter zum Bundesrat mit Ablauf des 29. Oktober 2006 zurücklege.

Mit freundlichen Grüßen

(Thomas Einwallner)“

*****

„LANDTAG

STEIERMARK

SIEGFRIED SCHRITTWIESER

Präsident Landtag Steiermark


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 15

Herrn

Gottfried KNEIFEL

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl-Renner-Ring 3

A-1017 Wien

Graz, am 27. November 2006/do

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Sitzung des Landtages Steiermark am 21. November 2006 wurde Herr Thomas EINWALLNER als Ersatzmitglied für die achte Stelle in den Bundesrat gewählt.

Ich beehre mich, Ihnen dies zur Kenntnis zu bringen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Beilage“

*****

„LANDTAG

STEIERMARK                                                                    XV. GESETZGEBUNGSPERIODE

                                                                                                                        Einl.Zahl 867/2

Landtagsbeschluss Nr. 381

aus der 14. Sitzung der XV. Gesetzgebungsperiode vom 21. November 2006

Herr Thomas EINWALLNER wird als Ersatzmitglied an die 8. Stelle in den Bundesrat gewählt.

Die Übereinstimmung der Beschlussausfertigung mit der amtlichen Verhandlungs­schrift wird bestätigt.“

*****

Angelobung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend, und ich werde sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Frau Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.05.19

Schriftführerin Sissy Roth-Halvax: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Roth-Halvax leisten die Bundesrätinnen MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark), Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszu­gehörigkeit, Wien) sowie die Bundesräte Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich) und


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 16

Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich) ihre Angelobung mit den Worten „Ich ge­lobe“.

*****

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

09.05.28Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Gottfried Kneifel: Gemäß § 59 Abs. 8 der Geschäftsordnung gebe ich bekannt, dass Frau Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum ihre Anfrage 2462/J-BR/2006 an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zurückgezogen hat.

Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortun­gen 2233/AB bis 2258/AB beziehungsweise jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, sowie des Schreibens des Bundeskanzlers betreffend Amts­enthebung der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre durch den Bundespräsidenten unter gleichzeitiger Betrauung dieser mit der Fortführung der Ver­waltung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Anfragebeantwortungen (siehe S 5.)

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Ermächtigung der Bundesregierung zur Übernahme von Haftungen des Bundes anlässlich der Durchführung der Olympischen Winterspie­le 2014 (Olympia 2014-Ermächtigungsgesetz) geändert wird (16/A und 7/NR der Bei­lagen).

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung und der Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG und gleichzeitige Betrau­ung mit der Fortführung der Verwaltung bis zur Bildung einer neuen Bundes­regierung gemäß Artikel 71 B-VG:

„Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

                                                                                                                     Wien, am 3. Oktober 2006

Parlament

1017 Wien                                                                                GZ BKA-350.000/0002-IV /8/2006

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 3. Oktober 2006, GZ 300.000/1-BEV/2006, die in der Sitzung des Ministerrates am


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 17

3. Oktober 2006 beschlossene Demission der Bundesregierung zur Kenntnis genom­men hat und die Bundesregierung und die Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Absatz 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes vom Amte enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident mich und die übrigen Mitglieder der Bundes­regierung gemäß Artikel 71 des Bundes-Verfassungsgesetzes bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung und mich mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung betraut.

Ferner hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes bis zur Bil­dung einer neuen Bundesregierung die Staatssekretäre Franz MORAK, Mag. Karl SCHWElTZER, Dr. Hans WINKLER, Dr. Alfred FINZ, Sigisbert DOLlNSCHEK, Mag. Helmut KUKACKA und Mag. Eduard MAINONI mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Funktionen betraut.

Mit besten Grüßen“

*****

Eingelangt sind der Grüne Bericht 2006 der Bundesregierung und der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2007 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992, die dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Ebenso eingelangt ist der Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2005), der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind, sowie der Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005 und der Außenpoli­tische Bericht 2005 der Bundesregierung.

Ebenso bildet die Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das erste Halbjahr 2007 einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

09.09.48Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Gottfried Kneifel: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stün­digen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­standen sind, um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltung. – Einstimmige Annahme.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates er­forderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 18

Antrag gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR

 


Präsident Gottfried Kneifel: Auf Grund des Ausscheidens von Frau Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker aus dem Bundesrat liegt mir ein Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer und Stefan Schennach gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung betreffend Zustimmung des Bun­desrates zum Zusammenschluss als Fraktion vor.

Ich werde sogleich über diesen Antrag abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, dass sich die dem Grünen Parlamentsklub gemäß Klubfinanzierungsgesetz angehörenden Bundesräte Franz Breiner, Elisabeth Kerschbaum, Eva Konrad und Stefan Schennach gemäß § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu einer Fraktion zusammenschließen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Den Grünen ist somit der Fraktionsstatus zuerkannt, und ich gratuliere dazu herzlich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

09.12.131. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Richterdienstgesetz geändert werden (Besoldungs-Novelle 2007) (1 d.B. und 4 d.B. sowie 7644/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um den Bericht.

 


9.12.41

Berichterstatter Franz Perhab: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 29. No­vember 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Rich­terdienstgesetz geändert werden.

Mit dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates wird das Verhandlungsergeb­nis zwischen dem Bund und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes über die Besoldung der Bundesbediensteten und Landeslehrer für 2007 umgesetzt. Ab 1. Jän­ner 2007 werden die Gehälter der Beamten und die Monatsentgelte der Vertragsbe­diensteten samt Zulagen um 2,35 Prozent erhöht. Der Gehaltsabschluss zieht einen Mehraufwand von 231 Millionen € pro Jahr nach sich, 67 Millionen € davon entfallen auf die Landeslehrer.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates am 12. Dezember 2006 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Dezember 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Giefing. Ich erteile ihm dieses.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 19

9.14.18

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer alten Tradition folgend haben der Bund, die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten in Absprache mit den Vertretern der Gebiets­körperschaften, der Länder und der Gemeinden über eine Besoldungsregelung der Bundesbediensteten und Landeslehrer Verhandlungen geführt und aus meiner Sicht ein gutes Ergebnis erzielt. Wir werden das Ergebnis heute vollinhaltlich übernehmen. Vorweg haben sich auch die Gemeinden und die Länder bereit erklärt, diesen Gehalts­abschluss zu übernehmen.

Obwohl ich – unter Anführungszeichen – ja fast „befangen“ bin, weil ich bereits 33 Jah­re im öffentlichen Dienst beschäftigt bin, bei einer Gemeinde, erachte ich das Ergebnis, nämlich eine Erhöhung der Monatsentgelte um 2,35 Prozent, allerdings als angemes­sen. Alles in allem ein guter und, so glaube ich, fairer Abschluss.

Vielleicht stellt dieser Abschluss für unsere öffentlich Bediensteten eine weitere Motiva­tion für ihre Dienstleistung, welche sie für den Staat Österreich erbringen, dar.

Ich möchte jedoch heute bei dieser Gelegenheit auch den Mitarbeitern und Mitarbeite­rinnen im Parlament sowie allen Staatsdienern, wenn ich das so sagen darf, namens meiner Fraktion den Dank aussprechen. Es ist nicht immer selbstverständlich, was, so auch hier in diesem Haus, oft auch zu später Stunde geleistet wird.

Da heute auch eine Änderung des Vertragsbedienstetengesetzes auf der Tagesord­nung steht, hätte ich vielleicht eine durchaus gute Anmerkung, was allerdings mit dem heutigen Gesetz nicht allzu viel zu tun hat. In der Causa Bezügebegrenzungsgesetz ist eine wichtige Frage bis heute offen geblieben, nämlich: Sind Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern Rechtsträger im Sinne der §§ 4, 5 und 8 des Bezügebegren­zungsgesetzes, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen? Diese Frage hat der Verfassungsgerichtshof unbeantwortet gelassen. Es kann meiner Meinung nach zum Beispiel nicht sein, dass ein Bürgermeister in einer Gemeinde mit mehr als 10 000 Einwohnern, der zugleich Lehrer an einer öffentlichen Schule und Obmann eines Gemeindeverbandes ist, eine Kürzung seiner Bezüge hinnehmen muss. Ein Leh­rer an einer Privatschule zum Beispiel muss keine Kürzungen seiner Bezüge unter die­sem Titel hinnehmen.

Um diese Frage, ob das Bezügebegrenzungsgesetz auch auf Gemeinden unter 20 000 Einwohnern anzuwenden ist, in einer für alle Gemeinden rechtsverbindlichen Weise zu klären, wird es notwendig sein, den Verfassungsgerichtshof erneut anzurufen oder eine entsprechende Gesetzesänderung vorzunehmen.

Zurück zur Ausgangslage. Meine Fraktion stimmt dem vorliegenden Gehaltsabschluss sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

9.18


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Edgar Mayer. Ich erteile es ihm.

 


9.18.14

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist im Interesse der verhandelnden Gewerkschaf­ten Öffentlicher Dienst und der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten gelegen, dass das vorliegende Gehaltsabkommen bereits für den 1. Jänner des kommenden Jahres wirksam wird und somit die Erhöhung von 2,35 Prozent samt Zulagen, was auch wichtig ist, auf dem Gehaltszettel bereits realisiert werden kann. Ich darf mich hier ganz besonders auch bei Staatssekretär Alfred Finz dafür bedanken, dass dieser Ge-


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 20

haltsabschluss in dieser Form auch gelungen ist. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

Er kann als fair und berechtigt angesehen werden. Auch wenn die Gehaltsabschlüsse anderer Gewerkschaften etwas höher sind, so muss man dies doch im Zusammen­hang auch mit dem letztjährigen Gehaltsabschluss von 2,7 Prozent sehen. Zudem kann in diesem Jahr ein weit höherer Anteil an Wirtschaftswachstum lukriert werden als im letzten Jahr, und so gibt es auch einen Reallohnzuwachs von 0,75 Prozent.

Der öffentliche Dienst in Bund, Ländern und Gemeinden hat auf die gestiegenen Her­ausforderungen, die an die öffentlichen Verwaltungen gestellt werden, sehr rasch re­agiert und sich in vielen Bereichen zu modernen Dienstleistungsunternehmen entwi­ckelt. Die Verwaltung hat Bürgerservicestellen eingerichtet, und der Begriff des Kunden hat sich nicht nur als Begrifflichkeit durchgesetzt.

Dieser Gehaltsabschluss ist also in hohem Maße verdient, weil die öffentlich Bediens­teten eine hervorragende Dienstleistung erbringen, die in der Bevölkerung auch wieder stärker anerkannt wird. Ich würde mir hier auch ausdrücklich wünschen, dass dies auch in den Medien zum Ausdruck kommt.

Ich möchte auch ausdrücklich – und hier kann ich an die Ausführungen des Kollegen Giefing anschließen – den Dank meiner Fraktion an die MitarbeiterInnen des Hohen Hauses und der Ministerien aussprechen, denn eure Dienstleistungen, eure Tätigkeiten in verschiedensten Bereichen sind enorm wichtig und wertvoll. Dafür ein herzliches Dankeschön.

Ich möchte es auch nicht verabsäumen, hier anzumerken, dass bei den Gehaltssys­temen des öffentlichen Dienstes auch ein grundsätzliches Umdenken Platz greifen und eine Änderung erfolgen muss. Es gibt in den Ländern bereits Tendenzen, auf moderne Gehaltssysteme umzusteigen, die sich vom Senioritätsprinzip wegbewegen und eine Umverteilung der Lebensverdienstsumme zum Ziel haben, sodass die Jüngeren, die Jungen höhere Einstiegsgehälter und stärker ansteigende Gehaltskurven haben, die dann mit vorgeschrittenem Alter verflachen, damit eben jungen Familien, die Kinder ha­ben, in Haus, Wohnung et cetera investieren, wofür eben höhere Gehälter benötigt werden, mehr Geld zur Verfügung steht.

Ich kann hier das Vorarlberger Modell empfehlen. Dort wurde in einer intensiven Dis­kussion zuerst das Landesbedienstetengesetz geändert, das eben eine Umverteilung dieser Lebensverdienstsumme mit sich bringt, und auch die Gemeinden haben jetzt ein eigenes neues Gehaltssystem, das genau nach diesen Kriterien umgestaltet wurde.

Es ist mir bewusst, dass das nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Das bedarf eines längeren Prozesses, weil dann auch mehr Geld in die Hand genommen werden muss. Ich denke aber, dass man mit der Diskussion doch beginnen sollte.

Ich möchte zum Schluss all jenen Bestrebungen, die zur Finanzierung des Pensions­systems eine Solidarabgabe, eine Pensionsstrafsteuer in Höhe von 10 Prozent von jenen Pensionisten, deren Pensionen über 2 500 € liegen, eingefordert haben, eine Ab­sage erteilen, weil da genau wieder die Beamtenschaft in überwiegendem Maße zum Handkuss kommen wird. Eine Solidarabgabe trifft zum überwiegenden Teil die Beam­ten, weil sie über entsprechende Pensionen verfügen. Von diesen eine Solidarabgabe von 10 Prozent zu verlangen ist also in höchstem Maße ungerecht, weil sich dies wie­der gegen die Lebensverdienstsumme richtet. Außerdem würde eine derartige Maß­nahme nur ein Drittel der geforderten Summe einbringen. Eine Diskussion über die nicht vorhandenen Abfertigungen der Beamten würde wieder losgehen oder ist vorpro­grammiert.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 21

Auch die Politikerpensionen hier ins Spiel zu bringen, ist also nicht zielführend, weil hier bereits bis zur Höchstbemessungsgrundlage ein Solidarbeitrag oder ein Pensions­sicherungsbeitrag von 7 Prozent eingehoben wird, und über der Höchstbemessungs­grundlage sind es ja 14 Prozent. Also das wird sicher nicht schlagen.

Noch ein Satz zur Gerechtigkeit derartiger Maßnahmen. Wenn ein pensionierter Beam­ter eine Pension von 4 000 € hat, dann wird er einen Sicherungsbeitrag von 10 Prozent zu leisten haben. Wenn aber ein pensionierter Mann und seine pensionierte Frau je 2 000 € verdienen, dann gibt es keinen Solidarbeitrag. Und da frage ich Sie, ob das gerecht ist und wo hier die Gerechtigkeit bleibt.

Es ist also müßig, darüber zu diskutieren und, wenn man das Pensionspaket aufschnü­ren wollte, diese Finanzierungsmodelle heranzuziehen, liebe Kolleginnen und Kolle­gen. Die Beamten haben ihren Beitrag in den letzten Jahren geleistet und sollten nicht erneut zur Kasse gebeten werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

9.23


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich er­teile es ihm.

 


9.23.59

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Der Gehaltsabschlussrunde ist es zu verdanken, dass der Bundesrat die Möglichkeit hat, überhaupt zusammenzutreten, nachdem die ÖVP ein­mal einen Monat lang nicht zur Kenntnis genommen hat, dass eine Wahl anders aus­gegangen ist, als sie es sich vorgestellt hat, und sie einen Monat lang gebraucht hat, an einen Verhandlungstisch zu kommen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Somit sind wir den notwendigen Gehaltsabschlussverhandlungen äußert dankbar, sodass wir hier die Möglichkeit haben, überhaupt zusammenzutreten und auch andere Materien wie den Bericht der Volksanwaltschaft oder den Außenpolitischen Bericht und so weiter zu dis­kutieren.

Wir werden ja auch nächste Woche eine Sitzung haben, weil diese Regierung weiter­hin Verordnungen erlässt, auch abenteuerliche Verordnungen, die an sozialer Kälte nichts mehr zu wünschen übrig lassen und die jetzt noch in einer Art Notstandsaktion korrigiert werden müssen.

Herr Kollege Mayer! Sie haben die Solidarabgabe angesprochen. Also in den Jahren von 2000 bis 2006 hat diese amtierende Minderheitsregierung, muss man hier sagen, oder provisorisch amtierende Minderheitsregierung gnadenlos in alle kleinen Pensio­nen eingegriffen. Da hat man keine Bedenken gehabt. Sie haben gnadenlos die Bezie­her von ASVG-Pensionen überall gezwickt und im Rahmen der so genannten Sanie­rungspakete als Allererste zur Kasse gebeten. Das waren die sozialen Härten.

Und jetzt kommt ein ganz interessanter Vorschlag einer Solidarabgabe bei höchsten Pensionen. Wir reden nicht von hohen, wir reden von höchsten Pensionen. Und nun auf einmal kommen die Krokodilstränen. Ich muss sagen, ich bin wirklich blass erstaunt (Ruf: Bass!), wie Sie das überhaupt formulieren können, denn die Eingriffe in die klei­nen Pensionen waren Ihnen nur ein Lächeln wert, Herr Kollege. Und jetzt kommen Sie heraus und sagen: Jessas na, in die höchsten Pensionen soll eingegriffen werden!

Meine Damen und Herren! Kollege Giefing hat uns ja bereits einen leichten Vorge­schmack davon beschert, wie es ist, wenn man in Koalitionsverhandlungen ist und Dinge schönreden muss. Es liegt ein Gehaltsabschluss in Höhe von 2,35 Prozent vor, das ist immerhin 0,5 Prozent unter dem Leitabschluss der Metaller, die bei 2,8 Prozent liegen. Also so ein Ruhmesblatt ist dieser lineare Gehaltsabschluss nicht.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 22

Es wurden überhaupt keine politischen Akzente gesetzt – geht ja auch nicht, wir sind in einer Art Interregnum –, wo man zum Beispiel die kleinen Einkommen anhebt und bei den höheren Einkommen abflacht. All das ist nicht geschehen. Und man muss auch noch sagen, dass nur zweimal in diesen Jahren von 2000 bis 2006, Herr Kollege Mayer, der Gehaltsabschluss der Beamten über der Inflationsrate war, das war 2003 und 2006. Ansonsten sind die Beamten über die so genannte „Verwaltungsreform“ – unter Anführungszeichen – in allererster Linie zur Kasse gebeten worden, um beim Budget zu sparen. Also der Herr Finanzminister hat gesagt, wir sparen bei uns selbst. In erster Linie hat er bei den Beamten gespart. Das ist nämlich die ganze Wahrheit, die dahinter liegt.

Der Gehaltsabschluss für das Jahr 2007 liegt über der Inflationsrate, aber es ist ein mäßiger Abschluss, auf Grund dessen man sich nicht wahnsinnig auf die Schulter klop­fen muss. Und es ist ein typischer Abschluss ohne Gestaltung, ohne politische Gestal­tung, die vielleicht notwendig gewesen wäre.

Meine Damen und Herren! Ruperta Lichtenecker konnte ja auch nicht mehr ihre Ab­schiedsrede halten, da wir ja seither keine Sitzung mehr hatten. Ich möchte mich bei ihr nur herzlich bedanken für die Zeit, die sie hier war, und ich hoffe, weil wir gerade wieder in der Präsidiale geredet haben, dass die Entschließungsanträge des Bundes­rates im Nationalrat mehr Aufmerksamkeit und mehr Akzeptanz und eine korrekte Be­handlung finden werden. Von all jenen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in den Natio­nalrat übersiedelt sind, hoffe ich, dass diese die Interessen des Bundesrates gerade in diesen Materien stärker denn je vertreten werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.29


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Finz. Ich erteile es ihm.

 


9.29.33

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte nur korrigieren: Der Metallerabschluss beträgt 2,6 Prozent, wobei in jenen Unternehmen, in denen Gewinne gemacht werden, eine gewinnabhängige Einmalzahlung in Höhe von 100 € dazukommen kann. Nur muss man bei den Metallern dazusagen, dass es bei diesen um Bedienstete geht, die im Wettbewerb stehen, die gekündigt werden können, während es im öffentlichen Dienst, weitestgehend auch im Vertragsbedienstetenrecht Usus ist, dass die Bediens­teten nicht gekündigt werden. Das ist also ein ganz anderes Dienstverhältnis.

Außerdem gibt es noch Biennien. Allein aus diesen Biennien beträgt der jährliche Zu­wachs zwischen einem Prozent und 1,7 Prozent. So gesehen ist im Vergleich auch mit den Metallern der Abschluss sehr gut, und ich finde ihn auch ausgewogen.

Wir sind von einer Inflationsrate im Jahr 2006 von 1,6 Prozent ausgegangen, sodass der Abschluss mit 2,35 Prozent deutlich über der Inflationsrate liegt.

Was die Frage der sozialen Staffelung des Gehaltsabschlusses betrifft, haben wir die­se selbstverständlich auch behandelt. Es waren gerade die Vertreter der anderen Ge­bietskörperschaften, von Ländern und Gemeinden, die darum gebeten haben, keine Staffelung vorzunehmen, weil sie auf Grund ihrer Personalstruktur – sie haben einen wesentlich höheren Anteil von niedrig eingestuften Bediensteten als der Bund – der Gehaltsabschluss stärker getroffen hätte. Außerdem, finde ich, ist es Aufgabe einer Neuordnung des Besoldungssystems, dass man die Struktur und somit die Besol­dungsverhältnisse – ähnlich wie es schon vorher der Herr Bundesrat aus Vorarlberg gesagt hat – neu regelt, somit Neuaufteilung der Lebensverdienstsumme dahin ge-


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 23

hend, dass man bereits in jüngeren Jahren mehr verdient. Heute ist es ja so, dass man erst im Alter mehr verdient. Es ist bei den bisherigen Koalitionsverhandlungen von beiden möglichen Koalitionspartnern außer Streit gestellt worden, dass man da eine Reform machen soll. Somit sollte man jetzt nicht quasi noch eine Änderung in der Ge­haltsstruktur vornehmen, sondern diesen großen Reformschritt der neuen Regierung überlassen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

9.32


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

09.32.562. Punkt

Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005 (III-303-BR/2006 d.B. sowie 7645/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich bitte um den Bericht.

 


9.33.10

Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Dezember 2006 den Antrag, den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich Sie darüber informieren, dass im Sitzungssaal soeben eine Delegation aus Usbekistan eingetroffen ist. Es handelt sich hier um Vertreter der usbekistanischen Volksanwaltschaft, die sich unsere Debatte anhören möchte. Ich darf sie herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preiner. Ich erteile es ihm.

 


9.34.29

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Geschätzte Volksan­wälte! Hohes Haus! Auch an unsere Gäste aus Usbekistan ein herzliches Willkommen!

Zur Debatte steht heute der Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005. Es stellt sich in der Öffentlichkeit teilweise die Frage: Welche Funktion hat die Volksanwaltschaft überhaupt? Brauchen wir sie eigentlich, beziehungsweise wird da nicht Steuergeld verschwendet?

In meinen folgenden Ausführungen möchte ich diese Fragen kurz beantworten und da­zu Stellung nehmen. Vorweg eine Feststellung meinerseits: Die Einrichtung der Volks­anwaltschaft ist eine österreichische Besonderheit, die es in anderen Staaten in dieser Form nicht gibt.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 24

Die Volksanwaltschaft ist auch ein unabhängiges Kontrollorgan, das sich für private Belange der Bürgerinnen und Bürger einsetzt. Die Volksanwaltschaften sind im öffent­lichen Bewusstsein bereits stark verankert, mit verfassungsrechtlichen Garantien der Unabhängigkeit ausgestattet und können bereits seit dem Jahr 1977 eine nieder­schwellige, kostenfreie Missstandskontrolle für jedermann durchführen, das heißt, auch für Menschen, die ansonsten keine Möglichkeit hätten, über ihre Rechte Aufklärung zu erhalten. Die Volksanwälte können sich des Weiteren mit Problemen und Anliegen direkt an die zuständigen Stellen wie etwa Ministerien wenden. Der so genannte kleine Mann hat diese Möglichkeit, wie teilweise von mir vorhin schon erwähnt, normaler­weise nicht.

Diverse Umfragen in der Bevölkerung ergeben auch immer wieder, dass die Volksan­waltschaft einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung bekannt ist und auch großes Vertrauen genießt. Sie hält auch in allen Bezirken Österreichs regelmäßig Sprechtage ab. Im Jahr 2005 waren es in Summe 260.

Die telefonische Kontaktaufnahme zur Volksanwaltschaft ist gebührenfrei, wie wir wis­sen, und unter einer bestimmten Servicenummer jederzeit möglich. Auch im Internet wird ein Online-Beschwerdeformular angeboten. Die ORF-Sendung „Volksanwalt – Gleiches Recht für alle“ berichtet von besonderen Fällen und zählt mit einer durch­schnittlichen Zuschauerquote von 420 000 zu den am Samstag meistgesehenen Sen­dungen in ORF 2. Auch die hohe Akzeptanz der Volksanwaltschaft führte dazu, dass Bund und Länder weitere Anwaltschaften einrichteten, zum Beispiel Patienten-, Kinder- oder Jugendanwaltschaften, um nur einige zu nennen.

Die Volksanwaltschaften zeigen aber nicht nur Missstände auf, sondern versuchen auch Lösungsansätze zu finden. Die internationalen Beziehungen werden in den letz­ten Jahren intensiviert – ein praktisches Beispiel liefern heute unsere Gäste aus Usbe­kistan. Da es eine steigende Anzahl von Ombudseinrichtungen in Europa gibt und die Volksanwaltschaft in Österreich schon als alte Einrichtung in Europa gilt, wird sie oft­mals auch als Ansprechpartner für jüngere Institutionen in Europa angesehen.

Dem ausführlichen Bericht der Volksanwaltschaft im Jahr 2005 über die Ressorts ist erstmals auch ein Grundrechtsteil beigefügt, der die Wahrnehmungen der Volksanwalt­schaft auf dem Gebiet der Gesetzgebung und Vollziehung im Bereiche ausgewählter Grundrechtsmaterien enthält und Prüfverfahren gesondert darstellt, da das Netz an völkerrechtlichen und nationalen Instrumenten zur Bekämpfung der Diskriminierung immer engmaschiger wird. Daher erachte ich es auch als notwendig, dass in Zukunft Prüfungen der Volksanwaltschaft durch gezielte Zusammenarbeit mit NGOs ausge­dehnt werden.

Im Berichtszeitraum 2005 wandten sich insgesamt 16 133 Menschen mit ihren Anlie­gen an die Volksanwaltschaft. 6 569 Prüfungsverfahren wurden eingeleitet, davon be­trafen 4 044 Prüfungsverfahren die Bundesverwaltung.

Die Zahl der Beschwerden und Prüfverfahren im Jahr 2004, also ein Jahr davor, war ähnlich hoch gelagert. Die Differenz zwischen Beschwerden und Prüfverfahren ergibt sich natürlich daraus, dass die Volksanwaltschaft nicht in allen Fällen, in denen Be­schwerden an sie herangetragen werden, auch zuständig ist.

Im Jahr 2005 betrafen lediglich 10 796 den Bereich der öffentlichen Verwaltung und den Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft. In jenen 5 337 Fällen, für die die Volks­anwaltschaft nicht zuständig war, wurden oft familienrelevante Probleme an die Volks­anwälte herangetragen. In weiteren 4 227 Fällen konnte kein Prüfverfahren eingeleitet werden, da die behördlichen Verfahren, sprich Gerichtsverfahren, noch im Laufen wa­ren.


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Wie bereits 2004 richteten sich auch im Jahr 2005 die meisten Beschwerden gegen das Justiz- und das Sozialministerium. Die häufigsten Beschwerden diesbezüglich, ge­rechnet pro 100 000 Einwohner, kamen aus den Bundesländern Wien, Niederöster­reich und, an dritter Stelle gereiht, Burgenland.

Abschließen konnte die Volksanwaltschaft im Jahr 2005 7 891 Prüfverfahren.

Kolleginnen und Kollegen! In ländlichen Gebieten wird die Volksanwaltschaft oft auch mit Anliegen bezüglich Baugenehmigungen, Müllgebühren, Wasserrecht und mit sozia­len Belangen konfrontiert, ebenso, und das immer häufiger, auch mit Angelegenheiten und Beschwerden über die Polizei oder andere Behördenstellen.

Im Folgenden möchte ich nun, wie ich glaube, einige von der Volksanwaltschaft zu Recht anerkannte Beschwerden kurz exemplarisch darlegen.

Ich spreche zum Beispiel von einer weltweiten Katastrophe und dem Krisenmanage­ment nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien. Diese Katastrophe wurde an­fangs auch vom österreichischen Außenministerium grob unterschätzt. Die österreichi­schen Hilfsmaßnahmen, wie auch übrigens die internationalen, liefen zu spät und schlecht koordiniert an. In den skandinavischen Ländern, um hier ein Beispiel zu ge­ben, wurde diesbezüglich eine Untersuchungskommission eingesetzt, die ihre Ergeb­nisse den nationalen Regierungen und Parlamenten bereits vorgelegt hat. Eine detail­lierte Analyse der österreichischen Verhältnisse ähnlich jener in Skandinavien, sprich Schweden und Finnland, fand bis jetzt nicht statt.

Einige punktuelle Verbesserungen können wir aber doch auch im heimischen Bereich erkennen. So wurden die frühere Krisentelefonhotline des Bundesministeriums für aus­wärtige Angelegenheiten in ein Call-Center mit 30 Anschlüssen ausgebaut und ein Kri­senplan für Katastrophen im Ausland erstellt.

Die Volksanwaltschaft gab auch eine Empfehlung – dies sei nur exemplarisch als wei­teres Beispiel von mir genannt – an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ab. Anlass war ein normalerweise geringfügiger Fall, nämlich die Ver­hängung einer Verwaltungsstrafe wegen eines alten Lichtbildes in einem Führerschein. Der Empfehlung der Volksanwaltschaft wurde in einem Erlass seitens des Ministeriums aber entsprochen. Ein altes Lichtbild in einem Führerschein ist aber, wie ich meine, sicherlich kein Einzelfall.

Ich möchte einen weiteren, wie ich glaube, wesentlichen Bereich des täglichen Lebens ansprechen. Im Bereich der Krankenversicherung tritt die Volksanwaltschaft nämlich für eine österreichweit einheitliche Regelung betreffend Verwendung homöopathischer Heilmittel, vor allem bei Krebserkrankungen, ein. Meiner Meinung nach ist es aber auch höchst an der Zeit, dass es zu einer einheitlichen österreichweiten Regelung für den Bezug von orthopädischen Heilbehelfen zumindest bei Minderjährigen in unserem Land kommt. Es ist, wie ich meine, nicht einzusehen, dass die diversen Sozialversiche­rungen unterschiedliche Regelungen anwenden, wenn es zum Beispiel darum geht, wie hoch der Kostenersatz für die Anschaffung von Gegenständen – sollen es auch nur so banale tägliche Gebrauchsgegenstände wie Hausschuhe, Straßen- oder Turn­schuhe sein – ist. Es wird danach gefragt, ob diese überhaupt benötigt werden, wie viele Paare die betreffende Person, ob Kind oder Jugendlicher, genehmigt bekommt.

Ein weiterer Fall, der, wie ich meine, eine breite Öffentlichkeit betrifft: Bei der Errich­tung von Handymasten durch Mobilfunkbetreiber wird die Bevölkerung oftmals nicht eingebunden. Das wurde auch von der Volksanwaltschaft entsprechend richtig gese­hen. Viele Menschen, die in der Nähe von Sendeanlagen leben, haben Angst, gesund­heitliche Schäden davonzutragen, oder befürchten einfach einen Wertverlust ihres


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Grundstückes, wenn sich in der Nähe eine Sendeanlage befindet. Beides, denke ich, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden.

Im Burgenland und in Niederösterreich gibt es zumindest einen Mobilfunkpakt, den die Länder und interessierte Gemeinden mit den Mobilfunkbetreibern abgeschlossen ha­ben. Darüber hinaus, denke ich, muss Anrainern und Gemeinden ebenfalls entspre­chende Parteienstellung eingeräumt werden.

In der Nationalratssitzung, um zu einem weiteren Präzedenzfall zu kommen, vom 13. Juli dieses Jahres erfolgte eine Debatte auch zur Petition betreffend „Sicher zur Schule“, wobei es um die Änderung der Kinderbeförderung in Omnibussen ging. Ziel war es meines Erachtens damals und ist es auch jetzt, die Zählregel bei Kindertrans­porten in Omnibussen im Gelegenheitsverkehr auf eins zu eins zu ändern, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Dem wurde in § 106 des Kraftfahrzeugge­setzes, das seit 1.1.2006 in Kraft ist, allerdings bis dato nicht entsprochen. Ich halte es für notwendig, über diesen Fall hier zu berichten, und meine, dass auch hier Hand­lungsbedarf gegeben ist.

Der nächste Fall mutet für meine Begriffe etwas kurios an. Kaum zu glauben ist auch die Beschwerde eines Vaters, der sich an die Volksanwaltschaft wandte und sich dar­über beschwerte, dass sich sein Sohn in einer Justizanstalt Suchtmittel besorgen konnte und daran verstarb. Die zuständige Justizministerin stellte nach Befassung der Volksanwaltschaft mit diesem Fall fest, dass zirka 30 Prozent der Insassen als Drogen­missbraucher gelten. Das kommt meiner Meinung nach schlichtweg einer Bankrott­erklärung gleich. Die Volksanwaltschaft stellte in diesem Fall natürlich eine berechtigte Beschwerde fest. Angeregt wird eine personelle Aufstockung der Justizwache und keine weitere zusätzliche Schließung von Betrieben in den Anstalten. Auch da muss der Gesetzgeber schnell handeln und entsprechende Maßnahmen setzen. Ich glaube, man kann nicht alles kaputtsparen.

Nicht nachvollziehbar ist auch die Tatsache, dass das Bildungsministerium im Berichts­zeitraum 2005 nicht bereit war, diverse Anfragen der Volksanwaltschaft rechtzeitig zu beantworten. Nicht nur das, die Volksanwaltschaft weist auch darauf hin, dass es drei gravierende Fälle einer Informationsverweigerung gegeben hat.

