Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

741. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Mittwoch, 31. Jänner 2007

 

 


Stenographisches Protokoll

741. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 31. Jänner 2007

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 31. Jänner 2007: 13.02 – 20.06 Uhr

*****

Tagesordnung

Erklärung der Bundesregierung

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens der Bundesministerin für Inneres Liese Prokop               ................................................................................................................................. 5

Ansprache des Präsidenten Manfred Gruber ............................................................. 5

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Adelheid Ebner sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat          ................................................................................................................................. 6

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Gabriele Mörk sowie Wahl eines Mitgliedes und zweier Ersatz­mitglieder in den Bundesrat ....... 8

Angelobung der Bundesräte Peter Florianschütz und Renate Seitner ...................... 9

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 5

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Betrauung seiner Person mit der Fortführung der Verwaltung des Bundesministeriums für Inneres bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung durch den Bundes­prä­sidenten ......................................................................................... 9

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Amtsent­hebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregierung


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 2

sowie der Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, des Staatssekretärs im Bun­des­ministerium für auswärtige Angelegenheiten, des Staatssekretärs im Bun­des­ministerium für Finanzen, des Staatssekretärs im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und der Staats­sekretäre im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie durch den Bun­despräsidenten .................................................................. 10

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Ernennung seiner Person zum Bundeskanzler, von Mag. Wilhelm Molterer zum Vizekanzler und Bundesminister für Finanzen, von Dr. Ursula Plassnik zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, von Dr. Claudia Schmied zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, von Dr. Andrea Kdolsky zur Bundes­ministerin für Gesundheit und Frauen, von Günther Platter zum Bundesminister für Inneres, von Dr. Maria Berger zur Bundesministerin für Justiz, von Mag. Nor­bert Darabos zum Bundesminister für Landesverteidigung, von Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft, von Dr. Erwin Buchinger zum Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, von Werner Faymann zum Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie, von Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, von Doris Bures zur Bundes­ministerin ohne Portefeuille, von Dr. Johannes Hahn zum Bundesminister ohne Portefeuille, von Dr. Reinhold Lopatka zum Staatssekretär und von Heidrun Silhavy zur Staatssekretärin zu seiner Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung, von Dr. Hans Winkler zum Staats­sekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, von Dr. Chris­toph Matznetter zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Finanzen, von Christa Kranzl zur Staatssekretärin zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Verkehr, Inno­vation und Technologie und von Christine Marek zur Staatssekretärin zur Unter­stützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit durch den Bundespräsidenten .................................................... 10

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 11

Verhandlungen

Erklärung der Bundesregierung ..................................................................................... 12

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer ..................................................................... 12

Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................ 17

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 12

Redner/Rednerinnen:

Landeshauptmann Dr. Jörg Haider ....................................................................  22, 49

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 30

Albrecht K. Konecny .............................................................................................. ..... 37

Ludwig Bieringer .................................................................................................... ..... 40

Ing. Siegfried Kampl .............................................................................................  42, 88

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 45

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................ ..... 46

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 52

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................ ..... 55


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 3

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 57

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 59

Bundesminister Werner Faymann ....................................................................... ..... 61

Bundesminister Dr. Johannes Hahn .................................................................... ..... 62

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 66

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 70

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 71

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 74

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ..... 79

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ................................................................... ..... 81

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 83

Mag. Susanne Neuwirth ......................................................................................... ..... 84

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ..... 89

Jürgen Weiss ........................................................................................................... ..... 91

Reinhard Todt ............................................................................................................... 94

Sissy Roth-Halvax ........................................................................................................ 96

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 99

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 103

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 105

Reinhard Jany ......................................................................................................... ... 107

Bundesrat Ewald Lindinger ................................................................................... ... 108

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung und Umsetzung des Regie­rungsprogramms – Annahme (E 219-BR/06)          39, 109

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kärntner Ortstafeln – Ablehnung ..........................................................................................  69, 109

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 4

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Österreichische Strategie zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BINE) (2467/J-BR/06)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Österreichische Strategie zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BINE) (2468/J-BR/06)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Land-, forst- und was­serwirtschaftliches Rechenzentrum (LFRZ) (2469/J-BR/06)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Handhabung der von der Schweiz nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zu leistenden Vergütung (2470/J-BR/06)

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Schulintegration in Tirol (2471/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Wahlversprechen ihrer Vorgängerin: Sicherung der Zukunft der ehemaligen Laborschimpansen in Gänserndorf (2472/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Nationalpark Thayatal (2473/J-BR/07)

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend notwendige Änderungen in der Waisenpension (2474/J-BR/07)

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wis­sen­schaft und Kultur betreffend Aufnahmeprüfungen an öffentlichen AHS (2475/J-BR/07)

Ing. Reinhold Einwallner, Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Nichtraucherschutz (2476/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für TeilnehmerInnen des freiwilligen so­zialen Jahres für Jugendliche (2477/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Handhabung des Konsultationsmechanismus (2478/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausbau der Bahnstrecke Bregenz–St. Gallen (2479/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vignetten­pflicht für den Pfändertunnel (2480/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erhöhung des Bestandentgeltes für öffent­liches Wassergut (2481/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Einrichtung eines Frauen­gesundheitszentrums (2482/J-BR/07)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Ernst Winter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherheitsstudie für Sportgroßveranstaltungen (2264/AB-BR/07 zu 2460/J-BR/06)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Biopatent-Monitoring-Komitee (2265/AB-BR/07 zu 2461/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Entsorgungsrichtlinien asbesthältiger Eternitplatten (2266/AB-BR/07 zu 2463/J-BR/06)


13.02.15


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 5

Beginn der Sitzung: 13.02 Uhr

 


Präsident Manfred Gruber: Ich eröffne die 741. Sitzung des Bundesrates.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie ersuchen, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

13.02.29Trauerkundgebung

 


Präsident Manfred Gruber: Es ist nun auf den Tag genau schon einen Monat her, dass die frühere Bundesministerin für Inneres Liese Prokop verstorben ist, und noch immer stehen wir unter dem Eindruck der besonderen Tragik ihres Todes. Mit ihrer außergewöhnlichen Gabe, auf Menschen zuzugehen, und ihrem unermüdlichen Engagement hat die Verstorbene die Geschicke der Republik bis zuletzt bei den Koalitionsverhandlungen entscheidend geprägt.

Ich bitte Sie, in dieser Minute der Frau Bundesministerin Liese Prokop in stiller Trauer zu gedenken. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.)

Ich danke Ihnen für die Trauerkundgebung. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

*****

 


Präsident Manfred Gruber: Das Amtliche Protokoll der 740. Sitzung des Bundesrates vom 20. Dezember 2006 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. Bernhard Baier, Gottfried Kneifel, Harald Reisenberger, Helmut Wiesenegg und Franz Wolfinger.

13.03.00Ansprache des Präsidenten

 


13.03

Präsident Manfred Gruber: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf Sie zur ersten unter Salzburger Vorsitzführung stehenden Plenarsitzung herzlichst begrüßen. Besonders begrüßen darf ich Herrn Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer (allgemeiner Beifall), der in den Jahren 1991 bis 1993 selbst dem Bundesrat angehörte und heute zu seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler hierher zurückgekehrt ist. Herzlich willkommen noch einmal!

Herr Bundeskanzler! Ich darf dir anlässlich deiner Rückkehr (allgemeine Heiterkeit – Bundesrat Mag. Himmer: Das kommt vielleicht noch!) – als Bundeskanzler! – einen Kräuterschnaps aus dem Kloster Gut Aich am Wolfgangsee, wo wir unsere Über­nahmefeier gehabt haben, überreichen. Dort hat man einen Kräuterlikör kreiert im Zusammenhang mit einem Bundeskanzler, der in St. Gilgen sehr oft Urlaub gemacht hat. Die Form der Flasche hat nichts damit zu tun, aber es ist der „Kanzler-Likör“. Ich möchte ihn dir überreichen und dir alles Gute wünschen. (Präsident Gruber überreicht unter Beifall der SPÖ-Bundesräte Bundeskanzler Dr. Gusenbauer eine Flasche Likör.)


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 6

Ich begrüße mit allem Respekt Herrn Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer (allgemeiner Beifall), die Mitglieder der Bundesregierung und den Herrn Landeshauptmann von Kärnten Dr. Haider. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße höflichst Sie, meine Damen und Herren auf den Zuhörerplätzen, sowie die Vertreter der Medien.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, möchte ich noch von dieser Stelle aus meinem Vorgänger, Bundesrat Gottfried Kneifel, danken. Er sowie die Bürgermeister der Wolfgangsee-Gemeinden, die Fremdenverkehrsverantwortlichen haben in Anwe­sen­heit der beiden Landeshauptleute Burgstaller und Pühringer für eine gelungene, von Symbolen getragene Amtsübergabe gesorgt.

Dieser mächtige Schlüssel (hält den besagten Schlüssel in die Höhe), geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wird in Zukunft an den jeweiligen Präsidenten weiter­gegeben. Gut informierte Kreise vermuten, dieser Schlüssel öffnet sämtliche Türen des Hohen Hauses, möglicherweise sogar das Haupttor.

Um die Vorsitzführung durch Salzburg auch öffentlich sichtbar zu machen, wurde am Dach des Parlaments die Salzburgfahne gehisst. Unterstützt haben mich dabei die Präsidentin des Nationalrates Mag. Prammer, Landeshauptfrau Mag. Burgstaller sowie Kollegin Mag. Neuwirth. Damit war auch sichergestellt: Bei dieser Klettertour auf das Parlamentsdach war die Quote übererfüllt!

Ein weiteres Signal aus Salzburg, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, sind Original Salzburger Mozartkugeln. Mit diesen süßen Verführern möchte ich das Mozart-Jahr 2006 in Erinnerung rufen – ein äußerst erfolgreiches Jahr für Salzburg. Neben dem Kunst- und Kulturgenuss gab es in Salzburg in diesem Jahr 4 500 neue Arbeits­plätze – mehr als in den fünf Jahren davor, die Arbeitslosenrate ging auf 4,5 Prozent zurück – sowie ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent, auch einen Nächtigungs­rekord, wobei die Stadt Salzburg die Schallmauer von 2 Millionen Nächtigungen durch­brochen hat.

Die heutige Plenarsitzung des Bundesrates in Absprache mit dem Präsidium dient in erster Linie der Entgegennahme der Regierungserklärung durch die Bundesregierung sowie der Diskussion darüber.

Landeshauptfrau Mag. Burgstaller, aber auch ich werden aus Respekt vor der heutigen Tagesordnung bei der nächsten Sitzung des Bundesrates am 16. Februar Erklärungen abgeben.

13.08

13.08.26Einlauf

 


Präsident Manfred Gruber: Eingelangt sind Schreiben des Niederösterreichischen Landtages und des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise die Wahl von zwei Mitgliedern des Bundesrates und drei Ersatzmitgliedern.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandats­verzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes:


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 7

Anlage 4:

„Der Landtag von Niederösterreich

3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, Haus la

Ltg.-W-5/6-2007                                                                                    XVI. Gesetzgebungsperiode                                                                                                                                   Tagung 2006/07

Betreff: Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates

Herrn

Präsident des Bundesrates

Manfred GRUBER

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 42. Sitzung am 25. Jänner 2007 folgen­de Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates durchgeführt:

auf Vorschlag des Klubs der Sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Nieder­österreichs

Renate SEITNER

(Mitglied anstelle von Adelheid Ebner)

Johann PICHLER

(Ersatzmitglied für Renate Seitner)

Ich beehre mich, den Bundesrat hievon in Kenntnis zu setzen.

St. Pölten, am 25. Jänner 2007

Der Präsident des Landtages von Niederösterreich:

(Mag. Edmund Freibauer)“

*****

zu Anlage 4:

„Bundesrätin

Adelheid EBNER

3665 Gutenbrunn 150                                           Gutenbrunn, 18. Jänner 2007

Herrn

Präsidenten

des Landtages von NÖ

Mag. Edmund FREIBAUER

Landhausplatz 1

3109 St. Pölten

Sehr geehrter Herr Präsident!

Infolge der Mandatsrücklegung durch LAbg. Karin KADENBACH hat mich die Zustel­lungsbevollmächtige der Sozialdemokratischen Partei Niederösterreich mit Schreiben vom 18. Jänner 2007 der Landeswahlbehörde für das freiwerdende Landtagsmandat namhaft gemacht. Ich erlaube mir daher mitzuteilen, dass ich für den Fall meiner Angelobung als Abgeordnete zum NÖ Landtag mein Mandat als Mitglied des Bundes­rates mit dem Zeitpunkt der Angelobung zurücklege.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 8

Mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen“

*****

„Bgm. Johann Pichler

3860 Heidenreichstein

Dr.-A.-Schärf-Str. 14

An den

Präsidenten des Landtages von NÖ

Landhausplatz 1

3109 St.Pölten                                                         Heidenreichstein, am 18. Jänner 2007

Betrifft: Rücklegung Ersatzmitglied Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich erkläre hiermit, das ich mit Wirksamkeit vom 25. Jänner 2007 auf meine Funktion als Ersatzmitglied für den Bundesrat verzichte.

mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Pichler“

*****

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und zweier Ersatzmitglieder:

Anlage 5:

„JOHANN HATZL

ERSTER PRÄSIDENT

DES WIENER LANDTAGES

Herrn

Präsident des Bundesrates

Manfred GRUBER                                                                              Wien, 26. Jänner 2007

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

00210-2007/0001-MDSALTG

Wahl eines Mitgliedes und zweier Ersatzmitglieder des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das an neunter Stelle gereihte Mitglied des Bundesrates Gabriele Mörk und das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied Laura Rudas sowie das an erster Stelle gereihte Ersatzmitglied Sandra Frauenberger haben ihr Mandat im Bundesrat am 24. Jänner 2007 zurückgelegt.

Auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates wurden in der Sitzung des Wiener Landtages vom 26. Jänner 2007 als neues Mitglied für die neunte Stelle Peter Florianschütz und als an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied Abgeordneter Kurt Wagner, als neues Ersatzmitglied für die erste Stelle Abgeordnete Katharina Schinner gewählt.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 9

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl“

*****

13.08.56Angelobung

 


Präsident Manfred Gruber: Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Frau Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


13.09.20

Schriftführerin Mag. Susanne Neuwirth: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Mag. Neuwirth leisten Bundesrat Peter Florianschütz (SPÖ, Wien) und Bundesrätin Renate Seitner (SPÖ, Niederösterreich) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

Ich gratuliere. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Manfred Gruber: Ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Manfred Gruber: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteil­ten Anfragebeantwortungen 2264/AB bis 2266/AB beziehungsweise des Schreibens des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend die Betrauung mit der Fort­füh­rung der Verwaltung des Bundesministeriums für Inneres durch den Bundes­präsiden­ten und der Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend die Amtsenthebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Mitglieder der Bun­desregierung und der Staatssekretäre durch den Bundespräsidenten sowie die Ernen­nung der neuen Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretärinnen bezie­hungsweise Staatssekretäre durch den Bundespräsidenten verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 4)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Betrauung mit der Fortführung der Verwaltung des Bundesministeriums für Inneres gemäß Artikel 71 B-VG:

Anlage 1:

„Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 10

An den

Präsidenten des Bundesrates                                                         Wien, am 2. Jänner 2007

Parlament

1017 Wien                                                                                               GZ 350.000/0002-IV/8/2007

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 2. Jänner 2007 gemäß Artikel 71 Bundes-Verfassungsgesetz bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mich mit der Fortführung der Verwaltung des Bundesminis­teriums für Inneres betraut hat.

Mit besten Grüßen“

*****

Amtsenthebung der Bundesregierung und der Staatssekretäre:

Anlage 2:

„REPUBLIK ÖSTERREICH

DER BUNDESKANZLER                                                 A-1010 Wien, Ballhausplatz 2

                                                                                                      Tel. Nr. (++43)-1-53115/    

An den

Präsidenten des Bundesrates                                                         Wien, am 11. Jänner 2007

Parlament

1017 Wien                                                                                GZ: BKA-350.000/0004-IV/8/2007

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 11. Jänner 2007, GZ 300.000/2-BEV/07, die mit der Führung der Verwaltung betraute Bundesregierung sowie die Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, den Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, den Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und die Staatssekretäre im Bun­desministerium für Verkehr, Innovation und Technologie vom Amt enthoben hat.

Mit besten Grüßen“

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Ernennung der Bundesregierung gemäß Artikel 70 Absatz 1 B-VG, der Bundesminister ohne Portefeuille gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 B-VG und der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 B-VG:

Anlage 3:

„REPUBLIK ÖSTERREICH

DER BUNDESKANZLER                                                 A-1010 Wien, Ballhausplatz 2

                                                                                                      Tel. Nr. (++43)-1-53115/    

An den

Präsidenten des Bundesrates                                                         Wien, am 11. Jänner 2007

Parlament

1017 Wien                                                                                GZ BKA-350.000/0004-IV/8/2007

Sehr geehrter Herr Präsident!


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 11

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 11. Jänner 2007, GZ 300.100/3-BEV/07, mich gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt hat.

Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfas­sungs­gesetz auf meinen Vorschlag Herrn Mag. Wilhelm MOLTERER zum Vizekanzler und zum Bundesminister für Finanzen, Frau Dr. Ursula PLASSNIK zur Bundes­ministerin für auswärtige Angelegenheiten, Frau Dr. Claudia SCHMIED zur Bundes­ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Frau Dr. Andrea KDOLSKY zur Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Herrn Günther PLATTER zum Bundesminister für Inneres, Frau Dr. Maria BERGER zur Bundesministerin für Justiz, Herrn Mag. Norbert DARABOS zum Bundesminister für Landesverteidigung, Herrn Dipl. Ing. Josef PRÖLL zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Herrn Dr. Erwin BUCHINGER zum Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Herrn Werner FAYMANN zum Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Herrn Dr. Martin BARTENSTEIN zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit sowie gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Doris BURES zur Bundesministerin ohne Portefeuille und Herrn Dr. Johannes HAHN zum Bundesminister ohne Portefeuille ernannt.

Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Dr. Reinhold LOPATKA zum Staatssekretär und Frau Heidrun SILHAVY zur Staatssekretärin ernannt und mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben, Herrn Dr. Hans WINKLER zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten beigegeben, Herrn Dr. Christoph MATZNETTER zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen beigegeben, Frau Christa KRANZL zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie beigegeben sowie Frau Christine MAREK zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit beigegeben.

Mit besten Grüßen“

*****

 


Präsident Manfred Gruber: Eingelangt ist der Kulturbericht 2005, der dem Kulturausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso eingelangt ist die Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichi­schen Entwicklungspolitik 2006 – 2008, die dem Ausschuss für auswärtige Angelegen­heiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

*****

Die Erklärung der Bundesregierung bildet den einzigen Gegenstand der Tages­ordnung. Ich habe die Erklärung der Bundesregierung auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 12

13.12.02Erklärung der Bundesregierung

 


Präsident Manfred Gruber: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum einzigen Punkt: Erklärung der Bundesregierung.

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler namens der Bundesregierung abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohneweiters stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort. – Bitte sehr, Herr Bundeskanzler.

 


13.12.44

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Mit­glieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mitglieder des Bundesrates! Es ist in der Tat eine große Freude, in den Bundesrat zurückzukehren, nachdem ich hier zwei Jahre lang meine parlamentarischen Sporen verdienen durfte. Und zumindest einige Gesichter aus dieser Zeit sind mir noch immer bekannt. Es gibt also im Bundesrat offensichtlich auch eine gewisse Kontinuität – nicht bei allen, aber zumindest bei denen, die offensichtlich die Tradition des Bundesrates tragen. Und ich freue mich sehr, dass wir heute die Gelegenheit haben, gemeinsam über die Erklärung der neuen österreichischen Bundesregierung zu diskutieren.

Nun, was sind die großen Vorhaben für die vier Jahre, die vor uns liegen? Wir haben uns zum Hauptziel gesetzt, dass wir in den nächsten vier Jahren die Arbeitslosigkeit in Österreich um 25 Prozent reduzieren wollen. Wir haben derzeit rund 4,8 Prozent Arbeitslosigkeit im Jahresschnitt. Wir wollen die Arbeitslosigkeit in Österreich auf unter 4 Prozent senken, was einen absoluten europäischen Spitzenwert darstellen würde. Das wird aber nicht von selbst gehen, denn wir haben nach wie vor ein gestiegenes Angebot auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben immer mehr Menschen, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Das heißt, von selbst, alleine, auf Grund der Konjunktur wird es zu keinem Absinken der Arbeitslosigkeit kommen, obwohl die wirtschaftliche Kon­junktur derzeit eine sehr gute ist. Das heißt, es wird einer Reihe von zusätzlichen Maßnahmen bedürfen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.

Wir haben uns dazu entschlossen, einige Eckpfeiler zu markieren, die vor allem dazu dienen sollen, dass diejenigen, die es heute auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben als andere, eher Fuß fassen können. Zum einen haben wir uns geeinigt auf eine Ausbil­dungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr. Das heißt, kein Jugendlicher, keine Jugend­liche soll im Alter von 15 auf der Straße stehen, sondern entweder in einem Lehrberuf, in einer Lehre sein oder in einer Schule, in einer Lehrwerkstätte oder einer ähnlichen Maßnahme, wo man auch eine volle berufliche Ausbildung bekommen kann. Sie wissen, dass es jene Jugendlichen am allerschwersten haben, einen Job zu finden, die über keine Ausbildung verfügen. Mit dieser Ausbildungsgarantie, glauben wir, wird eine wesentliche Grundlage geschaffen.

Wir wollen darüber hinausgehend aber die Lehre nicht als Sackgasse gestalten, sondern durch die Einführung einer Berufsmatura soll es jungen Lehrlingen möglich sein, gleichzeitig mit der Facharbeiterprüfung auch eine Matura in den Kernfächern abzulegen. Das ist etwas anderes als die Berufsreifeprüfung, denn die Berufs­reifeprüfung berechtigt nur zum Studium in einem einzigen spezifischen Fach. Mit der Einführung einer Berufsmatura wird auch Lehrlingen der Weg an die Hochschulen und Universitäten geöffnet. Wir glauben, dass das eine wesentliche Attraktivierung des Lehrberufes sein wird.


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Darüber hinausgehend geht es uns darum, die Qualität des Bildungssystems allgemein zu verbessern, weil wir es eben derzeit damit zu tun haben, dass rund 20 Prozent aller 15-Jährigen Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen haben. Und die haben es dann auf dem Arbeitsmarkt ganz besonders schwer. Es wäre aber bedeutend zu spät, erst im Alter von 15 Jahren anzusetzen, sondern das Bildungs­system muss insgesamt besser gestaltet werden, damit möglichst viele Kinder zu einer besseren Ausbildung kommen. Daher ist der Ansatzpunkt, die Frühpädagogik zu verstärken, das heißt so etwas wie Vorschulelemente im Kindergarten einzuführen. Eine der wichtigsten Maßnahmen wird es sein, die Klassenschülerhöchstzahl auf 25 herabzusetzen, damit die Lehrerinnen und Lehrer auch genügend Zeit haben, sich mit den Kindern zu beschäftigen, denn die Umsetzung aller pädagogischen Vorschläge in Richtung stärkerer individueller Förderung der Kinder und Jugendlichen, die auch von der Zukunftskommission präsentiert wurden, ist nur dann möglich, wenn die Schul­klassen kleiner sind und die Lehrkräfte mehr Zeit haben, sich mit den Kindern zu beschäftigen.

Mit einem verstärkten Angebot, was die Ganztagsschulen und die Ganztagsbetreuung betrifft, und mit einem ersten Schritt in Richtung einer inneren Differenzierung sowohl bei den Hauptschulen als auch bei den Gymnasien glauben wir, dass wir in den nächsten Jahren die schulische Qualität schrittweise so verbessern können, dass diese Risikogruppe der 15-Jährigen, die dann extreme Vermittlungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt haben, bedeutend reduziert werden kann, denn unser Bekenntnis ist: Wir wollen mehr Jugendlichen in unserem Land bessere Chancen bieten. Das ist nicht nur gut für den Wohlstand unseres Landes, sondern auch für die Chancen jedes und jeder Einzelnen bei uns. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir haben uns mit einem zweiten Problem beschäftigt, das, wie ich meine, sehr bedeutend ist. Wir stellen fest, dass Frauen, die eine Babypause gemacht haben, das heißt, länger bei Kindern zu Hause geblieben sind, danach oft sehr große Schwierig­keiten haben, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Dieses Problem stellt sich nicht im öffentlichen Dienst, wo ja die Rückkehrmöglichkeit eine einfache ist, sondern in erster Linie in der Privatwirtschaft. Wir wollen durch eine Flexibilisierung des Kindergeldes die Möglichkeit schaffen, dass entweder Frauen oder Männer die bisherige Regelung in Anspruch nehmen oder auch nur die halbe Zeit zu einem erhöhten Kindergeld zu Hause bleiben, um vielen die Wahlmöglichkeit zu bieten, also die Möglichkeit, früher auf den Arbeitsplatz zurückzukehren, damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt auch gewahrt werden können.

Wir glauben, dass das für viele berufstätige Frauen eine zusätzliche Alternative dar­stellen wird, die vor allem dann wirksam werden wird, wenn wir gemeinsam mit den Gebietskörperschaften, mit den Ländern und Gemeinden dafür sorgen können, dass es eine hundertprozentige Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen in Öster­reich gibt, denn die Verknüpfung von Kind und Beruf ist nur dann möglich, wenn es diese Kinderbetreuungseinrichtungen gibt. Und darauf werden wir gemeinsam allergrößten Wert legen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Entwicklung und die Wett­bewerbsfähigkeit Österreichs sind von ganz entscheidender Bedeutung. Wir haben im heurigen Jahr vielleicht sogar wieder ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent zu verzeichnen, wenn die Konjunktur sich weiter so stabilisiert. Die Wirtschaftsforscher werden eigentlich von Monat zu Monat optimistischer. Auch die befürchteten Einbrüche im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft im Winter hat es zum Glück bisher nicht gegeben, obwohl wir nicht gerade mit einer ausgeglichenen Schneelage verwöhnt worden sind.


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Zu dem kommt, dass auf Grund des milden Klimas vor allem die Tätigkeit der Bau­wirtschaft während der Wintermonate eine relativ intensive geblieben ist, sodass wir am Beginn des heurigen Jahres gute Daten für das Wirtschaftswachstum haben und auch eine weitere Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.

Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes steht aber jeden Tag erneut auf dem Prüfstand. Wir haben es mit einer brutalen, mit einer rauen Welt der Globalisierung zu tun, wo es jeden Tag einen vehementen Kampf um Preise, um Löhne und letztendlich um die Verteilung von Marktanteilen gibt. Und ein Land wie Österreich, das überdurch­schnittlich hohe Löhne hat, muss sich in diesem internationalen Wettbewerb bewähren, wenn wir wollen, dass dieses Lohnniveau erhalten bleibt. Und da haben wir in der Vergangenheit gemeint, es reicht aus, dass wir eher auf Qualität setzen als auf Quantität und gegenüber den sogenannten Billiglohnländern damit reüssieren können. Das wird heute bereits zuwenig sein. Wenn Länder wie China pro Jahr 500 000 Menschen auf dem Niveau von europäischen Universitätsprofessoren ausbilden, dann muss man sehen, dass im Wettbewerb der intellektuellen Kapazitäten bereits eine neue Stufe des internationalen Wettbewerbs erreicht wurde. Und das stellt uns vor enorme Herausforderungen, was die Aktivitäten im Bereich Wissenschaft und Forschung, aber vor allem auch der Innovation unserer Wirtschaft betrifft.

Daher wird einer der wesentlichsten Eckpunkte unserer Wachstumsstrategie für die nächsten Jahre darin bestehen, dass wir mehr als alles andere die Mittel für Forschung und Entwicklung verstärken, um das Ziel, 3 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung zur Verfügung zu stellen, auch zu erreichen, aber nicht als eine losgelöste Zahl oder Zielsetzung, sondern umgesetzt in möglichst vielen Pro­jekten, die entweder an den Universitäten oder wirtschaftsnah gemeinsam mit den Betrieben entwickelt werden.

Sie wissen ja, dass Österreich eine relativ hohe öffentliche Forschungsquote hat, dass wir aber eine vergleichbar geringere private Forschungsquote haben, und zwar im Vergleich zu den Forschungsweltmeistern in Finnland oder in Schweden. Uns geht es darum, dass wir neben erhöhten öffentlichen Mitteln auch erreichen, dass es eine bessere Multiplikation im privaten Sektor gibt, sodass der Innovations- und For­schungsgrad unserer Wirtschaft weiter ansteigt.

Wir sind froh darüber, dass wir mit den Sozialpartnern eine Einigung erzielen konnten, die dazu führt, dass es eine vernünftige Anpassung an moderne Produktions­erfordernisse gibt. Es ist das ein gutes Paket, das zum einen eine gewisse maßvolle Liberalisierung und Flexibilisierung vorsieht, auf der anderen Seite aber auch einen ganz konsequenten Kampf gegen das Schwarzunternehmertum in Österreich. Wir werden eine langjährige Forderung, die immer als effizient angesehen wurde, um die Schwarzarbeit in Österreich zu bekämpfen, verwirklichen. Es muss nämlich in Zukunft jeder österreichische Beschäftigte, bereits bevor er eine Arbeit antritt, angemeldet sein. Und es werden in Zukunft Generalunternehmer dafür haften, dass alle an einem Projekt Beteiligten, zum Beispiel auf einer Baustelle Subunternehmer oder Subsub­unternehmer, Sozialversicherungsbeiträge zahlen, weil der Generalunternehmer für sie alle haften wird. Wir glauben, das ist ein ganz wesentlicher Schritt gegen die Schwarz­arbeit, vor allem im Bereich der Bauwirtschaft, weil damit die Schlupflöcher, wo man durchschlüpfen kann, kleiner werden und weil es damit gelingen kann, die Ertragskraft nicht nur der sozialen Krankenversicherung zu erhöhen, sondern auch für faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, denn Schwarzarbeit ist letztendlich etwas, was den Wettbewerb in einer sehr unlauteren Art und Weise verzerrt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir bekennen uns zur individuellen Leistungsbereitschaft und glauben, dass es nur mit dem Bekenntnis zur Leistung möglich sein wird, im internationalen Wettkampf auch


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mitzuhalten. Die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch die Unter­nehmer würden nicht so gut dastehen, wenn die Leistungsbereitschaft in Österreich nicht so gut ausgeprägt wäre. Ich finde, das ist die Grundlage, auf der wir aufbauen.

Wir wollen aber gleichzeitig neben dieser Leistungsbereitschaft auch die soziale Balance in unserem Land verstärken. Wir müssen wissen, je rauer die Welt wird, je rauer die Wirtschaft wird, umso bedeutender ist es, ein soziales Sicherheitsnetz zu haben, das den Menschen im Falle des Scheiterns oder im Falle des Unglücks oder im Falle von Anpassungsproblemen ein dementsprechendes Auffangbecken bietet. Wir glauben nicht, dass es gescheit ist, den Menschen alle Schutzmechanismen wegzunehmen, weil sie dann zu jeder Art von Tätigkeit gezwungen wären. Nein, ganz im Gegenteil, wir gehen davon aus, dass ein gut geknüpftes soziales Netz die gute Voraussetzung dafür schafft, dass Menschen auch bereit sind, Risiko zu tragen, sich zu engagieren, weil sie wissen, dass sie auch im Falle des Scheiterns aufgefangen werden. Daher haben wir uns entschlossen, unsere bestehenden Instrumente der sozialen Sicherung durch ein Instrumentarium der bedarfsorientierten Mindest­sicherung zu ergänzen, das keine soziale Hängematte darstellen wird, sondern ein soziales Sprungbrett, weil es den Menschen, die Probleme haben, helfen wird, aber nur dann, wenn sie dazu bereit sind, entweder eine Arbeit, die angeboten wird, anzunehmen, bereit sind zu einer Weiterbildung oder bereit sind, gemeinnützige Arbeit zu leisten. Das heißt, es ist ein Sprungbrett zurück in den ersten Arbeitsmarkt, damit möglichst das gesamte Potential unseres Landes auch ausgeschöpft werden kann.

Wir haben dieses Konzept der bedarfsorientierten Mindestsicherung vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Mindestlohnes in Österreich von 1 000 € pro Monat für Vollzeitarbeit gesehen. Ich glaube, dass der Weg, den wir in Österreich mit einem Generalkollektivvertrag gehen, sich als der bessere Weg herausstellen wird. Es gibt diese Diskussion in vielen europäischen Staaten, gesetzlich, über Kollektiv­verträge, überall gibt es Probleme. Wir haben den Vorteil, dass wir über einen Generalkollektivvertrag einen Großteil der Beschäftigten in Österreich erreichen können, und wir sind froh darüber, dass die Sozialpartner in Österreich ihre Bereit­schaft erklärt haben, dieses gemeinsame Ziel auch in die Realität umzusetzen. Das heißt: Mindestlohn, generalkollektivvertraglich vereinbart, ein System der bedarfs­orientierten Mindestsicherung. Und mit diesem System zusammenhängend mit einer offensiven Beschäftigungspolitik erwarten wir uns, dass wir die österreichische Gesellschaft „wasserdichter“ machen können gegen die Armut, denn wenn man nach unten hin Grenzen einzieht und nicht eine Flexibilisierung in Richtung null möglich ist, dann bedeutet das, dass auch die Löhne nicht nach unten hin dereguliert werden können, sondern dass es zu einer stabilen Lohnentwicklung kommt.

Daher ist die Frage der Armutsbekämpfung auch nicht ausschließlich im Interesse derjenigen, die heute schon arm sind oder die armutsgefährdet sind, sondern sie ist im Interesse aller Beschäftigten in unserem Land, weil mit dieser Mindestgrenze letztendlich eine Schranke eingebaut wird, die eine positive Auswirkung auf die allge­meine Lohnentwicklung haben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die soziale Solidarität zu verstärken, heißt aber vor allem auch, nicht auf die Menschen zu vergessen, die ihr ganzes Leben lang schwer gearbeitet haben und heute in Pension sind. Wir sind daher froh, dass der österreichische Nationalrat bereits Beschlüsse gefasst hat, die dazu führen, dass die Ausgleichszulage auf 726 € brutto pro Monat erhöht wird. Das führt zu einem Nettobezug nach Abzug der Krankenversicherung von 692 €. Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts, weil das nämlich dazu führt, dass die Menschen, die die Ausgleichs­zulage bekommen, um rund 35 € netto pro Monat mehr bekommen. Und das ist für


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diese Menschen ganz, ganz wichtig, weil sie damit aus der Zone der Armuts­gefährdung schrittweise herausgeführt werden können. Wir haben diese überpropor­tionale Erhöhung deswegen durchgeführt, weil wir auch keine Altersarmut in Österreich wollen und weil wir der Meinung sind, dass wir in einer reichen Gesellschaft, die leistungs­bereit ist, auch jene Art von Solidarität aufbringen sollten, dass die älteren Menschen hier ein würdiges Altern haben können.

Wir ergänzen diese Maßnahmen gegen die Altersarmut auch um einige Verände­rungen der bisher getätigten Pensionsreformen der Jahre 2003 und 2004, die nötig sind, um mehr soziale Gerechtigkeit zu bekommen. Es wird die sogenannte Hackler- oder Langversichertenregelung bis zum Ende der Legislaturperiode verlängert, und das ist für viele Menschen ein wichtiger Schritt. Das heißt nämlich, dass 60 000 Menschen, die zwischen dem Jahr 2008 und dem Jahr 2010 in Pension gehen werden, eine Pension bekommen werden, die um 50 bis 180 € pro Monat höher sein wird als ohne diese Verlängerung der Hacklerregelung, und das für den gesamten Rest ihres Lebens. Das ist, wie ich meine, ein ganz wichtiger Punkt, dass wir die Möglichkeit der Verlängerung dieser Hacklerregelung eröffnet haben. (Beifall bei der SPÖ und der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Wir begleiten und ergänzen das durch die Abschaffung der Doppelabschläge bei der Korridorpension und eine Valorisierung der Kindererziehungszeiten. Das ist, wie ich meine, ein absolutes Muss im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit, denn wenn man das nicht valorisierte, hieße das, dass Kinder, die später geboren werden, im Hinblick auf die Anrechnung für die Pension immer weniger wert würden, das ist nicht logisch. Das heißt, es ist dringend notwendig gewesen, hier die Valorisierung durchzuführen und somit der Pensionsreform einige Giftzähne zu ziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soziale Solidarität in Zeiten hohen inter­nationalen Wettbewerbs zu verstärken, das ist das Ziel dieser Bundesregierung, durch eine wettbewerbsfähige, leistungsorientierte Wirtschaft, die gleichzeitig dafür sorgt, dass es ein Auffangnetz für die Menschen in unserem Land gibt. Wir glauben an die Wirkung der Bildungs- und Forschungsinvestitionen, wir werden rund 10,5 Milliarden € in den Ausbau der Infrastruktur investieren und die wesentlichen Straßen- und Schienenprojekte verwirklichen, die das Wachstum in Österreich stützen werden.

Wir nehmen uns vor, all diese Projekte, von denen ich Ihnen jetzt nur einen kleinen Ausschnitt präsentieren konnte, vor dem Hintergrund eines stabilen Finanzkurses zu verwirklichen. Wir wollen die Staatsverschuldung nicht erhöhen, sondern wir wollen die Staatsverschuldung senken. Daher haben wir uns vorgenommen, dass wir in den nächsten Jahren auch den Kurs der Konsolidierung gehen und die Defizite redu­zieren. Denn: Unser Ziel ist es, bis zum Ende dieser Legislaturperiode zumindest einen Budgetüberschuss von 0,3 oder 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erwirtschaften, der uns dann die Möglichkeit geben wird, dies den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land durch eine Steuerreform auch zurückzugeben. Das heißt, wenn wir die Entlastung in den nächsten Jahren verdienen, dann werden wir die Möglichkeit haben, die Menschen in unserem Land auch besser auszustatten, nämlich durch eine geringere Besteuerung.

Wie verdienen wir diese Entlastung? – Diese Entlastung muss verdient werden durch eine Reduktion der Verwaltungskosten und eine Verwaltungsreform, und sie muss verdient werden durch eine Reduktion der Arbeitslosigkeit, denn alleine wenn dieses Ziel im Jahr 2010 erreicht ist, dass wir die Arbeitslosigkeit um 25 Prozent reduzieren, bedeutet das nicht nur mehr Chancen für viel mehr Menschen in unserem Land, sondern es wird auch bedeuten, dass die budgetäre Belastung durch die Arbeits­losigkeit um 1,7 Milliarden € im Jahr 2010 geringer sein wird als am heutigen Tag. Das heißt, Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitslosigkeit zu reduzieren, ist nicht nur ein


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wirtschaftspolitisches und ein sozialpolitisches Ziel, sondern auch ein budgetpolitisches Ziel, weil es weitere Möglichkeiten der Entlastung schafft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung wird von den beiden Parteien gebildet, die bei der letzten Nationalratswahl die höchsten Stimmenanteile erreicht haben, nämlich von der österreichischen Sozialdemokratie und der Österreichi­schen Volkspartei. Wie Sie wissen, sind diese beiden Parteien in den letzten Jahren einander gegenübergestanden als Regierung und Opposition. Daher ist es nicht einfach, diesen Schritt zu tun, nun zu kooperieren, aber ich bin der Meinung, in einer Demokratie sollten alle bereit sein, wenn Wahlen einmal geschlagen sind und die Wahl­ergebnisse vorliegen, nicht nur einander gegenüberzustehen, sondern auch miteinander zu arbeiten.

Daher bin ich davon überzeugt, dass, wenn dieses Regierungsprogramm, das klarer­weise einen Kompromiss der unterschiedlichen Vorstellungen und Ansätze darstellen muss, aber einen guten Kompromiss, verwirklicht wird, nicht nur die beiden Parteien, sondern hoffentlich auch die österreichische Bevölkerung zu dem Ergebnis dieser Politik ja sagen können, denn im Kern geht es darum, dass wir alle Herausforderungen in unserem Land kennen, sie sind bekannt. Es gibt unterschiedliche Vorschläge, wie diese Herausforderungen angegangen und gelöst werden sollen. Genau über diese unterschiedlichen Methoden muss man diskutieren und zu einem Konsens finden, denn das Ergebnis, das am Ende herauskommt, ist das, was zählt.

Im Jahr 2010 sollen die Menschen den Eindruck haben, dass sie nicht nur mehr Chancen auf Arbeit haben, dass es nicht nur bessere Bildung gibt und dass ihnen mehr von ihren Löhnen und Gehältern bleibt, sondern sie sollen vor allem den Eindruck haben, dass Österreich fairer, gerechter und sozialer geworden ist und wir als eines der wenigen Länder in der Welt jenen Kompromiss geschafft haben, der vielfach nicht vorhanden ist, nämlich wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit sozialer Balance zu verbinden. Wenn uns das gemeinsam gelingt, dann werden wir alle sehr glücklich sein.

Ich freue mich auf die intensive Zusammenarbeit auch mit den Mitgliedern des Bun­desrates und auch auf die nun folgende Debatte. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.36


Präsident Manfred Gruber: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausfüh­rungen und erteile nun Herrn Vizekanzler Mag. Molterer das Wort. – Bitte sehr, Herr Vizekanzler.

 


13.36.21

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Es ist eine selbstverständliche Pflicht, dass die Regie­rungserklärung einer neuen österreichischen Bundesregierung nicht im National­rat alleine abgegeben wird, sondern selbstverständlich auch in der zweiten Kammer dieses Hauses. Das ist nicht nur der Ausdruck des Respekts vor der Arbeit der zweiten Kammer dieses Hauses, des Bundesrates, sondern ich denke, es kommt damit auch zum Ausdruck und soll auch zum Ausdruck gebracht werden, dass Österreich als föderaler Bundesstaat stolz ist auf die Leistungen, die im Föderalismus liegen. In der Arbeit in den Bundesländern, in der Arbeit in Vielfalt für dieses eine Österreich liegt eigentlich auch der Ausdruck der Stärke und der Kraft dieses unseres Heimatlandes. Verstehen Sie das daher auch als ganz selbstverständlichen Respekt vor der Arbeit in den Bundesländern und den politischen Verantwortungsträgern in den Bundesländern.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, haben nicht nur zwei Parteien verhandelt, ja, das stimmt, zwei Parteien mit einer unterschiedlichen Geschichte, zwei Parteien, die


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durchaus nicht in allen Punkten immer einer Meinung sind – das ist bei Parteien ja bekanntlich so üblich –, aber zwei Parteien, die sich letztendlich nach dieser Verhand­lung in der gemeinsamen Zielsetzung Arbeit für Österreich gefunden haben.

Es haben aber – und das ist auch Ausdruck der Stärke Österreichs – in diesen beiden Ver­handlungsteams auf beiden Seiten Landeshauptleute eine gewichtige und verant­wortungsvolle Rolle gespielt. Und ich halte es für richtig und wichtig, dass auch durch diese Zusammensetzung des Teams zur Bildung der Regierung zum Ausdruck kommt, gemeinsam arbeiten für Österreich gilt nicht nur für diese beiden Parteien, sondern gilt selbstverständlich als Zielsetzung für Bund, Bundesländer und Gemeinden. Dazu bekenne ich mich, dass diese gemeinsame Zielsetzung uns gemeinsam nach vorwärts bringen soll, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben – und das ist wichtig – auch den Menschen in diesem Land klarzumachen, wir haben dabei eine sehr gute Ausgangsbasis. Wenn wir – und ich war dieser Tage in Brüssel im ECOFIN und in der Eurogruppe – uns die Frage des internationalen Standes und Standortes Österreich vor Augen führen, dann können wir voll Selbst­bewusstsein sagen: Österreich steht gut da. Denken Sie beispielsweise nur daran, dass dieses unser Österreich im vergangenen Jahr mit einer Wachstumsrate von 3,2 Prozent viele Länder dieser Erde hinter sich gelassen hat, auf die wir vor wenigen Jahren eigentlich noch aufgeblickt haben. Nein, heute ist es anders. Heute gehört Österreich zu den wirtschaftlich stärksten und wirtschaftlich erfolgreichsten Ländern, nicht nur Europas. Wir haben in Österreich eine noch immer zu hohe Arbeitslosenrate, aber mit 4,9 Prozent im vergangenen Jahr liegen wir europaweit ganz exzellent, meine Damen und Herren.

Wir haben – und das sagt dieses Regierungsübereinkommen – eines der besten Pen­sionssysteme der Welt, und wir können aufbauen auf der Pensionssicherungsreform und der Pensionsharmonisierung. Wir haben mit unserem Österreich eines der sichersten Länder der Erde, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger auch ein Anrecht. Und wir haben eine solide Situation der Staatsfinanzen. Wenn wir über Staats­finanzen reden, dann reden wir nicht ausschließlich über den Bundesbereich, sondern dann reden wir über die Staatsfinanzen insgesamt, über die öffentlichen Haushalte in Summe von Bund, Ländern und Gemeinden. Und wir liegen auch in diesem Zusammenhang sehr, sehr gut.

Ich habe in den Diskussionen mit der Europäischen Union, mit der Kommission, auch mit den Vertretern der EZB für diese österreichische Stärke großes Lob erhalten, aber gleichzeitig auch – und das ist Auftrag dieser Bundesregierung – klargestellt, dass Österreich auf diesem Weg fortgehen, fortfahren, fortarbeiten wird, weil die Ziel­setzung, die wir haben, ist, das Wachstum zu stärken und ein starkes Wirtschafts­wachstum zu halten, damit wir durch ein starkes Wirtschaftswachstum auch dem Ziel der Vollbeschäftigung näher kommen. Das ist unsere Aufgabe, meine Damen und Herren, starkes Wachstum und das Ziel der Vollbeschäftigung in den Mittelpunkt unserer Politik zu rücken! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Dabei möchte ich Sie einladen, und zwar nicht nur Sie hier als Mitglieder des Bundesrates, sondern durchaus auch die breite Öffentlichkeit, zu sehen und klarzu­machen: Wir dürfen uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen, wir dürfen uns nicht selbst genügen. Wir müssen ganz offen sehen, dass dieses Österreich als kleine offene Volkswirtschaft mitten im Wettbewerb steht. Wir müssen sehen, dass die euro­päische Integration weitergehen wird und selbstverständlich auch neue Wett­bewerbsfragen für Österreich bringen wird, für die österreichischen Unternehmen, für die Arbeitnehmer. Wir müssen sehen, dass wir mit Fragen konfrontiert sind, die in der Schärfe sicher noch anders artikuliert werden als vielleicht in den nächsten Jahren. Da ist etwa die so wichtige Frage des Klimawandels, eine der ganz großen Heraus-


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forderungen globaler Natur, wo wir aber selbstverständlich auch europäische und vor allem auch österreichische Antworten brauchen.

Ich möchte daher auch vermitteln, dass diese Bundesregierung den Blick über den Tellerrand richtet, dass wir auch offen sein müssen für Entwicklungen, für inter­nationale Entwicklungen und sehen müssen, dass die Zeit, in der Österreich einmal als Insel der Seligen bezeichnet wurde, einfach vorbei ist. Und wir müssen und werden uns auch dieser Herausforderung offensiv stellen, weil der Blick über den Tellerrand eigentlich eine Stärkung Österreichs bedeutet und die rein nationale Sicht schon längst der Vergangenheit angehört. Zu dieser Öffnung und zu dieser Internationalisierung bekennen wir uns auch.

Die Zielsetzungen sind daher auch sehr klar, und ich möchte das durchaus auch in meiner Funktion als Bundesminister für Finanzen in besonderer Weise beleuchten. Wir werden uns selbstverständlich der Verpflichtung einer stabilen Haushaltspolitik nicht nur nicht entziehen dürfen und wollen, sondern ganz im Gegenteil: Stabilität in der Haushaltspolitik ist eine Frage des wirtschaftlichen Hausverstandes. Auch die öffent­lichen Hände können auf Dauer nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen, weil Schulden etwas Ungerechtes sind den jungen Menschen gegenüber, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Konecny.)

Die Zielsetzung eines stabilen Haushaltes gilt selbstverständlich – und ich habe das gesagt – nicht nur für den Bund, sondern wir haben uns ja im Stabilitätspakt als Bund, Länder und Gemeinden dazu verpflichtet. Es wird daher ganz entscheidend sein – und daher betone ich nochmals auch die Einbindung der Bundesländer in den Verhand­lungsprozess –, dass wir uns dieser Zielsetzung gemeinsam verpflichtet fühlen. Und der Budgetüberschuss, den wir bis zum Jahr 2010 anstreben, ist selbstverständlich nur in der gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden zu schaffen. Es ist daher auch meine feste Überzeugung, dass wir in einem Miteinander dieser Gebietskörperschaften dieses Ziel erreichen werden. Dazu wird auch in dieser Legislaturperiode eine nicht uninteressante Verhandlung stattfinden. Finanzausgleichs­verhandlungen werden zu führen sein, bei denen wir dann selbstverständlich dieses gemeinsame Bekenntnis zum Stabilitäts- und Wachstumspfad auf den Prüfstand stellen werden.

Ein zweiter Schwerpunkt neben den stabilen Staatsfinanzen, der genauso wichtig ist, ist die Frage der richtigen Investitionen in die Zukunft. Sparen ist kein Selbstzweck, sondern Sparen ist die Schaffung von Voraussetzungen für richtiges Investieren. Wir investieren in dieser kommenden Legislaturperiode, meine Damen und Herren, rund 800 Millionen kumuliert betrachtet zusätzlich in den Bereich Forschung und Entwicklung. Und jeder, der sich damit auch in der Europäischen Union und im Kontext Europas beschäftigt, weiß, diese Frage der Forschung und Entwicklung ist eine essentielle Investition in die Zukunftsfähigkeit und Zukunftssicherheit eines Landes. Hier brauchen wir nicht nur die Gebietskörperschaften, sondern selbstverständlich auch eine Offensive der Wirtschaft.

Wir investieren in den Bereich Bildung kumulativ in dieser Legislaturperiode zusätzlich 575 Millionen €. Das ist wichtig, weil das Bildungssystem Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen, jeder Einzelne für sich das Rüstzeug für seine Zukunftsfähigkeit und -festigkeit erlangen kann. Bildung ist daher nicht nur Investition in den einzelnen Menschen, sondern Bildung ist gleichzeitig damit Investition in die Zukunftsfähigkeit des Standortes, und zwar neben der schon angesprochenen Investition in den Bereich Infrastrukturen. Da werden die Bundesländer uns auch begleiten. Ich weiß, dass jene Projekte von ÖBB und Asfinag, die zugesagt werden, auch umgesetzt werden. Ja, dazu bekennen wir uns auch. Dazu haben wir aber auch eine Verantwortung übernommen, ich spreche es offen an, weil es auch diskutiert wurde: Wir verantworten


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einen kleinen Beitrag an Erhöhung im Bereich der Mineralölsteuer, damit die Infra­strukturinvestitionen in bestmöglicher Qualität und im zugesicherten Rahmen für alle Regionen Österreichs auch getätigt werden können. Die Qualität der Infrastruktur ist eine essentielle Standortvoraussetzung.

