Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

743. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Donnerstag, 22. März 2007

 

 


Stenographisches Protokoll

743. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 22. März 2007

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. März 2007: 9.03 – 16.48 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz geändert wird

2. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament

3. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2005

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

5. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht der Bundesministerin für auswärtige An­gelegenheiten

6. Punkt: Bericht betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichi­schen Entwicklungspolitik 2006–2008, vorgelegt von der Bundesministerin für auswär­tige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsge­setz 1998 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Hoch­wasseropferentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2005 geändert werden

9. Punkt: Jahresvorschau 2007 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jah­resprogramms des Rates

10. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Ing. Hermann Haller sowie Wahl eines Mit­gliedes und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ........................................................................................................................................... 7


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 2

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat .................................................................................................................. 8

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Arti­kel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz         ............................................................................................................................... 39

Angelobung des Bundesrates Alfred Schöls ............................................................... 9

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Fragestunde (124.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 10

Ing. Reinhold Einwallner (1534/M-BR/07); Edgar Mayer, Elisabeth Kerschbaum

Mag. Harald Himmer (1531/M-BR/07); Albrecht Konecny, Stefan Schennach

Stefan Schennach (1537/M-BR/07); Albrecht Konecny, Martina Diesner-Wais

Helmut Wiesenegg (1535/M-BR/07); Dr. Franz Eduard Kühnel, Eva Konrad

Dr. Franz Eduard Kühnel (1532/M-BR/07); Harald Reisenberger, Stefan Schenn­ach, Ing. Siegfried Kampl

Monika Mülwerth (1538/M-BR/07); Eva Konrad, Albrecht Konecny, Alfred Schöls

Maria Mosbacher (1536/M-BR/07); MMag. Barbara Eibinger, Franz Breiner

Josef Saller (1533/M-BR/07); Karl Boden, Franz Breiner, Peter Mitterer

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Enthebung der Bundesministerin ohne Portefeuille Doris Bures vom Amt sowie gleichzeitige Ernennung von Frau Doris Bures zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt mit der Bezeichnung Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst durch den Bundespräsidenten ..................................................... 38

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Enthebung des Bundesministers ohne Portefeuille Dr. Johannes Hahn vom Amt sowie gleichzeitige Ernennung von Herrn Dr. Johannes Hahn zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung durch den Bundespräsidenten                    39

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 40

Wahlen in Institutionen

10. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versamm­lung des Europarates              ............................................................................................................................. 125

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 40


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 3

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ökostromgesetz geändert wird (114/A und 35 d.B. sowie 7663/BR d.B.) .................... 41

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 41

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  41, 48

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 43

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 44

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 45

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 46

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 47

Martin Preineder ........................................................................................................... 49

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen............................................................ 50

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament (III-314-BR/2007 d.B. sowie 7664/BR d.B.) ........................ 51

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 51

3. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2005 (III-306-BR/2006 d.B. sowie 7665/BR d.B.) ................................................................................ 51

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 51

Redner/Rednerinnen:

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 51

Christine Fröhlich ................................................................................................... ..... 54

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 55

Staatssekretärin Christine Marek ........................................................................  56, 72

Reinhard Winterauer .............................................................................................. ..... 59

Michaela Gansterer ................................................................................................ ..... 61

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 62

Helmut Wiesenegg ................................................................................................. ..... 64

Helmut Kritzinger ................................................................................................... ..... 65

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 66

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 68

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 70

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, den Bericht III-314-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 74

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, den Bericht III-306-BR/06 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 75

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (11 d.B. und 32 d.B. sowie 7660/BR d.B.)                             75


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 4

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ......................................................................... 75

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 75

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 77

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 78

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ................................................................................ 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 81

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht der Bundesministerin für auswär­tige Angelegenheiten (III-316-BR/2007 d.B. sowie 7661/BR d.B.) ................................................................................ 81

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ......................................................................... 81

6. Punkt: Bericht betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Öster­reichischen Entwicklungspolitik 2006–2008, vorgelegt von der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik (III-312-BR/2007 d.B. sowie 7662/BR d.B.) ................................... 81

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ......................................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 82

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 84

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 88

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 91

Helmut Kritzinger ................................................................................................... ..... 94

Hans Ager ................................................................................................................ ..... 95

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ..... 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-316-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 101

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, den Bericht III-312-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 101

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 1998 ge­ändert wird (97/A und 26 d.B. sowie 7659/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 101

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 101

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad .............................................................................................................. ... 101

Peter Florianschütz ................................................................................................ ... 103

MMag. Barbara Eibinger ........................................................................................ ... 104

Bundesminister Dr. Johannes Hahn .................................................................... ... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 106

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Hochwasseropfer­entschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2005 geändert werden (25 d.B. und 34 d.B. sowie 7657/BR d.B.) ....................................... 106


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 5

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 107

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ............................................................................................................ 107

Edgar Mayer ................................................................................................................ 108

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 110

Renate Seitner ......................................................................................................... ... 112

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 113

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ... 114

Roswitha Bachner ...................................................................................................... 115

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ................................................................ 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 120

9. Punkt: Jahresvorschau 2007 des Bundesministeriums für Finanzen auf
der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie
des operativen Jahresprogramms des Rates (III-313-BR/2007 d.B. sowie 7658/BR d.B.)                            120

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 120

Redner/Rednerinnen:

Günther Molzbichler ............................................................................................... ... 120

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 122

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ... 123

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-313-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 125

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft be­treffend Errichtung neuer Atomkraftwerke in der Schweiz (2490/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Verkehrsinfrastruktur – Umsetzung des Regierungsprogramms (2491/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Berichte der Bundeslän­der gemäß Zweckzuschussgesetz § 1 Abs. 4 (i.d.g.F.) (2492/J-BR/07)

Günther Molzbichler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Äußerung von Landeshauptmann Dr. Haider zur Staatsanwaltschaft Klagenfurt (2493/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Begünstigung bestimmter pauschalierter Aufwandsent­schädigungen (2494/J-BR/07)

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Kasernenverkäufe für leistbaren Wohnraum (2495/J-BR/07)

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend bürokratische Fallen und Hürden bei der Inanspruch-


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 6

nahme der Versicherungsleistung beim praktischen Arzt nach Einführung der e-card (2496/J-BR/07)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend 4-Tageszustellung durch die Post? (2497/J-BR/07)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit, Familie und Jugend betreffend Asbest (2498/J-BR/07)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Asbest (2499/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend gemeinsame Prüfung aller lohnabhängi­gen Abgaben (2500/J-BR/07)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechnungshofbericht zum Österreichischen Archäologischen Institut (2269/AB-BR/07 zu 2466/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Österreichische Strategie zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BINE) (2270/AB-BR/07 zu 2467/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Land-, forst- und wasserwirtschaftliches Rechenzentrum (LFRZ) (2271/AB-BR/07 zu 2469/J-BR/06)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Strategie zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BINE) (2272/AB-BR/07 zu 2468/J-BR/06)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulintegration in Tirol (2273/AB-BR/07 zu 2471/J-BR/07)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hand­habung der von der Schweiz nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zu leistenden Vergütung (2274/AB-BR/07 zu 2470/J-BR/06)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundes­räte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für TeilnehmerInnen des freiwilligen sozialen Jahres für Jugendliche (2275/AB-BR/07 zu 2477/J-BR/07)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahmeprüfungen an öffentlichen AHS (2276/AB-BR/07 zu 2475/J-BR/07)

 


09.03.03


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Manfred Gruber: Ich eröffne die 743. Sitzung des Bundesrates.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie alle recht herzlich begrüßen. Ganz besonders begrüßen darf ich den Herrn Bundes­kanzler, der das erste Mal zu einer Fragestunde in unserer Mitte weilt. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 742. Sitzung des Bundesrates vom 16. Februar 2007 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Johann Giefing und Ernst Winter.

Einlauf

 


Präsident Manfred Gruber: Eingelangt ist ein Schreiben des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise die Wahl eines Mitgliedes des Bundesrates und eines Ersatzmitgliedes sowie ein Schreiben des Oberösterreichi­schen Landtages betreffend die Wahl eines Ersatzmitgliedes.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Gesamtwortlaut:

Anlage 1:

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandats­verzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes

Der Landtag von Niederösterreich

3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, Haus 1a

Ltg.-W-5/7-2007                                                                   XVI. Gesetzgebungsperiode

                                                                                                   Tagung 2006/07

Betreff: Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates

Herrn

Präsident des Bundesrates

Manfred Gruber

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 43. Sitzung am 22. Februar 2007 fol­gende Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedern des Bundesrates durchge­führt:

auf Vorschlag des Landtagsklubs der Volkspartei Niederösterreich

Alfred Schöls (Mitglied anstelle von Ing. Hermann Haller)

Herbert Nowohradsky (Ersatzmitglied für Alfred Schöls)

Ich beehre mich, den Bundesrat hievon in Kenntnis zu setzen.

St. Pölten, am 22. Februar 2007


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 8

Der Präsident des Landtages von Niederösterreich

(Mag. Edmund Freibauer)

*****

An den                                                                                     Enzersfeld, 15. Februar 2007

Präsidenten des NÖ Landtages

Mag. Edmund Freibauer

Landhausplatz 1

3109 St. Pölten

Betrifft: Zurücklegung Mitglied des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich, Ing. Hermann Haller, Schulgasse 5, 2202 Enzersfeld, verzichte mit Wirkung meiner Angelobung als Abgeordneter zum NÖ Landtag am 22. Februar 2007 auf mein Mandat als Bundesrat.

Hochachtungsvoll

BR Ing. Hermann Haller

*****

An den                                                                                     Maissau, 15. Februar 2007

Präsidenten des NÖ Landtages

Mag. Edmund Freibauer

Landhausplatz 1

3109 St. Pölten

Betrifft: Zurücklegung Ersatzmitglied des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich, Marianne Lembacher, Wilhelmsdorf 25, 3712 Maissau, verzichte mit Wirkung vom 22. Februar 2007 auf die Funktion eines Ersatzmitgliedes für den Bundesrat.

Hochachtungsvoll

LAbg. Marianne Lembacher

*****

Anlage 2:

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes

Die Erste Präsidentin des

Oberösterreichischen Landtages

Angela Orthner                                                                     Linz, am 8. März 2007

                                                                                                   L-16/37-XXVI-Rm

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Manfred Gruber

Dr. Karl-Renner-Ring 1-3

1017 Wien


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 9

Nachwahlen zum Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 8. März 2007 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art. 29 Oö. Landes-Verfassungsgesetz die Nachwahl eines Ersatzmitgliedes durchge­führt hat. Es wurde gewählt:

als Ersatzmitglied an 9. Stelle: Efgani Dönmez, geboren am 30. Oktober 1976

                                                              4020 Linz, Thomas-Bernhard-Weg 3/1b/8.

Mit freundlichen Grüßen!

*****

Die Grünen

An die

Erste Präsidentin des Oö. Landtages

LAbg. Angela Orthner                                                       Linz, am 26.2.2007

Sehr geehrte Frau Präsidentin Orthner!

Ich verzichte auf meine Funktion als Ersatzmitglied („Ersatzmann“ gemäß Artikel 29 B-VG) für den Bundesrat mit Ablauf des 7. März 2007.

Vielen Dank und freundliche Grüße

3. Präsidentin LAbg. Doris Eisenriegler

*****

Angelobung

 


Präsident Manfred Gruber: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwe­send. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


Schriftführerin Mag. Susanne Neuwirth: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe.

(Schriftführerin Mag. Neuwirth: Gratuliere! – Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Manfred Gruber: Ich begrüße das alte neue Mitglied in unserer Mitte. Kol­lege Schöls ist ein Heimkehrer. Herzlich willkommen! Auf gute Zusammenarbeit!

09.06.13Fragestunde

 


Präsident Manfred Gruber: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Fragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 10

die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstre­cken werde.

Bundeskanzleramt

 


Präsident Manfred Gruber: Wir kommen zur 1. Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner, um die Verle­sung der Anfrage.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Meine Frage an Sie lautet:

1534/M-BR/2007

„Wie ist der aktuelle Stand der Vorbereitungsarbeiten für die Durchführung der EURO 2008?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Die EURO 2008 ist die dritt­größte Sportveranstaltung der Welt nach den Olympischen Sommerspielen und nach der Fußballweltmeisterschaft. Man muss sich vorstellen, dass rund 8 Milliarden bis 10 Milliarden Zuseher in dieser Zeit von knapp einem Monat Österreich und die Schweiz sehen werden. Das heißt, Österreich und die Schweiz stehen zu diesem Zeit­punkt in einem Ausmaß in der internationalen Auslage, wie das sonst selten der Fall ist. Daher sind wir von Seiten der Bundesregierung gemeinsam mit den Host Cities und den Verbänden daran interessiert, dass es eine möglichst gute und professionelle Vor­bereitung gibt.

Was wurde bisher unternommen? – Es geht zum einen um den Neu- und Ausbau der Stadien in Wien, Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck (Bundesrat Bieringer: Und Wals-Siezenheim!) – und Wals-Siezenheim, richtig –, und alle Stadien werden termingerecht bis zum Juni 2008 fertig werden. Wir haben erst vergangene Woche wieder eine Überprüfung des Baufortschrittes durchgeführt, und ich glaube, alle liegen gut im Plan.

Das Zweite ist: Wir werden ein Sicherheitskonzept umsetzen, das im Wesentlichen auf den Erfahrungen der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland im vergangenen Jahr beruht, wo sehr gute Erfahrungen gemacht wurden. Alle, die diese Fußballweltmeister­schaft gesehen haben, werden ja festgestellt haben, in welch harmonischer Art und Weise diese Weltmeisterschaften abgelaufen sind. Es geht dabei manchmal um die Sicherheit, die man nicht sieht, die aber dazu führt, dass es zu einem geringeren Aus­maß von Gewalt kommt.

Des Weiteren hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie die Arbeiten begonnen, das Kombi-Ticket umzusetzen, wie das auch die Schweiz machen wird. Das heißt, dass man mit der Eintrittskarte zum Fußballmatch gleichzeitig ein öf­fentliches Verkehrsmittel benützen kann. Das heißt, es werden auch vom Umwelt­schutzstandpunkt sehr vernünftige Europameisterschaften werden, weil dadurch die Verkehrsorganisation natürlich bedeutend besser ablaufen kann und es auch ökolo­gisch nachhaltiger sein wird.

Im Bereich der Tourismuswerbung laufen alle Vorbereitungen auf Hochtouren. Wir wol­len Österreich in dieser Zeit als ein Land mit nicht nur schöner Landschaft und hohem Tourismuswert, sondern auch großer Produktivität und Innovation präsentieren. Das heißt, wir wollen den Standort Österreich insgesamt präsentieren, in all seinen Dimen­sionen, und dazu gibt es eine enge Kooperation der Österreich Werbung, der Wirt-


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 11

schaftskammer, des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit.

Wir haben erst jetzt im März 2007 die ersten öffentlichen Aktivitäten des Vereins „2008 – Österreich am Ball“ begonnen, wo es darum geht, auch in Österreich die dem­entsprechende Begeisterung und Emotion für diese Europameisterschaft auszulösen. Denn: Das Wichtigste sind die Bilder, die rund um die Welt gehen, und die sind natür­lich nur dann gut, wenn es erstens friedlich abläuft und wenn zweitens auch in der Be­völkerung selbst die notwendige Emotion vorhanden ist.

Wir werden mit „Österreich am Ball“ bis zur Europameisterschaft eine Reihe von Ver­anstaltungen realisieren, die auch das Gefühl für die EM in Österreich hervorrufen sol­len. Wir haben für diese Aktivitäten auch im Budget entsprechende Vorsorge getroffen. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass wir allein die Aktivitäten von „Österreich am Ball“ mit etwa 10 Millionen € in den Jahren 2007 und 2008 unterstützen werden, damit es da zu einer stärkeren Verankerung in der Gesellschaft kommt.

Es gibt ein Nachhaltigkeitskonzept für die Europameisterschaft, mit dem versucht wird, diese EM nach ökologischen Kriterien durchzuführen, wobei wir auch mit Experten, die für Nachhaltigkeitskonzepte zuständig sind, diese Maßnahmen gemeinsam vorberei­ten.

Im Oktober 2006 wurde bereits Heinz Palme zum Koordinator des Bundes und zum Geschäftsführer von „2008 – Österreich am Ball“ bestellt. Heinz Palme hat im ver­gangenen Jahr sehr große Erfahrung bei den Fußballweltmeisterschaften in Deutsch­land erworben, wo er zentral mitgewirkt hat. Wir sind in enger Abstimmung mit den Host Cities, mit der UEFA und mit den Sportvereinen auch in Österreich, und ich per­sönlich habe den Eindruck, dass die Vorbereitungsschritte, die bisher gesetzt wurden, gut laufen, und zumindest bei mir rufen sie den Optimismus hervor, dass wir bis zum Jahr 2008 alles so organisieren, dass das eine schöne Europameisterschaft wird und Österreich ein gutes Bild in der Welt abgibt.

Deutschland hat mit der WM sein Image in der Welt gewandelt. Wir brauchen unser Image nicht zu wandeln, aber wir wollen, dass es zu einer Verstärkung unseres guten Images in der Welt kommt und Österreich als ein Land der Leistung, der Begegnung und des Charmes präsentiert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Bundeskanzler! Sie haben die Sicherheitsmaßnahmen angesprochen, die gesetzt werden. Ich möchte jetzt gerade auch in Bezug auf die Bilder, die man in den letzten Wochen aus den Fußball­stadien gesehen hat, noch einmal konkret nachfragen, ob es auch Maßnahmen zur Gewaltprävention, Gewaltpräventionsprojekte im Vorfeld zu dieser EURO 08 geben wird?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Das ist eine ganz wesent­liche Frage, denn die Bilder, die wir vom Wiener Derby gesehen haben, waren scho­ckierend. Das muss man ganz offen sagen. Ich persönlich fühle mich auch mit betrof­fen. Ich bin Rapid-Anhänger und sage ganz offen: Solche Bilder will ich nicht mehr sehen, denn wir wollen letztendlich, dass Fußballveranstaltungen in Österreich Ereig­nisse sind für Kinder, für Jugendliche, für ältere Menschen, für Frauen und für Männer in gleichem Maße, und da ist natürlich Gewalt unerhört abschreckend.

Um ein positives Beispiel zu nennen: Ich gehe gern nach Mattersburg, denn dort ist eine Fußballveranstaltung eine Familienveranstaltung. Man wird dort wirklich quer


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durch alle soziale Schichten und alle Altersgruppen Menschen vorfinden, und bei jedem Spiel ist es fast so wie bei einer burgenländischen Hochzeit, was ja ein sehr positives Beispiel ist. Und das hat damit zu tun, dass es dort keine Gewalt gibt. Nur dann, wenn es keine Gewalt gibt, werden unterschiedliche Schichten der Bevölkerung daran teilnehmen.

Daher ist die Gewaltprävention für uns ganz, ganz wichtig. Wir haben deshalb am 12. März einen Sicherheitsgipfel durchgeführt, bei dem wir auch mit den Vereinen und den Fangruppen das Gespräch gesucht haben. Wir haben die Möglichkeiten, festzu­stellen, wer die potenziellen Randalierer sind, und es muss natürlich dazu kommen, dass es, wenn jemand als gewalttätiger Hooligan auffällig wird, Begrenzungen des Zu­tritts im Stadion gibt.