Somit möchte ich nun zur Darstellung des letzten Falles kommen. Immer häufiger stellt die Volksanwaltschaft auch überlange Verfahrensdauer fest. Dies ging sogar so weit, dass in einem Einzelfall die Erledigung eines Asylantrages 23 Jahre dauerte. Ich habe mich hier nicht versprochen, es sind wirklich 23 Jahre.

Hohes Haus! Die von mir exemplarisch aufgezeigten Beispiele zeigen, dass die Volks­anwaltschaft, wie ich meine, gute, notwendige Arbeit leistet, dass Missstände aufge­zeigt werden, zugleich aber auch Lösungsansätze geboten werden und die Volksan­waltschaft daher eine unverzichtbare Serviceeinrichtung für alle Österreicherinnen und Österreicher darstellt. Eine Kompetenzerweiterung der Volksanwaltschaft ist meiner Meinung nach nicht erforderlich.

Im Tätigkeitsbericht für das Jahr 2005 wurde auf Wunsch von Nationalratsabgeordne­ten eine Übersicht über die legislativen Anregungen durch die Volksanwaltschaft gege­ben. Meiner Meinung nach müsste sich der jeweilige Gesetzgeber, ob auf Bundes- oder Länderebene – wir befinden uns hier in diesen Räumen in einer Länderkammer –, in absehbarer Zeit mit den Anregungen, die noch nicht umgesetzt wurden, befassen, auch deshalb, um weiteren Missständen rechtzeitig entgegentreten zu können.

Ich möchte mir erlauben, meine Rede mit einem mir bekannten Zitat von Volksanwalt Dr. Kostelka zu beenden: Wir kümmern uns nicht nur darum, dass die Verwaltung das


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tut, was die Gesetze vorgeben, sondern auch darum, dass im Interesse der Bürger alles möglich gemacht wird, was gesetzlich erlaubt ist.

Ich danke meinerseits den drei Volksanwälten Kostelka, Bauer und Stadler für ihre im Sinne aller Österreicher geleistete Arbeit, wünsche den Volksanwälten, auch dem neuen Volksanwalt für die Zukunft alles Gute und möchte noch verlauten, dass meine Fraktion den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2005 zustimmend zur Kenntnis nimmt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.48


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. Ich erteile es ihm.

 


9.48.36

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Volksanwältin! Ge­schätzte Volksanwälte! Liebe Gäste aus Usbekistan! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich so wie mein Vorredner eingangs bei den Volksanwälten für diesen um­fassenden und hervorragenden Bericht herzlich bedanken. Er zeigt in hohem Maße, wie wichtig diese Einrichtung, die Installierung der Volksanwaltschaft vor jetzt beinahe 30 Jahren war. Mit dem 29. Bericht wurde eine imposante Leistungsbilanz vorgelegt, zu der ich im Namen meiner Fraktion recht herzlich gratulieren darf.

Es ist in Summe an und für sich unglaublich, wenn in einem hoch entwickelten Rechts­system mit entsprechender Judikatur, wie Österreich es vorzuweisen hat, derartige Rechtsfälle passieren und BürgerInnen oft als letzten Ausweg den Weg zur Volksan­waltschaft suchen.

Kollege Preiner hat hier ausführlich Zahlen, Daten und Fakten aus diesem Bericht zi­tiert. Ich darf nur einige davon wiederholen: 16 133 Anbringen, davon 10 796 aus der Bundes- und Landesverwaltung, davon 6 569 Prüfungsverfahren, sprechen eine deut­liche Sprache.

Von den im Berichtsjahr abgeschlossenen 7 891 Gesamterledigungen kam es in zehn Fällen zu einer formellen Empfehlung, in 16 Fällen zu einer Missstandsfeststellung und in einem Fall zu einer Verordnungsanfechtung – also gravierende Fälle, die keines wei­teren Kommentars bedürfen, wenn man sich mit diesem Bericht auseinandergesetzt hat. Insgesamt ist dies eine Steigerung von Erledigungen gegenüber dem Jahr 2004 von 310 Fällen.

Wichtig erscheint mir auch das Volumen der Bürger- und Behördenkontakte mit insge­samt 260 Sprechtagen und insbesondere der öffentlichkeitswirksamen Fernsehsen­dung „Volksanwalt“ im ORF, die trotz des nicht gerade guten Sendeplatzes beachtliche Einschaltquoten hat. – Da wird die neue ORF-Führung sicher für bessere Sendezeiten sorgen, da bin ich mir sicher. Es wird ja sicher alles besser werden.

Ich möchte im Konkreten aus diesem umfassenden Bericht zwei gravierende Fälle her­ausgreifen, die insbesondere auch das Land Vorarlberg betreffen und doch zu einigem Unmut geführt haben. Und zwar geht es im ersten Fall um die Familienbeihilfe, die für viele Familien natürlich einen erheblichen oder wesentlichen Einkommensbestandteil darstellt. Im Bereich des Finanzamtes Feldkirch, ja bei den Finanzämtern in Vorarlberg insgesamt kam es zu erheblichen Rückständen, was die Leistung der Familienbeihilfe anbelangt. Vor allem im Finanzamt Feldkirch ist es durch organisatorische Umstellun­gen bei der Erledigung von Anträgen auf Familienbeihilfe zu langen Verfahrensdauern gekommen.

Die Bundesministerien haben sich über Intervention der Volksanwaltschaft um eine rasche Besserung dieser Situation bemüht. Vom Finanzamt Feldkirch wurde dahin gehend gegengesteuert, dass sämtliche verfügbaren Bediensteten mit Agenden der


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Familienbeihilfe befasst wurden. Durch diese Maßnahme war es dann möglich, einen Großteil dieses Rückstandes abzubauen.

Ich kann das aus eigener Sicht berichten, weil ich um Intervention beim Finanzamt Feldkirch gebeten wurde. Es ging in diesem Fall um eine junge Familie mit drei kleinen Kindern. Da es zu einer Überschneidung der Karenzzeiten nach der Geburt des dritten Kindes kam, wurde vorübergehend der Leistungsbezug gestrichen, wegen ein paar Ta­gen, und dann hat diese junge Familie mehr als drei Monate auf die Zuerkennung des Kindergeldes und der Familienbeihilfe warten müssen. Da der Mann in der Schweiz beschäftigt war und die Kinder über die Mutter versichert waren, ging das dann sogar so weit, dass nicht nur diese Geldleistung wegfiel, sondern auch die e-card ihre Gültig­keit verloren hatte und deswegen kein Krankenversicherungsschutz bestand, weshalb in jedem Krankheitsfall die Mutter mit ihren drei kleinen Kindern zur Gebietskranken­kasse musste und dort eine krankenscheinähnliche Bestätigung für den Besuch des Arztes abzuholen hatte.

Ich darf mich also hier ganz besonders aus Vorarlberger Sicht für die Intervention der Volksanwaltschaft bei den Ministerien bedanken, denn da kam es wirklich zu gravie­renden Härtefällen, die dadurch abgebaut werden konnten.

Ein zweiter Fall, den Kollege Preiner ebenfalls schon erwähnt hat, aber ich möchte hier noch etwas näher darauf eingehen, ist dieser besondere Fall, der wahrscheinlich sei­nen Platz in der österreichischen Rechtsgeschichte haben wird, weil nämlich tatsäch­lich – und, lieber Kollege, du hast dich nicht versprochen – ein Vorarlberger 23 Jahre auf die Erledigung seines Asylantrages gewartet hat.

Hier noch einige Details dazu. Im Jahre 1982 stellte ein türkischer Staatsbürger einen Antrag auf Asyl. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg wies den Asyl­antrag im Jahre 1983 ab. Über die dagegen erhobene Berufung entschied das Bun­desministerium für Inneres im Jahr 1993, zehn Jahre danach. Nach Bescheiderhebung durch den Verwaltungsgerichtshof benötigte das Bundesministerium erneut zwei Jahre bis zur Bescheiderlassung. Nach neuerlichem Rechtsgang zum Verwaltungsgerichts­hof wurde mit Beginn des Jahres 1998 der Unabhängige Bundesasylsenat zuständig, der den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg im Jahr 2003 behob und die Sache an das Bundesasylamt zurückwies. Der Bundesminister für Inne­res war mit einer dagegen erhobenen Amtsbeschwerde erfolgreich, weil der UBAS in der Sache zu entscheiden hatte. Er gab dem Asylantrag schließlich im Oktober 2005 statt. – Unglaubliche Geschichte, Ende der Geschichte, Punkt.

Wie uns gestern Volksanwalt Kabas bestätigt hat, sind durch die geänderten Asylbe­stimmungen sicher einige Verbesserungen eingetreten. Es wurde nachgebessert, es wird speditiver mit den Asylanträgen umgegangen. Dennoch steht hier die Forderung nach Einrichtung eines unabhängigen Asylgerichtshofes im Raum. Ich denke, schon allein wenn man betrachtet, dass 27 000 Fälle inzwischen nach wie vor anhängig sind, wie der Herr Volksanwalt es bezeichnet hat, in diesem Rucksack anhängig sind, dann ist klar, dass man das rasch in Angriff nehmen und diesen unabhängigen Asylgerichts­hof einrichten sollte.

In diesem Sinne nochmals ein herzliches Dankeschön auch im Namen unserer Bürge­rinnen und Bürger für die wertvolle und hervorragende Arbeit der Volksanwälte. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.56


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 29

9.56.12

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Volksanwälte! Die Frage, brauchen wir eine Volksanwalt­schaft, stellt sich, glaube ich, niemand mehr in Österreich. 17 000 Fälle in einem Jahr dokumentieren das eigentlich. Deshalb möchte ich Volksanwältin Bauer und den bei­den Volksanwälten weniger für ihren Bericht danken, der im Grunde erschütternd ist, sondern für ihre Tätigkeit. 17 000 Fälle in einem ausbalancierten System, in einem feingliedrigen System von Verwaltung, Gesetzgebung, Exekutive und Legislative, von einem System des Rechtsschutzes, wie wir es in unserem Land haben, wo wir doch sagen, jeder, der Recht will, kommt zu seinem Recht oder findet zu seinem Recht, und wer aus sozialen Gründen nicht dazu in der Lage ist, bekommt auch Hilfe, sind er­schütternd. Es ist erstaunlich, dass sich in diesem fein balancierten System 17 000 Menschen in einem Jahr Hilfe suchend an jene Institution wenden, die Volksanwalt­schaft heißt. Für die Bearbeitung von 17 000 Fällen in einem Jahr in höchst diffizilen Bereichen spreche ich Ihnen und Ihrem gesamten Team in der Volksanwaltschaft, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern höchste Anerkennung aus.

Auf den Grundrechtsteil, auch mit dem Bereich der Antidiskriminierung verweise ich hier in den Diskussionen immer ganz besonders, denn er ist etwas Besonderes. Dies zeigt ja, dass die Volksanwaltschaft, die in Einzelfällen ja oft nur reaktiv agiert – wenn etwa eine Deponie-Geschichte nicht funktioniert oder in einer Gemeinde ein Brunnen nicht gegraben werden darf, kann sie nur reaktiv tätig sein –, gerade im Grundrechtsteil aber proaktiv sein kann, und das ist von ganz besonderer Wichtigkeit.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch nur einige Bereiche hier aufgreifen. Wir haben in einer sehr intensiven Debatte gestern im Ausschuss ja viele der Themenbe­reiche bereits gestreift. Mir ist wichtig, hier noch einmal die Auskunft von Herrn Volks­anwalt Kostelka festzuhalten, was die wirklich menschenrechtsverletzenden Benüt­zungsverbote von öffentlichen Verkehrseinrichtungen bei anzeigepflichtigen Erkrankun­gen betrifft. Da ist der Bund nach wie vor im Rückstand. Dass jemand, der Hepatitis C hat, nicht in eine Straßenbahn oder einen Zug einsteigen darf, ist, gelinde gesagt, ein Witz. Hier gilt es rasch zu handeln.

Das Nächste: Auch hier, im Amtsbereich von Frau Volksanwältin Bauer liegend, ein Phänomen, mit dem wir uns angesichts von Massenuniversitäten und der Rechte von einzelnen Studenten auseinandersetzen müssen: die Verweigerung von Einsichtnah­men in Prüfungsunterlagen. Hier muss ein System gefunden werden, dass die Studen­ten zu ihrem Recht kommen, Einsicht in die Prüfungsunterlagen zu erhalten, und zwar uneingeschränkt, aber gleichzeitig nicht ein Missbrauch möglich gemacht wird, nämlich mit dem Handel von Prüfungsantworten. Aber dass in diesem Fall die Medizinische Universität Wien nahezu selbstherrlich agiert und eine Summe von Verletzungen an den Tag legt, das geht nicht.

Ein nächster Bereich, der besonders von der Selbstherrlichkeit der Amtsträger getra­gen ist, sind die Amtsärzte, die Amtsärzte, die ein Gesetz nicht auslegen, wie es das Gesetz vorsieht, sondern ein eigenes Gesetz, und das vielleicht noch pro Bezirk, erfin­den, nämlich bei den eingeschränkten Lenkerberechtigungen. Das kostet nämlich den Einzelnen sehr viel Geld. Manchem Amtsarzt oder den Amtsärzten bringt es auch mit­unter sehr viel Geld. Es ist eine reine Willkür, wie diese Befristung ausgelegt wird, und hängt davon ab, in welchem Bezirk, in welchem Bundesland ich bin. Meine Kollegin wird darauf noch näher eingehen.

Die überlangen Verfahrensdauern sind heute schon angesprochen worden. Nämlich ganz egal, wo, bei den ordentlichen Gerichten, beim Unabhängigen Verwaltungssenat, in der Verwaltung, immer wieder ziehen sich diese überlangen Verfahrensdauern durch. Da wird offensichtlich zu stark beim Personal gespart. Dieses Sparen an Perso-


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nal ist ein Sparen bei der Rechtssicherheit, und das ist schädlich. Wenn wir bei den überlangen Verfahrensdauern in einem durchschnittlichen Bereich von über acht Jah­ren liegen, dann stimmt irgendetwas im System nicht.

Der nächste Bereich in Verbindung auch mit den überlangen Verfahrensdauern sind unbegründete Zurücklegungen von Begehren, insbesondere bei den Staatsanwalt­schaften, beziehungsweise einfach verschwundene Akten.

Was hier schon des Langen und Breiten ausgebreitet wurde, vom Kollegen Mayer, aber auch vom Kollegen Sodl, ist die extrem lange Dauer von Asylverfahren. Meine Damen und Herren, das ist ja nicht irgendetwas. Ich will jetzt nicht auf den Einzelfall eingehen, der sicher ein besonders krasser Fall ist. Aber das sind in der Regel junge Menschen, die viele Jahre nicht wissen, wie es in ihrem Leben weitergeht, die eine Be­schäftigung suchen, die keine Familienplanung machen können, die keine Wohnsitz­planung machen können, die 7, 8, 10, 12, 14 Jahre in einem Land sitzen und warten, ob sie hier Asyl bekommen oder nicht. Das ist unerträglich, das ist eine Vergeudung von deren bester Lebenszeit. In der Regel sind die nämlich etwa 25. Wenn sie vom 25. bis zum 40. Lebensjahr nicht wissen, wie ihr Status ist, dann vergeuden wir deren Lebenszeit und bringen diese in eine extreme psychische wie auch soziale Situation.

Da stehen noch 27 000 Verfahren an. Und diese 27 000 Verfahren werden pro Jahr nicht weniger. Dieser Rucksack wird nicht weniger. Da muss ganz massiv auch durch personelle Aufstockung dieser Rucksack abgebaut werden. Anders geht es nicht.

Alle auch legislativen Verbesserungen oder Beschleunigungen führen nicht dazu, dass dieser Rucksack abgebaut wird. Dies betrifft 27 000 einzelne Personen und einzelne Schicksale.

Ein weiterer Bereich ist die Verweigerung von Sozialleistungen in all ihren Formen, egal, ob das jetzt im Bereich von Pensionen, Studienbeihilfen oder Pflegebeihilfen ist. Da gibt es Jahr für Jahr immer wieder Einzelfälle. Das geht wie ein roter Faden durch die Berichte der geschätzten Volksanwaltschaft.

Nahezu in jedem Volksanwaltschaftsbericht, speziell im letzten und auch in diesem, wurde ganz eindringlich darauf hingewiesen – und hier sind wir nach wie vor auf Bun­desebene hintennach –, die Hilfe für Verbrechensopfer muss ausgebaut oder über­haupt einmal erst auf einen akzeptablen Sockel gestellt werden. Die Hilfe für Verbre­chensopfer ist in Österreich einfach schändlich. Da muss etwas geschehen.

In der Diskussion gestern ist mit den Volksanwälten noch ein ganz spezieller Punkt herausgearbeitet worden. Volksanwalt Kostelka hat das ja in recht eindrücklichen Wor­ten gestern gesagt: Jeder Tanzlehrer und jeder Bergführer braucht eine Pflichtversi­cherung, aber ein Arzt, der täglich 50mal in der Lage ist, einem Patienten einen Scha­den zuzufügen, durch Irrtum, nicht absichtlich – in diesem Bericht finden sich auch absichtliche Fälle –, der hat das nicht.

Diese Härtefälle, meine Damen und Herren, können nur zwei Dinge zur Folge haben: Entweder überlegen wir uns tatsächlich die Einführung einer Pflichtversicherung für Ärzte, oder die Ärztekammer muss ihren Widerstand aufgeben, einen Härtefonds ein­richten und solche Opfer von Irrtümern beziehungsweise auch absichtlicher Schädi­gung, wie aus dem vorliegenden Bericht hervorgeht, daraus entschädigen.

In diesem Sinne: Auch unsere Fraktion nimmt diesen Bericht zur Kenntnis, immer in der Hoffnung, dass der Bericht im nächsten Jahr nicht mehr so dick ausfallen wird und die Zahl der Fälle geringer wird. Wir wissen, es hat sich derzeit schon bei 16 000 bis 18 000 Fällen eingependelt. Aber trotzdem viel Erfolg, nämlich auch im proaktiven Be­reich, für Ihre Arbeit in der Zukunft! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

10.07



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 31

Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


10.07.14

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Dame und Herren Volksanwälte! Ich schließe mich dem Dank meiner Vorredner bezüglich der Tätigkeit der Volksanwaltschaft äußerst gerne an.

Die Anzahl der Beschwerden, ob berechtigt oder nicht berechtigt, zeigt ja, wie wichtig diese Institution ist. Wahrscheinlich ist es auch für die Volksanwälte nicht immer leicht, selbst dann, wenn sie positive Erledigungen treffen oder für sich verbuchen können. Aber es gibt natürlich auch jene Fälle, wo man dem Bürger sagen muss, man war ent­weder nicht zuständig oder man konnte für ihn nichts tun, weil es verschiedene Rechts­auffassungen gab und sich die Rechtsauffassung des jeweiligen Ministeriums, der Be­hörde durchgesetzt hat.

Jeder von uns weiß, wie schwierig es manchmal ist, jemandem zu erklären, dass man in seinem Fall nichts tun konnte, weil sich ja der Beschwerdeführer immer im Recht fühlt und sich als ungerecht behandelt ansieht, wenn sein Fall abgelehnt wird.

Das ist besonders tragisch, aber der Rechtsexperte Tomandl hat in einem seiner Wer­ke gesagt: Gerechtigkeit hat nicht immer etwas mit Recht zu tun!, und das erleben wir immer öfter.

Daher Dank an alle drei Volksanwälte, Rosemarie Bauer, Dr. Kostelka, aber auch an den ausgeschiedenen Ewald Stadler, der seine Geschäftsbereiche hervorragend erle­digt hat, und ein herzliches Willkommen dem neuen Volksanwalt Hilmar Kabas, der mit gewohnter Umsicht und Sorgfalt seine Geschäftsbereiche sicher ebenfalls hervorra­gend erledigen wird.

Der Dschungel der Gesetze ist natürlich für den Einzelnen oft unüberschaubar, ge­schweige denn verständlich. Es sagen manchmal auch Juristen, dass die Gesetze selbst für sie nicht immer so ohneweiters zu durchschauen sind. Die Erfüllung einer langjährigen Forderung, Gesetze für den Einzelnen, auch für den Nichtjuristen ver­ständlich und lesbar zu machen, ist immer noch in weiter Ferne.

Durch den Behördendschungel ergeben sich natürlich Probleme in fast allen Minis­terien. Ich erlaube mir, nur zwei Beispiele herauszugreifen. Es ist zum Beispiel nicht verständlich dass es unter einer Regierungspartei, die sich selbst als christlich-sozial definiert, im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2003 mit Inkrafttreten 2004 nicht ge­lungen ist, auf schwerst hörbehinderte oder taube Menschen in den Programmen des ORF entsprechend Rücksicht zu nehmen, obwohl man ja eigentlich mehr soziale Ge­rechtigkeit herstellen wollte.

Jetzt dürfen diese schwerst hörbehinderten Menschen zwar die volle Gebührenhöhe bezahlen, sie haben aber leider in den Programmen überhaupt nichts davon, weil die Programme nicht entsprechend angepasst sind, sodass sie diese auch konsumieren können. Und das betrifft immerhin eine Anzahl von über 20 000 Menschen. Das mag jetzt vielleicht in der Gesamtsumme wenig erscheinen, aber Artikel 7 Bundes-Verfas­sungsgesetz besagt, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Daher muss die nächste Regierung, wie immer sie aussehen wird, alles daranset­zen, dass dieser Missstand schleunigst abgeschafft wird.

Der zweite Fall betrifft auch schwerstkranke Menschen, was auch nicht verständlich ist, die eine Invaliditätspension oder eine Berufsunfähigkeitspension beziehen, wo die Volksanwaltschaft selber sagt, man soll sie nicht wie lästige Bittsteller behandeln – was aber oft passiert.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 32

Jetzt ist schon klar, dass natürlich auch eine gewisse Sicherheit gegeben sein muss, ob jemand immer noch so schwerstbehindert ist, dass er diese Pension braucht oder nicht. Es ist schon in Ordnung, dass das immer wieder überprüft wird. Aber wenn selbst alle Experten, alle Ärzte sagen, es ist keine Aussicht auf Besserung in diesem einzelnen Fall zu sehen, dann muss man nicht zum absoluten Härtefall greifen und sagen, jetzt muss er trotzdem alle zwei Jahre oder vielleicht in noch kürzeren Abstän­den zur Kontrolle, damit wir feststellen können, dieser Fall wird sich bis an sein Le­bensende nicht mehr bessern können, denn diese Menschen haben ohnehin schon ein schweres Schicksal zu tragen und man muss ihnen das Leben nicht unnötig erschwe­ren. Hier könnte im Sinne der Menschlichkeit die nächste Regierung einiges besser machen.

Daher noch einmal Dank an die Volksanwaltschaft, die wirklich unverzichtbar ist, wie die Vorredner ja auch schon festgestellt haben, weil sie eine niederschwellige Einrich­tung ist, wo jeder Bürger Zugang hat, den er sonst oft nicht hat. Es ist auch äußerst zu begrüßen, dass die Volksanwaltschaft Bereiche prüfen kann, die der Rechnungshof nicht prüfen kann. Daher aber auch meine Bitte, Anregungen der Volksanwaltschaft zur Verbesserung von Gesetzen, die sie auch macht, vielleicht einmal aufzunehmen. In diesem Sinne wünsche ich unseren Volksanwälten und ihren Mitarbeitern und Mitarbei­terinnen für ihre weitere Tätigkeit alles Gute.

10.12


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile es ihm.

 


10.12.55

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Gäste aus Usbekistan! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Volksanwälte! Auch ich darf mich diesem Dankeschön für diese emsige Arbeit und dieses Engagement für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in unserem Staat an­schließen. Ich möchte diesen Dank auch noch erweitern an das, glaube ich, hier auch zumindest zu einem kleinen Teil anwesende sehr erfolgreiche Mitarbeiterteam. Es steckt ja hinter den drei Volksanwälten ein sehr engagiertes Team, und auch aus per­sönlichen Kontakten darf ich sagen, dass man dort wirklich mit Feuereifer dabei ist und wirklich oft das Herzblut fast mitschwingt, wenn es darum geht, in Einzelfällen Hilfestel­lung zu leisten.

Es hat gestern einen sehr interessanten Bericht beziehungsweise Anfragebeantwortun­gen im Ausschuss gegeben. Wenn man sich so diesen Spruch vergegenwärtigt: Es ist immer besser, reich und gesund zu sein, als arm und krank!, dann muss ich sagen, das ist keine Lotteriewerbung, sondern Letzteres ist, glaube ich, wirklich die Prämisse, unter der die Tätigkeit der Volksanwaltschaft steht. Ich glaube, dass hier im weitesten Sinn von der Volksanwaltschaft schon auch eine sehr sozialpolitische Aufgabe wahrge­nommen wird, denn immer mehr Menschen, die keinen besonderen Wohlstand haben, krank und pflegebedürftig sind, haben eigentlich nur die Möglichkeit, sich an die Volks­anwaltschaft zu wenden. Und wenn man ihre Berichte liest – es ist ja auch sehr in­teressant, den Internetauftritt zu verfolgen, es werden dort immer hochaktuelle Fälle gebracht –, dann meine ich, es ist ganz wichtig, dass man dort hilft.

Der eine Fall, der heute von einem Vorredner bereits aufgezeigt wurde, wo von einem Arzt 16 000 Krebsabstriche quasi nicht weiter verfolgt wurden, wo es dann zu straf­rechtlichen Verfolgungen gekommen ist, hat ja gezeigt, wie dringend da eigentlich eine Hilfestellung notwendig ist. Und da bin ich wieder dort, wo Kollege Schennach ja heute schon war: Der Schutz von Verbrechensopfern ist in Österreich noch immer in höchs­tem Maße unzureichend geregelt. Unsere Fraktion hat diesbezüglich bereits einen An-


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trag hier eingebracht. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, das weiter zu verfolgen. Davon sind zwei Ressorts betroffen. Man sollte eigentlich meinen, dass vom Justizres­sort die Initiativen ausgehen müssen. Bekanntlich erfolgt aber die Abhandlung des Schutzes von Verbrechensopfern durch das Sozialministerium auf dem Wege des Bun­dessozialamtes. Ich denke, wir sollten das aufgreifen, was von Ihnen auch wiederholt hier eingefordert wurde.

Zum Zweiten: Sie haben ja vor vier Jahren den 25. Geburtstag der Volksanwaltschaft gefeiert, und da ist mir noch erinnerlich, dass damals von Volksanwalt Dr. Peter Kostel­ka aufgezeigt wurde, dass wir mit der Ausgliederung verschiedener staatlicher Einrich­tungen eigentlich wieder einen, wenn man so will, schutzfreien Raum schaffen, dass es der Volksanwaltschaft in diesen Fällen nur schwer möglich ist, den Menschen Hilfestel­lung zu geben. Jetzt wissen wir, dass in den letzten Jahren diese Ausgliederungen wei­ter fortgeschritten sind.

Ich denke hier gerade an jene Einrichtungen, die uns mit Infrastruktur versorgen, die die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land mit Infrastruktur versorgen, ich denke da­bei an Post und Bahn. Es ist meiner Meinung nach ganz wichtig, dass auch jenen Men­schen, die es sich nicht so richten können, eine entsprechende Möglichkeit gegeben wird, ihr Recht bei der Volksanwaltschaft zu suchen. Dr. Peter Kostelka, man sollte Ihrer Anregung, was den Raum, den Aktionsradius der Volksanwaltschaft betrifft, wie Sie das ja damals völlig zu Recht bei der Geburtstagsfeier, wenn ich so sagen darf, in dieser Festrede gesagt haben, ganz dringend nachkommen, denn sonst werden viele Menschen da überbleiben.

Wir wissen, dass auch im Pflegebereich sehr viel ausgegliedert ist, auch in anderen Bereichen, bei der Stromversorgung, der Telekommunikation und so weiter. Das ist, wie ich meine, eine ganz wichtige Geschichte.

Weiters: Es sind ja von der Volksanwaltschaft eigentlich nur sieben Bundesländer er­fasst, in zwei Bundesländern gibt es eigene Einrichtungen. Auch das, glaube ich, wäre noch einmal zu hinterfragen. Mich hat auch ein Bürgermeister von uns heute schon informiert, der aus so einem Bundesland kommt. Das ist, wie ich meine, eine ganz wichtige Geschichte. Rechtssicherheit sollte wirklich für alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Land in allen neun Bundesländern in vollem Umfang bestehen, um entspre­chenden Schutz suchen zu können.

Abschließend vielleicht noch eines: Ich glaube, dass beim Beamtendienstrecht auch manches im Argen liegt. Es gibt in Oberösterreich einen, ich möchte fast sagen drama­tischen Fall, wo sich eine Bürgerin, die Mittelschullehrerin ist, auf dem Weg über die Landesregierung über eine Bautätigkeit beschwert hat, und diese Beschwerde hat man dann zum Anlass genommen, den Landesschulrat entsprechend zu informieren, um dienstrechtlich gegen diese Mittelschullehrerin vorzugehen. Es ist ganz wichtig, dass den Bürgern Demokratie auch ermöglicht wird, in diesem Fall eben die freie Meinungs­äußerung. Also auch ein Fall für den Volksanwalt.

Insgesamt kann ich Ihnen wirklich nur gratulieren. Es ist Ihnen, wie ich meine, in die­sem mehr als einem Vierteljahrhundert bereits gelungen, ein Rechtsinstitut zu schaf­fen, ein eigenständig agierendes Organ dieses Hauses, das wirklich bei allen Bürgern höchste Anerkennung findet.

Noch einmal meine persönliche Bewunderung, auch die meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen dafür, dass Sie diese Masse der Fälle mit so viel Akribie und, ich muss sagen, in den überwiegenden Fällen auch mit so viel Erfolg bewältigen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.19



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 34

Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


10.19.20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wichtigkeit der Volksanwaltschaft ist ja heute schon einige Male betont worden, auf der einen Seite wichtig als Unterstützung für den Einzelnen – Behördenwillkür wird es immer geben –, auf der anderen Seite aber auch deshalb, weil gerade so ein Bericht wie dieser klarmacht, in welchen Bereichen oft eine gesetzliche Regelung fehlt oder zumindest nachzubessern wäre. Und unsere Aufgabe sehe ich jetzt darin, dass wir diesen Bericht gut lesen, uns das auch zu Herzen nehmen und versuchen, das auch umzusetzen.

Ich habe mir naturgemäß in erster Linie die Bereiche Umwelt und Verkehr angeschaut. Bei der Umweltgesetzgebung besteht oft das Problem, dass die Auswirkungen von Rechtsverletzungen erst sehr spät sichtbar werden und man erst im Nachhinein draufkommt, dass man etwas anders hätte machen sollen.

Da gibt es zum Beispiel eine mangelhafte Erhebung der Wasserrechtsbehörde bei der Beurteilung der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht eines Fleischproduktionsgatters. Die ganze Geschichte ist so gelaufen: Es gab einen Brunnen mit gutem Trinkwasser. 1992 wurde daneben ein Betrieb bewilligt, der Wildtiere züchtet, wodurch das Trink­wasser verunreinigt wurde. Der Einfluss des Betriebes auf das Grundwasser wurde allerdings von der BH nicht untersucht. Die BH ist davon ausgegangen, dass es sich um eine geringfügige Einwirkung handelt. Insbesondere der Gemeingebrauch sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung. Das heißt, wenn man das Gebiet nebenan land- und forstwirtschaftlich nutzt, dann wird nicht automatisch von einer Beeinträchtigung des Grundwassers ausgegangen.

Ein weiteres Problem, das ich da auch noch sehe, ist die Behandlung von Trinkwasser­schutzgebieten. Auf der einen Seite gibt es das Trinkwasserschutzgebiet 1, das einge­zäunt ist, wo jeder weiß, da darf ich nicht hinein und da darf ich auch nichts anstellen. Daneben gibt es das Trinkwasserschutzgebiet 2: Das ist nicht mehr abgezäunt, 60-Tagesreserve nennt sich das, das heißt, innerhalb von 60 Tagen fließt dort das Grund­wasser in Richtung Trinkwasser. Was dort passiert und welche Beeinträchtigungen es dort geben darf, ist nirgends geregelt, und es ist auch nicht geregelt, wer dort den Trinkwasserschutz zu erfüllen hat. Sprich, wenn vom Grundstückseigentümer selbst dort zum Beispiel Autos abgestellt werden, gibt es niemanden, der ihn dafür haftbar machen kann.

Ein weiteres Problem bei Grundwasserschutz habe ich schon erwähnt: Landwirtschaft­liche Betriebe werden in vielen Bereichen anders behandelt und anders beurteilt als Gewerbebetriebe. Eine gewerberechtliche Genehmigung für einen Kleinbetrieb ist schwerer zu erreichen als zum Beispiel eine Genehmigung für einen Schweinestall mit 600 Zuchtschweinen, der aber sicher eine schlimmere Auswirkung auf das Grundwas­ser hat als so mancher andere kleine Gewerbebetrieb.

Ein zweites Problem bei der Umweltgesetzgebung ist, dass Umweltgesetze sehr oft als Schikane gesehen werden. Es gibt zum Beispiel folgenden Fall: Der Landeshauptmann hat dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie – der Titel hat sich inzwi­schen geändert – Verdachtsflächen bekannt zu geben. Der Umweltminister hat dann diese Verdachtsflächen zu erfassen, abzuschätzen und zu bewerten und die Daten daraus dem Umweltbundesamt zu übermitteln, das dann einen Verdachtsflächenkatas­ter erstellen muss.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 35

Der Landeshauptmann, in diesem Fall jener von Kärnten, hat sich gedacht, das ist ja alles nicht so wichtig und nicht so dringend, ist eigentlich eher eine Schikane und hat das so dargestellt, als wäre diese Meldepflicht eine freiwillige Mitwirkung am Ver­dachtsflächenkataster. Die Volksanwaltschaft hat dann festgestellt, dass diese Mel­dung doch verpflichtend gewesen wäre und dass sie unvollständig erfolgt ist.