Meine Damen und Herren! Das gilt auch für einen extrem und essentiell wichtigen Zukunftsbereich – ich habe das schon angesprochen –, das ist die Frage Klima-, Energie- und Umweltpolitik. Ich halte die Klimaschutzpolitik für im österreichischen Interesse besonders bedeutsam. Warum? – Weil Österreich, was die Frage der erneuerbaren Energien betrifft, eine Vorreiterrolle in der Europäischen Union einnimmt und auch in Zukunft einnehmen will. Wenn wir uns zu unserem Kurs bekennen, dass Atomkraft keine nachhaltige und zukunftsorientierte Energieform ist – und dazu bekennt sich diese Bundesregierung –, müssen wir gleichzeitig die Frage der nach­haltigen Energien, ob Wasserkraft, ob erneuerbare Energien aus Biomasse, und die ganze vielfältige Palette besonders als Investitionschance und als Zukunftschance erkennen.

Meine Damen und Herren! Dritter Schwerpunkt neben dieser Frage der Investitionen in die Zukunft ist das Thema der Reformen. Diese Bundesregierung tritt nicht mit dem Motto und der Zielsetzung an, dass dieses Österreich, so wie es jetzt dasteht, schon ausreichend zukunftsfest ist. Nein, wir müssen in wesentlichen Reformbereichen zusätzliche Impulse setzen.

Hiebei ist eine Frage von ganz zentraler Bedeutung – und ich spreche das auch vor diesem hohen Bundesrat an –: die Staats- und Verwaltungsreform. Die beiden Regie­rungs­parteien haben zusammen eine Zweidrittelmehrheit, mit der wir mit besonderer Sensibilität umgehen werden. Aber wir sind uns gleichzeitig auch bewusst, dass damit die Chance besteht, eine strukturell richtige und zukunftsorientierte Staatsreform zu machen, was bedeutet, die bestmögliche Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sicherzustellen. Ich sage Ihnen auch ganz offen, dass das nicht ausschließlich eine Frage der Verfassungsjuristen alleine sein wird, sondern es ist eine wichtige politische Frage.

In Respekt vor der föderalen Struktur möchte ich gleichzeitig sicherstellen, dass die Staats- und Verwaltungsreform auch die Aufgabe hat, für den Bürger ein besseres Service zu bieten, für die Unternehmen Entlastungen von Verwaltungskosten, auch als Initiative für Wirtschaftswachstum, herbeizuführen, und insgesamt für alle Gebiets­körperschaften sicherstellen, dass mit dem Steuereuro so effizient als nur möglich umgegangen wird.

Das wird uns beschäftigen, auch dieses Hohe Haus, die zweite Kammer Bundesrat, das ist wichtig. Ich lade zu diesem offenen Dialog ein, weil ich es im Sinne des Ganzen für richtig halte, dass wir diese Staats- und Verwaltungsreform offensiv als Chance erkennen, als Chance für Bund, Länder und Gemeinden, als Chance für die Bür­gerinnen und Bürger und als Chance für den Standort. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ein weiteres wichtiges Vorhaben: In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode planen wir – Beschlussfassung 2009, Wirksamkeit 2010 – eine Entlastung von Steuern und Abgaben. Warum? – Weil wir in dieser Steuerentlastung einerseits eine große Chance sehen, die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und andererseits durch eine weitere Entlastung der Unternehmen auch einen wichtigen Schritt in Richtung Vollbeschäftigung zu setzen.

Ich werde oft gefragt, wie groß das Volumen dieser Steuerentlastung sein wird, und ich sage Ihnen sehr offen: Je mehr wir uns gemeinsam anstrengen, Bund, Länder und Gemeinden, desto größer wird der Spielraum bei der Entlastung sein. Verstehen Sie


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das durchaus auch als gewisse Motivation, die ich als Incentive einbringe. Je erfolgreicher wir etwa bei der Frage Verwaltungsreform sind, desto erfolgreicher können wir dann auch in der gemeinsamen Zielsetzung der Entlastung von Bürgerin­nen und Bürgern und Unternehmen sein.

Eine wichtige Aufgabe, meine Damen und Herren, ist für uns das Kapitel Sicherheit. Ich möchte das auch sehr offen ansprechen. Wir haben in diesem Regierungs­übereinkommen eine ganze Fülle von Maßnahmen in Richtung einer effizienten Sicherheitspolitik in Österreich. Ich denke, dass die Bürgerinnen und Bürger Anspruch auf die bestmögliche Sicherheit, die wir ihnen zu bieten haben, haben. Das bedeutet selbstverständlich, dass wir im Bereich Exekutive, der wir täglich für die Arbeit, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort leisten, danken, die bestmöglichen Voraus­setzungen zu schaffen haben. Das bedeutet aber auch, dass wir klare Positionen vertreten, so wie ich der Überzeugung bin, dass die Kenntnis der deutschen Sprache Grundvoraussetzung für Integrationsfähigkeit ist. Mit genau derselben Klarheit sage ich, dass das Bekenntnis zur österreichischen Rechts- und Werteordnung letztendlich auch Voraussetzung für ein Zusammenleben in Toleranz in der österreichischen Bevölkerung ist. Ich bekenne mich zur Toleranz, selbstverständlich, aber auch zu den klaren Spielregeln, die dieses Zusammenleben braucht. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Konecny.)

Dazu gehört auch die Verpflichtung, die sich aus der Neutralität ergibt, zur Verteidigung Österreichs, selbstverständlich auch zur Landesverteidigung auf allen Ebenen. Das ist eine unverzichtbare Verpflichtung, die der Sicherheit Österreichs dient. Dazu gehört – davon bin ich fest überzeugt – auch die Luftraumüberwachung aus eigener Kraft. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Für die Sicherheit eines Landes ist der soziale Zusammenhalt wichtig. – Wenn ich gesagt habe, die Verpflichtung zur Luftraumüberwachung aus eigener Kraft, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen nur sagen, das steht in diesem Regierungs­übereinkommen drinnen. Nicht dass Sie meinen, es ist meine persönliche Meinung alleine. Es ist die gemeinsame Meinung dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Das haben Sie gut hineingeschrieben!)

Zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft bekennen wir uns ganz unmiss­verständlich. Ich sage Ihnen aber auch sehr offen, dass Zusammenhalt einer Gesell­schaft auch bedeutet, dass wir einerseits zur Solidarität verpflichtet sind, dass wir aber andererseits selbstverständlich auch die Pflicht haben, so viel es nur geht, den Menschen Arbeit zu geben und Menschen in Arbeit zu haben. Daher ist die Voll­beschäftigung Teil der Strategie zum sozialen Zusammenhalt, und daher ist auch die aktive Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik Teil dieser Strategie. Dazu gehört auch das Bekenntnis, dort zu helfen, wo Hilfe besonders notwendig ist, etwa im Bereich der Familien mit mehr Kindern. Dort ist das Thema des sozialen Zusammenhalts von besonderer Bedeutung genauso wie im Bereich der neuen Arbeitswelt. Neben dem Thema Mindestlohn auf Generalkollektivvertragsebene haben wir auch verankert, dass das Ziel der Mitarbeiterbeteiligung uns besonders wichtig ist, von dem wir überzeugt sind, dass es eine richtige Perspektive bietet.

Abschließend möchte ich zwei aus meiner Sicht wichtige Elemente dieses Regierungs­übereinkommens in einem oder zwei Sätzen erwähnen: Das ganz klare und unmiss­verständliche Bekenntnis dieser Bundesregierung zu Europa, das ganz klare Bekennt­nis, dass diese Bundesregierung die Integration, die Vertiefung und die Erweiterung der Europäischen Union begrüßt und dass wir in diesem starken, einigen Europa eine ganz große Chance für Österreich auch in Zukunft wahrnehmen wollen.


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Und wir haben uns – weil auch der Herr Landeshauptmann von Kärnten anwesend ist – in diesem Regierungsübereinkommen vorgenommen, dass wir im Konsens, auf breiter Basis auch eine Lösung der Ortstafelfrage in Kärnten anstreben. Unser Beitrag dazu ist ganz klar: im Konsens mit der Kärntner Bevölkerung vorzugehen und letztendlich nicht den Konflikt als Instrument, sondern den Konsens als Instrument zu betonen. Aus unserer Sicht ist die Lösung dieser Frage etwas, wozu alle Beteiligten einen Beitrag zu leisten haben. Wir wollen eine Lösung auf breiter Basis mit der Kärntner Bevölkerung, damit wir auch gemeinsam diese Frage lösen können, die seit vielen Jahren, sage ich ganz offen, einer Lösung harrt. Jetzt haben wir die Chance. Ich bekenne mich dazu und lade alle Beteiligten ein, dazu einen Beitrag zu leisten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

13.58


Präsident Manfred Gruber: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Meine Damen und Herren! Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Landeshauptmann Dr. Haider. – Bitte sehr, Herr Lan­deshauptmann, Sie sind am Wort.

 


13.58.28

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider: Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bun­desrates! Ich nehme die Möglichkeit der Landeshauptleute wahr, sich im Bundesrat zu den Anliegen ihres Bundeslandes zu Wort zu melden. Wie Sie in den Schlussworten des Vizekanzlers gehört haben, gibt es einige aktuelle Dinge, die in der Regierungs­erklärung verankert sind, die das Bundesland Kärnten im Besonderen betreffen.

Natürlich würde es mir auch eine große Freude machen, die Debatte insgesamt mit zu führen, denn alleine die Feststellung des Herrn Bundeskanzlers, dass man in der Pensionsreform etwa das Kernstück der Hacklerregelung bis zum Jahr 2010 weiter verlängert, zeigt einmal mehr, dass das, was in der Vorgängerregierung an Pensions­reform geleistet worden ist, nicht so falsch gewesen sein kann und es auch von der jetzigen Bundesregierung als wichtige Maßnahme in die Zukunft geführt wird, weil hier nämlich genau das erreicht wird, was man den Leuten immer versprochen hat: 45 Jahre Arbeit sind genug, und wer das hat, kann ohne Abstriche früher in Pension gehen. Und das war eine sehr, sehr wesentliche Maßnahme. Daher haben wir in Wirklichkeit auch hier gesehen, dass die Widersprüche, die vor der Wahl gesucht worden sind, in der Sache selbst nicht so groß sind.

Es ist daher auch meine Aufgabe als Landeshauptmann eines Bundeslandes, das sich in den letzten sechs Jahren bemüht hat, Nachteile, die das Bundesland, aber auch der Süden Kärntens über die Jahrzehnte hinweg in Österreich erfahren haben, zu korri­gieren, darauf hinzuweisen, dass wir selbstverständlich auch weiterhin erwarten, dass dieser Aufholprozess weiter fortgeführt wird, dass der Süden auch in Zukunft seinen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung und an den Fortschritten in Österreich in einem seiner Bedeutung entsprechenden Ausmaß haben wird. Denn zu Beginn der Vorgängerregierung im Jahre 2000 war es so, dass von den öffentlichen Investitionen aus dem österreichischen Bundesbudget, ob das Infrastrukturmaßnahmen für Straßen, für Schienen, für Bahnhöfe, für Schulen, was immer gewesen sind, 70 Prozent und mehr pro Jahr auf Ostösterreich aufgeteilt worden sind, der Westen ein bisschen etwas bekommen hat, aber der Süden überhaupt sehr, sehr schlecht behandelt wurde.

Diesen Aufholprozess in Gang zu setzen haben wir uns vorgenommen. Und ich bin sehr froh, wenn heute auch gesagt wird, man will im Konsens mit der Bundesregierung


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und mit den Bundesländern diese Entwicklung so fortsetzen, dass eben gleichzeitig damit auch ein wirksamer Abbau der Arbeitslosigkeit erreicht werden kann.

Wir haben einige Projekte auf die Schiene gebracht, von denen eines sehr wichtig ist, das sind der Koralmtunnel und die Koralmstrecke, die vielfach belächelt worden sind. Wenn Sie sich das heute anschauen, dann werden Sie sehen, dass dieses auch von manchen Journalisten als Spielzeug des Kärntner Landeshauptmannes bezeichnete Eisenbahnprojekt, das mit mehr als 4,2 Milliarden Gesamtinvestition immerhin das größte Eisenbahnprojekt der Zweiten Republik ist, in der Zwischenzeit ein auch von der EU mit Interesse aufgenommenes Projekt geworden ist, weil jeder weiß, dass der ursprünglich von der Europäischen Union angenommene Korridor V, der von Koper über Marburg Richtung Osteuropa führen sollte, nicht so rasch zur Verwirklichung kommen wird, diese transeuropäischen Verbindungen aber notwendig sind. Und daher ergibt sich die historische Chance für uns, das Koralmprojekt in Verbindung mit dem Semmeringtunnel und dem Hauptbahnhof Wien zu einer transeuropäischen Achse zu gestalten, die von Osten oder von Osteuropa, etwa von Danzig herunter über Tschechien, Wien, Österreich, die südlichen Bundesländer nach Italien Richtung Bologna geht. Und dieser baltisch-adriatische Durchgang, Korridor ist die Chance für uns, dass Österreich insgesamt auch in Zukunft verkehrspolitisch mit einer Eisen­bahnlösung eine wichtige Rolle spielt.

Der gesamte Bahnhof von Wien hat keinen Sinn, wenn es uns nicht gelingt, Koralm­tunnel, Koralmbahn, Semmeringtunnel zu errichten, denn sonst fahren sozusagen die Verkehrsereignisse an uns vorbei und sind nicht mehr von uns mit beeinflussbar. Jeder weiß aber, was Logistik heißt. Jeder weiß, wie viele Arbeitsplätze damit verbunden sind. Jeder weiß, dass das intelligente Arbeitsplätze sind und dass letztlich auch eine vernünftige Verkehrsinfrastruktur für Österreich etwas sehr Zentrales ist. Daher habe ich auch die Erwartungshaltung, dass das Koralmprojekt nicht weiter in Frage gestellt wird, auch nicht verschoben wird, weil es einen fixen Vertrag gibt, der nicht nur auf politischer Ebene abgeschlossen wurde, sondern es gibt einen zivilrechtlichen Vertrag, den auch die Organe der ÖBB unterschrieben haben. Und es gibt darüber hinaus eine Eigentümerweisung des damaligen Verkehrsministers und Vizekanzlers nach § 134 Aktiengesetz, wo die Republik Österreich auch in der Funktion des Eigentümers klargemacht hat, dass sie von den Österreichischen Bundesbahnen die im Zeitplan vorgesehene Realisierung dieses Projektes bis 2016 wünscht. Und solange diese Weisung nicht aufgehoben wird, gibt es für die Organe der ÖBB überhaupt keine Möglichkeit, nicht so zu handeln, sonst machen sie sich haftbar und straffällig. Das wissen in der Zwischenzeit die Aufsichtsräte der ÖBB, das weiß der Vorstand der ÖBB, das wissen die Subunternehmen der ÖBB.

Ich bin daher auch sehr froh, dass der neue Verkehrsminister Faymann schon klar­gestellt hat, dass man vertragstreu sein will und dass es durchaus Sinn macht, dieses Projekt mit allem Nachdruck voranzutreiben, noch dazu, wo zwei Bundesländer, nämlich Kärnten und die Steiermark, erstmals in der Geschichte Österreichs bereit sind, bei vom Bund zu finanzierenden Infrastrukturen aktiv mitzufinanzieren. Damit eben das Projekt nicht verschoben wird, damit 2008 der Tunnelbau begonnen und nicht auf die lange Bank geschoben wird, sind beide Bundesländer bereit, jeweils mehr als 140 Millionen € bereitzustellen, um damit diesen Prozess einer beschleunigten Realisierung zu ermöglichen.

Daher meine Bitte auch an die Damen und Herren Bundesräte, uns in diesem Wollen zu unterstützen. Sie sind Vertreter der Bundesländer, Sie sind Vertreter des gelebten Föderalismus und sollten daher auch sehen, dass wir mit einem Projekt, das ursprüng­lich als Randerscheinung betrachtet worden ist, in eine sehr wichtige Situation ge­bracht worden sind.


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Zweites Thema, das ich beleuchten möchte, ist die auch vom Vizekanzler erwähnte Ortstafelfrage, wobei ich es sehr begrüße, dass die österreichische Bundesregierung gesagt hat, sie will eine politische Lösung im Konsens mit allen und auch mit der betroffenen Kärntner Bevölkerung verwirklichen. Das ist etwas sehr Wesentliches, denn Konsens kann heißen: in der Koalition, Konsens kann heißen: im Parlament, kann aber auch heißen: gegen den Willen der Bevölkerung, nur Konsens der politi­schen Eliten. Das wird es nicht spielen, und das wird auch nicht funktionieren.

Daher habe ich mir erlaubt, heute im Rahmen dieser Regierungsdebatte eine Stellung­nahme des Kärntner Landeshauptmannes abzugeben, weil ich glaube, dass es sehr klug ist, was die Bundesregierung formuliert hat: dass man sich im Konsenswege bis zur Jahresmitte finden will, dort anknüpfen will, wo man schon einmal gestanden ist, aber nicht unbedingt das, was damals Verhandlungsergebnis war, eins zu eins als Grundlage einer möglichen Lösung hernimmt. Warum? Ich werde versuchen, das zu erläutern.

Es ist deshalb ein politischer Konsens notwendig, weil ja auch im Jahre 1976 nach den Ereignissen des Ortstafelsturms in Kärnten vier Jahre lang um eine Lösung gerungen wurde. Und die damalige Regierung Dr. Kreisky hat den Schritt gewagt und hat nach einer geheimen Erhebung der Muttersprache auf dieser Grundlage eine Orts­tafel­regelung ins Auge gefasst, aus der das Volksgruppengesetz 1976 entstanden ist und aus der die Ortstafelregelung, sprich Topographieverordnung, Amtssprachenregelung, Schulregelung, Gerichtsregelung und so weiter, des Jahres 1977 im Verordnungswege resultierte. Das war 25 Jahre lang der Zustand. 25 Jahre lang hat es Frieden gegeben. Dies, obwohl 25 Jahre lang im Burgenland nicht eine einzige kroatisch-deutsche Orts­tafel aufgestellt worden ist, obwohl es seit dem 76er-Jahr die gesetzliche Verpflichtung dazu gegeben hat, und dies, obwohl in Kärnten der Vollzug nicht vollständig sicher­gestellt gewesen ist. Ich sage das deshalb sehr bewusst, weil es mich schon sehr befremdet hat, dass manche politische Repräsentanten dieser Republik, schon kurz nachdem sie ins Amt gekommen sind, geglaubt haben, sie müssen sich am Kärntner Landeshauptmann schadlos halten, indem so getan wird, als würde er die Verant­wortung dafür tragen, dass Regelungen, die im Bund zu erzielen sind, bis heute nicht so umgesetzt werden, wie man sich das wünscht.

Ich darf Ihnen dazu sagen: Es gibt derzeit eine Verordnung, die im vergangenen Jahr in eine neue Verordnung übergeführt worden ist, das ist die Verordnung aus dem Jahre 1977, die die Ortstafeln beinhaltet. Diese Verordnung wurde bis zu meinem Amtsantritt von keinem meiner Vorgänger eingehalten, weder vom Sozialdemokraten Leopold Wagner noch vom Sozialdemokraten Dr. Ambrozy, noch vom ÖVP-Landes­hauptmann Zernatto. Und es hat niemanden in Wien aufgeregt, dass offenbar eine große Anzahl von Ortstafeln und Ortsbezeichnungsschildern nicht realisiert werden. Niemand hat über Weisungen diskutiert. Niemand hat über eine Amtsenthebung eines Landeshauptmannes diskutiert. Der Landeshauptmann, der heute vor Ihnen steht, hat gemeinsam mit dem früheren Bundeskanzler Dr. Schüssel erstmals nach fast 30 Jah­ren dafür gesorgt, dass die Verpflichtungen des Landes aus der Ortstafelverordnung 1976/77 zu hundert Prozent erfüllt worden sind. (Beifall und Bravorufe der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Deshalb bin ich auch in dieser Frage sehr empfindlich, wenn man sagt, ich hätte irgendetwas nicht eingehalten. Da hätten Sie sich schon früher an meine Vorgänger wenden müssen. Wir haben diese Regelung zu hundert Prozent eingehalten. Das betrifft die vom Land aufzustellenden, blau umrandeten Ortstafeln. Es gibt aber 16 weitere Ortschaftsbezeichnungen – das sind kleinere Tafeln –, die innerhalb eines Gemeindegebietes Ortschaften bezeichnen und nichts mit der Straßenverkehrs­ord­nung zu tun haben. Diese Ortschaftsbezeichnungen sind ausschließlich in der


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Kompetenz der Gemeinde. Und der Herr Bundeskanzler weiß so gut wie ich, wenn man das kritisiert, dass dort 16 Tafeln noch immer nicht aufgestellt sind, dann richtet sich die Kritik nicht nur an die Bürgermeister, sondern, weil gerade von sozialdemo­kratischer Seite diese Kritik sehr massiv erhoben worden ist, dann richtet sie sich gegen die eigenen Bürgermeister, denn es sind allesamt sozialdemokratische Bürger­meister, die die Verpflichtung hätten, die Ortschaftsbezeichnungen aufzusetzen. Das liegt im Bereich der Gemeindeautonomie.

Daher sage ich: Verschonen Sie mich mit Drohungen in Richtung Amtsenthebung und Weisungen! Ich habe meine Aufgaben gemacht und werde auch weiterhin dafür sorgen, dass in Kärnten ein friedliches soziales Klima herrscht. Jene jedoch, die hier Ferndiagnosen stellen, sind herzlich eingeladen, einmal nach Kärnten zu kommen und sich von der tatsächlichen Situation ein Bild zu machen.

Wir haben die Verordnung erfüllt. Es hat im Jahre 2001 dann eine Schnellfahreraktion eines, wie ich immer sage, Nationalslowenen gegeben, der aus nationalistischen Über­legungen diese Diskussion wieder vom Zaun gebrochen hat. Und der Verfassungs­gerichtshof hat sich leichtfertigerweise, obwohl er ihm im Urteil nicht Recht gegeben hat, auf dieses Spiel eingelassen. Und jetzt haben wir dieses Dilemma: 2001 wird ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für die Gemeinde St. Kanzian erlassen, wonach diese zweisprachige Ortstafeln aufstellen muss. Später stellt sich heraus, dass der Verfassungsgerichtshof selbst dieses Erkenntnis wieder aufgehoben hat, weil es falsch war. Das ist ja vielfach in der Öffentlichkeit nicht beleuchtet worden: Dieses Erkenntnis, das im Jahre 2001 alles ausgelöst hat, hat der Verfassungsgerichtshof wieder zurückgenommen, weil er sich geirrt hat, weil er sich bei der Prozentrechnung für die Volksgruppe geirrt hat. Und das soll ich jetzt vollziehen? Ich kann nicht ein Erkenntnis, das aufgehoben wurde, vollziehen!

Genauso wie jetzt eine Reihe von Schnellfahreraktionen beim Verfassungsgerichtshof für kleinere Ortschaften entschieden worden sind – aber die sind auf der Grundlage der bereits außer Kraft getretenen Topographieverordnung erfolgt. Daher kann ich nicht etwas vollziehen, was rechtlich nicht mehr existent ist.

Wer also das nicht versteht, diesen Unterschied, dass es alten Rechtsbestand gibt, der nicht mehr da ist, und solchen, der neu, nämlich im vergangenen Jahr gemacht wurde und jetzt gilt, dem ist nicht zu helfen, aber der soll nicht mich mit einer Amtsenthebung bedrohen oder sonst irgendetwas, denn wir haben in Kärnten die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das, was uns der Gesetzgeber und Verordnungsgeber des Bundes aufgetragen hat, zu hundert Prozent erfüllt worden ist, auch wenn jetzt noch eine offene Diskussion über die Frage etwa der Stadt Bleiburg gegeben ist. Da ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergangen. Wir sind jetzt in der Kund­machungsphase und erfüllen damit auch unsere Verpflichtungen gegenüber dem Verfassungsgerichtshof. Und es soll niemand kommen und sagen, da ist irgendetwas nicht geklärt.

Ich würde mir wünschen, dass heute jemand sagt, welcher Punkt von uns nicht erfüllt worden ist, warum Amtsenthebung notwendig ist, warum Weisungen notwendig sind. Und ich halte es auch für sehr gescheit, dass der jetzige Verkehrsminister sich selbst ein Bild gemacht hat und sich ein Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundes­kanzleramtes geben hat lassen, der gestern und heute Teile veröffentlicht hat, wobei in diesem Gutachten unmissverständlich zum Ausdruck kommt, dass selbstverständlich überhaupt keine Möglichkeit besteht, eine Weisung zu geben, weil auf der Grundlage der geltenden Rechtsordnung alles erfüllt ist, und wenn alles erfüllt ist, kann auch kein Amtsenthebungsverfahren gemacht werden. Und ich bitte, das einfach zur Kenntnis zu nehmen, denn es ist unfair, dem Amtsträger gegenüber, aber auch einem Bundesland gegenüber, ständig so zu tun, als würde bei uns die Verfassung nicht eingehalten. Das


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gilt auch für Gerichtshofpräsidenten wie den Herrn Jabloner, der sozusagen eine Ferndiagnose gestellt hat, ohne zu wissen, wovon er redet. Heute muss er sich vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes belehren lassen, dass die Dinge einfach falsch gesehen worden sind.

Wo liegt jetzt das Problem, und worum bitte ich Sie, dass wir auch bei der Konsens­suche unsere Schwerpunktsetzung hin orientieren sollten? Im Jahre 2001 wurde das Volksgruppengesetz vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Das können wir nicht reparieren, dass er es aufgehoben hat, obwohl er dann sein Erkenntnis, mit dem er das Gesetz aufgehoben hat, auch wieder aufgehoben hat. Also ein größeres Chaos hat es in der Rechtssprechung der Höchstgerichte in Österreich überhaupt noch nie gegeben. Und jetzt ist das Volksgruppengesetz aufgehoben, wo genau dieser Prozentsatz drinnen gewesen ist, der die Grundlage für Ortstafeln ist. Dort, wo 25 Prozent slowe­nische Minderheit sind, sollten zweisprachige Ortstafeln kommen. Das hat er aufge­hoben!

Und der Verfassungsgerichtshof sagt, er ist der Meinung, dass über einen längeren Zeitraum der Minderheitenprozentsatz in einem Gemeinde- und Ortsgebiet 10 Prozent betragen soll. Das ist aber seine persönliche Ansicht. Das ist rechtlich nicht verbindlich. Denn nur der Spruch eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses ist verbindlich, nie die Begründung! Wenn man jetzt diese Begründung aber trotzdem als Maßstab nehmen wollte, dann muss man sagen, der Verfassungsgerichtshof hat einen folgenschweren Fehler begangen, denn er hat diese 10 Prozent dort festgestellt, wo er auf Grund der Volkszählungsergebnisse der letzten Jahre nicht nur Angaben gewertet hat, wo sich jemand als slowenischsprachig bezeichnet hat, sondern wo auch Doppelbezeich­nungen gemacht worden sind in der Volkszählung, wo jemand gesagt hat, ich kann Deutsch und ich kann Slowenisch. Und automatisch hat man die, die Doppelnen­nungen gemacht haben, der Minderheit zugezählt. Das ist absolut unzulässig! Das ist auch menschenrechtswidrig! Denn Österreich ist im Jahre 1998 auch dem Rahmen­übereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten beigetreten, Bundesgesetzblatt III Nr. 120/1998, wo im Artikel 3 drinnen steht:

„Jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, hat das Recht, frei zu entscheiden, ob sie als solche behandelt werden möchte oder nicht.“

Und im Artikel 1 heißt es, Rechte aus diesem Rahmenübereinkommen seien Bestand­teil der Menschenrechte.

Und im Staatsvertrag steht vor dem berühmten Artikel 7 auch ein Artikel 6. Und dieser Artikel 6 beinhaltet, dass sich Österreich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflich­tet. Also logischerweise ist Österreich auch verpflichtet, dieses Rahmenüberein­kommen einzuhalten. Es kann niemand gegen seinen Willen verpflichtet werden, einer Minderheit zugezählt zu werden, wenn er nicht selbst sagt: Jawohl, ich will dazu­gehören!, denn das wäre ja sonderbar.

Bei dieser Volkszählung sind ja noch mehrere Dinge drinnen. Da steht drinnen: Deutsch, Burgenländischkroatisch, Kroatisch, Tschechisch, Ungarisch, Türkisch bei­spiels­weise. Ja wenn sich in Wien jemand dazu bekennt, deutsch- und türkisch­sprachig zu sein, wird er ja deshalb nicht als Türke bezeichnet. Und wenn sich jemand als deutsch- und tschechischsprachig bezeichnet, ist er ja nicht automatisch ein Tscheche. Und wenn er sich als kroatisch bezeichnet, gilt er eher als Kroate und nicht als burgenländischer Kroate, weil ja differenziert worden ist. Also das Thema ist komplexer, als manche glauben.

Daher, sage ich, sollten wir auch das Rahmenübereinkommen ernst nehmen, zu dem sich Österreich verpflichtet hat. Da steht nämlich drin: „Die Republik Österreich erklärt, daß für sie unter dem Begriff ,nationale Minderheiten‘ ... Gruppen österreichischer


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Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum zu verstehen sind.“

Das heißt, die Annahme, dass jemand nur auf Grund einer sprachlichen Befähigung irgendjemandem zugehörig ist, ist auch nach dem Menschenrechtspaket, zu dem Österreich sich verpflichtet hat, nicht gegeben. Es bedarf der muttersprachlichen Eignung, und es bedarf eines Zugehörigkeitsbekenntnisses.

Deshalb habe ich gesagt, jede Lösung, die dauerhaft friedensstiftend sein soll, kann nur auf der Grundlage erfolgen, dass es so etwas gibt wie eine muttersprachliche Erhebung oder eine geheime Erhebung des ethnischen Bekenntnisses, so wie es Kreisky im Jahre 1976 möglich gemacht hat. Der war auch nicht begeistert, dass es diese Diskussion gegeben hat, aber er hat gewusst, daran führt kein Weg vorbei, diese muttersprachliche Erhebung machen zu müssen.

Und warum, meine Damen und Herren, hat denn im Jahre 2003 unser Nachbarland Slowenien selbst diese muttersprachliche Erhebung durchgeführt? Slowenien hat im Jahre 2003 den ethnischen Zensus seiner Volksangehörigen erhoben. Da ist gefragt worden: Bist du Volksangehöriger Mazedonier, Kroate, Ungar, Italiener, was immer? Also dort geht’s, und bei uns soll es nicht gehen?! Das ist eigentlich unser Anliegen, dass wir Ihnen sagen, man sollte in diese Richtung auch entsprechende Akzente setzen und dass wir in den Verhandlungen darauf dringen werden, dass es zu einer sauberen Erhebung kommt, denn das, was der Minderheit zusteht, ist der Minderheit zu gewähren. Es kann aber nicht so sein, dass Kunstangehörige der Minderheit, Kunstslowenen geschaffen werden, indem automatisch jeder, der doppelsprachig qualifiziert ist, der Minderheit zugerechnet wird.

Das gilt auch für das Schulwesen. Also selbst die slowenische Schulaufsicht in Kärnten bezweifelt es und sagt, es kommt natürlich nicht in Frage, dass, wenn Kinder zum zweisprachigen Unterricht angemeldet sind, diese automatisch zu den Slowenen gerechnet werden. Bei uns sind im Minderheitenschulgebiet 36 Prozent der Kinder zum zweisprachigen Unterricht angemeldet; davon haben aber rund 75 Prozent keine Vorkenntnisse. Das heißt, diese Kinder kommen nicht aus slowenischen Familien, aber sie lernen die zweite Sprache. Daher können sie auch nicht automatisch als slo­wenische Kinder gewertet werden. Und genauso ist das bei der Volkszählung. Deshalb gibt es die Debatten, und das wirkt sich natürlich massiv aus. Der Verfas­sungsgerichtshof hat das einmal probiert im Fall St. Kanzian, musste dann aber das Erkenntnis aufheben. Er hat gemerkt, wenn er nicht einen Trick anwendet, dann hat er zu wenig Slowenen. Also hat er einen Trick angewendet und gesagt, wir rechnen nicht nur jene, die Slowenisch als Umgangssprache ankreuzen, zur Minderheit, sondern automatisch auch jene, die Deutsch und Slowenisch ankreuzen. Im Falle Bleiburg, ganz konkret, hätten Sie, wenn Sie nur die Slowenischsprachigen werteten, 1,9 Pro­zent Slowenenanteil in der Stadt Bleiburg. Wenn Sie die Doppelnennung werten, haben Sie 16,2 Prozent. Da liegen Welten dazwischen.

Und genau das ist der Punkt, um den es geht. Und da bitte ich also auch die Damen und Herren der Bundesregierung, einfach Verständnis zu haben, denn wir wollen eine dauerhafte, friedliche Lösung. In Kärnten hat niemand von der Mehrheitsbevölkerung einen provokativen Akt gesetzt. Im Jahre 2001 ist dieser provokative Akt von einem sehr bekannten nationalistisch gesinnten Slowenen in Kärnten gesetzt worden. Und dieser Nationalismus begegnet uns auf Schritt und Tritt, ein Nationalismus, der eigent­lich im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß ist, wo man mit Schnellfahreraktionen versucht, Ortstafeln zu erzwingen, und genau in jenen Gemeinden schnell fährt, deren Gebiet auch im Jahre 1918/20 vom damaligen slawischen Staat beansprucht worden ist, deren Gebiete auch im Jahre 1945 von den Tito-Partisanen beansprucht worden sind und wo es bis zur Stunde auch slowenische Schulatlanten, die im Schulgebrauch


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des neuen demokratischen Staates Slowenien stehen, gibt, wo halb Kärnten als slowenisches Hoheitsgebiet angeführt wird. Wo, bitte, ist da der Protest der Republik Österreich? Welches Land lässt sich eine solche Behandlung gefallen?

Dazu kommt, dass sich mit dem Euro-Beitritt Sloweniens ab 1. Jänner auf den Cent-Münzen Sloweniens der Kärntner Fürstenstein als Symbol findet, der bekanntermaßen überhaupt das älteste Rechtssymbol Österreichs ist. Wenn wir schon um die Lipizzaner kämpfen und sagen, wir haben auch die Lipizzaner da bei uns ein bisschen originär, dann wundert es mich, dass Österreich das älteste Rechtssymbol so einfach an einen Nachbarstaat verschenkt und sagt, das ist keine Provokation, die hier passiert.

Oder wenn wir vor 14 Tagen oder drei Wochen bei einer Einweihung eines Gemeinde­zentrums von einem slowenischen Pfarrer hörten, der das Kreuz bei der Einweihung trägt, das von der slowenischen Staatsfahne umhüllt ist, dann frage ich Sie: Was will man damit ausdrücken? Geht es jetzt um die Durchsetzung der Anliegen der Zweisprachigkeit für einen Teil der Kärntner Bevölkerung, oder geht es um eine nationalistische Geste, wo man zeigen will, dass man aus der Geschichte nichts gelernt hat und nach wie vor großslowenische Träume realisieren will, die schon immer in Kärnten und in Österreich zu entsprechenden Konfliktsituationen geführt haben?

Das ist auch mein Ersuchen an Sie alle, das zur Kenntnis zu nehmen und zu sehen, dass wir hier nicht böswillig sind, sondern dass wir auf der Grundlage der Ereignisse sehr, sehr genau die Dinge verfolgen. Und es würde auch, glaube ich, der öster­reichischen Bundesregierung gut anstehen, würde sie einmal den slowenischen Regierungskollegen klarmachen, diese Dinge, die da laufen, sind nicht fair, sind nicht im Sinne guter Nachbarschaft und sind letztlich Wasser auf die Mühlen von Nationalisten, die in Slowenien im Grunde genommen immer Unfrieden stiften und auch bei uns immer Unfrieden stiften.

Und wenn so viel die Rede davon ist, dass wir die Toleranz fördern wollen – und ich habe sehr aufmerksam vernommen, wie der Herr Vizekanzler gesagt hat, wir wollen alle Toleranz praktizieren –, dann wünsche ich mir, dass diese Toleranz auch gegen­über Österreich und gegenüber dem Bundesland Kärnten von Seiten Sloweniens in jenen Fragen geübt wird, die ich hier erwähnt habe. Denn jeder weiß, dass gleichzeitig seit vielen Jahren ein Kulturabkommen zwischen Österreich und Slowenien völlig unerfüllt geblieben ist, das die Rechte der Altösterreicher betrifft, der Gotscheer Altsiedler und wie sie alle heißen, die bis heute nicht zu ihren Rechten gekommen sind, obwohl wir ein völkerrechtliches Abkommen haben. Darum schert sich Slowenien einen Dreck und sagt: Was soll’s, solange Österreich sich nicht aufregt, ist das Papier geduldig!

Also Sie sehen, es gibt eine Reihe von Gründen, um auch dieses Thema doch etwas anders zu beleuchten. Und daher darf ich ersuchen, uns bei der Realisierung einer dauerhaften friedlichen Lösung zur Verfügung zu stehen und nicht zu sagen, die bösen Kärntner. Das ist nicht ein nationaler Reflex, sondern die Kärntner haben sozusagen gegen den Nationalismus auch im 20. Jahrhundert entschieden. Denn das war eine Entscheidung für die Landeseinheit statt einer nationalen Entscheidung. Und deshalb ist es auch so wichtig, uns von nationalistischen Kräften nicht wieder provozieren zu lassen.

Und daher danke ich auch, dass heute schon gesagt wurde, es soll nicht über die Köpfe der Kärntner Bevölkerung hinweg entschieden werden. Das werden wir auch gerne zur Kenntnis nehmen. Das heißt, dass man sich ernsthaft mit unseren Prob­lemen und mit den Hintergründen, die ich Ihnen hier geschildert habe, auseinander setzen sollte. Das heißt aber auch, dass man sich bewusst sein muss, dass die Lösung, die wir im vergangenen Jahr schon fast gehabt haben, einen großen Pferde-


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 29

fuß hat, und das ist die Forderung der Funktionäre der Slowenen-Organisationen, eine sogenannte Öffnungsklausel zu bekommen. Das heißt, man macht ein Verfassungs­gesetz, einigt sich auf eine bestimmte Anzahl von Ortstafeln, und weil es ein Verfas­sungsgesetz ist, gibt es keine Anfechtung mehr vor dem Höchstgericht, es sei denn, jemand geht, weil er sich falsch zugeordnet fühlt, zu den Slowenen zugeordnet fühlt, zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der ist höherwertig. Auch dieses Verfahren ist anhängig.

Aber wir haben jetzt ein Verfassungsgesetz beispielsweise. Dann wollen die Slowenen, dass es eine Öffnungsklausel gibt. Und diese Öffnungsklausel heißt, dass 10 Prozent der Bevölkerung in einer Gemeinde einen Antrag auf zweisprachige Ortstafeln stellen können, und da kann die Gemeinde nicht mehr mitreden, und da kann das Land nicht mehr mitreden, sondern es muss die Bundesregierung ein Verfahren einleiten. Und das wird nicht funktionieren. Das ist weder im Sinne eines gelebten Föderalismus noch im Sinne der Stärkung des friedlichen Zusammenlebens, weil jeder weiß, der unten zu Hause ist, dass das Leben zwischen der Bevölkerung in Wirklichkeit konfliktfrei ist, aber in dieser Frage, wo es darum geht, dass nationalistische Kräfte auf der Slowenen­seite sozusagen wieder die alten Gefahren, die Urangst der Kärntner mobilisieren wollen, dass sie schnell fahren, damit sie ein Territorium zeichnen, dass man in den Schulatlanten wieder Gebietsansprüche entsprechend releviert, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollten, sollte man diese Dinge ernst nehmen und daher eine vernünftige Lösung anstreben.

Da es jetzt eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung gibt und der amtierende Bundeskanzler immer sagt, er hält viel von Bruno Kreisky, gehe ich einmal davon aus, dass er auch die Erfahrungen, die Kreisky im Jahre 1976 mit der Lösung der Volks­gruppenfrage gemacht hat, zur Grundlage macht. Denn es sind noch viele Akteure, die Kreisky damals beraten haben, im Amte. Herr Dr. Adamovich ist zwar nicht mehr Verfassungsgerichtshofpräsident, aber er ist Berater des österreichischen Bundesprä­sidenten. Er hat damals Kreisky zu diesem Schritt geraten. Er hat, wenn Sie die Dokumente der Ortstafelkommission hernehmen, Kreisky überzeugt, dass es eine geheime Ermittlung der Muttersprache geben sollte.

Und Professor Ermacora, der uns allen noch in guter Erinnerung ist, auch als lang­jähriger Parlamentarier, hat ebenfalls einen wichtigen Beitrag geleistet. Er hat gesagt, international ist eine 25-Prozent-Klausel absolut fair und in Ordnung.

Mag sein, dass sich in der Zwischenzeit diese Standards geändert haben. Trotzdem, zwischen 5 und 25 Prozent liegt die Gestaltungsfreiheit des Parlaments. Und dort muss sozusagen der politische Konsens erarbeitet werden. Vielleicht kann man gerade diese Personen wie etwa den Professor Adamovich, der ja noch funktionsfähig zur Verfügung steht, einbinden und ihn an seine eigenen Dokumente in der Ortstafelkom­mission, seine Beratungsprotokolle, seine Empfehlungen an den damaligen Bundes­kanzler erinnern. Und dann wird es leicht sein, eine neue geheime Minderheiten­ermittlung oder muttersprachliche Erhebung, wie immer, durchzuführen, die letztlich eine auch europäisch akzeptierte Grundlage ist. Denn das, was in Slowenien im Jahre 2003 möglich war, muss in Kärnten oder in Österreich auch möglich sein. Ich darf mich daher bedanken, dass Sie auch dieses Thema – für Sie sicherlich kein Hauptthema bei einer Regierungserklärung – zur Kenntnis genommen haben, dass es vielleicht manchen gibt, der sagt: Eigentlich habe ich die Geschichte immer anders gesehen (Bundesrat Konecny: Geduldig angehört!), dass es aber, lieber Kollege Konecny, auch die Möglichkeit geben muss, ein bisschen die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Das ist schon einmal sehr wichtig.

Denn eines ist schon klar: Dass wir diese Debatte auch heute noch engagiert führen, hat damit zu tun, dass es sehr, sehr finstere Zeiten für Österreich gegeben hat. Als im


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 30

Jahr 1918 die Republik zerbrochen ist und niemand gewusst hat, was aus diesem Rest-Österreich wird, hat es große ... (Vizekanzler Mag. Molterer: Was ist 1918 zer­brochen? Die Republik? – Weitere Zwischenrufe.) – Als 1918 die Monarchie zerbrochen ist, hat niemand gewusst, was aus der neuen Republik werden wird! Damals hat es große Bewegungen gegeben, in Vorarlberg, in Tirol, mit Volksabstim­mungen, sich von diesem neuen Österreich zu verabschieden und an die Schweiz und andere Länder anzuschließen. Nur Kärnten hat im Rahmen einer demokratischen Volksabstimmung einen klaren Entscheid für den Verbleib bei der Republik Österreich getätigt!

Damals hat die österreichische Nationalversammlung, Bundeskanzler, Bundesregie­rung, Nationalratspräsidium ein Telegramm an Österreich geschickt und gesagt: Diese Freude, diesen Sieg für Österreich und für die Republik werden wir den Kärntnerinnen und Kärntnern nie vergessen! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Daran möchte ich Sie heute erinnern: Wir waren oder das Bundesland Kärnten war in jeder Situation ein treuer Wegbegleiter Österreichs, auch in schwierigen Situationen, und hat es sich daher verdient, dass auch in dieser Frage mit der nötigen Behut­samkeit eine dauerhafte Lösung angestrebt wird. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

14.32


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster kommt Herr Bundesrat Schennach zu Wort. – Bitte.

 


14.32.05

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Guten Morgen! – Guten Morgen, Herr Dr. Haider, wachen Sie auf! Wir sind nicht mehr im Abwehrkampf. Wir sind auch nicht mehr in einem anderen Jahrhundert, wir sind im 21. Jahrhundert. Es gibt kein Slo­wenien mit Gebietsansprüchen, es gibt keine kriegerischen Ereignisse um eine Grenze. Ich weiß nicht, in welchem Jahrhundert Sie noch leben. Springen Sie aus dem Buch oder aus dem Film heraus, in dem Sie sich offensichtlich noch immer befinden. Kommen Sie in der Wirklichkeit an, nämlich dass Slowenien, genauso wie Österreich, EU-Inland ist! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Lassen Sie mich, bevor ich zur Regierungserklärung komme, drei Bemerkungen vorab machen.

Zum einen, noch einmal darauf zurückkommend – denn es ist schon ein starkes Stück, was uns heute der Kärntner Landeshauptmann hier gezeigt hat –: der fortwährende Rechtsbruch und die Missachtung oberster Organe und oberster Gerichtshöfe, und das von einer Regierungsbank aus, und das am Beginn einer Regierungserklärung! Und noch dazu eine Kärntner Bevölkerung in seine individuelle Geiselhaft zu nehmen! „Halten Sie sich nicht an Kärnten schadlos“, meinte er. Es geht hier um eine einzige Politik, und die verfolgt der Landeshauptmann Kärntens, den man gleichsetzen kann mit dem Fuchs im Hühnerstall, der vor dem Hühnerdieb warnt!

Meine Damen und Herren! Es gibt die zwei Fälle von Pliberk und Drveša vas, Bleiburg und Ebersdorf, worüber der Verfassungsgerichtshof zwei Mal erkannt hat. Die Volks­anwaltschaft hat sich an den Verfassungsgerichtshof gewandt und hat Recht bekommen. Die Frotzeleien des Kärntner Landeshauptmannes in dieser Frage – mit ein bisschen kleineren Ortstafeln, einer Ortstafel als Ortskennzeichnung, dem Ver­schieben und so weiter und so fort –, das ist dieser Republik und ihrer Rechtsstaat­lichkeit unwürdig, meine Damen und Herren! Dem Obersten Gerichtshof und seinen Erkenntnissen ist Rechnung zu tragen.


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Herr Bundesminister und Vizekanzler Molterer! Wenn Sie von dem internationalen Klima gesprochen haben, das Sie hereinbringen, und von der Öffnung, dann muss  ich Ihnen sagen: Das, was Sie verhandeln wollen, kann nicht an den Grenzen der Rechts­staatlichkeit vorbeigehen! Hier gibt es nach Artikel 7 und nach den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes ganz klare Grundlagen. Natürlich sind die Gemeinden in ihrer Wirkungsweise weisungsfrei, aber das Land hat eine Aufsicht hinsichtlich der StVO, und der Bund hat die Einhaltung von Staatsverträgen zu garantieren.

Meine Damen und Herren! Auch wenn der Herr Landeshauptmann von Kärnten hier sehr, sehr viele Worte gemacht hat, dies sind Fakten, an denen Sie nicht vorbei können. Und eine Einigung, die Sie hier erzielen wollen, kann nicht zu Lasten der slowenischen Minderheit gehen.

Wir sind heute in einem Europa, in dem man sich der Multikulturalität und der Viel­sprachigkeit rühmt, und man ist erfreut, dass im slowenischen Teil Istriens alles zweisprachig ist, und findet es ganz toll, dass in Südtirol alles zweisprachig ist. Aber was wir in Kärnten erleben, ist ein Schmierentheater der Sonderklasse! Das hat nichts zu tun mit der Geschichte, von der heute der Herr Landeshauptmann gesprochen hat.

Wenn man ihm zuhört, dann weiß man vielleicht auch, warum es Provokationen von slowenischer Seite gibt. Denn: Von einem solchen Landeshauptmann hat eine Minder­heit eine Nulltoleranz zu erwarten! Und was tue ich, wenn ich eine Nulltoleranz zu erwarten habe und es hier einen fortwährenden und fortlaufenden Rechtsbruch gibt?

Zum Zweiten, Herr Bundeskanzler Gusenbauer, Herr Vizekanzler Molterer – und damit lasse ich das erste Thema. Ich denke, es wird leider Gottes noch oft ein Thema sein. Ich kündige aber dazu einen Entschließungsantrag der Grünen an und hoffe, dass Sie diesem Entschließungsantrag, jenseits Ihrer koalitionären Vorberatungen, doch eine Zustimmung geben.

Mit Herrn Bundeskanzler Gusenbauer und Herrn Vizekanzler Molterer – das ist eine Vorbemerkung zur Bewertung einer Regierungserklärung, und das kann man eigentlich für die gesamte Bundesregierung so sehen – kommt die eigentliche Nach-Achtund­sechziger-Generation in hohe und höchste Ämter, die Nach-Achtundsechziger-Gene­ration – ja, auch die frühe Nach-Achtundsechziger-Generation –, die mittlerweile doch schon eine ähnliche Sozialisation hat, egal, ob sie ländlich oder städtisch war. (Vizekanzler Mag. Molterer: Gusenbauer städtisch? Das ist mir neu!) – Beinahe städtisch; er ist nach Wien geflüchtet.

Gerade in einer solchen Generation ist es, glaube ich, wichtig, dass man auch offen und deutlich Kritik aushält und Kritik übt, die allerdings fair und ohne bösartige Polemik ist. So möchte ich es auch halten, und diese Fairness, glaube ich, kennen die Frak­tionen hier im Hohen Haus. Die war mir immer wichtig, egal, zu welcher Regierungs­konstellation.

Wenn wir heute hier eine Regierungserklärung der Regierung Gusenbauer I gehört haben, so haben wir, glaube ich, den größeren Paradigmenwechsel im Bundesrat, nämlich von einer Mehrheit und parlamentarischen Zusammenarbeit von Rot-Grün zu Rot-Schwarz und von einer nicht Zweidrittelmehrheit, sondern 90-prozentigen Mehrheit hier im Haus. Das erfordert für jene, die die 90 Prozent innehaben, auch eine andere Umgangsweise mit der Opposition.