Diese Herausforderung müssen die Vereine annehmen. Ich weiß schon, dass es für jeden Präsidenten eines Fußballvereins unangenehm ist, wenn Einzelne nicht in das Stadion dürfen, weil sie gewalttätig waren. Auch im Hanappi-Stadion ist man damit konfrontiert, wo immer die Transparente hängen und einzelne Fans so tun, als würde es sich um einen Märtyrer handeln. Aber die Wahrheit ist die, dass es meistens Ein­zelne sind. Da müssen wir schauen, dass diese Einzelnen nicht ihre Gewalttätigkeit auf die anderen übertragen. Daher kann es ja so sein wie bei einem Spieler: Wenn etwas vorfällt, dann wird man für zwei, drei, vier oder mehr Spiele gesperrt, denn die Fans müssen auch verstehen, dass sie mit ihrer Gewaltbereitschaft dort, wo sie vorhanden ist, dem Fußball enorm schaden.

Wir werden im Bezug auf die EURO 2008 auch eine umfassende Koordination mit den Nachbarländern durchführen, weil das natürlich eine ganz andere Veranstaltung ist als ein normales Bundesligaspiel und weil diese Hooligangruppen natürlich auch interna­tional bekannt sind. Das heißt, man wird schon bei denen, die bekannt sind, verhin­dern, dass sie überhaupt zu den Austragungsstätten kommen können. Das werden die Schweiz und Österreich im gleichen Ausmaß machen. Und Kernstück dieser Sicher­heitsvorbereitungen ist der Datenabgleich, den wir in ganz Europa durchführen und der dazu beitragen soll, dass problematische Personengruppen ihre Heimatländer erst gar nicht verlassen können.

Der Innenminister hat veranlasst, dass es alle sechs Wochen eine Sicherheitsbespre­chung gibt, wo nach einer Liste der zu erledigenden Arbeiten das alles abgearbeitet wird und alle sechs Wochen berichtet werden muss, wie weit wir in der Vorbereitung der Sicherheit sind, sodass ich hoffe, dass wir die Gewalt bis zum Jahr 2008 in den Stadien eindämmen können.

Denn über eines muss man sich schon im Klaren sein: Leute, die nach Österreich kom­men wollen und solche Bilder sehen, wie das zum Beispiel beim Derby der Fall war, fühlen sich natürlich abgeschreckt, denn die denken sich: Fahre ich da überhaupt hin, wenn es so zugeht? Das heißt, auch das Auftreten im Stadion bereits in der Zeit davor ist ganz entscheidend dafür, wie die Attraktivität des Austragungsortes aussieht.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage. –  Herr Bundesrat Mayer, bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundeskanzler! Die Zusatzfrage erübrigt sich, weil sie in Ihren Antworten zu den Fragen des Kollegen Einwallner bereits ausreichend beantwortet wurde. – Danke.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Kollege.

 


Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.


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Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Nach den bisherigen Erfahrungen werden bei der Europameisterschaft ungefähr fünf­mal mehr Fans nach Wien kommen als im Stadion Platz haben. Wo werden oder wo sollen in Wien Public Viewing-Möglichkeiten angeboten werden, damit diese Fans, die keine Karten bekommen, die Spiele auch öffentlich beobachten können?

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Frau Bundesrätin! Das ist eine ganz ent­scheidende Angelegenheit. In Deutschland hat man ja gesehen, dass ein Teil der sehr guten Stimmung vor allem durch das Public Viewing zustande gekommen ist. Ich war ja selbst vor dem Brandenburger Tor beim Spiel, wo Deutschland und Portugal um den dritten Platz kämpften. Da herrschte eine unglaubliche Atmosphäre. Und das hat sich natürlich auch in den Fernsehbildern ausgedrückt, die dann rund um die Welt gegan­gen sind.

In Wien ist vorgesehen, dass es eine Trennung geben wird zwischen dem unmittelba­ren Stadionbereich und dem Public Viewing. Nach allgemeiner Einschätzung wäre es zu gefährlich, das in der Prater Hauptallee zu machen. Das wäre eine zu große Enge zwischen dem Stadion und dem Public-Viewing-Bereich, und das wäre sicherheitsmä­ßig schwer zu bewältigen. Daher wird einer der großen Public-Viewing-Bereiche hier in der Nähe sein, nämlich im Bereich zwischen Rathaus und Burgtheater, auch die Ring­straße mit einbeziehend. Ich kann Ihnen sagen: Das Schwierige derzeit sind die Ver­handlungen darüber, wie das Burgtheater in diesen drei Wochen, in denen das stattfin­den wird, ungestört auftreten kann, weil man klarerweise, wenn Zigtausende Menschen auf der Ringstraße sind, nicht parallel dazu „Julius Cäsar“ spielen kann. Also diese Fragen sind gerade in Klärung.

Wir haben auch vor – um das dazuzusagen –, dass wir neben den Public-Viewing-Be­reichen in den Austragungsorten auch in den anderen größeren Städten Österreich Public Viewing machen. Es gibt ja zum Beispiel Landeshauptstädte, die nicht Austra­gungsorte sind, wie zum Beispiel Graz oder auch Linz, und es wäre wichtig, dass dort Ähnliches stattfindet. Aber die große Public-Viewing-Zone wird – für Sie leicht erreich­bar – zwischen Burgtheater und Rathaus liegen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir kommen nunmehr zur 2. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Himmer, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Bundeskanzler! Die kritischste Frage, wie Sie den sportlichen Erfolg sicherstellen, ist Ihnen erspart geblieben. Ich gehe daher zu einem anderen Themengebiet über.

1531/M-BR/2007

„Welches Einsparungsziel im Sinne der Verwaltungsreform sehen Sie darin, den Bun­despressedienst wieder als eigene Sektion zu etablieren, wie den Medien zu entneh­men war?“

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Zuerst eines zu Ihrer Vorbe­merkung: Sie haben Recht, den sportlichen Erfolg sicherzustellen, wird nicht einfach sein, aber das Wichtigste ist, dass wir voll hinter der Mannschaft und dem Trainer ste­hen. Um einen Vergleich mit Deutschland durchzuführen, der natürlich unzulässig ist: Ich kann mich noch daran erinnern, dass in der Vorbereitung der Fußballweltmeister-


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schaft alle die Ablöse des Trainers gefordert haben, und ich kann mich erinnern, dass Angela Merkel sich hinstellen und Klinsmann verteidigen musste. Sie hat gesagt: Wir werden jetzt schauen, dass wir das ordentlich machen! Das Resultat bei der WM war dann ganz anders als die Annahmen davor. Sie können sich ja erinnern, dass der letzte Auftritt Deutschlands gegen Italien, als sie 4 : 1 verloren haben, nicht besonders glorreich war.

Also ohne Parallelen ziehen zu wollen, kann man feststellen, dass unsere Vorberei­tungsstrategie auch etwas hintergründig ist (Heiterkeit) und sich daher das wahre Leis­tungsniveau vielleicht erst bei der Europameisterschaft selbst darstellen wird. (Neuer­liche Heiterkeit.) Ich hoffe zumindest. Pepi Hickersberger hat gemeint: Belassen wir es dabei, dass wir Außenseiter sind, aber Außenseiter können sehr gefährlich werden!

Herr Bundesrat! Was Ihre eigentliche Anfrage in Bezug auf den Bundespressedienst betrifft, so gehe ich davon aus, dass es keine Verwaltungseinsparungen im eigent­lichen Sinn bringen wird, weil nämlich auch die Eingliederung des Bundespressediens­tes in die Präsidialsektion umgekehrt keine Einsparungen gebracht hat. Die wesent­liche Idee dahinter ist eigentlich die, dass wir versuchen, durch eine Organisationsän­derung eine bessere Koordination der Öffentlichkeitsarbeit aller Ressorts untereinander zu erreichen. Es gibt Ministerien – Sie werden es nicht für möglich halten –, wo selbst einzelne Sektionen eigene öffentliche Auftrittsmarken haben, mit unterschiedlichen Logos und so weiter. Selbst dort kann von einem einheitlichen Auftritt keine Rede sein kann – geschweige denn, dass es einen einheitlichen Auftritt der Bundesregierung insgesamt gäbe.

Wir glauben, dass es bei allen Eigenständigkeiten der Ressorts erstens notwendig ist, dass es auch einen einheitlichen Auftritt der Bundesregierung gibt, was die Information der Medien und der Bevölkerung betrifft, und dass wir zweitens auch bei größeren Events mit dieser Zentralstelle die einzelnen Ressorts besser unterstützen können, weil so etwas wie ein internes Personalleasing stattfinden kann. Manchmal sind ja Großveranstaltungen von Ressorts geplant, die es nicht erforderlich machen, dass man eine Unzahl von Beamten aufnimmt, weil man sie nur zeitlich begrenzt braucht. Da hat man sich in der Vergangenheit damit beholfen, dass man Agenturen beschäftigt hat. Das ist auch eine Möglichkeit, aber ich kann Ihnen sagen, eine relativ teure.

Daher ist das in erster Linie der Versuch, unsere eigenen Ressourcen zu mobilisieren, den einzelnen Ressorts zur Verfügung zu stellen und eine stärkere Einheitlichkeit des Auftritts der Bundesregierung zu ermöglichen.

 


Präsident Manfred Gruber: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Bundeskanzler! Den Medien ist zu entnehmen, dass Herr Samo Kobenter großer Favorit für den Sektionschef ist, und ebenso, dass er in der Zwischenzeit einen Werkvertrag im Bundeskanzleramt be­kommt. Dürfen wir etwas über den Inhalt des Werkvertrages beziehungsweise über das Aufgabengebiet erfahren, das Samo Kobenter zwischenzeitlich erfüllen wird.

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Zum zweiten Teil der Frage kann ich Ihnen sagen, dass es einen Werkvertrag gibt, dass Herr Dr. Kobenter für die gesamte Redak­tion unserer Publikationen zuständig ist. Ich habe mir das am Beginn angeschaut. Es wird irrsinnig viel Information geboten, aber teilweise in einer Sprache, die den nor­malen Menschen nicht zugänglich ist. Das heißt, wir sind zur Auffassung gekommen, dass jemand, der in einer journalistischen Art und Weise diese Inhalte formulieren kann, vielleicht dazu beiträgt, dass diese Informationsmaterialien besser lesbar und


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konsumierbar werden, weil es ja letztendlich nicht um den Absender geht, sondern um den Adressaten, und das ist die österreichische Bevölkerung.

Samo Kobenter ist ja ein hervorragender Journalist, mehrfach mit Preisen ausgezeich­net, und vor allem jemand, der – wie sagt man das in der journalistischen Fachspra­che? – zur Kategorie der Edelfedern gehört. Daher glauben wir, dass wir hier eine Qualitätsverbesserung erreichen können,

Was die Entscheidung betrifft, wer die Sektion des Bundespressedienstes führen wird, kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben, denn Sie wissen, dass diese Funktion aus­geschrieben wird. Nachdem sie jetzt eingerichtet ist, ist sie für Bewerbungen offen, und ich hoffe, dass dann der Beste oder die Beste dafür genommen wird.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny zu Wort ge­meldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Betrachten Sie es nicht ein wenig als frivol, wenn Sie angesichts der Aufwendungen für Öffentlichkeits­arbeit der vorigen Bundesregierung danach gefragt werden, ob eine Verwaltungsein­sparung erfolgt, wenn der Bundespressedienst wieder als eigene Sektion konstruiert wird? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Ich würde sagen, Erkennt­nisse zum Thema „Frivolität“ liegen nicht im Kompetenzbereich des Bundeskanzlers, daher kann ich aus Gründen des Vollzuges dazu nicht Stellung nehmen. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir bei all den Arbeiten, die wir hier durchführen, na­türlich aufs Geld schauen, denn wir haben große Aufgaben vor uns. Sie wissen, dass wir für den Bildungsbereich viel tun wollen, dass wir die soziale Fairness verstärken wollen, dass wir auch im Klimaschutzbereich große Aufwendungen haben, um hier eine Veränderung der bisherigen Situation herbeizuführen. Und ich glaube schon, dass man gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zumindest versuchen muss, den Nachweis zu erbringen, dass das, was durchgeführt wird, nach den Kriterien der größtmöglichen Sparsamkeit geschieht. Und das gilt natürlich in erster Linie auch bei den Ausgaben, die im engeren Bereich der Regierung liegen.

Ich habe daher zum Beispiel veranlasst, dass es keine neuen Autos gibt, sondern mit den alten weitergefahren wird, egal, ob einem die passen oder nicht, auch wenn es teil­weise bereits sehr alte Fahrzeuge sind. Man wird natürlich schauen müssen, dass man dann, wenn in die neue Generation eingestiegen wird, auf ökologisch vernünftigere Fahrzeuge umrüstet, aber letztendlich müssen wir einmal schauen, dass wir das, was wir haben, auch verwenden.

Wir haben auch im Bereich – ich glaube, wir kommen heute noch darauf zu sprechen – der Verwaltungsvereinfachung eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, um das Regieren einfach kostengünstiger zu machen. Es werden bei jeder Regierungsklausur das Thema Verwaltungsreform und die Frage, welche Projekte die einzelnen Ressorts durchführen, auf der Tagesordnung stehen. Und ich kann Ihnen sagen: Nichts geht den Mitgliedern der Bundesregierung mehr auf die Nerven als das! Die werden nämlich wochenlang vorher bereits aufgefordert, sich wieder zu überlegen, wie man etwas effizienter gestalten kann, wie man etwas kostengünstiger machen kann, und die muss man natürlich immer wieder dazu motivieren, bei einer solchen Regierungsklausur auch Projekte vorzulegen.


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Daher bemühen wir uns sehr, das kostengünstiger zu machen, damit die Menschen auch sehen, dass es um die Verwirklichung von Zielen geht, um die Erfüllung von Auf­gaben und dass wir im engsten Bereich des Regierens sparsam umgehen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich verstehe schon, dass Sie angesichts der fragilen Situation der Koalition sich der Ant­wort zum Kollegen Konecny entschlagen, wobei Konecny zweifelsohne in der Feststel­lung seiner Frage recht hat, wie auch die Qualifikation von Kobenter völlig unumstritten ist.

Meine Frage an Sie – Sie haben es auch ein bisschen angedeutet, und ich halte es für einen richtigen Schritt, da eine eigene Sektion zu machen –: Geht es in Richtung „Agentur Österreich“? Denken Sie dabei auch an eine Kompetenzerweiterung dieser Sektion?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Die Gründung der eigenen Sektion ist der erste Schritt. Also ich glaube, dass hier eine weitgehende Professionali­sierung vorgenommen werden muss. Ob wir das dann „Agentur“ nennen oder nicht, ist eine zweite Frage. Aber Sie haben recht, denn wenn wir uns anschauen, wie das in vergleichbaren europäischen Staaten teilweise funktioniert, dann müssen wir ganz offen sagen, dass wir hier einen Nachholbedarf haben.

Im Übrigen – wenn ich das zum Anlass nehmen darf – könnte man sich auch im Parla­ment diesbezüglich ein paar Dinge überlegen. Ich war beim „Tag der offenen Tür“ im spanischen Parlament, und wenn man sich anschaut, was sich dort tut – und zwar nicht nur, wie viele Menschen dort sind, viele Menschen sind bei uns auch da am „Tag der offenen Tür“, aber was geboten wird, welche Interaktion zwischen den Bürgern und den Abgeordneten dort stattfindet –, dann kann man sagen: Das ist ein Beispiel dafür, dass wir im gesamten Bereich der Darstellung des öffentlichen Lebens, sei es Regie­rung, sei es Parlament, auch unter Einbeziehung neuer Medien, professionellerer Me­thoden, einen Aufholbedarf haben, den zu bewältigen es wichtig ist, damit die Distanz zwischen den Bürgern und der Politik eine kleinere wird.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Bundeskanzler.

Wir gelangen nun zur 3. Anfrage. Ich bitte Herrn Bundesrat Schennach, die Frage zu formulieren.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Bundeskanzler, meine Frage an Sie lautet:

1537/M-BR/2007

„Vertreten Sie die Ansicht, dass die in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zwi­schen Österreich und Tschechien vereinbarte Behebung der Sicherheitsmängel beim AKW Temelίn vollständig umgesetzt ist?“

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat, ich bin der Meinung, dass diese Mängel nicht behoben sind, zumindest was meinen Wissensstand betrifft. Was man sagen kann, ist, dass sich Tschechien an die Fristen hält, die im Melker Protokoll


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festgeschrieben sind. Das gilt auch für den letzten Vorfall, als rund zwei Kubikmeter ra­dioaktiv angereichertes Wasser ausgetreten sind, obwohl das noch in der Sicherheits­zone war. Hier gibt es eine Meldefrist von 72 Stunden. Tschechien hat binnen 50 Stun­den, glaube ich, diesen Vorfall gemeldet. Also die Meldungen sind im Rahmen der Fristen, aber trotzdem manchmal beunruhigend, wenn man denkt, dass da 50 Stunden lang keine Meldung erfolgt. Aber ich glaube, dass die Sicherheitsmängel noch nicht behoben sind.

Daher haben wir ja gemeinsam vereinbart, dass erstens auf Basis eines Entschlie­ßungsantrages des Parlaments die Frage einer völkerrechtlichen Klage geprüft wird. Dazu gibt es eine Kooperation des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes und des Völkerrechtsbüros, und die haben auch beschlossen, fünf externe Experten beizu­ziehen, um diese Frage zu prüfen. Ich glaube, dass wir in rund acht Wochen die Ant­wort der Expertengruppe haben werden. Dann wird klargestellt sein, ob auf Basis der bisherigen Vertragslage eine solche völkerrechtliche Klage auch möglich ist.

Zweitens: Das Parlament hat sich, so höre ich, entschlossen, gemeinsam mit dem tschechischen Parlament eine Interparlamentarische Kommission zu gründen, wo vor Ort eine Sichtung der Probleme und ein Dialog stattfinden werden, denn sehr oft agie­ren wir ja auf Basis von Zurufen, das muss man ganz offen sagen. Man hört irgend­etwas, dann gibt es in Österreich die Aufregung – mit Recht –, und wir richten den Kolleginnen und Kollegen in Tschechien etwas aus, und die richten uns auch wieder etwas über die Medien aus, aber die echte Konfrontation mit Argumenten und Gegen­argumenten vor Ort findet eher seltener statt. Daher begrüße ich es, dass es zu dieser Interparlamentarischen Kommission kommen wird.