Das klingt jetzt so, als ob das alles „nur“ Bürokratie wäre, so nach dem Motto, ja, ist halt passiert, aber nicht so dramatisch. In diesem Fall war es allerdings dramatisch, denn im Juli 2001 ist es auf einem Betriebsgelände in der Stadt Klagenfurt zu einem Deponiegasunfall gekommen. Dieser Unfall hätte vermieden werden können, wenn die ehemalige Deponie in den Verdachtsflächenkataster eingetragen gewesen wäre.

Umweltgesetzgebung als Schikanen zu sehen ist leider nach wie vor gang und gäbe. Dass man Auswirkungen auf die Umwelt oft auch erst später erkennt ist halt leider auch ein Problem.

Weiter zum Verkehrsbereich. Dieser ist gegliedert in den Bereich des „normalen“ Stra­ßenverkehrs und in den Bereich der Bundesstraßen. Über den „normalen“ Verkehrsbe­reich hat Herr Kollege Schennach schon gesprochen. Da geht es sehr oft um Behör­denwillkür, die großteils zu Lasten gerade von älteren Personen geht oder von Men­schen, die eben in der Gesellschaft nicht den tollen Stand haben wie unsereiner.

Ich verweise zum Beispiel auf die Behördenwillkür bei den Verlängerungen bezie­hungsweise befristeten Führerscheinen. Es ist ja nicht so, dass dies in erster Linie gesunde Menschen betrifft, sondern davon sind chronisch kranke und ältere Menschen betroffen. Diese Verlängerung beziehungsweise ein Neuantrag kostet 92 €. Zusätzlich wird oft auch noch ein ärztliches Gutachten benötigt, das wieder Geld kostet. Dass man dies durch eine gesetzliche Regelung ändert, wird auch von der Volksanwalt­schaft empfohlen, und das kann man nur unterstreichen.

Das eigentliche Problem ist aber auch, dass oft gerade im ländlichen Raum ältere Menschen, die vielleicht wirklich nicht mehr mit dem Auto fahren können, keine Mög­lichkeit haben, anders mobil zu sein. Sie sind auf das Auto angewiesen. Da müsste man auch im Bereich der Mobilität ansetzen!

Was wir voriges Jahr hier im Bundesrat beschlossen haben, wobei wir sehr wohl ge­wusst haben, dass es keine besonders gute Regelung ist, ist die Kinderbeförderung in Omnibussen. Kinder, die zur Schule fahren, dürfen nach wie vor nach der so genann­ten Zählregelung, nämlich drei zu zwei, befördert und transportiert werden. Dies ist unverständlich. Ich bin früher selbst mit dem Schulbus gefahren und weiß, wie es in Schulbussen zugeht. Ich denke, das ist wirklich eine Gefährdung der Sicherheit unse­rer Kinder, auf die wir ja angeblich alle besonders viel Wert legen. Ich zumindest lege wirklich besonders viel Wert auf meine Kinder. Darum wäre es doch wichtig, dass man hier einmal die wirtschaftliche Seite etwas bei Seite schiebt und in erster Linie an die Sicherheit der Kinder denkt und diese Regelung endlich auf eins zu eins anhebt.

Im Bereich der Bundesstraßen geht es nicht mehr so sehr um Ältere und um Kinder, sondern eher um Fragen wie Zweitvignette für Wechselkennzeichenbesitzer. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass die Vignette jetzt in dieser Form, da sie kilometerunabhängig ist, insgesamt unfair ist. Ob ich jetzt ein Auto, zwei oder drei Autos habe, ist im Prinzip egal. Es müsste eigentlich viel mehr  auf die Strecke ankommen, die ich auf der Auto­bahn zurücklege.

Ein Problem, das leider nur am Rand gestreift worden ist, das aber meiner Meinung nach ein sehr großes Problem darstellt, gerade was die Bundesstraßen betrifft, ist der Lärm. Es ist schon erwähnt worden, dass die Bevölkerung sich immer mehr beein-


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 36

trächtigt fühlt und dass wir ein sehr problematisches Bundesstraßengesetz haben, in dem nämlich kein Rechtsanspruch auf Lärmschutzmaßnahmen besteht.

In Korneuburg haben wir auch eine neue Autobahn bekommen, einen Ausbau. Es gab eine Beschwerde an die Volksanwaltschaft, an den Herrn Stadler. Herr Stadler hat dann beim Bundesministerium für Verkehr rückgefragt und sehr interessante Antworten bekommen, die einfach zum Teil so nicht stimmen. Ich würde Ihnen jetzt gerne eine zu diesem Fall des Herrn Volksanwaltes gehörende Anfrage von mir übermitteln.

Es wird da nämlich zum Beispiel behauptet, dass es Lärmmessungen gegeben hat oder geben wird und dass diese natürlich sofort veröffentlicht werden. Die Lärmmes­sungen hat es gegeben, sie sind jedoch bis jetzt nicht veröffentlicht und werden jetzt möglicherweise noch heuer, wahrscheinlich aber erst nächstes Jahr der Bevölkerung zugängig gemacht.

Ich weiß nicht, ob man sich immer so auf die Behördenauskünfte verlassen sollte oder ob man nicht vielleicht doch noch einmal bei den Anrainern rückfragen könnte, ob denn das auch wirklich so ist.

Aber ich darf Ihnen – ich nehme an Ihnen, Herr Volksanwalt Kabas – etwas mitgeben als Information (die Rednerin überreicht Volksanwalt Mag. Kabas ein Schriftstück), und ich denke, dass gerade im Bereich des Lärmschutzes noch einiges an Gesetzesände­rungen nötig sein wird, wie schon viele festgestellt haben, denn Lärm macht krank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.28


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. Ich erteile es ihm.

 


10.28.59

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schim­böck hat in seinem Debattenbeitrag in Frage gestellt, ob es richtig sei, dass die Bun­desverfassung den Ländern die Möglichkeit einräumt, für den Bereich der Landesver­waltung und auch der Gemeindeverwaltung eigene Landesvolksanwälte zu bestellen. Er ist jetzt leider nicht hier. Er versteht unter Teilnahme an der Debatte offenbar nur das Reden und nicht auch das Zuhören. – Das ist das eine.

Das andere ist eine gewisse Kuriosität, wenn diese unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler dankenswerterweise den Ländern eingeräumte Ermächtigung ausge­rechnet in der Länderkammer in Frage gestellt wird.

Zum sachlichen Gehalt: Es ist richtig, dass zwei Bundesländer – ich rede jetzt für mein eigenes Bundesland, nämlich Vorarlberg – von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und auf eigene Kosten einen eigenen Landesvolksanwalt geschaffen haben, der in Vorarlberg vom Landtag gewählt wird und eine der Volksanwaltschaft des Bundes ver­gleichbare Unabhängigkeit genießt.

Herr Kollege Schimböck war der Meinung, dass auf Grund dieser Situation in diesen Bundesländern eine Art Kontrollnotstand bestehe. Ich behaupte das Gegenteil. Der Landesvolksanwalt stellt gerade in entfernteren Bundesländern – nicht zufällig haben die zwei einen eigenen eingerichtet – eine wesentlich niederschwelligere Einrichtung für hilfesuchende Bürger oder solche, die sich über eine Verwaltungsstelle beschweren wollen, dar, als wenn sie Kontakt nach Wien aufnehmen oder die auch regelmäßigen stattfindenden Sprechtage der Landesvolksanwälte in Anspruch nehmen müssten. Der Zugang für den Bürger ist durch eine Einrichtung in der Nähe also wesentlich leichter. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 37

Die Berichte des Volksanwaltes werden in vergleichbarer Weise wie hier im Landtag diskutiert und sind ein außerordentlich scharfes Kontrollinstrument, weil natürlich durch die Nähe und die Vertrautheit des Bürgers mit diesen Themen, über die diskutiert wird, eine wesentlich stärkere Wirkung erzielt wird, als wenn das Einrichtungen, die in Wien beheimatet sind und dem Bund zugerechnet werden, erledigen würden.

Es ist auch so, dass es zwischen dem Landesvolksanwalt und der Volksanwaltschaft des Bundes eine hervorragende Zusammenarbeit gibt, für die ich mich auch namens des Landes bedanken darf. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die Volksanwalt­schaft das als Konkurrenz sieht, sondern als wertvolle Ergänzung. Das alles macht, glaube ich, deutlich, dass die Kontrolldichte in diesen Ländern durch eigene Landes­volksanwälte nicht verringert, sondern, im Gegenteil, verstärkt wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

10.32


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Volksanwältin Bauer. – Bitte.

 


10.32.09

Volksanwältin Rosemarie Bauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich mich herzlich für die anerkennenden Worte für unsere Tätigkeit bedanke, nicht nur für den Bericht, sondern auch für das, was unsere Mitarbeiter leisten. Das sind nur die wichtigsten Teile unserer Arbeit, die wir an Sie weitergeben und die Sie somit in schrift­licher Form vor sich liegen haben.

Es wird immer die Statistik angesprochen. Auch für uns sind die statistischen Daten natürlich eine sehr interessante Sache, weil wir damit auch unsere eigene Arbeit und Entwicklung verfolgen können. Es wurde von einzelnen Rednern schon das hohe Ni­veau angesprochen, auf dem sich die Anbringen in der Zwischenzeit eigentlich einge­pendelt haben. Von diesen Anbringen – 2005 waren es 16 133 – fallen fast alljährlich, kann man sagen, zwischen 10 000 und 11 000 Anbringen in unsere Zuständigkeit. Und von diesen 10 000 bis 11 000 Anbringen – und das wird Sie vielleicht einigermaßen wundern – sind es fast immer gleichmäßig zirka 11 Prozent der Beschwerden, die tat­sächlich berechtigt sind.

Worauf ich in besonderem Maße hinweisen möchte, weil das auch für uns eine sehr in­teressante Sache ist, ist die steigende Anzahl der Nutzer unseres Angebotes im Inter­net, also unserer Homepage. Und zwar haben sich 189 000 User im Jahr 2005 unsere Homepage angeschaut, auf unserer Homepage gesucht und somit ihr Interesse bekun­det, wobei gerade zwei Zahlen aus unserer Sicht erfreulich sind. Das eine ist: 12 000 haben sich für unser Sprechtagsangebot interessiert, das heißt, 12 000 wollen mit uns in Kontakt treten, suchen also, wie sie Kontakt aufnehmen können. Dieses große Be­dürfnis nach persönlicher Kommunikation sehen Sie natürlich auch an der Zahl der Sprechtage, die im Jahr 2005 260 betragen hat. Das ist schon eine gewaltige Arbeits­leistung, ohne dass ich jetzt unser Arbeitsleid hier darlegen möchte. Aber diese An­strengung, in den Bundesländern präsent zu sein, persönlich da zu sein, lohnt sich auch. Man merkt, dass das Bedürfnis der Bevölkerung nach persönlicher Aussprache beim Volksanwalt sehr, sehr groß ist.

Jetzt mache ich einen größeren Sprung dorthin, wo es geheißen hat, es ist erinnerlich, dass anlässlich unseres 25-jährigen Bestehens – aber nicht nur damals – der damalige Vorsitzende Dr. Kostelka gemeint hat, wir brauchen eine Weiterentwicklung und wir müssen einiges ausbauen. Diese Ausgliederungen begrenzen das Recht des Bürgers, sich persönlich zu beschweren. Auch wenn man zum Beispiel bei der Ausgliederung des Fonds Soziales Wien meinte, da gebe es ein Kontrollamt, muss ich doch fragen:


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 38

Wie soll der einzelne Bürger beim Kontrollamt seine persönliche Beschwerde darbrin­gen – oder bei den Bundesbahnen oder bei den Wiener Linien?

Man darf nicht vergessen, da geht es um menschliche Schicksale. Auch wenn wir nicht immer als Anlaufstelle helfen können, hören wir zu. Wir können Wege aufzeigen, auch wenn wir gar nicht zuständig sind. Und dieses Bedürfnis der Menschen, eine Anlauf­stelle zu haben, mit der man kommunizieren kann und der man sein Problem darlegen kann, ist ein kostbares Gut, das wir nicht leichtsinnig vergeuden sollten, das wir nicht einschränken, sondern das wir tatsächlich ausweiten sollten. Nach wie vor ist unser Wunsch, ähnlich dem Rechungshof, Anliegen der Bürger auch in ausgegliederten Be­trieben der Republik vertreten zu können.

Ich komme zurück zur Statistik; es ist erfreulich, dass mehr als 8 000 Bürger unsere Tätigkeitsberichte auch im Internet aufrufen, also auch ein großes inhaltliches Inter­esse an unserer Arbeit haben. Sie machen also einen Zugriff auf unsere Homepage und verfolgen unsere Tätigkeit auch aktuell.

Wir sind nach wie vor sehr dankbar für unsere Sendung. Auf Grund unserer Amtsver­schwiegenheit haben wir wenig Möglichkeiten, an die Öffentlichkeit zu treten. Es ist für einen Journalisten nicht besonders interessant, über einen Fall zu berichten, wenn so viele Riegel vorgeschoben sind. In dieser Sendung haben wir die Möglichkeit, einfach hautnah über Probleme, die man natürlich auch sieht, weil es einen Trailer gibt, und deren Auswirkungen zu reden. Ich persönlich bin immer sehr verblüfft, wenn die Bürger immer wieder versichern, dass sie nicht nur zuschauen – diese Sendung ist ja als Infor­mationssendung gedacht –, sondern dass sie die Sendung auch lehrreich finden. Sie loben nicht nur unsere Einrichtung und meinen, fein, dass es Sie gibt, wenn solche Fälle da sind, sondern lernen auch selbst etwas daraus. Und das, glaube ich, ist letzt­endlich auch der größte Erfolg dieser Sendung, wo wir uns natürlich über die eigentlich ständig hohe Quote der Zuseher zu einer nicht gerade günstigen Sendezeit freuen, die oft auch in Konkurrenz steht, und zwar nicht nur zu einem Programm des ORF, son­dern auch von anderen Fernsehanstalten.

Beantwortet ist die Frage nach den Landesvolksanwälten. Ich kann nur versichern, dass wir sehr gut zusammenarbeiten. Wir haben in diesen beiden Bundesländern – es geht um Tirol und Vorarlberg – nur die Bundesverwaltung zu überprüfen. Natürlich sind wir oft auch Anlaufstelle für Bürger, für die wir nicht zuständig sind, aber wir übermitteln diese Fälle auch wechselseitig. Die Zusammenarbeit funktioniert da bestens, wofür ich sehr dankbar bin.

Ein herzlicher Dank vielleicht auch hier im Bundesrat für die Unterstützung einer inter­nationalen Konferenz. Ich möchte diesen Dank nämlich an das Haus aussprechen. Wir haben im Juni eine internationale Ombudsmännerkonferenz veranstaltet, mit sehr gro­ßem Erfolg – das war die größte seit 14 Jahren –, und vielen Gästen. Es hat uns das Parlament, darf ich das jetzt sagen, sehr unterstützt, gemeinsam mit den Abgeordne­ten. Vielen herzlichen Dank! Sie sehen daran, dass unsere usbekischen Freunde da sind, dass wir auch auf internationalem Gebiet sehr engagiert sind.

Wenn schon der Beschluss zur Gründung der Volksanwaltschaft im Jahre 1977 ange­sprochen wurde, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Damals gab es in Europa sie­ben vergleichbare Einrichtungen, heute sind es schon 132, das ist die genaue Zahl, auf die wir sehr stolz sind. Wir haben wirklich auch rege Kontakte und bemühen uns vor allem in jenen Ländern – es sind ja wirklich viele neue dazugekommen –, die erst vor kurzem der Europäischen Union beigetreten sind. Wir haben, ich sage es ganz offen, echt Mühe, den Anschluss nicht zu verpassen, und sind bestrebt, unsere Wünsche nach Weiterentwicklung – und da setzen wir jetzt große Hoffnungen in die Verhandlun­gen über die Verfassungsreform – unterzubringen.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 39

Vielen herzlichen Dank Ihnen allen für die gute Zusammenarbeit, für die anerkennen­den Worte und auch für die engagierte Debatte. Gestern musste ich mich entschuldi­gen, aber ich habe mir sagen lassen, auch im Ausschuss war die Debatte sehr enga­giert. Vielen Dank für diese engagierte Debatte gestern und auch heute hier im Ple­num. (Allgemeiner Beifall.)

10.40


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Dr. Kostelka. – Bitte.

 


10.40.39

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf ergänzend zu den Ausführungen unserer derzeitigen Vor­sitzenden ein paar Bemerkungen machen. Als Erstes sei es mir gestattet, in der Län­derkammer auf den wahrhaft parlamentarischen Disput zwischen Herrn Bundesrat Schimböck und Herrn Bundesrat Weiss einzugehen.

Es ist richtig, Artikel 148 ff. der Bundesverfassung beinhaltet eine Regelung, die auch durchaus international Anerkennung findet, wonach man, um einen modernen Aus­druck zu verwenden, den Ländern das Opting-in eröffnet, nämlich die Möglichkeit, die Bundesvolksanwaltschaft oder die Volksanwaltschaft nach dem Bundes-Verfassungs­gesetz für zuständig zu erklären oder eine eigene Einrichtung zu schaffen, wovon zwei Bundesländer Gebrauch gemacht haben. In diesem Zusammenhang muss man aus­drücklich feststellen, dass im Land Vorarlberg die Kooperation durchaus auch schon früher sehr intensiv war. Der Vorarlberger Landtag hat von Anbeginn an der Landes­volksanwaltschaft das zuerkannt, was auf Bundesebene erst vor wenigen Tagen mög­lich war, nämlich einen eigenen Volksanwaltschaftsausschuss, in dem auch tatsächlich eigene Fälle diskutiert worden sind. Der Vorarlberger Landesvolksanwalt ist nach der Gleichbehandlungsrichtlinie der Europäischen Union auch das entsprechende Organ zur Mediation. Das ist ein Recht, das der Volksanwaltschaft vorenthalten worden ist.

Aber weil Sie das so deutlich sagen, lassen Sie mich auch eine kleine Beifügung in die­sem Zusammenhang anbringen. Etwas, was einen Volksanwalt wirklich schmerzt, ist, dass es einen Volksanwalt in dieser Republik gibt, der diese Rechte vergleichbar mit Artikel 148 der Bundesverfassung nicht genießt, und das ist der Tiroler Landesvolksan­walt. Ich sage das deswegen so deutlich, denn wenn ich es in Tirol sage, werde ich es wohl auch in der Länderkammer sagen können. Es ist bedauerlich, dass wir in Öster­reich einen Volksanwalt haben, der nicht über das Recht der Missstandsfeststellung verfügt, der nicht über das Recht, den entsprechenden Landesorganen Empfehlungen zu geben, verfügt und der auch kein Verordnungsanfechtungsrecht hat – Rechte, die die Volksanwaltschaft, aber auch der Landesvolksanwalt von Vorarlberg selbstver­ständlicherweise haben.

In mehreren Debatten wurde die Frage der Versicherungspflicht angesprochen, aber auch der Haftung der Ärzteschaft für Patienten bewusst zugefügte Schäden. Ich glau­be, dass es einer Interessenvertretung gut ansteht, so ähnlich wie das auch Rechtsan­wälte und selbstverständlich auch Notare gemacht haben, für die wenigen schwarzen Schafe unter der eigenen Klientel entsprechend Verantwortung zu übernehmen.

Das Hohe Haus sollte auch den Hintergrund wissen. Diese gesetzliche Bestimmung, die letztendlich vor wenigen Monaten in Kraft getreten ist und wo jetzt ein Fonds ge­schaffen wurde, der Abgeltungen auch für bewusste Schädigungen im Rahmen der Ärzte-Patienten-Beziehung zahlen sollte, ist das erste Gesetz, das nicht mit Zustim­mung der Ärztekammer ärztegesetzliche Veränderungen vornimmt. Wann immer davor ärztegesetzliche Bestimmungen geschaffen worden sind, hat es eine Akkordanz zwi­schen dem zuständigen Ministerium und der Ärztekammer gegeben. Ich glaube, dass


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in diesem Zusammenhang sowohl das Gesundheitsministerium als auch das Sozial­ministerium als auch die beiden Kammern dieses Hauses gut beraten waren, die Ärzte­schaft an ihre Verantwortung zu erinnern, auch schwarzen Schafen gegenüber in aller Deutlichkeit Maßnahmen zu setzen. Ich danke dem Hohen Haus in diesem Zusam­menhang auch dafür.

Zum Verbrechensopfergesetz. Ich gebe Ihnen auch in diesem Zusammenhang Recht, dass es Mitte der siebziger Jahre ein modernes Gesetz gewesen sein mag, heute ist es nicht mehr so. Das hat auch der Gesetzgeber, Nationalrat und Bundesrat, erkannt, und es hat eine entsprechende Novelle gegeben, in der ein Rechtsanspruch in diesem Zusammenhang geschaffen wurde, in die auch die eine oder andere Bestimmung auf­genommen wurde, die von der Volksanwaltschaft angeregt wurde, beispielsweise Ent­schädigungen für Gegenstände, die im Zuge des Verbrechens zu Schaden gekommen oder ruiniert worden sind.

Offen ist nach wie vor die Frage des Schmerzengeldes. Ich glaube, dass das für die Betreffenden in höchstem Maße auch neben der finanziellen Seite eine psychische Komponente hat. Sie sind durch ein Verbrechen zu Schaden gekommen und haben das Gefühl, von der Gesellschaft allein gelassen zu werden. Ich glaube nicht, dass das wirklich eine Situation ist, die man vertreten kann, und meine, dass da ein gesetzgebe­rischer Akt zu erfolgen hätte.

Ich denke, in finanzieller Hinsicht ist in diesem Zusammenhang eine Argumentation nicht zulässig, denn von den finanziellen Strafen, die von den Gerichten ausgespro­chen werden, machen die bisherigen Verbrechensopferentschädigungen 10 Prozent aus. Das heißt, wenn Verbrecher zahlen, dann sollten sie wohl in erster Linie einen Beitrag dazu leisten, dass der entsprechende Schaden auch tatsächlich abgegolten wird.

Es ist – das hat schon die Frau Vorsitzende gesagt – die Zuständigkeit der Volksan­waltschaft für Ausgliederungen angesprochen worden. Ich mache Sie, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, darauf aufmerksam, dass es uns als Volksanwaltschaft in diesem Zusammenhang nicht darum geht, Zuständigkeiten für Unternehmungen zu be­kommen, die ja auf dem privaten Markt letztendlich für den Arbeitnehmer oder für den Bürger nicht mehr erkennbar eine öffentliche Leistung wahrnehmen. Uns interessiert nicht einer von 425 Liften am Arlberg, wo zufällig eine Beteiligung des Landes oder des Bundes gegeben ist. Das, was uns interessiert, ist eine Zuständigkeit für öffentliche Krankenanstalten, eine Zuständigkeit beispielsweise für die Verkehrsverbunde, also wo mit öffentlichem Geld öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden. Dort ist, wie ich meine, eine Zuständigkeit der Volksanwaltschaft mehr als berechtigt.

Ich darf das Hohe Haus auch bitten, im Sinne der Bemerkungen bei der Zählregelung im Rahmen des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, also bei Omnibussen, insbesondere Schülertransporten weiter aktiv zu werden. Es ist in meinen Augen unerträglich, dass im privaten Verkehr beim Transport mit PKW selbstverständlicherweise die Eins-zu-eins-Regel gilt, dass Kinder einen eigenen Sitz haben müssen, angegurtet zu sein haben, während das aber bei einem Transport in Schülerbussen nicht der Fall ist. Das ist ein erster Schritt bei Privat-PKW gewesen. Jetzt ist der nächste Schritt bei Omni­bussen zu setzen.

Eine letzte Bemerkung hinsichtlich der Grundrechte. Danke vielmals, dass Sie auf die­sen durchaus mit dem Herzblut der Volksanwaltschaft geschriebenen Teil so positiv re­agieren. Aus meiner sehr persönlichen Sicht ist es nicht nur eine Möglichkeit, proaktiv zu sein, sondern es ist zusätzlich auch eine Möglichkeit, ein Defizit in der österreichi­schen Rechtsrealität ein bisschen zurechtzurücken. Wir in Österreich hatten nie den großen Konsens bei der Schaffung von Grundrechten, so wie das vielleicht in Groß-


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 41

britannien, in Frankreich oder in den Vereinigten Staaten der Fall war. Das ist auch der Grund dafür, warum die Grundrechte bei uns im Alltag keine allzu große Rolle spielen. Sie werden als Gesetzesprüfungsmaßstab verstanden, aber nicht als etwas, was der normale Beamte täglich unmittelbar zu vollziehen hat. Und das ist der Grund, warum die Volksanwaltschaft beginnt, grundrechtliche Betrachtungen in den Vordergrund zu stellen, um auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass Grundrechte unmittelbar vollzogen werden und nicht nur mittelbar über entsprechende Gesetze, Verordnungen und Er­lässe.

Danke vielmals für die freundlichen Bemerkungen auch unseren Mitarbeitern gegen­über. Uns ist bewusst, die Volksanwaltschaft ist so gut wie ihre Mitarbeiter. (Allgemei­ner Beifall.)

10.50


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Mag. Kabas. – Bitte.

 


10.50.27

Volksanwalt Mag. Hilmar Kabas: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Ich möchte mich dem Dank für die wirklich interessante De­batte anschließen. Ich glaube, es ist sehr wichtig und notwendig, dass die Volksanwalt­schaft als Organ des Parlaments auch immer diese Diskussion hier mitmachen und miterleben darf und auch einen Gedankenaustausch und Erfahrungsaustausch in den beiden Häusern des Parlaments pflegen kann.

Ich möchte auf zwei Themen, die erwähnt worden sind, zu sprechen kommen. Zuerst herzlichen Dank, Frau Bundesrätin Kerschbaum, für die Übermittlung dieser Unterlage. Ich habe mich gerade jetzt in dieser einen Woche, seit ich im Amt bin, mit der Proble­matik der Lärmplage beschäftigt. Diese wird voraussichtlich auch Gegenstand meiner ersten Volksanwaltschaftssendung im ORF sein. Daher bin ich umso dankbarer für diese Unterlagen.

Gerade das ist eben eine Problematik, wo man sieht, dass eben auch die Volksanwalt­schaft Grenzen hat. Auf der einen Seite können wir die ASFINAG ja nicht direkt prüfen, auf der anderen Seite können wir auch nicht direkt Messungen veranlassen, sondern sind natürlich von dem abhängig, was uns geliefert wird. Umso berechtigter ist, dass man auch misstrauisch ist, wenn man Auskünfte von den Behörden bekommt. Gerade der eine Fall, nämlich Autobahnknoten Steinhäusl, hat mir gezeigt, dass sogar ein In­formationsdefizit auf Seiten des Ministeriums vorhanden war, dass die ASFINAG schon geprüft hatte, also Lärmmessungen durchgeführt hat, und dass auch die Bürgerinitia­tive, die sich dort gebildet hat – da geht es um ungefähr 1 000 bis 2 000 Betroffene –, dort Messungen gemacht hat. Das Ministerium hat aber in seinem Antwortschreiben dann so getan, als ob das alles erst gemacht werden müsste.

Also das scheinen parallele Fälle zu sein. Umso berechtigter ist, dass man das genau durchleuchtet und analysiert.

Das zweite Thema, das ich kurz anschneiden will, ist die Frage der überlangen Verfah­rensdauer, weil das eine ganz wichtige Frage nicht nur der Opportunität, weil es da zu Nachteilen kommt, ist, sondern weil es auch eine grundsätzliche Frage des Rechts­staates ist. Denn: Wenn die Verfahren zu lange dauern, dann ist es auch eine Art von Rechtsverweigerung, und das sollten wir als Rechtsstaat eigentlich nicht zulassen. Wie Herr Bundesrat Schennach gesagt hat: Sparen bei der Rechtssicherheit ist eigentlich einem Rechtsstaat nicht adäquat, um das so auszudrücken.

Ich möchte auf einen Hinweis von Bundesrat Mayer eingehen, der gemeint hat: Lasst uns sozusagen recht schnell einen Asylgerichtshof kreieren. Ich weiß, da gibt es auch


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eine Entschließung des Nationalrates. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass alleine mit der Bildung eines Asylgerichtshofes das Problem, das dazu führt, dass es zu überlangen Verfahrensdauern kommt, nicht gelöst ist.

Es hat zwei Verbesserungen in diesem Verfahrensbereich gegeben. Das war erstens einmal mit 1. Jänner 1998 die Schaffung des Unabhängigen Bundesasylsenats, weil da die Qualität der Entscheidungen wesentlich verbessert wurde, und zweitens hat mit 1. Jänner 2006 dieser Bundesasylsenat endlich auch eine Verbesserung in der Aus­stattung sowohl finanziell als auch personell erfahren. Dadurch war es heuer erstmals möglich, dass eine Zahl von 12 000, die dem Anfall von neuen Fällen entspricht, auch abgearbeitet werden konnte. Aber die Altverfahren, deren Zahl 27 000 ausmacht – das wurde heute schon erwähnt –, können damit noch nicht abgetragen werden.

Würden wir jetzt sagte: Schaffen wir einen Asylgerichtshof, einen neuen Gerichtshof öf­fentlichen Rechts!, dann wäre dieses Problem noch nicht gelöst, sondern dann müsste man noch einmal ganz entscheidend aufstocken. Auf Grund dieser Aufstockung wäre dann entweder der Asylgerichtshof oder weiterhin der Unabhängige Bundesasylsenat imstande, diesen großen Rucksack doch in absehbarer Zeit abzubauen. Momentan kann man noch nicht prognostizieren, wann dieser Rückstand abgebaut wird.

Das muss nur klar sein bei der Überlegung, ob man einen derartigen Asylgerichtshof schaffen soll, wobei die Diskussion sicher noch nicht zu Ende ist, aber die Entschei­dungsreife immer näher kommt. Die Frau Innenministerin hat neulich bei einer Veran­staltung gesagt, sie schätzt, dass wir im Frühjahr so weit sein werden.

Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass es nicht so ganz klar ist, was man sich da verspricht, nämlich dass es durch die Schaffung eines Asylgerichtshofes auch zu einer Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes käme. Auch wenn etwa Professor Mayer sagt, dass man dann zur Entscheidung von grundsätzlichen Rechtsfragen in Asylange­legenheiten nur mehr den Zug zum Verwaltungsgerichtshof haben soll, muss ich dar­auf hinweisen, dass der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs sagt, der Rechtsschutz dürfe aber mit der Schaffung dieses Asylgerichtshofes nicht eingeschränkt werden. Ob­wohl er derjenige ist, der am meisten an der Entlastung seines Hauses interessiert ist, meint er, eigentlich sollte trotzdem der Rechtszug grundsätzlich weiter auch an den Verwaltungsgerichtshof möglich sein. Also da sehen wir schon, das ist noch nicht wirk­lich ganz ausgegoren.

Aber allein die Tatsache, dass man diese Diskussion jetzt führt, ist vielleicht auch ein positiver Schritt in die Richtung, dass doch auch die Notwendigkeit erkannt wird, diese überlange Verfahrensdauer endlich wirkungsvoll in den Griff zu bekommen, nicht nur wegen der Rechtssicherheit, nicht nur deshalb, weil alle Beteiligten das ja negativ er­fahren, der Asylwerber, aber auch die öffentliche Hand, sondern auch, weil mit der Be­schleunigung der Verfahren eine wesentliche Kostenreduktion verbunden wäre. Ich glaube, das alleine ist schon ein Argument, wo man sagen muss, es wäre eine gute und richtige Investition, würde da noch einmal aufgestockt.

In diesem Sinne darf ich mich noch einmal herzlich für die Diskussion bedanken und Ihnen auch weiterhin für Ihre Arbeit alles Gute wünschen. Ich bin voraussichtlich der Volksanwalt, der einen Rekord aufstellen wird, nämlich der bisher kürzest Amtierende zu sein. Ich werde aber – und das verspreche ich Ihnen – mit großem Engagement auch diese nunmehr sechseinhalb Monate, die mir zur Verfügung stehen, für die Öster­reicherinnen und Österreicher arbeiten. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

10.58


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich habe noch eine weitere Wortmel­dung, und zwar die von Herrn Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 43

10.58.40

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Frau Präsident! Frau Volksanwältin! Ver­ehrte Volksanwälte! Geschätzte Damen und Herren! Mein Freund Kollege Weiss hat ja bereits den föderalistischen Gedanken in der Sache der Volksanwaltschaft richtig skiz­ziert.

Meine geschätzten Damen und Herren! Aus der Sicht des Bundeslandes Tirol sei schon erwähnt, dass Kollege Schimböck eben meinte – und so habe ich es verstan­den –, dass es sehr schwer argumentierbar ist, dass sieben von neun Bundesländern eine andere Regelung haben als wir in Tirol und in Vorarlberg, wobei die Situation in Tirol wieder eine andere ist. Wenn der Bürger mit einem Anliegen zur Beschwerde­stelle kommt, wo immer das auch ist, dann ist es auch schwer nachvollziehbar, wenn zuerst diskutiert werden muss, welche Zuständigkeit in welchen Bereich fällt.