Der Ton der heutigen Präsidiale stimmt mich etwas bedenklich, möchte ich dazu nur sagen, aber ich hoffe, dass wir über den gemeinsamen Umgang noch sprechen werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wir reden vom heutigen Ton, und wir reden von den Arbeitsweisen, wie eine 90-prozentige Mehrheit mit Minderheitsrechten und


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mit Oppositionsrechten umgeht. Das wird eine interessante Frage sein, denn es wird ... (Ruf bei der ÖVP: ÖGB?)

Ich weiß nicht, was Sie da „herausblöken“ mit „ÖGB“ und „ÖGB“. Ich bin hier nicht der Vertreter des ÖGB. Wir reden hier, meine Herren von der letzten Reihe, über die demokratische Situation im Bundesrat, über eine zu verhandelnde Geschäftsordnung, die auf Grund des Ministeriengesetzes, das eingebracht worden ist, notwendig sein wird. Das wird auch eine Änderung der Geschäftsordnung zur Folge haben.

Aber gehen wir zurück zur Bundesregierung: Ich gratuliere Bundeskanzler Gusenbauer und auch Vizekanzler Molterer herzlich zu den neuen Aufgaben, die sie übernommen haben. Unter der Patronanz des Bundespräsidenten ist diese Bundesregierung zustan­de gekommen. Die Frage ist aber für die, die Hoffnungen gehabt haben, dass es ein neues Regieren gibt: Ist dieser Paradigmenwechsel tatsächlich eingetreten? Ist es wirklich zu einem Paradigmenwechsel nach sechs Jahren Schwarz-Blau-Orange gekommen?

Hier war der Befund der Medien, der Experten – und das sollte zu denken geben, sage ich in Richtung Gusenbauer – eindeutig! Dieser eindeutige Befund war, dass es sich um eine schwarze Regierung mit einem roten Kanzler handelt, in vielen Bereichen um eine Fortsetzung schwarz-blauer Politik unter einem roten Kanzler.

Ich glaube das nicht so ganz, ich glaube, es gibt hier einige Akzente, die bemerkens­wert sind. Allein der Umstand, dass es einen Minister Darabos im Verteidigungs­ministerium gibt, lässt doch bereits große Hoffnungen zu. – Darauf komme ich später noch zurück.

Aber, Herr Bundeskanzler Gusenbauer, der Fehlstart Ihrer Regierung war beachtlich! Es gibt ja die Methode des Bummerlsammelns, und Sie haben eine ganze Anzahl von Bummerln gesammelt, sodass man sich fragt, ob Sie das jemals aufholen können.

Da sind einmal die Studenten, die bitter, bitter enttäuscht wurden, die Studenten, denen Sie versprochen haben: Es gibt mit Ihrer Kanzlerschaft keine Studiengebühren mehr!

Es sind auch jene, die geglaubt haben, dass es keine Abfangjäger geben wird – jetzt sind wir von null auf 13.

Es sind jene in den Universitäten, die geglaubt haben, dass sich etwas ändern wird.

Es sind jene, die gehofft haben, die selbst nach der Wahl noch gehofft haben, dass es ein eigenes Kulturministerium geben wird.

Es sind die Beschäftigten in den Pflegeberufen, die Sie mit Ihrer Idee des Hospiz­dienstes bitter enttäuscht haben.

Und dazu haben Sie auch sehr, sehr viele Parteiaustritte – von der ÖH-Vorsitzenden bis Leon Zelman – zur Kenntnis nehmen müssen.

Das ist ein Fehlstart, der eigentlich durch ein fernsehhistorisches Dokument belegt wurde, nämlich an dem Tag, an dem die Einigung erfolgte, durch den Auftritt des Josef Cap. Man hat geglaubt, man ist bei einer Beerdigung: Ein nahezu weinender Josef Cap: Wir sind doch die Guten, aber es versteht uns niemand!, das war schon ein sehr beeindruckendes Dokument, das ich eigentlich noch nie bei der Bildung einer Regierung gesehen habe, nämlich, dass jemand mehr weint, als dass er Erfolg, Zuversicht und Selbstbewusstsein ausstrahlt.

Die SPÖ hat die Zukunftsministerien, wurde uns nachher mitgeteilt, und der ÖVP sei es nicht aufgefallen, dass sie nur die Verwaltungsministerien bekommen hat. Das ist dann wahrscheinlich so zu verstehen, dass ein von der SPÖ ausgeräumtes


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Sozialministerium weder die Arbeit noch die Familie noch die Gesundheit hat. Aber in Wirklichkeit hat ja wohl die ÖVP das eigentliche Sozialministerium in Form des Gesundheitsministeriums, nämlich mit einem wesentlich größeren Kompetenzbereich – von Gesundheit, Familie und Jugend –, im Gegensatz zum ausgeräumten Sozial­ministerium, und da wird mir ja – übrigens gratuliere ich zur Vorstandswahl, Frau Kollegin Bachner – eine höchste Repräsentantin des ÖGB wohl Recht geben.

Oder ist es so zu verstehen, dass die ÖVP Forschung und Hochschule verwaltet oder die Umweltpolitik verwaltet und die SPÖ nur die Gestaltungsministerien hat?

Lieber Kollege Gusenbauer, das, was ich jetzt sage, ist nicht verletzend gemeint, aber als ich Sie die ersten Male gesehen habe – Sie haben sich ja, im Gegensatz zu Josef Cap, gefreut – und als ich von der Verteilung der Ministerien gehört und die Gesichter von Kollegen Molterer und Kollegen Schüssel gesehen habe, habe ich mir gedacht – das ist wirklich nicht persönlich und verletzend gemeint –: Es ist dies irgendwie ein Faschingsprinz: Er freut sich über die Krone, aber dahinter stehen jene, die die Macht in den Händen halten!

Ich meine, ich freue mich, dass Sie jubeln können – wie gestern in Schladming – als Bundeskanzler. Aber wer gestaltet die Sicherheitspolitik? Wer gestaltet die Finanz­politik, die Umweltpolitik, die Universitätspolitik, die Außenpolitik, die Wirtschaftspolitik, die Arbeitsmarktpolitik, die Jugendpolitik, die Familienpolitik? (Ruf bei der ÖVP: Alles in guten Händen!) – Das sind zentrale Politikbereiche, die bei weitem nicht von der Kanzlerpartei bestimmt werden. (Bundesrat Kritzinger: Und wo seid ihr gewesen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Schauen Sie, ich bin immer großzügig, das wissen Sie, ich gebe hier zu und sage es ganz offen in der Rede: Die Performance der Grünen in diesen Wochen (Ruf bei der ÖVP: War super?) war wirklich nicht beeindruckend! Wenn Sie das wollen, dann sage ich Ihnen das. (Demonstrativer Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aber es ist interessant, wie billig man hier zu einem Applaus kommt. (Heiterkeit.) Man muss nur irgendwie sagen, man ist ein bisschen abweichend, und schon wird applau­diert, als ob man der König von irgendetwas wäre. (Bundesrat Mag. Himmer: Nein, so stark war es auch wieder nicht! – Heiterkeit. – Bundesrat Dr. Kühnel: Sie sind ja der König der Besserwisser!)

Tatsache ist, dass Sie für ein Regierungsprogramm drei Monate benötigt haben – drei Monate, dass Dr. Gusenbauer eigentlich den Großteil der SPÖ-Wahlversprechen gebrochen hat –, für ein Papier irgendwie mit Überschriften. Ich habe mir ganz spezielle Kapitel angesehen, da habe ich mir gedacht: Wer immer hier die Redaktion geführt hat, der hat einmal ein Lexikon hergenommen und geschaut, was man unter diesem Gegenstand derzeit allgemein versteht! Es ist ja im Grunde eine Fülle an Worten ohne irgendeine Definition. Es gibt wahnsinnig viele Arbeitskreise. Das ist zwar eine interessante Form des Regierens, aber von einem Regierungsprogramm erwartet man Konkreteres – vor allem, wenn man drei Monate dazu braucht!

Aber für eines muss man dankbar sein, für eines bei dieser Regierungsbildung bin ich auch ausgesprochen dankbar, dankbar im Sinne der politischen Ethik, dankbar für die kollektive Psychohygiene unseres Landes und für die Gesundung unserer politischen Kultur, nämlich, wofür ich dankbar bin – da kann weder Herr Gusenbauer noch Herr Molterer etwas dafür –, das ist, dass es einen Karl-Heinz Grasser in der öster­reichischen Innenpolitik nicht mehr gibt. Dafür muss man dankbar sein! (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Todt.)

Dieser Verfall der politischen Kultur und der Sitten, die zur Person gewordene Inkar­nation der Verwechslung von Privat und Staat, auch diese Form der öffentlichen


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Frotzelei, der unentwegten öffentlichen Frotzelei: ein Politiker, der im Grunde genom­men nichts anderes im Sinn gehabt hat als seine Selbstverwirklichung! Dass es hier einigen Personen innerhalb der ÖVP gereicht hat, war wahnsinnig wichtig für die Ethik und die politische Psychohygiene dieses Landes. Das war sehr, sehr wichtig! (Zwi­schen­rufe bei der ÖVP.)

Der Fehlstart aber, Herr Bundeskanzler, manifestiert sich natürlich auch in zwei ande­ren Punkten: Zum einen – da können Sie nichts dafür, das ist eine Sache, die sich Kollege Molterer anschauen muss – steht Ex-Verteidigungsminister Platter unter enormem politischen Druck und hat eine Menge zu erklären, meine Damen und Herren; zuerst einmal die seltsamen Schießspiele! (Ruf bei der ÖVP: Pilz!) Ich frage mich: Wie feiert man irgendetwas im Bundesheer, dass man auf dem Fahrrad sitzt und auf Zielscheiben schießt, auf denen sich möglicherweise die Bilder von Minister­kollegen befinden? (Bundesrat Mag. Himmer: Ist doch nichts davon bewiesen! Überhaupt nichts!)

Es gibt hier eine Aussage eines Beamten. Er hat selbst zugegeben, dass er gefeiert hat, dass er auf dem Rad gesessen ist und herumgeschossen hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Was ist denn das für eine Kultur, Kollege Himmer? Wissen Sie, wie wichtig es ist ... (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist das bewusste Sagen der Unwahrheit! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Das ist nicht die Unwahrheit; das wissen Sie selbst, dass das auch zugegeben wurde.

Die nächste Frage wird sein – und die wird er auch zu klären haben –: Was wurde bei den Eurofightern geschönt? Was wurde gegenüber der Kontrolle und dem Parlament geschönt? – Das sind Fragen, die er zu beantworten hat!

Da weiß ich, wenn ich von diesen Sitten bei Feiern im Bundesheer höre, wie wichtig es ist – und dazu gratuliere ich Ihnen, Herr Gusenbauer –, dass es einen Verteidigungs­minister gibt, der nicht die Wurzeln im Offizierskorps gehabt hat, sondern der ein Zivildiener war. Das ist ein wichtiges Signal – ein wichtiges Signal! – und zugleich auch eine Standortbestimmung: Lösen wir uns davon, dass das Bundesheer noch irgendwelche Kriegsspielchen macht! Das Bundesheer ist ein Dienst für den Katastro­phenschutz und dient für Auslandseinsätze. Es gibt niemand, der diese Republik bedroht! Das kann auch der Herr Landeshauptmann von Kärnten wissen: Wir sind inmitten von lauter NATO-Staaten und EU-Mitgliedsländern. Es gibt da niemand, der uns bedroht.

In diesem Bundesheer wird es wirklich notwendig sein, eine andere Kultur auch im inneren Umgang zu haben, und deshalb ist die Person des Herrn Darabos wichtig. Das zeigt selbst das, was sich heute abspielt – und er hat damit, militärisch ausgedrückt, sicher ein Himmelfahrtskommando übernommen –, nämlich dieser schleichende Gehorsams­verlust innerhalb des Bundesheeres, das nun in seinen Kadern murrt, weil diese bisher immer nur die militärische Sprache gewohnt gewesen sind. Es ist wichtig, dass hier einer mit ziviler Tradition und auch als Zivildiener diese Position innehat. Ich halte das für ganz wichtig! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Über etwas wundern, glaube ich, nicht nur wir Grüne uns, sondern es wundert sich schon die halbe Öffentlichkeit über – ich weiß nicht, wie man es bezeichnen kann – Ihre absolute Milde in der Beurteilung von Wehrsportübungen des H.C. Strache. Da robbt einer im Militärgewand mit später großteils als Neonazi zu identifizierenden Personen wie Küssel, Thierry herum, und Sie sprechen von Jugendtorheiten? – Eine Jugendtorheit ist es, wenn man vielleicht in Nachbars Garten einmal einen Apfel mitgehen lässt oder sich als Dreizehnjähriger illegalerweise eine Zigarette anzündet. Das sind Jugendtorheiten, wie wir sie verstehen. – Aber das sind keine Jugendtorheiten! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Es gibt einen Cordon sanitaire ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist auch eine Jugend­torheit: beim Opernball demonstrieren und gewaltbereit sein!) Wollen Sie jetzt eine Opernballdemonstration mit Wehrsportübungen vergleichen? Ich meine ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist viel schlimmer!) Ach, viel schlimmer? Na gut. – Der Cordon sanitaire tut gut, wie man gerade hört, und zu diesem Cordon sanitaire, Herr Bundeskanzler, sollten Sie wieder zurückkommen.

Wenn wir nun zum Regierungsprogramm im Detail kommen, kann man es über­schreiben mit: „Es ist eine Fortschreibung.“ Es tut mir leid – es tut auch mir als Oppositionspolitiker leid –, es ist eine Fortschreibung statt eines Aufbruchs! Zu den Schlüsselworten, die ich in diesem Programm finde – fangen Sie zu zählen an, die Seiten sind ja mit nicht einmal 130 schaffbar –: Immer wieder steht da ein Satz, der wirklich beispielhaft ist und alles relativiert, was hier angedacht worden ist – und es ist oft auch Sinnvolles angedacht –, und der lautet: „nach Maßgabe budgetärer Möglichkeit“. Das heißt: Wir hätten ja gerne gewollt, aber es geht nicht! (Bundesrat Bieringer: Das Christkind kommt am 24. Dezember!)

Ja, ja, mein lieber Kollege Bieringer, Ihr Problem ist es ja nicht! Sie waren bei den Wahlversprechen etwas leiser. Aber die Kanzlerpartei hat ganz andere Wahlver­sprechen abgegeben! Und dieser Müllberg an Wahlversprechen wird dank dieses Satzes am Ende dieser Regierungsperiode größer. Sie werden mit Ihren enttäuschten Wählern herumgehen.

Ein Wort über den Arbeitsdienst für Studierende. – Ich frage mich: Was haben Sie sich wirklich gedacht? Und finden Sie es nicht langsam an der Zeit, zumindest das zurückzunehmen? Ins Hospiz wollen Sie sie schicken? Haben Sie, Herr Bundes­kanzler, davon eine Ahnung, haben Sie schon jemals ein Hospiz besucht? Hin und wieder sollen Studierende, die dazu in keiner Weise befähigt sind, Dienst an sterben­den Menschen machen? Haben Sie denn keine Achtung vor qualifizierten Sozial­berufen? Wollen Sie das Geld, das Sie in die Universitäten investieren wollen, später in die nachfolgende psychische Betreuung jener Studenten investieren, die das nicht aushalten und nicht durchtragen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eines hätte ich mir schon gewünscht, Herr Bundeskanzler! Ich verstehe Ihre Verbit­terung: Sie waren oft in Ihrem Leben Demonstrant, und plötzlich werden Sie zum Objekt von Demonstrationen. Das ist etwas Neues, und da kann auch in der Verbit­terung und in dem Unverständnis einmal einem ein Wort auskommen, das man vielleicht lieber nicht gesagt hätte. Aber die Studenten als „Rabauken“ zu bezeichnen – ich glaube, das sollten Sie doch irgendwann einmal zurücknehmen! (Beifall bei den Grünen.)

Auf die Bildungsreform warten wir noch immer – das war eine zentrale Wahlkampf­ansage der SPÖ –, aber die kommt nicht.

Was die Umwelt betrifft, steht bei der SPÖ noch drin: Österreich braucht einen neuen Umweltminister! – Es hat den alten bekommen. Die Umweltpolitik bleibt nach dem, was hier vorliegt, auf dem Abstellgleis.

Die Armutsbekämpfung ist nicht ambitioniert, trotz dem, was Sie heute hier gesagt haben. Sie haben zwar eine jahrelange Forderung – dafür bin ich Ihnen dankbar –, nämlich die jahrelange Forderung nach der Mindestsicherung, aufgenommen, doch dies gleich wieder eingeschränkt, und zwar heißt es jetzt: Nur dann, wenn eine Vereinbarung mit den Ländern getroffen werden kann!

Ich kann mich daran erinnern, dass die SPÖ immer gesagt hat: Die Arbeit der Wirtschaft auszuliefern, das bedeutet sozusagen, diesen Politikbereich dem Todfeind auszuliefern! – Aber das Arbeitsressort verbleibt nach wie vor im Wirtschaftsressort!


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Wenn man sich den Budgetpfad und die Budgetpolitik anschaut, so muss man sagen: Gott sei Dank ist Grasser nicht mehr in der Politik! Aber seine Budgetpolitik hat diese Regierung in ihrer Regierungserklärung fortgesetzt!

Was die Integrationspolitik angeht, kann ich das blaue Lager beruhigen: Keine Sorge, da scheint alles wie bei der Vorgängerregierung zu sein!

Die Gleichstellung anderer Lebensgemeinschaften – im Wahlkampf immer wieder vorgekommen –: Kein Wort darüber in der Regierungserklärung!

In der Kulturpolitik scheint das Motto vorzuherrschen: Wer nichts ankündigt, der ist dann auch zu nichts verpflichtet!

Im Bereich der Medien gibt es einige, die schon bitter enttäuscht sind. Das sind jene, die mit dem Rücken zur Wand stehen und gehofft haben: wenn Schwarz-Blau-Orange einmal weg sind, dann werden sie eine Chance haben; das sind die freien, nicht kommerziellen Medien. – Das kommt nur als eine Möglichkeit vor, wieder mit den Ländern und so weiter und so fort. Kein Signal in diese Richtung!

Dass Sie eine unabhängige Medienbehörde schaffen wollen, ist der richtige Weg, und das begrüße ich auch ausdrücklich.

Zu den „speziellen Maßnahmen“: Sie haben solche Begriffe drinnen, Begriffe, die – wie ich schon eingangs gesagt habe – einfach zu wenig sagen. „Spezielle Maßnahmen für KMU“: Frau Präsidentin Zwazl wird wahrscheinlich den Kopf schütteln.

Oder: Es steht im Regierungsprogramm, obwohl wir mittlerweile aufgeklärt wurden, noch immer der Satz drinnen: „Entlastung des Faktors Arbeit“; etwas, was wir alle immer gefordert haben. – Das findet nicht statt!

Was mich sehr verwundert, ist – aber vielleicht ticken hier SPÖ und ÖVP wirklich absolut auf einem Ton –, dass Sie die Verkehrspolitik unter die Infrastruktur sub­sumieren und damit sagen: „Asphalt statt Mobilität“.

Der „absoluteste“ Tiefpunkt in diesem Programm – das sage ich nicht nur, weil ich Fraktionsvorsitzender der Grünen bin; das haben Ihnen auch Expertinnen und Exper­ten bestätigt – sind die Teile zum Klimaschutz. Erst unlängst war im Fernsehen ein Minister Pröll zu sehen, der fast weinend dreingeblickt und gemeint hat: Man muss neu verhandeln, dass man den Tanktourismus jetzt den Deutschen zurechnet! – Als ob dadurch irgendetwas an der Klimabelastung verbessert würde, wenn wir nun eine Haarspalterei à la Haider machen, was den Tanktourismus betrifft!

Trotz dieser Kritik, die ich hier übe, gibt es das, was ich bereits über Minister Darabos gesagt habe. Aber auch vier andere Namen in dieser Regierung sind es, über die ich sage, dass sie aufhorchen lassen; sie lassen aufhorchen, da es in bestimmten Bereichen einen Paradigmenwechsel geben kann. Ich bin sehr neugierig – und wir sind ja auch hier sehr offen – auf die Arbeit der Frauen Ministerinnen Berger, Kdolsky und Schmied sowie der Frau Staatssekretärin Marek. Es gilt hier der Grundsatz, den wir immer genannt haben: Es gibt einen Vertrauensvorschuss, den man hier mit aller politischen Fairness einbringen kann und soll.

Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal darauf zurück: Sie haben hier eine 90-prozentige Mehrheit. Wir werden über die Geschäftsordnung und über die Rechte der Opposition reden müssen.

Wir haben uns in den letzten Jahren alle gemeinsam bemüht, den Bundesrat aufzu­werten und zu beleben. Da Kanzler Gusenbauer gesagt hat, dass er gerne hierher zurückgekommen ist – er hat ja selbst dem Bundesrat angehört –, hoffe ich, dass er nicht wie sein Vorgänger dieses Hohe Haus durch Abwesenheit ignoriert. (Bundesrat


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Bieringer: Das stimmt doch nicht ...!) Drei Mal war seit 2001 Bundeskanzler Schüssel hier anwesend; einmal, weil zufällig draußen eine Ehrung stattgefunden hat und er eine Rede gehalten hat. – Ich hoffe, dass Bundeskanzler Gusenbauer auch seine Frage­stunde hier selbst bestreiten wird; nicht jede, aber dass er hier doch zum Ausdruck bringen möchte, dass gelebter Föderalismus mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist.

Ich hoffe sehr, dass es der gemeinsame Wille aller Fraktionen hier im Hause ist – und man hat es bei dieser Regierungsbildung angekündigt –, dass man generell dem Parla­mentarismus neues Leben einhauchen will und dass man gemeinsame Ent­schließungen des Bundesrates im Nationalrat anders behandeln wird, wie etwa die – Herr Kollege Molterer, das betrifft gleich Sie –, dass der Bundesrat auf Initiative von Jürgen Weiss einstimmig den Nationalrat ersucht hat, künftig keine Sammelgesetze – wie etwa das Budgetbegleitgesetz als großes Sammelgesetz – vorzulegen. Oder ein Landeshauptmann von Oberösterreich, Pühringer, hat hier an dieser Stelle gesagt: Es ist sein großes Ziel, dass Kompetenzen des Finanzausgleichs in den Bundesrat kommen.

All diese Dinge werden zu diskutieren sein. Ich kann nur an SPÖ und ÖVP appellieren: Legen Sie nicht jetzt, nach all diesen Arbeiten, die wir für die Belebung des Bundes­rates gemacht haben, wieder einen Mantel der Ohnmacht über den Bundesrat, indem Sie mit Ihrer 90-prozentigen Mehrheit hier alles zudecken! Es wäre schade um den Bundesrat. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.02


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


15.03.01

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen von der Bundesregierung! Herr Landeshauptmann auch noch! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Kollege Schennach hat sich aus unbegreiflichen Gründen über das Klima in der heutigen Präsidialsitzung beschwert; dazu hat er keinen Grund. Aber sich über das Klima in der nächsten Präsidialsitzung zu beschweren, wird er allen Grund haben! Ich sage also im Aufgreifen dessen, was er gemeint hat: Ja, wir werden über die Rechte der Opposition reden! Man kann über alles reden, aber nicht 36 Minuten lang! Und wenn wir in besagter Präsidiale 12 Minuten für die Hauptredner ausmachen, dann gilt das, bitte, auch für die Grünen! – Das gehört zur Kollegialität! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ansonsten muss ich ja zugeben, dass ich durchaus in gewissen Fragen mit dem Kollegen Schennach einer Meinung bin – nicht in denen, die er jetzt vielleicht vermutet, aber er hat – und das finde ich sehr richtig und zukunftsorientiert – von der Regierung Gusenbauer I gesprochen! So ist das im politischen Leben (Beifall bei der SPÖ): Wenn man zu nummerieren anfängt, dann rechnet man mit den Kabinetten Gusen­bauer II, III, und dann wollen wir einmal weiterzählen! Diese Einschätzung des Kollegen Schennach teile ich durchaus, und wir werden sehen; abgerechnet wird bekanntlich immer am Schluss.

Ich bin auch dort mit dem Bundesrat Schennach einer Meinung, wo er von einem Fehlstart gesprochen hat – aber nicht dieser Bundesregierung! Es hat einen Fehlstart gegeben, niemand hat das schmerzlicher empfunden als alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten: Das war der Fehlstart in den Wahlkampf! Denn: Unter miserableren Bedingungen als jenen von Ende April/Anfang Mai kann man wohl kaum zur Gewinnung der Kanzlerschaft antreten. Sie hat aber stattgefunden!


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Ich würde – in Analogie – sagen: Reden wir in dreieinhalb Jahren weiter! Es wird auch das stattfinden, was in der heutigen Erklärung des Bundeskanzlers zum Ausdruck gekommen ist: dass es eben eine andere Handschrift in der österreichischen Regie­rungspolitik gibt. Ihre Zweifel in allen Ehren, aber wenn Sie ehrlich sind, werden Sie in dreieinhalb Jahren diese Zweifel als überwunden beiseite räumen müssen.

Dabei ist eines klar: Diese Wahlen haben jenes Ergebnis erbracht, das wir alle kennen. Es hat kein Mandat – bei weitem kein Mandat! – für die Fortsetzung der bisherigen Regierungspolitik gegeben. Aber es hat auch kein mehrheitliches Mandat für einen vollkommenen Bruch durch eine Regierung völlig anderer Zusammensetzung gegeben.

Daher ist jene Lösung, die mühsam genug gefunden werden konnte, naturgemäß ein Kompromiss, der weder den völligen Bruch noch den völligen Neuanfang noch das Überwiegen des Weiterbetreibens einer bestimmten Politik beinhalten kann. Es ist der Versuch, Gemeinsames zu finden – was nach den letzten sieben Jahren sicherlich nicht ganz so einfach war. Es ist von unserer Seite zu registrieren, dass nicht in jedem Fall unsere Bedenken, die wir seinerzeit einem Gesetzgebungsvorhaben entgegen­gebracht haben, berechtigt waren; und es ist von Seiten der ÖVP zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht alles, was sie auf den Weg gebracht hat, auch zu einem Ziel geführt hat.

Auf dieser Basis hat es mühsame, schwierige und natürlich kompromissorientierte Verhandlungen gegeben. Daher gibt es in diesem Regierungsprogramm selbst­verständlich Komponenten, in denen die Politik der bisherigen Bundesregierung fortge­schrieben wird – wie denn nicht! –, und darüber mag sich im Einzelfall die Begeiste­rung auf unserer Seite in Grenzen halten; das werden Sie uns zubilligen. Überdies gibt es Bereiche, in denen weitestgehend eine Veränderung vorgenommen wird, und ich habe volles Verständnis dafür, wenn Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP darüber nur eine gemäßigte Begeisterung empfinden.

Darüber hinaus gibt es Bereiche – und das sind sicherlich die wertvollsten, um es ganz deutlich zu sagen –, in denen letztlich ein gemeinsamer Ansatz entwickelt wurde. Ich verweise dazu ausdrücklich auf die Staatsreform, von der der Herr Vizekanzler ge­sprochen hat; hier ist eine lange Debatte geführt worden, der Konvent hat dazugehört.

Dieses Haus interessiert es naheliegenderweise auch in besonderem Maße, weil es ja nicht nur um das Haus des Bundes geht, sondern um das gemeinsame Haus – die Gesamtrepublik –, in dem Gemeinden, Bundesländer und der Bund unterkommen müssen. Die Frage, welche Kabinette man gegen welche anderen austauschen kann oder ob die Stockwerke richtig angeordnet sind, ist im Detail zum Teil diskutiert worden – durchaus mit Ergebnissen –, zum Teil ist diese Diskussion noch zu führen.

Wir hoffen sehr darauf und bieten unsere konstruktive Mitarbeit dabei im besonderen Maße an, weil wir ja hier auch in einer Mittler- und Zwischenrolle sind. Wir sind nicht die Sprachrohre von Landeshauptleuten – wobei ich gar keinen bestimmten meine, sondern alle –, wir sind aber auch nicht die Exekutivorgane von Parteisekretariaten, die den Ländern mitzuteilen haben, dass sie uns nicht dreinreden sollen, wenn wir uns schon längst einig sind.

Das ist eine schwierige Rolle – das erfährt jeder von uns am eigenen Leib –, und diese Rolle müssen wir nicht nur aushalten – das ist ohnedies selbstverständlich –, sondern wir haben aus ihr auch etwas gelernt, von dem ich glaube, dass es in den Bereich der Staatsreform eingehen kann.

Die Akzente, die neu sind, die Akzente, die die Sozialdemokratie eingebracht hat, sind natürlich jene, die uns in besonderem Maße begeistern und für die wir uns engagieren


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werden. Aber es ist keine Frage: Es ist eine gemeinsame Regierung, und die beiden Parteien, die sie bilden, haben sie zu tragen.

Der unterschiedliche Begeisterungsgrad, den es ja geben mag, darf nichts darüber aussagen, dass wir es als gemeinsames Projekt zu sehen haben – allerdings – das liegt in der Natur der Sache – nicht, bis dass der Tod euch scheidet, sondern bis der Wähler das nächste Mal zu einer Entscheidung aufgerufen ist! Das ist bei politischen Bündnissen so der selbstverständliche Fall.

Ich glaube, dass die Schwerpunkte der Regierungserklärung, dass das Herausstellen der Entwicklung zu einer wissensbasierten Gesellschaft, dass das Herausstellen der Wichtigkeit und der Notwendigkeit, die Arbeitslosigkeit nicht nur im Gefolge der Wirtschaftsentwicklung, sondern auch durch gezielte Einflussnahme drastisch zu reduzieren – jener sehr wohl ein Wahlversprechen verwirklichenden Orientierung darauf, diesem guten Sozialnetz zusätzliche und innovative Komponenten hinzu­zufügen, um gegen das Abgleiten von Menschen in die Not, und zwar sei es von denen, die nicht arbeiten können oder nicht mehr arbeiten, oder sei es von denen, die arbeiten, hier zusätzliche Netze, von denen wir erkennen müssen, dass sie notwendig geworden sind, einzuziehen –, ein neuer Zugang ist, und es ist vor allem nach den letzten sieben Jahren ein ungewohnter Zugang für viele unserer Landsleute.

Wir werden auch ab jetzt – das sage ich erläuternd dazu – in der Beurteilung der letzten sieben Jahre nicht plötzlich Einvernehmen herstellen. Wir haben in diesen sieben Jahren harte Auseinandersetzungen auch in diesem Haus geführt, bei denen die Vertreter der Regierungsparteien diese Maßnahmen hochleben ließen – auch dann, wenn sie vielleicht im Einzelfall nicht so ganz davon überzeugt waren – und wir sie in Grund und Boden kritisiert haben, auch dann, wenn man sich manchmal im Hinterkopf gedacht hat: Das hätten wir so ähnlich auch machen müssen! (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Ich sage das ganz ehrlich. Denn: Wir sollten hier als Menschen miteinander reden, die verschiedene Konstellationen erlebt haben; was mich betrifft, auf Alleinregie­rungsseiten, Koalitionsregierungsseiten unterschiedlicher Zusammensetzung, in Oppo­sition, ich habe also schon einiges miterlebt (Vizekanzler Mag. Molterer: Von-bis! – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer), von-bis miterlebt!

Ich glaube, das ist man sich auch selbst schuldig; nicht deshalb, weil wir in Blick­richtung auf die Öffentlichkeit hier Theaterdonner inszenieren, sondern deswegen, weil es zur Professionalität der politischen Betätigung gehört, sich auch selbstkritisch – mit oder ohne Bindestrich dazwischen – betrachten zu können. Dazu lade ich alle Gegen­den dieses Hauses ein: die, die frisch in Opposition geraten sind; die, die in Opposition verblieben sind; und bei den Regierungsparteien – der neuen Regierungspartei, der alten Regierungspartei – ist es ohnehin selbstverständlich. – Ich halte mich ja an das Lichtlein hier.

Ich möchte daher namens der Bundesräte Konecny und Bieringer einen Ent­schließungsantrag einbringen:

„Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesrat begrüßt das beigefügte Regierungsprogramm und die darin vorge­sehenen Maßnahmen.

Er ersucht die Bundesregierung, zur Umsetzung dieser Vorhaben zeitgerecht Vorlagen zu übermitteln, um sicherzustellen, dass das gesamte Programm in der XXIII. Ge­setzgebungsperiode des Nationalrates umgesetzt werden kann.“


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Die weitere Verlesung, insbesondere der Beilage, erspare ich mir. (Vizekanzler Mag. Molterer: Kennen alle auswendig!)

Meine Damen und Herren! Am Schluss, damit ich nicht unhöflich bin, eine Bemerkung zum Herrn Landeshauptmann – er ist ohnehin noch hier –: Sie haben uns heute wieder einmal unter Beweis gestellt, dass Sie ein Teil des Problems sind. Es wäre an der Zeit, sich zu entschließen, ein Teil der Lösung der Kärntner Ortstafelfrage zu werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Konecny, Bieringer, Kolle­ginnen und Kollegen soeben eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Unter­stützung und Umsetzung des Regierungsprogramms ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

 


15.15.06

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler Molterer! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Herr Landeshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Konecny, du wirst verstehen, dass wir von der ÖVP alles daransetzen werden, dass es beim Kabinett Gusenbauer I bleibt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich zur Regierungserklärung komme, schon auf ein paar Aussagen von Vorrednern eingehen.

Herr Vizekanzler! Ich danke dir sehr herzlich für deine Feststellung, dass nicht nur Bund und Länder, sondern auch die Gemeinden tragende Säulen dieser österreichi­schen Demokratie sind und dass ohne Gemeinden nichts geht. Ich halte hier im Bundesrat wieder einmal fest: Ländervertreter sind glühende Föderalisten, wenn sie beim Bund verhandeln; aber wenn Ländervertreter mit den Gemeinden verhandeln, lieber Herr Ex-Landesrat Buchinger, dann hören die glühenden Föderalisten auf. (Heiterkeit.) Daher danke ich dir, lieber Herr Vizekanzler, für deine Feststellung.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Du hast den Beitrag zum Konsens eingefordert. Jawohl, wir von der ÖVP-Fraktion – und das darf ich hier im Namen der ÖVP-Fraktion erklären – erwarten den Konsens, von den Vertretern der Mehrheit genauso wie von den Vertretern der Minderheit, aber vor allem auch von den Kärntner Parteien! Eine besondere Verantwortung liegt dabei bei dir, Herr Landeshauptmann, denn du bist der Repräsentant dieses Landes und bist auch gefordert, dazu beizutragen, dass es einen Konsens gibt!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schennach, was du hier geboten hast – ach so, er ist wieder einmal draußen! –, das war Polemik pur! Das möchte ich ausdrücklich festhalten. Ich gehöre seit 1984 diesem Hohen Haus an und habe heute die Ehre, an der siebten Regierungserklärung teilzunehmen. Aber so eine Äußerung hat es bei den sechs vorangegangenen Regierungserklärungen noch niemals gegeben! Das möchte ich ausdrücklich festhalten.

Man kann und man soll in einer Demokratie unterschiedlicher Meinung sein – dagegen ist, bitte schön, nichts einzuwenden –, aber hier herzugehen, vorher scheinheilig zu sagen, dass die Performance der Grünen nicht berauschend war, aber dann damit anzufangen, angesehene Persönlichkeiten anzuschütten – anzuschütten in übelster Art! –, das finde ich, schlicht gesagt, extrem komisch, und zwar noch dazu, wenn man sich auf einen bezieht, der gerne als Aufdecker der Nation herumrennt und der in der


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„Pressestunde“ am vergangenen Sonntag die These aufgestellt hat, dass die Euro­fighter 5 Milliarden € kosten!

Meine Damen und Herren! Ich würde Herrn Schennach und vor allem auch Herrn Pilz eindringlich empfehlen, die „Salzburger Nachrichten“ vom 30.1. zu lesen. Da schreibt unter dem Titel „Teure Eurofighter, unlogischer Pilz“ der angesehene Redakteur Alexander Purger, dass der Abgeordnete Pilz folgende Behauptung aufstellt – die dann noch dazu von der „Kronen Zeitung“ sofort eine Schlagzeile bekommen hat –:

„Der tatsächliche Kaufpreis der 18 Eurofighter liegt bei 1,959 Milliarden Euro. Dazu kommen System- und Einführungskosten in Höhe von 463 Millionen Euro. Diese längst bekannten Kosten betreffen Umbauten des Flugplatzes und dergleichen, wären also auch bei jedem anderen Flugzeugtyp angefallen. Und dann gibt es die ebenfalls längst bekannten Betriebskosten, die etwa 50 Millionen Euro pro Jahr betragen werden.“

„Pilz multipliziert diese Betriebskosten nun mit der angepeilten Betriebsdauer von 40 Jahren, was zwei Milliarden Euro ergibt. Dazu rechnet er die Einführungskosten und den wahren Kaufpreis, was in Summe 4,6 und bei Pilz’scher Rundung fünf Milliarden Euro ergibt.

Diese Rechnung ist etwas ungewöhnlich. Bei keinem Auto würde man die Benzin­kosten und die Gehälter des Mechanikers für 40 Jahre in den Kaufpreis einrechnen. Auch bei keinem anderen politischen Ausgabenposten werden die Kosten auf 40 Jahre berechnet, um dadurch seine Nichtfinanzierbarkeit zu suggerieren.“

„Auch würde niemand auf die Idee kommen, das Gehalt eines Politikers als 40-Jahres-Summe anzugeben. Immerhin würde ein Abgeordneter wie Pilz dann fast vier Millionen Euro verdienen.“ (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! So wird – das möchte ich auszugsweise vorgeben – von diesem Herrn Pilz argumentiert! Und dann gehst du, Kollege Schennach, hier her und willst moralische Ansprüche stellen. Ein altes Sprichwort sagt: „Hast du Butter auf dem Kopf, geh nicht im Sonnenschein.“ (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Nun zur Regierungserklärung: Zum Unterschied von Herrn Schennach möchte ich mich sehr, sehr herzlich bei den ausgeschiedenen Regie­rungsmitgliedern bedanken; hier insbesondere bei Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und – jetzt kannst du zuhören, Kollege Schennach – besonders bei Herrn Finanzminister Karl-Heinz Grasser! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Wir werden es nicht zulassen, dass hier über Leute, die sich extrem verdient gemacht haben, in so einer, ich möchte fast sagen, niederträchtigen Art und Weise vorgegangen wird.

Meine Damen und Herren! „Gemeinsam arbeiten für Österreich“ heißt das Motto der neuen Bundesregierung. Es wurde eingangs bereits erwähnt: Wenn man sieben Jahre da in der Regierung, dort in der Opposition sitzt, ist man zwangsläufig unterschiedlicher Meinung. Das ist in einer Demokratie gut so, und das soll auch immer so sein.

Wir haben vor dem 1. Oktober 2006 sehr starke Gegensätze gehabt. Dass sich das nicht über Nacht ändern wird, ist klar und liegt in der Natur der Sache. Aber ich darf Herrn Kollegen Schennach mitteilen: Wir werden einen Konsens finden. Wir sind Streitkultur gewohnt, und wenn ich „Streitkultur“ sage, dann meine ich eine demo­kratische Streitkultur.

Frau Kollegin! Es ist nun einmal so: Wenn eine Regierung von zwei unterschiedlichen Parteien gegründet wird, dann muss man Kompromisse schließen. Der große österreichische Freiheitskanzler Julius Raab hat einmal gesagt: Ein Kompromiss ist dann gut, wenn er beiden Seiten weh tut. – Ich glaube, dass Alfred Gusenbauer und


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Willi Molterer einen Kompromiss gefunden haben, der beiden Seiten ein bisschen weh tut. Das ist gut so; wir werden schauen, dass das Wehtun nicht allzu groß wird. Wir werden alles daransetzen, um weiterhin daran zu arbeiten.

Auf Basis einer guten siebenjährigen Arbeit einer Bundesregierung kann diese Regierung weiterarbeiten. Ich bin froh darüber, dass der Herr Bundeskanzler im Nationalrat erklärt hat: Österreich ist ein erfolgreiches Land; Österreich ist eines der sichersten Länder; Österreichs ökologische Landwirtschaft ist in Europa einzigartig; Österreich hat eines der besten medizinischen Versorgungssysteme der Welt. – Meine Damen und Herren, wenn ich mich da zurückerinnere, wie es vor dem 1. Oktober geheißen hat: Zwei-Klassen-Medizin, und was weiß ich noch alles. – Ich bedanke mich daher beim Herrn Bundeskanzler dafür, dass er das, was die Österreichische Volks­partei und auch – das muss man einbeziehen – das BZÖ gesagt haben, bestätigt hat.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich am letzten Tag meiner aktiven Dienstzeit als Bundesheerangehöriger sehr wohl festhalte – und ich bin dankbar für die Aussagen dieser Bundesregierung in der Regierungserklärung –, dass die Bundes­regierung erwartet, dass die Soldatinnen und Soldaten zu dieser Regierung stehen, aber auch die Bundesregierung danach trachten wird, dass sie zu den Soldatinnen und Soldaten steht!

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, und weil ich gewohnt bin, Vereinbarungen einzuhalten, komme ich zum Schluss. Ich darf für die ÖVP-Fraktion in diesem Haus festhalten, dass wir den Herrn Bundeskanzler und dich, lieber Herr Vizekanzler, nach bestem Wissen und Gewissen bei der Durchsetzung dieses Regierungsprogramms unterstützen werden. Ich wünsche der neuen österreichischen Bundesregierung ein herzliches „Glück auf!“. Arbeiten wir gemeinsam für unser rot-weiß-rotes Österreich! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Kollege Bieringer hat es soeben selbst kurz angesprochen: Er ist gestern Abend mit den dem Bürgermeister der größten Kaserne Österreichs zustehenden militärischen Ehren in den Ruhestand als Vizeleutnant verab­schiedet worden. Die Freude, den eigenen Ruhestand erlebt zu haben, teilen wir gerne. Die gute Nachricht dazu: Wir können uns trotzdem sicher fühlen. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


15.27.27

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frauen und Herren Bundesminister! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Vorerst möchte ich aber auch die unglaubliche Entgleisung des Herrn Bundesrates Schennach von meiner Seite doch ins richtige Lot bringen. Ich glaube nicht, dass es eine Jugendtorheit ist, was Bundesrat Schennach heute begangen hat. Das alles sind gezielte Attacken.

Herr Bundesrat Schennach! In Kärnten wären Aussagen wie „Herr Landeshauptmann von Kärnten, da werden die Slowenen an die Wand gespielt“ oder „Der Herr Landes­hauptmann macht aus Kärnten ein Schmierentheater“ oder „Für einen solchen Landeshauptmann eine Null-Toleranz“ unglaubliche Entgleisungen eines Bundesrates gegenüber einem Landeshauptmann! Unglaubliche Entgleisungen gegenüber der Mehrheit der Kärntner Bevölkerung!

Und, Herr Bundesrat, eine unglaubliche Entgleisung gegenüber der Kärntner Landes­regierung! Das ist eine unglaubliche Entgleisung eines Bundesrates gegenüber den betroffenen Bürgermeistern Kärntens, die sich um eine Einheit, eine Geschlossenheit


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und vor allem um den Frieden des Landes Kärntens im gemischtsprachigen Gebiet bemühen! Eine unglaubliche Entgleisung eines Bundesrates gegenüber den heimat­treuen Heimatverbänden Kärntens, die bereit sind, für die Heimat Kärnten, wo auch immer sie gebraucht werden, einzutreten!

Eines sage ich heute ganz klipp und klar zu den grünen Freunden: Herr Bundesrat Schennach, ich bin froh darüber, dass die Grünen nicht in der Regierung sind. Und ich hoffe, dass Sie nie in die österreichische Regierung kommen! (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vizekanzler! Ich habe die Regierungs­erklärung ... Ist der Herr Vizekanzler nicht mehr hier? (Bundesminister Dr. Hahn: Wir dürfen ihn schon vertreten!) – Dann geht das, bitte, an die Damen und Herren von der Bundesregierung.

Es gibt ein Regierungsprogramm im Umfang von 167 Seiten, und ich habe versucht, nach meinem Verstehen, entsprechend meinen Möglichkeiten nach einer fast 30-jährigen Tätigkeit als Kommunalpolitiker und nach einigen Perioden im Kärntner Land­tag, von meiner Warte aus zu überlegen, warum und wieso einige Dinge überhaupt nicht oder schlecht berücksichtigt worden sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Von dem, was auf den 167 Seiten steht, ist sehr vieles positiv. Oft sind es natürlich nur Absichtserklärungen, und sehr, sehr viele Arbeitsgruppen und Kommissionen sollen in Zukunft die Verantwortung tragen, sie sollen die rechtlichen und politischen Überlegungen für die Zukunft übernehmen.

Vieles ist festgeschrieben, und vieles ist nicht positiv erkennbar, so zum Beispiel die Verwaltungsreform. Was auf Seite 23 steht, ist politisch bedenklich: Für die Gespräche über die Verwaltungsreform sind dort nur zwei SPÖ- und zwei ÖVP-Vertreter vorge­sehen. Meines Wissens gibt es fünf parlamentarische Parteien.

Wir wollen ja in Österreich miteinander für das erfolgreiche Land arbeiten, für das wir weltweit hohe Anerkennung finden; und darum beneidet uns die ganze Welt. Dieser Erfolg ist einerseits den fleißigen Menschen zu verdanken, und an zweiter Stelle die verantwortungsvolle Politik. Nicht so sehr die Medien; die Medien haben sicher großen Anteil an der Erfolgsgeschichte, aber sie haben leider auch sehr viel Negatives, und zwar innerhalb der Fraktionen, zuwege gebracht, ohne diese so manche Reibereien ausgeblieben wären.

Was die Verwaltungsreform betrifft, könnte ich mir vorstellen, dass man besser, länger und wirklich zielführend daran arbeiten sollte. Es gibt viele Ansätze, und um diese darzustellen, reicht die Redezeit, die leider begrenzt ist, nicht aus.

Offen ist auch die Frage Temelín. Bisher gab es dort 100 Störfälle. Wann kommt es zur Realisierung der Schließung? Wann ist der Druck auf Tschechien so groß? – Offen ist die Null-Variante für das Atomkraftwerk Krško, 80 Kilometer von Kärnten entfernt und in einem bekannten Erdbebengebiet.

Sehr bedenklich, ja stiefmütterlich wird der ländliche Raum behandelt: Nur sechs Zeilen auf Seite 72 stehen für den ländlichen Raum zur Verfügung! Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier hätte ich gerne den Herrn Finanzminister ange­sprochen. Es gibt in Österreich 2 359 Gemeinden; davon betroffen sind 2 286 Land­gemeinden oder Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern.

Vor 50 Jahren, nach dem Krieg, als alles zerbombt war, war es ja berechtigt, dass man den abgestuften Bevölkerungsschlüssel eingeführt hat. Die Städte mussten aufgebaut werden, damit sie für die zentralen Aufgaben funktionsfähig sind. Aber 50 Jahre später, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein abgestufter Bevölkerungsschlüssel


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unzumutbar! Wir leben in einem Land, da hat, glaube ich, jeder Bürger, ob in Bezau in Vorarlberg oder im Seewinkel im Burgenland, den gleichen Anspruch und die gleichen Rechte, bei gleichen Verpflichtungen auch gleich behandelt zu werden.

Der nächste Punkt ist die Kommunalsteuer. Auch da hätte ich den Herrn Finanz­minister, der jetzt nicht hier ist, gerne angesprochen. Es gibt im Koalitionspapier keinen Ansatz für die Teilung der Kommunalsteuer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, in einem Bezirk, in dem es 20 Gemeinden gibt, einmal festzustellen, wie groß der Unterschied ist. Da gibt es Gemeinden, die pro Kopf und Jahr auf 16 € an Kommunalsteuer kommen, und es gibt Gemeinden mit 540 € an Kommunalsteuer pro Kopf und Jahr. Das geht nicht erst seit Jahren so, sondern schon seit Jahrzehnten. Geht diese Politik so weiter, dann braucht es einen nicht zu wundern, dass der ländliche Raum in Zukunft ein bürgerleerer Raum sein wird.

Wenn wir wollen, dass der ländliche Raum in Zukunft besiedelt ist, dass der ländliche Raum in Zukunft Leben in sich birgt – wie wir es immer sagen: wir müssen auf den ländlichen Raum schauen! –, dann müssen wir etwas tun. Ich verlange vom Herrn Finanzminister – und ich werde mit allen meinen Möglichkeiten darauf drängen –, dass mindestens 50 Prozent der Kommunalsteuer jenen Gemeinden zugute kommen, zu denen die Menschen am Abend nach der Arbeit zu ihrer Familie nach Hause kommen, in denen sie mit der Familie letzten Endes den Lebensinhalt haben. Das wäre gerecht! Sonst gibt es in Österreich den Gleichheitsgrundsatz in keiner Weise.

Dann gibt es noch ein anderes Problem für die nächsten Jahre, das der Koalitionspakt in keiner Weise, mit keiner Zeile berücksichtigt hat, und zwar das ländliche Wegenetz. Es gibt 75 000 Kilometer an ländlichem Wegenetz in Österreich. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen Sie, dass bis zu 15 Prozent davon die dort betroffene Bevölkerung mitfinanzieren muss? Ihren Weg, den sie als Pendler brauchen, den der Arbeiter braucht, der zur Arbeit fährt, oder der Bauer, der täglich mit seinen Produkten zum Markt oder in die Stadt fahren muss! Der soll noch bis zu 15 Prozent dazuzahlen – im städtischen Bereich zahlt keiner einen Groschen dazu!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier ist, glaube ich, die Bundesregierung gefordert. Sie möge es in Zukunft veranlassen, dass für die 75 000 Kilometer an österreichischem ländlichen Wegenetz nicht 2,2 Prozent, sondern mindestens 3 Pro­zent aus der Mineralölsteuer zur Verfügung gestellt wird. Mit diesen 3 Prozent wäre es möglich, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Das halte ich auch für eine Forderung, die hier aufzustellen ist.