Darüber hinausgehend ist es so, dass es der tschechische Ministerpräsident Topo­lánek den Vorschlag gemacht hat, ob man nach diesem parlamentarischen Prozess nicht zu einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung kommen kann. Ich würde sagen, wir stehen dem offen gegenüber, wenn es unseren Interessen entspricht. Das heißt, es geht ja nicht nur darum, dass etwas völkerrechtlich verbindlich ist, sondern vor allem darum, was der Inhalt oder der mögliche Inhalt eines solchen Abkommens ist. Alles, was zu einer stärkeren Verrechtlichung des gesamten Prozesses führt, würde uns, glaube ich, helfen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Bundeskanzler! Ich begrüße auch diese Interparlamentarische Kommission. Auch der Bundesrat selbst hat hier ja in den letzten eineinhalb Jahren schon sehr enge Kontakte geknüpft. Trotzdem – möglicher­weise ist es lästig – die Frage: Immerhin ist der Entschließungsantrag des Nationalra­tes nun drei Monate alt, die Prüfung wird weitere acht Wochen dauern. Sie sagen, die Tschechen melden sehr langsam. Sie sehen, die österreichische Reaktion ist auch sehr langsam. Es gibt also eine gewisse Langsamkeit auf beiden Seiten. Aber haben Sie – Sie haben ja in letzter Zeit auch persönliche Gespräche geführt – diese Erwä­gung überhaupt in den Raum gestellt, dass es hier zu einer völkerrechtlichen Klage kommen könnte, und was war die Reaktion?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sie haben recht, dass das alles seine Zeit dauert. Der Punkt ist der: Es ist eine nicht einfach zu beantwortende Frage, und des­wegen haben sich der Verfassungsdienst und das Völkerrechtsbüro auch dazu ent­schlossen, externe Experten beizuziehen, weil es kaum eine Präzedenz gibt. Also, es ist – ohne jetzt in die juristischen Details eingehen zu wollen – sehr, sehr kompliziert, das zu bewerten. Und wenn es dann eine Bewertung gibt, stellt sich natürlich auch die Frage, welche Aussicht auf Erfolg diese Vorgangsweise hat.


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Ich habe den tschechischen Ministerpräsidenten zweimal darauf hingewiesen, dass es erstens diesen Entschließungsantrag gibt und dass zweitens die Bundesregierung diesem Entschließungsantrag entspricht, indem wir diese Prüfung durchführen werden, sodass Tschechien daher mit einem Ergebnis dieses Prüfungsverfahrens wird rechnen müssen.

Ich brauche Ihnen nicht zu sagen – Sie kennen die Situation in Tschechien sehr gut –, dass ein Großteil der tschechischen Politik sehr atomenergieaffin ist und viele der Dis­kussionen, die wir hier führen, dort nicht nachvollzogen werden.

Wie es überhaupt so ist, dass wir auf diesem Sektor fast die letzten Mohikaner sind. Auch beim Europäischen Rat in Brüssel, wo es eine Diskussion dazu gegeben hat, musste ich verhindern, dass Kernenergie nicht überhaupt gleich als erneuerbare Ener­gie anerkannt wird. Sie wissen, dass in der Europäischen Union als erneuerbare Ener­gie im Wesentlichen Wasser, Wind, Solarenergie, Biomasse und Biothermik anerkannt sind, aber in der Tat haben Frankreich und andere gemeint, man sollte doch auch die Nuklearenergie als erneuerbare Energie werten. Es stimmt zwar, das der CO2-Ausstoß durch Nuklearenergie verringert wird, aber natürlich ist sie, wie wir alle wissen, alles andere als erneuerbar.

Bei dieser Diskussion habe ich festgestellt, dass unsere Position, hier sehr klar gegen den Ausbau der Kernenergie vorzugehen, von Romano Prodi und von Bertie Ahern, also vom italienischen und vom irischen Ministerpräsidenten, unterstützt wurde, aber das war’s dann auch schon. Das heißt, wir stellen fest, dass es in Europa leider eine Renaissance der Kernenergie gibt, dass Länder, die aussteigen wollten, den Aus­stiegszeitpunkt verschieben, dass Länder, die Atomkraftwerke haben, wieder neue bauen. In Finnland ist gerade der Beschluss gefasst worden, dass sie ein sechstes Atomkraftwerk bauen wollen zusätzlich zu den fünf, die sie schon haben. Es gibt natür­lich auch Länder, die bisher keine Atomkraftwerke hatten, wo es jedoch vor dem Hin­tergrund der Versorgungssicherheit Überlegungen gibt, in diese Technologie einzustei­gen.

Ich muss sagen, ich kann das nur schwer nachvollziehen, denn gerade, was die Si­cherheit betrifft, hat sich in den letzten dreißig Jahren wenig geändert. Sie wissen selbst, dass die Frage der Endlagerung genauso ungeklärt ist wie vor 30 Jahren. Die Diskussion um das Schweizer Endlager zeigt das ganz, ganz deutlich.

Zum Zweiten: Unabhängiger in der Energieversorgung wird man auch nicht, denn wenn heute darüber diskutiert wird, dass wir auf Grund der Eröl- und Erdgaslieferun­gen zu stark von Russland abhängig sind, muss man sagen, dass es bei Uran noch viel fokussierter ist. 60 Prozent des gesamten Urans kommen aus Russland, das heißt, hier ist die Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten noch größer, als das bei anderen Ressourcen der Fall ist.

Daher glaube ich nach wie vor, dass die Renaissance der Kernenergie ein Irrweg ist, aber wir müssen sehen, dass wir alle da einen schweren Stand haben und nicht nur in Tschechien, sondern auch in anderen Staaten unsere Argumente nicht sehr nachvoll­zogen werden.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Konecny zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Sie haben zum Kernkraftwerk Temelίn und zur Atomkraftpolitik die relevanten Gesichtspunkte gesagt. Es gibt aber darüber hinaus natürlich auch die Fragestellung, inwieweit Sie den Ein­druck gewonnen haben, dass die tschechische Seite bereit ist – so wie hoffentlich auch


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die österreichische, wovon ich ausgehe –, diesen realen Interessengegensatz und ‑konflikt so zu behandeln, dass auf anderen Gebieten die Zusammenarbeit dadurch nicht beeinträchtigt wird.

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat, das ist eine ganz wichtige Frage, denn es wäre schon ein Problem, wenn sich das Verhältnis von zwei Nachbar­ländern fast ausschließlich über einen Konfliktfall definierte. Wenn man etwas in die Geschichte zurückgeht, dann weiß man, dass das tschechisch-österreichische Verhält­nis ohnehin nicht einfach ist, obwohl wir eine Reihe von gemeinsamen Interessen ha­ben.

Daher muss man sich bei aller Auseinandersetzung um die Kernenergie bemühen und sehen, dass das sozusagen ein Konfliktfall in einem Meer von Gemeinsamkeit ist. Das heißt, es geht nicht darum, dass man jetzt diesen Konfliktfall hernimmt und sagt, we­gen der guten Nachbarschaft reden wir nicht mehr darüber. Das wäre der falsche Weg, denn wir haben hier Sicherheitsinteressen wahrzunehmen. Aber worum man sich bemühen muss, ist das Drumherum der Angelegenheit, nämlich die Frage: Wie funk­tioniert die Verkehrskooperation, wie funktioniert die Kooperation im wirtschaftlichen Bereich und Ähnliches?

Da hat sich gerade die letzte tschechische Regierung doch sehr bemüht, Österreich entgegenzukommen. Wenn man alleine an zwei Großaufträge aus dem staatlichen Bereich denkt, die in den letzten 18 Monaten an österreichische Firmen ergangen sind, dann kann man sagen: Das war, glaube ich, ein wesentlicher Schritt, wo Tschechien signalisieren wollte: Bei allen Konflikten, die wir zu Temelίn haben, wir wollen mit Österreich ein gutes Verhältnis haben!

Ich glaube, dass wir jetzt auch in der Frage der A5-Verlängerung und der Anbindung Brünn und Prag relativ weit gekommen sind, dass auch hier die Kooperation gut funk­tioniert. Zumindest ich werde versuchen, alles dazu beizutragen, dass das tschechisch-österreichische Verhältnis nicht ausschließlich durch das Kernkraftwerk Temelίn defi­niert ist, sondern dass wir diesen Konfliktfall, der besteht, in eine gute allgemeine Ko­operation einbetten.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Kollegin Diesner-Wais zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sie haben schon die völkerrechtliche Prüfung angesprochen. Jetzt meine Frage: Wie ist der gegenwärtige Stand bezüglich der völkerrechtlichen Prüfung in Ihrem Ressort, und wann ist ein endgültiges Ergebnis dazu zu erwarten?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Frau Bundesrätin! Es gibt den Beginn der Arbeiten. Das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums und der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes haben einen Arbeitsplan erstellt. Sie haben, wie gesagt, fünf externe Experten beigezogen. Die Expertengruppe trifft sich, glaube ich, Anfang April und wird ihre Ersteinschätzung präsentieren. Der Leiter des Verfassungsdienstes, Pro­fessor Lienbacher, hat mir in Aussicht gestellt, dass das gesamte Prüfverfahren in den nächsten acht Wochen abgeschlossen sein sollte.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Bundeskanzler.

 


Wir gelangen nun zur 4. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wie­senegg, um seine Anfrage.


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Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Die Europapolitik gewinnt immer mehr an Bedeutung, daher meine Frage:

1535/M-BR/2007

„Was waren die wichtigsten Ergebnisse des Europäischen Rates vom 8. und 9. März 2007 für Österreich?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat, herzlichen Dank für diese Frage. Es wäre jetzt natürlich verlockend, sehr ausführlich zu diesem Thema Stellung zu nehmen, weil es, wie ich glaube, ein sehr wichtiger Europäischer Rat war. Sie alle wissen, dass die Europäischen Union auf Grund der ungelösten Frage, wie es mit dem Verfassungsvertrag weitergeht, derzeit in einer schwierigen Situation ist, und man hat natürlich in den letzten Monaten den Eindruck gehabt, dass die „europäische Lokomo­tive“ nicht mehr richtig unter Dampf steht. Dieser Eindruck wurde, glaube ich, zumin­dest teilweise korrigiert durch das, was beim Europäischen Rat in Brüssel besprochen, diskutiert und letztendlich auch entschieden wurde.

Was sind meinem Verständnis nach die wichtigsten Ergebnisse? – Es gibt zwei Teile, in die sich das unterteilt. Das eine ist die Weiterführung der Lissabon-Strategie. Das heißt: In welchem Ausmaß sind die Mitgliedsstaaten imstande, mit stärkeren Maßnah­men zu mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa beizutragen? Der zweite Teil der Diskussion war die europäische Klimaschutzstrategie.

Zum ersten Teil ist zu sagen, dass es uns gelungen ist, in einem stärkeren Ausmaß die soziale Dimension Europas im Ratsprotokoll zu verankern. Das war eine gemeinsame Anstrengung mit unseren Freunden aus Luxemburg. Und entgegen den Vorhaben, die da von der Kommission vorhanden waren, ist die Richtung, dass Europa eine stärkere soziale Dimension als Ausgleich zu einer sehr engagierten Deregulierungs- und Wett­bewerbspolitik braucht, im Ratsdokument verankert worden.

Das Zweite, das ganz wichtig ist: Die EU sieht, so wie wir das auch in Österreich tun, die Bildungspolitik in der Zwischenzeit als ein Kernelement der gesamten Wirtschafts­politik. Also wenn wir uns die Alterungsentwicklung unseres Kontinents anschauen, wenn wir uns die Herausforderungen anschauen, die durch den Aufstieg der Wirtschaft in Indien, in China kommen, dann müssen wir einfach feststellen, dass Europa nur dann wird bestehen können, wenn wir imstande sind, höchste Qualität zu produzieren. Das bedeutet technologisch einen enormen Druck, und das heißt natürlich, dass wir mehr Menschen brauchen, die über eine bessere Ausbildung verfügen.

Daher wird die Frage der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit Europas auf einem ho­hen Niveau in erster Linie über eine qualitativ hochwertige und einschließende Bil­dungspolitik entschieden werden. Das ist in diesem Ratsdokument sehr deutlich her­ausgearbeitet worden, dass hier der Zusammenhang zwischen Wachstumspolitik und Bildungspolitik entscheidend ist, und dazu wurden auch einige Leitlinien formuliert.

Für uns wichtig ist, glaube ich, auch noch, dass – das ist ein Schnittbereich bereits zur Klimapolitik – in der Verkehrspolitik ein erster wesentlicher Schritt gelungen ist. Sie wis­sen, dass wir mit der Europäischen Union seit Jahren um einen Punkt kämpfen, näm­lich um den Punkt, dass bei der Wegekostenrichtlinie die Europäischen Union immer nur zulässt, dass die Errichtungskosten von Straßen zur Bewertung von Mauten heran­gezogen werden. Aus dem heraus entsteht dann meistens der Streitfall, dass die EU der Meinung ist, die Mauten, die wir bei den LKWs verlangen, wären zu hoch. Aus dem


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heraus ist ja seinerzeit auch das Wegekostenrichtlinien-Verletzungsverfahren entstan­den in Bezug auf die Maut, die entlang der Brennerstrecke eingehoben wird.

Jetzt hat der Rat das erste Mal beschlossen, dass er die Arbeiten der EU-Kommission zur Internalisierung externer Kosten zur Kenntnis nimmt. Das heißt, dass das erste Mal auch die Umweltkosten in die Wegekostenrichtlinie einberechnet werden sollen. Es werden jetzt die Kommission und die Verkehrsminister bis zum Jahr 2008 diese neue Wegekostenrichtlinie auf dieser Grundlage erarbeiten müssen. Und das ist für Öster­reich als ein Transitland ganz, ganz entscheidend, weil das natürlich bestimmt, in wel­chem Ausmaß wir eine Bemautung unserer Autobahnen durchführen können und wel­che Kosten das letztendlich für Österreich auch ersparen wird.

Also da waren wir sehr froh, dass uns das gelungen ist. Und ich muss sagen: Die deut­sche Bundeskanzlerin Angela Merkel war hier außerordentlich hilfreich, denn dieser Punkt ist nach sehr intensiven Verhandlungen, die ich mit ihr persönlich geführt habe, erst zum Schluss in das Ratsprotokoll hineingekommen. Ihre eigenen Beamten wollten noch bis zum Schluss verhindern, dass das hineinkommt, indem sie gesagt haben, das sei noch nie drinnen gestanden, weshalb sie diesen Weg verhindern wollten. Aber es ist gelungen, die deutsche Bundeskanzlerin zu überzeugen, und es ist dann auch von allen akzeptiert worden, dass wir das in das Ratsprotokoll aufnehmen.

Was die wesentliche Frage des Klimaschutzes betrifft, so gibt es natürlich viele, die der Meinung sind, dass sich Europa noch ambitioniertere Ziele hätte setzen sollen. Ich habe im Vorfeld auch mit vielen Nichtregierungsorganisationen darüber gesprochen. Aber wenn wir sehen, dass nicht nur Österreich, sondern auch viele andere euro­päische Staaten Schwierigkeiten haben, das Kyoto-Ziel 2012 zu erreichen, und dass wir derzeit bei dem Stand sind, dass wir zwar 13 Prozent Reduktion wollen, aber um 18 Prozent darüber liegen, dann haben wir einmal eine ziemlich lange Wegstrecke bis 2012 zurückzulegen.

Jetzt ist es Ziel, dass in ganz Europa der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 20 Pro­zent reduziert wird, aber auch mit der Bereitschaft, auf 30 Prozent zu erhöhen, wenn es darüber eine globale Vereinbarung gibt. Denn wir müssen schon sehen: Umweltpo­litik muss global sein, aber es braucht immer jemanden, der sie initiiert. Europa hat dabei immer die Rolle der Avantgarde gespielt. Die wollen wir auch weiterhin spielen, aber wir müssen natürlich auch darauf achten, dass wir nicht so tun, als ob wir Euro­päer alleine die Welt retten könnten.

Wir haben derzeit 14 Prozent des CO2-Ausstoßes in Europa. Das reduziert sich in den nächsten Jahren auf 10 Prozent des Ausstoßes. Das heißt, wir sind dann zu einem Zehntel Verursacher des CO2-Ausstoßes auf der ganzen Welt. Daher geht es natürlich darum, eigene Schritte zu setzen, aber vor allem auch zu motivieren, dass es zu global vereinbarten Schritten kommt. Das ist die Zielsetzung in diesem Bereich.

Wichtig scheint mir das Instrument zu sein, dass die erneuerbare Energie in ihrem Anteil auf 20 Prozent erhöht werden soll. Sie werden klarerweise sagen, für Österreich ist das kein ambitioniertes Ziel, denn Österreich hat bereits einen Anteil erneuerbarer Energie von 22,9 Prozent, und die Zielsetzung der Bundesregierung, die ja auch im Regierungsprogramm verankert ist, ist, dass wir in Österreich auf 45 Prozent erneuer­bare Energie bis zum Jahr 2020 kommen. Aber allgemein in Europa soll es 20 Prozent geben, wobei es eine Aufteilung geben wird, wer das in welchem Ausmaß erreichen soll. Das wird nun bilateral zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten verhan­delt. Aber das Wichtige dabei ist: Es wird dadurch der Markt aufgemacht. Das scheint mir der entscheidenden Punkt zu sein.

Wenn Sie nur bedenken, wie die Produktivitätsentwicklung bei Mikrochips in den letz­ten Jahren war, so können Sie feststellen, dass diese ungefähr zehntausend Mal so


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 22

groß wie die Produktivitätsentwicklung von Solarzellen war. Obwohl es bei Solarzellen auch einen technologischen Fortschritt gegeben hat, ist eines völlig klar: Dort, wo man sich erwartet, dass man ein Geschäft machen kann, das heißt, wo es Marktchancen gibt, ist natürlich eine viel intensivere Technologieentwicklung vorhanden als dort, wo der Markt ein kleinerer ist.

Mit dieser Verpflichtung, dass man 20 Prozent erneuerbare Energie haben soll, heißt das natürlich, dass in allen Bereichen der erneuerbaren Energie dadurch zusätzliche Chancen, auch technologische und Investmentchancen, entstehen. Daher glaube ich, dass dieses verbindliche Ziel der 20 Prozent ganz entscheidend ist, dass sich hier auch technologisch etwas tut, denn wir wollen das ja nicht als einen Gegensatz zwi­schen Umwelt und Wirtschaft sehen, sondern auch als eine wirtschaftliche Chance, hier zu mehr Arbeitsplätzen zu kommen.

Daher glaube ich, dass diese Klimastrategie, mit der Europa vorangeht, im Prinzip eine sehr, sehr vernünftige ist. Wichtig war uns vor allem auch, dass wir verhindern, dass die Kernenergie als erneuerbare Energie definiert wird. Und das, was die Bundesre­gierung gestern präsentiert hat, ist der Versuch, einen ersten Schritt unseres Beitrages zur Umsetzung auch dieser europäischen Klimastrategie zu leisten. Das ist bei uns in Österreich jetzt einmal ein Plan von 2008 bis 2012, aber wir haben vereinbart, dass wir jedes Jahr laufend diesen Plan fortschreiben, das heißt, dass es im nächsten Jahr dann den Plan gibt von 2009 bis 2013, sodass ganz klargelegt ist, wie wir unseren österreichischen Beitrag zu den Klimaschutzzielen im Jahr 2020 erreichen wollen.