Daher halte ich jene Lösung für zielführend, die wir in Tirol praktizieren, und ich kann es besonders von jenem Ort sagen, der der Hauptort des Bezirkes Reutte ist: Wenn die Volksanwälte anwesend sind – und das haben wir bis jetzt so praktiziert, Kollege Kostelka weiß das ja –, sind auch der Landesvolksanwalt und der zuständige Bürger­meister anwesend. Das heißt also, dass für den Bürger, der mit einem Anliegen an diese Beschwerdestelle herantritt, zumindest im Wesentlichen vor Ort nach einer Lö­sung gesucht werden kann. Ich halte das für alle Bundesländer für nachahmenswert, da es im Sinne der Bürger ist.

Wann immer ich mich hier zu Wort melde, melde ich mich, wie Sie wissen, wirklich zu Sachthemen. Mir scheint es eben wichtig zu sein, dass das auch diskutiert wird.

In diesem Sinne, liebe Volksanwältin, geschätzte Volksanwälte, herzlichen Dank noch­mals von unserer Seite aus Tirol. Bis jetzt hat es immer bestens funktioniert. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.00


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.01.263. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresversor­gungsgesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2006 – 2. SRÄG 2006) (27/A und 8 d.B. sowie 7646/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Ta­gesordnung.

Die Berichterstattung dazu hat Frau Bundesrätin Hladny übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


11.01.42

Berichterstatterin Waltraut Hladny: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Hee­resversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf den Antrag beschränken kann.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Dezember 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klug. – Bitte.

 


11.03.15

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wechseln nun von der wichtigen Tätigkeit der Volksanwaltschaft zu den österreichischen Pensionistinnen und Pensio­nisten, und man kann, glaube ich, durchaus sagen, dass sehr intensive inhaltlich sen­sible Beratungen gespickt mit einem besonderen sozialpolitischen Fingerspitzengefühl und einem gesellschaftlichen Weitblick diesem heute hier im Bundesrat vorliegenden 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2006 vorausgegangen sind.

Die Ergebnisse der Pensionserhöhung 2007 darf ich als im Wesentlichen bekannt vor­aussetzen. Insofern erlauben Sie mir, dass ich mich auf drei ganz wichtige Eckpunkte beschränke.

Erstens – ein, wie ich glaube, besonders bedeutender und wichtiger Aspekt –: Alle ös­terreichischen Pensionistinnen und Pensionisten erhalten auf Grund dieser Pensions­erhöhung zumindest die Abgeltung der Inflationsrate in Höhe von 1,6 Prozentpunkten. Alle österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten!

Zweiter wichtiger Eckpunkt: 80 Prozent der österreichischen Pensionistinnen und Pen­sionisten, nämlich jene, die eine Pension bis 1 380 € pro Monat beziehen, erhalten da­durch eine Pensionserhöhung in Höhe von 1,9 Prozentpunkten. Sie wissen, es handelt sich im Hintergrund um den schon vielfach strapazierten Pensionistenpreisindex. 80 Prozent!

Und der dritte – meines Erachtens ebenso wesentliche – Aspekt dieser Pensionserhö­hung 2007: Alle Pensionistinnen und Pensionisten, die eine geringere Pension als 1 000 € im Monat erhalten, bekommen durch diese Pensionserhöhung 2007 eine Er­höhung über 2 Prozent. Dieser besondere Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass ein besonders sensibles Augenmerk auf die niedrigen Pensionen in Österreich gelegt wurde. Zweifelsohne müsste man bei dieser politischen Bewertung auch den Ausgleichszulagenrichtsatz mit diskutieren. Ich möchte aber der Tagesordnung von nächster Woche in diesem Zusammenhang nicht vorgreifen.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 45

Bei der Materie der gesamten Pensionserhöhung 2007 und dem Pensionsrecht handelt es sich einerseits um eine sozialrechtliche Spezialdisziplin, aber andererseits glaube ich auch, bei großzügiger Interpretation kann man sagen, es handelt sich um ein be­sonders wichtiges sozialpolitisches Programm.

Meines Erachtens sollte man aber auch den wirtschaftlichen Aspekt dieser Pensions­erhöhung 2007 nicht aus den Augen verlieren. Sicherlich, der öffentliche Haushalt muss sich eine derartige Pensionserhöhung auch leisten können, und es ist dies in Wirklichkeit ein Programm mit über 160 Millionen €, das auch im Bundesrat Beachtung finden sollte. Aber da der öffentliche Haushalt eben nicht so funktioniert wie der private Haushalt, bin ich der Meinung, dass insbesondere über die Konsumquote und den privaten Konsum der PensionistInnen ein maßgeblicher wirtschaftspolitischer Impuls in diesem Zusammenhang auf Österreich zukommen wird.

Zweifelsohne, über den wirtschaftspolitischen Kurs eines Landes kann man unter­schiedlicher Meinung sein, aber dass die Inlandsnachfrage in Österreich gestärkt wer­den muss, darüber sind sich mittlerweile alle politischen Lager einig. Und die Pensions­erhöhung 2007 wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Kollege Mayer! In diesem Zusammenhang vielleicht nur einen kurzen Gedanken. Du hast im Zusammenhang mit diesem Solidarbeitrag bei den Höchstpensionen oder hohen Pensionen ein Beispiel gebracht, welches an sich populär klingt. Wenn wir die Pension von zwei Pensionisten in Höhe von 2 000 € oder vielleicht 2 500 € im Monat zusammenrechnen – ich sage in diesem Zusammenhang, das sind keine repräsentati­ven Durchschnittspensionen, aber wir rechnen diese beiden zusammen –, dann stimmt dein Beispiel. Dann stimmt es.

Ich möchte den Bundesrat einladen, einem kurzen Gedanken zu folgen. Wir nehmen einen großen Topf und geben alle Pensionssysteme in Österreich hinein: das ASVG-Pensionssystem, das GSVG-Pensionssystem, das Pensionssystem für die Bauern und jenes für die Beamten. Und wenn wir dann alle in einem Topf haben, dann stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: Welche Beitragsleistungen über wie viele Jahre führen zu welchen Leistungen aus dem Pensionssystem? Insofern, wenn man sich diese Frage in Ruhe zu Gemüte führt, ist dein Beispiel zwar ein verständliches, es mangelt im Bereich der Pensionssysteme allerdings an Treffsicherheit. Es ist auch die Frage nach der Beitragsgerechtigkeit zu stellen. Es ist ein sensibles Thema, aber diese Frage nach Beitragsgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit wird man sich auch bei der künftigen Sicherung der Pensionen stellen müssen.

Zur Pensionserhöhung 2007, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann zusammenfassend gesagt werden, dass es sich um einen großartigen sozialpolitischen Durchbruch, um nicht zu sagen den größten sozialpolitischen Durchbruch seit der Einführung des Pflegegeldes handelt. (Bundesrat Wolfinger: Aber geh!) Für unsere österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten endet damit eine leider schon seit dem Jahre 2000 anhaltende Trockenperiode (Bundesrat Mitterer: Viel länger!), und es kommt heute ein warmer Regen über das Land. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Nach einem langen und harten Marsch durch die Wüste Gobi errei­chen unsere österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten endlich den so drin­gend benötigten Wasserbrunnen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein schöner Tag beginnt mit einer sozial gerechten Pensionserhöhung 2007. Ich darf in diesem Zusammenhang selbstverständlich Ihnen allen, aber im Besonderen unseren Pensionistinnen und Pensionisten schöne Weih­nachten 2006 wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.11



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.12.01

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Kollege Klug hat gerade von der Trockenperiode gesprochen. Ich komme aus der Landwirtschaft. Ich kenne mich da aus und weiß, welche Auswirkungen die hat. Aber ich glaube, so ist es in der Vergangenheit nicht gewesen. Ich darf nur darauf verweisen, dass es mit 1. Jänner 2006 ja 2,5 Prozent Pensionserhöhung gegeben hat, und da ist der Brunnen nicht so versiegt und die Trockenperiode nicht wirklich da.

Ich glaube aber trotzdem, dass das heutige Paket, das wir beschließen, ein gutes Pa­ket ist, ein Paket, weil wir dem Weihnachtsfest so nahe sind, das wir uns nicht vom Christkind zu wünschen brauchen, sondern das auch wirklich finanzierbar ist und das eine Balance zwischen den Generationen herstellt und gerecht ist. Wir leben nach einem Generationenvertrag, und daher müssen wir darauf achten, dass es für beide Seiten, sowohl für die Beitragszahler als auch für die Pensionsbezieher, gerecht und sozial ist. Und die Aufgabe der Politik ist es, diese Balance zu halten, damit es nicht passiert, dass eine Seite hinunterfällt. So ist es, glaube ich, ein sehr gutes Ergebnis für unsere Pensionistinnen und Pensionisten, die ihren Beitrag zum heutigen Wohlstand bereits geleistet haben und somit eine langfristige Sicherstellung verdient haben.

Wenn wir heute eine gute Regelung über die Parteigrenzen hinweg beschließen kön­nen, so ist das wirklich sehr begrüßenswert. Wir beschließen heute, wie schon ange­sprochen wurde, die Wertsicherung von 1,6 Prozent, was ein Gesamtvolumen von 460 Millionen € darstellt. Weiters gibt es sozial gestaffelte einmalige Sockelbeträge, die vor allem den Beziehern von Kleinstpensionen zugute kommen, denn dies macht mehr aus, als wenn es nur eine prozentuelle Erhöhung wäre. Besonders bei niedrigen Pensi­onen ist eben der Fixbetrag besser, und der ist gestaffelt von 60 über 45 bis 25 €. Das bringt, wie schon gesagt, Beziehern kleinerer Pensionen auch eine höhere Erhöhung, als wenn wir um 1,9 Prozent erhöht hätten. Ich denke, große Versprechungen sind zwar populär, aber es ist unsere Aufgabe, nachhaltig und seriös zu denken, damit wir das auch sicherstellen können. Und so war die Pensionssicherungsreform sicher ein richtiger Schritt auch zur richtigen Zeit, denn dadurch ist garantiert, dass auch unsere Kinder in den Genuss einer Pension kommen können.

Es ist natürlich auch ein besonderer gesellschaftspolitischer Aspekt mit eingeflossen, und zwar, dass die Kinderzeiten gut bewertet und auch in das Pensionssystem mit ein­gerechnet werden, was sehr positiv ist. Solidarität gegenüber sozial Schwächeren ist uns ein Anliegen. Daher werden in der nächsten Sitzung die Ausgleichszulagenricht­sätze von 598 seit 1999 auf 726 ab 1. Jänner angehoben werden und der Familien­richtsatz auf 1 091,14. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt in Richtung Armutsbe­kämpfung.

Diese Erhöhungen für unsere ältere Generation sind gut, und wir können sie nur des­wegen finanzieren, weil wir gut gewirtschaftet haben, die richtigen Akzente für ein posi­tives Wirtschaftswachstum gesetzt haben und weil wir im Pensionsbereich ein Drei-Säulen-Modell geschaffen haben, die Pensionssicherungsreform, einfach Modelle für die Zukunft. Daher werden wir uns auch unserer sozialen Verantwortung stellen und diesem Gesetz zustimmen.

Abschließend möchte ich allen ein frohes Weihnachtsfest wünschen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.16



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


11.16.37

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerin war der Mei­nung, durch die letzte Pensionsreform seien nun auch die Pensionen unserer Kinder gesichert. Abgesehen davon, dass ich Ihnen da in der Sache nicht Recht geben kann – ich glaube nicht, dass diese letzte Pensionsreform die von Ihnen gewünschten Ergeb­nisse auch erzielen wird –, vielleicht ein kurzes Stimmungsbild. Ich habe noch keine Kinder, ich kann jetzt nur über Menschen aus meiner Generation reden. Ich habe aber noch nie von jemandem so um die 20, 25 gehört, ich rechne zu 100 Prozent damit, dass ich eine staatliche Pension bekommen werde. Ganz im Gegenteil! Sehr viele Menschen in diesem Alter sind eigentlich der Meinung, dass sie sich nicht auf den Staat zu verlassen brauchen, wenn es darum geht, einmal eine Pension, eine Alters­absicherung zu bekommen.

Und da ist schon das Problem dahinter, dass diese ganzen Diskussionen über Pensi­onsreformen, Pensionserhöhungen in den letzten Jahren immer ein bisschen vermittelt haben, dass das quasi ein Geschenk an die alten Menschen ist und eine ganz große fi­nanzielle Belastung. – Ja, es ist eine ganz große finanzielle Belastung, aber es ist eine Ausgabe, und eine Ausgabe gibt es nur, wenn sie gerechtfertigt ist. Und das sollten wir in dieser Debatte vielleicht ein bisschen mehr in den Vordergrund stellen, damit hier nicht der Eindruck entsteht, dies seien Almosen an Menschen, die diese eigentlich gar nicht verdient hätten. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir heute anders abstimmen, als es die Fraktion der Grünen im Nationalrat ge­tan hat, nämlich zustimmen, dann sicher nicht deswegen, weil wir der Überzeugung sind, dass diese Lobeshymnen, die meine beiden VorrednerInnen hier gesungen ha­ben, stimmen, sondern wir stimmen zu, obwohl wir eine Reihe von Fehlern in diesem Modell sehen. Diese werde ich dann noch kurz erläutern. Aber dieser Unterschied ist mir schon wichtig. Wir stimmen nicht zu, weil wir davon überzeugt sind, dass das die bestmögliche Lösung ist. Wir stimmen zu, weil wir nicht wollen, dass durch einen Ein­spruch des Bundesrates, was ja dann eine Denkvariante wäre, Pensionisten um diese Erhöhung ihrer Pensionen umfallen. Das ist nicht in unserem Sinne.

Der Hauptkritikpunkt für uns ist, dass die Erhöhung, die hier beschlossen wird, einfach nicht die gestiegenen Lebenserhaltungskosten faktisch abdeckt. Es geht um eine Er­höhung um 1,6 Prozent. Der Preisindex der PensionistInnenhaushalte sagt aber, dass die Kaufkraft von Pensionistinnen und Pensionisten um 1,9 Prozent gesunken ist. Das ist ein klarer Unterschied. In den letzten Jahren gab es für Pensionistinnen und Pensio­nisten fast ausschließlich reale Kürzungen, und zwar geht es hier um bis zu 8 Prozent an Kaufkraftverlust seit dem Jahr 2000. Und diese Verluste werden nicht ausgeglichen durch das, was hier an Erhöhung erfolgt.

Die Tatsache, dass es hier auch eine Einmalzahlung gibt, ist unserer Meinung nach schon ein großes Problem, denn Einmalzahlungen fließen nicht in die Berechnungs­grundlage für zukünftige Pensionserhöhungen ein. Das heißt, es gibt hier zwar ein Extrageld für die Pensionistinnen und Pensionisten, aber das hat keinen Einfluss auf die zukünftigen Erhöhungen. Das ist schon ein bisschen ein Schwindel. Das finden wir nicht in Ordnung.

Die Grundstruktur der letzten Pensionsreform wird natürlich durch diese Maßnahme in keinster Weise in Frage gestellt. Da bin ich schon ganz gespannt auf die SPÖ in den nächsten Monaten, vielleicht in den nächsten Jahren, denn ich nehme nicht an, dass die SPÖ einfach das Pensionssystem, wie es jetzt ausschaut, unterschreiben wird und


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 48

jetzt plötzlich sagen wird, unsere Kritik der letzten Jahre nehmen wir zurück, das ist Schnee von gestern, das passt schon so. Ich nehme an, dass wir doch die eine oder andere größere Veränderung in diesem Bereich erleben werden. Und da bin ich schon sehr gespannt, wie sehr es der SPÖ gelingen wird, sich hier auch durchzusetzen.

Allerdings war die Hymne, die ich hier gehört habe von dem ersten Redner zu diesem Tagesordnungspunkt, schon ein recht interessanter Vorgeschmack auf künftige Sitzun­gen. Wenn ich nicht im Grunde meines Herzens überzeugt wäre, dass Sie vielleicht selbst am meisten darunter leiden, das jetzt schönreden zu müssen, dann wäre ich hier wahrscheinlich noch viel böser geworden, aber ich glaube nicht, dass Sie selber an den sozialpolitischen Durchbruch glauben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Sal­ler. – Bitte.

 


11.21.07

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Vor Weihnachten ist immer die Zeit der Wünsche, also jene Zeit, in der man sich viel wünscht. Postwendend folgt natürlich, welche Wünsche kann ich erfüllen und was ist machbar. Die jährliche Debatte um die Pensionsanpassung erinnert mich an diese Spiele. Wichtig ist daher nicht immer nur das Wünschenswerte, sondern auch das Machbare, gerade um die Pensionen dauer­haft zu sichern.

Für das Jahr 2007 ist, wie ich meine, ein gutes Gesamtpaket mit einem vernünftigen Kompromiss unter sozialen Gesichtspunkten geschnürt worden, weil vor allem die niedrigen Pensionen besonders berücksichtigt werden, insbesondere durch die soziale Staffelung. Mehr zu fordern ist öffentlichkeitswirksam, populär, aber volkswirtschaftlich schwer oder nicht vertretbar. Wichtig ist im Besonderen auch der Weg der Nachhaltig­keit.

Lassen Sie mich jetzt noch einiges zu der von Landesrat Buchinger aus Salzburg aus­gehenden Umverteilungsdebatte sagen. Man muss einmal festhalten, dass die staat­liche Pensionssicherung und die gesetzlichen Voraussetzungen auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung beruhen. Der Versicherte zahlt einen bestimmten Betrag, Prozentsatz seines Einkommens als Beitrag und sollte diesem Beitrag entsprechend eine Pension erhalten. Sonst werden so hinten herum gesetzliche Bestimmungen außer Kraft gesetzt oder aufgehoben, indem ein Teil der Pensionen weniger erhöht wird als alle übrigen. Es ist daher die Frage nach einer eventuellen Einschränkung des Eigentums zu stellen. Mit Ideen eines Solidaritätsbeitrages einfach an die Öffentlichkeit zu gehen, bedeutet eine totale Verunsicherung der Pensionsbezieher. Verfassungs­rechtler warnen vor einer solchen Einhebung, das wissen wir inzwischen, bedeutet dies doch auch einen massiven Eingriff in den Vertrauensschutz.

Theoretischer Ausweg wäre natürlich, diese Sache in den Verfassungsrang zu heben, weil dadurch der Zugriff durch den Verfassungsgerichtshof abgewehrt wird. Eine Be­schränkung auf Beamte oder Landesbeamte ist abzulehnen, denn es stellt sich die Frage, was mit den anderen Berufsgruppen geschieht, ob Ärzte, Freiberufler und so weiter. Wenn man 500 Millionen € für ein Budget braucht, dann sollte man das nicht bei einer Gruppe abziehen, bei den Pensionsbeziehern, sondern diesen Betrag soll man woanders suchen oder woanders eintreiben.

Vielmehr fordere ich dringend, bei diesem Thema der Pensionsanpassung die Senio­renverbände und auch den Seniorenrat des Bundes einzubinden, denn an diesen Gre­mien oder Leuten geht diese Debatte immer spurlos vorbei. Die vertreten eigentlich


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 49

das Klientel, auf das es ankommt. Man müsste daher diese Gremien in diese jährliche Debatte entsprechend einbinden. Ich fordere also ein Ende dieser Umverteilungsde­batte.

Abschließend stelle ich fest, das vorliegende Gesetz hat einen richtigen Ausgleich und eine richtige Balance gefunden. Somit wird im Großen und Ganzen die Kaufkraft der Pensionsbezieher erhalten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.25


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


11.25.44

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorredner haben zu diesem Tagesordnungspunkt ja schon vieles eingebracht. Ich möchte doch noch einen Gedanken hier formulieren.

Der Nationalrat hat mit großer Mehrheit die Pensionserhöhung für das Jahr 2007 be­schlossen. Wie bereits gesagt wurde, ist diese Regelung ein guter Kompromiss, der vor allem die Bezieher kleinerer Pensionen stärker berücksichtigt als jene höherer Pen­sionen.

Zu der ganzen Pensionsproblematik und zur Erhöhung der Pensionen ist aus meiner Sicht zu sagen, dass es für die Pensionisten oft schwierig ist, das nachzuvollziehen. Viele meinen, dass die Bezieher kleinerer Pensionen immer benachteiligt sind gegen­über jenen, die eine höhere Pension haben. Das ist einfach so in den Leuten drinnen, und daher kann man die ganze prozentuelle Erhöhung aus meiner Sicht den Men­schen nur schwer verständlich machen. Aber ich glaube, es gibt kein anderes Sys­tem – oder vielleicht gibt es einmal eine andere Regelung.

Wie bereits gesagt, werden alle Pensionen bis zur halben Höchstbemessungsgrund­lage, das sind 1 920 €, um 1,6 Prozent erhöht. Die darüber liegenden Pensionen wer­den um 30 € pro Monat angehoben. Diese Erhöhung gilt auch in den nächsten drei Jahren, wenn ich richtig gelesen habe.

Bezieher von Pensionen bis zu einer Höhe von 1 380 € erhalten zusätzlich eine Ein­malzahlung von 60 €, Bezieher von Pensionen zwischen 1 300 € und 1920 € erhalten eine Einmalzahlung von 45 €, und Bezieher einer Pension von über 1 920 € erhalten eine Einmalzahlung von 25 €.

Zusätzlich ist meiner Meinung nach festzustellen und wichtig, dass wir gerade die Aus­gleichszulagenrichtsätze überdurchschnittlich angehoben haben, und zwar den Richt­satz für Alleinstehende um 5,2 Prozent. Er hat bisher 690 € betragen und wird ab 1. Jänner 2007 bei 726 € liegen und somit fast über der Grenze, die Armutsgefährdung bedeutet.

Der Richtsatz für Ehepaare wird von 1 056 € auf 1 091 € angehoben; das sind um 3,3 Prozent mehr. Warum man die Richtsätze für Alleinstehende und Ehepaare nicht gleichgeschaltet hat, weiß ich nicht. Vielleicht kann uns das der Herr Staatssekretär noch einmal erklären.

Ich glaube, dass wir in Österreich in der glücklichen Lage sind, die Pensionen im Ge­gensatz zu anderen Ländern jährlich erhöhen zu können. In Großbritannien zum Bei­spiel wird es bis zum Jahre 2012 keine Pensionserhöhung geben. Oder wenn wir nach Deutschland schauen: Dort hat es in den letzten drei Jahren keine Pensionserhöhung gegeben, und es wird auch in den nächsten vier Jahren keine Erhöhungen geben.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 50

Jetzt noch einmal zur Problematik der prozentuellen Anpassung. Aus der Sicht des Seniorenbundes und des Österreichischen Seniorenrates ist nach einer Pensionserhö­hung auf Grundlage des Preisindexes für Pensionistenhaushalte, also um 1,9 Prozent, Folgendes festzustellen.

Der heuer von der Statistik Austria im Auftrag des Seniorenrates erstellte Pensionisten­index belegt deutlich, dass die Teuerung für Pensionisten höher ist als für den Rest der Bevölkerung. Grund für diesen Unterschied zwischen Teuerung nach dem Verbrau­cherpreisindex und dem Pensionistenindex sind vor allem die unterschiedlichen Le­bensumstände der Pensionisten. Die österreichischen Senioren und Seniorinnen profi­tieren nur in geringem Ausmaß von der stetigen Verbilligung technischer Geräte, ha­ben aber gleichzeitig höhere Ausgaben für Gesundheit und auch für Pflege. Der Pen­sionistenindex soll daher unserer Meinung nach Grundlage für die jährliche Pensions­anpassung sein, und im Grunde sollen auch, wenn es möglich ist, die Bezieher von kleineren Pensionen mehr erhalten als bisher.

Für das kommende Jahr bekommen, wie Herr Mag. Klug bereits ausgeführt hat, fast 90 Prozent aller Pensionisten mehr als die Inflationsrate. Man kann sagen, dass die Pensionen im Durchschnitt um 1,9 Prozent erhöht werden, und das ist sicherlich nicht schlecht.

Ich möchte auch noch einmal auf den vom Soziallandesrat Erwin Buchinger vorge­schlagenen Solidarbeitrag zu sprechen kommen. Man kann über viele Dinge reden und auch über so einen Solidarbeitrag, aber es ist meiner Meinung nach auch nicht ge­recht, wenn man immer nur jenen etwas wegnehmen möchte, die sich vielleicht im Leben emporgearbeitet haben, wenn ich das so sagen darf, und demzufolge eine gute Pension haben. Da kommt man daher und verlangt jetzt einen Solidarbeitrag. Da könnte man über manche andere Dinge auch noch reden. Aus unserer Sicht, aus der Sicht des Seniorenbundes ist das, wie gesagt, entschieden abzulehnen, und sogar der Präsident des Pensionistenverbandes, Karl Blecha, hat sich dahin gehend geäußert, dass er diese Vorgangsweise nicht gutheißt und er mit diesen Vorschlägen nicht ein­verstanden ist.

Vielleicht auch noch ein paar Worte zum Thema Pflege: Das Problem der Altenpflege wird sich in den nächsten Jahren gewaltig zuspitzen. Steigende Lebenserwartung, Überalterung und Kinderlosigkeit bringen unser Vorsorgesystem gewaltig unter Druck. Wir steuern auf ein soziales Problem zu, das wir nicht unterschätzen dürfen. Erhebun­gen unter Österreichern haben ergeben – und das muss ich hier in Prozent anführen, damit man das auch versteht –: Während vor drei Jahren erst 35 Prozent der Österrei­cher über 50 Jahre glaubten, dass sie einmal eine Pflege brauchen werden, sind es heute bereits 42 Prozent. Auch die Einschätzung, wer diese Pflege übernehmen wird, hat sich wesentlich geändert: 57 Prozent würden eine Heimhilfe in Anspruch nehmen – 2003 waren es lediglich 24 Prozent. Und die Bereitschaft, in ein Seniorenheim zu ge­hen, ist von 24 Prozent auf 47 Prozent gestiegen. Wenn das stimmt, geht die Hälfte der Österreicher davon aus, dass sie im Ernstfall von den Kindern gepflegt werden, aber nur im Ernstfall.

Das Risiko, selbst zum Pflegefall zu werden, wird von 55 Prozent sogar als Existenz bedrohend angesehen, und noch mehr fürchtet sich die Generation 50+ vor einer Kür­zung der staatlichen Pensions-, Sozial- und Gesundheitsleistungen.

Wenn man sich die entsprechenden Zahlen anschaut, sieht man, es ist schon gewaltig, was hier auf uns zukommt: In Österreich gibt es derzeit 319 000 Personen, die ein Bundes- oder Landespflegegeld beziehen. Wenn man das bis zum Jahr 2030 hoch­rechnet, dann wird sich diese Zahl auf fast 900 000 Personen oder sogar noch mehr erhöhen. Man kann sich daher ausrechnen, was die Zunahme der Lebenserwartung für


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 51

unsere Sozialsysteme bedeutet. Ziel muss es daher sein, eine Harmonisierung der einzelnen Systeme in den Ländern, aber auch eine bessere Koordination der Pflege- und Gesundheitssysteme zu erreichen. Bestehende Fehlsteuerungen im System, zum Beispiel das Abdrängen in teure Betreuungsformen, müssen verhindert, private Vor­sorge und Prävention müssen stärker gefördert werden.

Im Oktober dieses Jahres fand im Parlament eine Enquete zum Thema Pflege und Be­treuung statt. Mehr als 70 Organisationen, Parteien, Interessenvertretungen und Ex­perten brachten sich inhaltlich in diese Arbeitstagung ein. Es wird nun an der neuen Bundesregierung liegen, die zahlreichen Vorschläge aufzunehmen und auch umzuset­zen.

Wie wir bereits gehört haben, ist ein erster Schritt zur Legalisierung ausländischer Pfle­gekräfte bereits gesetzt worden. Dadurch kommt es zu einer Entkriminalisierung von Pflegebedürftigen, aber auch von Angehörigen. Die brauchen jetzt keine Angst mehr vor drohenden Klagen zu haben.

Zum Schluss vielleicht noch ein paar Verbesserungsvorschläge für die Zukunft: Man sollte – erstens – Pflegezeiten für die Pension anrechnen. Zweitens: Das Pflegegeld – Kollege Klug hat das bereits gesagt –, das sicher ein Meilenstein in der Sozialpolitik Österreichs ist, sollte jährlich mit den Pensionserhöhungen angepasst werden. Drit­tens: Die Einführung einer Pflichtversicherung für pflegende Angehörige wäre ganz wichtig. Viertens vielleicht, dass man die Pflegekosten auch steuerlich absetzen kann. Und was es derzeit auch noch nicht gibt, ist ein flächendeckendes Angebot für die Kurzzeitpflege. – Ja, das ist nur ein Teil. Da gibt es noch vielerlei Vorschläge, die zu diskutieren sind. Das war nur ein kleiner Auszug meinerseits.

Um die künftigen Herausforderungen im Pflegebereich bewältigen zu können, braucht es eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung aller Verantwortlichen im Bund, in den Ländern und auch in den Gemeinden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.38


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.38.20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich jetzt nur noch kurz ge­meldet, weil mich die Aussage des Herrn Kollegen Saller innerlich doch etwas aufge­wühlt hat, denn er hat ein Ende der Umverteilungsdebatte gefordert. – Sie können sich das wünschen, wenn Sie wollen, aber ein Ende der Debatte in dieser Hinsicht werden Sie nicht fordern können, und da wird Ihnen auch keiner zustimmen können, denn eine Umverteilungsdebatte wird wohl geführt werden müssen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Er hat vorhin gesagt: Wir können uns bezüglich des Pensionssystems zwar viel wün­schen, aber viel mehr ist nicht drinnen, und überhaupt sind das alles nur Wünsche an das Christkind. Das Ende der Umverteilungsdebatte zu fordern oder zu wünschen, das ist auch nur ein Wunsch ans Christkind, und das wird es auch bleiben.

Sie haben hervorgehoben, wie toll doch die Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsat­zes ist. Da stimme ich Ihnen zu, aber das wird erst in der nächsten Sitzung behandelt. Heute geht es um die Erhöhung der Pensionen – das ist ein anderer Tagesordnungs­punkt! Die Erhöhung ist zu gering ausgefallen, und zwar ist sie deshalb zu gering aus­gefallen – und das haben Sie auch ein paar Mal verwechselt –, weil es zwei verschie­dene Indizes gibt, und zwar gibt es auf der einen Seite den Preisindex der Pensionis­tInnenhaushalte, und auf der anderen Seite gibt es die Inflationsrate. Die PensionistIn-


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nenhaushalte haben einfach deswegen einen anderen Index, weil die sich keinen Computer und nicht jedes Jahr ein neues Handy kaufen, so wie vielleicht andere Leute, sondern einfach Kosten haben, die im Verhältnis dazu mehr steigen. Und die Steige­rung des Preisindexes der PensionistInnenhaushalte ist durch diese Pensionserhö­hung nicht abgegolten worden. Das wollte ich hier noch einmal betonen. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

11.39


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekre­tär Dolinschek. – Bitte.

 


11.40.10

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Wenn ich auf die Wortmeldung der Frau Kerschbaum zur Umverteilung hin damit beginnen darf: Sozialpolitik ist immer Umverteilungspolitik, und ich denke nicht, dass Herr Bundesrat Saller gemeint hat, dass man mit der Umvertei­lung in der Sozialpolitik überhaupt aufhören soll, denn dann hört sich Sozialpolitik über­haupt auf. Er hat wohl eher mit Blick auf die aktuelle Situation der Koalitionsverhand­lungen gewichten wollen, wie weit das eine oder das andere reichen soll, so meine ich jedenfalls.

Grundsätzlich ist aber natürlich auch jedes Umlageverfahren, ja der Generationenver­trag selbst auch ein Teil der Umverteilung. Es geht darum, dass die, die im Erwerbs­leben mehr verdienen, auch einen höheren Beitrag zahlen, und dass jene, die durch ein geringer ausgedehntes oder entlohntes Erwerbsleben nur eine geringe Pension ha­ben, das etwas ausgeglichen bekommen.

Über die Höhe von Beträgen und die Form des Vorgehens kann man immer debattie­ren. Auf Grund der demographischen Entwicklung – Herr Wolfinger hat das angespro­chen – musste man reagieren. Man reagiert überall, in allen Ländern in Europa mit unterschiedlichen Maßnahmen. In der Bundesrepublik hat man diskutiert, bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten. Man hat die Pensionen drei Jahre eingefroren. Die große Koalition in der Bundesrepublik hat dann die Pensionen noch einmal drei Jahre einge­froren. Das bedeutet einen Verlust für die Pensionistinnen und Pensionisten!

Seit dem Jahr 2000 haben hier wir auf diesem Gebiet reagiert – ich meine, es war fünf Minuten vor zwölf –, weil das System, das Umlageverfahren in Österreich, zu dem sich ja alle hier in diesem Hause vertretenen Parteien auch bekennen, unbedingt aufrecht­erhalten werden sollte. Jetzt ist es wichtig, das auch nachhaltig zu sichern. Auf Grund der demographischen Entwicklung, auf Grund der gesellschaftlichen Strukturen, auf Grund der wirtschaftlichen Lage, der Beschäftigungspolitik war es ganz einfach not­wendig, zu reagieren, das System umzubauen, und das ist uns auch gelungen.

Dass die Länder und die Gemeinden bei der Pensionsharmonisierung nicht mitgespielt haben, das ist ein anderes Thema. Das liegt nicht in unserem Wirkungsbereich, ist aber für die Bevölkerung nur sehr, sehr schwer verständlich. Das wäre eine Möglichkeit für eine große Koalition, die das einfach beschließen könnte, weil der Verfassungsge­richtshof dort auch nicht eingreifen kann. Man kann das also leichter in einer großen Koalition durchführen. Das ist das eine.