Der dritte Teil – oder einer meiner letzten Teile – betrifft eine Situation, die auch Österreich zu verantworten hat. Es hat 1945 große Veränderungen in Europa, in den Nachbarländern, gegeben. Viele Heimatvertriebene sind nach Österreich gekommen. Sie haben Österreich als Heimatland mit aufgebaut und mitgeholfen, dass wir den Wohlstand haben, den wir heute auch alle genießen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist inzwischen die Tschechoslowakei, es ist inzwischen Slowenien sehr wohl bei Europa. Man hat vorher die Versprechung abgegeben, dass Beneš-Dekrete und AVNOJ-Beschlüsse abzubauen sind und in Zukunft nicht mehr aufrechterhalten werden sollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir in Zukunft ehrliche Partner in Europa sein sollen, dann tragen wir, glaube ich, auch die Verantwortung für die wenigen Menschen, die bei uns leben und auf etwas hoffen, nämlich auf Gerechtigkeit in einem gemeinsamen Europa.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel von einem erfolgreichen Österreich gesprochen worden. Ich bin stolz darauf, ein Österreicher zu


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sein. Aber unsere Generation hat mitgebaut, hat mitgearbeitet, hat mitgewirkt, und wir wollen diese Verantwortung unseren jungen Menschen weitergeben. Es muss uns gelingen, dass wir den jungen Menschen das Verantwortungsgefühl für unsere Heimat im Besonderen weitergeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf einen letzten Punkt möchte ich jetzt noch zu sprechen kommen. Unser Herr Landeshauptmann hat heute schon sehr ausführlich die Situation in der Kärntner Ortstafelfrage angesprochen. Meine Damen und Herren, ohne eine Muttersprachenerhebung, ohne eine Minderheitenfeststellung in Kärnten wird es keinen dauerhaften Frieden geben.

Ich appelliere an alle! (In Richtung Bundesrätin Blatnik:) Liebe Kollegin, ich appelliere an dich! Ich habe großes Verständnis für alle im Lande Kärnten. (Zwischenruf der Bundesrätin Blatnik.) Liebe Kollegin, du kennst doch ganz genau die Toleranz, die ich immer besitze und immer gehabt habe. Aber ich wünsche den Frieden, und den Frieden im Land können wir nur haben (Bundesrätin Blatnik: Ich auch!), wenn wir wissen (Bundesrat Molzbichler: Wir wollen alle den Frieden!), wie viele sich zur Muttersprache bekennen, wie viele sich letzten Endes zur Minderheit bekennen.

Und dann sollen wir nicht kleinlich sein! Dann sollte, glaube ich, die Politik jene Rahmenbedingungen schaffen, die ein friedliches Miteinander für die Zukunft für uns alle, Kärntner und Österreicher und letzten Endes Europäer, ermöglichen. – Herzlichen Dank. (Beifall des Bundesrates Mitterer sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


15.39.38

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Dr. Claudia Schmied: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute stehe ich vor Ihnen, um zum ersten Mal hier im Bundesrat eine Erklärung zu meinem Aufgabengebiet, Bildung und Kultur, abzugeben.

Vor dem Hintergrund der weltweiten Konkurrenz – Stichwort Globalisierung – ist Bildung – und ich sage ganz bewusst: Bildung ergänzt um Aus- und Weiterbildung – der Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung unserer Gesellschaft. Nur über den Stellenwert, den Bildung in unserem Denken, im Denken der Bürgerinnen und Bürger, einnimmt, werden wir uns in Zukunft erfolgreich entwickeln können.

Ich sehe es als Aufgabe der Politik, die Bedeutung der Bildung möglichst vielen Menschen nahe zu bringen. Bildungsprozesse – ich denke, wir alle wissen das – sind oft lange, jedenfalls kostspielige, manchmal auch sehr mühsame Wege.

An der Aufgabe des Lernens arbeiten in Österreich Millionen von Menschen jeden Tag und mit großem Einsatz. Ihnen allen gilt ab sofort meine große Aufmerksamkeit, nämlich den Schülerinnen und Schülern, den Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern, den Großeltern, den alleinerziehenden Müttern.

Ohne sensible und intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten am Bildungssystem kann es kein gelungenes Bildungssystem, kann es kein gelungenes Lernen geben. Im Mittelpunkt muss der Mensch mit seinen Talenten, aber auch mit seinen Schwächen stehen, und das große Ziel – das man leider nicht verordnen oder per Gesetz beschließen kann – ist Freude am Lernen.

Investitionen in die Bildung, Ausgaben für die Bildung sind teuer, aber ich denke, es führt daran kein Weg vorbei. So sind meine großen Projekte zunächst die Budget­verhandlungen in den nächsten Wochen, und an konkreten Vorhaben: Senkung der


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Klassenschülerzahl; Bildung schon in der Vorschule, im Kindergarten verankert; und letztlich auch Projekte in Richtung Ganztagsschule und Ganztagsbetreuung.

Die Verknüpfung von Bildung mit Kunst und Kultur in einem Ministerium wird, denke ich, dazu beitragen, beide Themen gut in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern. Kunst ist in meinem Verständnis Grundnahrungsmittel unserer Gesellschaft. Kultur verfeinert unser Leben. Ich möchte nicht in einer kulturlosen Gesellschaft leben, das wäre wohl ein Ort der Grobheit und Brutalität.

Die Kunstschaffenden erwarten von mir Formen der Ermutigung und des Dialogs. Ich fühle mich den Kunstschaffenden verpflichtet, und ich möchte nicht, dass sie immer wieder in die Rolle der Bittsteller gedrängt werden. Folgende Projekte sind für mich in den nächsten Wochen vorrangig: Ich möchte die Künstlersozialversicherung repa­rieren; ich denke, dass wir vor allem der zeitgenössischen Kunst einen großen Stellenwert auch seitens der öffentlichen Hand einräumen sollen; und ich möchte ganz intensiv den Dialog mit den Kunstschaffenden beginnen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit, auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, und ich trete vor allem auch für einen respektvollen Umgang in der Politik ein. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich nun Frau Bundesministerin Dr. Kdolsky das Wort.

 


15.43.55

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Andrea Kdolsky: Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Ich freue mich sehr, dass ich heute die Möglichkeit habe, in diesem geschätzten Gremium ein bisschen über die neue Funktion, auch über die Themen, die in letzter Zeit für ein wenig Aufregung gesorgt haben, zu berichten und Ihnen die Zukunft dieses Ressorts zu skizzieren.

Ich glaube aber auch, dass es wesentlich ist, dass Sie, wenn ein Quereinsteiger in der Politik hier ist, ein bisschen wissen sollen, wer ich bin. Erlauben Sie mir daher, dass ich Ihnen sagen darf, dass ich auf den bisherigen Stationen meines Lebens als Ärztin, als Gewerkschaftsfunktionärin und als Spitalsmanagerin die Sorgen und Nöte kranker Menschen kennengelernt habe. Ich habe aber auch die Arbeitsbedingungen der Ärzt/innen und jener im nichtmedizinischen Personal Tätigen kennengelernt. Und – das ist mir ein sehr wesentlicher Faktor – ich weiß um die Herausforderungen in der Planung, Steuerung und vor allem Finanzierung eines der besten Gesundheitssysteme dieser Welt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich hier immer mithelfen durfte, es auch so gut weiter zu belassen.

Hier gilt es für mich als Gesundheitsministerin, den sehr erfolgreich eingeschlagenen Weg der Gesundheitsreform 2005 konsequent weiterzuverfolgen, zu verfeinern, umzu­setzen und entsprechend darüber zu wachen, dass die Möglichkeiten, die diese Gesund­heitsreform bietet, vor allem für die Patientinnen und Patienten auch ent­sprechend eingesetzt werden.

Das österreichische Gesundheitssystem – ich habe es schon erwähnt – ist nicht nur ein ausgezeichnetes, sondern es ist auch durch internationale Studien belegt, dass wir höchste Qualität in den medizinischen Leistungen, aber auch eine ganz, ganz hohe Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten haben. Das ist nicht nur durch diese Studien belegt, sondern ich habe das selbst auch als Fachexpertin immer wieder sehen dürfen.


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Aber ich denke, das ist nicht alles. Es gibt einen ganz wesentlichen Faktor, den wir sehr oft vergessen, und dieser Faktor ist letztendlich die Zeit: Zeit zu schaffen für die Patientinnen und Patienten, Zeit zu schaffen für den Arzt, dass er hingeht zu diesem Patienten und mit ihm auch entsprechend kommunizieren kann, Zeit für die Kranken­schwester, neben ihrer professionellen Pflege einfach auch die Hand hinzuhalten und den Menschen, den Patienten eine Hilfestellung in schwierigen Situationen zu geben, Zeit für alle in diesem System Tätigen, letztendlich für die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt zu agieren.

Ich glaube, dass wir vor allem im administrativen Bereich, im Verwaltungsbereich, diesen sehr oft zum Selbstzweck machen. Sie wissen, die Medizinerinnen und Mediziner, die Schwestern, die Pfleger klagen sehr oft über zunehmenden Verwal­tungs- und Administrationsaufwand. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass eine hohe Berechtigung besteht, darüber zu klagen; daher darf diese Administration nicht Selbstzweck sein, sondern es muss Verwaltung, Bürokratie und Abrechnungswesen ein Hilfsmittel sein, um die Aufgaben, die uns im Gesundheitswesen vorgegeben sind, zu erfüllen.

Da komme ich zu meinem zweiten Bereich, den wir verstärkt umsetzen, implemen­tieren und aufbauen müssen: Das ist der Bereich der E-Health, der ganze Bereich der Telekommunikations- und Informationstechnologie im Krankenhaus. Ich glaube, dass das ein Bereich ist, in dem wir in Österreich weltweit ganz weit vorne stehen. Daher werden wir uns und werde ich mich auch in Zukunft sehr bemühen, dass wir zügig daran arbeiten, die Potentiale, die dieser Informations- und Telekommunikations­technologiebereich bietet, auch zum Nutzen der Patienten und zur Entlastung der Ärztinnen und Ärzte voranzutreiben. Es gilt hier auch, die e-card entsprechend weiter voranzutreiben und die Potentiale, die sich hier bieten, vollständig zu nutzen.

Neben dem Spital – und ich bin sehr froh darüber, dass diese Gesundheitsreform die Möglichkeit bietet, zunehmend den Spitalsbereich und den niedergelassenen Bereich zusammenzuführen – wird in diesem niedergelassenen Bereich der Hausarzt immer wichtiger. Das ist der dritte Bereich, den ich mir vorgenommen habe: die wohnortnahe Betreuung der Patientinnen und Patienten bei steigenden demographischen Zahlen, entsprechend dem verständlichen Wunsch der Patientinnen und Patienten, zu Hause eine Betreuung bekommen zu können, und bei einer immer unübersichtlicher werdenden Krankenhausstruktur, sodass sie manchmal einfach einen Lotsen brauchen, jemanden, der sie durch dieses Gesundheitssystem führt.

Ich sehe den Hausarzt als diesen Lotsen, als Mediator, aber auch als jenen, der in der Prävention tätig ist, der entsprechende Aufklärung und Hilfestellung gibt. Dafür brauchen wir ein klares Profil – das müssen wir definieren –, und dafür brauchen wir vor allem eines: eine entsprechende Ausbildung. Die Ärztinnen und Ärzte Österreichs sind hervorragend ausgebildet, nur glaube ich, dass hier noch viele Randgebiete zusätzlich hinzukommen müssen, damit sie die Aufgaben, die wir erwarten, in Zukunft auch vollständig erfüllen können.

Ein besonderer Schwerpunkt – wie sollte es anders sein! – ist natürlich sowohl aus volkswirtschaftlichen Gründen als auch von meiner tiefsten Überzeugung als Ärztin her der gesamte Bereich der Gesundheitsförderung und der Prävention. Wir alle wissen, dass wir älter werden, und wir alle wollen gesund älter werden. Dazu, glaube ich, gehört es auch, dass wir rechtzeitig eine Selbstbestimmung über unsere Gesundheit lernen, dass wir lernen, mit unserem Körper umzugehen, und auch umsichtig mit ihm umgehen.

Hier ist es so, dass ich natürlich vor allem – wie meine Vorgängerin – den Nicht­raucherschutz in den Vordergrund stelle, der eine sehr wichtige Rolle spielt. Ich darf


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Sie alle beruhigen, inzwischen rauche ich nicht mehr. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.) – Ich möchte da nur einen kleinen Einschub machen: Ich habe nie Kette geraucht, es war also die Genusszigarette. Auf die habe ich aber dann auch entsprechend Rücksicht genommen.

Mir ist aber etwas anderes sehr wichtig, weil das in Österreich auch eine kulturelle Fragestellung ist: Das ist der Schutz der Jugendlichen vor Alkoholabusus. Während wir bei der Zigarette inzwischen längst eine gewisse Grundstimmung haben, die für mich in eine Richtung geht, in der die Ankündigungen und die Informationen auch greifen, ist Alkohol in Österreich ein bisschen eine Lifestyle-Sache. Es trifft mich zutiefst, dass junge Menschen, 12-, 13-, 14-jährige Kinder, um ein Uhr in der Nacht stark betrunken auf den Straßen herumliegen. Ich glaube, das ist etwas, wogegen wir ganz, ganz dringend etwas machen müssen, weil es da ganz wenige gibt, die sich darüber aufregen. Ich werde mir das auf meine Flaggen schreiben! (Allgemeiner Beifall.)

Das ist auch ein Thema, das ich mir als Jugendministerin auf die Flaggen schreiben möchte, denn die Jugend von heute ist letztendlich – und Sie alle, die jetzt hier auch zuhören – die Zukunft unseres Landes von morgen. Es ist mir ganz wesentlich, dass die Sorgen und Anliegen der jungen Menschen auch Gehör finden. Es ist nicht immer gut, einfach nur zu sagen: Wir haben junge Menschen, und wir brauchen für sie Stellen, damit sie ihren Beruf ausüben können. Das ist wesentlich und wichtig, aber wir wollen doch auch den jungen Menschen einmal in ihren Ideen, in ihren kritischen Möglichkeiten und Potentialen zuhören. Hier gibt es ein enorm großes Potential an Innovationen und neuen Gedankengängen, und da denke ich, dass man es jungen Menschen auch ermöglichen muss, diese auszusprechen.

Wesentlich ist mir – ich sage es noch einmal – der Schutz vor Nikotin, Alkohol und Drogen. Es ist mir natürlich die Jugendbeschäftigung ein Anliegen, hier aber auch der Ausbau von speziell auf junge Leute abgestimmten Sozialleistungen und Förderungen. Aber der wesentlichste Punkt, den ich mir vorgenommen habe, ist, dass diese Bundes­regierung sich letztendlich die Mitbestimmung der jungen Menschen im politischen Prozess, vor allem durch die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre, als ein großes Ziel gesetzt hat.

Ich darf Sie schon darauf hinweisen, dass die Senkung auf 16 Jahre auch Folgendes bedeutet: Wir sprechen von den heute Dreizehnjährigen, und das bedeutet für mich, dass wir diesen jungen Menschen auch die Möglichkeit und die Chance geben müssen, dass es Sinn macht, sich zu engagieren, dass es Sinn macht, kritisch zu denken, dass alle jene Dinge, die politisch Interesse machen und politisch manchmal auch unbequem sind, gut sind, und dass sie ihre eigene Zukunft werden gestalten lernen müssen. Jugendliche, die ihre Zukunft selbst gestalten und mit diesem kritischen Potential daran herangehen: Dafür hoffe ich in den nächsten vier Jahren genug Vertrauen von den jungen Menschen zu bekommen, sodass sie mich hier als Fürsprecherin sehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch meine Kompetenz als Familienministerin – trotz ungewollter Kinderlosigkeit – ist mir wichtig. Wir haben die Familie als zentralen Bestandteil unseres Landes, und ich glaube – das entspricht auch meiner Vorstellung –, dass dieser Familienbegriff tradiert gehalten und unterstützt werden muss.

Ich bin sehr traurig darüber, dass ich in einer jüngsten Studie gelesen habe, dass es nicht mehr nur darum geht, dass sehr viele Frauen nicht in der Lage sind, Kinder zu bekommen, sondern dass bei jungen Menschen und bei jungen Mädchen bereits der Wunsch nach einem Kind zurückgeht. Ich meine, hier müssen wir ansetzen! Hier müssen wir auch ganz massiv die Rollenbilder definieren. Hier müssen wir jungen Männern die Möglichkeit geben, ihnen Angst zu nehmen, und jungen Frauen die


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Möglichkeit geben, dass sie wissen, dass sie sehr wohl Beruf und Familie vereinbaren können oder die freie Entscheidung haben, bei den Kindern zu bleiben, oder aber letztendlich auch aufgefangen werden durch Rahmenbedingungen, wenn sie allein mit diesen Kindern leben müssen.

All das sind Strukturen des Zusammenlebens im 21. Jahrhundert, die wir auch akzep­tieren müssen und für die wir genauso Rahmenbedingungen schaffen müssen wie für die Grund-Familienstruktur, für die ich natürlich stehe und für die ich sehr wohl – auch wenn ich keine eigenen Kinder habe – kämpfen werde.

Es geht mir hier also inhaltlich vor allem um eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es geht mir um die Weiterentwicklung von Kinderbetreuungsplätzen, und zwar nicht einfach nur um die Schaffung von mehr Plätzen, sondern denken Sie auch an die Öffnungszeiten: Wie sollen Menschen, die um 7 Uhr in der Früh mit der Arbeit anfangen, ihre Kinder unterbringen, wenn die Kindergärten erst um 7 Uhr in der Früh öffnen? (Allgemeiner Beifall.)

Aber die finanzielle Absicherung vor allem von Jungfamilien und Familien mit mehr Kindern – was wir uns ja wünschen und was für dieses Land gut ist – ist ein wesentlicher Faktor. Ich denke, dass wir hier auch in Zusammenarbeit mit dem Frauenministerium, mit dem Arbeitsministerium und mit den verschiedenen Gruppen, die sich sehr aktiv darum kümmern, eine gute Lösung zustande bringen müssen.

Wesentlich ist mir vor allem die gemeinsame Arbeit; und lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich freue mich darauf! Ich habe vielleicht den einen oder anderen ehrlichen Sager gemacht – ich stehe dazu; ich glaube auch, dass das vielleicht eine neue Form ist, die man auch leben kann. Ich möchte mit allen kooperieren, und ich möchte, dass wir für dieses Land, für dieses Österreich, für das ich sehr gerne hier stehe, mit Ihnen gemeinsam eine großartige Politik für Gesundheit, Jugend und Familie machen. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

15.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster zu Wort gelangt nun Herr Landeshaupt­mann Dr. Haider. – Bitte.

 


15.57.01

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf noch eine Bemerkung zum doch eher unfreund­lichen Redebeitrag des Sprechers der Grünen machen, der es sich nicht verkneifen konnte – obwohl ich ihm, glaube ich, dargelegt habe, dass es keine wie immer geartete Grundlage dafür gibt, von einem fortlaufenden Rechtsbruch zu reden –, dies trotzdem noch einmal in den Mund zu nehmen.

Wenn er schon mir nicht glauben will, dann soll er im jüngsten Gutachten des Verfas­sungsdienstes nachlesen. Dann wird er vielleicht zu der Überzeugung kommen, dass man sich nicht feige hinter der Immunität verbergen soll, wenn man solche Aussagen trifft; denn hätten Sie keine Immunität, dann würden Sie das wahrscheinlich auch vor Gericht nicht durchhalten können, was Sie hier behauptet haben!

Gerade jemand wie ich, der in der Volksgruppenfrage seit so vielen Jahrzehnten Mitverantwortung trägt – und Präsident Bieringer hat das richtigerweise gesagt: natürlich kommt ein hohes Maß an Verantwortung auch auf die Landespolitik und auf den Landeshauptmann selbst zu –, kann für sich in Anspruch nehmen, dass wir wahr­scheinlich mehr im Rahmen der Sicherung und der Erhaltung von autochthonen Volksgruppen in Österreich getan haben, als das anderenorts überhaupt zur Kenntnis genommen wird.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 50

Ich denke etwa nur daran, dass wir nicht nur ein eigenes Volksgruppenbüro ein­gerichtet haben – was jahrzehntelang unter meinen Vorgängern nicht möglich gewesen wäre –, das direkt in der Landesregierung eingerichtet worden ist, sondern dass wir auch bis heute regelmäßig unsere Volksgruppenkongresse mit Beteiligung der inter­nationalen Volksgruppenorganisationen durchführen und dass wir für die slowenische Schuljugend ein eigenes Musikschulwerk aufgebaut haben, das wir finanzieren. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben das Minderheitenschulwesen ausgebaut, das jetzt immerhin auch in der vierten Schulstufe existiert. Dass 36 Prozent der Schüler im gemischtsprachigen Schul­b­ereich zum zweisprachigen Unterricht angemeldet sind, ist, glaube ich, auch ein Zeichen dafür, dass sich niemand davor fürchten muss, auch die zweite Sprache in Kärnten zu lernen, sondern dass es hier positive Fortschritte gibt.

Wir haben vor wenigen Jahren einen eigenen Kindergartenfonds für die mehr­sprachigen und zweisprachigen Kindergärten ins Leben gerufen, mit einem Betrag von vielen Millionen, den wir jährlich dafür ausgeben. Wir haben sozusagen auch in der Kulturförderung die Autonomie, die wir über das Volksgruppenbüro ermöglichen, sodass die Volksgruppe selbst über Kulturförderungen entscheiden kann.

Das alles zieht wahrscheinlich an denjenigen vorbei, die mit dem Hass der ideolo­gischen Vorurteile gegen den Landeshauptmann anagitieren wollen, ohne zu kapieren, dass sie damit letztlich irgendwann einmal übrig bleiben werden.

Ich darf Ihnen nur zitieren aus dem „Bericht der drei Weisen“, die zu Beginn des Jahres 2000 Österreich besucht haben, um nach den Sanktionen auch zu überprüfen, wie es denn mit den Volksgruppen ausschaut und wie es in Kärnten ausschaut, und die haben sich ja in Kärnten kundig gemacht. Da heißt es unter anderem: In manchen Fällen – speziell betreffend die Rechte der nationalen Minderheiten – können die österreichischen Standards als besser eingestuft werden als jene, die in anderen Mitgliedsstaaten der EU zum Tragen kommen. – Also wenn es so schrecklich wäre, wie das der Sprecher der Grünen dargestellt hat, dann hätten sicherlich die drei Weisen, die im Auftrag der Europäischen Union unterwegs waren, um Österreich zu analysieren, nicht zu solchen Schlussfolgerungen gefunden.

Das wollte ich ihm also noch sagen. Für alles andere ist hier nicht der Platz, das auszutragen. Wenn er glaubt, dass man ohne Geschichtsbewusstsein auskommt, dann ist das seine Sache. Für mich sind Menschen, die geschichtslos sind, gesichtslos, weil sie letztlich nicht wissen, woher sie kommen, und daher nicht wissen können, wohin sie gehen wollen. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Ich darf die Gelegenheit noch nützen, eine Bitte zu äußern, weil gerade die Frau Bundesminister für Bildung und Kultur vor mir gesprochen und auch die Frage der Klassenschülerhöchstzahlen angesprochen hat. Das ist ein Ziel, das eigentlich alle politischen Gruppen, alle Bundesländer wollen – jeder will das. Wenn im Budget ein bescheidener Betrag vorgesehen ist von ein paar Millionen €, nicht einmal 40 Mil­lionen €, dann darf ich sagen, dass, würde man die Klassenschülerhöchstzahlen auf 25 heruntersetzen, das allein im Bundesland Kärnten 16,9 Millionen € kosten würde. Da bleibt für die anderen Bundesländer nicht mehr viel.

Das heißt, wir brauchen natürlich für diese Maßnahme eine erheblich größere und stärkere finanzielle Bedeckung. Daher sollte man, bevor man jetzt bei den Eltern wieder Erwartungen weckt und ihnen Hoffnungen macht, dass das bald geschieht, schon einmal sagen, wie das finanziert werden soll. Es gibt nichts Schlechteres als enttäuschte Hoffnungen und gebrochene Wahlversprechen. Ich habe es heute wieder in den Zeitungen gelesen, dass es jetzt kommt und herabgesetzt wird. Wie soll denn das bewältigt werden? – In Summe kostet das etwa 400 Millionen €, und dieses Geld


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 51

muss einmal irgendwo aufgestellt werden, damit das umsetzbar ist, und der Bund ist für die Finanzierung der Bundeslehrer zuständig. Da sind wir ohnedies in den letzten Jahren dem Bund sehr entgegengekommen, weil man ja die Verhältniszahlen korrigiert hat und wir in vielen Bereichen dort, wo kleine Schulen zu erhalten sind, ja eigenes Landesgeld eingesetzt haben, um die Dorfschulen zu erhalten. Alleine im Bundesland Kärnten geben wir jedes Jahr an die 15 Millionen € zusätzlich aus, um diese kleinen Einheiten auch zu erhalten.

Ich würde Sie also bitten, Frau Bundesminister, dieses Thema auch unter dem Gesichts­punkt der Finanzen zu betrachten und sozusagen erst dann in die Offensive zu gehen, wenn es da Lösungen gibt, und erst dann zu sagen, dass es im nächsten Schuljahr kommt, denn sonst kommen zu uns die Lehrer, die Eltern, die Schulleiter und jeder fragt: Wie ist das jetzt? Wann können wir anfangen? Wann können wir es umsetzen? Und Sie wissen, da gibt es eine große Debatte.

Das Zweite, worauf ich Sie hinweisen möchte, ist, dass wir nicht nur in den Pflicht­schulen dieses Problem haben, sondern der AHS- und BHS-Bereich eigentlich noch viel stärker betroffen ist. Dort gibt es derzeit eine Regelung, dass man bis zu 30 Schüler in einer Klasse haben kann plus 20 Prozent. Wenn kein ausreichendes Lehrerpersonal zur Verfügung steht, kommen noch 20 Prozent dazu. Das heißt, es sitzen in vielen Klassen 36 Schüler. Und das im höheren Schulwesen, wo die Intensität des Unterrichts, das Teamteaching, was immer dort auch an der Tagesordnung ist, wesentlich intensiver ist als in der Pflichtschule. Das ist also auch ein Problem, das demnächst auf uns zukommt.

Der dritte Bereich, in dem es aus Sicht der Länder immer große Probleme gibt, ist die mangelnde oder die langsame Reaktionszeit des Ministeriums auf neue Entwicklun­gen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wir haben vor zwei Jahren begonnen, nachdem in einer Region Kärntens eine Schuhfabrik zugesperrt hat, nicht nach neuen Schuh­fabriken zu suchen, sondern haben gesagt, wir gehen in eine neue Technologie, und haben dort ein modernes Mechatronikunternehmen angesiedelt, das sich in der Zwischenzeit ganz toll entwickelt, weil es im Rahmen der europäischen Motoren­erzeugung eine wichtige Position einnimmt. Es hat heute schon mehr Mitarbeiter, als es sie vor Jahren in der Schuhfabrik gab. (Bundesrat Molzbichler: Und wie schaut es aus in Spittal an der Drau?) – Kollege, du könntest dich einmal da zu Wort melden und nicht feige verschweigen in der Ortstafelfrage. Da wäre ich sehr interessiert daran. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wenn ein Abgeordneter dieses Hauses nicht das Wort ergreift, heißt das nicht, dass er sich feige irgendwo versteckt. Bitte das zur Kenntnis zu nehmen!

 


Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Ich kenne ihn aus Kärnten so gut, dass ich das schon sagen kann! – Ich kehre noch einmal zum Thema Bildung zurück. In diesem Fall war die Bedingung, dass wir diesen Betrieb ansiedeln konnten, dass wir auch im Ausbildungsbereich die richtigen Maßnahmen setzen. Das heißt, dass wir etwa eine Mechatronikerwerkmeisterschule errichten, das haben wir getan, das haben wir aus eigenen Mitteln finanziert. Der Bund war nicht in der Lage zu helfen. Wir haben eine HTL in Wolfsberg und in Klagenfurt auf diese neuen Mecha­troniklehrgänge umgerüstet. Das hat uns einige Millionen gekostet, die wir selbst aufstellen mussten, obwohl es sich ausschließlich um Bundesschulen handelt.

Ich glaube, dass das eines der großen Probleme ist, und das trifft nicht nur uns alleine, sondern das wird wahrscheinlich oft passieren in Österreich, dass es in der Frage der Reaktion auf oder des Nachvollziehens von gesellschaftlichen und auch wirt­schaftlichen Entwicklungen oft notwendig ist, entsprechende Investitionen im Bildungs-


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bereich rasch zu setzen, damit etwas entstehen kann. Und dort ist nachweisbar etwas entstanden, und wir sind jetzt in der Lage, ein weiteres Werk im Bereich der Turboproduktion anzusiedeln, weil wir ausreichend Fachpersonal in dieser Region zur Verfügung stellen können und in den nächsten Jahren ausbilden werden.

Das heißt, da greift ein Rad in das andere, und ich glaube, das ist ein Problembereich, den das österreichische Bildungssystem lösen muss. Wie können wir rascher in neue Ausbildungszweige, in neue Ausbildungsmodelle investieren und damit letztlich auch dem Ziel Rechnung tragen, das ja auch die Bundesregierung propagiert, dass wir nämlich in den nächsten Jahren die Arbeitslosigkeit massiv senken sollten? Die beste Senkungsmaßnahme ist, wenn es Vollarbeitsplätze gibt. Das wäre also mein Ersuchen an die neue Bundesministerin, die ein breites Arbeitsfeld vor sich hat. Auf ihr ruhen große Hoffnungen der Länder. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

16.07


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


16.07.15

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass meine zwei Vorrednerinnen hier zwei Themen angesprochen haben, die mir sehr am Herzen liegen, nämlich einerseits das Thema Bildung und andererseits das Thema Jugend. Bevor ich mich jetzt inhaltlich äußern werde, möchte ich einen grundsätzlichen Satz von mir geben: Ich bin zutiefst erleichtert, dass wir nicht mehr eine schwarz-blau-orange Regierung haben; bei allem, was ich in Zukunft höchstwahrscheinlich noch zu kritisieren haben werde, möchte ich das voraussetzen. Ich sage das aus tiefstem Herzen. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Florianschütz.)

Frau Ministerin Kdolsky! Ich habe mich sehr gefreut, von Ihnen zu hören, dass Sie nicht nur den Jugendschutz in den Vordergrund stellen wollen, sondern wirklich auch das kreative Potenzial und die Ideenvielfalt, die da vorhanden ist, nützen wollen und dass Sie in eine Interaktion mit Jugendlichen treten wollen. Ich halte das für sehr wichtig. Wenn jetzt endlich die Wahlaltersenkung auf 16 Jahre kommt, muss auch die Politik ein ganz grundlegendes Interesse daran haben, dass sich junge Menschen mehr für Politik interessieren und damit auseinandersetzen. Da wird es auch wichtig sein, dass wir nicht vermitteln, Politik sei etwas Grausliches, wovor man junge Menschen zu beschützen hat, sondern Politik heißt Gestaltung des Lebens, Gestaltung des Umfeldes, in dem wir uns aufhalten, und Gestaltung unserer Gesellschaft; und das sind eigentlich sehr interessante Dinge. Wenn junge Menschen sich daran beteiligen – um so besser für uns alle.

Nun zum Thema Bildung. Ich muss leider sagen, was den Schulbereich betrifft ist das Regierungsübereinkommen nicht gerade mutig, um das einmal so auszudrücken. Es kommt zwar die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 vor, aber nur mehr als Richtwert. Es ist auch keine Rede mehr von Gesamtschule, sondern da wird auf ExpertIn­nenkommissionen verwiesen. Es ist auch keine Rede mehr vom Abschaffen des Sitzenbleibens, was der SPÖ eigentlich immer ein Anliegen war, sondern da wird – fast schon ein wenig amüsant – von einem sorgsamen Umgang mit der Lebenszeit unserer Kinder gesprochen, und dann wird auf eine konkrete Umsetzung des Früh­warnsystems verwiesen, das es ohnehin schon gibt. In diesem Bereich hat sich leider nicht sehr viel getan. Vielleicht überraschen Sie mich, vielleicht gibt es in den nächsten Jahren Weiterentwicklungen, aber da das ja das Regierungsabkommen ist, das Sie in den nächsten Jahren umsetzen wollen, habe ich da nicht allzu große Hoffnungen. Wie gesagt: Nicht gerade mutig!


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 53

Vor allem die vielen ExpertInnenkommissionen in diesem Bereich verwundern mich ein bisschen. Ich frage Sie: Wozu warten? – Es gab eine Expertenkommission, es gab die Zukunftskommission, die schon vor zwei Jahren eine ganze Reihe von Vorschlägen auf den Tisch gelegt hat, von denen viele nur umgesetzt werden müssten und wir hätten schon – im Gegensatz zur jetzigen Situation – einen massiven Fortschritt im Bildungssystem.

Keine weiteren Kommissionen! Setzen Sie das um, was schon da ist! Wir wissen, was nötig ist, um das Bildungssystem zu verbessern.

Ich möchte aber auch drei Punkte hervorheben, die mir sehr positiv aufgefallen sind. Es steht im Regierungsabkommen: „Anhebung der Förderung von Schulen mit alter­nativer Pädagogik“. – Ich hatte vor etwa zwei Wochen das wirklich große Vergnügen, einen Tag in einer Montessori-Schule in Tirol verbringen zu dürfen. Es war für mich faszinierend, zu sehen, wie Kinder völlig selbstbestimmt, selbständig und mit großer Freude diesen Tag in der Schule verbringen und lernen, und nicht lernen, weil sie Angst haben, weil sie müssen oder weil man ihnen sagt, was sie zu tun haben, sondern weil es sie interessiert. Es kann einem Kind eigentlich nichts Besseres passieren, als schon in ganz frühem Alter Freude am Lernen und Eigeninitiative mitzu­bekommen, denn damit ist eigentlich für den Rest des Lebens schon ein ganz wichtiger Grundstein gelegt.

Es ist schade, dass Montessori-Schulen zum Beispiel – es gibt auch noch andere Modelle alternativer Pädagogik – eben nicht genug Geld vom Staat bekommen, sodass sie Schulgeld einheben müssen. Damit ist das wieder etwas, was sich nur wenige leisten können. Wer Schuldgeld für seine Kinder bezahlen muss, hat wahr­scheinlich schon einen gewissen finanziellen Hintergrund. Es ist schade, dass alternative Pädagogik nicht allen Kindern zugänglich ist, und ich hoffe wirklich, dass es zu einer spürbaren Anhebung der Förderung kommt.

Dasselbe gilt auch für den nächsten Punkt, den ich hervorheben möchte. Es ist die Rede von einer „Anpassung des Ressourceneinsatzes im Bereich der sonder­pädagogischen Förderung“. Ich hoffe, dass wir in absehbarer Zeit über dieses Thema noch intensiver reden werden. Ich habe dazu schon vor einigen Monaten einen Antrag eingebracht, und der wird hoffentlich doch bald einmal in einem Ausschuss behandelt werden. Der sonderpädagogische Förderbedarf ist in den letzten zehn Jahren massiv angestiegen. Es gäbe sehr viel zu tun. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, Kindern schon in frühem Alter eine verbesserte Ausgangsposition für später mitzugeben. Die Finan­zie­rung ist leider beim Stand von vor zehn Jahren stehen geblieben. Das reicht bei Weitem nicht aus. Das werden Ihnen Lehrerinnen und Lehrer wie auch Eltern sehr deutlich sagen können. Ich hoffe, es gibt in diesem Bereich eine Verbesserung.

Zum dritten Punkt. Unter dem Punkt „Schulpartnerschaft“ wird angeführt, dass es Hilfs­angebote aus dem sozialen Bereich geben soll. Das übersetze ich jetzt einmal mit Schulsozialarbeit, und das wäre ein ganz wichtiger Schritt, vor allem auch für die Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt in einer schwierigen Situation sind: Sie sollen Wissen vermitteln, sie sollen Kompetenzen vermitteln, sie sollen aber auch Sozialarbeit leisten, und dafür sind sie nicht ausgebildet. Es wäre wirklich wichtig, die Lehrerinnen und Lehrer in dieser Hinsicht zu entlasten, damit die Kinder dann in der Schule mehr lernen können, damit man sich im Unterricht auf das konzentrieren kann, worum es geht. (Beifall bei den Grünen.)

Das wären also durchaus positive Ansatzpunkte. Jetzt frage ich mich aber: Wird das auch so kommen, wie es zu hoffen ist? Wir reden immerhin von einem Finanzrahmen von 200 Millionen €. Wenn man sich das durchrechnet, würde schon eine flächen­deckende Umsetzung der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25 in etwa


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 54

dieses Budget auffressen. Das heißt: Ich wünsche Ihnen, Frau Ministerin, sehr viel Glück in unser aller Interesse für die Budgetverhandlungen. Ich hoffe wirklich, dass Sie sich durchsetzen können, und zwar besser, als das Ihrer Vorgängerin gelungen ist.

Zum Thema Uni. Es wird Sie nicht überraschen: Ich rede jetzt auch zu den Studien­gebühren. Der SPÖ-Kurs zum Thema Studiengebühren war leider eine Kombination aus einer Achterbahn und einer Geisterbahn – so wie ich das gesehen habe.

Was das Thema Sozialarbeit betrifft: Es ist jetzt so, dass 72 Prozent aller Studierenden berufstätig sind, um sich das Studium überhaupt leisten zu können, und das sind sie meistens in Jobs, die zum Glück mehr als 6 € pro Stunde bringen. Man muss sich das Studium finanzieren, man muss sich das Leben finanzieren. Es gibt nicht immer Eltern, die einem das Geld geben, dass man in Ruhe studieren kann.

Welche Jobs haben diese Studierenden? Ich kenne zum Beispiel eine junge Frau, die in einer Bar arbeitet. Es sind oft Jobs in der Gastronomie, die Studierenden offen­stehen. Es ist nämlich nicht so, wie es schön wäre, dass man einen Beruf hat, der zum Studium passt, dass man sich Praxiskenntnisse aneignet, sondern meistens geht es darum, sich das Leben finanzieren zu können, und das sind dann eben Berufe wie beispielsweise in der Gastronomie, die man da annimmt. Ich kenne also eine junge Frau, die in einer Bar arbeitet; sie kommt um 3 Uhr morgens ins Bett, wenn sie mit der Arbeit fertig ist, und steht um 8 Uhr auf, um eine Prüfung zu schreiben. Dass das nicht der Wunschzustand ist und dass das nicht die Idealsituation ist, das ist wohl allen klar.

Laut einer AK-Studie beträgt der Zeitaufwand für das Studium 34 Stunden die Woche. Rechnen wir zu diesen 34 Stunden Aufwand für das Studium noch die Arbeitszeit hinzu, die ich habe, um mein Leben zu finanzieren, und dann sagen Sie mir, bitte, wann ich diese Sozialarbeit leisten soll, um die Studiengebühren zurückzubekommen! Vor allem zwei Arbeitsgebiete wurden in dem Zusammenhang von der SPÖ erwähnt, nämlich Nachhilfe und Hospizarbeit. Und da frage ich mich schon: Es ist klar, dass es in beiden Bereichen mehr Personal braucht und mehr Finanzaufwand. Ich hoffe nicht, dass über diesen Umweg versucht werden soll, die Mittel aufzubringen, die eigentlich der Staat aufbringen sollte, also dass eben über den Umweg, dass Studierende das billig erledigen, ein Loch gestopft werden soll.

Zum Kreditmodell: Es heißt, eine Verbesserung im Bereich Studiengebühren wäre, dass man das Kreditmodell, das es schon gibt, ausbaut und stärker bekannt macht. Ich habe mich bei einigen Banken erkundigt, und dort heißt es: Das jetzige Kreditmodell wird so gut wie nicht in Anspruch genommen. Das ist auch sinnvoll. Es gibt immer wieder Kampagnen zur Schuldenvermeidung, man möchte jungen Menschen beibrin­gen, dass sie nicht Schulden machen sollen – eine absolut sinnvolle Maßnahme. Wenn jemand studiert und nicht weiß: Wann bin ich fertig? Was für einen Job habe ich nachher? Was habe ich für ein Einkommen?, ist es auch nicht sinnvoll, einen Kredit aufzunehmen. Und dieses Modell noch auszubauen: Überlegen Sie sich das! Das wird nicht viel bringen.

Ich fasse zusammen: Im Bereich der Studiengebühren hat die SPÖ keine Verbes­serungen erreicht. Sie hat sich unglaubwürdig gemacht im Vergleich zu ihrem Ver­halten im Wahlkampf, und sie hat Menschen vor den Kopf gestoßen, die der SPÖ vertraut haben. Und, das tut besonders weh, sie schließt sich der Methode an, die schon die letzte Regierung angewandt hat, nämlich Studierende als arbeitsfaul, als potenziell gewaltbereite Demonstranten hinzustellen – wie wir das auch heute schon wieder gehört haben – und als solche, die keinen Dienst an der Gesellschaft leisten wollen. Und das kann nicht sein! (Beifall bei den Grünen.)

Und es wäre eine Sache, zu sagen: Wir konnten uns nicht durchsetzen, es war uns ein Anliegen, wir werden weiterkämpfen. Das würde man verstehen. Das, was im Bereich


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 55

Studiengebühren an Einigung herauskam, jetzt noch schönzureden, das finde ich sinnlos.

Im Bildungsbereich bricht eine neue Ära an – die Vorgängerministerin Gehrer kann man durchaus als eine ganze Ära bezeichnen. Ich hoffe, dass diese neue Ära geprägt sein wird von einem Klima der Offenheit, der Kommunikation und des Zuhörens. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall, und ich hoffe sehr und glaube es auch, dass es hier eine Verbesserung geben wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Dr. Gumplmaier zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.17.27

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Werte Präsidentin! Liebe Ministerinnen und Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wir haben heute das Regierungsprogramm zweier Parteien zu disku­tieren und zu bewerten, die aus verschiedenen Richtungen kommen und vielfach, was die ideologische Grundsubstanz betrifft, auch immer verschiedene Wege propagieren – das Programm zweier Parteien, die in ihren gegensätzlichen Richtungen in der Vergan­genheit schwer zueinandergefunden haben, die sich in zahlreichen gesellschafts­politischen Fragen in Zielen und Wegen deutlich unterschieden haben. Manche Ziele stammen auch aus der ideologischen Grundsubstanz – hier die christliche Soziallehre, da der demokratische, soziale Gerechtigkeitsgedanke, die humanistische Gesellschaft.

Die Suche nach gemeinsamen Wegen und Zielen ist ein extrem mühsamer Weg, und man kann durchaus schon einmal als Erstes feiern, dass es überhaupt gelungen ist, gemeinsame Punkte und gemeinsame Maßnahmen zu finden. In manchen gesell­schaftlichen Bereichen sind zwar die Ziele gleich, aber der Weg dorthin könnte oft unterschiedlicher nicht sein. Es ist sicher schon einmal eine Kardinalleistung, hier zu einem gemeinsamen Programm zu kommen, wenn man noch dazu die menschliche Komponente mit berücksichtigt, die man mit Adjektiven wie „ehrgeizig“ und mit Gefühlen wie Eitelkeit, Kränkungen bezeichnen kann, die alle mit zu berücksichtigen sind und Hindernisse auf dem Weg zu einem gemeinsamen Regierungsprogramm darstellen.

Das erwähne ich zu Beginn, um einfach auch um Nachsicht für die Ergebnisse zu bitten. Wenn man all die Unwägbarkeiten, die auf dem Weg zur Entwicklung eines gemeinsamen Programms zu finden waren, bedenkt, dann möchte ich dem Kollegen Bieringer sagen: Sein Wunsch, dass das Gusenbauer-1-Kabinett das letzte Gusen­bauer-Kabinett sein wird, wird sicher nicht Erfüllung gehen. Nur mit dem Abfeiern eines so genannten Verhandlungserfolges, der ja nur dadurch zustande gekommen ist, dass man auf alten Positionen beharrt hat, obwohl man für sie – in den Kernbereichen – eigentlich die Wahlniederlage kassiert hat, geht es nicht.

Das Suchen nach einem gemeinsamen Regierungsprogramm kann mit einem Ver­gleich beschrieben werden, und zwar mit dem In-der-Wüste-freigelassen-Werden und der darauffolgenden Suche nach der Oase, mit dem Auftrag, die Wüste zu begrünen. (Ruf bei der ÖVP: Wollen Sie damit Österreich als Wüste bezeichnen?) – Nein, Österreich nicht, sondern die Gemeinsamkeiten, die man zum Wachsen bringen soll, sind in der Wüste so spärlich verteilt, bei diesen beiden Großparteien. Man muss Quellen suchen, Brunnen bohren, man muss behutsam an die Sache herangehen. Wenn man die eine Quelle zu grobschlächtig anbohrt, trocknet die daneben aus, und man wird sehen, ob die Palmen, die hier gesetzt wurden, auch zum Sprießen kommen, ob sie wachsen werden.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 56

Ein paar herausragende Unterschiede gleich zu Beginn: Es macht einen riesigen Unterschied, welche Personen die Parteien repräsentieren, und ich verhehle nicht: Die Unzufriedenheit in meiner eigenen Organisation war nach der Präsentation des Regierungs­programms nicht gering. Sie hat sich allerdings gewaltig reduziert, als die Personen präsentiert wurden, weil Personen mit einer Aufgabe betraut wurden, die Hoffnungsträger sind. Und, liebe Frau Gesundheitsministerin, ich wünsche mir noch viele offene Worte. Hoffentlich kommen Sie nicht irgendwann zur Erkenntnis, dass Sie sich in der falschen Partei befinden. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Bundesministerin Dr. Kdolsky: Sicher nicht! Blau-Gelb!)

Ein signifikanter Unterschied ist die Herangehensweise. Beim Finden des Regie­rungsprogramms haben die Sozialpartner wieder eine Rolle gespielt und man beschreitet einen Weg der Suche nach Konsens auf breiter Ebene und verlässt den Weg des „Speed kills“. Es wurden nicht nur Überschriften korrigiert, sondern auch neue Zielsetzungen gefunden und der Fokus wird anders gelegt. Es finden sich im Regie­rungsprogramm jetzt Begriffe wie „Armutsbekämpfung“, „soziale Ausgewogen­heit“. Es bleibt im Wesentlichen zu wünschen, dass im Laufe der Regierungsperiode noch größere Entwürfe heranwachsen. Vor allem vom konservativen Regierungs­partner wünsche ich mir im Bildungs- und Wirtschaftsbereich das Aufgeben der Dogmen.

Ich erwähne nur ein Dogma, dass in der letzten Legislaturperiode eine gewaltige Rolle gespielt hat, nämlich die Verteufelung der Schulden. Ich zeige hier einen Artikel aus der „Zeit“, die ist unverdächtig: „Schulden sind wieder schön. 2007 ändert sich die Börsenmode“. Verschlafen wir nicht eine internationale Entwicklung, die darauf hinaus­läuft, dass Schulden auch Investitionen in die Zukunft sind und, ja, wenn sie richtig investiert sind, also zum Beispiel im Bereich der Bildung oder der Infrastruktur, dann sind sie der Wohlstand von morgen. (Ruf bei der ÖVP: Wie bei der BAWAG, nicht?) Das sollten wir dazulernen.

In der Wirtschaftspolitik ist grundsätzlich zu bemerken, dass es zu keinem Kurswechsel in der Budgetpolitik gekommen ist. Der vereinbarte Privatisierungsstopp bei Post und Telekom kann von mir im Übereinkommen leider nicht gefunden werden. Positiv ist, dass ein ausgeglichener Haushalt nur über die Konjunkturzyklen hinweg konzipiert wird und Defizite in der Höhe von Investitionen dezidiert gemeinsam vereinbart wurden.

Eine Frage an den Sozialminister. Die Verlängerung der Hacklerregelung ist zu begrüßen. Sie bedeutet eine leichte Entschärfung der Pensionskürzungen, das ist klar. Dazu aber gleich eine konkrete Frage: Was ist mit jenen, die kein Vertrauen in die Kraft der Veränderung gehabt und Versicherungszeiten nachgekauft haben, um in die Hacklerregelung hineinzukommen? Das sind doch einige tausend, wie mir gesagt wurde. Die haben auf das falsche Pferd gesetzt, haben sich jetzt doppelt abgesichert und viel Geld ausgegeben. Ich meine, an die sollte man denken, wenn man an die Arbeit geht.

Im Bildungsbereich ist Frau Claudia Schmied eine große Hoffungsträgerin nach Jahren des Gesundredens. Es gibt sicher, wie die Zukunftskommission ergeben hat, Anknüp­fungspunkte, aber vor allem von der ÖVP wünsche ich mir, dass sie über ihren ideologischen Schatten springt und sich ein Beispiel nimmt, etwa an der CDU in Hamburg. Hamburg macht es vor: neuer Schultyp für Deutschland. Hamburg schreibt dieser Tage Bildungsgeschichte. Die regierende CDU hat etwas gewagt, was vor kurzem noch undenkbar war, sie hat sich vom dreigliedrigen Schulsystem verab­schiedet, in der Erkenntnis, dass das dreigliedrigen Schulwesen sozial sehr ungerecht ist. Dort ist man über den Schatten gesprungen und hat neben dem Gymnasium, das mittlerweile zur Gesamtschule gewachsen ist, einen neuen Schultyp etabliert, eine so genannte Stadtteilschule, in der die Kinder wesentlich mehr Zeit zum Lernen der Grundkenntnisse haben, sodass niemand auf der Strecke bleibt.


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Die Schule lebt von der Qualität der Lehrer. Die Qualität der Lehrer hängt ab von ihrer Grundmotivation, von ihrer Liebe zu den Kindern. Dem steht häufig eine Hierarchie im Weg, die mehr kontrolliert und Fehler sucht und weniger motiviert. Schulen brauchen Unterstützung bei Schwierigkeiten und nicht Fehlersuche und Kontrolle, sondern Coaching. Die Schule braucht Ermutigung, einen Stimmungswandel und Kulturwandel, und ich wünsche mir von der neuen Unterrichtsministerin, dass sie genau diesen Stimmungswandel zum Optimismus hin schaffen wird, denn der Wohlstand unserer Gesellschaft wird heute in den Schulen kreiert oder verfehlt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.32


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


16.32.18

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesminister! Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir haben eine neue Bundesregierung. Ich finde es als ehemaliger Jugendvertreter sehr ermutigend, dass insbesondere eine solche Vielzahl von ehemaligen Jugendfunk­tionären den Weg in die Bundesregierung geschafft hat. Ich weiß zwar nicht, warum Hahn und Lopatka links sitzen und Buchinger und Faymann rechts, aber das ist offensichtlich auch etwas, was neu ist in dieser Bundesregierung.

Was nicht neu ist, auch wenn wir schon die XXIII. Gesetzgebungsperiode haben, ist, dass die Grünen nicht dabei sind bei dieser Bundesregierung, und ich glaube, dass das auch einiges von dem erklärt, was Kollege Schennach in seiner Erklärung von sich gegeben hat. Ich verstehe schon, dass es im Wechselspiel zwischen Opposition und Regierung in der Demokratie für die einen oder anderen frustrierend ist, wenn sie das Ganze nur aus der Sicht der Opposition kennen. Ich kann das wirklich nachvollziehen. Ich habe das die ersten Jahre meines politischen Lebens in Wien erlebt: im Bezirk in der Minderheit, wenn ich im Landtag vorbei geschaut habe, in der Minderheit; also ich kann das verstehen. Trotzdem muss man jedoch festhalten, dass es sich jetzt in dem Fall um das Problem von Herrn Schennach handelt. Aus diesen Gründen verlässt ihn ein bisschen die Fairness im Beurteilen, wenn zum Beispiel herausgearbeitet wird, dass kein Kulturministerium gegründet worden ist.