Ich glaube, dass die Ergebnisse von Brüssel in der Tat ein wichtiges Lebenszeichen der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union darstellen und dass gerade in dieser wichtigen Frage des Klimaschutzes ein doch überraschend und erstaunlich gutes Er­gebnis erreicht wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Herr Bundeskanzler, Sie wissen, ich vertrete eine Region, die bereits vor dem EU-Anschluss enge Verbindungen mit der Bundesrepublik Deutschland hatte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Daher ist es für mich wichtig und, ich glaube, nicht vermessen, noch einmal nachzufragen, was dieser Rat für die Regionen Österreichs gebracht hat – damit die Herren der ÖVP beruhigt sind.

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Ich glaube, das wichtigste Ergebnis, wenn man es vom regionalen Gesichtspunkt aus betrachtet, ist die Einigung im Bereich der Verkehrspolitik, denn wenn jetzt in der Wegekostenrichtlinie umgesetzt wird, dass Um­weltkosten Teil der Bewertung sind, dann hat das natürlich eine Lenkungswirkung, was die Kosten von Verkehr betrifft, und damit wird natürlich kleinregionale Versorgung wie­der attraktiver.

Wir haben derzeit das Problem, dass die Kosten des europäischen LKW-Verkehrs so gering sind, dass man in den einzelnen Regionen manchmal damit nicht mithalten kann. Das ist nicht nur eine ökologische Frage, sondern auch eine Frage der gesamten Wirtschaftsorganisation. Daher glaube ich, dass, was die nachhaltige Entwicklungsper­spektive von Regionen betrifft, diese Veränderungen bei der Wegekostenrichtlinie der wichtigste Beitrag sind.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Bundeskanzler.

 


Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 23

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Bundeskanzler! Sie haben sehr ausführlich über den Europäischen Rat gesprochen. Ich hätte hier eine ganz spe­zielle Zusatzfrage: Welcher konkrete Handlungsbedarf ergibt sich für Österreich durch die vom Europäischen Rat geforderte Unterstützung der Resolution des Sicherheitsra­tes 1664? Es geht um den Sondergerichtshof der Vereinten Nationen in diesem Zu­sammenhang.

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Was diese Frage betrifft, wird der Beitrag mit den einzelnen Mitgliedstaaten gerade verhandelt. Sie wissen, immer dann, wenn es eine Ratsresolution gibt, findet danach die Umsetzung auf individueller Basis statt, das heißt, die Kommission tritt in Verhandlungen mit uns ein.

Es wird das zuständige Ressort hier angesprochen werden. Wir bereiten uns darauf vor, natürlich unseren Beitrag zu leisten, aber was spezifisch die Europäische Union von uns möchte, ist noch nicht konkretisiert.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Kollegin Konrad zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Noch ein­mal zum Thema Klimaschutz. Sie haben sich recht erfreut gezeigt über das Ergebnis. Meine Zusatzfrage lautet: Inwiefern kann dieses Gipfeldokument jetzt wirklich als Erfolg gewertet werden, wenn immerhin Atomenergie als ein wichtiger Beitrag zur Verminde­rung des CO2-Ausstoßes dort verankert ist?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Es ist ein objektives Faktum, dass die Kernenergie dazu beiträgt, dass der CO2-Ausstoß verrin­gert wird, aber das ändert nichts daran, dass es eine höchst gefährliche Technologie ist. Es wurde von Österreich auch nie in Frage gestellt und es ist auch wissenschaftlich nicht umstritten, dass dieser Beitrag geleistet wird.

Wir haben im Ratsdokument zu erreichen versucht, dass es in der Frage der Kern­energie keine einzige Formulierung gibt, die über bisherige Entscheidungen der Euro­päischen Union hinausgehen würde. Sie wissen, in der Europäischen Union geht es manchmal um Nuancen und Details, und wenn man zum Beispiel nur zulassen würde, dass im Ratsprotokoll statt „notes“, also nimm zur Kenntnis, „welcomes“ drinnen steht, dann ist das bereits eine sehr eindeutige Willensäußerung.

Wir haben uns daran gehalten, dass alles, was es bisher an Entschließungen zur Kern­energie gegeben hat, also dieses Wording, beibehalten wird und dass es keine wie immer geartete positive Annäherung an die Verwendung der Kernenergie gibt. Das war gerade der Streit, den ich mit dem noch amtierenden französischen Staatspräsidenten auszutragen hatte.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Bundeskanzler.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich über die Mozartkugeln, die wieder auf den Tischen liegen, wundern und wenn Sie das Gerücht vernommen haben, dies wären Restbestände aus Jänner, so darf ich Ihnen sagen: Das stimmt nicht! (Heiterkeit.) Die Landeshauptfrau hat auf Grund der netten Aufnahme noch einmal Mozartkugeln nach Wien in den Bundesrat geschickt und wünscht uns damit eine süße Verführung. –Danke. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 24

Wir gelangen nun zur 5. Anfrage. – Herr Bundesrat Dr.  Kühnel, ich bitte um die An­frage.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie fragen:

1532/M-BR/2007

„Mit welchen Mitteln wird die Bundesregierung die Wahrung der Lufthoheit – in Form der aktiven und passiven Luftraumüberwachung – sicherstellen?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Die Aufgabe der Wahrung der Lufthoheit wird in den beiden Teilbereichen wie folgt vorgenommen: Es geht um ein Zusammenwirken der passiven und der aktiven Komponente der Luftraumüberwa­chung, und nur bei einem erfolgreichen Zusammenwirken ist die Luftraumüberwachung effizient.

Der Bereich der passiven Luftraumüberwachung umfasst den Einsatz von ortsfesten Radaranlagen, deren Erfassungsbereich anlassbezogen durch mobile Radaranlagen ergänzt respektive verdichtet wird. Diese passive Luftraumüberwachung wird perma­nent, das heißt 365 Tage im Jahr, 24 Stunden pro Tag, wahrgenommen und durch eine aktive Komponente anlassbezogen im Umfang und Dauer ergänzt.

Die aktive Luftraumüberwachung umfasst den Einsatz der im Bundesheer verfügbaren Luftfahrzeuge und bezweckt eine gesamtheitliche Überwachung des von Luftfahrzeu­gen benützten Luftraumes.

Im Detail können im Rahmen der aktiven Luftraumüberwachung Hubschrauber, Turbo­trainer, Düsentrainer und das derzeit als Überbrückungslösung eingesetzte Luftraum­überwachungsflugzeug der Type F5-E Tiger II eingesetzt werden. In der täglichen Rou­tine erfolgt die aktive Luftraumüberwachung primär durch die Luftraumüberwachungs­geschwader.

Der Bundesminister für Landesverteidigung hat auf mein Ersuchen hin Maßnahmen eingeleitet, die, wie im Regierungsprogramm festgehalten, darauf ausgerichtet sind, unter Sicherstellung der Aufrechterhaltung einer lückenlosen aktiven und passiven Luftraumüberwachung eine gesamtheitliche Kontrolle des Beschaffungsprojektes Luft­raumüberwachungsflugzeuge durchzuführen sowie Ausstiegsvarianten aus dem Kauf­vertrag oder signifikante Einsparungspotentiale zu prüfen. Hierbei sind auch die Er­kenntnisse des laufenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses heranzuzie­hen.

 


Präsident Manfred Gruber: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Das operativ-taktische Konzept des Bundesministeriums für Landesverteidigung stellt fest, dass zur Erfüllung der Luft­raumüberwachung in Österreich mindestens 18 Luftraumüberwachungsflugzeuge be­nötigt werden. Warum setzen Sie durch die von Ihnen angedachte Reduzierung der Zahl der Abfangjäger die Sicherheit Österreichs aufs Spiel? (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Die österreichische Bundes­regierung setzt die Sicherheit Österreichs nicht aufs Spiel, ganz im Gegenteil: Sie ist Garant der Sicherheit Österreichs! (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 25

Zum Zweiten wissen Sie, Herr Bundesrat, dass die Zahl der notwendigen Überwa­chungsflugzeuge in der Geschichte dieses Beschaffungsvorganges heftig diskutiert und auch modifiziert wurde.

Die Weisung an den Herrn Verteidigungsminister ist keine qualitative – dergestalt, dass es um eine Veränderung der Anzahl ginge –, sondern die Weisung besteht darin, dass erstens die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zu berücksichtigen sind und dass es zweitens darum geht, eine Lösung zu finden, die für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler günstiger ist.

Mit welchen Maßnahmen diese Vergünstigung erreicht wird, ist eine Verhandlungsan­gelegenheit des Verteidigungsministers mit den zuständigen Betreiberfirmen. (Bundes­rat Dr. Kühnel: Da müssen wir feststellen, dass andere ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 



BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 26

Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Reisenberger zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Frage.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Es sind manche noch immer in alten Spuren drinnen und können nicht heraus. Uns geht es – und Sie haben uns das ja wunderschön gesagt – um die Sicherheit und natürlich auch um die Finanzierung der Luftraumüberwachung.

Sehen Sie im Teil der Luftraumüberwachung mit Flugzeugen eine Chance, auf Grund – unter anderem – der heute stattfindenden Gespräche unseres Verteidigungsministers Norbert Darabos mit Herrn Rauen von ADSL substanzielle Verbesserungen zu erzie­len?

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Können die Zwischenrufe bitte lauter sein, damit ich sie auch hören kann? (Ruf bei der ÖVP: ... dass mit EADS verhandelt wird, nicht mit ADSL!) – Ach so!

 


Präsident Manfred Gruber: Der Herr Bundeskanzler ist am Wort, um die Zusatzfrage zu beantworten.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Danke schön. – Herr Bundesrat! Sie wissen, dass es auf Grund der Tätigkeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses um zwei Dinge geht. Erstens ist Folgendes festzustellen: Wie ist der Vertrag zustande gekommen? Gibt es theoretische – wenn man so will – Ausstiegsmöglichkeiten, oder ist der Vertrag überhaupt obsolet? – Das prüft gerade der parlamentarische Unter­suchungsausschuss. Ich kann den Ergebnissen dieser parlamentarischen Beratungen nicht vorgreifen.

Gleichzeitig wird allerdings geprüft – wenn der Vertrag so in Ordnung ist, egal, ob er jetzt gut oder schlecht, günstig oder ungünstig ist –: Gibt es Möglichkeiten, den Ankauf dieser Luftraumüberwachungsflugzeuge in einer kostengünstigeren Form durchzufüh­ren? – Dies betrifft den Preis, dies betrifft die Kosten der Wartung, dies könnte unter Umständen auch die Stückzahl betreffen.

 


Genau das versucht der Verteidigungsminister bei seinen Gesprächen – unabhängig einmal vom Ergebnis des Untersuchungsausschusses – auszuloten. Ich hoffe, dass er dabei erfolgreich ist, denn jeder Euro, den er in Wahrung der Sicherheitsaufgaben trotzdem einspart, ist ein gewonnener Euro für andere wichtige Aufgaben, die sich die Bundesregierung für die nächsten vier Jahre gestellt hat. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Bieringer.)

Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage. (Bundesrat Bieringer: Das ist der nächste Experte!)

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Wir haben ja, Gott sei Dank, einen sehr langen Verteidigungsausschuss gehabt, lieber Ludwig. (Bundesrat Bieringer: Dann können wir ja gut schießen!) Deshalb können wir alle hier mitreden, auch wenn du sehr gegen dieses Weiterbildungsprogramm warst. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Österreich singt ja auch: „Liegst dem Erdteil du inmitten“. Wir sind mitten in der EU, wir sind umrahmt von befreundeten NATO-Staaten. Im Grunde brau­chen wir für die Sicherheit dieses Landes nicht ein einziges dieser Luftraumüberwa­chungsfahrzeuge. (Bundesrat Bieringer: Also das ist wieder ...!) – Ja, ich weiß, die Schweiz und Liechtenstein sind noch nicht in diesem Kreise dabei. Aber das könnte man bilateral lösen.

Herr Bundeskanzler! Hat die Task Force, die der Verteidigungsminister eingesetzt hat, bereits konkrete Ergebnisse erbracht?

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Die Frage der Notwendigkeit des Ankaufs der Luftraumüberwachungsflugzeuge wurde in Österreich umfassend kontroversiell diskutiert. Ich setze voraus, dass die politischen Positionen zu diesem Thema bekannt sind. Es geht darum, wie wir mit dieser Frage jetzt umgehen.

Die Task Force hat die Vorarbeiten so weit gemacht, dass – ich glaube, heute – bereits ein relevantes Gespräch des Verteidigungsministers mit der Betreiberfirma stattfinden kann. Es ist vor allem darum gegangen, alle rechtlichen Fragen, die sich aus dem Ver­trag ergeben, zu präzisieren. Sie wissen, der Verteidigungsminister bedient sich nicht nur der erfahrenen Leute im Ministerium, sondern auch externer Experten, die ihn da­bei unterstützen.

Diese Task Force hat die Grundlage für das heutige Gespräch dargelegt. Über Ergeb­nisse, nehme ich an, wird uns der Verteidigungsminister in Bälde informieren.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Ing. Kampl zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Geschätzter Herr Bundeskanzler! „Der Standard“ von gestern schreibt: „Eurofighter ohne Alterna­tive“, „Kosten sparen heißt aber: Mehr Flüge auf veralteter Saab“.

Meine Frage: Stellt der vom Bundesministerium für Landesverteidigung in Zusammen­arbeit mit dem Vorsitzenden des Ausschusses „Eurofighter“, Abgeordnetem zum Natio­nalrat Dr. Pilz, angestrebte Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag oder zumindest die Reduzierung der Stückzahl eine Gefährdung der österreichischen Sicherheitsinteres­sen dar?

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Nein, ich glaube nicht, dass es hier zu einer Gefährdung der Sicherheitsinteressen unseres Landes kommt, denn da geht es um die Prüfung eines ganz konkreten Vertrages, was nichts zu tun hat mit der Frage, wie der Luftraum gesichert ist, sondern es geht um einen konkreten Beschaffungsvorgang, der überprüft wird: Gibt es hier einen Grund, aus dem Vertrag auszusteigen, oder nicht? Wenn man nicht aussteigen kann: Gibt es eine Möglichkeit, ihn billiger zu machen?


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 27

Beides stellt keinerlei Gefährdung der österreichischen Sicherheit dar, denn selbst im, wenn man so will, stärksten Fall, dass dieser Vertrag obsolet wäre, steht es ja jeder politischen Führung frei, andere Verträge abzuschließen. Daher betrachte ich die Tätig­keit des Untersuchungsausschusses als einen Beitrag zur Transparenz und zur Erar­beitung einer weiteren Verfahrensgrundlage.

Darüber hinausgehend muss man sagen, dass sich die Sicherheitssituation oder der Beitrag, den das österreichische Bundesheer dazu leistet, in Zukunft weiter verbessern und verstärken wird. Es wird zu einer Umsetzung der Bundesheerreform bis zum Jahr 2010 kommen, was eine Effizienzsteigerung des Bundesheeres bedeutet, auch eine starke Fokussierung auf die Herausforderungen, die wir tatsächlich derzeit ge­meinsam zu bewältigen haben. Sie wissen, dass das Bundesheer in erster Linie im nationalen und internationalen Katastrophenschutz im Einsatz ist und, wenn man so will, die größte Katastrophenschutzorganisation des gesamten Landes ist.

Wir haben eine Reihe von internationalen Einsätzen zu bewältigen, wobei Österreich eine große Tradition hat. Wir sind sehr stark im Kosovo vertreten, mit kleineren Kontin­genten auch in anderen Konfliktherden. Der Einsatz der österreichischen Truppen bei diesen friedensschaffenden Maßnahmen ist erstens international sehr anerkannt, führt zu einer enormen Reputation, und wir werden uns auch von irgendwelchen Androhun­gen, mögen sie ernst oder unernst gemeint sein, nicht davon abbringen lassen, unse­ren Beitrag zur Stabilität des Friedens auf der Welt weiterhin zu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir gelangen nun zur 6. Anfrage. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mühl­werth, um die Verlesung ihrer Frage.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1538/M-BR/2007

„Gedenken Sie Ihre Wahlversprechen weiterhin so umzusetzen, wie sie dies bisher, Beispiel Studiengebühren, getan haben?“

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich setze voraus, dass das Ergebnis der Nationalratswahl am 1. Oktober vergangenen Jahres auch Ihnen bekannt ist. Sie wissen, dass dieses Wahlergebnis keine absolute Mehrheit für eine Partei, auch nicht für die Sozialdemokratie, erbracht hat und dass die einzige Möglichkeit, eine Koalition von zwei Parteien zu gründen, diejenige war, eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP zu bilden. Sie sind die beiden einzigen Parteien, die als Zwei-Parteien-Koalition über die erforderliche Mehrheit verfügen.

Diese beiden Parteien haben 66 respektive 68 Sitze, sie haben also annähernd gleiche Stärke. Daher ist der Unterschied zwischen einem Wahlprogramm und einem Regie­rungsprogramm der, dass es zwei Wahlprogramme gibt, aber am Ende nur ein Regie­rungsprogramm geben kann, und das ist klarerweise ein Kompromiss zwischen den beiden Parteien, die eine solche Regierung bilden.

Was die Studiengebühren betrifft, ist bekannt, dass die letzte Regierung diese einge­führt hat und dass die ÖVP darauf bestanden hat, dass es diese auch weiterhin gibt. Unsere Zielsetzung war es, die Studiengebühren abzuschaffen. Nachdem darüber kein Konsens erzielt werden konnte, wurde versucht, eine zweitbeste Lösung zu finden,


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 28

nämlich, zum Ersten den Kreis der Stipendienbezieher auszuweiten und daher denjeni­gen Studentinnen und Studenten, die aus sozial schwachen Schichten kommen, in einem größeren Ausmaß den Zugang zum Studium zu ermöglichen – das heißt ja nicht nur, dass dort die Studiengebühren wegfallen, sondern auch, dass es eine echte Un­terstützung für die Lebenshaltungskosten gibt –, und zum Zweiten ein Modell zu entwi­ckeln, mit dem sich Studentinnen und Studenten durch freiwilliges Engagement in einer neuen Form die Studiengebühren ersparen können.

Die Grundidee dabei war die, dass es in unserer Gesellschaft – ob es uns passt oder nicht, wir müssen uns damit beschäftigen – eine sehr starke Differenzierung und sehr viele Kinder aus sozial schwachen Schichten gibt. Wir haben in Österreich außerdem ein Schulsystem, das diese sozialen Unterschiede über seinen gesamten Bereich wei­ter fortpflanzt. Daher ist es ja so, dass das Kind eines Akademikers eine 83-prozentige Chance hat, selbst Akademiker zu werden, wogegen ein Kind aus einer Arbeiterfamilie nur eine 7-prozentige Chance hat, Akademiker zu werden.

Das Ziel unserer Schulpolitik ist es selbstverständlich, dass wir versuchen, unser Schulsystem so zu gestalten, dass die Bildungschancen für mehr Kinder und Jugend­liche steigen. Wir sind uns aber dessen bewusst, dass uns das nicht von heute auf morgen zu hundert Prozent gelingen wird.

Daher haben wir gesagt: Wie wäre es, wenn sich Studenten, die eine sehr gute Ausbil­dung genießen, in einem gewissen Ausmaß pro Woche zur Verfügung stellen würden und sozial bedürftigen Kindern – die nie die Chance hätten, eine Nachhilfestunde zu bekommen, weil sich die Eltern das einfach nicht leisten können – beim Lernen helfen würden, ihnen dabei Unterstützung geben würden, mit ihnen Aktivitäten setzen wür­den, sodass Kinder eine zusätzliche Leistung empfangen würden, die es bisher nicht gegeben hat und die sich ihre Eltern auch nicht leisten können? – Das war die Idee da­hinter, das anzubieten. Wer dazu bereit ist, in einem gewissen Ausmaß diese freiwillige Leistung zu erbringen, der sollte von den Studiengebühren befreit sein.