Wenn ich jetzt auf die Pensionserhöhung zu sprechen kommen darf, die für das Jahr 2007 vorgenommen wird: Bis zur halben Höchstbemessungsgrundlage von 1 920 € wird linear um 1,6 Prozent erhöht, und dies um eine gestaffelte Einmalzahlung in Höhe von 60 € bis 1 380 € und von 45 € bis 1 920 € ergänzt. Das betrifft immerhin – ich glaube, Sie haben das vorhin erwähnt, Herr Mag. Klug – zirka 90 Prozent der Pen-


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sionisten. Ich vermute, dass es etwas mehr sind, aber ich kann jetzt nicht genau sa­gen, ob es 94,5 oder 95 Prozent sind. Es ist ja auch egal, aber es betrifft jedenfalls den allergrößten Teil. Darüber hinaus gibt es eine Einmalzahlung von 25 €.

Wir haben das auch im vorigen Jahr ähnlich gemacht. Voriges Jahr waren es 2,6 Pro­zent linear bis zu einem Betrag, wo das dann 46,88 € ausgemacht hat, und darüber hinaus hat dann jeder Pensionist nur mehr diese 46,88 € bekommen. Heuer ist das eben ein weiteres Mal gestaffelt. Auch das ist im Prinzip wieder eine Umverteilung von jenen, die eine höhere Pension haben, zu jenen, die nur eine geringe haben. Ich meine auch, dass wir gerade jenen helfen sollten, die nur eine geringe Pension haben.

Der Ausgleichszulagenrichtsatz, der heute auch bereits angesprochen worden ist, wird dann ja auch noch extra behandelt. Er soll für Alleinstehende auf 726 € angehoben werden und für Ehepaare auf 1 091,44 €. Wir haben in den letzten Jahren gerade in diesem Bereich die Pensionen enorm angehoben. Bei Ehepaaren hat der entsprechen­de Richtsatz 1999 noch 841 € betragen, mittlerweile beträgt er 1 091,44 €. Bis zum Vorjahr hat sich der Richtsatz um 215 € erhöht, was einer Steigerung von 25,5 Prozent entspricht. Bei den Alleinstehenden hat man das etwas mehr angehoben, weil wir da etwas hintennach waren, und das war dann immerhin eine Steigerung von 17 Prozent, während der Verbraucherpreisindex im selben Zeitraum nur um 15,7 Prozent gestiegen ist. Das ist also abgegolten worden.

Man kann jetzt natürlich darüber philosophieren, ob man den Verbraucherpreisindex oder den Pensionistenpreisindex anwenden soll. Das ist halt so eine Geschichte. Der Seniorenrat hat vorgeschlagen, einen Pensionistenindex anzuwenden, der höher liegt, der 1,9 Prozent ergeben würde, weil darin eben Produkte, die Pensionisten vor allem brauchen, wie das heute schon erläutert worden ist, anders gewichtet werden. Ich möchte dazu sagen, dass es auch einen Unterschied macht, ob ein Pensionist 60 oder 80 Jahre alt ist. Da wären auch verschiedene Indikatoren notwendig. Da kann man dar­über streiten, ob das sinnvoll ist. Wichtig ist, dass man eine Lösung gefunden hat und das dann so gestaffelt hat, dass man teilweise auch auf diese 1,9 Prozent kommt.

Ich weiß schon, dass das fürs nächste Jahr dann nicht pensionserhöhend wirkt, weil es eine Einmalzahlung ist. Da muss man auch ehrlich sein und das dazusagen. Dennoch denke ich, dass man eine richtige Lösung gefunden hat.

Wenn man übereinkommen sollte, in Zukunft den Pensionistenpreisindex und nicht den Verbraucherpreisindex anzuwenden, so muss ich dazu bemerken, dass es ja nicht immer so sein muss, dass der Pensionistenpreisindex höher bewertet ist als der Ver­braucherpreisindex. Das kann ja auch anders sein. Das wissen auch die Leute vom Seniorenrat sehr gut. Außerdem meine ich, und das ist jetzt meine persönliche Mei­nung, dass eine zu große Zersplitterung einzelner Indizes problematisch wird. Es gibt dann unter Umständen eine Aufstellung frauenrelevanter Produkte, männerrelevanter, von Behinderten benötigte und so weiter und so fort. Das wird dann sehr schwierig. Der Gesamtverbraucherpreisindex dagegen hat sich doch irgendwie bewährt.

Wichtig ist, dass wir unser System auch nachhaltig gesichert haben und dass auch in Zukunft daran gearbeitet wird, denn die demographische Entwicklung verlangt das. Wir sind alle froh über die steigende Lebenserwartung, aber vor 30 Jahren war eine Person durchschnittlich acht Jahre in Pension, und heute sind es 20 Jahre. Das bringt eben auch Kosten mit sich, und da muss man schon auch generationenübergreifend den­ken. Auch jene Leute, die heute in Beschäftigung stehen, die heute 30 Jahre oder jün­ger sind oder auch 40 Jahre, müssen darauf vertrauen können, dass auch ihnen eine staatliche Vorsorge zugute kommen wird. Das ist meiner Meinung nach das Wesent­liche, und ich bin auch sehr froh darüber, dass hier im Bundesrat Konsens darüber herrscht, dass die Nachhaltigkeit für die Pensionen gesichert sein muss, und dass sich


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alle zum Umlageverfahren und zum Generationenvertrag bekennen. Ich danke Ihnen dafür. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Mitterer.)

11.48


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegen keine weiteren Wortmeldun­gen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Daher ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Daher kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke, das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenom­men.

11.49.104. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem Übergangsbestimmungen bis zur Neuregelung der Pflege erlassen werden (Pflege-Übergangsgesetz) (25/A und 5 d.B. sowie 7647/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Ta­gesordnung.

Die Berichterstattung dazu hat wieder Frau Bundesrätin Hladny übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


11.49.20

Berichterstatterin Waltraut Hladny: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für soziale Sicher­heit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 29. November 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Übergangsbestimmun­gen bis zur Neuregelung der Pflege erlassen werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf den Antrag be­schränken darf.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Dezember 2006 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


11.50.27

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Übergangsregelung, die heute hier beschlossen wird, beinhaltet kurz gesagt eine Amnestie für Pflege- und Be­treuungskräfte in Privathaushalten, wenn der Arbeitgeber entweder die zu pflegende Person oder deren Angehörige ist, ab Pflegestufe 3 und nur bei einer sozialversiche­rungsrechtlichen Anmeldung der pflegenden Person. Da es sich eben um eine Über­gangsregelung handelt, wird sie mit 30. Juli 2007 außer Kraft treten.


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Außer Kraft gesetzt werden durch diese Amnestie unter anderem folgende Paragra­phen: § 23 des Hausangestelltengesetzes betreffend zum Beispiel die Ausstattung von Wohn- und Schlafraum, Höchstarbeitszeiten oder die Regelungen über Beschäftigung von Jugendlichen, § 13 des Urlaubsgesetzes betreffend Arbeitgeberaufzeichnungen und zum Beispiel auch die §§ 111 bis 113 ASVG betreffend Strafbestimmungen bei Verletzung der Meldepflicht. Das ist meiner Meinung nach ein etwas seltsamer Punkt, weil er die Verletzung der Anmeldepflicht betrifft, obgleich eine gültige Anmeldung der pflegenden Person doch eben gerade eine Voraussetzung ist, um überhaupt in den Genuss der Amnestie zu kommen.

Wir kritisieren an dieser Regelung vor allem zwei Punkte: Zum einen werden hier pauschal alle möglichen Strafbestimmungen außer Kraft gesetzt, auch jene, bei denen dies nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Wir sind nämlich der Meinung, dass für jene Beschäftigungsverhältnisse, die auch nach dem 1. November 2006 aufrecht sind, die arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen schon anwendbar bleiben sollten. Das sind ja auch Regelungen, die für beide Seiten sinnvoll sind. Wenn es zum Beispiel um die Regelungen im Hausangestelltengesetz betreffend die Ausstattung von Schlaf­gelegenheiten geht, dann könnten nach dieser Amnestie, wenn diese Paragraphen außer Kraft sind, auch ein Schlafplatz auf einer Luftmatratze oder eben auch ein Schlafplatz im Ehebett angeboten werden, und es ist doch in beiderseitigem Interesse, im Interesse der pflegenden und der zu pflegenden Person, dass diese Dinge einfach im Vorfeld klar geregelt sind und dass hier nicht Eigeninterpretationen stattfinden müs­sen, was in Ordnung ist und was nicht. Hier ist ein rechtlicher Rahmen schon sehr wichtig.

Wir sehen aber auch einen Widerspruch in dieser Regelung, denn zum einen ist die Voraussetzung für die Amnestie indirekt über die Ausländerbeschäftigungsverordnung eben die Anmeldung der Pflegekraft nach dem 1. November 2006, aber die Unterlas­sung der Anmeldung über den 1. November hinaus wird bis zum 30. Juni 2007 dezi­diert nicht bestraft. Das heißt: Ich muss anmelden, weiß aber, dass eine Bestrafung bei Unterlassung dieser Anmeldung nicht passieren wird. Die ist dezidiert ausgeschlossen. Ich kann mir also denken, dass ich bis zum 30. Juni 2007 ohnehin nicht anmelden muss. Diese Regelungen widersprechen einander einfach.

Ein ganz zentrales Problem liegt unser Ansicht nach in der Frage der Kostenübernah­me, denn durch die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung der Pflegenden erhöhen sich natürlich die Kosten für die Pflegekräfte. Das muss dann entweder die zu pflegen­de Person bezahlen – das wird sich in den meisten Fällen aber nicht ausgehen, weil das Pflegegeld bereits für die Pflege ausgegeben wird. Diese 30 Prozent mehr wird man nicht aus dem Ärmel schütteln können –, oder aber die pflegende Person be­kommt 30 Prozent weniger Lohn. Das wird es auch nicht spielen. Ich meine nicht, dass die Pflegenden jetzt überbezahlt sind und diese 30 Prozent locker weggestrichen wer­den könnten. Das ist ein ganz großes Problem.

Eine Amnestie für die Beschäftigungsverhältnisse, die vor dem 1. November bestan­den haben, macht Sinn, daran ist nicht zu rütteln, aber es ist nicht einzusehen, warum nach dem 1. November – da ist nämlich die Ausländerbeschäftigungsverordnung in Kraft getreten – nicht andere Regeln gelten sollten, unter anderem auch deswegen, weil dann auch inländische Personen von der Amnestie betroffen sind.

Ganz prinzipiell muss man sagen: Diese Regelung jetzt oder auch diese Diskussion jetzt ist notwendig geworden, weil es über lange Jahre hinweg ganz klar Missstände im Pflegebereich gegeben hat. Es war klar, dass es sich kaum finanzieren lässt. Wie soll eine Familie, wie soll ein kranker zu pflegender Mensch sich das leisten können, was es dann tatsächlich kostet? Die einzige Möglichkeit für sehr viele Personen war eben dieser Schritt in die Illegalität. Wir haben also eine schwierige Situation, die sich nur


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 56

durch langfristige Lösungen beseitigen lassen wird. Es sind vorhin schon eine Reihe von Stichworten dazu gefallen. Besonders wichtig ist meiner Meinung nach auch ein Ausbau der ambulanten Pflege. Es gibt zwar sehr viele Altersheime, und die kosten auch sehr viel; das darf man nicht vergessen. Die kosten mehr, als ein Ausbau der am­bulanten Pflege kosten würde.

Ambulante Pflege würde es den Familien sehr oft ermöglichen, sich schon auch um die alte Person zu kümmern, ohne gleich die ganze Belastung übernehmen zu müssen, die in den meisten Fällen von den Frauen getragen wird. Das ist ein Problem. Daraus resultiert dann auch die seit langem geführte Debatte, dass Frauen dann eben nicht arbeiten gehen können, weil sie die Schwiegermutter, den Schwiegervater oder die Eltern zu pflegen haben. Es sind starke Belastungen für die pflegenden Personen, die hier anfallen, auch psychische Belastungen. All das könnte auch durch einen Ausbau der ambulanten Pflege für die Familien massiv erleichtert werden. Das nur als ein Denkanstoß. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

11.55


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


11.55.53

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und werte Kollegen! Das vorliegende Pflege- Übergangsgesetz ist eine Notlösung, und das müssen wir offen aussprechen. Es ist Gefahr in Verzug. Es geht darum, die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen mit dieser Übergangsregelung zu entkriminalisieren, weil illegale Beschäftigung vorliegt. Diese Übergangsregelung kann und darf in keiner Form eine Dauerlösung sein. Die Zeit bis zum 30. Juni 2007 muss mit aller Kraft und über alle parteipolitischen Grenzen hinweg dazu genutzt werden, so rasch wie möglich eine positive Gesamtlösung dieser Thematik herbeizuführen. Die Pflege und die Altenbetreuung sind zweifelsohne eine große sozialpolitische Herausforderung. Viele von uns, wenn nicht sogar jeder Ein­zelne sind mit dieser Problematik schon in ihrem Verwandten- oder Familienkreis kon­frontiert worden. In meiner eigenen Familie waren beide Elternteile pflegebedürftig.

Seitens der SPÖ wurde der Pflegenotstand auch immer wieder thematisiert und aufge­zeigt, doch die Regierung stellte diesen noch im heurigen Sommer in Abrede. Die SPÖ hat in den laufenden Koalitionsverhandlungen ganz klare Antworten für ein praktikables Pflegemodell:

Erstens: Die Bedürfnisse und die Interessen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehöri­gen müssen im Vordergrund stehen.

Zweitens: Die österreichischen Arbeitnehmerinnen und die österreichischen Arbeitneh­mer müssen vor Lohndumping im Bereich der Pflege geschützt werden.

Drittens: Ein menschlicher Umgang, adäquate Bezahlung sowie die soziale Absiche­rung der Pflegekräfte müssen gewährleistet sein.

Viertens: Die Lösung ist für die Betroffenen und die öffentliche Hand im Rahmen der Finanzierbarkeit zu gestalten.

Wir, die SPÖ, werden dieser Übergangsregelung zustimmen, weil sie der Entkriminali­sierung von Pflegebedürftigen für einen kurzen Zeitraum dient. Wichtig ist, dass die Be­troffenen diese Quasi-Amnestie begrüßen. Ich möchte hier noch unterstreichen, dass die Trägerorganisationen von dieser Regelung ausgenommen sind, da die Pflegekräfte durch diese Maßnahme ansonsten ihren sozialrechtlichen Schutz verlieren würden. Bei der Pflege und bei der Altenbetreuung muss die Würde der Menschen, die Pflege brau-


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 57

chen und sie auch verdienen, im Vordergrund stehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.58


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Bitte.

 


11.59.05

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsiden­tin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Ge­setz – und dazu bekennen wir uns, so denke ich, parteiübergreifend alle – ist eine Übergangslösung, und es ist ja auch dezidiert als solche bezeichnet, bis zur Schaffung eines neuen Pflegesystems. Das Provisorium ist mit 30. Juni 2007 auch zeitlich limi­tiert. Ich denke, dass, wenn das schon so dezidiert im Text festgehalten wird, man sich auch darauf verlassen kann, dass innerhalb dieser Frist die erforderlichen Maßnahmen gesetzt werden. Dieses Pflege-Übergangsgesetz dient der Entkriminalisierung von in- und ausländischen Arbeitskräften in privaten Haushalten und soll Rechtssicherheit geben und eben entkriminalisieren. Ausgenommen sind die betreffenden Verhältnisse nicht nur, wie bereits von der Kollegin erwähnt, von den Arbeitnehmerschutzbestim­mungen, sondern auch von den Bestimmungen des Jugendbeschäftigungsgesetzes, des Mutterschutzgesetzes und im steuerlichen Bereich. (Bundesrat Schennach: Aber so manches Provisorium hat ein langes Leben!)

Ich denke jedoch, dass wir uns alle dazu bekennen, dass das notwendig ist. Alle, die wir hier in diesem Haus sitzen, bekennen uns dazu, dass es nicht nur eine Verpflich­tung, sondern auch eine Frage der Moral ist, dass wir unseren Seniorinnen und Senio­ren ein Altern in Würde ermöglichen, dass wir sie auf ihrem letzten Lebensweg auch in den Familien begleiten und dass wir ihnen das sichern. Da stimmen wir alle überein. Und es liegt an uns, uns an das, was wir heute hier beschließen, auch zu halten. (Vize­präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Es ist uns klar, dass eine umfassende Regelung des Pflegesystems notwendig ist. Wir wissen, dass 400 000 Personen Pflegegeldbezieher sind. Es freut mich sehr und zeigt auch, dass unser Familiensystem doch noch intakt ist, dass 80 Prozent der Betreu­ungsleistung von Angehörigen geleistet wird. Und diese Leistung der Familienangehö­rigen ist, wie bereits erwähnt, nicht nur eine sozialpolitische, sondern auch eine gesell­schaftspolitische, eine familien- und vor allem frauenpolitische Herausforderung, denn es sind zum Großteil Frauen, die diese Leistung erbringen und denen auch sehr zu danken ist. Es ist daher meiner Meinung nach nicht nur wichtig, dass man den zu Pfle­genden Unterstützung, Hilfe und Menschenwürde gewährleistet, sondern es ist auch im selben Maße sehr, sehr wichtig, dass man die Angehörigen, die diese Pflegeleis­tung erbringen, in erforderlichem Maße unterstützt, denn es ist eine sehr, sehr große Belastung, und zwar nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Es ist bekannt, dass sich der Charakter von Menschen, die sehr krank sind, verändert. Man weiß auch, dass von Demenzkranken keine Dankbarkeit und keine Liebe mehr zurückkommt für die Leistung, die erbracht wird, und es ist daher eine sehr, sehr große Belastung für die pflegenden Angehörigen.

Ich war im Jahr 1992 erstmalig in der Situation, einen lieben Menschen auf seinem letzten Weg begleiten zu müssen. Da gab es all diese Einrichtungen nicht, die in den letzten Jahren geschaffen wurden und die für die Angehörigen eine sehr, sehr große Hilfe sind, nämlich die Familienhospizkarenz und die sozialversicherungsrechtliche Ab­sicherung von pflegenden Angehörigen. Im Ärztegesetz ist auch die rechtliche Absi­cherung des Tätigwerdens von pflegenden Angehörigen verankert worden. Es wurde auch ermöglicht, dass das Bausparen für die Pflegevorsorge verwendet werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 58

Ich darf zum Beispiel auch erwähnen, dass es im Land Niederösterreich einen Zu­schuss für pflegende Angehörige gibt, wenn sie einen Urlaub in Niederösterreich ver­bringen, weil dazwischen natürlich auch Regenerationsphasen notwendig sind, wenn man jemanden pflegt. Ich denke, dass es in vielen Ländern auch die Organisation von Besuchsdiensten geben wird. Das ist auch eine sehr, sehr wichtige Einrichtung, weil nicht alle, deren Angehörige in Heimen untergebracht sind, die Zeit, das Engagement und die Liebe aufbringen, diese Leute auch regelmäßig zu besuchen. Daher ist dieser Besuchsdienst, der von Freiwilligen verrichtet wird, auch eine sehr, sehr wichtige sozi­ale Einrichtung. Dann gibt es auch in den Heimen die Möglichkeit einer Unterbringung auf Zeit, das heißt, dass man die Angehörigen eine Zeit lang im Spital unterbringen kann und die Angehörigen einstweilen Urlaub machen können.

Es gab auch weitere Maßnahmen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) In Nie­derösterreich gibt es sehr, sehr viele Maßnahmen, die die Familien in sozialen Ange­legenheiten unterstützen. Niederösterreich ist beispielgebend in diesem Bereich.

Es gab aber auch viele Maßnahmen, die für die zu Pflegenden selbst wichtig sind. Es wurde ein Lehrstuhl für Geriatrie installiert. Es gab Initiativen auf dem Arbeitsmarkt zur Höherqualifizierung von Personen im Pflegebereich, denn es ist ja nicht nur so, dass die Leute und nur die Ausländer illegal beschäftigt sind. Man muss auch sagen, dass wir unter unseren österreichischen Arbeitnehmern nicht genug Leute haben, die diesen Beruf ausüben können und auch dafür geeignet sind und das tun können. Das heißt, es ist notwendig, auch eine Ausbildungsinitiative zu setzen, was seitens des Arbeits­amtes passiert ist. Durch diese Qualifizierungsmaßnahmen wurden 14 000 neue Ar­beitsplätze im Pflegebereich geschaffen.

Man kann die Ausbildung zum Altenbetreuer und -pfleger erst ab dem 17. Lebensjahr machen. Schüler oder Kinder, die sich nach der Pflichtschule für diesen Beruf interes­sieren würden und sich dazu ausbilden lassen möchten, können diese Einrichtungen noch nicht besuchen. Da ist ein Jahr dazwischen. Sie kommen dann abhanden und gehen in andere Ausbildungen. Es wäre also auch notwendig, dafür zu sorgen, dass die Ausbildung für Pflegeberufe unmittelbar nach der Pflichtschule einsetzen kann. Das wäre ein wichtiger Ansatzpunkt, denn durch das Fehlen dieser Möglichkeit verlieren wir viele Menschen im Pflegebereich.

Auch die bundesweite Harmonisierung des Berufsbildes Heimhilfe und Altenbetreuung hat stattgefunden. In sehr vielen Gemeinden wurde auch die Möglichkeit des betreuten Wohnens als weitere Aufgabe des gemeinnützigen Wohnungswesens geschaffen; auch das eine wichtige Einrichtung.

Zur Erarbeitung eines gesamtheitlichen Konzepts gehört natürlich auch eine Kompe­tenzbereinigung, denn momentan ist der Bund für die Auszahlung des Pflegegeldes und die pflegenden Angehörigen zuständig und das Land für die stationären Einrich­tungen und die mobilen Dienste. Ich denke, das gehörte einheitlich organisiert und zu einem Gesamtpaket geschnürt. (Bundesrat Schennach: Beim Land oder beim Bund?) Das wird auszuverhandeln sein, Herr Kollege. Es soll etwas Gescheites herauskom­men, und es soll in einer Hand liegen, damit es kompetent ausgeführt werden kann.

Ich möchte mich noch einmal bei all den Familienangehörigen bedanken, die Angehö­rige zu Hause pflegen, die diese große Leistung erbringen. Ich denke, dass das auch eine dankbare Aufgabe ist, wo die Aufwendungen auch wieder zu einem zurückkom­men. Da das eine kolossale Familienleistung ist, halte ich es auch für richtig, die Fa­milie hoch zu schätzen, die Institution Familie zu unterstützen und ihr nicht nur mora­lische, sondern auch finanzielle und steuerliche Unterstützung für diesen Bereich zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.06



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


12.07.06

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Grund der aktuellen Diskussion im abgelaufenen halben Jahr war Handlungsbedarf im Pflegebereich gegeben, der annähernd 400 000 Menschen in Österreich unmittelbar betrifft, obwohl die Bundesregierung seit 2000 nachweislich viele Verbesserungen er­reichen konnte: Verbesserungen in der medizinischen Betreuung, durch die Einführung einer Familienhospizkarenz, von betreutem Wohnen, durch eine begünstigte Selbstver­sicherung von pflegenden Angehörigen, die Pflegegelderhöhung 2005, immerhin um 2 Prozent. In Diskussion war ja heute schon – und Gott sei Dank von allen Fraktionen in gleicher Weise getragen –, dass es hier in Zukunft auch eine Valorisierung geben sollte.

Weitere Maßnahmen, die gesetzt wurden, sind: Patientenverfügungsgesetz, Stärkung der Patientenrechte, rechtliche Absicherung von pflegenden Angehörigen im Ärztege­setz, Bausparen, das zur Pflegefürsorge verwendet werden kann. Das sind alles Errun­genschaften, die in den letzten sechs Jahren von dieser Bundesregierung für viele be­troffene Mitbürgerinnen und Mitbürger erreicht wurden.

Ein umfassendes, weit reichendes Pflege-Übergangsgesetz wäre eine logische Abrun­dung der Materie gewesen. Das vorliegende Gesetz greift durch seine Beschränkung auf befristete Straffreiheit bis Juni 2007 zu kurz. Es wird also nicht geeignet sein, Pro­bleme zu lösen, sondern es wird neue Probleme aufwerfen. Dass Familien, die illegal Pflegende beschäftigen, entkriminalisiert werden sollen, geht aus meiner Sicht vollkom­men in Ordnung. Es ist aber der falsche Lösungsansatz, Illegale zu legalisieren.

Wir gehen in anderen Bereichen nicht immer mit den Grünen konform, aber hier teilen wir die Auffassung der Grünen, dass Fragen wie Nachforderungen der Sozialversiche­rung oder berufs- und steuerrechtliche Fragen hier in diesem Gesetz nicht geregelt sind. Das ist schade, denn das wurde im zuständigen Nationalratsausschuss von unse­rer Fraktion gefordert, es ist aber leider nicht mit eingebaut worden. Ich gebe aber zu, dass die Mitglieder unserer Fraktion damals im Ausschuss dieser Vorlage ihre Zustim­mung letztlich in der Hoffnung erteilt haben, dass in der Folge dann im Nationalrat ein Antrag, der wesentliche Verbesserungen beinhaltet hätte, die Zustimmung erhalten würde. Es gab nämlich am 29. November einen Entschließungsantrag, in dem – um nur einige Punkte herauszuheben – die Einrichtung eines Fonds, durch den Pflegebe­dürftige oder deren Angehörige vor allem bei Beitragsnachforderungen finanziell unter­stützt werden, die auf Grund dieser jetzigen Gesetzesvorlage natürlich kommen wer­den, gefordert worden ist.

Die Valorisierung des Pflegegeldes ist ja bereits angezogen worden. Die Sicherstellung einer bedarfsgerechten abgestuften Betreuung oder soziale Absicherung für ehrenamt­lich Tätige. Das sind alles Forderungen, die auch hier in den Raum gestellt worden sind.

Dieser Antrag mit weiteren Punkten hat leider im Parlament, im Nationalrat am 29. No­vember keine Mehrheit gefunden. Als Demokrat muss ich solche Entscheidungen zur Kenntnis nehmen. Ich meine allerdings, dass es schade ist um die vertane Chance, ein umfassendes Pflegegesetz zu schaffen, und deshalb werde ich heute dem vorliegen­den Antrag, keinen Einspruch zu erheben, nicht zustimmen.

12.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 60

12.11.09

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzter Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal betonen, weil uns das sehr wichtig ist, dass dieses Gesetz, wie Kollegin Roth-Halvax bereits gesagt hat, ein Übergangsgesetz ist, eine Notlösung. Auch die SPÖ stellt sich eine seriöse Pflegepolitik anders vor. Punkte, die wir einfordern, werde ich zum Schluss kurz erwähnen.

Die Notlösung soll jenen Pflegebedürftigen sowie ihren Familien und Angehörigen zu­gute kommen, die jetzt, weil illegale Beschäftigung vorliegt, kriminalisiert werden. Es ist dies eine Notlösung, die diese Pflegebedürftigen für einen kurzen Zeitraum von sieben Monaten entkriminalisiert. Ich hoffe wirklich, dass alle die Zeit bis zum 30. Juni 2007 dazu nützen werden, nach dieser Übergangsnotlösung am 1. Juli 2007 zu einer positi­ven Gesamtlösung zu kommen, die allen Beteiligten zugute kommt und auch akzeptiert werden kann.

Im Ausschuss wurde berichtet, dass die Verhandlungen laufen, und ich appelliere noch einmal an alle Verantwortlichen, an alle Beteiligten, dass sie diese Arbeit ernst neh­men. Anzeigen lösen keine Probleme! Anzeigen schaffen zusätzliche Probleme. Es ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen, sondern für konkrete Handlungen im Interesse aller Beteiligten.

Es ist für einen europäischen Sozialstaat unerträglich, dass laut Angaben zirka 40 000 ausländische Pflegekräfte in Österreich mehr oder weniger illegal tätig sind, und dies zu vergleichsweise niedrigen Löhnen. Fragen wir uns: Warum nehmen Men­schen illegale Beschäftigung in Anspruch? – Entweder deshalb, weil sie in ihrer Region kein adäquates Angebot haben, oder deswegen, weil sie sich dies nicht leisten können, oder deshalb, weil sie sich dessen gar nicht bewusst sind. Dies ist sicherlich nicht zu­frieden stellend. Schaffen wir einen Zugang zu einem Pflegedienst, dessen Qualität laufend kontrolliert und auch gesichert werden kann, und dies selbstverständlich unter Berücksichtigung der österreichischen Sozialstandards.

Die Politik ist gefordert, rasch zu handeln, gemeinsam mit allen Verantwortlichen eine Lösung zu finden. Wie mein Kollege Sodl schon gesagt hat, werden wir diesem Gesetz zustimmen. Pflege, meine Damen und Herren, ist ein Grundrecht. Man kann dieses Grundrecht nicht alleine mit einem Übergangsgesetz, mit einem Notgesetz lösen. Wei­tere wichtige Bausteine für eine seriöse Pflegepolitik sind notwendig, und diese werden von der SPÖ auch gefordert. Diese Punkte wären:

Erstens: Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebotes an professioneller, ambu­lanter und stationärer Betreuungs- und Pflegeleistung. Was meinen wir damit? – Flä­chendeckender Ausbau mobiler Dienste, Ausbau der Tagesbetreuung, Tageszentren und Kurzzeitpflege, Ausbau von Nacht- und Wochenendpflege, Ausbau von betreuten beziehungsweise betreubaren Wohnformen, weitgehende Normalisierung in stationäre Pflege sowie weitgehende Vernetzung, Abstimmung und Integration.

Zweitens: Unterstützung und Absicherung von pflegenden Angehörigen. Dazu zählen verbesserte Information, verbesserte Beratung, verbesserte Schulung und eine Super­vision für pflegende Angehörige, Rechtsanspruch auf temporäre Arbeitszeitreduktion auf Wunsch und Beschäftigungsverhältnisse für pflegende Angehörige.

Drittens: Aufwertung der Beschäftigung.

Viertens: Nahtstellenmanagement Gesundheit und Pflege sowohl stationär als auch ambulant.

Fünftens: Schaffung von Anreizen für ehrenamtliche Betreuungsdienste.


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Sechstens: Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung der Pflege.

Siebentens: regelmäßige Valorisierung des Pflegegeldes.

Das sind die Punkte, die die SPÖ einfordert. Das sind die Punkte einer seriösen Pfle­gepolitik, die allen Beteiligten zugute kommt und auch akzeptiert werden kann. (Bun­desrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke; hvala. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.17.46

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Mitterer, würden Sie mir bitte erklären, was „eine Illegale“ ist. Illegal – das Wort heiß unrechtmäßig. Welcher Mensch ist schon unrechtmäßig? Ich halte diese Bezeichnung einfach für eine Frechheit. Und Illegale legalisieren ist daher kein akzeptabler Ausdruck. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wen haben Sie gemeint? – Sie haben die ausländischen Pflegekräfte gemeint, Sie haben die Frauen gemeint (Bundesrat Mitterer: Männer auch!) – meistens Frauen; Männer gibt es auch, aber überwiegend Frauen –, die ungefähr 2 € in der Stunde ver­dienen, sozial nicht abgesichert sind und die jetzt noch dazu als illegal bezeichnet wer­den, weil man beim BZÖ Menschen einfach als Illegale bezeichnen kann.

Sie haben gesagt: Illegale legalisieren wollen wir damit! Und deshalb wollen Sie das nicht unterstützen. Ich möchte schon betonen, dass wir dieses Gesetz aus anderen Gründen ablehnen – und nicht aus diesen!

Wir lehnen dieses Gesetz aus folgenden Gründen ab – ich möchte nur einmal kurz zu­sammenfassen, was Eva vorhin gesagt hat –: Durch die Anmeldung gemäß dieser Än­derung entstehen Mehrkosten von ungefähr 30 Prozent. Wie diese Mehrkosten durch die Anmeldung abgedeckt werden können, ist noch in keiner Form auch nur irgendwie angedacht. Es ist zumindest vorübergehend eine Belastung, wer auch immer sie zu tragen hat, der Pflegende oder der zu Pflegende.

Aus dieser Vorlage ist des Weiteren auch nicht für jeden klar ersichtlich, ob man je­manden anmelden muss oder nicht, denn auch dann, wenn ich ihn nicht anmelde, ist es nicht strafbar. Wie weit das Ganze effektiv und wie weit es für die betroffenen Per­sonen klar ist, das steht für mich nicht fest.

Der nächste Punkt ist, dass auch Regelungen ausgesetzt wurden, die man nicht hätte aussetzen müssen, wie zum Beispiel Vorschriften zur Unterbringung. Ich denke, das schafft man auch, und das ist ja in den meisten Fällen auch bereits jetzt in korrekter Form gegeben.

Kollegin Roth-Halvax hat bereits gesagt, dass es sich dabei um eine Übergangslösung handelt. Es ist auch uns klar, dass es eine Übergangslösung sein soll. Die Frage ist allerdings, ob in der Zeit bis Juli wirklich alle Probleme gelöst werden können und ob wirklich ein umfassendes Konzept erstellt werden kann, das alle Problembereiche der Pflege mit einbezieht.

Bis vor kurzem – es ist noch nicht so lange her – hat es insbesondere von Seiten der ÖVP noch geheißen, dass es keinen Pflegenotstand gibt. Er ist einfach geleugnet wor­den. Es hat ein halbes Jahr lang gedauert, bis auch die ÖVP erkannt hat, dass es Pro­bleme gibt. Ich bin daher nicht ganz davon überzeugt, dass bis Anfang Juli alle Proble-


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me aus dem Weg geräumt sein werden und man dann zur Tagesordnung übergehen kann.

Ich hoffe auch darauf, dass es eine intensive Pflegedebatte geben wird. Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten, wie Menschen gepflegt werden können. Es gibt nicht nur Pensionistenheime, es gibt nicht nur Altersheime, sondern es gibt betreutes Woh­nen, es gibt Sozialzentren. Es gibt ja diese Beispiele schon in vielen Bereichen, und sie sind ja auch in vielen Bereichen kostengünstiger also die herkömmliche Betreuung in einem Altersheim.