Da sage ich: Ja, potz Blitz! Ist das wirklich unser wichtigstes Problem, oder können wir einer neuen Bundesministerin nicht zutrauen, dass sie diese Anliegen hervorragend vertreten wird? Dies noch dazu in dem Land, bitte, in dem wir leben, das so viel wie kein anderes pro Kopf für Kultur ausgibt. 250 € gibt dieses Land pro Kopf für Kultur aus. Kein anderes Land dieser Welt tut das! Und das scheint mir denn doch viel wesentlicher zu sein als die Frage, ob man ein Ministerium nur auf den Kulturbereich zusammenziehen muss, das heißt in Wahrheit, ihm andere Kompetenzen wegzu­nehmen. Es gibt eine Ministerin, die für die Kultur zuständig ist, und es ist sogar eine, die schon in der Privatwirtschaft vorbeigeschaut hat, was ich als Qualifikation auch nicht schlecht finde. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Todt.)

In diesem Zusammenhang: Lieber Kollege Schennach! Deine KHG-Beschimpfungen haben hier an sich schon ein bisschen Tradition. Sie werden vielleicht in Zukunft ein wenig an Aktualität verlieren. Die Abgrenzungen von Strache sind gelungen. Das hat auch niemanden wirklich überrascht. Ich will aber schon daran erinnern, dass das euer guter Freund vom Küniglberg ist, mit dem ihr euch auch schon besser verstanden habt. (Beifall bei der ÖVP.)

Was den Umweltbereich als solchen betrifft, der hier auch kritisiert worden ist, möchte ich schon festhalten, dass die letzte Regierung es geschafft hat, dass die EU-


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Fördermittel für den ländlichen Raum von 2,3 Milliarden € auf 3,9 Milliarden € erhöht worden sind und dass wir in einem Land leben, in dem 70 Prozent der eingesetzten Energien erneuerbare Energien sind. Also das sind schon Dinge, die ich festhalten möchte.

Mir hat die Rede des Bundeskanzlers heute, muss ich sagen, inhaltlich gar nicht so schlecht gefallen. Auch die Eckpunkte, die gekommen sind – wir haben eine gute wirtschaftliche Konjunktur, auf der wir ja aufbauen können –, das finde ich wirklich gut. Ich darf darauf hinweisen, dass wir auch einiges dafür getan haben. Ich möchte nur an die Privatisierungsschritte der letzten Bundesregierung erinnern. Von 1981 bis 1990 mussten vom öffentlichen Haushalt der verstaatlichten Industrie 4,3 Milliarden € zugeführt werden. In der letzten Periode sind 6,3 Milliarden € an Schulden in der ÖIAG abgebaut worden. Wir haben die Erfolgsgeschichte der Telekom Austria nach der Privatisierung, wir haben eine Erfolgsgeschichte der voestalpine nach der Privati­sierung, wir haben eine Erfolgsgeschichte der Gelben Post nach einer Teilpri­vatisie­rung.

Wir sind einen sparsamen Budgetkurs gefahren. Wir haben die Besteuerung von 44,8 Prozent auf 41,7 Prozent hinuntergebracht. Wir haben den Körperschaft­steuersatz gesenkt und damit den Wirtschaftsstandort attraktiviert. Wir haben das Land geschaffen, das von der EU-Osterweiterung von allen Ländern in der Europäischen Union am meisten in puncto Wirtschaftswachstum profitiert hat. Und daher haben wir heute einen Bundeskanzler, der auf der Basis einer gesunden Wirtschaft diese Funk­tion antreten kann.

Selbiges gilt auch für den Bereich Forschung und Entwicklung. Nur damit es da keine Missverständnisse gibt, was in der letzten Periode geschehen ist: Wir haben die Forschungs- und Entwicklungsquote im Prozentsatz vom Bruttoinlandsprodukt von 1,9 Prozent auf 2,5 Prozent gesteigert. Wir haben das Institut für Science and Technology zur Welt gebracht – sagen wir einmal so –, wir haben heute auf der linken Seite Bundesminister Hahn sitzen, der sowohl von seiner Erfahrung her, vom Intellekt und angesichts seines politischen und wirtschaftlichen Hintergrunds hervorragend in der Lage sein wird, diesen Bereich für Österreich zukunftsweisend zu führen.

Lassen Sie mich bitte auch erwähnen – auch vom Herrn Bundeskanzler angeführt – das Thema Infrastruktur! Die letzte Bundesregierung hat 50 Prozent mehr für Straße und Schiene ausgegeben als die Regierungen davor. Ich denke, dass hier auf einem vernünftigen Fundament aufgebaut werden kann. Und ich meine, dass es dennoch gut ist, dass sich auch im Regierungsprogramm ein Bekenntnis zum Breitbandausbau in Österreich findet, weil sich bekanntlich nicht nur Menschen, Autos, Motorräder und Sonstiges in Bewegung befinden, sondern auch Daten und Multimedia-Inhalte in der heute globalisierten Welt sehr wichtig sind.

Pensionen: Deswegen haben wir die Pensionsreform gemacht. Was das Vorbild Bruno Kreisky betrifft: Ich möchte hier in keiner Weise die Wertschätzung gegenüber der historischen Persönlichkeit des Bundeskanzlers Kreisky relativieren. Was allerdings seinen Beitrag zu einem stabilen Finanzkurs betrifft, möchte ich schon sagen: Ich fühle mich gut dabei, zu wissen, dass der Finanzminister Molterer heißt, und wir zumindest in dieser Hinsicht keine falschen Sentimentalitäten entwickeln sollten.

Mir gefällt an dieser Erklärung der Bundesregierung, dass sie darauf Bezug genommen hat, dass wir in einer globalen Welt leben. Es gibt globale Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben, die wir nicht als Bundesrat, Nationalrat, Regierung oder wer auch immer per Beschlusslage negieren können. Mir gefällt es, dass sich der europäische Gedanke wie ein Leitfaden durchzieht, dass der Vizekanzler und der Bundeskanzler darauf hingewiesen haben, dass wir als Österreicher als Europäer im


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 59

wirtschaftlichen Wettbewerb mit Amerika, Asien stehen und dass wir in dieser Per­spektive unser politisches Wirken betrachten müssen. Das ist etwas, was uns auch in der politischen Arbeit zwischen den Fraktionen und auch zwischen Regierung und Opposition zusammenrückenlassen kann. Wir brauchen ja keinen gemeinsamen Gegner, aber wir stehen zumindest gemeinsam im Wettbewerb. Wir sehen unseren Wirt­schaftsraum mit anderen Wirtschaftsräumen im Wettbewerb, wir sollten gemein­sam für unser Land etwas weiterbringen.

Wir alle wissen, wir leben in einem Superland, das nicht nur wirtschaftlich stark dasteht, sondern auch in seiner Schönheit unvergleichbar ist, was sich in allen Bundesländern abbildet. Wir haben Kenntnis davon, dass wir dort arbeiten, wo andere gerne Urlaub machen. Wir können meiner Meinung nach sehr viel positive Energie in diese Legislaturperiode einbringen, und wir werden die Regierung Molterer-Gusen­bauer voll unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Mitterer. – Bitte.

 


16.41.39

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesmal in meiner neuen Rolle: Bisher, während meiner nicht allzu langen Anwesenheit in diesem Gremium, im Bundesrat, in Wien, war ich ja Verteidiger und Abgesandter einer Koalitionsregierung am Rednerpult. Da muss man jetzt eben etwas umlernen. Das musste ja schließlich auch die SPÖ tun, die ja noch vor Kurzem kein gutes Haar an der alten Regierung gelassen hat und jetzt ihre eigenen Maßnahmen verteidigen soll.

Es ist heute eigentlich beruhigend gewesen, dass die Redebeiträge alle in einer Art waren, dass man sehr wohl auch das Positive der neuen Regierungserklärung erkannt hat, vor allem in jenen Bereichen, in denen es auch eine Fortführung der begonnenen Wege gegeben hat. Trotzdem sollte man hier am Rednerpult doch auch ein paar Dinge aufzählen, die letztlich deshalb in den Medien waren, weil ein Koalitionspartner mit ganz großen Versprechungen in den Wahlkampf gezogen ist. Entweder er hat nicht geahnt, dass er wirklich in die Position des Bundeskanzlers und einer Regierungspartei kommen würde, denn wenn er das geahnt hätte, hätte er diese Versprechungen im Wahlkampf nie bringen dürfen wie zum Beispiel die Eurofighter-Geschichte, die Studiengebühren, die Steuersenkungen, die jetzt ja zu Steuererhöhungen werden, die kaum Ansätze für eine verbesserte Situation der KMUs darstellen oder eine Erhöhung der Mineralölsteuer, die ja letztlich auch die Pendler treffen wird.

Ich erinnere mich noch an die Zeit 1990 bis 1992, als ich im Nationalrat war. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es eine Mineralölsteuer, die zweckgebunden für die Erhaltung und den Ausbau unseres Straßennetzes vorgesehen war. Die rot-schwarze Regierung hat damals diese Zweckbindung aufgehoben und in der Zwischenzeit fließt ein Großteil der eingenommenen Mittel aus der Mineralölsteuer eben nicht mehr zweckgebunden in diese Dinge. Wenn man diese wieder zurückführen wollte, würde sich alleine dadurch eine Erhöhung im Mineralölsteuerbereich erübrigen.

Über die Bildungsreform wurde ja schon sehr viel gesprochen.

Zur personellen Besetzung der Bundesregierung. Wenn man aus dem Süden Öster­reichs kommt, so sind wir vielleicht bis zum Jahr 2000 sehr benachteiligt gewesen. Landeshauptmann Haider hat es heute ausgeführt, und wahrscheinlich gerade weil von 2000 bis 2007 auch Kärntner Vertreterinnen und Vertreter in der Bundesregierung


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 60

waren, ist es zu einem Aufholprozess gekommen. Wir befürchten jetzt, wenn man sich die Zusammensetzung der Bundesregierung ansieht – und von 20 Mitgliedern alleine sieben aus Wien kommen und mindestens gleich viel noch aus Niederösterreich und dem Burgenland und kein einziger aus Kärnten –, dass vielleicht auch schon gegebene Zusagen im Infrastrukturbereich und in anderen Dingen dann nicht eingehalten werden. (Vizekanzler Mag. Molterer: Und was ist mit Ministerin Plassnik?)

Es kam also zu einem Fehlstart und es gibt enttäuschte Wähler, es gibt auch enttäuschte grüne Abgeordnete. Letzteres natürlich in erster Linie deshalb, weil sie ja fix damit gerechnet haben, am Machttopf teilhaben zu können, und ihnen jetzt die Felle wegschwimmen. Es ist mir klar, dass deshalb keine Begeisterung da ist. Es gibt aber, wie gesagt, auch enttäuschte Kärntner, weil die Regierung in Wien ohne ein Kärntner Mitglied agieren wird.

Das Thema Ortstafeln wurde heute nicht emotional, sondern sehr sachlich, sehr anschaulich von unserem Landeshauptmann dargelegt. Ich möchte noch einen kleinen Aspekt hinzufügen, da ja auch Mitglieder des Bundesrates im Europarat tätig sind. Nach den Sanktionen, die die EU über Österreich verhängt hat, und nach dem Befund der drei „Weisen“, die in Österreich und in Kärnten waren und bescheinigt haben, dass Österreich eine hervorragende Minderheitenpolitik macht, gab es auch eine Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte im Europarat, in der den Nationalstaaten Europas empfohlen wurde – wortwörtlich! – Minderheitenfeststellungen in ihren Ländern durchzuführen, um letztlich auch dem Europarat und der Menschenrechts­kommission die Möglichkeit zu geben, zu überprüfen, ob die Länder die Volksgrup­penpolitik vollziehen und auch einhalten.

Davon hat Slowenien Gebrauch gemacht, und nichts anderes fordern wir. Auch der Landeshauptmann hat heute bereits ausgeführt, dass die Volkszählung ein untaug­liches Mittel zur Minderheitenfeststellung ist, weil falsch ausgewertet worden ist. Wir wollen nichts anderes als das, was Slowenien im Jahr 2003 getan hat. Deshalb wird es auch eine Petition mit tausenden Unterschriften geben, die dann natürlich auch zum geeigneten Zeitpunkt Frau Präsidentin Prammer überreicht werden wird.

Ich weiß schon, dass jetzt, da man in Österreich bequem Schwarz-Rot regiert und auch die Bundesländer schön in vier schwarze und vier rote aufgeteilt sind und es vier schwarze und vier rote Landeshauptleute gibt, der neunte Landeshauptmann und das neunte Bundesland in dieser ganzen Konstellation ein bisschen im Wege ist, aber das sollte nicht dazu führen, dass Volksgruppenpolitik oder unsere Volksgruppenpolitik in dem Sinne geführt wird, dass man glaubt, damit dem Landeshauptmann zu schaden, während man in Wirklichkeit der Bevölkerung schadet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend meine ich, dass wir mit der heutigen Regierungserklärung zufrieden sein können. Natürlich werden wir, in der Opposition stehend, hier am Rednerpult das eine oder andere auch immer wieder anprangern oder einfordern, vor allem das, was festgeschrieben ist, und dann nicht kommt. Als Oppositionspolitiker auf Bundesebene möchte ich abschließend sagen, dass im Sinne der Bürger und Steuerzahler unserer Republik Österreich zu wünschen wäre, dass es ein baldiges Ende dieser Koalition gibt. Als Kärntner und Bundesrat der Freiheitlichen in Kärnten – BZÖ wünsche ich mir etwas anderes: Ich wünsche mir ein Überleben der Koalition bis zur nächsten Kärntner Landtagswahl, denn diese Koalition wäre natürlich Garant dafür, dass die Freiheitlichen in Kärnten bei der nächsten Landtagswahl auch die absolute Mehrheit erreichen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl. – Vizepräsidentin Haselbach: Die Freiheitlichen in Kärnten wollen ...!)

16.49



BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 61

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster gelangt Herr Bundes­minister Faymann zu Wort. – Bitte.

 


16.49.03

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ver­ehrte Präsidentin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte, da ich die Debatte jetzt ein bisschen verfolgen habe können, bei jenen Redepassagen anschließen, in denen einiges über den Budgetpfad und damit über die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes gesagt wurde. Der Budgetpfad hat eine Stärke, er konsolidiert das Budget und er schafft damit auch die Voraussetzungen für Spielräume etwa einer Steuerreform oder politische Zielsetzungen der Zukunft in unserem Land, schafft aber natürlich für einen Ressortminister, der für Infrastruktur zuständig ist, auch gewisse Grenzen bei jenen Investitionen, die den Bundesländern so wichtig sind.

Ich komme zuerst auf die wesentlichen Punkte zu sprechen, nämlich zum positiven Teil. Der positive Teil ist, dass wir ein Redkordniveau bei Investitionen in Straße und Schiene im heurigen Jahr, im nächsten Jahr, man kann zusammenfassen, bis 2010 vorfinden: 10 Milliarden € Investitionen nur in Straße und Schiene bis zum Jahre 2010 haben nicht nur eine große Bedeutung für Beschäftigung und Wachstum, sondern haben generell für den Wirtschaftsstandort, für die Pendler, also Menschen, die die ÖBB oder die Straße täglich für ihren Weg zur Arbeit brauchen, einen ganz besonderen Stellenwert.

Also 10 Milliarden € sind viel. Es sind sogar etwas über 10 Milliarden € bis zum Jahre 2010 in diesen Bereich, in Infrastruktur zu investieren. Das teilt sich auf mit 6 Milliarden € überwiegend auf die Schiene und etwas mehr als 4 Milliarden € auf die Straße. Auch diese klare politische Gewichtung ist eine, wie sie wahrscheinlich auch die Mehrheit von Ihnen, wenn nicht sogar alle mittragen können.

Nun: Ein Rekordniveau an Investitionen, eine klare Bevorzugung der Schiene und dennoch eine hohe Investition auch in die Straße bedeutet trotzdem nicht, dass man alle Projekte, alle Wünsche und, das darf ich ein bisschen kritisch sagen, auch manche Zusagen, die so im Raum stehen – also nicht die vertraglich vereinbarten, sondern die gewünschten, die im Raum stehenden Zusagen –, zugleich verwirklichen wird können. Warum sage ich das? Rechnet man alle „Wünsch-dir-was“-Konzerte, alle Projekte zusammen, die von den Ländern und manches Mal auch von den letzten fünf Infrastrukturministern – seit dem Jahre 2000 waren es immerhin fünf Minister, die für diesen Bereich verantwortlich waren – angedacht waren, kommt man auf eine völlige Unfinanzierbarkeit, vor allem dann, wenn man sie auch noch mit den in der Öffentlichkeitsarbeit sehr oft geäußerten Zeiträumen in Zusammenhang bringt.

Was will ich damit sagen? Ich möchte sagen, dass ich die nächsten zwei Monate nutzen werden, um im engsten Einvernehmen mit den Ländern Punkt für Punkt, Projekt für Projekt durchzubesprechen. Da meine ich nicht vertraglich vereinbarte Projekte wie etwa den Koralm-Tunnel, da meine ich nicht politisch außer Streit stehende, fraglos außer Streit stehende große Projekte, die ich Ihnen für jedes Bundesland in Straße und Schiene aufzählen könnte, sondern da meine ich den Zeitplan der Verwirklichung, denn der Kassastand mit diesen von mir schon genannten 10 Milliarden € muss auch mit einem Zeitplan in Übereinstimmung gebracht werden können, damit wir uns nicht monatlich bei der Bevölkerung in den jeweils betroffenen Ländern entschuldigen müssen, weil wir die eigenen Versprechen nicht einhalten können. Um also hier höchstmögliche Seriosität, Glaubhaftigkeit und auch Vertrauen schaffen zu können in diesem wichtigen Bereich der Infrastruktur, ist es notwendig, für die Schiene einen Rahmenvertrag abzuschließen und bei der Straße eine Prioritä­tensetzung vorzunehmen.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 62

Ich bitte daher schon jetzt um Verständnis dafür, da Sie ja auch in der Landespolitik sehr verankert sind, dass wir in einen konstruktiven Dialog treten müssen, um hier in den nächsten zwei Monaten eine klare, auch zeitliche Reihenfolge festzulegen. Ich bitte, das nicht in Polemik abzuhandeln, sondern in Konstruktivität, weil sich dieses hohe Investitionsvolumen eigentlich auch eine sachgerechte Diskussion in der Außen­darstellung verdient hat.

Dieser Teil, der Straße und Schiene betrifft, die für die Infrastruktur so große Bedeu­tung haben, ist aber nur ein Teil meines Verantwortungsbereichs, der sich in der Regierungserklärung, aber auch im Koalitionsabkommen findet. Es wird auch viel zum Luftverkehr und zu den Wasserwegen formuliert, und es wird vieles an Verbes­serungen in diesen Bereichen genannt.

Der Schwerpunkt, den ich zum Abschluss anführen möchte, existiert gleichrangig mit den genannten Projekten der Infrastruktur, jener der Forschung nämlich. Noch nie hat sich ein Koalitionsabkommen in der Schwerpunktsetzung für Forschung und Entwicklung so deutlich positioniert, und das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Wenn man sagt, dass man alleine bis zum Jahre 2009 400 Millionen € für diesen Themenkomplex – und ich weiß schon, das ist nicht nur Forschung im engeren Sinn, sondern das ist vieles auch an Entwicklung in anderen Bereichen – und 400 Millionen € im Jahre 2010 im Budget vorgesehen hat, dann ist das eine bedeutsame Schwer­punktsetzung. Und die gilt universitär, wo Kollege Hahn federführend tätig ist, und außeruniversitär, wo wir auch mit vielen kleineren und mittleren Betrieben gemeinsam versuchen werden, die Forschungsquote so zu erhöhen, dass wir am Ende des Tages, Private und Öffentliche gemeinsam, auf einen Prozentsatz von 3 Prozent Forschungs­quote kommen, dann ist das ein Markstein, eine Gewichtung, die für die Zukunft unseres Landes eine große Bedeutung hat.

Daher wollte ich Ihnen in Kürze beides, nämlich die in den Ländern sehr heftig diskutierten Fragen der Infrastruktur, aber auch die der Forschung und Entwicklung, die für die Zukunft des Landes, für die Entwicklung der Betriebe und damit auch für Beschäftigung und Wachstum eine so bedeutende Frage ist, zusammenfassend vorstellen und freue mich auf eine konstruktive und gute Zusammenarbeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.56


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Hahn. – Bitte.

 


16.56.26

Bundesminister ohne Portefeuille Dr. Johannes Hahn: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie auch sehr herzlich begrüßen. Ich habe die letzten Stunden eigentlich sehr genossen, weil ich den Eindruck habe, dass hier eine sehr familiäre Atmosphäre herrscht, sozusagen fast kammermusikartig, und das habe ich sehr zu schätzen begonnen. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich hoffe, wir werden noch viele so angenehme Nachmittage verbringen.

Ich wollte nur dem Kollegen Mitterer – jetzt ist er gerade hinausgegangen – noch mit auf den Weg geben, dass mit Außenministerin Plassnik Kärnten natürlich sehr wohl in der Bundesregierung vertreten ist. Wer genau hinhört, kann das auch nicht überhören, jedenfalls wenn sie Deutsch spricht. Wenn sie Englisch oder Französisch spricht, dann ist der Akzent nicht mehr so genau durchhörbar. Ich meine, das muss man schon einmal festhalten.

Ich bin eigentlich sehr froh, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben, auch wenn der neue Wissenschaftler des Jahres, Konrad Paul Liessmann, diese Kennzeichnung


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 63

durchaus in Zweifel zieht, aber das ist ja legitim. Daraus lässt sich ein ganzes Buch machen. Fakt ist jedoch – und ich glaube, das ist unbestritten –: Wir leben in einer Wissensgesellschaft, und daher ist es nicht nur billig, sondern auch recht und sinnvoll und notwendig, dass hiefür wieder ein eigenes Ministerium geschaffen wurde, wo wir uns mit voller Intensität den Fragen der Wissenschaft und der Forschung hingeben, widmen und das mit aller Leidenschaft betreiben können.

Nur, damit Sie alle eine Vorstellung haben: Wir reden hier von 21 Universitäten, 17 Fachhochschul-Standorten und insgesamt 250 000 Studierenden, die diese Ein­richtungen besuchen, und fast 10 000 Lehrenden. Das ist also kein kleiner Haufen, sondern das sind sehr viele.

Wer schon auf einer Universität war und sich noch daran erinnert, weiß, dass das durchaus auch vom Anspruch her eine komplexe Einrichtung ist, die den Diskurs einfordert, und diesen Diskurs wollen wir auch leben. Daher muss man sich da auch im vollen Umfang darauf konzentrieren.

Damit bin ich sozusagen bei den zwei großen Blöcken, der Universität, der Wissen­schaft auf der einen Seite und der Forschung auf der anderen Seite.

Aus der konkreten aktuellen Diskussion: Wir hatten diese Woche die Präsentation eines sehr umfangreichen Werkes der Rektorenkonferenz – das ist ja naheliegend –, 600 Seiten. Wir arbeiten an der Durcharbeitung. Präsentiert wurden Überlegungen hinsichtlich Zugangsbeschränkungen zu den Universitäten. Diese Diskussion ist zu führen, zumal bestimmte gesetzliche Bestimmungen mit Jahresende auslaufen. Ich sage aber gleich dazu, dass es meine Politik ist, nach Tunlichkeit den aktuellen Zugang, nämlich einen freien Zugang zu den Universitäten, zu erhalten und dass wir alles dazu tun müssen, diesen Zustand auch in Zukunft sicherzustellen.

Unser Ziel muss es sein, allen jungen Menschen, die Interesse haben, die an die Universität gehen wollen, diese Möglichkeit einzuräumen, und da darf es keine finanziellen, sozialen oder sonstigen Behinderungen geben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und den Grünen.)

Da sind wir gefordert – ich bin da mit meiner Kollegin Schmied eines Sinnes, wir haben diesbezüglich schon erste Gespräche geführt, dass es ganz wichtig ist, die Informationsarbeit an den höheren Schulen, an den Gymnasien, an den HTLs et cetera enorm zu verbessern, wenn es darum geht, aufzuklären, was künftige Studenten an den Unis erwartet, wenn sie sich überlegen, bestimmte Studienfächer oder Studienrichtungen auszuwählen, denn ein Gutteil der Drop-out-Quote speziell am Beginn der Studien hängt damit zusammen, dass Leute an die Uni gehen, Fächer belegen und völlig falsche Vorstellungen haben, was dort auf sie zukommt.

Ich gehe immer mit meinem eigenen Beispiel hausieren. Ich habe mich einmal für Germanistik interessiert – das hat genau ein Semester gedauert, weil mich einfach, und das sage ich ganz offen, der mittelhochdeutsche Ritterroman und die 96. Laut­verschiebung nicht wirklich interessiert haben. Das mag ja durchaus seine Berech­tigung haben, meine Vorstellung von Germanistik war es nicht, aber es ist legitim, dass es die gibt, und die soll man hegen und pflegen, aber ich war eben auch mit einer falschen Vorstellung ausgestattet, was mich dort erwartet, und so geht es vielen.

Das kostet nicht nur etwas, sondern das kostet auch Leidenschaft und Inbrunst von jungen Leuten, wenn sie vielleicht, wie sich dann herausstellt, das eine oder andere Semester unnötigerweise am falschen Platz verbringen. Daher wird es eine große und zentrale Aufgabenstellung sein, die wir uns da vornehmen, die Information in diesem Bereich deutlich zu verbessern. Ich könnte mir auch vorstellen, dass das eine der zentralen Maßnahmen ist in diesem Paket, das im Regierungsübereinkommen for-


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 64

muliert worden ist, wo es darum geht, Studiengebühren in Form von Freiwilligenarbeit sozusagen umzusetzen, dass wir hier auf der Universität und im Bildungsbereich einen neuen, einen wichtigen Schwerpunkt setzen.

Ich möchte allerdings in Erinnerung rufen: Die beiden anderen Punkte dieses Pakets sind ja die Weiterentwicklung des Stipendienwesens, wo wir jetzt bei 175 Millionen € jährlich stehen, und mit den Studienbeihilfen kommen wir eigentlich schon auf fast 183 Millionen €. Dem stehen Studiengebühren von 140 Millionen € gegenüber.

Ich möchte in dem Zusammenhang auch in Erinnerung rufen: Als 2000/2001 die Studiengebühren eingeführt wurden, hat es auch das Bekenntnis gegeben, gleichzeitig auch das Stipendienwesen auszubauen. Das ist eingehalten worden. In den letzten sieben Jahren hat die Zahl der Stipendiaten um rund 40 Prozent zugenommen, von etwas über 34 000 auf über 48 000 Stipendiaten. Und die Summe, die für Stipendien aufgewendet wird, ist um 50 Prozent erhöht worden, von 120 Millionen € auf eben etwas über 180 Millionen €.

Wir werden uns in der gestern konstituierten interministeriellen Arbeitsgruppe auch dem dritten Modul dieses Komplexes widmen, nämlich der Frage: Wie können wir diesen Kredit für Studienbeiträge attraktivieren? Der ist ja nicht gerade ein Renner, das muss man zugeben. Etwa 600 Personen haben das bisher in Anspruch genommen. Ich nehme an, ein hoher Anteil davon werden WU-Studenten sein, denn das Span­nende ist ja sozusagen der Zinsgewinn, den man da vielleicht lukrieren kann, und den halte ich eigentlich für innerhalb von bescheidenen Grenzen liegend, aber für zukünftige Finanzfachleute mag das vielleicht ein probates Übungsgebiet sein. Es geht jedoch nicht nur darum, dass hier probate Übungsgebiete geschaffen werden, sondern dass das tatsächlich etwas Substantielles wird.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass wir uns mit den Zugangsbedingungen zu den Unis auseinandersetzen. Ich habe gestern in einem Interview im „Report“ gesagt, dass für mich Zugangsbeschränkungen die absolute Ultima Ratio darstellen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht gegriffen haben.

Zur aktuellen Diskussion über die Medizinerquote, weil da heute auch kurz mediale Verwirrung Platz gegriffen hat: Es gibt die Zusage der deutschen Kollegin Schavan, logischerweise, uns bei einer allfälligen Schmiedung einer internationalen Allianz zu unterstützen, vor allen Dingen dann, wenn sich herausstellt – und das prüfen wir gerade –, dass mehrere Länder eine ähnliche Situation haben, wie wir sie hier in Österreich vorfinden. Ich darf allerdings auch sagen, dass es, wenn auch ein sehr beachtliches und relevantes, aber doch ein Spezialthema ist.

Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: 250 000 Studenten, und wir reden hier über 1 500 Studienplätze pro Jahr im Medizinbereich. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir à la longue einerseits eine den europäischen Erfordernissen gerecht werdende Lösung finden, aber gleichzeitig auch der Notwendigkeit Rechnung tragen können, dass hier in Österreich Leute ausgebildet werden, die dann auch hier in Österreich die medizi­nische Versorgung sicherstellen.

Das zum Kapitel Universitäten. – Vielleicht noch ein Satz: Es ist in der vorigen Legislaturperiode mit dem UG 2002 – da kann man zwar darüber streiten, und es gibt unterschiedliche Auffassungen, aber in Summe ist ja auch die internationale Resonanz dergestalt – durchaus ein Jahrhundertwurf gelungen, aber es gibt wie immer bei großen Reformprojekten hinterher einen Nachjustierungsbedarf, weil sich herausstellt, dass man das eine oder andere vielleicht so oder so noch besser regeln könnte. Das wird Diskussion der nächsten Wochen und Monate sein. Die Evaluierung ist ja ein wesentlicher Punkt des Regierungsübereinkommens.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 65

Was die Forschung anlangt, bin ich sehr froh darüber, dass es noch nach Abschluss der Regierungsvereinbarung gelungen ist, die eine oder andere Nachjustierung vorzunehmen und dass nunmehr der Fonds für die wissenschaftliche Forschung zumindest zu 50 Prozent in unser Haus ressortiert. Somit kann sichergestellt werden, dass die wissenschaftsorientierte Forschung, die ja nicht nur pour l’art ist, sondern die natürlich à la longue in eine angewandte Forschung, in eine sozusagen produktorien­tierte Forschung übergeleitet werden muss, in einem noch besseren Ausmaß als bisher nicht nur sichergestellt, sondern auch weitergeführt werden kann. Wir können aus dem FWF auch das eine oder andere Postdoc-Programm entsprechend gestalten und finanzieren.

Ich gehe davon aus, dass wir den Schwerpunkt, der im Regierungsprogramm definiert ist, nämlich in Bildung, in Wissenschaft, in Forschung zu investieren, in den nächsten Jahren auch umsetzen werden.

Wir haben in den vergangenen Jahren, das ist bei Kollegen Faymann ja schon angeklungen, einen ziemlichen Aufholprozess im Bereich Wissenschaft und Forschung gestaltet und rangieren momentan mit 2,43 Prozent an fünfter Stelle unter den EU-Mitgliedsländern. Die EU-Forschungsquote ist deutlich unter 2 Prozent. Das darf und soll und kann uns nicht daran hindern, das Ziel von 3 Prozent mit Ende dieses Jahrzehnts nicht nur ins Auge zu fassen, sondern auch zu erreichen. Und da bin ich sehr zuversichtlich, dass uns das gelingt, denn schon in diesem Jahr werden wir über 2,5 Prozent drüberhüpfen.

Einer der ganz wesentlichen Punkte im Forschungsbereich muss natürlich, und da ist ja auch die Verlinkung zum universitären Bereich im engeren Sinn, die weitere engagierte Internationalisierung aller Aktivitäten sein, was Forschungsprogramme, Forschungsprojekte anlangt, aber auch der Austausch von Lehrenden, aber auch von Studierenden hinaus und herein und wieder retour, das darf und kann keine Einbahn­straße sein.

Es gibt berechtigte Diskussionen, die in die Richtung gehen: Wer in Österreich in Hinkunft habilitiert werden will, der muss mindestens ein, wenn nicht zwei Auslands­aufenthalte vorweisen. Neben der Finanzwirtschaft gibt es keinen Bereich, der der­maßen international ist wie der Wissenschafts-, der Forschungsbereich, und das ist gerade für ein kleines Land wie Österreich unabdingbar, weil viele Forschungsprojekte nur mehr in einer internationalen Kooperation realisierbar und umsetzbar sind. Daher ist es auch so wichtig, dass wir diese Kooperationen hegen, pflegen und ausbauen.

Ich bin sehr froh, feststellen zu können, dass das in der Vergangenheit nicht nur euro­päische Netzwerkpflege war, sondern dass es eben auch schon intensive Netzwerke, Kooperationen und Programme etwa mit Südostasien, überhaupt mit dem asiatischen Raum gibt, wo einfach die Musik spielt sowohl im wissenschaftlichen als auch im wirtschaftlichen Bereich. Daher sind wir gefordert, und es war klug und gescheit, gerade diese Kooperationen zu forcieren. Ein neuer großer Schritt geht etwa in Richtung Indien.

Summa summarum: ein großes Programm, ein ambitioniertes Programm. Mit Ihrer aller Unterstützung können wir hier etwas auf die Wege bringen. Ich stehe nicht an zu sagen, Wissenschaft und Forschung soll vorurteilsfrei, aber natürlich wertorientiert agieren. So hat jede/jeder von Ihnen ihre/seine Position in diesen Fragen, aber am Ende des Tages muss es das Ziel sein, die österreichische Wissensgesellschaft eingebettet in einer europäischen Wissensgesellschaft weiter prosperieren und wach­sen zu lassen, weil das für unsere Gesellschaft, für unsere Volkswirtschaft ein unabdingbares Muss ist. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.10



BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 66

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


17.10.53

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Verkehrsminister ist leider schon wieder weg. Ich hoffe, er nimmt sich nicht seinen Vorgänger zum Vorbild, den ich hier in diesem Gremium nur ein Mal zu Gesicht bekommen habe, nämlich nach seiner Angelobung. Ich hoffe, der neue Verkehrs­minister wird sich doch öfter bei uns blicken lassen.

Beim Verkehrsminister stelle ich mir schon die Frage, inwieweit dieser Ausdruck überhaupt noch passend ist, denn Verkehr läuft im Regierungsprogramm eigentlich nur mehr unter dem Thema Infrastruktur. Meiner Meinung nach ist Verkehr aber mehr als Verkehrsinfrastruktur, es sollte sogar um Mobilität gehen und nicht nur um Verkehr, schon gar nicht nur um Infrastruktur.

Im Regierungsprogramm findet sich im Verkehrsbereich ein großes Kapitel, das sich Infrastruktur-Planung nennt. Wenn man glaubt, da steht etwas Neues drinnen, wird man ziemlich enttäuscht sein, denn in Wirklichkeit steht nur drinnen, dass die im sechsjährigen Rahmenplan der ÖBB sowie im Bauprogramm der ASFINAG angeführ­ten Infrastrukturprojekte zeitgerecht umgesetzt werden, sprich: Das, was wir schon geplant haben, das werden wir halt machen! Bei der Reihenfolge, in der wir das machen, gibt es etwas Neues, und zwar eine neue Prioritätensetzung nach wirt­schaftlichen Kriterien. Wirtschaftliche Kriterien bei der Prioritätensetzung heißt für mich jetzt, dass in erster Linie auf die Wirtschaft Rücksicht genommen wird und wahr­scheinlich weniger auf den Nahverkehr, der mir persönlich aber auch ein sehr großes Anliegen wäre.

Was weiters neu ist und auch schon häufig diskutiert worden ist, ist die Anhebung der LKW-Maut um 4 Cent und die Erhöhung der Mineralölsteuer auf Benzin um 1 Cent und auf Diesel um 3 Cent. Das wäre zwar prinzipiell eine Maßnahme, von der man sagen kann, sie könnte der Steuerung dienen, leider dient sie jedoch nicht der Steuerung der Verkehrsströme und sie soll auch nicht anregen, sich zu überlegen, ob man mit dem Auto fährt oder mit der Bahn. Diese Maßnahme dient nur dazu, dass mehr Geld eingenommen wird, das man dann wieder verwendet, um die Kfz-Steuer für LKWs zu halbieren. Sprich: PKW- und LKW-Fahrer zahlen ein, ausbezahlt wird an die LKW-Fahrer beziehungsweise die LKW-Lobby, die so günstiger über die Autobahnen und durch Österreich fahren können.

Zu den einzelnen Projekten des ÖBB-Rahmenplans und des ASFINAG-Bauprogramms sind wieder einzelne Punkte angeführt und wieder geht es um die Wirtschaftlichkeit der Projekte. Meiner Meinung nach sollte es bei der Infrastruktur nicht nur um die Wirt­schaftlichkeit, sondern auch um die Nachhaltigkeit eines Projektes gehen. Und wenn man sich schon so sehr auf die Wirtschaftlichkeit eines Projektes bezieht, dann müssten all die Projekte, die jetzt im Generalverkehrsplan und im Rahmenplan stehen, noch einmal überdacht werden. Denn ich habe vor kurzem in einer verkehrspolitischen Zeitschrift gelesen, dass der Vorstand des Instituts für Verkehrswesen an der Universität für Bodenkultur, Herr Gerd Sammer, die Gültigkeit der Verkehrsprognose-Ergebnisse in Frage stellt. Sie ließen einiges zu wünschen übrig; sprich, all die Projekte, die wir jetzt vorhaben und die jetzt laut Regierungsprogramm umgesetzt werden, beruhen auf Verkehrsprognosen, die zu einem Großteil einfach abweichen von dem, was wirklich kommen wird.

Es gibt drei verschiedene Prognosemodelle, und bei drei verschiedenen Modellen kommen verschiedene Zahlen heraus, je nachdem, wofür man sie braucht. Brauche


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 67

ich hohe Verkehrszahlen als Anreiz für meinen PPP-Partner, dann kommen hohe Verkehrszahlen heraus, damit wir viel Maut berechnen können und dieses Projekt dann sehr wirtschaftlich ist. Brauche ich es für die Umweltverträglichkeitserklärung, dann gibt es eine andere Modellberechnung, da kommt dann eine möglichst niedrige Zahl heraus, damit auch die Umweltschutzmaßnahmen möglichst niedrig gehalten werden können.

Ich würde bitten, dass man sich diese Kritik genauer anschaut und dass man sich künftig doch überlegt, ein vernünftiges Prognosesystem zu finden, das sowohl für den PPP-Bereich gilt als auch für den Umweltschutzbereich, denn prinzipiell sollten diese Prognosen ja doch einigermaßen halten.

Zum Thema Schienenverkehr: Ich erinnere mich daran, dass die SPÖ vor einiger Zeit die ÖBB-Reform schon auch noch in Frage gestellt hat. Inzwischen macht sie das offensichtlich nicht mehr und alles scheint so, wie es ist, jetzt doch zu gefallen. Ich kann mich erinnern, dass es Aktionen der Grünen und der SPÖ zum Thema ÖBB-Reform gegeben hat. Es gab Probleme mit der aufgeblähten Führungsstruktur bei den ÖBB sowohl bei den Grünen als auch bei der SPÖ – die gibt es nach dem Regie­rungsprogramm jetzt offensichtlich nicht mehr. Sie wollen jetzt nur mehr diese Reform weiter fortführen. Es gibt nichts Neues, es gibt eine Fortführung einer ÖBB-Reform, die der SPÖ zumindest früher einmal nicht gepasst hat.

Was mir im Regierungsprogramm komplett fehlt und was früher auch der SPÖ gefehlt hat, war eine Forcierung oder zumindest ein Statement zum Thema Nebenbahnen und Regionalbahnen. Dazu steht im Regierungsprogramm leider nichts mehr.

Zum Thema Binnenschifffahrt steht im Regierungsprogramm auch sehr viel über Wirtschaftlichkeit, unter anderem geht es interessanterweise auch um Hochwasser­schutz-Projekte entlang der Donau gemäß einer Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund, Oberösterreich, Niederösterreich und Wien.

Ich weiß nicht, ob der Herr Verkehrsminister die Peseta-Studie schon gelesen hat. Die Peseta-Studie wurde von der EU-Kommission in Auftrag gegeben und sie kündigt an, dass hundertjährige Hochwässer in Zukunft nicht mehr so sein werden, wie sie jetzt sind, sondern um etwa zwei bis drei Meter höher – die Schäden aus hundertjährigen Hochwässern werden ungefähr um 20 bis 40 Prozent höher sein werden, als sie das bisher waren –, und dass diese Hochwässer einfach auch häufiger auftreten.

Jetzt steht im Regierungsprogramm, ganze 420 Millionen € sollen ausgegeben werden. Sonst steht zum Thema Hochwasserschutz leider nichts im Regierungsprogramm. Ich denke, da würde noch sehr viel mehr notwendig sein, nämlich zum Beispiel, wie man Flächen für Retentionsräume für Flüsse bereitstellen kann. Das ist nämlich ein Prob­lem, das zwischen Bund, Ländern und Gemeinden noch abgehandelt werden muss und so weiter.

Zum Thema Flugverkehr steht nur drinnen: forcieren und nachhaltige Stärkung der AUA. Wobei ich es interessant finde, dass in einem Regierungsprogramm ein Betrieb drinsteht, den man nachhaltig stärken muss.

Zum Thema Klimaschutz, Anrainer- und Lärmschutz findet sich, was den Flugverkehr betrifft, leider nichts.

Zum Thema Verkehrssicherheit gibt es leider auch keine Absage an die 160 km/h auf der Autobahn. Ich weiß nicht, ob die SPÖ jetzt in diesem Punkt eine neue Meinung hat, ob Minister Faymann den alten Kurs weiterfahren wird, den Minister Gorbach an den Tag gelegt hat, dass er 160 km/h als besonders verkehrssicher empfunden hat – leider gibt es dazu nichts im Regierungsprogramm. Und dass die Maßnahmen, die Tempo­reduktionen laut IG-L, also laut Immissionsschutzgesetz-Luft, jetzt plötzlich in


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Bundeskompetenz fallen und dann dem Herrn Verkehrsminister untergeordnet werden, ist jedenfalls zumindest im Bereich Verkehrssicherheit ein bisschen hineingeschum­melt.

Zum Thema Transit: Man sieht zwar im Regierungsprogramm inzwischen ein, dass es ein besonders hohes Wachstum im Ost-West-Verkehr gibt, während sich der Nord-Süd-Transit „auf hohem Niveau einspielt“. Maßnahmen, die den Ost-West-Transit betreffen, finde ich aber in diesem Regierungsprogramm leider nicht. Es gibt den Brenner-Basistunnel nach wie vor und immer wieder – ich bin gespannt, ob er jemals kommt –, aber was den Ost-West-Transit betrifft, finde ich in diesem Papier keinerlei Neuigkeiten.

Was zum Beispiel interessant wäre gerade den Ost-West-Transit betreffend, wäre eine flächendeckende Maut und nicht nur eine differenzierte LKW-Maut.

Was mich beim Verkehrskapitel beunruhigt, ist die angekündigte Verfahrens­beschleu­nigung: Straffung, Vereinfachung und Verkürzung der Planungsprozesse. Die Frage ist, auf wessen Kosten das geht. Geht das auf Kosten der Umweltverträglich­keits­prüfung? Weiter hinten ist dann sogar angeführt, dass die Umweltkosten eingedämmt werden sollen – was auch immer da mit Umweltkosten gemeint ist. Wenn es die Umweltkosten sind, die durch diese Infrastrukturprojekte entstehen, sprich die Schäden an der Umwelt, bin ich glatt dafür. Wenn es darum geht, die Umweltschutzmaßnahmen einzudämmen, was ich befürchte, dann sollte sich Herr Minister Pröll doch dazu äußern, so hoffe ich, sonst werden wir das sicherlich tun.

Herr Minister Pröll ist ja heute leider auch nicht hier. Kein Wunder, denn die meisten Dinge, die unter Umweltschutz in diesem Regierungsprogramm stehen, gehen leider sein Ministerium in Wirklichkeit gar nichts an. Da geht es um erneuerbare Energien und Energien allgemein – das ist meines Wissens nicht Thema des Umweltministers, leider, sondern bei uns Thema des Wirtschaftsministers. (Zwischenruf.) – Ja, das ist so!

Ich habe vor kurzem eine Einladung bekommen: Es gibt jetzt einen neuen Pfad der Europäischen Union, europäische Energiepolitik zu machen – die Kommission hat ihn vorgestellt, jetzt soll er noch diskutiert werden. Zu diesem Thema hat mich der Herr Wirtschaftsminister eingeladen, für zwei Stunden zu einer Konferenz zu kommen – nicht der Herr Umweltminister. Wenn man sich die Konferenzteilnehmer so anschaut, sieht man sofort, dass insbesondere Effizienzexperten dazu eingeladen sind. Da sprechen Herr Martin Bartenstein, Frau Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, dann Herr Ruttenstorfer von der OMV, Herr Haider vom Verbund, Herr Badri von der OPEC und Herr Neykov von der Energiegemeinschaft. All das sind ganz sicher lauter Effizienz­experten und unterstützen das, was der Herr Umweltminister in ein Programm hineingeschrieben hat, für das er leider nicht zuständig ist.

Was den Klimaschutz betrifft, muss ich sagen, dass dieses Programm in Wirklichkeit kaum Aussagen trifft, und die Aussagen, die es trifft, sind schwer zu hinterfragen. Es ist zum Beispiel großartig angekündigt, dass die Regierung nach wie vor das Kyoto-Ziel verfolgt. Es gibt allerdings neue Studien vom Umweltbundesamt – ich würde sagen, das ist sogar nicht ganz fern und das wird hoffentlich auch vom Ministerium nicht in Frage gestellt –, dass wir uns derzeit 18 Prozent weit weg entfernt haben vom Kyoto-Ziel. Das heißt, wir müssen nicht nur die 13 Prozent einsparen, die wir an und für sich einsparen hätten sollen, sondern wir sollten 18 plus 13 Prozent einsparen. Ich würde gerne wissen, wie der Herr Minister das machen wird, wenn er alle Maßnahmen kostenneutral betreibt und nichts investieren möchte. Ich denke, die Aussage im Regierungsprogramm, „das Ziel der österreichischen Klimapolitik ist die Sicherstellung


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der Erreichung des nationalen Kyoto-Ziels“, ist nicht mehr als eine Leerformel. (Beifall bei den Grünen.)

Was wirklich unter Umweltpolitik fallen würde, die Herr Bundesminister Pröll zu erledigen hätte, wäre ein Gesetz betreffend die Haftung für Umweltschäden. Das wäre bis zum April 2007 fällig. Bis jetzt gibt es meines Wissens noch keinen konkreten Umsetzungsvorschlag.

Wofür Herr Minister Pröll auch noch zuständig wäre, wäre ein Grundrecht auf Gesund­heit. Er macht sich zwar immer wichtig, was das Thema Lärm betrifft (Bundesrat Mayer: Er macht sich nicht wichtig, er ist wichtig!), und es steht auch in den Unter­lagen: Saubere Luft und weniger Lärm sind Ziele, welche die Lebensqualität insbe­sondere in Ballungsräumen deutlich anheben können – Herr Minister Pröll hat offenbar vers­tanden, dass Lärm ein Problem ist –, was mir aber fehlt, sind zum Beispiel verbindliche Lärmgrenzwerte. Darüber finde ich im Regierungsprogramm leider wieder nichts.

Was die gute Luft betrifft, kann ich nur noch sagen: Von den 25 Luftmessstellen, die es in Niederösterreich gibt, sind 11 im Dezember teilweise ausgefallen. Das heißt, man kann natürlich sagen, wir verbessern die Luft, indem man die Luftgütemessungen eben nicht so vollständig durchführt und es deshalb auch zu keinen oder weniger Über­schreitungen kommt. Ich denke aber, das ist doch der falsche Weg, und da wäre auch Herr Minister Pröll mehr gefragt. (Beifall bei den Grünen und des Bundesrates Ing. Einwallner.)

Was die aktive Anti-Atom-Politik betrifft, so würde ich mir wünschen, dass es sie gibt. Wenn ich mir dieses Energiepapier der europäischen Kommission genau anschaue, habe ich leider nicht den Eindruck, dass es wirklich aktive Anti-Atom-Politik in Österr­eich gibt, angefangen von den Hochspannungsleitungen, die von tschechischen Atom­kraftwerken direkt nach Österreich gebaut werden, über Beteiligungen von Ener­gieversorgungsunternehmen an anderen Energieversorgungsunternehmen im Aus­land, die dann möglicherweise ein Kernkraftwerk bauen.

Österreich müsste sich auch in der Europäischen Union mehr dafür einsetzen, dass Länder, die keine eigenen Atomkraftwerke haben, sich zusammenschließen und gemeinsame Anti-Atom-Politik machen – es gibt nicht so wenige solche Länder in der Europäischen Union. Wir sind nicht die einzigen Atomkraftkritiker!

Das Problem ist doch auch, dass gerade Länder wie Österreich, die kein eigenes Atomkraftwerk besitzen, sehr wohl darunter leiden würden, wenn es zum Beispiel in einem Nachbarstaat zu einem Unfall kommt, weil die Haftungsfragen nach wie vor nicht gelöst sind. Und hier würde ich mir wünschen, dass von Österreich und von Seiten des Herrn Umweltministers Pröll wirklich Anti-Atom-Politik betrieben wird und dass diese Haftungsfragen auch in der EU endlich angegangen werden.

Damit beende ich meine Ausführungen zu den Themen Verkehr und Umwelt und bringe den Entschließungsantrag ein, den Herr Kollege Schennach vorhin schon ange­kündigt hat:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Schennach, Kerschbaum, Konrad und Breiner betreffend Kärntner Ortstafeln

Der Bundesrat wolle beschließen:


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Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, unter Anwendung des verfassungsrechtlichen Instrumentariums der Art 15 Abs. 8, 16 Abs. 4 und Abs. 5 B-VG

entweder die zur Umsetzung der VO BGBl. Nr. 245/2006 notwendigen straßen­polizeilichen Durchführungsverordnungen betreffend 16 Ortschaften in Folge jahrzehn­telanger (!) Säumigkeit des Landes zu erlassen oder

den Landeshauptmann von Kärnten mittels Weisung dazu aufzufordern.

*****

(Beifall bei den Grünen.)

Da dieses Thema heute sehr lange diskutiert worden ist, hoffe ich doch, dass dieser Antrag auch von den anderen Fraktionen unterstützt wird.