Dieses Modell wird derzeit in einer interministeriellen Arbeitsgruppe des Bildungsminis­teriums, des Wissenschaftsministerium und des Sozialministeriums diskutiert und prä­zisiert. Ich erwarte mir davon, dass das zu einem stärkeren Zusammenrücken in unse­rer Gesellschaft führt, das heißt, dass man sich um andere kümmert und dass das eine wesentliche Ergänzung von staatlichen und öffentlichen Leistungen darstellt. Es ist, wenn Sie so wollen, ein Ausdruck von Solidarität in unserer Gesellschaft. Es darf nicht verwechselt werden mit Tätigkeiten, für die qualifiziertes Pflegepersonal eingesetzt wird, und es darf nicht verwechselt werden mit Arbeiten im eigentlich Sinn, für die na­türlich ganz normale Löhne bezahlt werden sollen.

Darüber hinausgehend kann ich Ihnen sagen, dass das Regierungsprogramm, das wir – war es in der letzten Sitzung des Bundesrates? – in einer der letzten Sitzungen diskutiert haben, eine Reihe von sehr wichtigen Zielsetzungen umfasst, mit denen ich mich zu hundert Prozent identifizieren kann. Ich glaube, dass das, was wir im Schulbe­reich vorhaben, wirklich zu einer Qualitätsverbesserung führt.

Wir werden ein innovatives System der Armutsbekämpfung in Österreich haben, das, so glaube ich, europaweit beispielhaft sein wird, weil es die Armut nicht bezahlt, son­dern sie wirklich bekämpft, weil es versucht, Menschen aus der Armut herauszuführen und wieder zu einer Tätigkeit zu bringen, das heißt, entweder zu arbeiten, eine Weiter­bildungsmaßnahme zu ergreifen oder sich gemeinnützigen Tätigkeiten zu widmen. Das heißt, es ist ein innovatives System der Armutsbekämpfung.

Wir haben unser Ziel festgehalten, die Arbeitslosigkeit in Österreich um 25 Prozent zu senken. Es war auch der Schwerpunkt der ersten Regierungsklausur, ein umfassendes


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 29

Paket für Wachstum und Beschäftigung zu schnüren, das es auch möglich macht, die­ses Ziel zu erreichen.

Wir werden die soziale Gerechtigkeit im Gesundheitssystem verstärken, indem wir die Kosten für Medikamenten-Selbstbehalte auf 2 Prozent des Monats-Nettoeinkommens beschränken. Das ist gerade für Frauen, die meistens sehr kleine Pensionen haben, eine wichtige Maßnahme. Denn: Es gibt sehr viele Menschen, die, wenn sie im Alter chronische Krankheiten haben, bis zu 100 € oder mehr pro Monat für Medikamenten-Selbstbehalte bezahlen. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass eine davon betroffene Frau vielleicht 1 000 € Pension hat – was im Übrigen schon eine überdurchschnittliche Pension ist –, dann würden diese 2 Prozent für diese in Zukunft bedeuten, dass die Kosten für Medikamente für sie nur noch 20 € pro Monat betragen würden. Das heißt, es gäbe eine ganz wesentliche Veränderung der sozialen und der Einkommenssitua­tion allein durch diese einzelne Maßnahme.

Daher bin ich eigentlich guten Mutes, dass die „Magna Charta“ dieser Bundesregie­rung, nämlich das Koalitionsabkommen, erstens Österreich sozialer, leistungsstärker und moderner machen wird und dass ein Großteil der Zielvorstellungen, die darin for­muliert sind, auch mit den Zielsetzungen, die wir uns in der Wahlbewegung gesetzt ha­ben, vereinbar ist.

Aber falls Sie der Meinung sind, dass das in einem zu geringen Ausmaß der Fall ist, lade ich Sie ein, bei der nächsten Nationalratswahl die SPÖ und Alfred Gusenbauer zu wählen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Bundes­kanzler! Es geht hier überhaupt nicht um mich, sondern um Ihre eigenen Leute. Die Initiative „Wir sind SPÖ“ hat eine Umfrage unter 800 Basis-Funktionären gemacht, wie die Zeitung „Die Presse“ heute schreibt, und da kam Folgendes heraus: 30 Prozent sind mit der Regierung der SPÖ sehr unzufrieden, 30 Prozent unzufrieden und 28 Pro­zent eher unzufrieden. Sie haben also das Image einer Umfaller-Partei.

Frage jetzt: Werden Sie etwas tun, um dieses Umfaller-Image zu korrigieren?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Ich ver­stehe, dass manche nicht zufrieden sind mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlun­gen und dem Regierungsprogramm, das hier umgesetzt wird, weil natürlich die Erwar­tungshaltungen immer die sind, dass zu hundert Prozent das gemacht werden kann, was man sich vorgenommen hat. Dazu braucht man aber 50 Prozent und eine Stimme. Wenn man 68 Mandate hat, dann sind das rund 35 Prozent der Stimmen, dann muss man einen Koalitionspartner haben und sich mit dem einigen.

Sie wissen ja, dass das für alle Parteien in gleichem Maße so ist. Es ist auch ein ver­nünftiges Element unserer Demokratie, dass man, wenn es keine eindeutigen Mehr­heiten gibt, Kompromisse schließen muss. Bei den Erwartungshaltungen, die da be­stehen, gibt es natürlich da und dort Enttäuschungen. Das ist ungefähr so, wie wenn Sie sich zu Weihnachten einen Rolls Royce wünschen und dann nur einen Mercedes bekommen; dann sind Sie vielleicht auch enttäuscht. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

 


Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Kollegin Konrad zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 30

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Es heißt ja, es sei das Wesen eines Kompromisses, dass beide Seiten damit unzufrieden sind. So gesehen, gibt es im Hochschulbereich wahrscheinlich keinen Kompromiss, weil die ÖVP zu hundert Prozent zufrieden sein kann mit dem, was sie hier durchgebracht hat.

Meine Frage betrifft den freien Hochschulzugang in Österreich: Ist der für Sie für diese Regierungsperiode abgehakt, oder werden Sie noch irgendwelche Anstrengungen un­ternehmen, um ihn doch wieder einzuführen?

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Die Diskussion über die Frage des freien Hochschulzuganges wird mit Sicherheit weitergehen, denn das, was wir im Koalitions­abkommen umgesetzt haben, ist jetzt die Realität, aber die politische Diskussion kann und will ich niemandem verbieten.

Es wird im Übrigen diese Diskussion über eine zweite Ebene sicher wieder nach Öster­reich hereingetragen werden. Sie wissen, dass wir aktuell eine Auseinandersetzung mit der EU-Kommission haben, was zum Beispiel die Quotenregelung bei den Medizinstu­denten betrifft. Das heißt, die gesamte Frage, wie viele Studienplätze es gibt und wie der freie Zugang geregelt wird, wird meinem Eindruck nach ein Dauerbrenner werden, weil es hier eine Reihe von offenen Fragen gibt, die weiter diskutiert und behandelt werden müssen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Konecny zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Ich darf an dem Punkt weiterfragen, an dem wir soeben angelangt sind, denn Kollegin Mühlwerth gibt mit ihrer Ursprungsfrage wenig dazu her. Sie sollte aus ihrer eigenen Erfahrung mit der Umsetzung von Wahl­versprechen bei einer Regierung zweier annähernd gleich starker Parteien ein biss­chen was erzählen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Aber ich komme zu der Frage, die jetzt angeschnitten wurde, zurück.

Herr Bundeskanzler! Es gibt praktisch zwei Länder, Belgien/Wallonie und Österreich, die den Sonderfall der Sprachgleichheit mit einem großen Nachbarn haben. Sehen Sie eine Chance und haben Sie insbesondere auch beim Europäischen Rat Möglichkeiten gehabt, diese Sonderfälle als solche den Kolleginnen und Kollegen anderer Länder, in denen es immer um ein paar hundert oder maximal um ein paar tausend ausländische Studenten gehen kann, vor Augen zu führen?

 


Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Es ist in der Tat so, dass Belgien und Österreich hier in einer vergleichbaren Situation sind, nur mit dem Unter­schied, dass das in Belgien schon dramatisch weit fortgeschritten ist. Das kleine Bel­gien leistet für das große Frankreich in der Tat, wenn man so will, bildungspolitische Entwicklungshilfe, denn sehr hohe Anteile an den belgischen Universitäten sind letzt­endlich von Studentinnen und Studenten aus Frankreich belegt.

Wir haben diese Frage angesprochen, weil es bei allen Regelungen der Europäischen Union natürlich darum gehen sollte, die Prinzipien zu verwirklichen. Aber man muss sich immer auch anschauen, wie sich die Umsetzung eines Prinzips im konkreten Ein­zelfall auswirkt.

Es ist so, dass Österreich bei der Größe, die wir haben, nicht alle Probleme der Bun­desrepublik Deutschland im Universitätswesen wird lösen können, noch dazu, da sich


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jetzt die Bundesrepublik zu einem weiteren Schritt entschlossen hat. Die Bundesrepub­lik geht davon aus, dass es dort in den nächsten Jahren ein enormes Ansteigen der Studenten geben wird, dass sich aber dieser Anstieg der Studenten irgendwann wieder abflachen wird. Jetzt ziehen sie daraus die Konsequenz, dass sie sagen: Wir wollen nicht mehr Universitäten bauen für die paar Jahre, in denen wir das Problem haben! – Stattdessen gehen sie her und geben massive Unterstützungen für all jene Studenten in Deutschland, die bereit sind, außerhalb Deutschlands zu studieren. Das heißt, es wird dieses Verhalten, aus Deutschland wegzugehen, sich dort nicht dem Numerus clausus unterwerfen zu müssen und woanders hinzugehen, um zu studieren, massiv finanziert, weil es für Deutschland eine kostengünstigere Variante ist.

Aber natürlich kommt es dadurch zu einer völligen Verzerrung des europäischen Hoch­schulraumes! Daher habe ich auch Kommissionspräsident Barroso darauf hingewie­sen, dass diese Frage nicht so gelöst werden kann, dass man hergeht und sagt: Es gibt das Prinzip des freien Hochschulraumes, und wir bezahlen jetzt alle unsere Stu­denten dafür, dass sie woanders studieren, damit wir zu Hause die Probleme nicht lösen müssen! – Das wäre, finde ich, der falsche Weg.

Bei den Medizinstudenten kommt noch hinzu, dass sich früher oder später natürlich die Frage der Solidität unseres Gesundheitssystems stellen wird: Haben wir in Öster­reich – nicht heute, aber in Zukunft – eine ausreichende Zahl von Ärzten zur Verfü­gung, die wir zur Aufrechterhaltung unseres hohen Niveaus brauchen?

Daher sind wir hier in enger Kooperation mit dem Wissenschaftsminister tätig. Es wird gerade die österreichische Antwort auf das Schreiben der Kommission formuliert. Ich werde am 4. April an einer Sitzung der EU-Kommission teilnehmen und dort erneut unseren Standpunkt erläutern. Ich hoffe, dass wir in einer vielleicht kreativen, aber rechtskonformen Art und Weise dieses Problem lösen können.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Schöls zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Apropos Wahlversprechen! – Studiengebühren sind eine Sache, Eurofighter sind eine andere Sache.

Daher meine Frage: Gestern hat, wie nicht anders zu erwarten, der erste Eurofighter erfolgreich den Testflug absolviert. Das „Eurofighter-Tribunal“ bringt, wie nicht anders zu erwarten, auch nicht die Ergebnisse, die sich manche erhofft haben. Mit der Frage der Antragstellung für die Lizenzen kommen wir auch dahinter, dass es hier eine Säu­migkeit des jetzt amtierenden Verteidigungsministers gibt.

Daher meine Frage: Sind Sie, Herr Bundeskanzler, bereit, das Regierungsübereinkom­men einzuhalten, in dem die Vertragstreue und das Bekenntnis zur Luftraumverteidi­gung festgeschrieben sind (Zwischenrufe bei der SPÖ), oder wollen Sie hier justament ein Wahlversprechen durchdrücken?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Sie wissen, dass das Koali­tionsabkommen auf Punkt und Beistrich erfüllt wird und dass das die gemeinsame Grundlage der beiden Regierungsparteien darstellt.

Was Ihre Eingangsbemerkungen betrifft, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass in den vertraglichen Bestimmungen an sich klargelegt ist, dass bereits im vergangenen Jahr die Sache mit den Lizenzen hätte behoben werden müssen. Das ist im Vertrag gere-


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gelt. Es ist schade, dass das nicht erfolgt ist; daher muss das in einem zweiten Verfah­ren geschehen.

Ich hoffe nur, dass Österreich nicht irgendwelche Schwierigkeiten daraus erwachsen, weil wir natürlich sehen müssen, dass, gerade was diese NATO-Lizenzierung betrifft, dies ein Argument dafür gewesen sein dürfte, zum Beispiel die F-5 aus dem Bieterver­fahren auszuscheiden. Jetzt braucht man aber von der NATO, in der die Amerikaner eine bedeutende Rolle spielen, die Zustimmung zu dieser Lizenz. Dass die das nun unter Umständen hernehmen, um eine Diskussion zu initiieren und zu sagen: Freunde, da hättet ihr ja schon zu einem anderen Zeitpunkt kommen (Zwischenruf des Bundes­rates Schöls) und die F-5 nicht ausscheiden können!, ist unter Umständen ein heikles juristisches Argument, das mit jemand geklärt werden muss, der in dieser Frage dann auf dem längeren Ast sitzen wird.

Daher muss uns allen klar sein, dass sich durch dieses Verschleppen der Lizenzent­scheidung und vor allem durch die Begründung, die dafür gegeben wurde, dass die F-5 ausgeschieden wurde, die Verhandlungsposition Österreichs nicht erleichtert hat. Aber ich gehe davon aus, dass der amtierende Verteidigungsminister auch diese Frage, so wie alle anderen, mit großer Bravour lösen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Bundeskanzler.

Wir gelangen nun zur 7. Anfrage. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mos­bacher, um die Verlesung ihrer Frage.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Meine Frage lautet:

1536/M-BR/2007

„Welche Schwerpunkte setzen Sie im Bereich von e-Government im Jahr 2007?“

 



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Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Im Jahr 2007 hat die Umsetzung und Ver­breiterung von e-Government höchste Priorität. Das heißt, dass wir im heurigen Jahr noch eine Reihe von massentauglichen Anwendungen definieren und Maßnahmen set­zen müssen, damit dezentral die Zahl der Nutzer steigen kann. Es geht vor allem um die Darstellung des österreichweiten Angebotes auch in Form einer Österreich-Land­karte, und ein laufendes Monitoring soll den Fortschritt im Bereich e-Government unter­stützen. Wir konzentrieren uns dabei vor allem auf die Arbeiten zum Thema Verbrei­tung, Vereinfachung des Rechtsrahmens und der Initiative „e-Government für alle“, was ja auch einen Teil einer EU-Initiative bis zum Jahr 2010 darstellt.

Wichtig für die Akzeptanz von e-Government ist natürlich die Sicherheit. Hier geht es um die Verbesserung der elektronischen Signatur, um Net-Banking und um eine Reihe von anderen Elementen. Wir wollen diese Arbeit gemeinsam mit den Gemeinden durchführen, weil diese bei e-Government die wichtigsten Vermittler sind und dort auch, wenn man so will, das Vertrauen zwischen Bürgern und Behörde am allerstärks­ten ausgeprägt ist. Diese Form der Kooperation soll dazu führen, dass dann möglichst viele Menschen e-Government nützen und wir uns in die Richtung bewegen, dass sich der Akt bewegt und dass nicht die Menschen sich bewegen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Welche Schwerpunkte setzen Sie im Bereich Barrierefreiheit von e-Government?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Sie wissen, dass das ein ganz zentrales Anliegen von Frau Staatssekretärin Heidrun Silhavy und auch von mir persönlich ist, weil wir ja den barrierefreien Zugang zu behördlichem Internet-Auftreten für Menschen mit Einschränkungen gesetzlich verankert haben. Wir müssen das bis zum 1.1.2008 umsetzen, und wir werden das auch rechtzeitig zu­stande bringen.

Die Frau Staatssekretärin ist in dieser Frage sehr engagiert. Es gibt im März dieses Jahres einen Workshop im Bundeskanzleramt zum Thema Barrierefreiheit. Wir werden auch allen anderen Verwaltungsstellen das Know-how, das hier im Bundeskanzleramt gesammelt ist, weiterhin zur Verfügung stellen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Eibinger zu Wort gemel­det. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Die letzte Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel hat durch mehrere Initiativen Öster­reich im Bereich e-Government zum europaweiten Vorzeigeland gemacht. Wie geden­ken Sie diesen Erfolgskurs der letzten Bundesregierung in der laufenden Gesetzge­bungsperiode weiterzuverfolgen?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Frau Bundesrätin! Sie haben recht damit, dass Österreich sehr große Fortschritte im Bereich des e-Governments erzielt hat. Es ist auch unsere gemeinsame Zielsetzung in der Bundesregierung, neben den innerös­terreichischen Maßnahmen, die ich zuvor genannt habe, solche Dienstleistungspakete auch in Europa zur Verfügung zu stellen. Wir sind gerade dabei – da das ja auch einen Wert hat und Wertschöpfung in diesen Produkten enthalten ist –, dies anderen Mit­gliedstaaten der Europäischen Union zur Verfügung zu stellen, damit sie den Fort­schritt, den wir in diesem Bereich realisiert haben, nützen können und wir dadurch viel­leicht auch Einnahmen realisieren.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Breiner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wie weit ist die Fortsetzung des e-Governments in Richtung e-Democracy gediehen, und welche Überlegungen gibt es von Ihrem Amt aus, auch Teile politischer Entschei­dungen und Befragungen in dieses elektronische System einzubinden? (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Das ist eine sehr wichtige und interessante Frage. Wir haben uns vor allem mit der Frage des e-Votings ausein­andergesetzt, das in Estland am weitesten entwickelt zu sein scheint. Wir werden uns das dortige Beispiel jetzt anschauen. Dort ist das auch bereits bei Wahlen verwendet worden.

 


Es ist Teil des Demokratie-Paketes, das die Bundesregierung dem Nationalrat noch im April zuleiten wird, dass hier die Studien und Untersuchungen vor allem zu e-Voting intensiviert werden, weil wir alles tun wollen, dass Barrieren für die Teilnahme an der Demokratie geringer werden und möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben, am demokratischen Entscheidungsprozess teilzunehmen. Und e-Voting kann ein Element sein, das uns dabei hilft.