Wichtig ist uns, dass am Ende dieser Debatte etwas Vernünftiges herauskommt. Und deshalb bezweifle ich ehrlich gestanden auch, dass die Debatte darüber wirklich bis Anfang Juli umfassend geführt sein wird. (Bundesrat Mayer: Deshalb brauchen wir Zeit!) Ja, deshalb brauchen wir Zeit. Da bin ich auch eurer Meinung.

Es soll etwas Umfassendes herauskommen und eine vernünftige Grundlage geschaf­fen werden, die eine gute Pflege sicherstellt, die sich die Leute leisten können, klarer­weise, ohne dass die Familien mitzahlen müssen. Es soll aber auch eine Lösung her­auskommen, die BetreuerInnen sozial absichert und ihnen auch die Möglichkeit gibt, diesen Beruf auszuüben, ohne wenig Geld zu verdienen und dann auch noch als illegal bezeichnet zu werden. (Beifall bei den Grünen.)

12.21


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


12.22.01

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war bis jetzt eigentlich immer der Auffassung, dass die Sprache hier im Hohen Haus Deutsch ist. Ist mir da etwas entgangen, dass wir hier zur Zweisprachigkeit über­gegangen sind oder ... (Bundesrat Boden: Da haben Sie einiges versäumt in den letz­ten Jahren!) – Ja, es kann sein, dass ich einiges versäumt habe, aber nichts, was ich vermisse, Herr Kollege, das kann ich Ihnen sagen, denn ich halte das nicht für unbe­dingt notwendig. (Bundesrat Schennach: Es gibt auch autochthone Volksgruppen!)

Wenn man heute über das vorliegende Pflege-Übergangsgesetz spricht, kann man nicht umhin, zu sagen, dass das ja nichts Neues ist. In Wirklichkeit hätte man vor 15 Jahren schon ein entsprechendes Pflegegesetz mit allem Drum und Dran machen müssen, was eine SPÖ-geführte Regierung natürlich nicht gemacht hat. Im Wahlkampf hat man dann das Thema für sich entdeckt und gesagt: Wir haben einen Pflegenot­stand!, obwohl das auch bis dahin ohnedies jeder wusste.

Kollege Sodl hat gemeint, die SPÖ hätte das ohnehin immer schon aufgezeigt. Ich kann Ihnen sagen, Ihr Genosse Häupl, Wiener Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien, hat diesen Pflegenotstand, der von der FPÖ, aber auch von den Grünen immer wieder angesprochen worden ist, stets geleugnet. Für ihn gab es so etwas nicht. Wir wissen seit zirka ... (Bundesrat Wolfinger: Landesrat Ackerl hat dreimal in einer Presseaussendung erklärt, es gebe keinen Pflegenotstand!)

Ich muss euch von der ÖVP sagen, dass auch ihr es beharrlich geleugnet habt, auch ihr habt da überhaupt nichts gemacht, bis auf die einmalige Pflegegelderhöhung, die aber natürlich nicht das gebracht hat, was sie hätte bringen sollen, nämlich Pflege leist­barer zu machen. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Wer hat da nicht mitgezogen? – Die FPÖ hat das auch einige Male thematisiert. Ihr habt halt Augen und Ohren zugemacht und habt gesagt: Das geht uns eigentlich nichts an! Tatsache bleibt aber, dass man seit 15 bis 20 Jahren weiß, dass sich die Bevölke-


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rungspyramide dreht, die Leute älter werden, die Österreicher weniger Kinder bekom­men und mit dem Älterwerden natürlich auch ein gesteigerter Pflegebedarf einherge­hen wird. Das haben zwar alle gewusst, aber niemand hat Entsprechendes getan.

Jetzt wollen wir alle natürlich, dass unsere Alten, auch Pflegebedürftige möglichst lange bei sich zuhause bleiben können. Niemand will sie in ein Pflegeheim abschieben. Dazu bedarf es aber auch eines entsprechenden Pflegegeldes, das es zwar gibt, das aber dann auch entsprechend angepasst werden muss, damit diese Pflege eben leist­bar wird. In ihrer Not, weil das eben für viele nicht mehr leistbar war, haben viele auf so genannte illegale Pflegekräfte, ausländische wie inländische, zurückgegriffen – auch in dem Bewusstsein, dass das nicht in Ordnung war. Wenn man in so einer Situation ist, ist einem aber letzten Endes das Hemd näher als der Rock, und man sagt: Das ist zwar nicht Ordnung, aber ich brauche jetzt die Pflege, ich muss sie mir leisten können, und daher greife ich eben zu diesem Mittel!

Dieses Übergangsgesetz ist natürlich ein typisches Anlassgesetz, mit dem man ver­sucht, irgendwie die Notbremse zu ziehen. Gegen Anlassgesetzgebung war ich immer schon und bin es auch diesmal. (Bundesrätin Roth-Halvax: Aber es ist besser, als gar nichts zu tun!)

Ja, es ist gut gemeint, aber das Gegenteil von gut gemeint ist schlecht gemacht. Und das ist es! Sie wollen für ein halbes Jahr eine Illegalität legal machen, und wir wissen nicht, wie es dann hinterher weitergehen soll. Das kann ja jetzt doch nicht das Ei des Kolumbus sein. Das muss ich Ihnen schon sagen.

Wesentlich ist, dass ein Gesamtpflegepaket kommt, das wirklich eine Gesamtlösung beinhaltet. Und da sage ich Ihnen auch, Frau Kollegin Roth-Halvax, dass ich Ihren An­satz, auch bei den Pflegeberufen anzusetzen, völlig richtig finde. Ich unterstützte ihn auch. Es gibt allerdings nicht nur die, die nach der Schule einen Pflegeberuf ergreifen, sondern es gibt mittlerweile auch – und da sind es vor allem Frauen, einige Männer auch, aber in der Mehrzahl ist die Pflege in der Hand von Frauen – viele Frauen, die sich gerne umschulen lassen würden. Da muss aber das AMS mitspielen, was es nicht tut! Wenn das AMS – und ich kann Ihnen einige Schreiben dazu zeigen – sagt: Sie können sich einen privaten Kurs zahlen, der kostet Sie 5 000 €!, dann muss ich sagen: Das kann sich eine Arbeitssuchende nicht leisten! Das AMS selber ist jedoch nicht dazu bereit, diese Lücke zu schließen und damit künftige in Pflegeberufen Tätige zu schaffen beziehungsweise Arbeitssuchenden die Möglichkeit zu geben, in einen Pfle­geberuf, abgestuft – da gibt es ja verschiedene Arten – eintreten zu können. Also muss man hier auch das AMS in die Pflicht nehmen. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Hal­vax.) Und ein umfassendes Pflegegesetz muss möglichst schnell kommen, damit für die Betroffenen die Pflege auch wirklich leistbar wird.

12.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine zweite Wortmeldung von Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.27.39

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem liebe Kollegin Mühlwerth, Sie haben ge­sagt, Sie haben geglaubt, dass in diesem Parlament Deutsch gesprochen wird. Ich habe auch Deutsch gesprochen. Ich habe nur eine Zusammenfassung in slowenischer Sprache gegeben, und ich bin sehr froh, dass mir die Präsidiale das auch einstimmig erlaubt hat, auch mit den Stimmen des BZÖ. Dafür bin ich sehr dankbar, und ich mei­ne, im vereinten Europa ist Mehrsprachigkeit eine Bereicherung. – Danke; hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.28



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 64

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.28.42

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Die Diskussion hat mich zu dieser Wortmeldung animiert. Frau Kollegin Roth-Halvax, ich weiß nicht: Eine Regierung, die sechs Jahre nicht er­kennt, dass wir in diesem Land in der Tat einen Pflegenotstand haben!

Es nutzt mir jetzt nichts, Herr Kollege, wenn Sie sagen, Ackerl habe es auch nicht er­kannt. Wer weiß, vielleicht haben wir hier sogar einen Sozialminister, ausgestattet mit einem Staatssekretär, der hier anwesend ist. Das nicht zu erkennen, wenn dieser Pfle­genotstand sogar so weit geht, dass in den höchsten Familien dieses Landes, beim Bundespräsidenten und beim Bundeskanzler in den Familien zu solchen Konstruktio­nen gegriffen wurde, was in den Medien ohnedies mittlerweile auch bekannt gemacht wurde, dazu gehört schon was. Wenn wir bereits 40 000 ausgebildete oder weniger ausgebildete Personen aus dem umliegenden Ausland für Pflegeberufe benötigen, um ein Minimum an akzeptabler Pflege gewährleisten zu können – da sind noch nicht ein­mal jene dabei, die aus Österreich sind! –, und wenn wir die demographischen Daten heranziehen, dann sehen wir, es explodiert uns das Problem gewissermaßen während der Diskussion.

Wir leben in Österreich, aber auch in Europa in einer immer älter werdenden Gesell­schaft. Die älteren Menschen machen einen immer größeren Anteil an der Bevölkerung aus. Wir stehen insgesamt vor der Frage: Und wer macht das? Ich gehe jetzt noch gar nicht einmal auf die Frage ein, wer sich das leisten kann. Ich kann alle Forderungen von Frau Blatnik, wie das auszusehen hat, unterschreiben. So soll es sein. Das ist Menschenwürde im Alter. Das kostet aber etwas, und es bedarf geeigneter und dazu fähiger Menschen.

Liebe Sissy Roth-Halvax, ich habe gar nichts dagegen, wenn wir sagen: Versuchen wir daher schon 16-Jährige dazu auszubilden. Dann hapert es aber! Ich kann doch nicht jemanden, der mit 16 Jahren diesen Weg eines Pflegeberufes einschlägt, lebenslang in diesem Beruf halten. Das heißt, ich brauche eine ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Das habe ich nicht behauptet!) Nein, aber die professionelle Durchlässigkeit dieser Berufe ist gleich null. Es ist auch genauso schrecklich, zu wissen, dass, wenn man mit 17 Jah­ren Kindergärtnerin ist, das mit 63 Jahren noch immer sein wird. Das ist entsetzlich! Das heißt, in all diesen Bereichen brauchen wir eine höhere ... (Neuerlicher Zwischen­ruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) Die Durchlässigkeit ist nicht gegeben! Wir brauchen in diesen Bereichen eine andere Durchlässigkeit, ganz zu schweigen von der psychi­schen und physischen Belastung von Menschen, die in Pflegeberufe gehen. Das ist nämlich psychisch und physisch Schwerarbeit! Da sind wir uns sicher einig, und das müssen wir auch bedenken.

Wir haben also ein Riesenproblem. Unsere Gesellschaft wird älter, und wir brauchen Menschen, die in diese Berufe gehen. Dazu brauchen wir – und anders geht es nicht, die 40 000 besagen das ja jetzt schon – Menschen auch aus dem Ausland, die uns hier helfen. Aber auch die Gesellschaften, aus denen wir bisher Arbeitskräfte abgezo­gen haben, werden älter. Wir verlagern dieses Problem also nur in die nächste Gesell­schaft. Auch in Tschechien oder auch in der Slowakei, auch in der Ukraine, auch in den Staaten des früheren Jugoslawien werden die Menschen älter, weil die Kinderrate dort ebenfalls sinkt, und dann geht man sogar schon nach Weißrussland, nach Ka­sachstan, nach Usbekistan – weil da heute gerade eine Gruppe da war – und versucht, sozusagen in diese Gesellschaften ... Wir verlagern ja auch die Ausbildung nach Tschechien und nehmen dann die Ausgebildeten.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 65

Liebe Kollegin Blatnik, ich weiß, du hast das nicht so gemeint, aber da ist der Satz von den vergleichsweise niedrigen Löhnen gefallen. Der Stundenlohn für diese 40 000 be­trägt derzeit 2 €, und von dem zahlen die auch noch Agenturkosten. Sie zahlen an die Agentur ihre Abgabe pro Stunde. Von den 2 € wird also noch einmal etwas abgezogen. Erstens ist meiner Meinung nach von Seiten des Sozialministeriums einmal zu über­prüfen, ob diese Vereine, die hier das Geschäft mit dem Pflegeberuf machen, salopp gesprochen alle in Ordnung sind, und zweitens, ob es hier nicht doch eine andere Lösung gibt.

Das ist ein Gesetz, liebe Sissy Roth-Halvax, mit Augenzwinkern. Es tut mir Leid! Ich hoffe, das ist nicht der Vorgeschmack auf die Kompromissgesetzgebung der nächsten vier Jahre. Zum einen sagt man: anmelden!, aber zum anderen: doch nicht anmelden! Oder: anmelden oder Strafe, aber dann doch keine Strafe! Der Dimension des Pro­blems wird das in keiner Weise gerecht.

Deshalb: Wir schaffen es nicht, zu Lösungen zu kommen, wenn eine Seite in diesem Haus sich beharrlich weigert, anzuerkennen, dass wir bereits mitten in einem Pflege­notstand stecken. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.34


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine zweite Wortmeldung kommt von Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Bitte.

 


12.34.28

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lieber Herr Kollege! Ich wehre mich gegen den Ausdruck „Gesetz mit Augenzwinkern“. Ich habe hier klar und deutlich gesagt, dass wir bemüht sind, bis zu einem festgelegten Zeitpunkt eine Notlösung zu finden, bis 30. Juli. Das ist ein Zeit­raum, der verantwortbar ist, um für ein derart komplexes Thema eine Lösung zu finden. Und da wehre ich mich dagegen, wenn es heißt: mit Augenzwinkern.

Dass wir den Bedarf an Pflegepersonal nicht allein aus Österreich decken können, auch das habe ich hier erwähnt und gesagt. Wir können niemanden zwingen, diesen Beruf zu ergreifen. Man kann nur verbesserte Ausbildungsmöglichkeiten anbieten, und das ist geschehen. Deshalb verstehe ich auch nicht, was Sie gesagt haben, Frau Kolle­gin, dass das AMS das nicht unterstützt, denn ich habe berichtet, dass es eine Initiative des AMS zu Qualifizierungsmaßnahmen und zur Ausbildung gibt.

Es wäre zum Beispiel ein idealer Beruf für Frauen, die nach der Babypause, nach der Familienpause wieder einsteigen möchten und keine qualifizierte Ausbildung haben. Sie könnten sich da weiterbilden lassen und diesen Beruf ergreifen, weil das Kennt­nisse sind, die man auch in einer Familie braucht, wenn man Kinder und eben auch ältere Leute umsorgt, um das dann auch professionell machen zu können. Es wurden hier also Möglichkeiten geboten, aber es kann niemand dazu gezwungen werden.

Also: Ich wehre mich dagegen, dass man sagt, es ist ein Gesetz mit Augenzwinkern. Wir haben uns alle dazu bekannt, dass es eine Notlösung ist. Es stimmt auch nicht, dass die ÖVP permanent sagt: Es gibt keinen Pflegenotstand. Ich will jetzt nicht sagen, wer aller das gesagt hat. Ich will jetzt auch nicht sagen, unter welchen Umständen es zu dieser Pflegemaßnahme im Haushalt des Herrn Bundeskanzlers kam. Das ist so schmutzig, dass ich darauf jetzt überhaupt nicht eingehen will.

Jeder, der sich mit dieser Problematik befasst und auskennt, weiß, dass wir alle mitein­ander eine gute Lösung finden werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.36



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 66

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dolinschek. – Bitte.

 


12.36.40

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Die Diskussion, die jetzt schon sehr emotional geführt wor­den ist, beweist mir, dass Sie sich sehr mit der Thematik auseinander setzen.

Wir sind ja nicht untätig gewesen in der Vergangenheit, in den letzten Jahren. Wir ha­ben auch einiges zustande gebracht. Ich kann mich noch daran erinnern – ich bin ja seit 1990 im Hohen Haus –, als 1993 das Bundespflegegeldgesetz sozusagen als Mei­lenstein der österreichischen Sozialpolitik geschaffen worden ist. Wir wissen, dass sich die Zeiten wandeln, und Sie haben das vollkommen richtig erkannt. Alle Bundesrätin­nen und Bundesräte haben richtig erkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Wir haben vom Sozialministerium her in den letzten Jahren jede Menge Enqueten veranstaltet, weil wir uns der Lage bewusst waren. Ich habe aber sehr viele Leute, die ich hier herin­nen sehe, dort nie angetroffen.

Ich muss sagen, das war heuer im Sommer sozusagen ein Anstoß, der notwendig war, der medial aufgegriffen worden ist, sodass bei den verschiedensten Veranstaltungen zu Pflegebedarf und Pflege überhaupt auf einmal auch eine wesentlich größere Medi­enpräsenz gegeben war.

Wenn wir über diesen Bereich sprechen, so muss man zwischen Betreuung und Pflege unterscheiden. Alles bis zur Pflegestufe 3 ist Betreuung, Betreuungsleistung. Das ist ein großer Unterschied! Das schlägt sich auch hier im Übergangsgesetz zum Thema Pflege nieder. Jene PflegerInnen, die aus dem ehemaligen Osteuropa nicht nur zu uns kommen, sondern auch in die Bundesrepublik Deutschland, nach Holland und so wei­ter und sozusagen als illegale Pflegepersonen tätig sind, und die Personen, die zu pfle­gen sind und die diese Leute angestellt haben, zu entkriminalisieren, das ist mit Sicher­heit notwendig.

Das löst das Problem aber nicht an der Wurzel! Das haben Sie auch alle erkannt, dass das eine Übergangslösung ist, also eine Reparatur bis Juli notwendig ist. – Ich hoffe, wir schaffen das auch! – Es sind mehrere Maßnahmen notwendig. Sie haben schon viele Dinge angesprochen. Ich möchte hier auch sagen, dass sich der Bedarf in den nächsten Jahren wesentlich erhöhen wird. Wir haben im heurigen Jahr knapp 400 000 Pflegegeldbezieher, Bundespflegegeld und Landespflegegeld zusammenge­rechnet. Wie das in Zukunft organisiert wird, ob das eine Landessache oder eine Bun­dessache sein soll, das ist verhandlungsabhängig, Herr Bundesrat. Wichtig ist jedoch, dass das in Österreich einheitlich geregelt wird. Deswegen hat man auch das Bundes­pflegegeld mit den sieben Stufen geschaffen. Die Länder bewegen sich im selben Stu­fenraster. Sie haben ja nur für jene zu zahlen, die praktisch nie selbst versichert waren und sich in einem Verhältnis mit einem Versicherten befinden. Wichtig ist aber, dass das abgedeckt ist. Man wird dort in Zukunft auch mehr Mittel in die Hand nehmen müs­sen. Das muss uns allen klar sein.

Wir haben das Pflegegeld im vorigen Jahr um 2 Prozent erhöht. 1 Prozent hat 15 Mil­lionen € gekostet, 2 Prozent also 30 Millionen €. In Zukunft wird das noch mehr sein. Wir haben das ausgewertet, weil wir auch den Vorschlag gemacht haben, das Bundes­pflegegeld um 5 Prozent zu erhöhen und dann eine jährliche Valorisierung durchzufüh­ren. Was das in den nächsten Jahren kostet, dazu gibt es eine Aufstellung. Die ist für jeden, der daran interessiert ist, im Sozialministerium zugänglich. Ich meine, wir wer­den da reagieren müssen.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 67

Das, was wir jetzt reparieren, löst das Problem berufs- und steuerrechtlich nicht. Es löst das Problem sozialversicherungsrechtlich auch nicht, aber das ist uns allen be­wusst. Es ist eine Übergangslösung, und deswegen können wir damit auch leben. Auf der anderen Seite ist es jedoch notwendig, dass wir reagieren. Wir müssen auch die Gesamtsituation Europas im Auge behalten. Würden die Leute, die ausgebildeten Pfle­gerinnen und Pfleger in Osteuropa aus diesen Ländern abwandern und in andere Län­der wie Holland, Deutschland oder Österreich gehen, dann wird es auch in ihren Hei­matländern ein Vakuum geben. Auch das muss man bedenken.

Wir haben in der Vergangenheit reagiert und dafür gesorgt, dass einmal die Ausbildung zum Sozialbetreuungsberuf österreichweit einheitlich geregelt wird. Sie haben das an­gesprochen. Das geschieht jetzt österreichweit in drei verschiedenen Modulen; die erste Stufe, die zweite und die dritte bis hin zum Diplompfleger. Das ist alles notwendig ab Pflegestufe 3, also von 4 aufwärts. Darunter sind es Betreuungspflichten. Ich sage auch, dass es notwendig sein wird, auch in den unteren Bereichen, also dort, wo Be­treuung notwendig ist, jenen Leuten, die diesen Beruf ergreifen, die Möglichkeit zu bie­ten, das Ganze auf selbständiger Basis zu machen, eine mobile Hausbetreuung näm­lich. 80 Prozent werden nun einmal zuhause betreut. Herr Bundesrat! Diese häusliche Pflege wird zu 79 Prozent von weiblichen und zu 21 Prozent von männlichen Personen geleistet. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. – Bundesrat Schennach: Ich habe nur gesagt: Gott sei Dank!) Ich sage das nur.

Wir sind auch nicht in der Lage, so viele Heime zu bauen, dass alle dort unterkommen können. Das muss uns auch bewusst sein. Wir brauchen einen Mix aus mobiler Be­treuung, häuslicher Betreuung und natürlich auch Heimbetreuung.

Wir haben auch darauf reagiert. In den Sozialbetreuungsberufen ist es heute möglich, mit einer Ausbildung von mir aus in Niederösterreich auch in Tirol zu arbeiten und um­gekehrt, das war ja früher nicht möglich. Für die Ausbildung zuständig sind natürlich die Länder. Damit sind auch Sie als Bundesräte gefordert, die diesen Zwischenbereich zwischen Land und Bund ausgestalten, dass man auch verstärkt darauf hinweist, dass man die Leute verstärkt stützen muss – die kosten ja etwas –, dass beispielsweise das AMS das mitstützt. Das wird wahrscheinlich nicht in allen Ländern gleich geregelt sein, aber das ist notwendig.

Wenn man sagt, ab dem 17. Lebensjahr kann man dort einsteigen, so gibt es auch die Möglichkeit eines freiwilligen sozialen Jahres. Dafür gibt es verschiedene Modelle in Österreich, ich habe da eines in Vorarlberg besucht. Ganz ausgezeichnet! Es bleiben zirka 50 Prozent der Leute, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren, dann auch in einem Sozialbetreuungsberuf. Nicht alle! Es ist aber gut – das sagen auch die Auszu­bildenden und die Ausbildner –, dass die Leute sensibilisiert werden. Auch wenn sie später nicht in einem Sozialbetreuungsberuf tätig sind, kennen sie sich in dem Bereich dann besser aus. Man wird sensibilisiert, und auch das ist wichtig. Das ist eine der Alternativen.

Wichtig ist, dass wir in Zukunft – wenn die Lebenserwartung weiter steigt, geht auch das Alter in die Höhe und damit auch die Pflege und so weiter. Die demographische Entwicklung fordert uns ganz einfach, und das ist natürlich auch eine Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Daran sollten wir arbeiten.

Jetzt gibt es ein Übergangsgesetz, das zwar nicht das Gelbe vom Ei ist, das wissen wir alle, das aber notwendig ist, um die ersten Schritte zu setzen. Ich bin auch guten Mu­tes, dass wir in Zukunft mit der Pflege, die ja sehr umfassend thematisiert worden ist, auch hier im Hohen Haus auf einen breiten Konsens stoßen werden. (Beifall des Bun­desrates Mitterer.)

12.44



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 68

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

12.44.445. Punkt

Außenpolitischer Bericht 2005 der Bundesregierung (III-307-BR/2006 d.B. sowie 7648/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

 


Berichterstatter Karl Bader: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt. Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher darf ich mich auf die Antragstellung kon­zentrieren.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Dezember 2006 den Antrag, den Außenpolitischen Bericht 2005 der Bundesregie­rung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


12.45.30

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist eine gute Tradition geworden – und das seit vielen Jahren –, dass sich die Debatte über den Außenpolitischen Bericht naturgemäß auch auf dieses Dokument bezieht. Das macht allein schon aus Gründen der Geschäftsord­nung jeder Redner ein paar Mal in seinem Redebeitrag. Es ist aber auch eine gute Gelegenheit, einfach über die Außenpolitik der Republik und über die internationalen Fragen, die uns bewegen und die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger bewegen, zu sprechen.

Der Außenpolitische Bericht bietet insofern jedes Jahr und auch erneut eine gute Grundlage dafür, weil er doch in einer sehr kompakten und kompakter gewordenen Form die wesentlichen Eckdaten der österreichischen außenpolitischen Aktivitäten, aber auch die Rahmenbedingungen, unter denen sich österreichische Außenpolitik be­wegt, präzise und umfassend zusammenfasst. Als Erster der Redner werde ich jetzt das sagen, was wir aus gutem Grund alle jedes Mal sagen, wenn wir einen Außen­politischen Bericht diskutieren, dass wir denen, die diesen Bericht zusammenstellen – und das ist ein mühsames Unterfangen –, dafür danken, dass sie uns diese wichtige Arbeitsgrundlage in die Hand geben.

Wenn ich mich auf den Bericht selbst beziehe, dann habe ich vom formell Inhaltlichen her eine einzige Anmerkung zu machen, nämlich die, dass jene Frage der österreichi­schen, nicht Außenpolitik, aber Außenverwaltung, möchte ich sagen, die in der Öffent­lichkeit das stärkste Interesse gefunden hat, hier leider nicht einmal erwähnt wird. Es


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 69

geht um die Probleme, die es im Bereich des Außenministeriums beziehungsweise der österreichischen diplomatischen Vertretungen mit der Erteilung von Visa gegeben hat. Das ist kein Ruhmesblatt, es ist dies eine Situation, die ganz offensichtlich zu einer Reihe von strafrechtlichen Verfahren gegen Einzelpersonen führen wird. Es gibt keinen Hinweis darauf – das sage ich auch deutlich –, dass es sich hier um das große Netz­werk im Außenministerium handelt. Aber das, was in Einzelfällen geschehen ist, ist für das Ansehen der Republik, für das Ansehen der österreichischen diplomatischen Ver­tretungen und letztlich auch für das ganze politische Handeln auf dem Gebiet der Ein­reise von Ausländern aus Ländern, für die keine Visafreiheit herrscht, problematisch genug. Ich bedauere das.

Das Außenministerium hat spät, aber doch in dieser Frage zu handeln begonnen. Es ist ein Strafverfahren mit einer Verurteilung abgeschlossen worden. Es ist ein weiteres offensichtlich bis zur Verhaftung des Hauptverdächtigen gediehen, wie wir in den letz­ten Tagen aus der Tageszeitung erfahren haben, und es ist eine Untersuchung einge­leitet worden. Man hat hier also, wie gesagt, spät, weil es viele frühe Warnzeichen ge­geben hat von Organisationen, von Einzelpersonen, gehandelt. Ich hätte es als korrekt empfunden, wenn dieses Thema in diesem Bericht nicht ausgeklammert worden wäre, obwohl es natürlich ein unangenehmes Thema ist. Es ist jedoch das Wesen von Politik und auch von Außenpolitik, dass die unangenehmen Themen nicht ausgeklammert werden sollten. Vielleicht wäre es möglich, Herr Staatssekretär, dass Sie uns dann in Ihrer Stellungnahme auf den laufenden Stand der Maßnahmen, die das Ministerium getroffen hat, bringen.

Es geht aber vor allem darum – das sage ich über diese leise Kritik hinaus –, dass si­chergestellt werden muss, dass eine vernünftige und im wohl abgewogenen Interesse der Republik stehende Visapolitik, die – und das möchte ich betonen – nicht darin be­stehen kann, möglichst überhaupt niemanden mehr hereinzulassen, dann auch in der Praxis von denen, die sie zu administrieren haben, durchgesetzt und eingehalten wer­den muss. Wir wissen, wie problematisch es ist, dass sich in wesentlichen Ländern des Balkans ein Bild ergibt, das die genau umgekehrte Situation wie in den meisten west­europäischen Ländern darstellt. In den westeuropäischen Ländern hat eine ältere Ge­neration begrenzte Reisen, aus welchen Gründen immer, unternommen und betrachtet nun mit einer Mischung aus Stolz und Neid die Tatsache, dass sich eine jüngere Gene­ration nahezu überall daheim fühlt – sei es in Berufsausübung oder auf Urlaub.

In jenen Ländern, die aus dem ehemaligen Jugoslawien entstanden sind, ist genau die umgekehrte Erfahrung die Realität. Da gibt es eine ältere Generation, die ganz Europa kennt, auch gerne darüber spricht, und es gibt eine jüngere Generation, die nichts von dem kennt, wovon ihre Eltern erzählen. Und beide, die Enttäuschung und der Neid, sind auf der Seite der jüngeren Generation, die sich in ihren Lebensmöglichkeiten un­fairerweise eingeschränkt fühlt. Das bedeutet nicht, dass jetzt die Forderung zu erhe­ben wäre, alle diese in Jahren entwickelten Systeme einfach über Bord zu werfen, aber es muss auch eine Folie sein, vor deren Hintergrund wir dieses Thema diskutieren, dass es hier um Menschen geht, die sowieso Europäer sind, aber die wir mittelfristig letztlich ja irgendwo zu Bürgern dieser Union machen wollen und denen wir die Erfah­rung, die Länder der Union kennen zu lernen, nicht bis zum Tag des Beitritts vorenthal­ten dürfen.

Das ist ein tief gehendes soziales, aber auch politisches Problem, denn dass dort – und ich nenne hier vorrangig natürlich Serbien, wo auch Wahlen anstehen –, wo es zu einer Konkurrenz, zu einer harten Konkurrenz und zu einer fundamentalen Konkurrenz zwischen jenen politischen Kräften kommt, die sich auf unser gemeinsames Europa hin orientieren ohne die Illusion, morgen Teil sein zu können, und den Kräften, die sich in einen verzweifelten, aber auch mörderischen Nationalismus zurückflüchten, dass in


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dieser Auseinandersetzung die Abkapselung des potentiellen europäischen Partners nicht der richtige Weg sein kann und auch nicht der Weg sein kann, sich an die Seite jener zu stellen, die dort für die Demokratie, für nichtnationalistische Haltungen und für eine europäische Orientierung stehen, das ist mir wichtig.

Wir müssen unser System in Ordnung halten und, wo notwendig, in Ordnung bringen, aber wir müssen die Geisteshaltung, aus der heraus sich dieses System entwickelt hat, auch daraufhin überprüfen, inwieweit es den Bedürfnissen nicht nur Österreichs, son­dern auch dieser Völker und dieser Menschen entspricht.

Es ist dieser Bericht natürlich ein Register der großen außenpolitischen Themen und Auseinandersetzungen, die nicht nur das Berichtsjahr geprägt haben, sondern die wei­terleben und weiter die außenpolitische Debatte bestimmen. Es ist mit Recht in diesem Bericht darauf hinzuweisen oder darauf hingewiesen worden – das ist, seitdem er ab­gefasst wurde, nicht besser geworden –, in welch schwieriger Situation sich die Euro­päische Union befindet. So begrüßenswert es ist, dass wir am 1. Jänner zwei neue Mitgliedstaaten, Bulgarien und Rumänien, in der Union begrüßen können, so sehr wir uns auf diese neuen Partner freuen und so sehr sich diese neuen Partner auf ihre Mit­gliedschaft freuen, ist es ebenso klar, dass durch diese zwei neuen Partner die Diskre­panz zwischen den Institutionen der Union und der Zahl der Mitgliedstaaten nur noch weiter auseinander klafft.

Der Versuch, ein neues System, ein neues Verfassungssystem zu schaffen, das auch noch bei einer wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten funktioniert, was Nizza-Europa zunehmend nicht mehr kann, ist leider in eine Sackgasse gelaufen, um es freundlich zu formulieren. Die Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages in den Niederlan­den und in Frankreich hat all jene, die noch sehr viel größere Probleme gehabt hätten, diesen Vertrag zu ratifizieren, in Wirklichkeit aufatmen lassen. Noch heikleren Partnern, Polen, dem Vereinigten Königreich, ist die Nagelprobe erspart geblieben. Und sie kön­nen sich relativ beruhigt zurücklehnen – auch Tschechien. Sie können sich allesamt entspannt zurücklehnen, weil sie nicht diejenigen sind, die den Prozess aufhalten. Der Prozess ist schon aufgehalten.

Wir haben alle große Hoffnungen auf die bevorstehende deutsche EU-Präsidentschaft; diese Last der Erwartungen drückt sie auch schon gebührend. Aber es muss der Pro­zess wieder in Gang gesetzt werden, wobei es eine gute Frage ist, mit welchem Sub­jekt und ob man – und ich persönlich zweifle daran – das abgelehnte Projekt noch ein­mal mit einem „Defi“ ins Leben zurückholen kann; das weiß ich nicht so recht. Ich habe da meine Zweifel. Es gibt aus vielen Ländern vor allem die Kritik an dem Wort „Verfas­sung“, so nach dem Motto, eine Verfassung haben wir schon: Wozu brauchen wir eine zweite?

Es gibt viele inhaltliche Fragen, die mit Recht noch einmal debattiert werden könnten, und es gibt viele politische Fragen, die im Zusammenhang mit diesem Projekt eigent­lich nur am Rande stehen, aber die deshalb Bedeutung haben, weil den Menschen, die in Frankreich und in den Niederlanden beim Referendum mit Nein gestimmt haben, der politische Inhalt europäischer Politik untrennbar erschien von den Formalien des euro­päischen Entscheidungsprozesses und der europäischen Verfassungsstruktur.