17.26


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Schennach, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Kärntner Ortstafeln ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


17.26.51

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Spoštovani clani zvezni vlade! Wenn Herr Kollege Mitterer hier vorhin gesagt hat, dass der Herr Landeshauptmann von Kärnten hier klar und anschaulich die Problematik der zweisprachigen Ortstafeln kundgetan hat, kann ich dies in einigen Punkten ganz sicherlich nicht unwidersprochen hinnehmen.

Der Herr Landeshauptmann von Kärnten hat kundgetan, dass er eine friedliche Lösung will. Das wäre schön, aber es fehlt mir der Glaube, denn es war der Landeshauptmann von Kärnten, der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes durch Versetzung von Ortstafeln umgangen hat, durch Anbringung von slowenischen Zusatztafeln. Und dieses Handeln, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sicherlich nicht friedlich, sondern dieses Handeln entspricht einer hetzerischen Methode! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Dieses Handeln steht auch im Widerspruch zur Rechtsordnung. Wenn er von nationalistischen Slowenen geredet hat, dann hat er ganz sicherlich Herrn Mag. Rudi Vouk gemeint. Ich möchte Herrn Mag. Rudi Vouk hier nicht in Schutz nehmen, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, entschieden haben 14 unabhängige Richter, und das ist Faktum, und nicht ein Herr Mag. Rudi Vouk.

Er hat auch das zweisprachige Schulwesen angesprochen. Ist es nicht schön im vereinten Europa, dass Mehrsprachigkeit – das müsste uns bewusst sein! – eine Bereicherung ist, dass Eltern ihre Kinder zum zweisprachigen Unterricht anmelden, um dadurch wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Vorteile zu erzielen. Wenn sie Kinder in den zweisprachigen Unterricht geben, bitte, dann sind das keine Kärntner Slowenen. Noch haben wir die Bekenntnisfreiheit und nichts anderes.

Minderheitenfeststellung – ich meine, allein schon die Idee ist absurd! Da haben wir doch im Frühjahr 2006 das Registerzählungsgesetz beschlossen, und zwar auf Antrag der damaligen Bundesregierung, wodurch die Erhebung der Umgangssprache und die Erhebung der Muttersprache abgeschafft worden sind – mit den Stimmen des BZÖ! Und heute stellen Sie sich her und verlangen so eine Minderheitenfeststellung. Ich


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muss euch sagen, ich kann das einfach nicht verstehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

In einem Punkt muss ich dem Herrn Landeshauptmann von Kärnten sagen, dass er Recht hat: Es stimmt, dass es in Slowenien eine Minderheitenfeststellung gibt. Aber diese Minderheitenfeststellung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht daran gebunden, ob in diesem Gebiet zweisprachige Ortstafeln stehen oder nicht! In Slowenien gilt das Territorialprinzip, und wenn man durch das Küstengebiet fährt, dann sieht man, dass alles zweisprachig ist. (Präsident Gruber übernimmt den Vorsitz.)

Der nächste Punkt: Wenn er von Landkarten spricht, von irgendwelchen Enzyklo­pädien, dass sie eine gewisse Gefahr darstellen sollten, dass vielleicht Slowenien irgendwelche territorialen Ansprüche stellen wird: Slowenien ist Mitglied der NATO, Slowenien ist Mitglied der EU! Ich sehe die Gefahr überhaupt nicht – das ist ein Denken von vor-vor-vorgestern!

Herr Landeshauptmann, kommen Sie endlich in der EU an! Handeln Sie wie – ich kann mich noch ganz gut daran erinnern – im Mai 2005, als Sie, Herr Landeshauptmann, mit dem Herrn Bundeskanzler in der Gemeinde Neuhaus/Suha, in der Gemeinde Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberk und in der Gemeinde Ludmannsdorf, in meiner Heimat­gemeinde Ludmannsdorf/Bilcovs, zweisprachige Ortstafeln aufgestellt und wirklich versöhnliche Worte gebraucht hat. – Heute handelt er ganz anders! (Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke, hvala. (Beifall bei der SPÖ.)

17.32


Präsident Manfred Gruber: Danke schön. – Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

 


17.32.56

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf eingangs gleich zu Frau Kollegin Kerschbaum etwas anfügen, auch wenn sie nicht im Saal ist. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie ist eine rauchen!) Aha, das ist natürlich ihre besondere Art, umweltschonend mit uns umzugehen. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... Fein­staub!)

Sie hat hier unseren Bundesminister Pröll in einer Art und Weise quasi vor den Vorhang gezerrt, die wir in dieser Form natürlich nicht auf sich beruhen lassen können. Ich darf hier aus der Zeitung „trend“ zitieren, die natürlich die derzeitige Grünpolitik in ganz besonderer Weise darstellt: „Grün, die Farbe der verspielten Hoffnung“, von Thomas Martinek. „Draußen spielt das Klima verrückt, und die Grünen verstecken sich in der behaglichen Stube“, so heißt der Titel.

„Die deutlichen Veränderungen der Umwelt haben mittlerweile auch unsere heilen Breiten erreicht. Was nach den kuriosen Winterwetterkapriolen das Frühjahr an Unwet­tern“  mit sich gebracht hat, hat jeder von uns mitbekommen. „Nur jene Partei – und das ist der Treppenwitz der politischen Geschichte –, die sich die Erhaltung der Umwelt zum hehren Ziel gesetzt hat, kann dazu nichts beitragen. Sie ist abgemeldet. Hat sich aufgrund ihrer Animositäten gegenüber den Gesetzen des Handelns und Regierens in Zeiten wie diesen selbst aus dem Spiel genommen. Die Grünen sitzen auf dem finstern Oppositionsbankerl und verblassen dort. Ob sie je wieder aufs politische Parkett, auf dem Entscheidungen getroffen werden, zurückkommen, ist fraglich. Denn in den kommenden vier Jahren werden hauptsächlich die ÖVP, aber zum Teil auch die SPÖ alles dransetzen, um ihre umweltpolitische Kompetenz beim Wähler unter Beweis zu stellen.“


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Liebe Frau Kollegin Kerschbaum! Unser Bundesminister Pröll macht sich nicht wich­tig – so wie sie behauptet haben –, sondern ist ein hervorragender Minister mit entsprechender Fachkompetenz, der nicht nur über Umwelt redet, sondern auch zielorientiert handelt. – Das wollte ich Ihnen am Beginn sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum vorliegenden Regierungsabkommen, dem Arbeitsübereinkommen zur Regierungszusammenarbeit, das unter dem Titel „Gemeinsam für unser schönes Land Österreich“ zum Erfolgsgaranten für die kommenden Jahre werden kann, weil auf dem Erfolgskurs der letzten Jahre aufgebaut werden soll. Diesen Kurs, um den uns ganz Europa beneidet hat, werden wir auch in dieser Art und Weise fortsetzen können. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir können mit großem Stolz anmerken – und der zärtliche Applaus meiner Fraktion gibt mir darin Recht –, dass wir eine der höchsten Beschäftigungszahlen in Europa haben, eine der niedrigsten Arbeitslosenzahlen in der Europäischen Union, die wir sozu­sagen als Morgengabe in dieses Regierungsübereinkommen mit einfließen las­sen. Darauf lässt es sich aufbauen und, wie im Regierungsübereinkommen festge­schrieben ist, intensiv weiterarbeiten, um die Vollbeschäftigung 2010 zu erreichen. Ein großes Ziel, fürwahr! Aber es ist realisierbar, wenn es uns gelingt, diesen wirt­schaftlichen Erfolg, den wir derzeit haben, fortzusetzen.

Die Wachstumsrate liegt derzeit ja bei unglaublichen 3,2 Prozent! Und die in Vorarlberg liegt sogar noch leicht darüber, wofür wir immerhin im Jahr 2006 den Auszeich­nungs­preis der Wirtschaftskammer bekommen haben. Da kann ich nur aus Vorarlberger Sicht hinzufügen: „Schaffa, schaffa, Hüsle baua!“ – Wenn es eine Übersetzung braucht, Herr Präsident, werde ich sie gerne nachliefern. (Präsident Gruber: Ich habe es voll verstanden!)

Diese hohe Wachstumsrate findet ihren Niederschlag in einem hervorragenden Bud­get, das die Grundlage für dieses ambitionierte Zukunftsszenarium darstellt. Das sichert den sozialen Frieden und bringt Spielraum für Investitionen, auch für soziale Investitionen, für die Armutsbekämpfung im Besonderen.

Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und zur Erreichung der Vollbeschäftigung bedarf es einer guten, einer sehr guten Wirtschaftsentwicklung und sinnvoller Budget- und Wirtschaftspolitik, gepaart mit entsprechendem Hausverstand. Und da wollte ich dem Kollegen Schennach auch noch ins Stammbuch schreiben: Mit diesem Haus­verstand kann derzeit die grüne Fraktion sicher nicht mithalten. Ich empfehle den Grünen außerdem, das Kapitel „Wachstums- und Konjunkturpolitik“ zu lesen. Da gibt es insgesamt 23 Maßnahmen, wir werden da sehr viel Geld in die Hand nehmen. Sie, meine Damen und Herren von der grünen Fraktion, müssen dieses Regierungs­übereinkommen offensichtlich noch einmal genauer durchlesen.

Ich warne als Ländervertreter, als Föderalist auch ausdrücklich vor Folgendem: Wir dürfen bei aller Gemeinsamkeit nicht darauf vergessen, dass wir Länderinteressen zu vertreten haben und dass wir vor allem auf die finanzielle Situation der Länder zu achten haben. Darauf dürfen wir nicht vergessen! Unser Landeshauptmann Dr. Her­bert Sausgruber hat als Finanzexperte in diesen Regierungsverhandlungen immer wieder auf die Finanzierbarkeit, auf die Finanzierung dieser ehrgeizigen Projekte reflektiert.

Es muss also zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden einen so ge­nannten Konsultationsmechanismus geben, und das nicht nur bei den Finanzaus­gleichsverhandlungen, sondern: Wenn es zu weiteren Belastungen kommt, dann muss man auf die Gebietskörperschaften zugehen! Es braucht also auch bei der Mittelver­teilung einen Fairnesspakt, sodass die Mittel unter den Ländern, entsprechend ihrer Größe, auch korrekt und fair aufgeteilt werden. Das ist, denke ich, auch ein ganz, ganz


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wichtiger Punkt! Dann können wir natürlich auch bestimmte Projekte, wie zum Beispiel die Mindestsicherung – so gut und so wichtig dieses Sozialprojekt ist –, mit begleiten­den Maßnahmen und entsprechenden Hilfeleistungen an die Länder entsprechend finanzieren und umsetzen.

Ich habe auch mit Freude im Regierungsübereinkommen gelesen, dass wir eines der besten Pensionssysteme der Welt haben. Dazu habe ich in den letzten Monaten hier im Haus doch auch einige anderslautende Redebeiträge gehört. Das wäre aber sicher eine Wochen füllende Veranstaltung, wenn ich das alles jetzt zitieren würde.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein wichtiger Schritt zur Armutsbekämpfung, dass wir den Ausgleichzulagenrichtsatz auf 726 € angehoben, die so genannte „Hacklerregelung“ bis 2010 verlängert und die Härten bei den Doppelabschlägen bei den Korridorpensionen beseitigt haben. Die sind neben der Verbesserung bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten und so weiter, und so weiter, wichtige Maßnahmen, die dieses hervorragende Pensionssystem weiter verbessern und die Qualität sichern.

Wichtig in diesem Regierungsübereinkommen ist mir auch das Kapitel Arbeitswelt und Arbeitsmarkt, weil es im Einvernehmen mit den Sozialpartnern erstellt wurde und, wenn Sie so wollen, eigentlich zum Großteil von den Sozialpartnern kommt. Es ist auch ein besonderes Zeichen, wenn diese Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Sozial­partnerschaft abgibt. Als Arbeitnehmervertreter denke ich heute, das hat auch eine ganz besondere Qualität, und Qualitätssicherung in diesem Bereich ist von großem Nutzen, und zwar nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer.

Kolleginnen und Kollegen! Ich habe auch besondere Freude mit dem Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wir nehmen hier, wie schon erwähnt, sehr viel Geld in die Hand. Denn eines ist gewiss: Mit der Fortsetzung der Maßnahmen für Arbeits­lose ermöglichen wir vielen arbeitslosen Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine wichtige Tagesstruktur und können sie durch sinnvolle Beschäftigung in Projekten auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, in die Arbeitswelt vorbereiten. Unter anderem ist die Fortschreibung der Jugendbeschäftigungsmaßnahmen – wie zum Beispiel „Jobs for You(th)“ – eine ganz wesentliche Geschichte, um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämp­fen.

Aus dem Kapitel Jugendbeschäftigung und Lehrlinge gibt es einige Fortschritte, insbe­sondere bei der Durchlässigkeit zwischen der dualen Lehrlingsausbildung auf der einen Seite und schulischer oder universitärer Ausbildung auf der anderen Seite. Prob­leme habe ich als Lehrlingsausbildner – und ich habe da viele Jahre persönliche Erfahrung in meiner Stadt Feldkirch, die jedes Jahr 13 bis 14 Lehrlinge ausbildet – mit der Änderung der Kündigungsbestimmungen. Wir haben hier einiges Know-how in unserer Stadt, weil wir ein ausgezeichneter Lehrbetrieb sind und weil wir seit vielen Jahren – vor Jahrzehnten haben wir als erste Gemeinde damit begonnen – in Vorarl­berg Lehrlingsausbildung betreiben und das auch in Zukunft mit einem besonderen Konzept durchführen werden.

Meiner Meinung nach – und ich stehe damit in Österreich nicht allein da, obwohl die Sozialpartner, wie ich weiß, dem zugestimmt haben – bringt eine leichtere Kündigungs­möglichkeit weder mehr Qualität noch zusätzliche Ausbildungsplätze mit sich. Sie schafft Verunsicherung und ist weit weg von einer Philosophie der Lehrlings­ausbildung, wie wir sie in Vorarlberg betreiben. – Es ist mir ein ganz besonderes Anliegen, diesen wichtigen Punkt hier anzuführen.

Für viele Eltern – und natürlich auch für die Lehrlinge – ist die Suche nach einer Lehrstelle eine große Herausforderung, eine große Belastung. Auch wenn dann der


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Lehrvertrag unterschrieben ist, gibt es noch die dreimonatige Probezeit, und wenn danach diese dreimonatige Probezeit abgelaufen ist, dann gibt es jedes Jahr die Möglichkeit zur Kündigung dieses Lehrvertrages.

Ich denke, dass es hier doch zu einigen Stresssituationen in vielen Familien kommen wird. Denn: Wir müssen uns natürlich auch vor Augen halten, dass die Kündigung eines Lehrvertrages unter Umständen zu gesellschaftlichen und sozialen Problemen führen kann. Und wenn man weiß, wie pubertierende Jugendliche manchmal doch mit Problemen sozusagen unterwegs sind, dann ist das, denke ich, für uns ein Auftrag, das nochmals mit entsprechender Sorgfalt zu beleuchten.

Aus Vorarlberger Sicht bin ich sehr froh darüber, dass die Geltungsdauer des Blum-Bonus verlängert wurde, dass der Regierungsbeauftragte für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung, ebendieser Erfinder des Blum-Bonus, Kommerzialrat Egon Blum – übrigens: seine Aktion hat mehr als 5 000 zusätzliche Lehrstellen geschaffen –, einer Vertragsverlängerung zugestimmt hat. Er ist für mich, weil er ein Mensch mit Praxisbezug ist – und das braucht es in der Lehrlingsausbildung unbedingt! –, ein Garant dafür, dass es zu keinen Problemen in der dualen Lehrlingsausbildung kommt.

In Anbetracht des bereits herrschenden Facharbeitermangels und der demographi­schen Entwicklung in unserem Land können wir uns kein Problem oder Desaster in der Lehrlingsausbildung leisten. Es braucht hier also genau festgeschriebene Abläufe im Sinne von Coaching, Mentoring oder Mediation sowie alternative Ausbildungs­kapa­zitäten, Ausbildungsmöglichkeiten als Auffangnetz und ein übersehbares und nachvoll­ziehbares Projektmanagement.

Ich komme zum Schluss. – Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Summe gesehen ist es ein hervorragendes Regierungsprogramm, das in besonderer Art und Weise wirtschaftliche, aber auch soziale Ziele definiert, das unser Land Österreich auf dem eingeschlagenen Erfolgskurs hält und halten wird und das viele Verbesserungen für unsere Bevölkerung mit sich bringen wird. Wie sagt man so schön auf Alemannisch: „Pack’n mir’s ah, und denn: net lugg lo!“ – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.45


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege Mayer. – Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.45.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Leider ist Kollege Schennach jetzt nicht hier, daher kann ich es ihm nicht direkt von Angesicht zu Angesicht sagen. Aber ich möchte das, was er heute von sich gegeben hat, um sich hier künstlich als Moralapostel aufzuspielen, nicht einfach im Raum stehen lassen.

Er regt sich über ein Foto auf, auf dem H.-C. Strache in einer zusammengewürfelten Uniform, die man in jedem Army-Shop kaufen kann, in einem Wald zu sehen ist. Nie­mand wurde verletzt, es wurden keine Gewaltspiele gemacht. (Bundesrat Konecny: Woher wissen Sie das?) Niemand von denen, die dabei waren, war zu diesem Zeitpunkt angeklagt, geschweige denn verurteilt.

Dass sich im Nachhinein jemand als extrem entwickelt, kann man ihm nicht zum Vorwurf machen. Denn: Das wäre so, wie wenn einer von Ihnen in der Schule neben einem späteren Mörder oder Bankräuber gesessen wäre, und dann wirft man Ihnen vor, dass Sie in Ihrer Jugend mit Verbrechern und Bankräubern zu tun gehabt hätten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 75

Ganz im Gegensatz dazu die Kollegen des Herrn Schennach: Sein deutscher Gesin­nungsgenosse Fischer hat Polizisten verprügelt und sie schwerst verletzt! Das findet überhaupt niemand irgendwie komisch, obwohl es ein Verbrechen ist. Auf diesem Auge sind nämlich nicht nur die Grünen, sondern auch Teile der SPÖ immer ganz gerne blind, das alles ist überhaupt kein Thema. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dass sein Kollege Öllinger auf einem Foto zu sehen ist, auf dem er einen Polizisten attackiert – überhaupt kein Thema, kein Problem, wahrscheinlich alles erfunden!

Dass Kollege Pilz – auch ein Fraktionskollege, der im Nationalrat sitzt – Opern­balldemonstrationen organisiert hat und dabei in Kauf genommen hat, dass es Verletzte gibt, dass Sachen von unschuldigen Bürgern beschädigt worden sind und kaputt gemacht worden sind, das ist überhaupt kein Thema, darüber wird überhaupt nicht geredet! (Bundesrat Breiner: Das stimmt ja nicht!) Aber dass Strache durch den Wald „gehirscht“ ist und niemand zu Schaden gekommen ist (Heiterkeit des Bundes­rates Konecny), das löst plötzlich eine mittlere Staatskrise aus, und man kann sich darüber von linker Seite gar nicht genug empören. (Bundesrat Breiner: Das mit dem Hirsch war gut!)

Ich kann dem Kollegen Schennach nur eines ausrichten: Die Gewaltbereiten und die Gewalttätigen sitzen in seinen Gesinnungsreihen, und das ist belegt! Daher wäre es dem Kollegen Schennach – wie den Grünen insgesamt – sehr anzuraten, einmal vor der eigenen Türe zu kehren, bevor man sich da immer besonders aufplustert.

Zum Regierungsprogramm: Wenn man die letzten Jahre Revue passieren lässt – die letzten sieben Jahre unter einer FPÖ-ÖVP-Regierung, dann einer ÖVP-FPÖ-Regie­rung, zum Schluss einer ÖVP-BZÖ-Regierung –, so kann man feststellen: Man hat von sozialistischer Seite immer die angebliche „soziale Kälte“ beklagt. Sie konnten sich gar nicht genug empören. Da muss es doch verwundern, dass uns heute vom Bundes­kanzler ein Programm präsentiert wurde, das im Wesentlichen ein ÖVP-Programm ist; wobei ich mich jetzt nicht dazu äußere, ob ich das gut oder schlecht finde. (Bundesrat Mag. Himmer: Gut!)

Na klar, was sollst du schon sagen! – Aber es ist in wesentlichen Zügen ein ÖVP-Regierungsprogramm, das ein roter Bundeskanzler heute vorgetragen hat. Das wird in die Geschichte eingehen, dass sozusagen der „ÖVP-Bundeskanzler“ ein rotes Partei­buch hat.

Für diese Regierungserklärung, die heute präsentiert worden ist, haben Sie drei Monate gebraucht! Wenn man sich diese anschaut, dann kommt man zum folgenden Schluss: Das hätten Sie in einer Woche eigentlich auch schaffen können!

Der ÖVP kann man ja in Bezug auf Wahlversprechen nur ganz wenig vorwerfen, weil sie nur wenige gemacht hat. Sie haben sich damit begnügt, Ihren Kanzler zu plakatieren, und darunter ist gestanden: „Weil er’s kann“. (Bundesrätin Roth-Halvax: Es war schon anders!) Das hat, wenn auch eine knappe, aber doch eine Mehrheit der Österreicher nicht so gesehen; damit müssen Sie heute leben.

Die SPÖ hat es da ein bisschen schwerer, weil sie eine ganze Latte von Wahl­ver­sprechen gemacht hat, von denen sie keines eingehalten hat. Eines der zentralen Wahlversprechen unter dem Aspekt der sozialen Wärme war die Abschaffung der Studiengebühren. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Ganz was Neues!) Und was ist dabei herausgekommen? – Jetzt kann man es sozialdienstlich abarbeiten! (Bundesrat Boden: Hättet ihr es eben nicht beschlossen! Ihr habt ja zugestimmt! Das ist ja Kindes­weglegung, was ihr betreibt!)

Nein, das ist keine Kindesweglegung! Offensichtlich haben Sie den Antrag nicht richtig gelesen oder nicht verstanden oder beides, ich weiß es nicht. (Bundesrat Konecny:


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 76

Ihren Beschluss haben wir verstanden!) Lesen Sie sich bitte den Antrag noch einmal genau durch, um zu wissen, was da wirklich drinsteht. (Bundesrat Boden: Zuerst mitstimmen und dann dagegen auftreten!) Da steht nämlich drin: Ja, die Abschaffung, aber eine Neuordnung! Das dürfte Ihnen entgangen sein. Also lesen Sie es, bitte, noch einmal nach!

Die Sozialorganisationen haben Ihnen gesagt: Mit den Studenten, die das sozial abarbeiten sollen, können sie leider überhaupt nichts anfangen, weil Sozialarbeit eine durchaus qualitätsvolle Arbeit ist! Da kann man nicht sagen: Na, da geht der Student eben hin, arbeitet ein bisschen sozial, und dann braucht er keine Studiengebühren zu zahlen!

Aber Sie haben eines gemacht: Sie haben die Regierung ordentlich aufgeblasen! Mit 20 Mitgliedern ist sie so groß wie schon lange nicht mehr. Begründung: Es sollte durch zwei teilbar sein! – Wunderbar, das hätten Sie mit 16 aber auch geschafft! (Bundesrat Boden: Und mit 24 auch, oder?)

Aber dass da natürlich einige noch mit Ministerämtern und Staatssekretariaten versorgt werden mussten, wundert uns nicht. Wir haben ja die große Koalition nicht zum ersten Mal. Sie haben die üblichen Aufpasser in der jeweiligen Gegenfarbe genommen. Nur: Die dürfen den Minister nicht vertreten, sondern das muss immer der jeweilige Staats­sekretär der eigenen Farbe sein. Das ist doch wirklich ein bisschen kurios, und es zeigt, dass das Vertrauen in der großen Koalition kein allzu großes sein kann. Wir dürfen schon sehr gespannt sein – ohne dem Herrn Staatssekretär nahe treten zu wollen –, wenn der Herr Sport-Staatssekretär uns die Budgetlage erklären wird; was er sicher sehr gut machen wird, nachdem es die Beamten entsprechend aufbereitet haben. (Bundesrat Bieringer: Das wird er perfekt tun! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ihr Regierungsprogramm von ÖVP und SPÖ besteht vor allem aus Absichts­erklärun­gen. (Bundesrat Boden: Ihr hättet ja leicht in der Regierung sein können, wenn ihr euch nicht geziert hättet!) Der „Kurier“ hat sich die Mühe gemacht, das aufzulisten, und ich darf es jetzt zitieren. Es steht darin 68 Mal der Begriff „Verbesserungen“ – wunder­bar! 38 Mal „evaluieren“ – wunderbar! 17 Mal „prüfen“ – das ist alles Programm, toll! 3 Mal wollen Sie etwas „umsetzen“ und 1 Mal etwas verwirklichen. – Dieses Programm ist aber wirklich schwach auf der Brust!

Vom SPÖ-Wahlmanifest, das so toll präsentiert worden ist, ist nichts übrig geblieben. Übrigens auch nicht die Direktwahl der ÖH-Bundesvertretung; die wollten Sie ja auch wieder einführen, Sie sind aber leider umgefallen und haben sich arrangiert, und jetzt findet es eben leider nicht statt. Ihre Wählerschaft hat Ihnen in Demonstrationen ohnehin schon gezeigt, was sie davon hält, und sie wird Ihnen das auch noch in Zukunft zukommen lassen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben in Ihrem SPÖ-Programm total ambitioniert angekündigt, dass Sie die Arbeitslosigkeit um 25 Prozent senken wollen. Ein hehres Ziel, aber da kann man nur sagen: No na, wer will die Arbeitslosigkeit nicht senken! Sie haben aber leider nicht versucht, das Arbeitsministerium zu bekommen oder es an sich zu nehmen, was Sie als fast gleich starker Partner hätten tun können. Sieben Jahre lang haben Sie dem Wirtschaftsminister und Arbeitsminister Bartenstein ausgerichtet, dass er seinen Job überhaupt nicht kann. Also, bitte, wieso haben Sie ihm den dann gelassen? – Jetzt wäre die Gelegenheit da gewesen, Ihre Vorstellungen zu verwirklichen und wirklich zu zeigen, was Sie können!

Zur ÖVP: Die Frau Minister hat das heute Gott sei Dank ein bisschen klargestellt, aber ich muss schon sagen, dass ich darüber verwundert war, dass aus einer traditionellen Familienpartei eine Familienministerin kommt, die dann sagt, man soll die Mutterschaft


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nicht so verklären, Kinder seien lästig, und sie sei froh, dass sie nur Tante ist. Sie hat zwar dann gesagt, ihr Kinderwunsch wäre nicht erfüllbar gewesen – was für sie natür­lich bedauerlich ist –, aber das kann kein Regierungsprogramm für alle Österreicher sein. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das hat niemand behauptet! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher hat es mich gefreut, dass sie heute gesagt hat, dass ihr die Familie wirklich ein Anliegen ist. Denn wir stehen schon vor einer prekären Situation: Nicht nur in Öster­reich, sondern in ganz Europa drohen Europas Völker auszusterben, und das nicht erst seit gestern, sondern eigentlich schon seit den siebziger Jahren! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Boden: Darum dürfen wir niemand hereinlassen!)

Na ja, wenn Sie es so lustig finden, vielleicht denke ich mir dann: Ja, wäre vielleicht gar nicht so schlecht! (Bundesrätin Roth-Halvax: Wie viele Kinder haben Sie?) Vier. Na, sehen Sie! (Heiterkeit.) Da bin ich jetzt aber wirklich aus dem Schneider, oder? – Hätte ich das nicht, hätte ich es anders angelegt.

Wir sind uns, glaube ich, im Großen und Ganzen darüber einig, dass wir Kinder brauchen. Da bin ich durchaus bei Frau Minister Kdolsky, wenn sie sagt: Wir müssen es für junge Paare auch attraktiv machen, dass sie wieder Kinder bekommen wollen und Kinder nicht als Last sehen – obwohl ich der Frau Minister da Recht gebe: Kinder können auch lästig sein, na selbstverständlich, das weiß jeder, der Kinder hat! Aber es ist wirklich wesentlich, dass wir auch Bedingungen schaffen, dass die Leute wieder Kinder bekommen wollen. Bei jeder Maßnahme, die in diese Richtung gemacht wird, bin ich wirklich dabei und bin bereit, wenn sie mir sinnvoll erscheint, das auch wirklich von Herzen zu unterstützen.

Was Ihnen noch eingefallen ist, nachdem Sie die FPÖ-ÖVP-Regierung jahrelang we­gen Budget, Nulldefizit, Pensionsreform et cetera gegeißelt haben: Sie gehen nun her und wollen den Krankenkassenbeitrag um 0,15 Prozent erhöhen. Das ist jetzt nicht wahnsinnig viel, aber das ist schon einmal ein Anfang seitens einer Partei, die gesagt hat: Nein, keine Gebührenerhöhungen, so etwas quasi nur über unsere Leiche! Da liegen wir also wieder, und es kündigt sich ja schon an, dass da noch eine ganze Gebührenlawine auf uns zukommen wird.

Das hehre Ziel der Klassenschülerhöchstzahl von 25 ist wunderbar, es ist dies aber einstweilen noch eine Absichtserklärung trotz Beschluss; „nix ist fix“. (Bundesrat Boden: Im Niederösterreichischen Landtag umgesetzt!) Weil aber das Budget dafür nicht da ist – und es wurde ja heute schon gesagt, dass das ganz schön viel kostet –, ist das derzeit nicht gesichert, weil Sie der Bildung natürlich auch nicht das Budget zugesprochen haben, das Sie vielleicht tatsächlich im Auge hatten, aber zumindest angekündigt haben (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Leider habt ihr uns nicht so viel Geld übrig gelassen! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), um den Kindern die best­möglichen Zukunftschancen zu geben – worin ich ja mit Ihnen einer Meinung bin. Dann muss man seine Versprechen aber auch wahrmachen und schauen, dass man das Geld dafür in die Hand bekommt.

Dabei finde ich es durchaus positiv – obwohl das nicht alle so sehen, aber ich finde es schon positiv –, dass die Unterrichtsministerin nicht aus dem Lehrbereich kommt. Denn: Bei allem Respekt vor den Lehrern und bei aller Anerkennung ihrer Leistungen ist es auch manchmal ganz gut, wenn man von außen hereinkommt und den Blick ein bisschen von außen auf die Dinge lenkt. – Messen werden wir sie ja dann an ihren Taten können! (Bundesrätin Roth-Halvax: Warum gestehen Sie das der Familien­ministerin nicht zu?) – Tue ich ja! Ich habe ja gesagt, dass ich ihre Erklärung positiv aufgenommen habe. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)


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Der Mindestlohn von 1 000 € im Rahmen eines Generalkollektivvertrags ist etwas Tolles und Attraktives. Aber wir wissen – und Sie wissen das als Frauen sicher auch –, dass es auch erzwungene Teilzeitbeschäftigungen gibt, und da wird es den Frauen leider nicht sehr viel nützen. Daher wird man sich mit diesem Thema wirklich ganz intensiv auseinandersetzen müssen.

Wie ich überhaupt, was das Thema Frauen betrifft, wirklich lauter altbekannte For­derungen finde! Ja, die kenne ich schon von Ihren vergangenen Frauenministerinnen, die das auch schon immer verlangt haben, offensichtlich aber nicht in der Lage waren, es umzusetzen. Die finden sich eben da jetzt wieder.

Die Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft: Na ja, wer will die nicht! Da kann man aber noch nicht sagen, dass das jetzt zu hundert Prozent umgesetzt ist, wenn wir die verschiedenen Karriereverläufe von Frauen und Männern betrachten.

Die Einkommensschere: Das ist ein richtiger Dauerbrenner! Da haben Sie sich in Ihrem Wahlprogramm das Ziel gesetzt, den Unterschied in fünf Jahren um 3 Prozent zu senken. Das ist auch nicht wahnsinnig ambitioniert, weil sich das Regierungsprogramm da auch nur in allgemeinen Formulierungen ergeht. Jetzt fragt man sich: Es ist Ihnen ja in den letzten Jahren, als Sie von der SPÖ schon Frauenministerinnen hatten, nicht gelungen; nun bin ich schon gespannt, wie Sie es jetzt umsetzen werden, und daher warte ich einmal ab, was Sie diesmal zustande bringen werden.

Sie haben auch bei den Frauen den Gewaltschutz drinnen, das finde ich wirklich sehr positiv. Aber bei den Punkten der Weiterführung der Maßnahmen gegen die traditions­bedingte Gewalt und der betreuten Notwohnung für betroffene Zwangsverheiratete oder von der Zwangsheirat Betroffene würde ich Ihnen wirklich einmal empfehlen, auch den Zuwanderern zu sagen, dass diese Dinge bei uns verboten sind, und das auch entsprechend zu exekutieren, statt immer nur darauf zu setzen: Wenn man lieb mit ihnen redet, dann werden sie hoffentlich nichts machen!

Im Bereich der Zuwanderung ist es auch nett, wenn Sie formulieren, dass die Inte­gration eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die von beiden Seiten in Angriff genommen werden muss. – Nein, wirklich nicht! Einer, der bei uns zuwandert, hat sich gefälligst den Gegebenheiten hier anzupassen! Denn: Er möchte auch hier seinen Wohlstand haben, den er sich erhofft (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Den Wohlstand?), auf jeden Fall einen Wohlstand im Vergleich zu dem, was er dort hatte, wo er herkommt, weil er sonst ja nicht herkäme. Aber ich muss als Gesellschaft von ihm verlangen und ihm sagen: Wenn du hierher kommst, dann gelten für dich unsere Bedingungen!

Auf Integrationsunwillige zuzugehen, versucht in Wien die SPÖ seit zehn Jahren – ohne Erfolg! Das letzte Mal, als ich gesagt habe, dass die Ausländer in selbst gewähl­ten Gettos leben, ist ja einer Ihrer Kollegen aufgestanden und hat gesagt: Dass er das 2006 noch hören muss! – Und gestern war in der „Presse“ ein Riesenartikel darüber, dass es diese Gettos natürlich sehr wohl gibt! (Bundesrat Konecny: Und heute war der Artikel ...!) Vielleicht sollten Sie also manchmal auf die Dinge hinschauen und sie nicht nur schönreden! (Bundesrat Konecny: Frau Kollegin, tun Sie auch noch irgendetwas anderes außer Zeitung lesen? – Bundesrätin Mag. Neuwirth: Offensichtlich nicht! – Bundesrat Dr. Kühnel: Briefe schreiben ...!)

Ich habe Ihr Regierungsprogramm gelesen. (Bundesrat Konecny: Nein, das nicht!) Aber natürlich, schon! (Bundesrat Konecny: Sie haben vielleicht in der Zeitung über das Regierungsprogramm gelesen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nein, ich habe Ihr Regierungsprogramm gelesen! (Bundesrätin Bachner: Ich glaube, Sie haben das vorletzte erwischt!) Und ich habe dabei festgestellt, dass das schon eine dürftige Sache ist (Bundesrätin Bachner: Auf das Datum nicht aufgepasst!), die den Wähler bis


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jetzt ohnehin schon zum Teil sehr enttäuscht hat. Wir werden sehen, was Sie daraus machen, und daran wird Sie dann auch, in vier Jahren, der Wähler messen. (Bun­desrätin Bachner: So wie bei Ihnen! Das gilt für uns alle!)

18.02


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Kollegin Mühlwerth. – Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesminister Dr. Buchinger. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


18.02.06

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Ich bedanke mich bei Ihnen dafür, dass Sie in den Debatten­beiträgen, wie ich sie verfolgen konnte, sich überwiegend mit dem Regierungs­pro­gramm konstruktiv und kritisch – so soll es ja auch sein – auseinandergesetzt haben und überwiegend der Versuchung widerstanden haben, die Geschichte Österreichs der letzten sieben oder siebzig Jahre aufzuarbeiten. Denn: Da gibt es tatsächlich das eine oder andere, was schwer zu beurteilen ist, wenn die Standpunkte so oft wechseln: von Regierung in Opposition, von Regierung mit einer rechten Partei, Regierung mit einer linken Partei, von Opposition in Regierung. Das ist natürlich ein bisschen kompliziert.

Besonders rührend fand ich meine Vorrednerin – Sie gestatten –: Ihre Appelle an die Sozialdemokratie, doch all die Probleme, die Sie in den letzten Jahren mit verursacht haben (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), von Verlagerung des Bereichs Arbeit in das Wirtschaftsministerium, von Studiengebühren, von Pensionshärten, jetzt zu reparieren! Sie werden Gelegenheit haben, so hoffe ich, auch in diesem Hohen Haus, etwa wenn es darum geht, bei der Milderung der Härten der Pensionsreform hier Einsicht zu zeigen und diese Milderung gemeinsam mit uns und mit unserem Koalitionspartner zu beschließen.

Ich möchte nach vorne schauen, so wie Sie das überwiegend auch getan haben – ich sage noch einmal danke dafür –, und zwar nach vorne schauen, weil zwei große, de facto gleich große Parteien sich darauf verständigt haben, Österreich gemeinsam zu regieren mit einem Programm, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Natürlich, jeder Krämer lobt seine Ware – Sie kennen das –, daher möchte ich gar nicht so be­sonders das Regierungsprogramm selbst in den leuchtendsten Farben hervor­streichen – das haben ja einige von Ihnen getan –, sondern ich möchte die Caritas zitieren, die ein unverdächtiger, meine ich, Zeuge ist. Die Caritas ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Na ja!)

Na, wer das nicht so sieht, der soll sich, denke ich, mit dieser Organisation aus­einandersetzen (Bundesrat Schennach: Was? Die ÖVP sagt „na ja“?), die doch auch seit vielen Jahrzehnten Menschen und ihre Interessen jenseits der Parteipolitik in den Mittelpunkt stellt. – Die Caritas sagt, dass dieses Regierungsprogramm, das sie analysiert hat, in vielen Bereichen sehr richtungweisende Ziele formuliert, dass es wichtige und beachtliche Ziele auch konkretisiert und dass die sozialen Fragen ein Herzstück dieses Regierungsprogramms sind.

Kollege Mayer hat das auch richtig gesagt: Die Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg und Leistungskraft mit sozialem Ausgleich, das ist etwas, was den Menschen in Österreich vielleicht in den letzten Jahren gefehlt hat, was auch europaweit mit dazu beigetragen hat, dass die europäische Verfassung nicht beschlossen werden konnte. Diese Verbindung von Wirtschaftlichem und Sozialem, das ist, denke ich, der Animo in dem Regierungsprogramm, und das soll an erfolgreiche Zeiten anknüpfen.

Es knüpft auch an Bewährtem aus den letzten Jahren an. Ich glaube, Kollege Konecny hat das ganz richtig gesagt: Es war natürlich nicht alles, nicht einmal ganz so vieles,


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schlecht in den letzten Jahren. Es konnte auch auf einer soliden Basis, die Österreich in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren gelegt hatte, aufgebaut werden. Aber einiges, was aus der Balance geraten ist (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax), muss und wird in den nächsten Jahren gemeinsam korrigiert werden.

Es ist gesagt worden, dass die Sozialpartnerschaft wieder eine neue und richtige Be­deutung für die Entwicklung der nächsten Jahre haben wird, weil es die Sozialpartner sind, die unmittelbar aus der Erfahrung im wirtschaftlichen und im sozialen Leben den Konsens formulieren können, der auch dann für die Politik eine taugliche Grundlage für normative Regelungen sein kann. Diese wieder gestärkte Bedeutung der Sozial­partnerschaft wird auch eine breite Zustimmung gesellschaftlicher Kräfte zu diesem Kurs Österreichs in den nächsten Jahren sichern.

Ich erlaube mir, Ihnen, meine sehr geschätzten Damen und Herren im Hohen Haus, ganz kurz aus dem Sozialkapitel, aus meinem Ressort, die wichtigsten Vorhaben und Prioritäten zu skizzieren, weil Sie als Vertreter der Bundesländer und vielfach ja auch als Vertreter der Kommunen sehr, sehr wichtige Mitwirkungsmöglichkeiten haben – und ich lade Sie ein, diese auch wirklich zu nutzen, gemeinsam mit der Regierung – in der Umsetzung zweier wichtiger Kernstücke des Programms im sozialen Bereich, nämlich der Mindestsicherung und der Pflegesicherung.

Beides sind Bereiche, in denen Bund, Länder und Gemeinden zusammenspielen müssen, gemeinsame Ziele und gemeinsame Instrumente formulieren müssen, um die Bedürfnisse der Menschen nach Sicherheit auch bei Pflegebedarf im Alter abgedeckt zu bekommen, in einer Art und Weise, wie sie selbst das wünschen, ob mobil zu Hause, ob stationär in einem Pflegeheim, in einer breiten Palette von Instrumenten, um das wirklich sicherzustellen.

Da ist es so, dass kurzfristige Lösungen getroffen werden müssen für die Betreuung zu Hause; Stichwort: 24-Stunden-Betreuung. Da haben ja auch Sie ein Amnestiegesetz mit beschlossen, das mit 30.6.2007 ausläuft. Bis dahin sollte ein legales, leistbares und qualitätssicherndes Modell für die Betreuung zu Haus entwickelt werden.

Noch ambitionierter ist es, die Zukunftsfähigkeit der Pflegesicherung über die nächsten zehn und zwanzig Jahre zu entwickeln, weil wir wissen, dass die Finanzkraft der Ge­meinden und der Länder allein nicht ausreichen würde, um die demographische Ent­wicklung, die Sie kennen, ausschließlich zu tragen. Hier muss auch der Bund zusätzlich mithelfen. Gemeinsam haben wir uns vorgenommen, in einer Arbeitsgruppe diese Finanzierung grundlegend zu diskutieren – von steuerfinanzierten Modellen bis zu einem Modell einer Pflegeversicherung –, dann nach Abwägung der Vor- und Nachteile ein gemeinsames Modell in Kraft zu setzen und es unter Umständen, wenn es eine massive Veränderung in der Finanzierungsstruktur bedeuten würde, auch einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Von ähnlicher Bedeutung ist Ihre Mitarbeit im Bereich der Mindestsicherung, weil da die sozialen Systeme auf Bundesebene – Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pen­sionen – kombiniert und in eine neue, gemeinsame Harmonie gebracht werden müssen mit den Sozialhilfesystemen der Länder, die selbst wiederum untereinander stärker harmonisiert werden müssen. Es ist eine ganz, ganz gewaltige Aufgabe auch für die Landtage, die Sie entsandt haben, hier gemeinsam mit dem Bundesrecht eine feste Grundlage zu schaffen, dass Armut in Österreich in den nächsten Jahren nicht weiter ansteigt, sondern zurückgeht.

Armut in einem Land, das viele Ressourcen hat, das Wohlstand bietet, das auch Reichtum schafft, ist eine politische und moralische Schande! Es ist unsere ge­meinsame Verpflichtung, die richtigen Instrumente zu ergänzen, um Kinderarmut, Armut von alleinerziehenden Frauen, Armut von Langzeitarbeitslosen, Armut von älte-


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ren Menschen, dort, wo immer wir Armut vorfinden, entscheidend zu reduzieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Bieringer und Weiss. – Bundesrat Kritzinger: Gibt es konkrete Pläne, Finanzierungen ...?)

Im Bereich der Mindestsicherung? – Ja, die gibt es. Ich greife gerne ihre Frage auf.

Sie wissen, dass der Bund in seinem Bereich schon etwa 200 Millionen € gesichert oder zugesagt hat, nämlich sowohl im Bereich der Erhöhung des Ausgleichs­zulagen­richtsatzes auf die Armutsgrenze von 726 € – das war und ist ja ein finanzieller Kraftakt, der etwa 100 Millionen € erfordert – als auch gleichzeitig für die Erhöhung der Notstandshilfe um etwa 10 bis 15 Prozent, wofür weitere 80 Millionen € gewidmet sind. 200 Millionen € bringt also der Bund in dieses Projekt Mindestsicherung ein.

Von den Ländern und Gemeinden wird eine Größenordnung – das ist jetzt geschätzt, die Länder sind noch beim Rechnen – zwischen 50 Millionen und 120 Millionen € erwartet. Hier greift dann das, was auch schon gesagt wurde: dass man unter Umständen auch diese Last von 50 Millionen bis 120 Millionen € in einem vorge­zogenen Finanzausgleich noch aufteilen kann, damit wirklich alle finanziellen Res­sour­cen zusammengelegt werden können, um dieses Armutsprogramm zu finanzieren.

Aber hier verlässt sich der Bund nicht auf die Länder! Er geht mit einem klaren Signal auch in Vorlage und lädt die Länder und Gemeinden ein, hier mitzuziehen, weil die Armutsbekämpfung eine gemeinsame Aufgabe ist, eine Aufgabe, die nur gemeinsam zu schaffen ist.

Ich komme zum Schluss: Ich denke, auch das kann uns einen, denn es gibt ja nicht Bundesbürger, Landesbürger und Gemeindebürger und -bürgerinnen, die unter­schied­lich voneinander wären. Es gibt Österreicher und Österreicherinnen und Menschen, die hier in Österreich leben, für die wir gemeinsam Verantwortung haben, die wir gemein­sam gut tragen sollen und auch werden. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

18.11


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Bundesminister. – Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Staatssekretär Dr. Lopatka. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


18.12.08

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, dass ich hier die Möglichkeit habe, kurz das Wort zu ergreifen, zumal ich in der Bundesregierung wahrscheinlich derjenige bin, der am längsten in einem Landesparlament gesessen ist, nämlich 17 Jahre lang. So fühlt man sich dann wohl, wenn man in die Kammer kommt, in der die Län­derinteressen zu Hause sind.

Es war für mich sehr interessant, die Redebeiträge hier mitzuverfolgen. Ich war über­rascht, als ich von Frau Bundesrätin Konrad gehört habe, dass sie die neue Regie­rungsform begrüßt, war aber genauso überrascht, als dann von der SPÖ her, von Herrn Bundesrat Dr. Gumplmaier, die Stellungnahme gekommen ist, er bitte um Nachsicht – wortwörtlich seine Formulierung! – für die Ergebnisse des Regierungs­programms.

Ich bitte nicht um Nachsicht, ich bitte hier um Unterstützung für dieses Regierungs­programm, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) Das wollen wir und wünschen wir uns vom Bundesrat.

Diese Regierung – und das möchte ich hier sagen – ist eine Regierung, die den Föderalismus ernst nimmt. Ich möchte in meinem Redebeitrag Ihr Hauptaugenmerk auf die Seite 29 des Regierungsprogramms lenken, wo es ausdrücklich „Stärkung der Länderautonomie“ heißt und wo die einzelnen Punkte angeführt sind, die sehr deutlich


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aufzeigen, dass diese Regierung keinesfalls eine Regierung ist, für die der Zentralis­mus im Vordergrund steht, sondern dass diese Regierung sehr wohl auch bei der Bundesstaatsreform die föderalistischen Gesichtspunkte ernst nimmt, sodass diese sicherlich auch Berücksichtigung finden werden.

Auf der gesamten Welt, nehme ich an, ist es so: Wenn der Opposition sonst nichts einfällt, dann fällt immer die Größe der Regierung auf; und die wird immer zu groß sein! Damit bin ich bei Frau Bundesrätin Mühlwerth: die Größe der Bundesregierung. – Schauen Sie, nehmen Sie Dänemark als Vergleich her: 5,5 Millionen Einwohner, 20 Ministerien. Oder Schweden, durchaus auch eine erfolgreiche Demokratie innerhalb der EU-25: Dort gibt es 22 Ministerien.

Für die Opposition wird also die Regierung immer zu groß sein, darf ich Ihnen sagen, Frau Bundesrätin. So klein kann sie gar nicht sein, dass sie die richtige Größe für die Opposition hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Es ist so. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese Bundesregierung – auch von der Zusammensetzung her, auch auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre, das möchte ich ganz direkt sagen – die richtigen Konsequenzen gezogen hat. Es war gerade auch die Opposition, die gesagt hat: Dieser ganz wichtige Bereich „Bildung und Wissenschaft“ würde es verdienen, zwei Ministerien zu haben. Wir haben sie jetzt: auf der einen Seite das Bildungsministerium mit der Kultur und auf der anderen Seite das Wissenschaftsministerium. Es war auch gerade die Opposition, die vehement immer wieder – ich blicke da in Richtung Grüne – ein Frauenministerium gefordert hat. Jetzt haben wir dieses Frauenministerium. Was hier geschehen ist, lässt sich also durchaus sachlich rechtfertigen.

Wenn ich die Staatssekretariate hernehme, so muss ich sagen: Das Ziel Nummer eins der Regierung ist Arbeit und Beschäftigung. Dass der Arbeits- und Wirtschaftsminister jetzt eine Verstärkung in der Person meiner Kollegin Marek hat, ist gut, denn das ist genau die richtige Prioritätensetzung: alles dafür zu tun, den hohen Stand an Wirt­schaftswachstum zu erhalten, um das Ziel der Vollbeschäftigung zu erreichen!

Ich nehme hier einen weiteren Punkt her, den ich für ganz wesentlich und wichtig halte – neben dem, dass wir die Gemeinden stärken, dass wir den Föderalismus ernst nehmen –, nämlich: In diesem Europa der 25, in diesem Europa der 27, das noch weiterwachsen wird, ist es gerechtfertigt, auch im Außenressort unserer Ministerin, unserer Außenministerin Ursula Plassnik, jemanden beizustellen.

Nun noch zu einem Punkt, den ich besonders als meine Aufgabe sehe, und da passt es auch sehr gut, dass jetzt Salzburg hier in der Länderkammer den Vorsitz hat: Da waren der Bürgermeister und die Frau Landeshauptfrau zu einem ersten Gespräch bei mir, weil Salzburg sich bewirbt (der Redner deutet auf ein Abzeichen, das er am Sakko trägt) – Bundesrat Bieringer hat mir sein goldenes Abzeichen gegeben, ich war bisher nur im Besitz eines einfachen Bewerbungsabzeichens – für die Olympischen Win­terspiele 2014.

Wer gestern das Skirennen in Schladming miterlebt hat und den Geist, der dort herrschte – ich sage das ganz bewusst so –, der weiß, dass die Olympischen Spiele genau nach Österreich passen würden, denn diesen Geist findet man sonst nirgends. Und das sollte das Entscheidende sein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das sollte das Entscheidende sein, und nicht das Geld, denn wäre es nur um Geld gegangen, dann hätten wir uns überhaupt nie bewerben dürfen.