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Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 8. Anfrage. Ich bitte den Anfragestel­ler, Herrn Bundesrat Saller, um die Verlesung seiner Frage.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundeskanzler, meine Frage lautet:

1533/M-BR/2007

„In welcher Weise unterstützt die österreichische Bundesregierung die Bewerbung Salzburgs als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014?“

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Unterstüt­zung der Salzburger Olympia-Bewerbung findet auf mehreren Ebenen statt. Neben der monetären Unterstützung gibt es eine ganz klare Grundlegung, dass sich die Republik mit 49,9 Prozent am künftigen Organisationskomitee beteiligt, dass es eine Finanzie­rungsbeteiligung an den permanent zu errichtenden Sportstätten gibt – Sie wissen, das ist die Drittel-Finanzierung von Sitzgemeinde, Land und Bund –, die 40-Prozent-Betei­ligung an der Ausfallshaftung, gemeinsam mit Stadt und Land Salzburg, und es gibt darüber hinausgehend, wenn man so will, spontane, notwendige Entscheidungen.

Wir sind zum Beispiel vergangene Woche beim IOC-Bewertungskomitee vor folgender Frage gestanden: Wie gehen wir damit um, dass für das Eisstadion in Puch die Finanz­garantie der Gemeinde Puch nicht vorhanden war? – Wenn man weiß, wie teuer so ein Eisstadion ist, wird man leicht feststellen können, dass die finanziellen Kapazitäten einer relativ kleinen Gemeinde ... (Bundesrat Bieringer: ... in Wals-Siezenheim drau­ßen!) – Ihr baut alles in Wals? Gut, wenn wir das gewusst hätten, hätten wir uns das ersparen können, Herr Bürgermeister! (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Ruf: Das ist der Herr Bürgermeister!) Ich weiß!

Aber das Problem war, dass das IOC da sehr genau hineingeschaut und festgestellt hat, dass keine Garantie vorhanden war. Daher haben wir, das Land Salzburg und die Republik, uns noch in der Nacht dazu entschlossen, dass wir nicht nur für unsere Finanzierungsteile die Garantie übernehmen, sondern auch die Garantie für das über­nehmen, was die Gemeinde Puch garantieren müsste, damit auch dieser Fall vernünf­tig geregelt ist. Das heißt, neben der tatsächlichen finanziellen Unterstützung gibt es auch solche Formen von Garantieunterstützungen, die das ermöglichen.

Darüber hinausgehend werden wir die Bewerbung auch so unterstützen, dass wir im Budget, glaube ich, 1,2 Millionen € für zusätzliche Marketing-Maßnahmen vorgesehen haben, die in den nächsten Monaten gesetzt werden. Sie alle wissen ja, wir haben es mit heftiger Konkurrenz zu tun!

Ich habe auch gestern im Ministerrat dazu berichtet: Wenn es eine sportpolitische Ent­scheidung wird, dann hat natürlich Russland die größten Chancen; das ist ein großes Land mit einer enormen Sporttradition, das noch nie solche Olympischen Winterspiele hatte. Ist es eine Entscheidung, die auf Basis des ökonomischen Mitteleinsatzes getrof­fen wird, dann haben sowohl Pyeongchang als auch Russland bedeutend bessere Chancen. Letztere investieren in Sotschi 14 Milliarden € – ich betone: 14 Milliarden €! – für die Errichtung all dieser Sportstätten, wenn sie das bekommen.

Die Konkurrenz ist also eminent hart, und Österreich wird es in diesem Umfeld gar nicht so einfach haben, dass es hier besteht. Daher stellt sich die Frage: Auf welcher Basis, auf welcher Grundlage haben wir überhaupt eine Chance, den Zuschlag für 2014 zu bekommen?


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 35

Ich habe versucht, dem Bewertungskomitee klarzumachen, dass es für die olympische Bewegung wichtig ist, welche Bilder um die Welt gehen. Die Bilder, die aus Turin ge­kommen sind, waren ja nicht alle positiv. Ich glaube, dass das damit zu tun hat, ob eine Region gewachsen ist, der Wintersport dort immer präsent war und man nicht künstlich irgendetwas in die Landschaft setzen muss, das irgendwie doch immer einen fremden Eindruck erweckt. Daher ist, meine ich, unsere Werbelinie die, dass wir sagen: In Salz­burg, in Österreich bekommen Sie etwas, was Sie mit Geld nicht kaufen können, näm­lich Atmosphäre, Tradition, Kultur und Charme!

Ich glaube, dass wir alle gemeinsam, die wir vergangene Woche bei der Bewertungs­kommission aufgetreten sind – jeder auf seine Art und Weise –, versucht haben, unse­ren Beitrag zu leisten. Wir werden das bis hin zur Entscheidung am 4. Juli in Guate­mala City aktiv weiter begleiten. Jeder österreichische Minister hat in seinem Reisege­päck eine To-Do-List: Welche Fragen sind immer zu behandeln, unabhängig von der Ressortzuständigkeit? – Eine dieser Fragen ist: Sicherheitsrat ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Natürlich: Sicherheitsrats-Kandidatur Österreichs für die Jahre 2009/2010; und die zweite Frage ist selbstverständlich die Olympia-Bewerbung 2014. Sehr wichtig sind auch die Unterstützung und die Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Olympi­schen Comité.

Was sich sehr bewährt, ist der Einsatz von Franz Klammer als Olympia-Botschafter. Er ist ein Symbol des sauberen Sports, er reist jetzt rund um die Welt und versucht, Stim­mung für Österreich zu machen. Ich habe erst gestern einen persönlichen Brief an alle Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees unterzeichnet, um sie auch ein bisschen für Österreich zu begeistern.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Ich möchte nachfragen bezüglich des Be­suchs in der vergangenen Woche: Wie ist dieser Besuch der IOC-Delegation allgemein verlaufen, und ist Ihnen diesbezüglich bereits etwas bekannt?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Ich habe bereits auf den Besuch verwiesen. Das ist eine sehr professionelle Angelegenheit: Dass die Mitglieder der Bewertungskommission draufgekommen sind, dass in einer kleinen Frage die Garantie noch nicht da war, zeigt, wie professionell sie arbeiten. Das konnte zum Glück alles geklärt werden.

Ich glaube, es war in dieser Bewertungskommission eine hervorragende Stimmung. Der Vorsitzende, Herr Igaya, hat seine Einleitung am Freitag damit begonnen, dass er gesagt hat, er hat in seinem Leben schon 300 Bürgermeister getroffen, aber noch nie einen „Kamikaze-Bürgermeister“, und er hat darauf verwiesen, dass am Tag davor in Königssee der Salzburger Bürgermeister Teil der Viererbob-Mannschaft war, die mit 120 Stundenkilometern durch den Eiskanal gesaust war.

Ich habe den Eindruck gehabt, dass die Bewertungskommission rein stimmungsmäßig auch sehr viel mitgenommen hat. Wir waren alle dort, klarerweise die Frau Landes­hauptfrau, der Landeshauptmann-Stellvertreter, der Bürgermeister, der Finanzminister, der Bundespräsident, ich, die Sektion Sport – eben alle, die hier einen Beitrag leisten können. Die Kooperation mit den Freunden aus dem Berchtesgadener Land ist auch eine sehr, sehr gute; das hat sich auch bei dieser Präsentation so dargestellt.

Also wenn Sie mich fragen: Wenn es nicht ums Geld geht und wenn es nicht um Sport­politik im großen Maßstab geht, sondern wenn man die Bewerbung für sich bewertet,


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 36

dann ist die Salzburger Bewerbung die beste! Jetzt müssen wir nur noch die Mehrheit aller Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees von dieser unserer Auffas­sung überzeugen. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Mit den Geldkoffern können wir nicht konkurrieren. Das wird nicht gehen, und das wol­len wir auch nicht tun! Denn: Wir wollen in einer ehrlichen, sauberen Art und Weise mit dem antreten, was wir zu bieten haben, und da brauchen wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Wurde auch im Ausland Lobbying betrieben, um internationale Unterstützung für Salzburg 2014 zu erhalten?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Wir bemühen uns alle. Ich sagte bereits, alle Minister sind mit dieser To-Do-List unterwegs. Franz Klammer ist als unser Botschafter für die Olympia-Bewerbung unterwegs. Wir machen jetzt eine Liste darüber, wer sich konkret um wen kümmern wird. Die Salzburger Landeshauptfrau ist sehr rührig, und wir teilen uns die Arbeit ein bisschen auf.

Wir werden auch versuchen, persönlich an die Mitglieder des Internationalen Olympi­schen Komitees heranzutreten. Wenn es nur irgendeine Chance gibt, dass wir die Olympischen Spiele nach Salzburg bringen, dann werden wir in Guatemala City ge­schlossen antreten. Es wird sich dort auch der russische Präsident Putin selbst in die Schlacht um die Bewerbung werfen. Wir werden versuchen, dem nicht nachzustehen, und vielleicht gelingt uns etwas. Sie wissen ja, dass bei der Frage der Entscheidung über die Olympischen Sommerspiele Paris schon als Sieger hingefahren ist, dann aber durch den unermüdlichen Einsatz von Tony Blair London als Sieger zurückgekommen ist.

Das heißt, es wird eine spannende Geschichte. Wir haben im Mai den Besuch des Staatspräsidenten Putin in Österreich, und gestern war eine Vorbereitungsgruppe zu Gast. Ich habe gesagt: Könnten wir uns nicht darauf einigen, dass wir all unser Know-how, das wir 2014 sammeln, Russland für die Olympischen Spiele 2018 zur Verfügung stellen? – Aber es gibt noch keine positive Antwort auf dieses großzügige Angebot.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Brei­ner. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Die Sicher­heit ist ein wesentlicher Bestandteil der Bewerbung, sowohl bei der EURO 2008 als auch bei der Olympiade. Nun wird es auch so begründet, dass die Luftraumüberwa­chung Teil dieses Sicherheitssystems sein soll.

Ist es ein Teil der Charme-Offensive, die Sie vorhin angesprochen haben, wenn Chris Worning, der als Erster den Eurofighter flog, sagte: Ich simulierte Bodenangriffe, flog 1,7-mal Schallgeschwindigkeit, es war herrlich!? (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bun­desrat Schennach: Abfangjäger mit Bodenangriffen?)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist der Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe auch darüber gelesen, dass dieser Testflug stattgefunden hat. Dass Testpiloten alle möglichen Einsatzarten testen (Zwischenrufe bei der ÖVP), ist völlig klar. das heißt aber nicht, dass dann alle möglichen Einsatzarten auch zur Anwendung kommen.


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Wir haben in der Vergangenheit schon eine Reihe von großen Sportveranstaltungen
in Österreich organisiert – wir hatten ein Champions-League-Finale und Ähnliches –, und Österreich war immer imstande, die Sicherheit zu garantieren, sowohl auf dem Boden als auch in der Luft. Es besteht überhaupt kein Zweifel – egal, ob jetzt dieser Testflug besonders gut oder besonders schlecht war, ob es Verbesserungen geben wird oder etwas anderes –, wir werden sicher imstande sein, sowohl bei der EURO 2008 als auch bei den Olympischen Spielen 2014, sollten wir den Zuschlag be­kommen, die erforderliche Sicherheit zu gewährleisten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schöls.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Mitte­rer. – Bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ich hoffe auf einen Zuschlag für die Olympiade 2014 für Salzburg. Die Chancen sind ja schon deshalb intakt, weil sich Salzburg auch eines Kärntner Zugpferdes bedient. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Im Vorfeld dieser Bewerbung wird aber auch sehr viel von großen Investitionen ge­sprochen, für die letztlich auch der Bund eine Haftung zu übernehmen hat. Ich frage Sie daher, Herr Bundeskanzler:

Welche Schritte werden Sie als für Sport zuständiges Mitglied der Bundesregierung setzen, um sicherzustellen, dass im Rahmen dieser Bewerbung keine Investitionen für den Neubau von Anlagen getätigt werden, welche entweder in gar keiner Weise einem dringenden Bedarf entsprechen oder die kostengünstiger und einfacher von bereits bestehenden Anlagen befriedigt werden können?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das ist ein wichtiger Punkt, denn solche Olympischen Spiele sollen auch – weil wir heute schon beim militärischen Jargon sind – eine Art Trägerrakete für eine weitere Entwicklung darstellen. Wir haben ja Olympia-Austragungsorte in der Welt, die beides signalisieren: Es gibt Austragungsorte, in denen die Olympischen Spiele ein kurzes Strohfeuer wa­ren, und dann war wieder alles vorbei; und es gibt Austragungsorte, die die Veranstal­tung dazu benützt haben, eine nachhaltige wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Entwicklung damit auszulösen.

Unser Ziel ist es natürlich, dass wir Letzteres machen. Daher ist auch bei der gesam­ten Planung der Sportstätten darauf Rücksicht genommen worden, dass dort, wo neue Sportstätten errichtet werden, auch entsprechende Nachnutzungen vorhanden sind.

Bei dem vorhin von mir angesprochenen Eisstadion zum Beispiel ist es ziemlich wahr­scheinlich, dass es eine gute Nachnutzung geben wird, nicht zuletzt auf Grund einer sehr erstarkten Salzburger Eishockeymannschaft mit einem kräftigen Sponsor, der da­hintersteht. Ebenso wird dies der Fall sein, wenn wir im Bereich der Schanze in Bi­schofshofen einen Neubau durchführen; dabei wissen alle, dass klarerweise nicht nur der 6. Jänner, das Dreikönigsspringen, ein Fixpunkt ist, sondern auch eine nachhaltige Nutzung dieser Schanze gewährleistet sein wird.

Uns ist es wichtig, dass nur nach diesen Prinzipien gebaut wird und dass nur nach diesen Prinzipien auch von Seiten des Bundes kofinanziert wird, und ich habe den Eindruck, dass das alle beteiligten Gebietskörperschaften gleich sehen. Denn: Es wäre auch für einen Bürgermeister nicht angenehm, wenn irgendein großes Gebäude errich­tet würde, dann nicht genützt würde und die Leute von einem Jahr zum anderen nur dem Verfallsprozess zusehen müssten. Das wäre, glaube ich, auch keine gute Emp­fehlung für eine Gemeinderatswahl.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 38

Daher sind alle beteiligten Gebietskörperschaften hier vom selben Interesse getragen. Die Sektion Sport und ich, gemeinsam mit meinem Sport-Staatssekretär, werden dafür Sorge tragen, dass das ordentlich über die Bühne geht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Fragestunde ist beendet.

10.47.39Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2269/AB bis 2276/AB beziehungsweise der Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die Amtsenthebung der beiden Bundesminister ohne Portefeuille Doris Bures und Dr. Johannes Hahn unter gleichzeitiger Ernennung der genannten Mitglieder der Bundesregierung zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt beziehungsweise zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung durch den Bundespräsidenten und des Nominierungsschreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B‑VG sowie jenes Verhandlungsgegenstandes, der nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Protokoll angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Anlage 3:

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesministerin ohne Portefeuille Doris Bures sowie gleichzeitige Ernennung zur Bundesministerin im Bun­deskanzleramt

Republik Österreich

Dr. Alfred Gusenbauer, Bundeskanzler

An den                                                                                                       Wien, am 1. März 2007

Präsidenten des Bundesrates                                                         GZ 350.000/0009-IV/8/07

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Herr Bundespräsident hat mit Entschließung vom 1  März 2007, GZ S300.000/5-BEV/2007, die Bundesministerin ohne Portefeuille Doris Bures gemäß Artikel 74 Ab­satz 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit Wirksamkeit vom 1. März 2007 vom Amte ent­hoben und sie gleichzeitig gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt ernannt.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident Frau Bundesministerin Doris Bures mit bei­liegender Entschließung, GZ S300.000/5-BEV/07, gemäß Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz die sachliche Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bun­deskanzleramtes gehörender Angelegenheiten übertragen.

Weiters darf ich mitteilen, dass Frau Bundesministerin Doris Bures die Bezeichnung "Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst" führt. Was die Frage­stunde im Bundesrat betrifft, wäre Frau Bundesministerin Doris Bures in der Reihen­folge nach dem Herrn Bundeskanzler vorzusehen.

Mit den besten Grüßen

*****


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 39

Anlage 4:

Amtsenthebung des Bundesministers ohne Portefeuille Dr. Johannes Hahn sowie gleichzeitige Ernennung zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

Republik Österreich

Dr. Alfred Gusenbauer, Bundeskanzler

An den                                                                                                       Wien, am 1. März 2007

Präsidenten des Bundesrates                                                         GZ 350.000/0010-IV/8/07

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Herr Bundespräsident hat mit Entschließung vom 1. März 2007, GZ S300.000/5-BEV/2007, den Bundesminister ohne Portefeuille Dr. Johannes Hahn gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit Wirksamkeit vom 1. März 2007 vom Amte enthoben und ihn gleichzeitig gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung ernannt.

Mit den besten Grüßen

*****

Anlage 5:

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG

Bundeskanzleramt Österreich

Dr. Alfred Gusenbauer, Bundeskanzler

An den                                                                                                                    Wien, am 13. März 2007

Präsidenten des Bundesrates                                                         GZ 405.828/0003-IV/5/07

Herrn Manfred Gruber

Parlament

Dr.-Karl-Renner-Ring 1-3

1017  Wien

In Entsprechung der Bestimmung des Artikels 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass das stellvertretende österreichische Mitglied des Ausschusses der Regionen (AdR) der Europäischen Union, Herr Mag. Andreas Schieder, am 20. November 2006 sein Mandat zurückgelegt hat.

Als Nachfolgerin für Herrn Mag. Schieder hat die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 3. März 2007 über Vorschlag des Österreichischen Städtebundes Frau Gemein­derätin Dr. Elisabeth Vitouch für die Neubesetzung des offenen Sitzes als stellvertre­tendes Mitglied des Ausschusses der Regionen für die verbleibende Amtsperiode bis 2010 nominiert.

Gemäß Art. 263, 4. Abs., EGV werden die Mitglieder des AdR sowie eine gleiche An­zahl von Stellvertretern vom Rat auf Vorschlag der jeweiligen Mitgliedstaaten mit qua­lifizierter Mehrheit für die Dauer von vier Jahren durch den Rat ernannt. Gemäß Art. 263, 1. Abs., EGV muss ein Mitglied des AdR entweder ein auf Wahlen beruhen­des Mandat in einer regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft innehaben oder ge­genüber einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich sein. Die Mitgliedschaft im AdR endet gemäß Art. 263, 4. Abs., EGV automatisch mit Wegfall dieser Vorausset­zungen, weshalb auch im gegenständlichen Fall für die verbleibende Amtszeit nach demselben Verfahren ein Nachfolger zu ernennen war.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 40

Mit freundlichen Grüßen

Beilagen *)

*) werden nicht veröffentlicht

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt

Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2007 getroffen wird (Gesetzliches Budget­provisorium 2007) (24 und 33/NR der Beilagen)

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eingelangt sind folgende Jahresvorschauen der Bun­desministerien, die den in Betracht kommenden Ausschüssen zugewiesen wurden:

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – zu­gewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft;

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten – zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten;

Bundesministerium für Justiz – zugewiesen dem Justizausschuss;

Bundesminister für Inneres – zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten;

gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin im Bundeskanz­leramt – zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus;

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen – zugewiesen dem Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz;

Bundesministerium für Verkehr, Infrastruktur und Technologie – zugewiesen dem Aus­schuss für Verkehr, Innovation und Technologie;

Bundesministerium für Gesundheit, Familien und Jugend – zugewiesen dem Gesund­heitsausschuss;

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur – zugewiesen dem Kulturaus­schuss.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates und jene EU-Arbeitsprogramme 2007 beziehungsweise jene Jahres­vorschau 2007 sowie jene Berichte der betreffenden Mitglieder der Bundesregierung, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ebenso bildet die Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versamm­lung des Europarates einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Der Herr Präsident hat die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tages­ordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 41

10.50.26Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages ist beabsichtigt, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 sowie 5 und 6 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

10.50.451. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz geändert wird (114/A und 35 d.B. sowie 7663/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich bitte um den Bericht.