Bei allem Verständnis dafür, dass man nicht einfach sagen kann, machen wir weiter so, als ob nichts geschehen wäre, ist immerhin an einen Sachverhalt zu erinnern: Die­ser Verfassungsvertrag ist der Union nicht von außen appliziert worden, auch nicht vom Konvent. Das Projekt, das in vielen Staaten ratifiziert wurde, in zwei wichtigen nicht, geht zurück auf eine Einigung der Staats- und Regierungschefs, der Vertreter der Mitgliedstaaten. Es kann nicht so sein – und es würde einen peinlichen Blick auf die europäischen Entscheidungsträger ermöglichen –, wenn jene, die das beschlossen


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haben – und sie haben den Vorschlag des Konvents ja nicht unbedeutend abgeän­dert –, jetzt so tun, als hätten sie damit nichts zu tun gehabt. Es ist in der Formulierung ihr Projekt, nicht das des Konvents. Sie tragen die Verantwortung für den Text, alle 25. Auch jene, die vielleicht unter Druck einem Kompromiss zugestimmt haben, haben letztlich ihre Unterschrift darunter gesetzt. Und die Unterschrift von Staats- und Regie­rungschefs in Europa sollte eigentlich etwas wert sein – wäre zumindest zu hoffen.

Ich darf trotz leuchtenden Lämpchens mit ein paar Worten noch kurz auf ein zweites Thema eingehen, obwohl es natürlich bei der Reichhaltigkeit des Inhalts unendlich viele Anknüpfungspunkte für Debattenbeiträge gibt, auch deshalb, weil hier seit der Abfassung des Berichtes eine weitere Zuspitzung stattgefunden hat und die Frage, wann es zu einer Explosion kommt, durchaus gerechtfertigt ist, nämlich die Situation im erweiterten – wenn ich das so sagen darf – Nahen Osten. Bruno Kreisky, der der schlechteste Nahostpolitiker nicht war, hat immer vor allem vor einem gewarnt: vor dem Zusammenwachsen verschiedener Konfliktherde im Nahen Osten. Und genau dort sind wir heute. Wir erleben das völlige Scheitern der amerikanischen Politik im Irak.

Diese Politik hat keines der selbst gesteckten Ziele erreicht. Es gibt keinen demokrati­schen Irak, es gibt keinen friedlichen Irak, es gibt keinen Irak, der sich im Aufbaupro­zess befindet. Was es gibt, ist das Aufbrechen von Gräben, die es zwar immer irgend­wie gegeben hat, aber die jedenfalls in der Vergangenheit nicht dazu geführt haben, dass sich die Volks- und Religionsgruppen gegenseitig massakriert haben. Diesen Zu­stand hat die Intervention erfolgreich hergestellt.

Ich habe nicht die geringste Neigung, Saddam Hussein nachzutrauern, aber in der Wahrnehmung der Menschen dieses Landes konnten sie unter diesem blutigen Dikta­tor, sofern sie sich politisch nicht betätigt haben, zumindest friedlich und ohne Lebens­gefahr einkaufen gehen, ihre Kinder in die Schule schicken und das Leben normaler Bürger führen. Heute ist politisches Engagement kaum weniger riskant, aber das zivile Leben ist unmöglich geworden. Welche Folgerungen die einzelnen Bürgerinnen und Bürger des Irak daraus ziehen, da kann ich nur mutmaßen, aber es sind jedenfalls keine Folgerungen, die das Konzept der von Amerika, von den Vereinigten Staaten dort implantierten Demokratie unterstützen, und es sind keine Folgerungen, aus denen heraus sich dieses Land offenbar friedlich entwickeln könnte.

Wir erleben ein ähnliches Scheitern, wenn auch in geringerem Maße, im nahe gelege­nen Afghanistan, wo die internationale Mission – und diese hat im Gegensatz zum Irak die Staatengemeinschaft mitgetragen – relativ erfolgreich ist, wo es verstanden wurde, militärische Machtausübung, natürlich auch dort, mit entsprechendem Zugehen auf die Bevölkerung und zivilem Aufbau zu verbinden, und dass dort, wo seit der Niederrin­gung des Taliban-Regimes die Kampfhandlungen weitergehen, in Wirklichkeit auch der Gegner mit jedem Tag stärker und nicht schwächer wird.

Wir erleben – und auch das ist anzusprechen –, wie kontraproduktiv die Gesprächsver­weigerung gegenüber wichtigen Akteuren im Nahen Osten ist. So sehr uns alle die Holocaust-Konferenz in Teheran aufregt – trotzdem: Der Iran ist ein bedeutender Player in dieser Region. Mit ihm nicht zu sprechen ist ein schwerer politischer Fehler. Dasselbe gilt für das wahrlich auch nicht demokratisch verfasste Syrien, das gerade an der Grenze zum Irak, aber auch an der Grenze zu Israel ein Faktor ist, der nicht igno­riert werden kann.

Wenn ich mir die beiden wabernden Konfliktherde Irak und Afghanistan ansehe und jetzt zum Kernpunkt zurückkomme, zu dem, was man normalerweise unter Nahost-Konflikt versteht, also dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, so gibt es


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dort so wenig Ermutigendes wie auf den anderen Feldern dieses breiten Nahost-Kon­flikts.

Zu sagen, es sei einfach, ist zwar auf der einen Seite vermessen, aber trotzdem nicht falsch, denn es ist völlig klar: Dort leben zwei Völker, und es kann keine Frage sein, dass beide das Anrecht auf ihren jeweils eigenen Staat haben, der in Sicherheit und Frieden mit den anderen, aber auch mit den Staaten der Region leben können soll.

Der Versuch, diese Vision für einen der beiden, nämlich für Israel, unter Einsatz aller Gewaltmittel zu verwirklichen, ist kurzfristig immer gut gegangen. Langfristig kann er nicht gut gehen, wenn nicht auch die Aspirationen des zweiten Volkes Erfüllung finden. Ich habe nicht die Absicht, hier einen weiteren Friedensplan in die Welt zu setzen, es gibt mehr Friedenspläne als Frieden in dieser Region, was mit zu den Problemen ge­hört, aber es ist klar, dass das, was ein Palästinenser-Staat werden soll, über ein zu­sammenhängendes Staatsgebiet verfügen muss, sich selbst regieren können muss und alle Aspekte eines Staates erhalten muss. Dass das mit sicherheitspolitischen Ga­rantien verbunden sein muss, ist auch klar.

Es kann nicht sein, dass lange bevor diese nahe liegende, aber so fern stehende Lö­sung gefunden ist, das potentielle Gebiet dieses Staates zerstückelt wird, durch Mau­ern eingegrenzt wird und sich die Lebensbedingungen der Menschen in der Westbank oder in Gaza permanent verschlechtern. Ich hielte es für richtig, dass Österreich über das Maß an Engagement, worüber auch dieser Bericht durchaus korrekt Aufschluss gibt, hinaus hier an eine Tradition anknüpfen könnte, die nicht die schlechteste war, und versuchen soll, seine Möglichkeiten im Konzert mit den anderen Mitgliedstaaten der Union einzubringen, um doch einer Lösung näher zu kommen.

Wir wissen, die österreichische Außenpolitik ist nicht das, was die Welt bewegt, aber die österreichische Außenpolitik kann gerade deshalb, weil niemand diesem Land un­terstellen kann, dass es eigene machtpolitische Interessen vertritt, hilfreich sein und damit manchmal mehr bewirken als Große, deren Plänen und Vorschlägen die Macht­politik als sichtbares Markenzeichen anhängt. Diesen Versuch zu unternehmen, ihn immer wieder zu unternehmen ist verdienstvoll und notwendig, und wir sollten diese Bemühungen verstärken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen und der ÖVP.)

13.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 


13.07.39

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Punkt 5 der heutigen Tagesordnung betrifft, wie wir wissen, den Außenpolitischen Bericht 2005 der Bundesregierung. Begonnen hat es in diesem Jahr mit der Informationskampagne „Eu­ropa hört zu“, mit einer umfangreichen Diskussion über die Zukunft Europas. Da wurde eine Plattform geschaffen, Europa für den Bürger verständlicher und spürbarer zu machen. Dieses für den Bürger verständlichere Europa erfordert aber die Zusammen­arbeit aller Parteien in den nationalen Parlamenten. Im April wurden die Beitrittsver­träge mit Bulgarien und Rumänien unterzeichnet, wie mein Vorredner schon gesagt hat, und, lieber Herr Staatssekretär, der Schwerpunkt für den gesamten Balkan erwies sich als Volltreffer. Auch der nächstmögliche Beitritt von Kroatien ist für Österreich nicht nur historisch gesehen etwas, worauf wir uns freuen können.

Dieser hervorragende Außenpolitische Bericht ist auch immer wieder ein guter Leit­faden für uns alle, die sich mit schwerpunktmäßigen Themen der Außenpolitik beschäf­tigen. Er spart auch brisante Themen wie den Beitritt der Türkei nicht aus und die da-


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malige Aussage, dass die Türkei politisch, wirtschaftlich und strategisch ein wichtiges Partnerland ist, das wir möglichst eng an Europa sollen. Österreich unterstützt den Reformprozess in diesem Land nachhaltig. Die Frau Außenministerin und Österreich haben sich damals erfolgreich dafür eingesetzt, dass der EU-Beitritt der Türkei sehr eng mit der Aufnahmefähigkeit der Union verknüpft wurde. Das hat damals nicht jeder in Europa verstehen wollen, sage ich einmal, aber die Realität von heute hat diese Leute mittlerweile eingeholt.

Die weltweite Achtung und Stärkung der Menschenrechte als Eckpfeiler der österreichi­schen Außenpolitik bringt mich als Tiroler – no na net – zum Thema Südtirol.

Österreich als Schutzmacht und die gute Zusammenarbeit zwischen Landeshaupt­mann Durnwalder und Landeshauptmann van Staa sorgen gemeinsam dafür, dass es zu keiner Beeinträchtigung der sehr guten Autonomie Südtirols kommen wird. Da es aber gerade in der letzten Zeit wieder vermehrt Medienberichte zum Thema Südtirol und dessen damaligen Aktivisten beim Erkämpfen dieser Autonomie gibt, hier ein paar Gedanken von mir.

Meine Generation und die Jüngeren hier herinnen, die das Privileg der „späten Geburt“ genießen und diese Zeit nur aus Geschichtsbüchern oder Erzählungen kennen, sollten sich mit schnellen Urteilen über diese Zeit zurückhalten, bin ich der Meinung – umso mehr, als man das heute in Freiheit, Frieden, Sicherheit und ungestraft tun kann. Wir sollten eher versuchen, Brücken zu bauen, als alte Gräben und Wunden wieder aufzu­reißen.

Das Jahr 2005 war auch von den Vorbereitungen für die EU-Ratspräsidentschaft Ös­terreichs geprägt. Das erste Halbjahr 2006 brachte dann eine großartige Präsident­schaft und eine große Wertschätzung für unser Land und dessen Menschen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einen großen und von Herzen kommenden Dank an alle abstatten, die führend mitgearbeitet haben: alle Botschaften, alle Mitarbeiter des Außenamtes und viele mehr!

Vielen Dank für diesen Bericht. Wir von unserer Fraktion werden dem gerne zustim­men.

Einen Schlenker muss ich noch machen, lieber Kollege Schennach. (Bundesrat Schennach: Ich habe gar nichts gesagt!) Ich wünsche heute noch niemandem ein schönes Weihnachtsfest, weil wir uns vorher noch einmal sehen werden, aber ich wün­sche dir im Speziellen, dass du in deinem Umfeld zu Weihnachten keine soziale Kälte hast. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.12


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Schennach.

 


13.13.01

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Lieber Hans Ager, das war jetzt dermaßen kryptisch, dass ich dich ersuchen muss, mir das später zu erklären. Ich kann diese Worte nicht ganz verstehen.

Aber trotzdem, bevor ich zum Herrn Staatssekretär und zum Außenpolitischen Bericht komme, noch ein Wort: Lieber Kollege Ager, wenn ich deine Worte richtig verstanden habe, möchte ich etwas zurückweisen, auch als Tiroler: Die Bombenleger von damals, die so genannten Südtirolbumser, sind nicht die Architekten und waren niemals die Ar­chitekten dieser Autonomie, die heute herrscht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich habe das aus deinen Worten hier anders herausgehört. Ich möchte hier wirklich eine klare Grenzziehung vornehmen. Deine Worte waren, die Nachgeborenen sollen


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heute nicht über jene urteilen – und da ist das Wort gefallen –, die die Vorkämpfer dieser Autonomie waren. – Ich sage, sie waren es nicht.

Nun sind wir schon mitten im außenpolitischen Teil, weil wir Tiroler über Südtirol ja meistens nicht eine außenpolitische Debatte führen. Aber jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema, um an die Worte des Kollegen Konecny anzuschließen, Herr Staatssekretär. In einer Krisenregion, in der es mittlerweile eine Kettenreaktion von Konflikten gibt, zeigt sich eines und wird eines klar: Militärische Lösungen sind Inter­ventionen, aber sie sind nie tauglich, dauerhaften Frieden zu garantieren, wie wir es derzeit auch sehen.

Diese Aneinanderkoppelung von Konflikten vom Nahen Osten bis Afghanistan ist ge­geben. Letztlich wird durch den Afghanistan-Konflikt ja auch eine Teildestabilisierung Pakistans mit verursacht. Das zeigt, dass der gewählte, der eingeschlagene Weg eigentlich ein Super-GAU geworden ist.

Wir haben nun diesen Außenpolitischen Bericht vor uns liegen. Ich war übrigens in den letzten Tagen in einigen Botschaften in Wien zu Gesprächen. Das Interessante ist, dass bei jedem der Gesprächspartner – es waren eigentlich immer Frauen, also Ge­sprächspartnerinnen – hinten im Bücherregal der Außenpolitische Bericht gestanden ist. Das zeigt, dass er zu einem Fixum im Informationsverkehr zwischen den Staaten, aber auch für uns zu einer ganz wichtigen Informationsquelle geworden ist. Daher geht der Dank an alle, die daran gearbeitet haben!

Allerdings: Das Vorwort ist ja das Politische an diesem Bericht – sage ich jetzt einmal. Es zeigt die Politik der Amtsträgerin, und da gibt es interessante Dinge, aber auch Dinge, die zu kritisieren sind. Interessant ist natürlich der Schwerpunkt im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, die einen ganz bestimmten Spin, einen ganz bestimm­ten Fokus auch für Frauen und Kinder setzt.

In jenen Ländern, wo wir in der Entwicklungszusammenarbeit bilateral tätig sind, gibt es ja eine ganze Reihe von sozialen und ökonomischen Entwicklungsfeldern. Aber im­mer dort, wo Elend existiert, sind zwei Gruppen ganz besonders betroffen: Das sind die Frauen und die Kinder. Ihnen Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, ihnen Bildungs­möglichkeiten zu geben und das ganz speziell im Bereich der Entwicklungszusammen­arbeit zu fokussieren, ist von ganz immanenter und großer Bedeutung. Dass sich die Amtsträgerin dazu bekennt, halte ich für ausgesprochen begrüßenswert.

Wenn man die Zeilen des Vorwortes der Frau Außenministerin betreffend die Türkei liest, dann hat man das Gefühl, dass Österreich mittlerweile ungefähr das Verhältnis Großbritanniens zu den USA eingenommen hat. Österreich scheint jetzt irgendwie der Zwilling zur griechisch-zypriotischen Politik, was die Türkei betrifft, geworden zu sein. Die Türkei hat von Österreich oder zumindest von der Amtsträgerin und von dieser Bundesregierung, von der Minderheitsregierung, wie ich heute schon einmal gesagt habe, eigentlich nichts zu erwarten.

Das ist eine fatale Verkennung. Ich wundere mich angesichts des Gipfels letzte Wo­che, warum ausgerechnet die österreichische Außenministerin, die einem Übergangs­kabinett angehört, das noch dazu in der Minderheit ist, die Erste sein musste, die trium­phierend der Welt verkündet, es würden die Verhandlungen zu acht Kapiteln ausge­setzt und so weiter. Ich würde in der Position der Frau Außenministerin auf dem inter­nationalen Forum eher leisetreten, bis in der Heimat Klarheit über die Regierungsform geschaffen wurde. Dann kann man auch wieder laut werden.

Aber die „Politik der kalten Schulter“, die hier gegenüber der Türkei verfolgt wird, halte ich für grundsätzlich falsch. Ich halte sie auch deshalb für falsch, weil die Türkei für uns, letztlich für Europa ein Schlüssel wird. Wenn wir heute von Konflikten reden, die


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vom Nahen Osten bis nach Afghanistan gehen, dann haben wir einen zweiten riesigen Konfliktbereich. Das ist all das, was wir die Kaukasusregion nennen, wo es derzeit einen unglaublichen Interessenaufmarsch gibt. Einerseits ist dort ökonomisch die Tür­kei ein wichtiger Partner. Andererseits kommt das Gotteswort mit enorm viel Geld in diese Region, nämlich durch den Iran, und zum Dritten ist derzeit Russland auf dem Weg, ganze Staaten einzukaufen und aufzukaufen.

Gleichzeitig wird eine Politik durch die Amerikaner angezettelt, Pipelines durch Aser­baidschan zu verlegen, um noch dazu die Russen besonders in Rage zu bringen. Durch diese gesamte Region geht ein Großteil unserer Energiereserven, und hier spielt die Türkei eine maßgebliche wirtschaftliche und ordnungspolitische Rolle.

Das aber wird verkannt, und Europa betreibt der Türkei gegenüber beinahe eine Politik der Verhöhnung. Seit langer Zeit macht es der Türkei Hoffungen und auch der Bevöl­kerung dort Hoffungen und erzwingt dadurch tatsächlich auch Reformen – dafür brau­chen wir uns jetzt aber alle nicht zu beweihräuchern. Dass die Türkei große Reform­schritte setzen muss, ist klar. Letztlich verhandeln wir auf der einen Seite ein bisschen, auf der anderen Seite sagen wir im Herzen aber ohnehin, dass das schiefgehen wird und wir da irgendwie rausmüssen, aber irgendjemand hat das der Türkei versprochen, sie ist ein NATO-Land und so weiter und so fort.

Ich denke, dass wir damit eine historische, eine wirklich historische Chance auch im Sinne der Zusammenführung von Religionen vertun. Dass es möglich ist, innerhalb der Europäischen Union mit einem überwiegend islamischen Staat eine gemeinsame Zu­kunft zu bauen, das halte ich für eminent wichtig. Dass diese Form von Verhandlungen und auch diese Form der österreichischen Außenpolitik gegenüber der Türkei gelinde gesagt eine unfreundliche ist, möchte ich hier noch einmal festhalten. Das kommt auch in den Zeilen des Vorworts zu diesem Bericht eindeutig zum Ausdruck.

Was die EU-Verfassung betrifft, so ist Kollege Konecny bereits darauf eingegangen: Es ist natürlich schon besonders bitter, wenn ausgerechnet zwei Gründungsstaaten der EU, und erlauben Sie mir, dass ich hier diesen Unterschied zwischen nachkommenden Mitgliedstaaten und Gründungsstaaten mache, weil die Gründungsstaaten noch vor dem Hintergrund der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und geprägt durch das Spe­zialverhältnis der deutsch-französischen Geschichte von einem besonderen Willen zu einem gemeinsamen Europa getragen waren, dass also ausgerechnet zwei Grün­dungsstaaten nein gesagt haben. Das fällt in den Berichtszeitraum dieses Berichts und verhält sich auch anders, als das in diesem Bericht zu lesen ist.

Ich befürchte wirklich, dass die EU-Verfassung, so wie wir sie hier beschlossen haben, im Grunde gestorben ist. Ich sage hier laut und deutlich: Wenn wir sie in die Verantwor­tung der Staats- und Regierungschefs zurückgeben, dann ist sie erst recht gestorben, denn eine Verfassung kann nie von den Fürsten von oben dekretiert werden – das sind nämlich die Staats- und Regierungschefs, und so gebärden sie sich auch in diesen Fragen –, sondern sie kann nur von unten kommen. Und deshalb war der Konvent der­maßen wichtig, und deshalb darf diese Chance nicht vorübergehen. Es ist schade, dass das Zepter jetzt wieder bei den Staats- und Regierungschefs ist. Wenn es dort bleibt, dann werden wir noch lange auf eine Verfassung warten. Wir haben damals hier mit ganz großer Mehrheit dieser Verfassung zugestimmt, und dies ihre Schwächen wohl erkennend, aber sie war immerhin ein Fundament, auf dem ein Haus errichtet werden kann.

Kollege Konecny hat es ebenfalls angeschnitten: Man kann nicht die erste Zusammen­kunft des Bundesrates nach der Wahl, nach bestimmten Ereignissen und zu einem außenpolitischen Thema verstreichen lassen und die Frage der Entwicklung im so ge­nannten – ich betone das wirklich: im so genannten – Visaskandal nicht ansprechen.


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Wir haben ein abgeschlossenes Verfahren. Wir haben derzeit 5 Verfahren laufen; 14 Verfahren sind zurückgelegt worden. Es gibt seit letzter Woche eine Verhaftung, wobei interessanterweise der Verhaftete in eines der zurückgelegten Verfahren invol­viert war.

Herr Staatssekretär! Bei 400 000 Visa ist niemals auszuschließen, dass das eine oder andere Mal auch Missbrauch betrieben wird. Überall, wo Menschen arbeiten, aber auch wo Maschinen arbeiten, können Fehler passieren. Ich bin tief davon überzeugt, dass hier – und ich habe mich selbst in Belgrad und in der Ukraine davon überzeugen können – Maßnahmen getroffen wurden. Auch personelle Entscheidungen wie bei­spielsweise der neue Botschafter in Belgrad sind für mich Garanten, dass der Visa-Skandal, wie er geschehen ist, nicht noch einmal passieren wird.

Mich interessiert aber: Was sind Ihre generellen Regelungen? Wie mir scheint, drängt dieses Call-Center, das Sie entwickeln, möglicherweise die Skandale zurück, aber es führt auch zu neuen Härten, sozialen Härten des Wartens, politischen Härten, wenn nämlich zum Beispiel die Republik Österreich, wie geschehen, eine sehr berühmte Per­sönlichkeit zu einem Kongress einlädt, die dann ins Call-Center hineingerät. Nur mehr durch Intervention war es für sie möglich, ein Visum zu bekommen, weil sie so nicht zum Zuge gekommen wäre, weil eben das Call-Center seine eigene Routine entwi­ckelt. Es erhebt sich also die Frage: Wie schaffen wir es, den Missbrauch so weit wie möglich hintanzuhalten, ohne dabei neue Barrieren, neue Mauern aufzubauen?

Generell ist es von besonderer Bedeutung, dass das gesamte Visa-Regime mit Süd­osteuropa irgendwann aufhört, abgeschafft wird. Ich bin überglücklich gewesen, als ich hörte, dass seitens der EU für die jungen Menschen Albaniens, für die jungen Men­schen Serbiens und die jungen Menschen zweier weiterer Staaten Südosteuropas die Visumpflicht aufgehoben wird. Endlich eine Perspektive für Bosnien, endlich eine Per­spektive für Serbien, für Albanien, für die jungen Leute dort, die im Grunde alle von einem EU-Ausland umzingelt sind, an dem sie nicht partizipieren, in dem sie keine Zu­kunft sehen können. Prinzipiell halte ich diese Vorgangsweise der EU für richtig, ob­wohl jetzt in der Umsetzung schon wieder neue Hürden da zu sein scheinen.

Herr Staatssekretär! Generell halte ich es für abenteuerlich, dass wir zum Beispiel die Menschen aus Bosnien nach wie vor völlig unterschiedlich behandeln. Wer ein bosni­scher Kroate ist mit kroatischem Zweitpass, braucht kein Visum, während ein Bosniake aus Bosnien ein Visum braucht. Es sind Bürger ein und desselben Staates. Das ist unerträglich, unerträglich auch für die inneren Verhältnisse dieses Staates. Sie sagen selbst, und das hat auch die frühere Außenministerin so gesehen, und auch Innen­minister Ernst Strasser und seine Nachfolgerin haben gesehen, dass das unerträglich ist und dass wir hier einen Schritt weiterkommen müssen. Und letztlich müssen wir das mit Gesamtsüdosteuropa. Irgendwann, so hoffe ich, werden auch die Schlangen vor der österreichischen Botschaft in Zürich ein Ende finden, nämlich die Schlangen derer, die durch den Schengen-Raum durchreisen müssen, um in ihre Heimat zu kommen. Dass Österreich in Zürich für das Konsulat ein neues Haus gebraucht hat, weil die Schlangen in der Stadt Zürich so unerträglich geworden sind, ist ja eigentlich ein Witz, und ebenso, dass es sich dabei immer wieder um dieselben Menschen handelt, die ein bisschen durch Österreich durchfahren müssen, um in ihre Heimat zu gelangen.

Wir sagen: Unser Fokus, unsere Zukunft liegt auch in Südosteuropa und letztlich auch die der EU. Wir haben hier ein großes Loch innerhalb der EU, und das heißt Bosnien, Serbien, Mazedonien und Montenegro. Europa beziehungsweise die EU hat, ob sie das will oder nicht, dort unten bereits ein Gebiet indirekt erworben, und das ist der Ko­sovo. Der Kosovo unterliegt letztlich der Verantwortung der Europäischen Union. Wir sollten hier relativ rasch zu Lösungen finden, und zwar zu ökonomischen und weniger zu militärischen. – Ich war jetzt innerhalb kurzer Zeit zweimal in allen Militärlagern so-


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wohl im Kosovo als auch in der República Srpska und in Bosnien-Herzegowina. – Die Militärpräsenz kostet so viel Geld, das wir viel sinnvoller ins Ökonomische und in ein friedliches Zusammenwachsen investieren könnten.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen in den letzten Jahren einmal in Bilbao war. Ich kann nur jedem raten: Fliegen Sie nach Bilbao! Flyniki macht es möglich, dass das sehr günstig ist. Dort können Sie sehen, was es heißt, Geld in eine Region zu stecken und mit einer wirtschaftlichen, ökonomischen Entwicklung im Grunde den Terrorismus auszudörren. In der Region Bilbao-Baskenland will heute niemand mehr in ein Gefängnis kommen, weil er sich als Terrorist betätigt, sondern man will teilhaben an der Entwicklung. Im übertragenen Sinn und natürlich in einer ganz anderen Dimension ist das letztlich auch eine Chance für Südosteuropa.

Dieser Weg ist zwar in dem Bericht, den wir heute zu diskutieren haben, im Prinzip an­gelegt, aber ich erwarte mir für die Zukunft, dass Österreich hier viel, viel mehr unter­nimmt und jenseits von Lippenbekenntnissen beziehungsweise symbolischen Gesten – es sind ja nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern auch symbolische Gesten – zum Mo­tor dieses Heimholens Südosteuropas ins gemeinsame Haus Europa wird, denn dahin und nirgendwo anders hin gehört Südosteuropa. – Danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.31.21

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der Außenpo­litische Bericht – und da wiederhole ich bereits Gesagtes – ist wie die letzten Berichte Ihres Hauses wieder sehr übersichtlich und informativ gestaltet. Ich möchte auch, nicht weil es Routine ist, sondern aus tiefer Wertschätzung den Mitarbeitern und Mitarbeite­rinnen Ihres Hauses für diesen Bericht meinen Dank aussprechen. (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wenn man auf das Jahr 2005 zurückblickt, dann haben wir wahrscheinlich noch alle die fürchterliche und verheerende Katastrophe durch das Seebeben in Südostasien zu Beginn des Jahres in Erinnerung. Ich möchte die Gelegenheit hier nutzen, um mich bei allen Österreicherinnen und Österreichern nochmals zu bedanken, die mitgeholfen haben, das Leid der betroffenen Menschen ein wenig zu lindern. Viele Projekte sind durch österreichische Hilfsorganisationen möglich geworden. Und viele sind auch noch nicht abgeschlossen, was auch durchaus vernünftig ist, weil es sich ja sinnvollerweise um langfristige Projekte handelt. Diese Region, meine Damen und Herren, wird noch für längere Zeit unsere Unterstützung brauchen. Auch die Hilfsorganisationen, die in diesen Regionen tätig sind, brauchen weiterhin unsere tatkräftige Unterstützung.

Legt man auf 2005 und insbesondere auf die erste Jahreshälfte des Jahres 2005 den europäischen Fokus, dann sieht man natürlich die negativen Referenden zur EU-Ver­fassung. Ich möchte jetzt gar nicht mehr näher darauf eingehen, weil meine Vorredner dieses Thema schon behandelt haben. Ich möchte nur eines festhalten, und das ist zu­gleich auch meine ganz feste persönliche Überzeugung: dass wir diese Verfassung brauchen, sie sogar sehr notwendig und dringend brauchen, um als Europa der 27 wirklich handlungsfähig zu sein und zu bleiben. Man muss eigentlich sagen, dass wir dann in dieser Europäischen Union handlungsfähig sind zu 27. Es macht aus meiner Sicht auch keinen Sinn, bevor es ein adäquates Regelwerk für diese Europäische Uni­on gibt, bevor nicht wirklich eine Verfassung in einer Form vorhanden ist, die von der Mehrheit der Bevölkerung in Europa getragen wird, die Erweiterung voranzutreiben.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 78

Herr Staatssekretär! Die Frau Minister geht in ihrem Vorwort auf die Europaskepsis der Österreicher ein und betont dabei die von ihr initiierte Kampagne „Europa hört zu“. Ja, es ist natürlich wichtig, dass man Öffentlichkeitsarbeit in dieser Form betreibt, um die Skepsis zu mindern und Europa als positiv und offen darzustellen. Ich bin aber über­zeugt, dass es noch viel, viel notwendiger ist, den Bürgern die europäische Politik posi­tiv und ehrlich zu präsentieren.

Im politischen Alltag ist es leider auch fast schon zur politischen Routine geworden, dass die Europäische Union allzu leicht und allzu einfach – und da nehme ich keine po­litische Couleur aus – zum Sündenbock gemacht wird. Dann darf man sich auch nicht wundern, wenn bei den Bürgern in Österreich EU-Skepsis entsteht. Es liegt also auch in einem starken Ausmaß an uns selbst, an uns Mandataren, an allen, die politische Verantwortung tragen, auch nach außen zu dieser Europäischen Union zu stehen und nicht nur hier im Haus, wenn es um Verfassungs- oder Erweiterungsprozesse geht. Wir müssen dieses Europa, unser Europa auch positiv nach außen vertreten und der Be­völkerung auch verdeutlichen, was uns dieses Europa an Positivem gebracht hat.

Im zweiten Teil meines Debattenbeitrags komme ich jetzt auf ein anderes Thema zu sprechen, und das ist schon ein bisschen ein Sprung. Es geht um die Entwicklungs­arbeit. Positiv, und das möchte ich gleich zu Beginn anmerken, ist, dass in den letzten Jahren die Mittel für Entwicklungsarbeit gestiegen sind. Diese Erhöhung war notwendig und aus meiner Sicht auch schon längst überfällig. Eine gute Entwicklungspolitik hat natürlich sehr, sehr hoch gesteckte Ziele und soll sich auch hohe und anspruchsvolle Ziele setzen. Eine Welt ohne Armut, ohne gewaltsame Konflikte und ohne ökologische Zerstörung ist natürlich ein Wunschtraum. Das Ziel einer engagierten Entwicklungspoli­tik muss es aber sein, diesem Ideal ein Stück näher zu kommen. Entwicklungspolitik muss dazu beitragen, die Armut zu bekämpfen, den Frieden zu sichern und die Reich­tümer dieser Welt gerechter zu verteilen.

Wenn ich als positiv hervorhebe, dass die Ausgaben in diesem Bereich gestiegen sind, schließe ich mich auch den Ausführungen des Kollegen Schennach an. Auch ich halte es für sehr, sehr positiv, dass speziell Projekte gefördert wurden, die die Frauen, die die Stellung der Frau in den Gesellschaften der Entwicklungsländer in den Mittelpunkt stellen. Das ist ein guter und wichtiger Schritt in der österreichischen Entwicklungspoli­tik.

Dennoch ist es leider so, dass Österreich bei den Ausgaben für die Entwicklungsarbeit noch nicht im Spitzenfeld, bei Weitem noch nicht im Spitzenfeld zu finden ist. Das sieht man sehr gut, wenn man sich europäische Vergleiche anschaut und uns dabei vor al­lem mit den skandinavischen Ländern vergleicht. Ich denke, das gesetzte Ziel, 0,7 Pro­zent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsarbeit auszugeben, sollten wir möglichst rasch und in rascheren Schritten erreichen, als das geplant ist. Die Schritte, wie Sie das Ziel der 0,7 Prozent erreichen wollen, sind auch noch nicht ganz klar und deutlich definiert.