Ich bin schon am Ende meiner Ausführungen. – Die Vorarlberger stehen ja immer besonders für Föderalismus, daher möchte ich sagen: Was Bundesrat Edgar Mayer


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gesagt hat mit „Schaffa, schaffa, Hüsle baua“, das gilt auch für die Bundesregierung. Wir wollen an diesem Haus Österreich bauen. Wir haben eine ganz große Mehrheit für die Regierung durch diese Zweidrittelmehrheit, und daher müssen wir auch den Mut haben, große Herausforderungen anzugehen. Da brauchen wir eine große Unterstüt­zung im Nationalrat und im Bundesrat. Um diese Unterstützung ersuche ich Sie. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

18.17


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Staatssekretär. – Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Breiner. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.18.08

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Regierungsabkommen erinnert in manchem tatsächlich an das, was wir auch 2003 gehört haben, vor allem im Bereich der Wirtschaft, wobei uns zuerst Sparen in Richtung eines Nulldefizits verordnet wird und dann eine Steuerreform in Aussicht gestellt wird, von der wir gar nicht wissen, wie hoch sie sein wird, und die auch nicht wirklich drinsteht.

Auch die Senkung der Lohnnebenkosten steht in diesem Regierungsprogramm drin. Wenn man das zurückverfolgt, so war es schon 1990 eine Ansage der Regierung, diese zu senken. Damals hieß der Wirtschaftsminister, der dies versprochen hatte, Dr. Wolfgang Schüssel.

In diesem Regierungsabkommen sind aber eine ganze Gruppe von Unternehmen unter­repräsentiert, sie kommen eigentlich nicht zu ihrem Recht. Es sind die Ein-Personen-Unternehmen, die bereits 50 Prozent aller Unternehmen in Österreich aus­machen. Auch der Gründungsboom, der so hoch gepriesen wird, besteht zu bereits 80 Prozent aus diesen Ein-Personen-Unternehmen. Zwischen den traditionellen Lagern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entstand so in den letzten Jahren eine ganz neue Gruppe von Selbstständigen, die ohne MitarbeiterInnen und Mitgesell­schafterInnen ihr Auslangen finden mussten.

Der Begriff der kleineren und mittleren Unternehmen beschreibt diese Personengruppe ebenfalls nicht. Nach europäischer Definition gehören 99 Prozent der Unternehmen zu diesen KMUs. (Ruf bei der ÖVP: Das haben wir noch nicht gewusst!) Dann war es Zeit, dass ich es erwähnt habe. – Diese KMUs beschreiben aber auch die Situation dieser Ein-Personen-Unternehmen nicht. Es ist eigentlich kein Wunder, dass sich die ÖVP wenig darum kümmert, da sie doch eher für die Großbetriebe und für Großverdiener eintritt. Dass sich aber auch die SPÖ so wenig dessen annimmt, das erregt meine „Bewunderung“.

In dasselbe „rote Loch“ fallen offensichtlich auch die Frauen, was die Wirtschaft anbe­langt. Als Querschnittsmaterie – wie ich lesen konnte – kommen sie aber in der Wirt­schaft auch nicht vor.

Arbeitsmarktpolitik: Sie ist wiederum im Wirtschaftsministerium angesiedelt, und das nach 120 Jahren sozialdemokratischer Aktivitäten. Es gäbe ja einen: den Herrn Minis­ter Buchinger, von dem man weiß, dass Arbeitsmarkt eigentlich seine Domäne wäre – aber der findet sich auch dort nicht! Frau Staatssekretärin Marek, von der man weiß, dass sie diesen Bereich übernommen hat, eilt ein sehr guter Ruf voraus. Wir werden das beobachten und sind froh darüber, wenn es in ihren Händen gut geführt wird und die Interessen der Arbeitnehmer dort vertreten werden. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Ager.)


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Im Regierungsabkommen steht auch über die Lehrlinge einiges drin. Soweit wir es hören konnten, ist natürlich die Unterstützung der Lehrlinge über die Bildung eine ganz wesentliche Sache; das findet auch unser Wohlgefallen. Was aber weniger unser Wohlgefallen findet, ist, dass der Kündigungsschutz reduziert wurde. Und was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist, dass wiederum die Chance, die Ausbildungs­kosten für Lehrlinge gleichmäßig auf alle Betriebe aufzuteilen, versäumt wurde. Auch dies ist in dieser Regierungserklärung nicht vorzufinden.

Die Mindestsicherung ist uns heute durchaus blumig erklärt worden als die warme Seite dieser Regierung, die freundliche Seite dieser Regierung. Wenn man sich das genau anschaut, so kann man sehen: Es ist vielleicht mehr, als es bis jetzt war; aber genau genommen ist es doch nur die Garantie, dass die Armut gesichert ist! Mit 726 € hat niemand die Chance, aus der Arbeit herauszukommen. Wenn er noch dazu vorher alles hergeben muss, was er hatte – bis hin zur Wohnung (Bundesrätin Mag. Neu­wirth: Es ist ja nicht das Ziel, dass man aus der Arbeit herauskommt!) –, dann ist er oder sie mit 726 € bestenfalls in Armut einzementiert. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Jetzt haben sie aber noch weniger!) Ich habe gesagt: Es ist besser, als es bisher war, aber zum Herauskommen aus der Armut ist es zu wenig! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn die großen Abstände in der Regierungserklärung gefüllt werden sollten, dann könnte ja daraus auch noch etwas werden. Vielleicht sind dann die 726 € doch nur ein Ausgangspunkt, um tatsächlich eine Armutsbekämpfung – wie es der Minister gerade vorhin gesagt hat – entstehen zu lassen.

Ein weiterer Punkt in dieser Armutssicherung sind die 1 000 € Mindestlohn, nämlich 1 000 € für einen Vollzeitjob. Das ist auch bestenfalls so viel, dass man nicht verhungern muss, aber mehr ist es nicht. Das wird einem klar, wenn man bedenkt, dass dies 4,74 € in der Stunde ergibt! Das ist ein Stundenlohn, den der Bundeskanzler nicht einmal den Studenten zumutet; da sagt er: wenigstens 6 € sollen es sein. Also 4,74 € – 250 000 Menschen sind aber davon betroffen! Wenn man in andere Länder der Europäischen Union schaut, so sieht man, dass es dort Mindestlohn-Garantien gibt. In Frankreich macht das 8,03 € pro Stunde und in Großbritannien 7,86 € pro Stunde aus.

Obwohl die Sozialdemokraten mit 1. Oktober 2006 die meisten Stimmen bekommen haben, sind sie offensichtlich nicht zur stärksten Kraft in diesem Lande geworden. Die Regierungspolitik orientiert sich im Wirtschaftsbereich an den neoliberalen Dogmen, so wie bisher. (Beifall bei den Grünen.) Die Umverteilung wird – auch so wie bisher – von unten nach oben stattfinden. Ein Paradigmenwechsel ist hier leider nicht festzustellen, obwohl die Ministerinnen und Minister ambitioniert ihre Reden vorgetragen haben. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.27


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege Breiner. – Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.27.29

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine besondere Freude, heute zu einem Thema reden zu dürfen, zu dem ich eigentlich hier im Bundesrat noch nicht sehr oft geredet habe, nämlich zum Thema Frauen und Familie, einem Thema, das heute nur sehr kurz, sozusagen am Rande, von einer Kollegin gestreift wurde.

Diese Kollegin war sich nicht sicher, ob irgendetwas von den Dingen, die wir heute in diesem Regierungsprogramm vorfinden, je Realität werden wird, genauso wie mein


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Vorredner sich nicht sicher ist, ob alle die Punkte, die da sehr wohl beinhaltet sind – und die er natürlicherweise auch gelesen haben muss, nehme ich einmal stark an – schlussendlich Realität werden.

Ich gehe einfach davon aus, dass wir das in zwei Jahren, nehme ich einmal an, schon ganz gut werden besprechen können, wenn nämlich sozusagen die ersten Erfolgs­bilanzen der Ministerien gelegt werden. Dann werden Sie sehen, dass das, was wir heute als Vorhaben in einem Regierungsprogramm quasi mit beschließen, indem wir es zur Kenntnis nehmen wollen, auch Realität werden wird. Und dann, denke ich, können wir gemeinsam Bilanz ziehen.

Mein heutiges Thema aber betrifft die Frauen, Frauenanliegen und damit auch Anliegen von Familien. Ich beginne damit, festzustellen, dass es meiner Meinung nach dazu sehr, sehr viele Punkte in diesem Regierungsübereinkommen gibt.

Ein Punkt, der mir besonders wichtig ist und den die SPÖ jahrelang gefordert hat – ich stelle fest: Es gibt also eine ganze Reihe von Forderungen der SPÖ, die schluss­endlich auch Eingang in das Regierungsübereinkommen gefunden haben –, ist, dass Frauen wieder eine starke Stimme in Österreich bekommen, nämlich in Form eines eigenständigen Frauen- und Gleichstellungsministeriums. Durch die Ansiedlung im Bundeskanzleramt hat dieses Ministerium – wie Sie wissen, Kolleginnen und Kolle­gen – Koordinierungsfunktion und somit die Möglichkeit zur Mitsprache in allen ande­ren Ministerien.

Das – und darüber bin ich sehr froh – sehen auch Vertreterinnen anderer universitärer Einrichtungen so, das ist sozusagen nicht auf unserem Mist gewachsen. Ich zitiere kurz aus den „Salzburger Nachrichten“ vom 23. Jänner, worin Angelika Wetterer vom Lehrstuhl für Soziologie der Geschlechterverhältnisse an der Karl-Franzens-Universität in Graz feststellt, dass sie das auch so sieht. Sie stellt allerdings fest, sie hat ein bisschen ein Problem mit dem Namen „Frauenministerium“.

Es heißt ja auch glücklicherweise nicht nur „Frauenministerium“, sondern auch „Gleich­stellungsministerium“, und ich bin überzeugt davon, dass Ministerin Doris Bures nicht nur die Frauenangelegenheiten in allen Bereichen vertreten wird, sondern natürlicher­weise auch Geschlechteranliegen. denn es ist klar, es geht immer auch um Männer. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Lassen Sie mich ausführen, warum ich glaube, dass das nicht nur gut ist, dass es so ist, sondern von allerhöchster Notwen­digkeit, und zwar deshalb: Es gibt einen ganz aktuellen Bericht, der derzeit bei der UNO liegt, einen Staatenbericht, also einen staatlichen Bericht Österreichs. Gleich­zeitig liegt dort der so genannte Schattenbericht der NGOs vor. In diesen beiden Berichten geht es um die Lebenssituation von Frauen in Österreich; es ist gerade in Prüfung.

Aus diesen Berichten geht hervor – und ich glaube nicht, dass die UNO irgendetwas anderes feststellen wird –, dass die Frauen – etwas, was wir eigentlich ohnehin wissen – in Österreich ein weitaus größeres Risiko als Männer haben, unter die Armuts­grenze zu rutschen. Und Armut – das hat auch unser Sozialminister hier ausgeführt – ist das Thema schlechthin, dem wir uns stellen müssen, und zwar alle hier herinnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen, Frauen verdienen in Österreich im Durchschnitt lediglich 60 Prozent eines mittleren Einkommens von Männern, Arbeiterinnen sogar nur 45 Prozent. Neben dieser schlechten Bezahlung ist natürlich die Teilzeitbeschäftigung ein weiterer Risikofaktor für Armut, das ist klar.


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Schon bei der letzten Prüfung – die ist jetzt ungefähr sechs Jahre her – haben sich die Komiteemitglieder, die diese Berichte überprüfen, besorgt gezeigt über die Rollen­klischees in Schule und Berufsausbildung – und ich weiß, wovon ich rede, ich komme selbst aus der Schule –, über den immer noch vorhandenen relativ niedrigen Bildungs­bereich, der bei den Frauen herrscht. Darüber dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen: Nur weil mehr Frauen die Hochschule absolvieren, heißt das noch lange nicht, dass das Bildungsniveau der weiblichen Bevölkerung wirklich auf dem Niveau ist, auf dem es sein sollte.

Auch gibt es die weiterbestehenden Rollenklischees, die Rollenklischees, die die Frau als Hausfrau und Mutter sehen – schauen Sie sich Bücher, Schulbücher, Filme et cetera an, Sie werden kaum etwas anderes finden –, aber natürlich auch die beste­hende Konzentration von Frauen auf den schlecht bezahlten Arbeitsplätzen auf Grund der Segregation des Arbeitsmarktes, die Einkommensschere, die heute schon erwähnt wurde, zwischen Frauen und Männern, die in den letzten Jahren leider Gottes aus­einandergegangen ist, statt dass sie sich ein bisschen geschlossen hätte (Zwischen­rufe bei der ÖVP und den Grünen), und die natürlicherweise sehr oft prekäre Situation der alleinstehenden Frauen.

Kolleginnen und Kollegen! Diese Situation hat sich in den letzten Jahren noch ver­schärft – davon bin ich überzeugt –, es herrscht also akuter Handlungsbedarf. Deshalb, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, freut es mich, dass auch Sie jetzt die Zeichen der Zeit erkannt haben und dass sich in diesem Regierungsübereinkommen viele Maßnahmen für Frauen finden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Vielleicht haben sie sich bis zu Ihnen noch nicht durchgesprochen, aber die Verhandlungspartnerinnen und -partner haben es getan. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt also viele Maßnahmen für Frauen. Ich werde meine Redezeit bei weitem nicht überdehnen, deshalb beschränke ich mich auf die Maßnahmen, die mir besonders wichtig sind, und beginne mit dem Thema, von dem ich glaube, dass es schlechthin das Thema ist, nämlich Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt.

Zentrales Thema dabei ist es, Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen oder zumindest diesem Ziel näher zu kommen. Das heißt also die Förderung der stärkeren Erwerbsintegration von Frauen in qualitätsvolle, existenzsichernde Be­schäftigungsverhältnisse. Darum geht es, das ist das zentrale Anliegen! Da ist eine Maßnahme wie die Erhöhung der Frauenbeschäftigungsquote um 3 Prozent wichtig.

Irgendjemand hat heute gesagt, das sei nicht viel. Ich halte das schon für viel, und ich wäre froh, wenn es uns gelänge, das wirklich zu erreichen, denn es geht um eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote von 65 auf 68 Prozent, und das heißt ja etwas, wenn um 3 Prozent mehr Frauen selbstständig erwerbstätig sind. Dann ist das ein weiterer Schritt gegen Frauenarmut und für mehr Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt, wobei es vor allen Dingen auch um die Qualität der Beschäftigung geht.

Dass dabei natürlicherweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine wichtige Rolle spielt, steht außer Zweifel; ich nehme an, auch hier herinnen. Es freut mich besonders, dass die Forderung der SPÖ auf Flexibilisierung des Kinderbetreuungs­geldes – das ist heute schon einmal angesprochen worden – in das Regierungs­programm aufgenommen wurde. Selbstverständlich ist das genauso wichtig wie der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, vor allen Dingen im ländlichen Raum, denn vor allem dort herrscht ein Mangel. Das hat auch, soweit ich mich erinnern kann – es ist schon einige Stunden her –, der Bundeskanzler ziemlich am Anfang seiner Rede erwähnt, wie wichtig dieses Thema für Frauenbeschäftigung ist und wie wichtig das als Anliegen dieser neuen Bundesregierung ist.


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Es bedarf aber natürlich noch weiterer Schritte zur Schließung der Einkommensschere, zum Beispiel durch die Unterstützung von Mädchen bei der atypischen Berufswahl – ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt und mit dem ich mich als Gender-Beauftragte des Landesschulrates für Salzburg auch besonders gut auskenne –, aber auch die Bewertung so genannter frauenspezifischer Jobs oder die Unterstützung von Wiedereinsteigerinnen. All dies sind Maßnahmen, die im Regierungsprogramm er­wähnt sind, möchte ich sagen, und sie werden dazu beitragen.

Alleinerzieherinnen brauchen logischerweise die gleichen Maßnahmen, wie sie auch andere Familien benötigen, aber noch dringender und noch zuverlässiger – darauf hat auch unser Sozialminister schon hingewiesen –, denn ihre ohnehin prekäre Einkom­menssituation wird sehr oft dadurch verschärft, dass sie von den Vätern ihrer Kinder weder Unterstützung bei der Aufzucht, bei der Erziehung, bei der Betreuungsarbeit erfahren noch die vorgeschriebenen Unterhaltszahlungen erhalten. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aufzucht ist es manchmal; stellen Sie sich vor, Sie sind allein mit drei bis vier Kindern! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus einer Studie der Armutskonferenz geht hervor, dass 17 Prozent – das ist ganz schön viel, fast ein Fünftel der Alleinerzieherinnen – keinen Unterhalt von den Vätern ihrer Kinder bekommen. Ich bin wirklich sehr froh darüber, dass das Regierungs­übereinkommen dafür nun ein modifiziertes Modell vorsieht, das den Kindesunterhalt rascher und effizienter durchsetzbar machen soll.

Ein weiterer essenzieller Schritt gegen die Frauenarmut ist der vorgesehene Min­destlohn von 1 000 €, auch wenn hier gerade behauptet worden ist, das wäre quasi nichts. Aber ich sage Ihnen, Kolleginnen und Kollegen: Es gibt Frauen – und es sind vor allen Dingen Frauen, die davon betroffen sind –, die 40 Stunden arbeiten und nicht einmal diese 1 000 € haben, und niemand hat es bisher der Mühe wert gefunden, ihnen wirklich zu helfen. Insofern sage ich, das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Auch wenn das nicht alle gerne hören: Ein Meilenstein ist die bedarfsorientierte Min­destsicherung! Es ist eine Mindestsicherung, das sagt ja auch schon der Name. Keine Frage, es ist nicht das, was das Ende der Fahnenstange sein soll, aber es ist ein Meilenstein, denn bislang hat es das nicht gegeben, und ich bin sehr, sehr froh, dass es das jetzt geben wird.

Noch ein Thema, von dem Frauen betroffen sind, ist die Mindestpension. Die Erhöhung der Mindestpension ist schon beschlossen, und MindestpensionistInnen sind ja auch zum Großteil Frauen.

Es gibt natürlich neben diesen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen noch andere, die im Regierungsprogramm erwähnt sind, wie etwa den besseren Schutz vor Gewalt. Da gibt es, glaube ich, nichts, was man daran kritisieren kann. Aus meiner nunmehr 20-jährigen Erfahrung als Mitarbeiterin und Vorstandsmitglied des Vereins Frauennotruf in Salzburg weiß ich um die Bedeutung jeder Maßnahme, die dazu führt, dass weniger Gewalt an Frauen ausgeübt wird.

Genauso weiß ich aus meiner im Übrigen auch ehrenamtlichen Tätigkeit – wie viele andere da herinnen, nehme ich an, auch ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben –, wie wichtig Frauenförderung ist, nämlich Frauenförderung durch Beratung. Dazu kommt auch ein wichtiger Punkt im Regierungsübereinkommen vor, nämlich dass Frauen­beratungseinrichtungen langfristig gesetzlich abgesichert sein sollen und werden. Das halte ich auch für ganz wesentlich, denn ich kenne viele Einrichtungen, die ein hohes Maß an Fachkompetenz und ein hohes Maß an Beratungs-Know-how aufweisen, die aber dennoch auf Grund ihrer prekären Situation ständig unter Druck stehen.


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Es gibt Punkte, die den Pflegenotstand betreffen – das ist auch ein wichtiges Thema für Frauen –, oder auch Frauengesundheit, Gender-Medizin. Letzteres ist ein prophy­laktisches Thema, wenn wir es wirklich auch so sehen, dass es um Gender-Gesund­heit geht: nicht nur um Medizin nachher, sondern auch vorher.

All diese Themen ließen sich noch ergänzen durch Themen wie: gerechte Pensionen, Bildung, Forschung und Entwicklung, Wissenschaft, Chancen von Frauen im länd­lichen Raum – werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, das freut mich auch besonders! – oder Justiz. Im Justizbereich sind einige Maßnahmen vorgesehen – nicht nur die gegen Frauenhandel, sondern auch andere –, die den Frauen zugute kommen werden.

Kolleginnen und Kollegen! Wenn dieses Regierungsübereinkommen auch bei weitem nicht alle Wünsche und Forderungen erfüllt hat –, auch nicht unsere, das ist ja logisch –, so kann ich trotzdem heute wirklich guten Gewissens feststellen: Es gibt ganz bestimmt Gewinnerinnen bei diesem Regierungsübereinkommen, und das wer­den die Frauen sein. Darüber bin ich sehr froh. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Roth-Halvax.)

18.40


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Frau Kollegin Neuwirth. – Zu Wort gemel­det ist als Nächster Herr Bundesrat Ing. Kampl. Nur der Feststellung halber: Es ist dies seine zweite Wortmeldung. (Bundesrat Ing. Kampl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, genügt! Heute ist es dann vorbei!) – Bitte.

 


18.41.14

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Staatssekretär! Liebe Kollegen im Bundesrat! Wir haben in der Ersten Republik, von 1918 bis 1938, 16 Bundeskanzler gehabt. Es gab in Österreich noch nie so einen Niedergang wie in den dreißiger Jahren, und das sollten wir uns vergegenwärtigen. Es gab Armut, es gab Not, Hoffnungslosigkeit und Niedergang auf allen Ebenen.

In der Zweiten Republik ist es uns gelungen, erfolgreich zu sein. Wir stellen mit Bun­deskanzler Gusenbauer den elften Bundeskanzler der Zweiten Republik und hoffen und wünschen, dass die große Koalitionsregierung erfolgreich sein möge. Frau Staatssekretär, das wollen wir ja hoffen.

Dafür ist natürlich sehr viel Anstrengung notwendig, und gerade wir sind dafür da, als Vertreter der Länder, als Vertreter der österreichischen Menschen darauf zu achten, ob die Bundesregierung bereit ist, ihre Versprechen zu halten, ihre Verantwortung auch voll zu übernehmen. Wir haben jederzeit die Möglichkeit, diese Verantwortung einzu­fordern, und das werden wir auch tun.

Offen sind natürlich die Fragen der Europapolitik in weitem Umfang. Offen ist die Sozial­politik, und es kann nicht sein, dass in Österreich alle Jahre am Ende im Jahres­bericht feststellbar ist, dass es immer mehr Reiche und immer mehr Arme gibt. Das ist ein Zustand, der in Zukunft nicht aufrechterhalten werden sollte.

Für die ländliche Bevölkerung ist etwas zu tun, dass die Abwanderung gestoppt wird, sodass nicht unser ländlicher Raum in fünfzig Jahren ohne Menschen, ohne Öster­reicher sein wird.

Aber zu dem heutigen Entschließungsantrag der Grünen betreffend Kärntner Ortstafeln darf ich noch einiges sagen. Herr Landesrat Haider hat heute versucht, die Kärntner Situation in einem Vergleich mit Slowenien darzubringen. (Bundesrat Konecny: „Landesrat“? – Haben wir etwas versäumt? Ist er degradiert worden?) Der Herr Lan-


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des­hauptmann hat von der Möglichkeit gesprochen, wie in Kärnten eine friedliche Lösung für alle Parteien, für alle Beteiligten aussehen könnte.

Meine Damen und Herren! Ich lade wirklich alle ein und bin gerne bereit, Kollege Schennach, von Gemeinde zu Gemeinde zu fahren und die Probleme wirklich mit der Bevölkerung zu besprechen. Da werden Sie das feststellen. (Bundesrat Schennach: Aber nur, wenn die Ana  mitkommt!) – Ja, darauf komme ich noch zurück.

Herr Kollege! Ich kann da wirklich feststellen: Da sind Bürgermeister, die von der Bevölkerung gewählt sind und die dort den Frieden haben wollen. Wenn man mit ihnen redet, dann hört man das, was heute der Herr Landeshauptmann gesagt hat: Ohne eine Feststellung der Muttersprache, der ethnischen Zugehörigkeit kann es keine Möglichkeit geben! Und über die Köpfe der Bürgermeister hinweg wollen wir nicht reden.

Kollegin Blatnik! Warum ist seitens der Slowenen der Kärntner Fürstenstein auf 2-Cent-Münzen abgebildet? Warum muss man dieses Spannungsfeld noch weiter betrei­ben? – Wenn man eine gute Nachbarschaftspolitik haben will, dann sollte man das nicht tun.

Warum gibt es die neuen Landkarten in Slowenien, die die Teilung in Kärnten kenn­zeichnen? – Wenn die Landkarten für die Geschichtsforschung erstellt werden würden, Frau Kollegin Blatnik, dann würde ich das verstehen. Aber diese Landkarten sind in den Schulen in Slowenien für den Unterricht bestimmt! Und jeder weiß, meine Damen und Herren, der die Schüler, der die jungen Menschen hat, dass das eigentlich eine Langzeitpolitik ist.

Meine Damen und Herren! Ich hätte vielleicht noch zur Volkszählung in Kärnten etwas zu sagen. Die letzte Volkszählung in Kärnten war am 15. Mai 2001. Auf dem Fragebogen gab es mehrere Punkte, und bei Punkt 6, betreffend die Umgangssprache, gab es zehn Ankreuzungsmöglichkeiten.

Hier wird es sehr interessant, dass eine der dort wohnenden Kärntner Persönlichkeiten es nicht verstanden hat. Er hat beides angekreuzt, Deutsch und Slowenisch. (Bun­desrat Konecny: Einer war das?) Die deutsche Muttersprache ist nicht anerkannt worden, sondern die slowenische. Aber dieser Mann ist euch allen ein Begriff, er ist einer der bekanntesten Verfassungsrechtler in Österreich: Es ist Dr. Gradenegger.

Er ist jetzt zum europäischen Verfassungsgericht gegangen und hat gesagt: Das kann doch nicht sein! Ich kann beide Sprachen. Ich kann die slowenische Sprache, ich bin Kärntner, ich kann die deutsche Sprache, aber zuordnen lasse ich mich nicht zu Slowenisch! – Das sind die Probleme, die wir haben. Und, bitte, eine Persönlichkeit wie Dr. Gradenegger ist ja nicht irgendjemand! Sie werden sehen, er wird recht bekom­men.

Frau Kollegin Blatnik! Das wollte ich eigentlich sagen: Ich glaube, wir Kärntner haben immer versucht, das Gemeinsame zu finden. Das tun wir auch und werden wir auch in Zukunft tun. – Danke schön.

18.47


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege Kampl. – Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


18.47.14

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redebeiträge von Herrn Bundesrat Breiner und von Frau Bundesrätin Neuwirth haben mich dazu veranlasst, mich zu Wort zu melden und ihnen gegenüber ein paar Punkte anzusprechen.


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Ich freue mich sehr darüber, dass mir sozusagen ein guter Ruf vorauseilt. Herr Bun­desrat, Sie können versichert sein: Ich werde diesem Ruf voll und ganz gerecht werden, und Sie werden mit Sicherheit mit der Arbeit dieser Bundesregierung zufrieden sein, auch in meinem Wirkungskreis, im Wirtschafts- und Arbeitsministerium.

Da möchte ich auch darauf eingehen, dass Sie kritisiert haben, dass die Arbeits­agenden nicht ins Sozialministerium gewandert sind. Aus meiner persönlichen Erfah­rung – auch als Betriebsrätin, die ich viel Erfahrung in der Privatwirtschaft gesammelt habe – sind Arbeit und Wirtschaft Zwillinge, die zueinander gehören. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nicht ohne einander, und deswegen macht es durchaus Sinn, dass diese Agenden in einem Haus zusammengefasst sind.

Das Thema der Vollbeschäftigung und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zieht sich ja wie ein grüner Faden durch dieses Regierungsübereinkommen, beginnend mit der Präambel. Deswegen ist auch die Wertigkeit des Themas durch die Schaffung des Staatssekretariats und die Besetzung mit einer, sagen wir einmal, gestandenen Arbeitnehmervertreterin sicher das richtige Signal in diese Richtung hin.

Von Bundesrat Mayer ist – auch ein bisschen mit einem vorsichtig kritischen Hinweis – der Kündigungsschutz der Lehrlinge und sind generell die Lehrlinge angesprochen worden. Ganz wichtig ist es mir, zu sagen, dass es hier eine sehr enge Kooperation mit den Sozialpartnern gibt, dass das nur miteinander gehen wird und dass wir auch ein ganz besonderes Augenmerk darauf haben werden, dass es – ich habe es auch am Anfang schon in den Medien so gesagt – kein „Hire und Fire“ bei den Lehrlingen geben wird, sondern dass wir uns der Verantwortung und des hohen Schutzbedürfnisses der Lehrlinge sehr stark bewusst sind.

Ich bin überzeugt davon, dass es im Endeffekt so sein wird, dass es in keinster Weise mehr Kündigungen bei den Lehrlingen gibt, sondern dass – ganz im Gegenteil – mehr Unternehmen bereit sind, Lehrlinge auszubilden, die heute eben aufgrund dieser Sorge, dass sie keine Kündigungsmöglichkeit haben, die Lehrlinge gar nicht erst ausbilden. Ich glaube, dass es genau in diese Richtung gehen wird, und wir sind uns der vollen Sorgfalt, die wir hier hineinlegen müssen, bewusst.

Etwas, was mir auch persönlich ein Anliegen ist – und das gehört ja zu meinem expliziten Arbeitsbereich –, sind die Lehrlinge, ist die Jugend. Hier ist es mir auch wichtig, das Ansehen der Lehre und insgesamt der Lehrausbildung zu heben. Wir alle wissen, dass in Österreich momentan das Ansehen der Lehre in der Öffentlichkeit leider nicht so ist, wie es sein soll und wie es auch zu sein verdient.

Deswegen wird es von mir auch viele Initiativen geben, um die ausgezeichneten Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, und die tollen Leistungen der Lehrlinge in den Unternehmen öffentlich zu machen sowie auch Initiativen zu fördern, um diese Betriebe vor den Vorhang zu bitten und damit vielleicht auch andere junge Menschen und potentielle Lehrbetriebe dazu zu motivieren, mehr Lehrlinge auszubilden, bezie­hungsweise dass mehr junge Menschen den Lehrberuf ergreifen und in Lehrausbildun­gen gehen. (Allgemeiner Beifall.)

Frau Bundesrätin Neuwirth hat das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Frauenpolitik angesprochen, auch die Bereiche, die explizit zu meinem Arbeitsbereich gehören, ganz besonders die Stellung der Frau am Arbeitsmarkt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch dies zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Regierungsübereinkommen. In zahlreichen Kapiteln sind Ausführungen zur Stellung der Frau, Chancengleichheit, Schließung der Einkommensschere und so weiter zu finden.


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Das ist tatsächlich eine Querschnittsmaterie, und hier wird es auch zahlreiche Ko­operationen geben zwischen Frau Ministerin Bures, Frau Ministerin Kdolsky – die ja für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf über das Familienministerium zuständig ist – und mir, die ich vonseiten des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums die Zuständigkeit habe. Hier werden wir sehr eng zusammenarbeiten. Es sind auch viele Initiativen darin angesprochen, die wir gemeinsam mit Projekten und mit Leben erfüllen werden.

Jeder, der meine Vergangenheit und meine politischen Aktivitäten in den letzten Jahren kennt, weiß, wie wichtig mir die Förderung der Frauen in allen Lebensbereichen ist, die Gleichstellung, und gerade meine früheren Kolleginnen und Kollegen im ÖVP-Klub wissen, dass ich hier durchaus auch „lästig“ sein kann. Ich habe vor, das auch in meiner neuen Funktion zu sein.

Wir werden uns auch die betriebliche Kinderbetreuung anschauen; ich lade hier zu breiten Gesprächen ein. Die betriebliche Kinderbetreuung steht zwar nicht explizit im Regierungsübereinkommen, aber ich bin überzeugt davon, dass wir auf breiter Basis einen Konsens finden werden. Wir werden Ideen sammeln und hier eventuell für die Steuerreform, die ja angekündigt und geplant ist, entsprechende Rahmenbedingungen vorsehen.

Ich freue mich sehr auf die gemeinsame Arbeit und auf Ihre Unterstützung in meinem großen Arbeitsgebiet. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

18.52


Präsident Manfred Gruber: Danke, Frau Staatssekretärin. – Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


18.52.45

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Können Sie sich vorstellen, Ihr Gegenüber in ein paar Monaten als Regierungspartner zu haben?“ – „Ich müsste nein sagen, aber ich glaube an das Gute im Menschen.“ – So antwortete Kollege Konecny, bezogen damals auf Klubobmann Molterer, am 1. März 2006 im „Kurier“. – Sie sehen, der Glaube hat geholfen! (Heiterkeit.)

Heute glauben wir gemeinsam an das Gute der neuen Bundesregierung und an ein Team, das sich auf gemeinsames Vertrauen stützen kann. Die SPÖ Vorarlberg ver­meinte zwar – laut Medienberichten –, im Regierungsprogramm nur den einen oder anderen guten Punkt zu sehen, und lehnte es ab. Demgegenüber halte ich fest, dass das Land Vorarlberg viele gute Punkte sieht und sehr wohl zu dieser Bundesregierung und zu den Grundsätzen ihres Arbeitsprogramms steht.

Es wurde verschiedentlich kritisiert, dass es zu allgemein gehalten sei. Abgesehen davon, dass zahlreiche Vorhaben sehr wohl ins Detail gehen, würde eine solche Kritik auf einen Wunsch nach stärkerer Regierungsgesetzgebung hinauslaufen. Das könnten jedenfalls Mitglieder gesetzgebender Körperschaften nicht wirklich wollen.

Auch der sehr umfangreiche Teil der Staats- und Verwaltungsreform ist davon geprägt, dass einige Vorhaben ziemlich genau beschrieben sind, während andere im Allge­meinen bleiben und auf weitere Verhandlungen verweisen. In einem kooperativen Bundesstaat mit starken Gemeinden ist es nämlich ein wesentlicher Teil politischer Kultur, die anderen Gebietskörperschaften nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen, sondern Lösungen gemeinsam zu suchen und umzusetzen.

Für den zentralen Punkt einer neuerlich angestrebten gesamthaften Verfassungs­reform, unter anderem mit einer Neuordnung der Kompetenzen, wird eine kleine Expertengruppe eingesetzt, an der – über die ursprüngliche Absicht hinaus – nun doch auch Vertreter der Länder beteiligt sind. Bei einzelnen Vorhaben des Bundes, Län-


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derangelegenheiten an sich zu ziehen oder zumindest einheitlich zu regeln, wird auf eine noch notwendige Prüfung verwiesen oder die Absicht bekundet, mit den Ländern 15a-Vereinbarungen zu schließen.

In Einzelfällen wird auf diese Konsenssuche leider verzichtet. So ist beispielsweise ziemlich apodiktisch festgelegt, dass beim Schutzwasserbau – unter anderem auch Wildbach- und Lawinenverbauung – alle diesbezüglichen Agenden von Bund und Ländern in einer Agentur beim Landwirtschaftsministerium gebündelt werden. Abge­sehen von grundsätzlichen Bedenken gegen solche Agenturen und der zu diskutieren­den Zweckmäßigkeit einer solchen Zentralisierung ist hier von Verhandlungen mit den Ländern plötzlich keine Rede mehr.

Die Suche nach Konsens ist zwar, wie wir alle wissen, nicht immer einfach, aber sie hat sich, wie im Bereich der Sozialpartnerschaft, auch bei den Ländern und Gemein­den stets durch eine besondere Tragfähigkeit der Lösungen ausgezeichnet. Das gilt natürlich auch dort, wo es nicht um die Verteilung von Zuständigkeiten, sondern um die mit Vorhaben verbundenen finanziellen Belastungen geht. Der Einfachheit halber wurde den Ländern und Gemeinden verschiedentlich gleich schon einmal die Rute des Finanzausgleichs ins Fenster gestellt und signalisiert, dass man damit notfalls ein Druckmittel zur Durchsetzung seiner Interessen zur Verfügung habe.

So wehrlos sind die Länder und Gemeinden in einem Parteienstaat allerdings auch wieder nicht! Ohne motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landes- und Gemeindeparteien sind die Bundesparteiobmänner nämlich am Wahltag dem Risiko einer gewissen Einsamkeit ausgesetzt. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny. )

Auf ein zweites Druckmittel wurde zwar noch nicht explizit verwiesen, aber es liegt auf der Hand: Das ist die den Regierungsparteien zur Verfügung stehende Verfassungs­mehrheit im Nationalrat. Wenngleich man im Allgemeinen den Begriff Parlament häufig – zum Leidwesen der Kolleginnen und Kollegen hier – allein auf den Nationalrat bezieht, wird man das Kapitel „Parlamentarische Vorgangsweise“ am Beginn des Regie­rungsprogramms wie bisher wohl so verstanden wissen wollen, dass mit gemeinsamer Beschlussfassung auch der Bundesrat gemeint ist. Das erhebt letztlich den Anspruch, dass eine Mehrheit im Nationalrat zwangsläufig auch die Zustimmung des Bundesrates nach ziehen müsse.

Wie schon bei allen früheren derartigen Versuchen halte ich für mein Land fest: Eine solche faktische Ausschaltung des im Wege des Bundesrates verankerten Länderein­flusses auf die Bundesgesetzgebung wäre bundesstaatlich sittenwidrig und, wie bei Sittenwidrigkeit allgemein üblich, eine daraus abgeleitete Verpflichtung von vornherein nichtig. Es wird daher für mich dabei bleiben, im Bundesrat eine ablehnende Haltung meines Landes in wichtigen Fragen in Wort und Tat zu dokumentieren.

Vor der Nationalratswahl wurden die nach den letzten Landtagswahlen gegebenen neuen Stärkeverhältnisse im Bundesrat als Chance für die Länder dargestellt, weil jetzt – ich zitiere eine SPÖ-Aussendung vom 30. November 2005 – „der Bundesrat zeigen kann, wozu er gut ist“. – Ende des Zitats. Erstmals sei nun, so die SPÖ weiter, die Gelegenheit gegeben, föderale Anliegen über die parteipolitischen Interessen der Regierungsparteien zu stellen. – Wir werden sehen, welches Ablaufdatum diese Ankündigung hat.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Kritik eingehen, das Regierungspro­gramm enthalte zur Stärkung oder Neuordnung des Bundesrates keine Aussagen. Das ist richtig, und es hängt zunächst damit zusammen, dass diese Frage nicht losgelöst von den Verhandlungen mit den Ländern über eine bessere Verteilung der Gesetz­gebungs- und Vollziehungszuständigkeiten und eine wirksamere Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung behandelt werden kann.


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Weiters muss uns aber bewusst sein, dass das Kernproblem nicht in der gar nicht so schwachen – natürlich verbesserungsfähigen! – verfassungsrechtlichen Stellung zu sehen ist, sondern in der parteienstaatlich geprägten Handhabung, besser gesagt Nicht-Handhabung der vorhandenen Instrumente. An diesem Problem werden auch zusätzliche Rechte nichts ändern. Deutlich sehen kann man das am Beispiel der völlig unbefriedigenden Handhabung unserer neuen Mitwirkungsmöglichkeiten im Verhältnis zur Europäischen Union. Eine Stärkung des Bundesrates wird also nur insoweit wirksam sein und über bloße Dekoration hinausgehen, als sie von innen und von den Ländern selbst kommt.

Im Bereich der Staats- und Verwaltungsreform hat die Bundesregierung ein umfang­reiches Programm mit vielen lange aufgeschobenen Vorhaben vorgelegt, die auch aus Sicht der Länder begrüßenswert sind. Ich nenne beispielhaft nur die Landes­verwaltungsgerichte, für einzelne Bundesländer die Herabsetzung des Wahlalters, für andere die Einführung der Briefwahl sowie die Klarstellung der Führungskompetenz des Landeshauptmannes in Katastrophenfällen.

Anderes wiederum fordert Wachsamkeit heraus, weil man erst am Schluss sehen wird, wie intensiv Einschränkungen der Landesgesetzgebung ausgefallen sein werden. Das gilt umso mehr, als das Subsidiaritätsprinzip im Regierungsprogramm zwar gegenüber der EU geltend gemacht wird, während man es im Kapitel „Staats- und Verwaltungs­reform“ vergeblich sucht. „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“, dieses Sprichwort sollte auch hier beherzigt werden!

Die Gesamtbeurteilung für die Länder, und hier insbesondere für die Landtage, wird man also aus heutiger Sicht – nach meiner Einschätzung – mit „hoffnungsbereiter Vorsicht“ umschreiben können.

Zwei Vorhaben möchte ich kurz näher beleuchten. Das ist zunächst die Verbesserung der rechtlichen Voraussetzungen für interkommunale Zusammenarbeit. Sie ist unter anderem deshalb notwendig geworden, weil sich die traditionellen Grenzen mit der funktionalen Vernetzung von heute nicht mehr decken. Künftig können – besser als bisher – mit gemeinsamen Einrichtungen beispielsweise arbeitsteilige Kompetenz­zentren geschaffen und Ressourcen gebündelt werden, ohne die bürgernahe Eigen­ständigkeit der Gemeinden aufgeben zu müssen.

Der Gesichtspunkt der Bürgerbeteiligung ist mir auch bei einem zweiten Vorhaben wichtig, der Verlängerung der Gesetzgebungsperiode des Nationalrates auf fünf Jahre. Der Hinweis darauf, dass damit nur mit den Ländern und Gemeinden gleichgezogen werde, blendet nämlich Folgendes aus: Dort gibt es, im Gegensatz zum Bund, viel­fältige Instrumente direkter Demokratie, mit denen die Bürger nicht nur am Wahltag ihre Stimme erheben können.

Auf Bundesebene gibt es lediglich die faktisch zahnlosen Möglichkeiten von Volks­begeh­ren, Petitionen und Bürgerinitiativen gegenüber dem Nationalrat. Die Durch­führung einer Volksabstimmung oder Volksbefragung ist hingegen – anders als in den Ländern und den Gemeinden – dem Nationalrat allein vorbehalten. Das sollte wohl im Gegenzug zur Verlängerung der Gesetzgebungsperiode nach dem Beispiel der Länder und Gemeinden ausgeweitet werden, beispielsweise auch auf den Bundesrat.

Diese zwei Beispiele zeigen, dass das Regierungsprogramm viele gute Impulse enthält, aber auch für Diskussionen über die konkrete Umsetzung sowohl Notwendig­keit als auch Raum lässt. Es ist unsere Herausforderung, daran mitzuwirken, die dem Auftrag einer für die Länder auszuübenden Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung gerecht wird.


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Ich hoffe, dass Herr Kollege Konecny mit seinem eingangs erwähnten Glauben an das Gute im Menschen auch in dieser Hinsicht recht behält. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.02

Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege Weiss. – Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Bundesrat Todt vor. – Bitte.

 


19.03.02

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Als Erstes sage ich einmal – das Lamperl leuchtet schon?; ich habe ja noch gar nicht angefangen! –: Ich freue mich darüber, dass es einen sozialdemokratischen Bundeskanzler und sozialdemokratische Regierungsmitglieder gibt!

Ich habe in den vergangenen Tagen mit vielen Freunden, mit vielen Männern und Frauen aus der Bevölkerung zahlreiche Gespräche geführt. Es wurde sehr viel Kritik geäußert. Aber Politik lebt im Grundsatz von der Auseinandersetzung mit Themen, mit Meinungen und mit Zielen. Auf dem Boden der demokratischen Auseinandersetzung wachsen Ideen und Werte. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

In den Regierungsverhandlungen ist es gelungen, einen Kompromiss zu erzielen. Ein Kompromiss ist der Preis für das Mitgestalten und für das Mittragen von Verantwortung. Kompromisse sind in der Demokratie üblich, auch dann, wenn sie nicht immer Freude machen.

Die große Koalition eröffnet für gemeinsame Vorhaben eine beträchtliche Umsetzungs­kraft. Zu dieser Koalition gibt es nach dem Wahlergebnis vom 1. Oktober 2006 im Interesse des Landes und der Bevölkerung keine Alternative.

Wir Sozialdemokraten sind mit dem Slogan „Mehr Fairness braucht das Land“ in die Wahlen gegangen, weil wir von dem Ziel, mehr Fairness in die Gesellschaft zu bringen, überzeugt sind. (Bundesrätin Roth-Halvax: Aber nicht in den Wahlkampf!) Wir sind überzeugt davon, mehr Fairness in die Gesellschaft zu bringen, und Fairness haben auch jetzt Bundeskanzler Dr. Gusenbauer und sein Team verdient. Leistung muss auch in der Politik an den Ergebnissen gemessen werden. Es ist unfair, über diese Regierung zu urteilen, noch ehe sie eine Chance hatte, ihre Arbeit richtig zu beginnen.

Im Vordergrund steht das Bemühen um die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verringerung der Arbeitslosigkeit in Österreich, die Verstärkung der sozialen Komponente der Regierungsarbeit sowie Investitionen in die Zukunft des Landes, wie Bildung, Wissenschaft, Forschung oder Infrastruktur. Es wurden hier viele inhaltliche Zielsetzungen formuliert, deren Umsetzung auch für die Bevölkerung von großem Vorteil sein wird.

Zum Beispiel über das Ziel der Vollbeschäftigung sowie zusätzliche Mittel für die Arbeitsmarktpolitik wurde heute von der Regierungsbank aus, und zwar von beiden Seiten auf der Regierungsbank, schon gesprochen; die Förderung von Jungunter­nehmern und Jungunternehmerinnen; der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur; bessere soziale Absicherung atypischer Beschäftigungsverhältnisse sowie die aktive Armuts­bekämpfung durch eine Mindestsicherung; im Pensionsrecht die Anhebung der Mindest­pensionen sowie die Verlängerung der Hacklerregelung; in der Pflege die Ermöglichung einer 24-Stunden-Betreuung zu Hause; die Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsquote auf 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes; die Verkleinerung der Schulklassen auf 25 sowie höhere finanzielle Hilfen für die Studierenden; raschere Asylverfahren, aber auch eine Verstärkung von Integrationsmaßnahmen; für die Jugend eine wesentliche Maßnahme: die Senkung des Wahlalters und eine Bildungs-


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garantie bis zum Alter von 18 Jahren; die Flexibilisierung des Kindergeldes; eine Begrenzung der Rezeptgebühr; der Einsatz für ein soziales Europa; ein deutlich verstärkter Einsatz erneuerbarer Energieträger; mehr Personal für die Polizei; ein leichterer Zugang zu Kunst und Kultur; die Aufwertung der Frauen, der Wissenschaft und der Kunst durch eigene Ministerien. Explizit für Wien wurde darüber hinaus die Weichenstellung für den Ausbau der Infrastruktur und die Fortführung des U-Bahn-Ausbaus vereinbart.

Wenn man sich das Kapitel „Soziale Herausforderungen, Gesundheit“ anschaut, dann gibt es hier ganz, ganz wesentliche Neuerungen. Im Laufe des Jahres 2007 soll ein Modell zur Neugestaltung des Pflegeangebotes – der Herr Sozialminister hat das schon mitgeteilt – erarbeitet werden. Dabei soll eine solidarische Mittelaufbringung sowie eine österreichweite Harmonisierung des Angebots berücksichtigt werden. Das ist auch wichtig, denn es gibt sehr unterschiedliche Modelle in den Bundesländern, und hier ist natürlich auch die Mitwirkung der Bundesländer gefragt.

Pflegende Angehörige sollen in verschiedenen Formen mehr Unterstützung erfahren, teils durch Beratung und Hilfestellung, teils durch ganz handfeste Maßnahmen: die Übernahme von Dienstnehmerbeiträgen zur Pensionsversicherung ab der Pflege­stufe 4 zu 50 Prozent; und ab der Pflegestufe 5 wird der Dienstnehmer- und Dienst­geberanteil zur Gänze vom Bund bezahlt werden. Die Ausweitung der Hospizkarenz wird überprüft. Pflege- und Betreuungsberufe sollen hinsichtlich der Ausbildung und der Durchlässigkeit zwischen den Berufen modernisiert werden.

Ganz wichtig ist die geplante Beseitigung der völlig unterschiedlichen Zugänge und Kosten zu Pflege und Betreuung zwischen den einzelnen Bundesländern. Es ist nicht einzusehen, wieso betreuungsbedürftige Personen in der Steiermark für den Besuch der mobilen Hauskrankenschwester oder der Heimhilfe einen völlig anderen Stunden­satz als in Oberösterreich bezahlen und wieso in Wien andere Regeln für die Beteili­gung von Angehörigen an Pflegeheimkosten als in Tirol gelten. Gerade im Zusam­menhang damit, was die Möglichkeit einer 24-Stunden-Betreuung zu Hause betrifft, ist es auch positiv zu betonen, dass die Frage der Leistbarkeit des Betreuungsangebotes für die Betroffenen mehrfach angesprochen wurde.

Besonders wichtig ist, dass die unsozialen Auswirkungen der Pensionsreform 2003 und 2004 abgemildert werden. Experten, Sozialpartner und die Regierung sollen die geltenden Bestimmungen über Pensionsbemessung und -berechnung evaluieren. Es kommt zur Verlängerung der Hacklerregelung. Der doppelte Abschlag bei der Korridor­pension soll gemildert werden. Kindererziehungszeiten sollen wertgesichert im Pen­sions­konto berücksichtigt werden. Eine Harmonisierung bei der Invaliditätspension soll von Experten erstellt werden.

Bei der Armutsbekämpfung ist im Wesentlichen ein Durchbruch gelungen. Die schritt­weise Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung von 726 € wurde ebenfalls angesprochen; 726 € vierzehn Mal im Jahr, das ist ein großer Fortschritt. Auch beim Arbeitslosengeld soll es ein Mindestniveau geben. Begleitet werden soll diese Maß­nahme von der Einführung eines Mindestlohns in der Höhe von 1 000 € auf Basis eines Generalkollektivvertrages.

Positiv hervorzuheben sind das uneingeschränkte Bekenntnis zur solidarischen Kran­ken­versicherung sowie zu guten gesundheitspolitischen Reformansätzen in Richtung Qualität, Prävention und Effizienz sowie geringere Belastungen von chronisch Kranken mit hohem Medikamentenaufwand.

Tatsache ist, dass Gesundheit Geld kostet. Entscheidend ist, dass der Zugang zur Spitzenmedizin für alle gewährleistet bleibt! Eine moderate Beitragserhöhung mit einer minimalen monatlichen Belastung durch die Erhöhung der Beiträge um 0,15 Prozent-


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punkte ist auf alle Fälle sozial verträglicher als eine Erhöhung der Selbstbehalte und sonstiger Gebühren.

Weiters – und das ist auch ein wesentlicher Punkt – ist es gelungen, eine Obergrenze von 2 Prozent des Einkommens bei der Rezeptgebühr vorzusehen. Positiv ist die Absicht, die zum Teil sehr hohen Belastungen von älteren PatientInnen durch die Rezept­gebühr mit einem Prozentsatz des Einkommens zu begrenzen. Diese Maß­nahme bedeutet einen wichtigen Schritt in Richtung stärkerer sozialer Ausrichtung des Gesundheitswesens, weil sie eine Entlastung für chronisch mehrfach Kranke darstellt.