 


10.51.00

Berichterstatterin Mag. Susanne Neuwirth: Der Bericht des Ausschusses für Wirt­schaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz geändert wird, liegt Ihnen in Schrift­form vor. Ich komme daher gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 20. März 2007 mit Stimmenmehrheit den Antrag, erstens gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zweitens dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


10.51.41

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden dieser Ökostrom-Novelle nicht zustimmen, und zwar aus folgendem Grund: weil sie uns nicht genug ist!

Die Ökostromgesetz-Novelle 2006 war in den Augen der Grünen ein großer Rück­schritt; damals war es zum Teil auch noch für die SPÖ ein Rückschritt. Die Novelle war deshalb ein Rückschritt, weil der Ausbau von Ökostromanlagen gedeckelt worden ist. Die Novelle war ein Rückschritt, weil eine Zählpunktpauschale eingeführt worden ist, etwas, was in unseren Augen sozial ungerecht ist und außerdem einem wirklich sinn­vollen und bewussten Umgang mit Energie eher konträr gegenübersteht als förderlich ist. Und die Ökostromgesetz-Novelle 2006 war ein Rückschritt, weil die Planungssi­cherheit für Ökostrombetreiber nach wie vor nicht gegeben ist.

Klimaschutz ist in letzter Zeit in aller Munde. Herr Bundesminister Bartenstein nimmt dieses Wort zwar nicht so oft in den Mund, aber allgemein spricht man jetzt doch ver­mehrt darüber. Der Grund, warum Klimaschutz in aller Munde ist, liegt eher darin, dass Wissenschaftler eindeutig und einhellig bestätigen, dass bis jetzt im Bereich des Kli­maschutzes zu wenig getan worden ist, um einen Klimawandel wirklich aufhalten zu können. Die Wissenschafter haben auch festgestellt, dass Klimaschutz weniger kosten würde, als die Folgen des Klimawandels uns kosten werden!


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In der Bundesregierung gab es in letzter Zeit sehr viele Debatten zum Thema Klima­schutz; diese waren allerdings eher Sidesteps und nicht bezogen auf wirklich griffige und massive Vorhaben. Die Bundesregierung debattiert darüber, ob es einen Klima­schutzbeauftragten braucht oder nicht, und die Bundesregierung streitet über einen österreichischen Standpunkt zur Kerosinbesteuerung. Das alles sind in meinen Augen nicht besonders wichtige Themen. Zumindest sollte man sich bei der Kerosinbesteue­rung schon längst einig sein und nicht mehr darüber streiten.

Die Bundesregierung erhöht jetzt die Mineralölsteuer auf ein EU-Mindestmaß; das heißt, das müssten wir ohnehin machen. Von einer Zweckbindung diesbezüglich habe ich noch nichts gehört. Sehr sinnvoll wäre es, die Einnahmen aus einer CO2-Besteue­rung auch in den Klimaschutz zu investieren.

Die Bundesregierung bekennt sich zu einem EU-Klima- und Energie-Strategiepapier, in dem sehr viele andere, bedenkliche Dinge drinstehen, aber unter anderem auch – und das ist positiv – eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien. Der logische nächste Schritt wäre, dass wir jetzt ein Ökostromgesetz machen, mit dem zusätzliche Ökostromkraftwerke gefördert werden und es wirklich massiv in Richtung Ausbau geht. Logisch wäre auch, dass wir endlich einen Forschungsförderungsfonds starten, ihn wirklich in die Wege leiten und ihm auch genügend Mittel zur Verfügung stellen, dass tatsächlich geforscht werden und massiv etwas weitergehen kann. Von diesen großen Schritten habe ich bis jetzt noch nichts gemerkt.

Diese Änderung des Ökostromgesetzes, die wir hier vorliegen haben, ist eine Kleinig­keit. Ursprünglich wollte der Herr Minister ja, dass die Energie-Control künftig die Ver­ordnung für den Verrechnungspreis beschließen und erlassen kann; das hat mich schon damals bei der Novelle gewundert, dass eine Energie-Control plötzlich Verord­nungen erlassen kann. Offensichtlich hat jetzt der Verfassungsgerichtshof auch festge­stellt, dass es so nicht geht, und das ändern wir jetzt. Das ist gut und schön, aber es ist, wie gesagt, einfach nicht genug, um wirklich massiv im Bereich der Öko-Energien weiterzukommen.

Meiner Meinung nach besonders peinlich in dieser Änderung ist der Absatz, in dem steht: „Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für die dem Kalenderjahr 2006 folgenden Jahre jährlich im Vorhinein durch Verordnung gesonderte Verrechnungs­preise für Kleinwasserkraft sowie für sonstigen Ökostrom festzulegen. Unterjährige An­passungen sind zulässig.“ – Dann ist gleich unten angeführt, wie hoch die Verrech­nungspreise künftig sein werden. Was ich interessant finde, ist, dass wir jetzt ein Ge­setz erlassen, in dem drinsteht, dass wir für die Folgejahre – das heißt, ab 1. Jänner 2007 – einen Verrechnungspreis festlegen. 2007 hat meines Wissens schon begon­nen, wir haben jetzt März, das wäre also schon längst fällig gewesen.

Bei mir in der Gemeinde hatten wir es voriges Jahr gewagt, eine Ausschreibung zum Thema Strom zu machen: Wir haben unseren Strombedarf ausgeschrieben und haben uns dann bei den einzelnen Energieunternehmen danach erkundigt, wie hoch denn der Ökostromzuschlag zu berechnen und zu berücksichtigen sei. Daraufhin wurde uns unisono geantwortet: Das wissen wir noch nicht. – Das heißt, es war eigentlich gar nicht möglich, eine wirklich neutrale und sinnvolle Vergabe anzustreben, weil die Ener­gieversorgungsunternehmen noch nicht einmal gewusst haben, wie hoch der Zuschlag letztendlich sein wird. Ich denke, das ist alles etwas zu spät angegangen worden, alles hinkt hintennach, und es ist ganz sicher kein schneller Schritt in eine richtige Richtung.

Insgesamt bleibt es dabei: Die Ökostrom-Novelle 2007 reicht uns nicht aus. Die Öko­strom-Novelle 2007 reicht nicht für die Ökostromerzeuger; diese haben nach wie vor Probleme mit der Investitionssicherheit und investieren deshalb lieber im Ausland. Die Ökostrom-Novelle 2007 reicht nicht für die Erreichung der neuen EU-Vorgaben hin-


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sichtlich der 20 Prozent an erneuerbarer Energie. Und sie reicht nicht für einen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Ziels, das irgendwann einmal zu erreichen wir uns vorge­nommen haben. Das steht jetzt auch im Regierungsprogramm, aber wir sind, wie wir alle wissen, meilenweit davon entfernt. Die Ökostrom-Novelle wird nicht reichen, auch nur einen Schritt näher zu diesem Kyoto-Ziel zu kommen.

Die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung reduziert sich darauf, dass sie Ziele steckt, aber Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele vergisst, und die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung beschränkt sich leider auf heiße Luft: auf der einen Seite die heiße Luft, die mit dieser Ankündigungspolitik verbreitet wird, und auf die heiße Luft, die wir in einigen Jahren zukaufen werden, und zwar teuer zukaufen werden, weil wir unsere Kli­maschutzziele selbst offensichtlich nicht erfüllen können. (Beifall bei den Grünen.)

10.58


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


10.58.43

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretä­rin! Sehr verehrte Damen und Herren! Wie man aus dem Bericht des Ausschusses und dem Initiativantrag der Abgeordneten im Nationalrat herauslesen kann, werden in die­ser Novelle zwei wesentliche Punkte behandelt.

Erstens: In der Fassung der Ökostrom-Novelle 2006 war nicht ganz klar, wann die No­velle in Kraft treten soll. Mit der heutigen Reparatur wird unmissverständlich der 1. Juli 2006 als maßgeblicher Zeitpunkt für die Qualifikation als neue Kraft-Wärme-Kopp­lungsanlage festgelegt.

Zweitens hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. 10. 2006 fest­gestellt, dass die Festlegung des Verrechnungspreises für Kleinwasserkraftwerke und Ökostrom verfassungswidrig sei. Um Rechtsunsicherheiten auszuschließen, wird mit dieser Novelle die Verrechnungspreisverordnung von der E-Control-Kommission in das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit verlegt.

Das sind die zwei Punkte, die mit dieser Novelle im Wesentlichen verändert werden.

Natürlich geht es bei den jüngsten Diskussionen über Klimaschutz, CO2-Ausstoß und erneuerbare Energien sowie Kyoto-Ziele um wichtige Themen, die erörtert werden müssen. Jeder Einzelne ist gefordert, in seinem Bereich seinen Beitrag zu leisten. Ich weiß schon, dass wir als kleines Land Österreich nicht wesentlich zur Verringerung des CO2-Ausstoßes beitragen können, trotzdem glaube ich, das wir unsere Vorreiterrolle und unser Engagement dementsprechend bekunden sollten, indem wir auch große Länder wie die USA und China überzeugen, dass auch sie ihren Beitrag dazu leisten müssen.

Erinnern wir uns ein paar Wochen oder Jahre zurück: Hochwasser, Schneestürme, zu­letzt der Sturm Kyrill, der uns sehr zugesetzt hat, Hitze, Unwetter, Klimaveränderungen und vor allem das Schmelzen des Polareises sind wichtige Angelegenheiten, die disku­tiert werden und auf die wir immer wieder aufmerksam machen müssen. Uns allen ist – wie ich glaube – über alle Parteigrenzen hinweg klar, dass wir den CO2-Ausstoß verrin­gern müssen. Wer verursacht den CO2-Ausstoß? – Ein Drittel der Verkehr, ein Drittel die Industrie und ein Drittel die Haushalte durch die Heizungen.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass Ökostrom nicht nur für die Wirtschaft und für neue Arbeitsplätze, sondern auch für die Landwirtschaft sehr wichtig ist, denn auch der Landwirtschaft eröffnet sich damit ein neuer Einkommenszweig. Mich persönlich be­drückt es allerdings etwas, wenn ich sehe, dass Biogasanlagen von sehr weit her be­schickt werden. Auch dadurch kommt es zu einem unnötigen CO2-Ausstoß!


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 44

Natürlich müssen auch die neuen Technologien berücksichtigt werden, und in diesem Zusammenhang fällt mir besonders Fotovoltaik ein. Das ist eine der umweltfreundlichs­ten Formen der Energiegewinnung, und ich glaube, die vielen Lärmschutzwände, die derzeit errichtet werden, würden gute Möglichkeiten bieten, um Fotovoltaik in großem Ausmaß umzusetzen.

Der Herr Bundeskanzler hat es heute schon angesprochen: Atomstrom steht in Öster­reich nicht zur Debatte. Natürlich ist Atomstrom auch eine erneuerbare Energie, als Energieform ist Atomstrom für Österreich aber nicht relevant. Somit geben wir dieser Novelle sehr gerne unsere Zustimmung und hoffen, dass wir den CO2-Ausstoß in nächster Zukunft verringern können! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Perhab.

 


11.03.29

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion wird dieser Novelle analog zur vorjährigen Novelle selbstverständlich zustim­men, weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir in Österreich auf dem Gebiet des Ökostroms beziehungsweise der erneuerbaren Energie auf einem sehr guten Weg sind. Im Hinblick auf die Novelle 2006 wissen wir, dass zwei Drittel des in Österreich produzierten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommt, und zwar großteils aus Wasserkraft.

In diesem Zusammenhang möchte ich leise Kritik an die grüne Fraktion richten: Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass Sie permanent die Ziele hinaufschrauben wollen! Es ist immer zu wenig, haben Sie, Frau Kollegin Kerschbaum, gesagt! Darauf ent­gegne ich: Immerhin haben wir die geförderten Ökostrommengen von 412 Gigawatt im Jahr 2002 auf 3 500 Gigawatt im Jahr 2006 erhöht, und wenn das in diesem Tempo weitergeht, dann erfüllen wir nicht nur die EU-Ziele, sondern wahrscheinlich in zehn, 15 Jahren auch das Kyoto-Ziel, was für uns alle natürlich positiv ist. Es ist auch die österreichische Umwelt ... (Bundesrätin Kerschbaum: Dann machen wir doch das alte Gesetz rückgängig!)

Sie müssen schon den wichtigsten Teil der Ökostromenergieerzeugung, die Wasser­kraft, in Betracht ziehen! Diesbezüglich haben Sie, wie ich glaube, eine gespaltene Seele, denn wenn wir in Österreich Kleinwasserkraftwerke planen – und es gibt zumin­dest in der Steiermark 50 Projekte –, dann scheitern diese großteils nicht an mangeln­der Wirtschaftlichkeit, sondern an den Auflagen und den Einwänden der Naturschutz­beauftragten und Umweltbeauftragten, an Natura 2000 und so weiter. Das bewirkt allerdings, dass wir in Regionen, die sich nicht in der Nähe der großen Ballungszentren befinden, zeitweise schon große Versorgungsprobleme haben. Im Zuge des jetzigen starken Schneefalls waren Täler in Kärnten und in der Steiermark von der Stromver­sorgung abgeschnitten, weil in die Netze nicht mehr investiert wird, wenn das nicht mehr wirtschaftlich ist. Für solche Regionen wären Kleinwasserkraftwerke mit einem hohen Wirkungsgrad und auch mit allen naturschutzrechtlichen Auflagen zweckmäßig, und derartige Projekte gibt es – wie gesagt – in Hülle und Fülle in ganz Österreich. Diese scheitern aber leider meistens am Widerstand der von Ihnen geförderten Bürger­initiativen und Ähnlichem. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Es gibt genug private Investoren, die keine Förderungen für diese Wasserkraftwerke benötigen. Ich möchte Ihnen das nur sagen! (Bundesrat Breiner: Die Einspeispreise sind hinderlich!)

Damit sind wir beim nächsten Punkt: Der Ökostrom muss natürlich zur Marktreife her­angeführt werden, alles andere können wir uns auf Dauer wahrscheinlich gar nicht leis-


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 45

ten. Wenn sich diese Projekte in zehn Jahren ohne öffentliche Förderungen und ohne Ökozuschläge nicht von selbst rechnen, dann werden sie nicht wettbewerbsfähig sein! Dann werden wir wieder zu der Debatte zurückkommen, dass auf einmal der Atom­strom Ökostrom ist. Das gibt es ja bereits jetzt auf EU-Ebene! Machen wir doch nicht den gleichen Fehler in Österreich! Bauen wir unsere Schätze, die wir haben, wie etwa die Wasserkraft, sukzessive aus, und zwar vor allem im Kleinwasserkraftsektor, dann werden wir alle in eine Win-Win-Situation kommen!

Lassen Sie mich noch ein paar Zahlen nennen: Die österreichische Umwelttechnologie zählt zu den innovativsten der Welt. Sie wächst mit 7,7 Prozent pro Jahr schneller als die österreichische Wirtschaft insgesamt. Die Forschungsquote im Bereich der Umwelt­technologie ist mit 5,6 Prozent mehr als doppelt so hoch wie jene der sonstigen Sach­güterproduktion. In der Umwelttechnikindustrie erwirtschafteten bereits im Jahr 2003 330 Firmen in Österreich mit 17 200 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,7 Milliarden €. In­zwischen wird die entsprechende Zahl wahrscheinlich schon in Richtung 5 Milliarden € gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher stimmen wir selbstverständlich dieser Novelle zu und hoffen in Zukunft auf die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energie, um auch im Zuge der Klimawandeldiskussion mit gutem Beispiel voranzugehen. Mein Be­trieb ist seit 15. Dezember an die Biowärme meines Heimatortes angeschlossen, und ich substituiere 16 000 Liter Heizöl. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der SPÖ.)

11.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster kommt Herr Bundesrat Breiner zu Wort.

 


11.08.07

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundeskanzler hat im Rahmen seiner Anfragebeantwortung die Aussage geprägt, dass Europa die Avant­garde in Bezug auf Ökologisierung sein soll. – Wenn ich mir anschaue, was in der Zwi­schenzeit mit dem Ökostromgesetz geschehen ist und was auch heute wieder nicht verhindert werden soll, dann muss ich feststellen, dass das sicherlich kein Schritt in Richtung Avantgarde-Rolle im Sinne einer ökologischen Gesellschaft ist!

Mit dem heutigen Beschluss wird wiederum festgelegt, dass Gaskraftwerke, auch wenn sie Kraftwärmekopplungen beinhalten, die Abhängigkeit von nicht erneuerbarer Ener­gie verstärken. Die Schaffung der Möglichkeit zum Einkauf von CO2-Zertifikaten trägt dazu bei, den Ausstoß an CO2 zu verdoppeln. Es geht in Summe um schlichtweg 280 Millionen €, die nicht hier in Österreich investiert werden, sondern im Ausland: Da­mit baut zum Beispiel China Windparks und Neuseeland Wasserkraftanlagen. Wie viel mehr Sinn hätte es, diese Gelder in Österreich zu investieren, um so wie in Oberöster­reich, Herr Kollege Perhab, die Industrie zu stärken, die sich mit Ökologisierung be­schäftigt! Dies ist ein wesentlicher Teil des oberösterreichischen Weges geworden, und dieser ist sicherlich einer der erfolgreichsten!

Dadurch, dass dieses Geld entzogen wird, wird eine boomende Branche, die Öster­reich hat, gebremst, und wesentliche Wettbewerbsvorteile werden wiederum verspielt. Diese Gesetzesänderung ist eine Anlassänderung. Ich denke mir, dass es vor allem darum geht, dieses Gaskraftwerk in die Förderung hineinzubringen.

Insgesamt soll das Ökostromgesetz aber doch so geändert werden, dass es garan­tierte Preise für die Abnahme gibt. Ich meine, dass auch der Ökostrom eine Chance auf dem Markt hat, wenn auf alle nicht erneuerbaren Energieformen die Umweltbelas-


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 46

tung aufgerechnet wird. So lange es diesbezüglich aber eine Verzerrung gibt, wird es nicht anders möglich sein, als Förderungen als Grundlage vorzunehmen.

Etwas ist aber doch kurios: Die Förderungen, die im Ökostromgesetz 2006 enthalten waren, wurden geändert, weil dieses Ökostromgesetz so erfolgreich war und zu viele Förderungen beantragt wurden. Daran zeigt sich allerdings, dass sehr wohl Bedarf in Österreich besteht, dass wir aber an diesem Bedarf offensichtlich ganz kräftig vorbei schauen. (Beifall bei den Grünen.)

11.12


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kraml.