Geben wir der Entwicklungspolitik bitte jenen Stellenwert, der ihr zusteht, denn eine gute Entwicklungspolitik hilft allen Menschen. Ich bin auch der Meinung, dass unser Wohlstand zu einer engagierten Entwicklungspolitik verpflichtet. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.38


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 


13.38.41

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit einigen Sätzen zu Wort melden. Kollege


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 79

Schennach hat in Bezug auf Südtirol auch eine Bemerkung gemacht. Wir alle müssen etwas wissen, meine Damen und Herren, und das sage ich als Tiroler mit voller Über­zeugung: Südtirol braucht Österreich! Das ist ein ganz wichtiger Faktor, den wir bitte nicht vergessen dürfen, und ich bin dankbar, dass das Außenministerium sich so inten­siv damit befasst und darum kümmert, und ich bin auch dankbar, dass auch der Bun­desrat da immer einer Meinung ist. Wir müssen wissen, dass jeder Mensch einmal das Gefühl des Alleinseins erlebt. Es geht auf und ab im menschlichen Leben. Und die Südtiroler sollen nicht das Gefühl haben, allein gelassen zu werden von Österreich, denn vom Wohlwollen Italiens dürfen sie nicht abhängig sein. Das sage ich als Tiroler und bedanke mich beim Bundesrat für das Verständnis, wenn ich dieses Thema an­schneide. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.39


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


13.40.16

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Zu Beginn möchte ich mich ebenfalls für die umfassende Arbeit, die zur Erstellung dieses Berichts erbracht wurde, bedanken. Es ist auch mir aufgefallen, dass in dem Bericht auf den Visa-Skandal nicht eingegangen wurde, obwohl durch die Medien laufend neue unfassbare Details in der Visa-Affäre bekannt wurden. So wurde beispielsweise Anfang Dezember 2005 be­kannt, dass neben den österreichischen Konsulaten in Budapest, Belgrad und Buka­rest, wo in den Jahren 2002 und 2003 offenbar Tausende illegale Visa gegen Entgelt ausgestellt wurden, zuletzt auch die österreichische Vertretung in Kiew ins Visier der Fahnder gekommen ist. Innerhalb eines Jahres sollen in Kiew 28 000 illegale Visa aus­gestellt worden sein. Eine Sprecherin des Außenministeriums ließ dazu wissen, dass sie mögliche Verfehlungen von einzelnen Mitarbeitern nicht ausschließe. Man fragt sich schon, was das für Menschen sein müssen, die die Notlage anderer ausnützen, um sich selbst zu bereichern. Es geht nicht um Visa für Vergnügungsreisen, sondern oft um die letzte Hoffnung von Menschen, die glauben, ihr Leben in der EU verbessern zu können, und sich deshalb zu illegalen Mitteln hinreißen lassen.

Korruption in jeder Form ist abzulehnen und muss bekämpft werden. Es wird erwartet, dass in der Verwaltung Ordnung geschaffen wird. Es würde mich freuen, wenn im nächsten Bericht erwähnt würde, dass diese Problematik aus der Welt geschaffen wer­den konnte.

Beim Anschauen des Berichts ist mir auch aufgefallen, dass die Ostzusammenarbeit und die österreichische Entwicklungszusammenarbeit in einem gemeinsamen Kapitel verquickt wurden. Entwicklungszusammenarbeit und Ostzusammenarbeit haben mei­nes Erachtens aber wenig miteinander zu tun, denn die Bedürfnisse der Bewohner im Osten und Südosten sind grundsätzlich andere als in den Entwicklungsländern.

Österreich würde es auch gut anstehen, eine stärkere Berücksichtigung der Interessen behinderter Menschen in der Entwicklungsarbeit einzufordern. Dass das Haus gute Arbeit leistet, ist unbestritten. Wo die Politik im außenpolitischen Bereich jedoch ihre Schwerpunkte setzt, ist meiner Meinung nach leider oft nur schwer erkennbar.

Ich bedanke mich nochmals bei Ihnen, Herr Staatssekretär, und bei Ihrem Mitarbeiter­stab für die Erstellung des Berichts 2005. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich er­teile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 80

13.43.51

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich dem allgemeinen Lob über den Außenpolitischen Bericht 2005 an­schließen, der von den Beamten des Bundesministeriums für auswärtige Angelegen­heiten wieder in hervorragender Art angelegt worden ist. Ich darf auch bitten, diesen Dank zu übermitteln.

Bei meiner letzten Rede zum Außenpolitischen Bericht 2004 habe ich eine Ergänzung angeregt, und die ist diesmal noch nicht berücksichtigt worden, dass man nämlich Grundsatzreden in einen Anhang gibt, damit man auch weiß, was die Intentionen der österreichischen Außenpolitik und selbstverständlich auch der Europapolitik sind.

Besonders erwähnenswert im Bericht, und damit bin ich wieder beim Lob, sind die Länderberichte und selbstverständlich auch der statistische Teil.

Nun zu den diversen Ausführungen zum Außenpolitischen Bericht. Leider ist Kollege Schennach nicht da, aber es steht ja dann in meiner Rede drinnen. Ich möchte doch auch für das Militär eine Lanze brechen, denn eines muss man mit Blick auf den Bal­kan schon festhalten: Hätte es die Einsätze der NATO und jetzt der Europäischen Uni­on in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo nicht gegeben, dann hätten sich dort die bürgerkriegsähnlichen Situationen beziehungsweise der echte Bürgerkrieg weiter fort­gesetzt. Das hätte zu wesentlich mehr Opfern geführt, als es sowieso schon gegeben hat. Ich darf nur daran erinnern, dass vor elf Jahren in Bosnien-Herzegowina das Mas­saker von Srebrenica stattgefunden hat. Bei den Gutmenschen ist es immer sehr be­liebt, zu sagen, man könnte doch das Geld für das Militär in die Wirtschaft oder in die Ausbildung investieren. In solchen Situationen, wie sie am Balkan waren, ist es aller­dings schon notwendig, dass dort zuerst das Militär mit einer robusten Streitkraft hin­eingeht. Nach einem Waffenstillstand kann man diesen Sektor wieder abbauen. In die­sem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass die Streitkräftestärken sowohl im Kosovo als auch in Bosnien-Herzegowina in der Zwischenzeit massiv reduziert worden sind. Auf Weiteres werde ich in einem späteren Teil meiner Rede noch eingehen.

Von Professor Konecny wurde über die Europaverfassung gesprochen. Hiezu wäre grundsätzlich anzumerken, dass 16 Länder die EU-Verfassung ratifiziert haben, sei es in Volksabstimmungen, sei es durch die Parlamente. Über diese 16 kann man auch nicht so hinweggehen. Hier wäre schon, und vielleicht gelingt das ja auch der deut­schen Präsidentschaft, ein Weg zu finden, dass doch die wesentlichen Intentionen in Kraft treten und wirksam werden können. Damit sind wir aber wieder in der Grundsatz­diskussion drinnen, die wir in der EU auch auf anderen Gebieten haben, nämlich bei den zwei Geschwindigkeiten. Es gibt Länder, die schneller voranschreiten wollen, und andere, die dann immer wieder als Bremser auftreten. Insbesondere das Einstimmig­keitsprinzip, das bei vielen Dingen in der EU gilt, ist natürlich ein entsprechender Bremsfaktor. Wenn ich etwas nicht will, findet sich schon jemand, der ein Veto einlegt. Daraufhin können die anderen, die Willigen nicht weiter voranschreiten. Daher setze ich auch die Hoffnung in die deutsche Präsidentschaft, die vielleicht einen Weg findet, wie Europa doch noch eine Verfassung bekommen könnte.

Als weiterer Problembereich ist die EU-Integration der Türkei angeschnitten worden. Es ist schon richtig, dass man der Türkei durch Jahrzehnte hindurch mehr oder weni­ger die Wurst vor die Nase hingehalten und diese dann immer im entscheidenden Mo­ment – um bei dem Beispiel zu bleiben – weggezogen hat. Nunmehr ist man in Ver­handlungen eingetreten, und hier muss ich schon grundsätzlich sagen, dass die Tür­ken mit der Europäischen Union das Ankara-Protokoll unterschrieben haben. Da steht eben drinnen, dass bestimmte Schritte seitens der Türkei zu setzen sind. Diese Schrit­te, zum Beispiel die Öffnung der Häfen für Schiffe, aber auch für Flugzeuge, sind nicht


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 81

gesetzt worden. Dass die Türken ein bisschen ein schlechtes Gewissen haben, hat man ja am Angebot von voriger Woche gesehen, als sie gesagt haben, dass sie bereit sind, für Zypern einen Hafen und einen Flughafen zu öffnen, wobei von vielen gesagt wurde, dass das so ganz klar dann doch nicht dringestanden ist.

Ich war im Zuge meiner militärischen Laufbahn sehr oft in Zypern. Ich habe gesehen, wie das zwischen Norden und Süden dort läuft. Da muss ich schon eines sagen: Ich finde, das ist für Europa eine ausgesprochene Schande, dass man in einem Teil Euro­pas noch so mit den Menschen aus dem Norden und Süden umgeht. Man könnte jetzt ironisch sagen, dass Zypern geographisch zu Asien gehört – das mag schon sein –, aber kulturell gehört Zypern auf jeden Fall zu Europa. Schließlich wurde die aus den Wellen steigende Aphrodite im Süden das erste Mal beobachtet.

Das Nächste war, dass Kollege Schennach die Visaöffnung empfohlen hat. Ich möchte den Grünen zu bedenken geben, nachdem ich seit dem 1. Oktober ihre Äußerungen gehört habe, dass sie zwar keineswegs in eine Regierung eintreten wollen – okay –, uns aber immer gute Ezzes anbieten, wie man die Regierungstätigkeit wahrnehmen sollte. Da würde ich dann schon eines sagen: Wenn Sie solche guten Ezzes geben, dann sagen Sie doch bitte der ÖVP oder der SPÖ, dass Sie in eine Regierung drän­gen. Das tun Sie aber nicht. – Das ist das Erste. (Bundesrätin Konrad: Was wollen Sie von uns?)

Das Zweite, das ich Ihnen noch sagen möchte, ist, und das sollten Sie bitte schon be­rücksichtigen: Sollte man Ihrer Politikidee folgen, dann stärken Sie in sämtlichen Staa­ten Europas den rechten Rand. Und da frage ich mich bei Ihnen auch, ob Sie das wirk­lich wollen. Aber bitte, Sie können darüber wahrscheinlich die nächsten vier Jahre nachdenken.

In dem, was zum Irak, zu Afghanistan gesagt worden ist, gebe ich Ihnen Recht, Herr Professor. Es besteht die Gefahr, dass die Konfliktherde zusammenrinnen werden, aber es wäre auch schön, wenn für einzelne Gebiete endlich eine Lösung gefunden werden könnte. Und da ist dann eben die Frage, wer souveräne Staaten, teilsouveräne Staaten zu einem bestimmten Verhalten zwingen kann. Wenn Sie da eine Lösung parat hätten, wäre ich Ihnen zweifelsohne dankbar.

Nun zu meiner eigentlichen Rede, wie ich sie ein bisschen vorkonzipiert habe. Ich werde nunmehr ein paar Kürzungen vornehmen.

Grundsätzlich ist zur Außenpolitik zu sagen, dass es dabei massiv um Europapolitik geht. In der Europapolitik haben wir die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In diesem Zusam­menhang hat Österreich selbstverständlich in Zusammenarbeit mit der EU auf den verschiedensten Sektoren und in den verschiedensten Teilen der Welt Hervorragendes zustande gebracht. Einerseits haben wir mitgewirkt in Indonesien, auf der Insel Suma­tra in Aceh, wir haben aber auch den Palästinensern ein bisschen geholfen am ägyp­tischen Gazastreifenübergang, wir bilden Polizisten aus, andererseits sind wir auch an der Grenze zwischen Moldawien und der Ukraine tätig und so weiter, und so fort.

Daraus ersieht man eines, wenn ich bitte Darfur noch ergänzen darf, dass nämlich die EU ungefähr in einem Umkreis von 4 000 Kilometern, wie das in den neunziger Jahren einmal fixiert worden ist, tätig ist. Dies führt dazu, dass man sich grundsätzlich einige Gedanken machen muss, wie es in der Welt und wie es in der Außenpolitik weitergeht. Um es kurz zu machen, darf ich hiezu das Buch von Francis Fukuyama „Staaten bau­en“ oder „State building“ empfehlen. Darin geht es darum, und damit bin ich wieder bei dem vom Kollegen Schennach Ausgeführten, ein bisschen zumindest, dass es nicht darum geht, nur militärisch die Kräfte einzusetzen, sondern dass es, wenn der militä­rische Einsatz zum Erfolg geführt hat, sehr wichtig ist, dass dann im so genannten zivil-


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 82

militärischen Bereich – das ist ein Fachausdruck – damit begonnen wird, weiter vorzu­gehen, Staaten im wahrsten Sinne des Wortes zu bauen. Es gilt, die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit aufzubauen und den Leuten die Abhaltung von sauberen Wahlen beizubringen, denn es ist sehr, sehr wichtig, dass nicht jede Wahl angefochten werden muss. Dann muss es noch schrittweise gelingen, die Staatsgewalt aus der Hauptstadt hinaus auf das gesamte Land zu erstrecken.

Es gibt einige Beispiele, wo das dringend notwendig wäre. Das wäre Palästina, das ist aber sicher auch in Afghanistan gegeben – da stimme ich Ihnen zu, Herr Professor – und dann natürlich auch in anderen Ländern wie zum Beispiel im Sudan, wo es not­wendig wäre, dass die staatlichen Autoritäten entsprechend gestärkt würden.

Zuletzt möchte ich noch auf ein Problem eingehen, das mir sehr am Herzen liegt. Ich bitte auch die österreichische Außenpolitik, auf diesem Gebiet tätig zu werden. Es geht um die Weiterentwicklung des Völkerrechts vor allem in folgende Richtung: Wir haben jahrhundertelang darum gekämpft, Militär- und Zivilbereich auseinander zu halten. Bei den Kampfformen, wie sie jetzt im Irak angewandt werden, wie sie in Afghanistan zu beobachten sind, aber auch in Palästina, in Darfur und Somalia gibt es wieder eine Vermischung von Zivilbereich und Kämpfern. Darunter leidet vor allem die Zivilbevölke­rung, und deswegen ist es meiner Ansicht nach ein ganz besonders dringendes Pro­blem, dass sie entsprechend geschützt wird, denn wir wissen heute auch, dass die Symbole Rotes Kreuz, Roter Halbmond und so weiter missbraucht werden, um ge­wisse militärische Aktionen zu setzen. Wenn dieses Anliegen bei Ihnen gutes Gehör fände, würde mich das sehr freuen. Ich weiß natürlich, dass das ein sehr, sehr langfris­tiger Prozess ist.

Zuletzt möchte ich mich noch einmal bei Ihnen, Herr Staatssekretär, und Ihren Beam­ten herzlich für den Bericht bedanken. Ich hoffe, dass der nächste Bericht vielleicht die eine oder andere Ergänzung aufweisen wird. Ich stelle auch noch einmal fest, dass meine Fraktion diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis nimmt. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

13.55


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Winkler. – Bitte.

 


13.55.39

Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ho­her Bundesrat! Zuerst möchte ich mich auch im Namen wirklich aller Beamtinnen und Beamten und Vertragsbediensteten im Außenministerium sehr herzlich für die anerken­nenden Worte bedanken. Ich werde das gerne weiterleiten, denn es versteht sich von selbst, dass dieser Bericht nur durch das Zusammenwirken von sehr vielen entstehen kann, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland, weil selbstverständlich auch die Botschaften ihren Beitrag leisten.

Ich freue mich auch ganz besonders, dass wir jetzt offensichtlich auch mit dem Format, das sich über die Jahre entwickelt hat, doch weitgehend Zustimmung finden. Ich selbst war wahrscheinlich an allen Außenpolitischen Berichten mit beteiligt und weiß, wie sehr wir auch darum gerungen haben, das richtige Mittelmaß zwischen zu viel und zu wenig zu finden.

In diesem Zusammenhang gleich Folgendes, um etwas zu einem formalen Beitrag von Bundesrat Kühnel zu sagen: Wir haben uns sehr wohl überlegt, auch Annexe mit Dokumenten beizuschließen. Ich denke aber, auch im Interesse der Handlichkeit ist es wahrscheinlich besser, wenn wir es bei einem relativ kompakten Format belassen. Ich


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 83

darf auch darauf verweisen, dass sich gerade die Reden sowohl der Ministerin als auch des Staatssekretärs auf der, wie ich glaube, sehr gelungenen und guten Website des Außenministeriums sehr aktuell und sehr schnell finden, was auch einen Aktuali­tätsvorteil hat.

Damit komme ich auf ein zweites Problem zu sprechen, das auch in einer Reihe von Beiträgen angeklungen ist, nämlich die Aktualität des Berichts. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Bericht, der zwangsläufig erst einige Monate, nachdem das Berichts­jahr vorbei ist, erstellt und vollendet werden kann, sich mit Themen aus einer Sicht­weise befasst, die vielleicht schon überholt ist. Dieses Phänomen kennen wir auch aus den vergangenen Jahren, dass man, wenn man den Bericht dann liest, und das hat schon vor acht oder zehn Monaten stattgefunden, den Eindruck bekommt, dass man da etwas nicht weitergeführt hat. Man kann das aber nicht weiterführen, wenn man über ein bestimmtes Jahr berichtet, und das gilt ganz besonders für die Frage der Visa.

Ich darf daran erinnern, dass die Visa-Kommission etwa Ende November vergangenen Jahres eingesetzt wurde, dass die Ergebnisse der Visa-Kommission erst im Jahr 2006, im Frühjahr 2006 vorlagen, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Berichts hauptsächlich noch unaufgearbeitete Fälle und schwebende Verfahren gegeben hat und es daher nicht opportun erschien, sozusagen mitten im Beginn dieser Verfahren einen kleinen Teil in den Bericht 2005 aufzunehmen. Selbstverständlich wird diese Frage ausführlich im Bericht über das Jahr 2006 enthalten sein.

Zur Frage der Visa selbst: Ich bedanke mich wirklich sehr herzlich auch bei Bundesrat Schennach und bei allen anderen für die doch sehr ausgewogene Sichtweise. Wir ha­ben uns leider auch mit Medienberichten auseinandersetzen müssen, die überzogen, die falsch waren, die völlig außerhalb der Perspektive lagen.

Ich habe unlängst, erst vor wenigen Tagen, in einer österreichischen Tageszeitung wieder von zwei Dutzend Beamten gelesen, die in Budapest und Belgrad angeblich jetzt vor dem Staatsanwalt stünden. Da werden Schlepper und auch Unternehmungen, die auch involviert sind, dazugemischt, da werden lokal ansässige Personen einge­rechnet. Wir alle kennen das unsägliche und unglückselige Problem der lokalen „Visa-Helfer“ – zwischen Anführungszeichen – etwa in Belgrad, gegen die wir schon x-mal interveniert haben, die wir angezeigt haben. Es kommen immer noch Anzeigen in den Zeitungen, es stehen immer noch lokal ansässige Personen vor den Botschaften und bieten sich als „Helfer“ an. Das sind natürlich Dinge, die mit dem österreichischen Außenministerium und mit den Beamtinnen und Beamten des österreichischen Außen­ministeriums nichts zu tun haben.

Ich bin daher Bundesrat Schennach sehr dankbar dafür, dass er auch die Zahlen ge­nannt hat. Ich meine, es hat sich jetzt wirklich bewahrheitet, was wir immer gesagt ha­ben, dass es sich nämlich um Einzelfälle handelt, um bedauerliche Einzelfälle. Glauben Sie mir, und ich sage das noch einmal, ich habe das hier auch schon einmal gesagt, es gibt niemanden, den das mehr ärgert als die anständigen Beamten des Außenministe­riums und die Führung des Außenministeriums, die Ministerin, den Generalsekretär und mich. Wir haben größtes Interesse, dass die Dinge aufgeklärt werden und dass die richtigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Ich meine, viele Konsequenzen, die gezogen worden sind, viele der Maßnahmen greifen auch bereits. Wir werden leider, so fürchte ich, das liegt in der Natur der Sache, das Problem von Irregularitäten wahr­scheinlich nicht ganz beseitigen können. Jedenfalls wird es sicherlich im nächsten Jahr im Bericht eine ausführliche Darstellung der Vorgänge, aber auch der lessons learned, also der Schlussfolgerungen, die wir daraus gezogen haben, geben.

Herr Professor Konecny hat mir eigentlich aus der Seele gesprochen, als er sagte, wir müssten uns mehr noch als bisher darum bemühen, dass wir gerade den Bürgerinnen


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 84

und Bürgern der Staaten des Balkans eine Perspektive auch in der Art und Weise ge­ben, dass wir es vor allem den jungen Leuten ermöglichen zu reisen. Das ist völlig rich­tig. Mehr als 70 Prozent aller Serben waren noch nie im westlichen Ausland. Auf der anderen Seite ist aus heutiger Sicht und wahrscheinlich mittelfristig auch zu bedenken, dass es natürlich auch andere Überlegungen gibt, die mit der Sicherheit zu tun haben, die mit unerwünschter illegaler Immigration zu tun haben, die mit Verbrechen zu tun haben und mit der Bekämpfung des Verbrechens. Hier muss eine Balance gefunden werden. Es ist aber wichtig, dass wir die Zukunft dieser Länder, also die jungen Leute, vor allem Studentinnen und Studenten, Schülerinnen und Schüler, verstärkt in einer Art und Weise behandeln, dass sie auch nicht die Illusionen verlieren.

Gerade hier hat sich Österreich in vorbildlicher Weise dafür eingesetzt, dass genau das geschieht. Wir sind eines jener Länder in der Europäischen Union, die sich besonders für die Visa Facilitation, also für Visa-Erleichterung einsetzen.

Ich erinnere daran – es war vielleicht auch nur eine Geste, Herr Bundesrat Schennach, aber es war eine schöne Geste –, dass am letzten Tag der österreichischen Präsident­schaft die Außenministerin in Belgrad mehrere hundert Visa sozusagen zur Verfügung gestellt hat, damit junge Leute mit ebenfalls zur Verfügung gestellten Eurorail-Pässen auch nach Europa, nach Westeuropa fahren können.

Ihre langfristige Vision, Herr Bundesrat Schennach, teile ich durchaus mit Ihnen. Die langfristige Vision nämlich, die allerdings auch eine langfristige ist, dass es ein freies Europa auch in dem Sinne gibt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger frei bewegen können und dass eines Tages alle diese Länder bei der Europäischen Union sind, eines Tages alle diese Länder bei Schengen dabei sind. Das ist durchaus eine Vision, der ich etwas abgewinnen kann. Mittelfristig müssen wir jedoch die richtige Balance finden zwischen den notwendigen Sicherheitsinteressen unserer Bevölkerung und dem durchaus nicht zu leugnenden Bedürfnis der Menschen in diesen Ländern, zu reisen und die Segnungen der freien Demokratien auch in Anspruch zu nehmen.

Herr Bundesrat Konecny! Sie haben den Nahen Osten sehr ausführlich angesprochen. Ich müsste jetzt hier sehr viel dazu sagen, es ließe sich auch sehr viel dazu sagen. Ich teile Ihre Auffassung, dass der Nahe Osten eine Region ist, die gesamthaft gesehen werden muss, dass die Gefahr, dass die Konflikte ineinander fließen, durchaus gege­ben ist. Ich möchte auch den Libanon erwähnen – ich glaube, Sie haben ihn nicht er­wähnt –, weil er sicherlich auch ein Thema ist, das hier hineinspielt. Einer der Schlüs­sel, nicht der einzige Schlüssel, aber ein wichtiger Schlüssel, ist natürlich die Lösung des palästinensisch-israelischen Konfliktes. Die Europäische Union versucht hier, so gut sie kann und so gut es für letztlich ja Außenstehende möglich ist, positive Beiträge zu leisten.

Ich möchte hier schon auch darauf hinweisen, dass durchaus auch in Anknüpfung an eine österreichische Tradition – natürlich kommt mir auch Bundeskanzler Kreisky in den Sinn – eine aktive österreichische Nahostpolitik betrieben wird. Die Außenministe­rin war, wie Sie wissen, gerade jetzt wieder im Nahen Osten. Österreich hat sich wäh­rend der Präsidentschaft besonders bemüht, diesem Thema die entsprechende Bedeu­tung zu geben. Kommissarin Ferrero-Waldner bemüht sich sehr, hier auch einen Aus­gleich zu finden, also einerseits den Palästinensern die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, andererseits aber auch die Prinzipien der Europäischen Union nicht zu verra­ten. Das sind schwierige Drahtseilakte. Hier ist natürlich letztlich auch die Einflussmög­lichkeit beschränkt, auch die der Europäischen Union, vor allem aber auch die eines Landes wie Österreich. Ich gebe jedoch all jenen Recht, die sagen, wir müssen es dennoch versuchen. Wir müssen eine aktive Politik betreiben, und ich denke, genau das tun wir auch.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 85

Die Frage Türkei ist von mehreren Sprechern angeschnitten worden. Ich vermag in der Position der Außenministerin, wie sie jetzt erst wieder vertreten worden ist, und in den Äußerungen, die dazu auch von der Regierungsseite gemacht werden, keinen Bruch zu erkennen. Es ist eine konsequente Haltung seit dem 3. Oktober 2005. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Herr Bundesrat Schennach! Ich verstehe Ihren Einwand nicht ganz, dass diese, wie Sie sie nennen, anti-türkische Haltung schon aus dem Vorwort zu erkennen sei. Da ist ein einziger kurzer Absatz über die Türkei enthalten und da steht – ich zitiere nur einen Satz –: „Auch die Türkei ist politisch, wirtschaftlich und strategisch ein wichtiges Part­nerland, das wir möglichst eng an Europa anbinden wollen.“ Ich halte das für eine ge­radezu pro-türkische Äußerung, und ich kann Ihnen versichern, ich habe das x-mal selbst erlebt. Nicht nur mir gegenüber, aber insbesondere auch der Außenministerin gegenüber ist der türkische Außenminister äußerst dankbar auch für die sehr konstruk­tive Haltung, denn Österreich hat immer mit offenen Karten gespielt, und ich glaube, das ist richtig. Österreich hat immer gesagt: Es ist uns wichtig, dass sich die Türkei möglichst an den Werten Europas orientiert. Das ist in unserem strategischen, außen­politischen, politischen Interesse.

Wir müssen die beste Strategie finden, um das sicherzustellen. Die beste Strategie ist nicht notwendigerweise am Ende eines möglicherweise, sogar sicher sehr langen Pro­zesses, dessen Ausgang ungewiss ist, zu finden, sondern es ist wichtig, dass wir jetzt auch durch die Verhandlungen erreichen, dass dieses Land Fortschritte macht, die es diesem Land auch erlauben, sich enger an Europa anzuschließen.

Ich darf daran erinnern, dass es Österreich, unter österreichischem Vorsitz war, dass die ersten zwei Kapitel der Verhandlungen eröffnet und wieder geschlossen wurden. Man hat uns damals vor allem auch innenpolitisch vorgeworfen, warum das ausgerech­net unter österreichischem Vorsitz geschehen muss. Wir sind das, was man einen honest broker nennt und haben bona fide diese Verhandlungen begonnen.

Es ist auch wichtig, dass die Verhandlungen weitergehen. Es ist ja nicht so, dass die Außenministerin einen totalen Abbruch der Verhandlungen verlangt hätte. Es war ein vernünftiger Vorschlag, der auf den Vorschlägen der Kommission basierte und sich an diesen orientiert hat. Die Kommission war es, die vorgeschlagen hat, jene acht Kapitel nicht auf Eis zu legen oder zu suspendieren, die sich mit der Frage des Handels mit Zypern befassen. Ich halte das für eine sehr vernünftige Position, und Österreich und die österreichische Außenpolitik werden mit Sicherheit diesen Weg weitergehen.

Dass Zypern eindeutig Europa ist, ist schon deswegen unbestritten, weil ja nach Arti­kel 49 des Vertrages über die Europäische Union nur europäische Länder der Europäi­schen Union beitreten können.

Selbstverständlich gilt der Grundsatz Pacta sunt servanda für beide Seiten. Er gilt für die Türkei, natürlich aber auch für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das heißt, auch die Union muss ihre Versprechungen, ihre vertraglichen und sonstigen Ver­pflichtungen einhalten. Das gilt selbstverständlich auch für Zypern.

Herr Präsident! Ich darf meine Unterlagen zu Rate ziehen. Es waren doch sehr viele Themen, wofür ich natürlich sehr dankbar bin. – Südtirol wurde wiederholt erwähnt, wofür ich auch sehr dankbar bin. Südtirol beschäftigt mich auch in meiner eigenen Karriere – auch als Völkerrechtler – schon sehr lange.

Ich möchte hier eines klipp und klar sagen, und das bedarf eigentlich keiner eigenen Erwähnung: Österreich ist nicht nur politisch, sondern auch in einem völkerrechtlich verpflichtenden Sinne Schutzmacht, und das unabhängig davon, ob das noch irgendwo besonders verankert wird oder nicht. Österreich ist schon auf Grund des Pariser Ver-


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trags Schutzmacht für die Interessen der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol und wird das auch bleiben. Ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung, Herr Bundesrat: Südtirol braucht Österreich. Österreich weiß das, und Österreich wird Südtirol niemals im Stich lassen! Das ist eine unbestreitbare und eine unbestrittene außenpolitische Tatsache, die von jeder Regierung, wie auch immer sie aussehen wird, selbstverständ­lich erfüllt werden wird.

Nur ein Wort vielleicht noch, weil das auch von mehreren Sprechern angeschnitten wurde, auch Herr Bundesrat Kühnel hat es angesprochen. Ich persönlich finde, man sollte zivile und militärische Missionen nicht gegeneinander ausspielen. Die Europäi­sche Union hat rund drei Dutzend Missionen, davon mehr zivile als militärische. Alles zu seiner Zeit! Es hat selbstverständlich auch Sinn und es war auch notwendig, in manchen Gebieten militärische Missionen der Europäischen Union einzurichten, und ich sage auch als jemand, der das sehr aus der Nähe beobachtet hat und auch vom völkerrechtlichen Standpunkt aus: in manchen Fällen zu spät! Letztlich waren es die Amerikaner, die den Jugoslawien-Konflikt beendet haben, obwohl es eigentlich die Auf­gabe der Europäer gewesen wäre, hier einzugreifen.

Man hat aus diesen Erfahrungen gelernt. Heute werden die meisten Missionen, die noch unter NATO- oder unter UNO-Führung sind, soweit sie Europa betreffen, in von der Europäischen Union geführte Missionen umgewandelt – ich darf an Bosnien und Herzegowina erinnern. Im nächsten Jahr wird der Hohe Beauftragte Schwarz-Schilling einen Doppelhut haben, das heißt, es wird zu einer europäischen Mission werden. Es werden die „Bonn Powers“ abgebaut werden, und dieses Land soll endlich an den Sta­tus eines modernen Staates herangeführt werden, der dann auch die entsprechenden Verträge mit der Europäischen Union schließen kann. Das halte ich für wichtig. Eine gewisse Präsenz, auch eine militärische Präsenz wird jedoch auch weiterhin in Bos­nien-Herzegowina notwendig sein.

Das Gleiche gilt für den Kosovo. Kosovo wird wahrscheinlich die größte zivile Mission der Europäischen Union sein, die es jemals gegeben hat. Bis zu 1 000 Leute werden dort eingesetzt, um vor allem die Rechtsstaatlichkeit und das Justizwesen aufzubauen.

Insgesamt haben gerade auch im Jahre 2005 und bis jetzt auch im Jahr 2006 die Mög­lichkeiten der Europäischen Union, zivil und militärisch sozusagen im eigenen Haus Ordnung zu machen, stark zugenommen. Ich darf aber daran erinnern, dass die Missi­onen nicht nur in Europa stattfinden, sondern dass zum Beispiel die Europäische Union ganz wesentlich und auch militärisch dazu beigetragen hat, dass die ersten demokrati­schen Wahlen im Kongo stattfinden konnten. Ich darf daran erinnern, dass die Euro­päische Union – wie sich herausstellt, nicht genug – zum Beispiel im Sudan engagiert ist, wo fürchterliche Menschenrechtsverletzungen passieren, wo man sich überlegen müsste, ob man nicht verstärkt auch militärisch tätig werden sollte.

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die europäische Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik ist also gesamthaft zu sehen, und hiebei sollte nicht militärisch gegen zivil ausgespielt werden.

Herr Präsident! Es ließe sich wahrscheinlich noch sehr viel gerade auch zu den hier diskutierten Themen sagen. Ich habe sicherlich das eine oder andere Thema, das an­gesprochen wurde, nicht erwähnt. Ich bitte dafür um Entschuldigung.

Ich darf mich noch einmal sehr herzlich für die Anerkennung bedanken. Glauben Sie mir, sie tut uns gut. Wer freut sich nicht, wenn seine Arbeit, die geleistet wurde, für gut befunden wird?

Ich darf diese Gelegenheit auch dazu nützen, da es wahrscheinlich auch das letzte Mal ist – in diesem Jahr! (Heiterkeit) –, dass ich hier an dieser Stelle stehe, Ihnen allen ein


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 87

schönes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr zu wünschen. – Danke schön. (All­gemeiner Beifall.)

14.13


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Gegenpro­be. – Stimmenthaltung? – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

14.14.396. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2007

 


Präsident Gottfried Kneifel: Nunmehr gelangen wir zu Punkt 6 der Tagesordnung.

Da mit 1. Jänner 2007 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Salzburg übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsandte Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Manfred Gruber, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vor­nehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wäh­lenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Jürgen Weiss lautet.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 88

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Ich danke Ihnen allen für das Vertrauen und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählen­den Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Ich danke vielmals für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Sissy Roth-Halvax, Mag. Susanne Neuwirth, Josef Saller und Ernst Winter für das erste Halbjahr 2007 zu Schriftführern beziehungsweise Schriftführerinnen des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Bundesrätin Roth-Halvax, Bundesrat Konecny im Namen der Fraktion für Bundesrat Mag. Neuwirth sowie die Bundesräte Saller und Winter nehmen die Wahl an.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Karl Boden, Dr. Franz Eduard Kühnel und Eva Konrad für das erste Halbjahr 2007 zu Ordnern des Bundes­rates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Boden und Dr. Kühnel sowie Bundesrätin Konrad nehmen die Wahl an.)

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt 15 Anfragen eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, 20. Dezember 2006, mit Beginn um 12 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.


BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 89

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, 20. Dezember 2006, mit Beginn um 10 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

14.19.59Schluss der Sitzung: 14.20 Uhr

 

 

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