Es gäbe zu diesem Regierungsprogramm noch sehr viel mehr Positives zu sagen. Aber ein paar Punkte möchte ich noch herausnehmen.

Die Wahlaltersenkung auf 16 Jahre ist ein wesentlicher Fortschritt in Richtung Ausbau der Demokratie. Hier wird auf die Intelligenz und auf das Verantwortungsbewusstsein der jungen Menschen gesetzt. Wir in Wien, aber auch in anderen Bundesländern, haben mit der Senkung des Wahlalters bei den Wahlen sehr gute Erfahrungen gemacht.

Politik ist der ständige Versuch, die Welt zum Besseren zu wenden. Aufgabe der Politik ist es, Perspektiven zu zeigen, Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft zu geben. Mit diesem Regierungsprogramm wird den Menschen in diesem Land mehr Hoffnung und Zuversicht vermittelt. Alles in allem gesehen, steht für mich fest: Diese Bundes­regierung wird Österreich sozialer, leistungsgerechter und moderner machen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.13


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Bitte.

 


19.13.57

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Staatssekretärin! Hier (in Richtung SPÖ-Regierungsbank) kann ich leider niemanden begrüßen. Es scheint der Stellenwert der zweiten Kammer doch nicht so ausgeprägt zu sein, wie eingangs gesagt wurde.

Ich gestehe, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ich der Bildung der großen Koalition skeptisch gegenüberstand, denn für jegliche Partnerschaft – egal, ob im privaten, wirt­schaftlichen oder politischen Bereich – ist ein Mindestmaß an Vertrauen, Fairness und persönlichem Respekt erforderlich. All das sah ich in Ausdrucksweise und Stil des Wahlkampfes unseres nunmehrigen Partners nicht gegeben, wenn ich an manche Aktionen, Behauptungen und Unterstellungen denke.

Die Rechnung für manche Hybris wird ja nun präsentiert. Allein die Ausdrucksweise von Bundesgeschäftsführer Kalina im gestrigen „Report“ – gut, da kann man sagen: Das ist sein Job! –, aber auch jene von Klubobmann Cap in der „ZiB 2“ waren demas­kierend und bestätigen das, was der Herr Bundeskanzler heute gesagt hat, nämlich, dass es nicht einfach sein wird, zu kooperieren. Meiner Meinung nach war das ein Beweis dafür, dass der mentale Übergang des Verhältnisses vom Feind zum Partner noch nicht geschafft wurde.

So sollte für eine gedeihliche Zusammenarbeit im Interesse der Republik Österreich bedacht werden, dass das Halten von Versprechungen und ein korrekter Umgang miteinander der Gesamtheit der Qualität der Politik und dem Ansehen von Politikerin­nen und Politikern in der öffentlichen Meinung eben schaden oder nützen können und dass das auch Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung haben kann.


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Was die Regierungserklärung betrifft, sei mir der Schwerpunkt meiner Betrachtung aus der Sicht einer Bürgermeisterin erlaubt. So beruhigt es mich, zu lesen, dass in puncto Staats- und Verwaltungsreform sowohl eine zeitgemäße Verteilung der Zuständig­keiten zwischen Bund und Ländern als auch Maßnahmen für eine größere Bürgernähe umgesetzt werden sollen.

In diesem Paket ist auch enthalten, dass die Stellung der Gemeinden gestärkt werden soll, was sehr zu begrüßen ist, da hier ja die Bürgernähe am unmittelbarsten praktiziert wird. Es wird in diesem Zusammenhang auch erforderlich sein, nicht nur Aufgaben an die Gemeinden zu übertragen, sondern auch für deren finanzielle Bedeckung zu sorgen und an den Schrauben des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in Richtung Gemeinden zu drehen.

Die von der ÖVP lang aufgestellte Forderung nach der Briefwahl wie auch die For­derung nach Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre sollen in der kommenden Gesetzgebungsperiode umgesetzt werden.

Ich würde jetzt – abgesehen vom Regierungsprogramm – an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, appellieren, dass wir das einlösen, was wir uns bei unserer Bundesratsklausur im Juni vorigen Jahres in Übereinstimmung mit allen Fraktionen vorgenommen haben, nämlich in Fortführung dieser Klausur eine Arbeits­gruppe einzusetzen. Ich appelliere an die Präsidiale, dieses Vorhaben endlich umzu­setzen, denn das hat mit unserem Selbstbewusstsein als Bundesräte zu tun und das hat auch mit der Zukunftsperspektive des Bundesrates an sich zu tun.

Ich denke – und dazu haben wir uns alle bekannt –, dass wir dazu eine eigenständige Stellungnahme erarbeiten wollen, und wann, bitte, wenn nicht jetzt, da eine Änderung oder eine Reform ansteht?! Ich appelliere daher an Sie alle, das ernst zu nehmen, was wir uns vorgenommen haben, denn meine Art als Bürgermeisterin ist es, Vorhaben, Versprechungen und Ziele einzuhalten und umzusetzen.

Ich freue mich auch, aus dem Mund des Herrn Bundeskanzlers – im Gegensatz zu früheren Aussagen – zu hören, dass Österreich eines der besten medizinischen Versor­gungs­systeme der Welt hat. Das ist richtig und erfreulich! Dennoch muss ich feststellen, dass in Gemeinden, in denen sich die Bevölkerungszahl in den letzten Jahrzehnten drastisch erhöht hat – teilweise gibt es sogar Gemeinden, in denen sich die Bevölkerungszahl verdoppelt hat –, die Zahl der Kassenverträge sowohl für praktische Ärzte als auch für Fachärzte im Sanitätssprengel nicht verändert und somit nicht den Erfordernissen der Patienten angepasst wurde. Das hat zur Folge, dass Patientinnen und Patienten beim praktischen Arzt sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen und auch bei den Fachärzten sehr lange Anmeldefristen akzeptieren müssen.

Mir gefällt es, wenn die neue Frau Gesundheitsministerin sagt, dass wir Zeit für die Patienten schaffen müssen, denn bei dem momentanen System sehe ich das nicht gegeben, dass nämlich ein niedergelassener praktischer Arzt die erforderliche Zeit für die Patienten aufbringen kann.

Die neue niederösterreichische Landesrätin, Frau Kadenbach, hat auch moniert, dass auf diesem Gebiet eine Verbesserung notwendig ist. Leider war heute eine herablas­sende Bemerkung des Obmanns der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, Hutter, in der „Presse“ zu lesen, wo er sagt, sie möge sich besser informieren, das stimme nicht.

Bitte, wir sind vor Ort, wir kennen die Erfordernisse, die Probleme der Bürger in den Gemeinden! Wenn man jetzt vom Schreibtisch aus sagt, das stimme nicht, dann kann ich alle nur auffordern: Bitte, gehen Sie in die Ordinationen! Schauen Sie, wie lange die


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Arbeitstätigen, die erst nach der Berufstätigkeit zu einem Arzt gehen, dort sitzen müssen und wie lange sich der Arzt tatsächlich Zeit für die Patienten nehmen kann! Wenn Sie dort sitzen und sagen, dass es nicht so ist, dann kommen Sie zu mir in die Gemeinde, ich nehme Sie mit zum Arzt!

Auch was die Vorsorgemedizin betrifft, haben wir in Österreich ein starkes Ost-West-Gefälle – sei es, dass die Ärzteschaft auf Grund der geschilderten Umstände zeitlich überfordert ist, oder sei es auch, dass die Aufklärung der Bevölkerung intensiviert werden muss. Ich sehe in diesen Bereichen Handlungsbedarf, der auf Grund des Bekenntnisses des Herrn Bundeskanzlers dazu, dass der Bedarf der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik steht, hoffentlich behoben wird.

Erfreulich ist auch, dass das, was in Niederösterreich ab dem Schuljahr 2007/2008 umgesetzt wird, nämlich die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 in den Volksschulen, Hauptschulen und Polytechniken, auch im Bund schrittweise durchge­führt werden soll. Auch die Effizienzsteigerung in der Schulverwaltung durch die Einrichtung der Bildungsregionen in Niederösterreich könnte als Vorbild dienen. Dies ermöglicht durch die Schaffung größerer Planungsbereiche einen flexibleren Personal­einsatz.

Im Schul- und Bildungsbereich ist die Wahlfreiheit der ganztägigen Schulformen sicherzustellen. Ich denke, dass auch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Kindergärten und den Volksschulen sinnvoll wäre, um schon im schulischen Vorfeld sprachliche und soziale Defizite aufarbeiten zu können.

Mehrkinderfamilien nicht nur monetär, sondern auch moralisch, das heißt im Stellen­wert der Gesellschaft zu stärken, scheint mir eine vordringliche Aufgabe in unserer Zeit zu sein. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine flexible Gestaltung des Kindergeldes und nicht nur eine Anhebung, sondern idealerweise auch eine Auflassung der Zuverdienstgrenze zu unterstützen, sind weitere wichtige Maßnahmen.

Überzogen finde ich die Forderung der Kinderfreunde, den Kindergarten in Nieder­öster­reich am Nachmittag ebenfalls kostenlos anzubieten. Das ist wahrscheinlich unter dem Blickpunkt, dass wir 2008 Landtagswahlen haben werden, zu betrachten. Ich empfehle den anderen Bundesländern, erst einmal den Standard einzuführen, der in Niederösterreich üblich ist, nämlich den kostenlosen Vormittagsbesuch.

Ich bin auch erleichtert darüber, das Bekenntnis zur Verantwortung unseren älteren Mit­menschen gegenüber verankert zu sehen, sei es zum einen dadurch, dass kein Pensionist beziehungsweise keine Pensionistin mehr unter der Armutsgrenze leben muss, indem der Ausgleichszulagenrichtsatz auf 726 € angehoben wird, sei es zum anderen im wichtigen Bereich der Pflege, ob zu Hause im Familienkreis oder durch mobile Dienste oder in den Senioreneinrichtungen.

Die 24-Stunden-Betreuung zu legalisieren, ist eine vordringliche Aufgabe. Aber auch die Erweiterung der mobilen Dienste und die Erhöhung der Zahl der Betten für die Tagespflege in Heimen sind erforderliche Maßnahmen, um unseren demoskopischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Auch da sind in Niederösterreich eingeführte Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger, nämlich der Urlaubszuschuss, die Pflege-Hotline, die Aufstockung der Betten für Tages-, Urlaubs- und Übergangs­pflege nach Entlassung aus dem Krankenhaus, empfehlenswerte Beispiele.

Mit einer Maßnahme habe ich allerdings Probleme und bin ich nicht zufrieden. Es steht nämlich im Regierungsprogramm drinnen, dass das Pflegegeld in dieser Legislatur­periode nur ein Mal angehoben beziehungsweise erhöht werden soll. Ich denke, dass eine regelmäßige Erhöhung des Pflegegeldes und eine Verstärkung der Beratungs-


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leistung sowie eine Berücksichtigung der Demenzkranken beim Pflegegeld Bestand­teile des Pflegepakets sein müssten.

Herrn Minister Faymann hätte ich gerne gesagt, dass er in Wien sehr erfolgreich tätig war, ich ihn aber bitten möchte, zu berücksichtigen, dass wir Grenzregionen haben, die auf Grund der früheren „toten Grenze“ einen enormen Aufholbedarf in der Infrastruktur haben, um Absiedelung und damit Verödung der Dörfer zu stoppen, Betriebsansied­lungen zu ermöglichen und damit auch Arbeitsplätze zu schaffen.

Ein Grundbedürfnis der Menschen ist Wohnen. So bin ich auch da froh darüber, dass – entgegen früheren Äußerungen – ein Bekenntnis zur Beibehaltung der Wohnbau­för­derung abgegeben wurde. Diese sichert nämlich nicht nur leistbare Wohnungen – wobei da mittlerweile fast 50 Prozent in die Sanierung von Altbauten investiert werden, und die Förderung ist umso höher, je mehr energiesparende Maßnahmen eingesetzt werden –, sie ist auch ein gewaltiger Investitionsfaktor, wodurch auch wieder Arbeits­plätze geschaffen werden.

Ein weiteres Grundbedürfnis ist es, Arbeit zu haben. Auf Grund der hervorragenden Wirtschaftsdaten, die bei uns gegeben sind, ist eine gute Basis dafür vorhanden, eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik weiterzuführen.

Ich hoffe im Interesse einer erfolgreichen Arbeit für unser wunderschönes Land, dass wir zusammenwachsen und lernen, miteinander respektvoll umzugehen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

19.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 


19.25.48

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Seit 11. Jänner dieses Jahres haben wir be­kannterweise eine Bundesregierung, die auf Grund des Wahlergebnisses der National­ratswahl 2006 gebildet wurde. Nach etlichen Wochen des Verhandelns – beziehungs­weise Nicht-Verhandelns – wurde es für eine Regierungsbildung meiner Meinung nach auch schon höchste Zeit.

Was erwarten sich nun die Österreicher und auch meine Wenigkeit von der neuen Bun­desregierung? – Der Mensch und das Wohl der Menschen in Österreich, denke ich, sollen im Mittelpunkt der Handlungen der neuen Bundesregierung stehen. Das war bekanntlich nicht bei allen Bundesregierungen in der Vergangenheit der Fall. (Bundesrätin Roth-Halvax: Na geh! Bitte! Also ...!)

Weitere Erwartungen: Ankurbelung des Wirtschaftswachstums; mehr Beschäftigung, das heißt, mehr Arbeitsplätze und Rückgang der Arbeitslosigkeit; Weiterentwicklung des Gesundheits- und Sozialsystems – mein persönliches Slogan diesbezüglich lautet: Medizinische Versorgung muss für alle leistbar und zugänglich sein! –; keine Aus­wüchse einer Zwei-Klassen-Gesellschaft (Bundesrätin Roth-Halvax: Was soll das? – Bundesrat Dr. Kühnel: Der Wahlkampf ist vorbei! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP); Bekämpfung der Armut; Bildung, und zwar ebenfalls für alle leistbar; Gleich­stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Umwelt- und Lebensqualität in unserem Land müssen erhalten beziehungsweise weiter verbessert werden.

Ich glaube, manche Kolleginnen und Kollegen haben ein schlechtes Gewissen. (Bun­desrätin Roth-Halvax: Geh, bitte!) Ich habe dezidiert keine Personen, auch keine Zeitspanne in der Vergangenheit erwähnt. – Ein sicheres Österreich, Bekämpfung der Kriminalität, Friede nach innen und außen sind ebenso notwendig.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 100

Das Wahlergebnis vom 1. Oktober 2006 hat gezeigt, dass zwei annähernd gleich starke Parteien aus der letzten Nationalratswahl hervorgegangen sind. Daher blieb – auch auf Basis des Regierungsauftrages unseres Bundespräsidenten – nur die Mög­lich­keit der Bildung einer großen Koalition übrig, die in Österreich bereits über Jahrzehnte Tradition hat.

Wenn zwei annähernd gleich starke Partner verhandeln, dann müssen sie Kom­promisse eingehen, um zu einem gemeinsamen Regierungsprogramm zu kommen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen liegt nun als Regierungsprogramm der XXIII. Ge­setzgebungsperiode vor. Mit den meisten inhaltlichen Bereichen kann ich mich auch persönlich identifizieren; natürlich nicht mit allen, aber in einer Demokratie muss auch Meinungsvielfalt erlaubt sein. Die Regierung wird, denke ich, jedenfalls an ihren Taten gemessen werden, und ich hoffe, dass am Ende der Legislaturperiode eine positive Bilanz steht.

Ich möchte nun einige Schwerpunkte des Regierungsübereinkommens ansprechen. Etliche Inhalte sind ja auch für die Länder und Gemeinden von entscheidender Bedeutung.

Im Regierungsprogramm finden sich zentrale Schwerpunkte des SPÖ-Wahlprogramms wieder, zum Beispiel die Bildungsoffensive, die Schaffung von Arbeitsplätzen, mehr soziale Fairness durch Verbesserungen im Gesundheits- und Sozialbereich, auch durch Bekämpfung der Armut.

Das Regierungsprogramm bedeutet aber auch Rückenwind für den bereits begon­nenen Aufschwung im Burgenland. Jetzt ist erstmals ein Gleichschritt zwischen Land und Bund bei der Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben und der Umsetzung auch landespolitischer Leitprojekte möglich, zum Beispiel – um nur einige zu nennen –: Zunahme der Beschäftigten, Ausbau der Tourismus-Infrastruktur, weitere Attraktivie­rung des öffentlichen Verkehrs, Weiterführung des Ausbaues des Gesundheitsange­botes, weitere Forcierung der Alternativenergien.

Im Zentrum des Regierungsprogramms steht aber auch eine Offensive für Wachstum und Beschäftigung – die heute schon einige Male angesprochen wurde –, mit dem Ziel der Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2010, das heißt: Reduzierung der Arbeitslosigkeit um rund ein Viertel. Die Senkung der Arbeitslosigkeit, vor allem aber die Senkung der Jugendarbeitslosigkeit, steht hier im Zentrum der Überlegungen, und dafür stehen auch beträchtliche Finanzmittel zur Verfügung.

Ein Meilenstein im Regierungsprogramm ist meiner Meinung nach auch die bedarfs­orientierte Mindestsicherung, die mit 726 € über der Armutsgrenze liegt.

Weitere Meilensteine: Auch die SPÖ-Forderung, dass 40/45 Jahre Arbeit genug sind, um abschlagsfrei in Pension gehen zu können, wird umgesetzt; und die Hackler­regelung wurde bis 2010 verlängert. Dies wurde heute ebenfalls bereits einige Male von Vorrednern erwähnt.

Besonders hervorzuheben ist auch, denke ich, dass Pensionsanpassungen in Zukunft mindestens in Höhe der Teuerungsrate vorgenommen werden. Davon sollen alle Pen­sionisten profitieren.

Für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur steht ein Gesamtpaket von 10,5 Milliarden € zur Verfügung – so viel wie nie zuvor! Davon profitieren letzten Endes auch Schienen- und Straßenbaumaßnahmen im Burgenland, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs­netzes sowie das Altbausanierungsprogramm mit Schwerpunkt Energiesparen.

Das Burgenland – dies möchte ich nur kurz erwähnen – setzt bereits seit Jahren auf den Ausbau der erneuerbaren Energie und wird dies verstärkt auch in Zukunft tun, mit


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dem Ziel, nach Möglichkeit 2013 energieautark zu sein. Es freut mich daher, dass der für uns Menschen, unseren Lebensraum und unsere Umwelt so wichtige Bereich der erneuerbaren Energie auch Eingang in das Regierungsprogramm gefunden hat und dass es bis 2010 auch zu einer Anhebung der Forschungsquote auf 3 Prozent des BIP kommen wird.

Die seit dem Jahr 2000 aufgerissene Kluft zwischen Arm und Reich soll durch mehr soziale Gerechtigkeit geschlossen werden, vor allem durch Maßnahmen wie Entlas­tung der Klein- und Mittelverdiener, Verbesserungen für Pendler, Einführung eines Mindestlohns von 1 000 € brutto im Monat.

Ein weiterer zentraler Schwerpunkt im Regierungsprogramm ist es meiner Meinung nach, dass der Pflegenotstand beseitigt wird und dass der Tendenz zu einer Zwei-Klassen-Medizin Einhalt geboten wird. Dies erfolgt vor allem auch durch Maßnahmen wie die Reduktion der Selbstbehalte bei Rezeptgebühren: Kein Versicherter zahlt mehr als 2 Prozent seines Einkommens an Rezeptgebühren.

In der neuen Legislaturperiode wird es auch zu einer deutlichen Verbesserung der Pflegesituation kommen. Dies ist eine europaweite Herausforderung. Hier ist großer Handlungsbedarf gegeben, der rasches Handeln erforderlich macht. Pflege muss für alle leistbar sein!

Positiv sehe ich auch der Stärkung des ländlichen Raumes entgegen – was ebenfalls im Regierungsprogramm verankert ist –, zum Beispiel durch mehr Geld für kleinere und mittlere Gemeinden, Stärkung der Länderautonomie, Forcierung moderner Kom­muni­kationstechnologien. Dadurch kann auch im Burgenland die Breitbandoffensive fortgeführt werden.

Von der neuen Bundesregierung erwarte ich auch eine Bestandsgarantie für die Gemeinden. Das heißt, Änderungen der Gemeindestruktur sollen nur dann möglich sein, wenn in den betroffenen Gemeinden auch die Bevölkerung zustimmt. In der Finanz­verfassung sollte ebenfalls ein ausreichendes formelles Anhörungs- und Verhandlungsrecht von Gemeinde- und Städtebund beim Finanzausgleich verankert werden.

Einen Schwerpunkt im Regierungsprogramm – das wurde heute auch von der zu­ständigen Ministerin bereits angesprochen und von einigen Vorrednern erwähnt – stellt zweifelsohne der Bildungsbereich dar. Im Bereich der Bildung gibt es nach Jahren des Stillstandes erstmals wieder – auch maßgeblich ausverhandelt von Landes­hauptmann Hans Niessl – ein umfassendes Maßnahmenpaket, um wieder ins inter­nationale Spit­zenfeld vorrücken zu können. Bildung ist ein Herzstück der neuen Regierungspolitik, wie ich meine.

Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 ist bereits eine jahrelange SPÖ-Forderung, vor allem auch im Burgenland, aber auch eine Forderung der Lehrer­gewerkschaft. Ein diesbezügliches Ansinnen wurde von der ehemals zuständigen Bundesministerin Gehrer in der Vergangenheit immer wieder abgewiesen, jetzt ist es aber Realität geworden. Von dieser Maßnahme profitieren vor allem größere Schulen; sie dient der Steigerung der Unterrichtsqualität und des Unterrichtsertrages.

Weiters kommt es auch zu einer Aufwertung der Schuleingangsphase beziehungs­weise der Vorschule. Ein bundesweiter Bildungsplan trägt auch zur Verbesserung des Überganges vom Kindergarten in die Volksschule bei und bietet auch bessere Möglichkeiten der sprachlichen Frühförderung.

Als wesentlich erachte ich auch die Ausweitung der Fördermöglichkeit für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und für Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache, die individuelle Förderung der Schüler sowie eine der modernen Pädagogik und den


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gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht werdende Fort- und Weiterbildung der Lehrer.

Bedarfsgerechter Ausbau ganztägiger Schulformen, Evaluierung des Unterrichts, Aktu­alisierung der Lehrpläne – um nur einige Beispiele zu nennen – haben ebenfalls Eingang in das Regierungsprogramm gefunden, wie auch die Schaffung von Bildungs­direktionen, was auch eine Bestätigung dafür ist, dass das Burgenland bereits den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Als weiteren Meilenstein sehe ich im Regierungsprogramm die Bildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr durch den Besuch einer weiterführenden Schule, durch ein Aus­bildungsprogramm oder eine Lehrstelle. Diesen Schwerpunkt hat Bundeskanzler Gusenbauer selbst in diesen Räumlichkeiten vor einigen Stunden ebenfalls ange­sprochen.

In der Erwachsenenbildung kommt es durch die Verbesserung der Bildungskarenz, die Erleichterung des Zuganges zur Weiterbildung beziehungsweise den Ausbau der Bildungsberatung und die Einführung eines bundesweiten Bildungspasses ebenfalls zu einer Qualitätssteigerung.

Ein Wermutstropfen im neuen Regierungsprogramm ist meiner Meinung nach die Beibehaltung der Studiengebühren. Hier wissen wir, dass die ÖVP zu einer völligen Aufgabe derselben leider nicht bereit war. Ich denke daher, dass ein Überdenken dieser Regelung notwendig ist. Eine Befreiung von den Studiengebühren könnte ich mir als sehr weitreichend vorstellen, zum Beispiel in Form von freiwilligem Einsatz der Studenten in so genannten Blaulichtorganisationen – wie das jetzt schon zahlreich der Fall ist –, aber auch in Vereinen, wenn Studenten in der Jugendarbeit tätig sind.

Als weiteren Meilenstein für die SPÖ – und ich denke, auch als kleinen persönlichen Erfolg – betrachte ich einen weiteren inhaltlichen Bereich im Regierungsprogramm. In der Plenarsitzung vom 21.4.2006 brachte ich diesbezüglich einen Entschließungs­antrag ein, gerichtet an die Bundesregierung. Mit den Stimmen von SPÖ und Grünen wurde er damals gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen mehrheitlich ange­nommen.

Hätte es die Nationalratswahl mit dem uns bekannten Ausgang im vorigen Jahr nicht gegeben, würde dieser Entschließungsantrag wahrscheinlich noch weiterhin in der Schublade der alten, der ehemaligen Regierung dahinvegetieren. Ich meine damit den von mir in der Sitzung des Bundesrates am 21. April vorigen Jahres eingebrachten Entschließungsantrag für Wählen ab 16 auch bei bundesweiten Wahlen. Dieser Themenkomplex wurde ja heute ebenfalls bereits einige Male verbalisiert. Burgenlands Gemeinden und das Land Burgenland sind auch hier – neben einigen weiteren Bundesländern – österreichweit als Vorbild anzusehen.

Ich danke daher vor allem meinen Kollegen von der ÖVP dafür, dass sie von ihrer ursprünglichen Meinung, Wählen ab 16 auf Bundesebene erst dann zu ermöglichen, wenn Wählen ab 16 auf Länderebene in allen Ländern eingeführt wurde, abgegangen sind, und freue mich darüber, dass die ÖVP unseren Antrag „Wählen ab 16 auch auf Bundesebene“ nun ebenfalls unterstützt und dadurch den Jugendlichen ihr demokratisches Recht, auch bei bundesweiten Wahlen mitentscheiden zu dürfen, nicht weiter verwehrt. Ich darf mich im Namen aller Jugendlichen Österreichs nochmals sehr herzlich für diese demokratiepolitische Reife und Einsicht bedanken.

Als positiv erachte ich zuletzt noch die Verankerung der Kinderrechte als Grundrechte in der Bundesverfassung und endlich auch eine österreichweite Vereinheitlichung der Jugendschutzregelungen. Vom neuen Regierungsprogramm werden auch, denke ich, kräftige Impulse für die Länder, aber auch für die Gemeinden ausgehen.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 103

Zuletzt noch einige konkrete Erwartungen an die Bundesregierung aus burgen­ländischer Sicht: Bei den Studiengebühren wird der burgenländische Weg – im Burgenland die völlige Abschaffung – fortgesetzt. Dies soll auch österreichweit ein Vorbild sein.

Das Burgenland erwartet sich von der neuen Bundesregierung auch die entsprechende Unterstützung beim weiteren Ausbau der Infrastruktur und bei der Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs. Die Konturen der Steuerreform – dieser Themenbereich wurde heute ebenfalls bereits angesprochen – müssen bald sichtbar werden. Arbeitnehmer, Pendler, Klein- und Mittelbetriebe sollen sich auf erwartbare Entlastungen bald einstellen können.

Eine erfreuliche Sache: Das Burgenland stellt nach zehn Jahren, wie wir wissen, wieder einen Bundesminister. Norbert Darabos hat als Verteidigungsminister ein sicherheitspolitisches Schlüsselressort inne und ist die Stimme des Burgenlandes in der neuen Regierung. (Ruf bei der ÖVP: Kaisersteinbruch ausgenommen!) Ich wün­sche ihm daher, dass es ihm gelingt, in der Eurofighter-Frage eine möglichst kosten­günstige Lösung zu finden. Er kennt auch persönlich das Sicherheitsbedürfnis der Burgenländer und der Menschen, die an der Grenze wohnen.

Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Frau Staatssekretärin, gegenwärtig als Vertreterin der neuen Bundesregierung! Das Regierungsprogramm trägt in wesent­lichen Bereichen auch sozialdemokratische Handschrift. Das Regierungsprogramm soll dazu beitragen, dass es den Österreichern in vier Jahren, am Ende der momentan laufenden Legislaturperiode, besser geht als heute und dass der versprochene Kurswechsel in den Kernbereichen Arbeitsmarkt, Bildung, Soziales, Gesundheit und Fairness entsprechend durchgeführt wird, hin zu mehr Solidarität, Gerechtigkeit und Chancengleichheit in der Gesellschaft.

Um diese Ziele zu erreichen und die Erwartungen der Bevölkerung nicht zu ent­täuschen, wünsche ich allen Mitgliedern der neuen Bundesregierung alles Gute und viel Erfolg für die Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


19.41.19

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Nur die Harten kommen durch – es dauert nicht mehr lange!

Herr Kollege Preiner! Bei einer Gruppe haben Sie vergessen, sich zu bedanken: bei jenen jungen Grundwehrdienern, die an Ihrer Grenze stehen und dafür sorgen, dass nicht berechtigte und nicht legale ausländische Einwanderungsflüchtlinge nicht zu uns kommen. Denen gebührt nämlich auch ein Dank, und da ist, glaube ich, Ihr berühmter Minister jetzt nicht gerade das größte Vorbild. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht mir als einfacher steirischer Bun­des­rat natürlich nicht zu, hier das gesamte Regierungsprogramm zu kommentieren. Das ist auch nicht meine Absicht. Meine Stimme ist etwas angegriffen nach einem zwölfstündigen Einsatz beim Nachtslalom in Schladming im Dienste der Wirtschafts­kammer. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)

Herr Kollege Breiner von den Grünen! Ich freue mich ja, dass Sie das Erbe der Ruperta Lichtenecker übernommen haben. Aber ich glaube, wirtschaftspolitisch sind wir noch nicht ganz dort, wo wir vielleicht die Ruperta in den letzten Sitzungen gehabt haben. Denn sie könnte Sie aufklären über die Mitgliederstruktur in den Wirtschaftskammern Österreichs.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 104

In der Steiermark haben wir 50 000 Mitglieder; von ihnen sind knapp 3 000 Industrielle, alle anderen sind Klein- und Mittelbetriebe. 20 000 haben überhaupt keinen Mitarbeiter, und so weiter. Die EPUs sind also in der Wirtschaftskammer gut aufgehoben, und wir tun alles dafür, dass sie mehr werden. (Bundesrätin Kerschbaum: Ah, das ist die ÖVP, die Wirtschaftskammer?) Ein kleiner Wermutstropfen im Regierungsprogramm aus unserer Sicht, aus der Wirtschaftssicht, ist, dass es uns nicht gelungen ist, hinein­zuverhandeln, das bei den EPUs der erste potentielle Mitarbeiter ein Jahr lohn­nebenkostenfrei gestellt wird. Das wären in etwa 5 000 neue Arbeitsplätze, wenn das funktioniert. Aber vielleicht gelingt uns das noch in den nächsten vier Jahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf schon darauf hinweisen, dass es vor allem Minister Bartenstein war, dem es gelungen ist, in den Verhandlungsteams mit Minister Buchinger doch vom arbeitslosen Grundeinkommen zur bedarfsorientierten Mindestsicherung zu kommen. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Unterschied.

Letzten Endes gilt grundsätzlich: Wer die Leistungsgesellschaft in Österreich per se in Frage stellt, stellt den Wohlstand unserer Gesellschaft in Frage. Das stammt gar nicht von mir, sondern – siehe da! – vorige Woche stand in der „Presse“ ein Interview mit dem jetzigen Bundeskanzler Dr. Gusenbauer. Also zeigt sich auch hier eine sehr positive Wandlung – aus unserer Sicht – vom Saulus zum Paulus. In der Beziehung hoffe ich, dass diese Wandlung auch die ganzen vier Jahre anhält und dass nicht versucht wird, die Koalitionsvereinbarungen dann auszuhöhlen. (Bundesrätin Kersch­baum: Vielleicht wird er irgendwann einmal schwarz!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Steiermark steht vor allem auf dem Infrastrukturgebiet Großes bevor. Ich hoffe, dass der neue Minister hier nicht nur Verständnis hat, sondern sich auch moralisch verpflichtet fühlt, die gegebenen Zusagen aus den vergangenen Perioden – sprich Koralmtunnel, Semmeringtunnel, 380-kV-Leitung – positiv zu beurteilen und auch mitzufinanzieren.

Ich glaube, wenn man in Österreich die Infrastruktur vergleicht und die Bahnver­bindungen von Wien nach Salzburg ansieht – wir haben keinen Neid, aber ich sage: Wir sind gleichberechtigte Staatsbürger, wir möchten auch eine Südverbindung haben, die dem heutigen Zustand und Standard einer modernen Eisenbahn entspricht. Daher sind diese beiden Tunnels aus meiner Sicht unabdingbar und in der nächsten Zeit notwendig.

Ein weiteres Problem – und das ist heute bei vielen Debattenrednern angeklungen – ist die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 Schüler. Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung; ich persönlich glaube aber nicht daran, dass damit schon alles paletti ist. Im Gegenteil, einer meiner Söhne geht noch in die Volksschule, dort sind zwölf oder 13 Schüler, und meine Frau sitzt trotzdem jeden Tag eine Stunde oder eineinhalb Stunden bei ihm und schaut, ob er die Aufgaben nicht nur macht, sondern sie auch richtig macht. (Bundesrätin Bachner: Es ist immer die Frau!)

Ich glaube also, dass im didaktischen Bereich der Lehrer bei der Wissensvermittlung auch einiges zu tun ist. Denn die Lehrinhalte in der Volksschule haben sich wohl nicht so wahnsinnig stark geändert. Die Kulturtechniken Lesen, Rechnen und Schreiben müssten meiner Ansicht nach in vier Jahren so zu vermitteln sein, dass die Eltern nicht jeden Tag eine Art Nachhilfelehrer sind. Ich denke, als betroffener Familienvater kann ich das jeden Tag beurteilen, und es kostet auch Aufwand und Nerven. In der Beziehung geht es nicht nur um absolute Zahlen, sondern es ist vielleicht auch inhaltlich daran zu arbeiten, dass die Wissensvermittlung in diesem Bereich profes­sionalisiert wird.

Vielleicht zum Abschluss noch Folgendes, weil es in der öffentlich dargestellten Meinung doch oft so aussieht, als ob die sozialdemokratische Fraktion bei den Regie-


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 105

rungsverhandlungen nicht so gut abgeschnitten hätte, wie sie gerne wollte oder wie es ihr laut Wahlergebnis zugestanden wäre. Dazu darf ich schon darauf hinweisen, dass die SPÖ in diesem Lande nahe der absoluten Macht ist: Bundespräsident, Mehrheit im Nationalrat, Mehrheit im Bundesrat, die großen Städte, vier Bundesländer, der ORF! (Bundesrat Boden: Und alles, was wir noch dazu gewinnen!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben daher keinen Grund zur Traurigkeit oder zur Weinseligkeit – zur Weinerlichkeit, Entschuldigung! (Bundesrat Konecny: Zur „Weinseligkeit“! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Die kommt heute hoffentlich später! – Aber ich hoffe, dass Sie diese Rolle als der Erste im Staate so verstehen, dass Sie das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Dann werden wir die nächsten vier Jahre überleben. (Bundesrat Konecny: Ich glaube, auch bei Ihnen ...!) Und sonst gibt es eine neue Lösung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte.

 


19.47.28

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! Das Regierungsprogramm dieser Regierung wurde in meinem Bundesland durchaus unterschiedlich beurteilt, von den politischen Kräften unterschiedlich beurteilt, auch kritisch diskutiert. Ich bin aber trotzdem überzeugt davon, dass diese Regierung die richtigen Antworten finden wird, um die bevorstehenden Herausforderungen zu meistern. Ich möchte meinen Themen­block auch ein bisschen dem Thema Wirtschaft widmen, und ich bin der Meinung, wenn man dieses Regierungsprogramm liest, dann sieht man schon auch eine andere Ausrichtung in der Wirtschaftspolitik, als sie es in der letzten Regierung war.

Wie Sie wissen, sind mir gerade die kleinen und mittleren Unternehmungen ein besonderes Anliegen. Darum finde ich es positiv, dass erkannt wurde, dass man die Bedingungen für die KMUs verbessern muss und auch verbessern wird.

Mir geht es ein bisschen anders als dem Kollegen Perhab. Wenn ich mit EPU-lern spreche – und das tun Sie offenbar zu wenig oft –, dann sagen mir die eines, und zwar fast durchgängig: Ich bin von der Wirtschaftskammer nicht vertreten. – Da haben wir offenbar eine ganz andere Wahrnehmung und eine ganz andere Information. Ich glaube, dass man gerade in diesem Bereich ansetzen muss, und sage auch gleich dazu, dass mir diesbezüglich zu wenig im Regierungsprogramm drinsteht. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Aber es ist auch die Wirtschaftskammer gefordert, im Bereich der EPUs etwas zu tun und sich verstärkt dafür einzusetzen.

Bei den KMUs und bei den kleinen Unternehmen braucht es einerseits die schon lange geforderte Entlastung des Faktors Arbeit, aber auch Anreize, um Unternehmensinves­titionen zu ermöglichen. Diese Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, dass güns­tiges Kapital bereitgestellt wird, um nötige Unternehmensinvestitionen zu ermöglichen. Die Förderrichtlinien werden in Zukunft – und das halte ich ebenfalls für einen wichtigen Schritt – auch auf die Beschäftigungswirkung und auf das Setzen von Wachstumsimpulsen hin überprüft werden.

Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt seit gut vier Jahren selbstständig und kann mich sehr gut an meine Gründungsphase erinnern. Wenn es in Zukunft mehr Unter­stützung für die Jungunternehmerinnen und -unternehmer gibt, wie zum Beispiel das Anliegen, wirklich einen One-Stop-Shop bei der Gründung zu ermöglichen, auch inklusive aller Fördersysteme, ein ausreichendes Angebot an Gründerservice zu stellen und – und das, denke ich, sollten wir verstärkt und sehr ambitioniert angehen – ein


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gefördertes beziehungsweise finanziertes Gründer-Coaching, dann wären das die dringenden Maßnahmen, die die Jungunternehmer bräuchten. Ich bin auch der Meinung, dass es diesen Stabilitätsfonds für junge, innovative UnternehmerInnen für das notwendige Risikokapital braucht und dass dieser möglichst rasch umgesetzt werden soll.

Ein ähnlich ambitioniertes Ziel setzt sich diese Bundesregierung auch bei den Betriebs­übernahmen. Da müssen wir schauen, dass es zu einer Änderung im Mietrechtsgesetz kommt, weil das bei den Übernahmen von Geschäftslokalmieten oft ein Punkt ist, der Schwierigkeiten schafft. Wenn man das Mietrechtsgesetz in einer Form ändert, dass es hier leichter ist und dass es einen besonderen Schutz für Geschäftsübernahmen bietet, dann ist das auch ein Vorteil für die UnternehmerInnen, die sich dazu entschließen, ein Unternehmen zu übernehmen.

Eine weitere Maßnahme begrüße ich besonders, und zwar soll es in Zukunft ein Qualitätssiegel für Meisterbetriebe geben. Dies soll dazu dienen, einen hohen Qualitäts­standard zu sichern, und unter anderem ist es eine wichtige Orientierungshilfe für die Konsumentinnen und Konsumenten. Ich hoffe nur, dass es wirklich ein Qualitätssiegel ist und dass es kein Siegel ist, das wieder breit gestreut wird. Da muss man wirklich schauen, dass es auf einem hohen Niveau angesiedelt ist, dass man den Qualitätsbetrieb erkennt und dass er auch für den Konsumenten erkennbar ist.

Über das Festhalten am dualen Ausbildungssystem und über die Wichtigkeit der Aufwertung der Lehre wurde heute schon sehr viel gesagt; ich kann das relativ kurz fassen. Wichtig wird es sein – auch wenn wir uns die demographische Entwicklung anschauen –, dass wir den Status des Lehrberufs anheben. Ich glaube, dass es so sein sollte, dass es auch wieder einen entsprechenden Wert unter den jungen Menschen hat, eine Lehre zu machen. Das ist eines der Probleme, die ich hier sehe. Es muss da ein Bemühen vorhanden sein, dass auch in Zukunft genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Ich möchte aber eines auf keinen Fall verabsäumen; und da schließe ich ein bisschen an den Finanzminister an, der heute Mittag gesprochen hat. Ich hätte mir von diesem neuen Regierungsprogramm erwartet – und das ist eine meiner Enttäuschungen, die ich hier auch nicht verhehlen möchte –, dass es im Unternehmensbesteuerungsbereich eine Änderung gibt. Ich bin nicht damit zufrieden, dass man die Gruppenbesteuerung beibehält; das ist ein Punkt, den ich hier anmerken möchte. Da bin ich nach wie vor der Meinung und stehe dazu, dass diese Gruppenbesteuerung nur den ganz großen Konzernen hilft. Kollege Perhab hat das vorhin am Beispiel der steirischen Wirtschafts­kammer und der Mitgliederstruktur der steirischen Wirtschaftskammer ausgedrückt, dass es wirklich nur sehr wenigen hilft und dass viele Kleine davon nicht profitieren können, weder von der KöSt-Senkung, die es gegeben hat, noch von der Gruppen­besteuerung.

Heute Mittag hat der Herr Finanzminister davon gesprochen, wie wichtig eine Bundes­staatsreform, eine weit reichende Bundesstaatsreform ist. Er hat auch gesagt, dass da die Länder und die Gemeinden gefordert sein werden, und gerade in Richtung der sozialdemokratischen Landeshauptleute hat er gemeint, er ist neugierig, wie diese Verhandlungen laufen werden. Dazu lässt ihm, fast zeitgleich, der Vorarlberger Landeshauptmann ausrichten, dass er auf eine nur ganz kleine Bundesstaatsreform hofft. Offenbar wird also Herr Finanzminister Molterer in erster Linie einmal schauen müssen, dass er vielleicht die ÖVP-Landeshauptleute davon überzeugen kann, dass es eine Bundesstaatsreform braucht und dass diese notwendig ist.


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Zum Abschluss meines Debattenbeitrags komme ich noch zu einem Thema, das mir persönlich sehr, sehr wichtig ist: Es ist das Thema Nichtraucherschutz. Seit einigen Monaten schon setze ich mich damit auseinander, und ich bin froh darüber, dass es wirklich ein klares Bekenntnis dazu in diesem Regierungsprogramm gibt und dass klar niedergeschrieben ist, dass der Nichtraucherschutz verstärkt werden muss.

Es geht hier nicht nur um das immer wieder diskutierte und auch von mir ange­sprochene Rauchverbot in der Gastronomie. Das ist ein wichtiger Punkt, und das wird es auch in Zukunft – davon bin ich überzeugt – in Österreich geben. Ich glaube auch, dass es ausreichender Maßnahmen im Rahmen der Prävention bedarf; ich glaube, dass es auch ausreichende Maßnahmen geben muss, dass man den Leuten den Ausstieg aus der Nikotinsucht erleichtern und ermöglichen kann.

Was wichtig ist – da hat die Frau Gesundheitsminister heute Mittag einen wichtigen ersten Schritt gemacht –, ist ein klares Bekenntnis auch des betreffenden Regierungs­mitgliedes zu diesem Regierungsprogramm. Es ist nicht gut, bei diesem Thema zu polarisieren, und ich glaube, hier braucht es eine klare und deutliche Position auch von der Frau Minister. So eindeutig, wie sie heute war, wünsche ich mir das auch in Zukunft, dann in der Öffentlichkeit und bei den nächsten Interviews.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen letzten Gedanken fassen! Es hat in den letzten Wochen natürlich auch die eine oder andere Enttäuschung gegeben, die sich eben aus dieser einzig möglichen Option einer Koalition nach der Wahl am 1. Okto­ber 2006 ergeben hat. Die eine oder andere Forderung oder Wunsch hat sich nicht erfüllt.

Aber eines steht für mich im Vordergrund: Wir haben eine neue Regierung, die sich das Ziel gesetzt hat, Österreich gerechter und sozial ausgewogener zu gestalten. Für mich ist Alfred Gusenbauer an der Spitze dieser Regierung ein Garant dafür, dass dieses Regierungsprogramm in diesem Sinne umgesetzt wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Jany. – Bitte.

 


19.56.57

Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Geschätzte Dame und Herren! Diese Regierung hat sich dazu entschlossen, gemein­sam für Österreich zu arbeiten. Unser Land steht gut da: Wir haben die höchste Beschäftigung innerhalb der Europäischen Union. Wir haben eines der besten Pensions- und Gesundheitssysteme der Welt, eine Wachstumsrate von 3,2 Prozent, also die besten Aussichten für die Zukunft unseres Landes.

Diese Regierung hat sich zu einem sorgsamen Umgang mit den Steuergeldern und zur Umsetzung des Regierungsprogramms ohne wesentliche Belastungen für die Bürger verpflichtet. Das Regierungsübereinkommen steht für eine Wirtschafts- und Standort­sicherung mit Vollbeschäftigung, für eine faire Arbeitswelt durch einen Kollektivvertrag mit 1 000 € Mindestlohn und für die Beibehaltung der Sonntagsruhe bei den Laden­öffnungszeiten.

Entscheidende Impulse werden in der Förderung im Rahmen der Familienpolitik gesetzt. Die Wahlmöglichkeit beim Kinderbetreuungsgeld soll flexibler werden, und die Mehrkindfamilien sollen zusätzlich gefördert werden.


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 108

Für den Ausbau von Straße und Schiene ist ein Investitionsvolumen von 10 Milliar­den € vorgesehen.

Die Bundesregierung bekennt sich zur Stärkung des ländlichen Raums. Mit dem Grü­nen Pakt für Österreich ist ein umfassendes Programm zur Förderung und Entwick­lung des ländlichen Raums vorhanden.

Das vorliegende Regierungsprogramm ist eine gute Grundlage für die positive Entwicklung der heimischen Landwirtschaft. Die Kofinanzierung der 3,9 Milliarden € aus Brüssel in der Förderperiode von 2007 bis 2013 für die ländliche Entwicklung – damit kein Euro in Brüssel liegen bleibt! – ist gesichert. Die drei Säulen – diese „sechs Zeilen“, wie Herr Kollege Kampl vorhin bemerkt hat – sind wesentliche Säulen: das Bergbauernprogramm mit 276 Millionen €, das Umweltprogramm ... (Bundesrat Ing. Kampl: Kollege, das ist Landwirtschaft! Ich rede vom ländlichen Raum!) – Schon; das betrifft den ländlichen Raum. Ich komme noch zum ländlichen Raum. – Das Bergbauernprogramm mit 276 Millionen €, das Umweltprogramm mit 527 Millionen € sowie die Investitionsoffensive mit jährlich 96 Millionen € für den ländlichen Raum werden die Klein- und Mittelbetriebe und unsere Gemeinden stärken.

Das Ziel dieser Bundesregierung ist die Sicherstellung einer nachhaltigen Energie­versorgung für Österreich in den kommenden Jahren. Für die Erhöhung der Ver­sorgungssicherheit mit Energie und die Reduktion der Importe fossiler Energie soll verstärkt auf erneuerbare Energieträger, auf Energiesparen sowie Energieforschung und neue Energietechnik gesetzt werden. Ich nenne als ein Beispiel nur Güssing im Burgenland, dort wird schon jahrelang geforscht.

Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energie auf 25 Prozent bis 2010 und auf 45 Prozent bis 2020 sowie die Umstellung von 100 000 Haushalten auf erneuerbare Energie bis zum Jahr 2010 und von mindestens 400 000 Haushalten bis 2020 sowie die Steigerung des Anteils alternativer Kraftstoffe im Straßenverkehr auf 10 Prozent bis 2010 und auf 20 Prozent bis 2020 tragen wesentlich zum Klimaschutz bei und sind auch gut für unsere Umwelt. Erneuerbare Energie ist die Zukunft für die Landwirtschaft und schafft Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Dieses Regierungsprogramm – die Stärkung des Wachstums, stabile Staatsfinanzen, keine Belastungs- und Schuldenpolitik und eine vernünftige Umwelt- und Energie­politik – wird unser Land in Zukunft weiter nach vorne bringen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

20.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


20.01.27

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Regie­rungsbildung wurde heute schon sehr viel gesagt: zur Erklärung des Herrn Bun­deskanzlers, zur Regierungserklärung und auch zu den Redebeiträgen der übrigen Regierungsmitglieder, die heute anwesend waren und die die Debatten der Bun­desrätinnen und Bundesräte verfolgt haben.

Aber, geschätzte Damen und Herren, mir ist es ein Anliegen, dass die Bundes­staatsreform voranschreitet! Wenn ich heute aus dem Bundesrat ausscheiden und hier in Wien im Bundesrat meine letzte Sitzung haben werde, dann ist es mir ein Anliegen, dass die Bundesstaatsreform in vielen Bereichen vorangetrieben wird. Wie unser Klub­vorsitzender Albrecht Konecny schon 2003 sagte, soll die Rolle des Bundesrates


BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 109

modernisiert und auf die Bedürfnisse der Länder ausgerichtet werden. – Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Die Regierung hat sich aber heute auch klar zu den Reformen in vielen Bereichen bekannt. Sie wird sie umsetzen und notwendige Korrekturen zu Entwicklungen aus der Vergangenheit durchführen.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war seit Oktober 2003 im Bundesrat vertreten, und es war doch eine sehr aufregende Zeit, denn im Oktober 2003 waren wir von der Opposition hier im Bundesrat noch in der Minderheit, und durch die verschiedenen Landtagswahlen – durch die starken Wahl­erfolge in Salzburg, in Oberösterreich und in der Steiermark – ist es hier in der Länderkammer gelungen, der Opposition eine Mehrheit zu verschaffen.

Es gab ein großes Spannungsfeld bei den verschiedenen Abstimmungen. Die Mehrheits­verhältnisse waren hier immer anders, und bei den Abstimmungen konnte man auch verschiedene Zusammensetzungen feststellen. Hier wurde die Demokratie gelebt, meine Damen und Herren, und das wurde auch beim Stimmverhalten sichtbar! Ich war gerne Vertreter des Landes Oberösterreich, ich war gerne hier im Bundesrat, ich habe hier viele Freunde gewonnen und möchte diese Zeit nicht missen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde diese Zeit hier nicht vergessen. Ich wünsche Ihnen ein herzliches Glückauf und alles Gute für die Zukunft! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

20.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Auch wir danken Ihnen für Ihre Kollegialität und Ihre sachlichen Diskussionsbeiträge. Ich hoffe, dass Sie sich im Oberösterreichischen Landtag genauso wohl wie hier fühlen können.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Konecny, Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Unterstützung und Umsetzung des Regie­rungs­programms vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 219-BR/06.)

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Kärntner Ortstafeln vor. (Unruhe im Saal.) – Ich bitte um ein bisschen Ruhe. – Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


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20.05.55Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 16 Anfragen – 2467/J bis 2482/J – eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, 16. Feber 2007, 9 Uhr in Aussicht genommen. Für die Tagesordnung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 13. Feber 2007, ab 15 Uhr vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.06.38Schluss der Sitzung: 20.06 Uhr

 

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