 


11.12.19

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die heuti­ge Änderung des Ökostromgesetzes geht auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichts­hofes zurück, wie bereits von meinen Vorrednern angeführt wurde. Es geht dabei um die im Ökostromgesetz enthaltene Kompetenzdeckungsklausel, die nur einen Teil des Gesetzes abgedeckt hat und jetzt auf das gesamte Gesetz ausgeweitet wird. Außer­dem ist auch nicht mehr die Energiekontrollkommission zuständig, sondern das Bun­desministerium für Wirtschaft und Arbeit. Für den Konsumenten an sich wird sich durch diese Novelle preislich nichts ändern.

Meine Damen und Herren! So weit der gesetzliche Teil. Ich sehe das Ökostromgesetz auch als einen Beitrag dazu, um möglichst unabhängig vom Atomstrom zu werden. Es gibt jetzt nämlich wieder eine unsägliche Diskussion über den Bau neuer Atomkraft­werke und Bemühungen, die Kernkraft sozusagen als Atomstrom light ins Gespräch zu bringen. Ich halte das für absolut gefährlich! Auch wenn die Atomkraftwerke dazu bei­tragen, den CO2-Ausstoß zu verringern, sollte man meiner Meinung nach auf diese ge­fährliche Technik verzichten!

Die derzeitige Klimadebatte zeigt uns aber auch, dass mit den bisherigen Maßnahmen nicht jene Senkungen beim CO2-Ausstoß erreicht werden können, die wir uns vorge­nommen haben. Die Windräder, die Biogas‑ und Biomasseanlagen tragen aber sehr wohl einen Teil zur Klimaentlastung bei. Wir werden uns da aber auch die Frage stellen müssen, wo wir diese Kraftwerke überall hinstellen können. Ich kenne die Standortdis­kussionen bei Biogasanlagen, die am Rande von Siedlungen errichtet werden. Das ist mit Sicherheit ein Problem, weil die Bürgerinnen und Bürger dort ganz einfach auch die Beeinträchtigung ihrer Umwelt befürchten. Auch das muss man einmal ganz offen sagen: Es ist nicht alles Gold, was man mit Biomasse und Biogasanlagen machen will.

Ich glaube aber, dass es, wenn der Standort halbwegs vernünftig gewählt ist, nichts dagegen einzuwenden gibt. Dennoch müssen wir auf alle Fälle die Diskussionen, die es da gibt, ernst nehmen. Auch wenn wir auf Gesetze hinweisen können, die uns Recht geben, müssen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern diesbezüglich reden. In den Gemeinden draußen darf man die Menschen nicht „überfahren“. Ich weiß schon, dass all das auch ein Erwerbszweig für die Landwirtschaft ist. Das ist so auch in Ord­nung. Es ist aber, wie gesagt, die Standortfrage ganz genau zu klären und zu hinterfra­gen.

Meine Damen und Herren! Ökostrom ist ein Gewinn für die Umwelt, das wurde heute schon einige Male erwähnt. Ich glaube, dass wir uns in diesem Bereich weiterhin an­strengen müssen, um zu einer flächendeckenden Ökostromerzeugung zu gelangen. Wir haben in Österreich nämlich ein so genanntes Nord-Süd-Gefälle: Im Norden wer­den wesentlich mehr Megawatt mit Windkraft und Biomasse erzeugt als im Süden. Ein diesbezüglicher Ausgleich muss daher vorerst noch über die Stromleitungen erfolgen –


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und da haben wir einiges nachzuholen, weil die Stromleitungen an sich nicht so aus­gebaut sind, wie sie ausgebaut sein sollten. Es fehlt vor allem beim überregionalen Starkstromleitungsnetz der geschlossene Ring. Wir sehen ja die Auswirkungen bei Katastrophen oder wenn das Wetter verrückt spielt. Ich verweise hier auf Deutschland, wo, wenn zum Beispiel ein Kreuzfahrtschiff den Hafen verlässt und dort Stromleitung abgeschaltet werden muss, das Netz sofort total überlastet ist und es zu großflächigen Stromausfällen kommt.

Meine Damen und Herren! Der CO2-Ausstoß soll, wie wir heute auch schon gehört haben, vermindert werden, und das tut unserer Umwelt gut. Es werden bereits jetzt schon immerhin rund 3 Millionen Tonnen durch Ökostrom eingespart, wiewohl ich auch weiß, dass das nur ein relativ kleiner Teil ist und wir insgesamt an die 70 Millionen Ton­nen einsparen werden müssen. Das werden wir nur schaffen, wenn wir uns gewaltig anstrengen und entsprechende Maßnahmen setzen. Ich gebe den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen Recht, dass man manchmal wirklich den Eindruck haben könnte, dass da und dort zu wenig geschieht. Das stimmt: Wenn man sich die einzel­nen Bereiche anschaut, stellt man immer wieder fest, dass es Bereiche gibt, die viel­leicht nicht so gefördert werden, wie sie gefördert werden müssten, um Wettbewerbs­fähigkeit zu erlangen. Das trifft zu, ich meine aber doch, dass das Gesetz insgesamt dazu beiträgt, dass wir in Zukunft Fortschritte erzielen können, die dazu führen, dass wir auch die vorgegebenen Ziele erreichen werden. Da sind wir meiner Meinung nach auf einem guten und richtigen Weg.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir, wenn wir uns alle anstrengen, mit dem vorliegenden Gesetz unsere Ziele erreichen werden, und ich denke mir, dass wir die­sem Ökostromgesetz daher guten Gewissens zustimmen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig.

 


11.18.37

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssek­retärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Ökostromgesetz 2002 wurde ein Bau-Boom von Anlagen, mit denen Ökostrom erzeugt wird, eingeleitet, und für die Landwirtschaft hat sich ein Fenster im Energiebereich aufgetan. Allein in Oberöster­reich wird aus landwirtschaftlichen Anlagen mindestens 1 MW Strom erzeugt. In un­serem Bezirk, in Braunau, sind acht Biogasanlagen, die durchschnittlich 250 KW Strom erzeugen, und auch einige Kleinwasserkraftanlagen entstanden.

Es ist aber wichtig, dass auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit es Energieversorgungssicherheit gibt. Dafür ist ein gewissenhaftes Vorgehen vonnöten, und bestehende Anlagen dürfen nicht gefährdet werden. Es ist nicht vordringliches Ziel, nur die ökologischen Anlagen auszubauen oder neue zu schaffen, sondern es soll Ziel sein, auch bestehende Anlagen dementsprechend zu sichern. Wenn das berück­sichtigt ist, können wieder neue Anlagen errichtet werden.

Die Betreiber von Biogasanlagen sind aber auch gefordert. Sie müssen es schaffen, eine entsprechende Abwärmenützung zu bekommen. Wir alle wissen, dass beim Mo­tor, ob Auto oder Gasmotor, nur ein Drittel der Energie für den Antrieb genutzt wird, der Rest wird thermisch abgegeben. Auf diesen Bereich der thermischen Nutzung der Wärme müssen wir auch achten. Ich bitte den Koalitionspartner, für Innovation und Forschung Gelder in diesem Bereich zu investieren, denn nur so können wir in diesem Bereich Verbesserungen erlangen. (Bundesrat Kraml: Das müssen Sie Molterer sa­gen!) 


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 48

Diese Gesetzesänderung zeigt aber auch wiederum die Verantwortung und die Ver­tragstreue der ÖVP, denn nur so kann auch das Gaskraftwerk in Wien in diesen Be­reich aufgenommen werden und Mittel aus dem Topf des Ökostroms schöpfen: Das Gesetz ist ja ab 1. 10. 2006 in Kraft getreten und wird jetzt auf 1. 7. 2006 zurückdatiert.

Ich freue mich aber auch, dass Herr Minister Bartenstein für den Sommer angekündigt hat, in eine Diskussion über reformbedürftige Punkte im Ökostromgesetz einzutreten. Ich meine, es ist wichtig, dass wir, wie Bundeskanzler Gusenbauer gesagt hat, im Be­reich erneuerbare Energie entsprechende Reformschritte setzen, wie sie durch Angela Merkel eingeleitet worden sind und auch in Österreich noch mehr forciert werden soll­ten. Natürlich ist hier die ÖVP mit Minister Bartenstein und auch Minister Pröll Garant dafür, dass diese Reformen auch in Österreich umgesetzt werden.

Ich weiß: Der Feind des Guten ist das Bessere, und in Anbetracht dessen hoffe ich, dass die Diskussion über ein Ökostromgesetz in der Folge wiederum eine bessere Ent­wicklung nehmen wird. Wir als verlässlicher Koalitionspartner der SPÖ werden natür­lich dieser Gesetzesänderung zustimmen, damit auch Wien seine Förderungen für die Wärmekupplung der Gasturbine im Gaskraftwerk umsetzen kann. In diesem Sinne sage ich noch einmal ein Dankeschön für die Reform! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Mit einer zweiten Wortmeldung kommt Frau Bundes­rätin Kerschbaum zu Wort.

 


11.22.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es ganz kurz.

Ich finde es ganz toll, wie begeistert ihr von der Erfolgsgeschichte der Ökoenergie in Österreich seid! Ich frage mich nur: Warum wurde diese Erfolgsgeschichte 2006 dann beschnitten? Die Ökostromgesetz-Novelle 2006 war nämlich eine Beschneidung. Es gibt seither eine Deckelung in allen Bereichen. Daher frage ich Sie, warum Sie jetzt eine solche Lobhudelei für diese Gesetzesänderung betreiben. Darin steht nämlich jetzt nichts anderes, als dass jetzt nicht die Energie Control eine Verordnung erlassen darf, sondern das Ministerium. Super! Toll! Das stimmt. Eine Änderung beziehungs­weise Rücknahme der Ökostromgesetz-Novelle 2006 wäre aber wichtiger gewesen, und dann würde ich auch all die Lobreden verstehen, die ihr jetzt gehalten habt. Das ist aber leider nicht geschehen. (Bundesrat Tiefnig: Im Sommer gibt es eine Diskussion!)

Im Sommer wird es eine Diskussion geben, und diese wird dann noch lange dauern. Ich bin gespannt, was dabei herauskommen wird! Vielleicht könnt ihr aber auch gleich in diese Diskussion mit einbringen, dass das Problem auch in der Investitionssicherheit besteht. Herr Kollege Perhab hat es vorhin angesprochen: Es gibt tolle Projekte, die geplant werden. Das kostet viel Geld, aber wenn man dann ein Projekt geplant und viel Geld ausgegeben hat, dann muss man sich erst einmal anstellen und warten, ob man eine Förderung bekommt. Man weiß nicht, ob man eine Förderung bekommt und wie hoch sie sein wird, und man weiß nicht, ob man das Projekt überhaupt verwirklichen kann oder ob man das ganze Projekt und die bisherigen Ausgaben in den Wind schrei­ben kann. Das ist ein Problem, das die Betreiber derzeit mit dem Ökostromgesetz haben.

Es gibt natürlich auch Probleme mit Biogas und Biomasse. Das stimmt. Ich würde die Probleme mit Biomasse und Biogas allerdings anderswo sehen. Bei der Biomasse besteht meiner Meinung nach sehr häufig das Problem, dass diese nicht unbedingt aus österreichischer Landwirtschaft erzeugt, sondern importiert wird. Das bringt in man-


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 49

chen Bereichen – wenn auch nicht in Österreich, aber etwa in den USA und Mexiko – auch soziale Probleme mit sich, weil Biomasse beschränkt vorhanden ist und dort dann der Mais zu teuer wird. Bei uns ist das noch nicht der Fall, aber ich denke, dass man im Auge behalten muss, woher die Biomasse kommt, die wir verwenden, und ob auch wirklich die regionale Landwirtschaft davon profitiert oder die Landwirtschaft irgendwo anders.

Bei Biogas besteht natürlich das Problem, dass größere Biogasanlagen manchmal einen gewissen Geruch verbreiten, der nicht jedem recht und angenehm ist. Es besteht aber nach wie vor auch das Problem, dass man weiterhin Gülle ausbringen kann, ohne sie zu behandeln, und das stinkt auch!

Die Bitte des Herrn Kollegen Tiefnig an die SPÖ, den Forschungsfonds zu finanzieren, habe ich nicht ganz verstanden, denn so viel ich weiß, haben wir einen Finanzminister von der ÖVP, einen Wirtschaftsminister von der ÖVP und einen Umweltminister von der ÖVP, und diese Herren müssten eigentlich darauf achten, dass aus diesem For­schungsfonds endlich einmal etwas wird! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwi­schenruf des Bundesrates Tiefnig.)

11.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preineder.

 


11.25.51

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Liebe Frau Kollegin Kerschbaum! Wir bespre­chen das Thema Ökostromgesetz und eine Novelle, die ein paar Kleinigkeiten verän­dert. Ich glaube, wir sollten das Ganze etwas grundsätzlicher diskutieren, vor allem auch deswegen, weil Sie gemeint haben, dass die Ökostromgesetz-Novelle 2006 ein Rückschritt war und wir doch das bestehende Gesetz hätten beibehalten sollen. Ers­tens war das Ökostromgesetz 2002 mit 2004 befristet, und damit war eine Novelle er­forderlich. Zweitens hatte das Ökostromgesetz 2002 eine klare Zielsetzung, und zwar, dass 4 Prozent des österreichischen Strombedarfes aus Ökostrom produziert werden, aus Windkraft, Biomasse, Biogas und sonstigem Ökostrom.

Dieses Gesetz war so erfolgreich, dass wir österreichweit 164 Biomasseanlagen, 323 Biogasanlagen, 636 Windräder sowie über 3 000 Fotovoltaikanlagen errichten konnten und damit 7 Prozent des Strombedarfes aus erneuerbarer Energie decken können. Allerdings war dieses sehr erfolgreiche Gesetz mit dem Problem behaftet, dass die Kosten für den Konsumenten höher stiegen als vorausberechnet beziehungs­weise angenommen. Dadurch war der auf breiter Basis, nämlich mit Zweidrittelmehr­heit, gesicherte politische Wunsch vorhanden, hier zu deckeln. Es gab eine politische Diskussion über diesen Deckel, und man hätte ihn auch erhöhen können, aber er wurde mit 17 Millionen fixiert.

Diesen Deckel haben wir jetzt, und dadurch gibt es ein begrenztes Wachstum von 7 auf 10 Prozent. Ich glaube, das ist ein herzeigbares Ziel. Diese 10 Prozent sollen wir bis 2011 erreichen. Ich meine, wir sind hier auf einem guten Weg. Unser Problem ist momentan, dass auf Grund der Einspeistarife, die derzeit gelten, um sehr wenige Anla­gen eingereicht wird, und daher mein Appell ans Wirtschaftsministerium, diese Ein­speistarife zu überdenken, damit der angebotene Deckel auch erreicht werden kann.

Frau Staatssekretärin, ich habe auch ein zweites Anliegen: Die bestehenden Biogas­anlagen haben Probleme auf Grund der gestiegenen Rohstoffkosten. An sich ist es aus Sicht der Land- und Forstwirtschaft positiv zu bewerten, dass die Produkte, die die Landwirte auf ihren Feldern und Wäldern herstellen, einen entsprechenden Preis ha­ben, der die Produktion von Energie auf dem Acker oder das Erbringen von Hack-


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 50

schnitzeln aus dem Wald erst ermöglicht und auch wirtschaftlich gestalten und bewer­ben lässt. Die Rohstoffpreise haben sich jedenfalls nach oben bewegt, und dadurch kommen bestehende Anlagen, die 2002 nach dem Ökostromgesetz errichtet wurden, in die Gefahr, langfristig nicht wirtschaftlich geführt werden zu können. Das heißt, es muss eine Flexibilisierung der Tarife angedacht werden, damit wir unser Ziel auch ent­sprechend erreichen können.

Noch eine Bemerkung zum Thema Investitionssicherheit. Frau Kollegin Kerschbaum, die Investitionssicherheit ist insofern gegeben, als Betreiber oder Planer von Anlagen, wenn sie einen Antrag bei der OeMAG stellen, binnen drei Monaten die Zusage be­kommen, ob sie förderwürdig sind oder nicht. Investitionstätigkeit ist daher nicht Vor­aussetzung für den Zuschlag von Fördermitteln, und die Investitionssicherheit ist somit gegeben. Lesen Sie die Ausschussfeststellung, die ich selbst eingebracht habe, dann wissen Sie es! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Unsere Klimaschutzstrategie zielt darauf ab, eine Ent­lastung bei der Emission von CO2 herbeizuführen. Wir haben jetzt eine Erhöhung der Mineralölsteuer beschlossen, um für die Dotierung des Klimaschutzfonds zusätzliche Mittel aufzubringen und damit wirklich klar ist, dass der Verbrauch von fossiler Energie teurer wird und diese Mittel zweckgebunden dem Klimaschutz zugute kommen. Mein Wunsch wäre es, einen möglichst hohen Anteil davon in den Bereich erneuerbarer Energie zu lenken und einen möglichst geringen Anteil in den Bereich des Zukaufs von Zertifikaten, sei es im Strombereich, wo wir einen hohen Teil an Eigenversorgung haben, sei es aber auch im Bereich der Wärmeproduktion, wo wir nur 15 Prozent Eigenversorgung haben, oder, noch stärker, im Bereich der Treibstoffe, wo wir nur 3 Prozent Eigenversorgung haben. Wir müssen den Eigenversorgungsanteil steigern, um eine höhere Versorgungssicherheit zu erreichen, um auch die Wertschöpfung im eigenen Land zu halten und – natürlich – um unser Klima zu schonen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der Beschluss des Artikels 1 eine Verfassungsbestimmung enthält, bedarf dieser nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 51

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die auch diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist unter Berücksichti­gung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

11.33.012. Punkt

EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Ar­beit an das österreichische Parlament (III-314-BR/2007 d.B. sowie 7664/BR d.B.)

3. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2005 (III-306-BR/2006 d.B. sowie 7665/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 2 und 3 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth. – Ich bitte Sie darum.

 


11.33.22

Berichterstatterin Mag. Susanne Neuwirth: Der Bericht des Ausschusses für Wirt­schaft und Arbeit über das EU-Arbeitsprogramm 2007 in Form eines Berichts des Bun­desministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament liegt Ihnen in Schriftform vor. Ich komme daher sogleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 20. März 2007 den Antrag, der Bundesrat wolle das EU-Arbeitsprogramm 2007 in Form des Be­richts des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament zur Kenntnis nehmen.

Ebenfalls liegt Ihnen der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2005 vor. Ich darf auch da sogleich zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 20. März 2007 den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich zur Kenntnis nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Erwin Preiner. – Bitte.

 


11.34.27

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft nimmt in Öster­reich, wie wir wissen, einen zunehmend bedeutenden Stellenwert ein. In entwickelten Volkswirtschaften stellt der Tourismus auch eine wesentliche Einnahmequelle für Be­triebe und Arbeitnehmer dar. Der vorliegende Bericht zeigt die Entwicklung der ge­samtösterreichischen Tourismuswirtschaft, neue Tendenzen im Freizeitverhalten, aber auch Trends wie Gesundheits-, Fitness- und Wellnesstourismus. Auf diese Herausfor­derungen wird unter anderem durch neue Angebote wie zum Beispiel Thermen als Leitprojekte regional richtig reagiert, wie das auch das Beispiel Burgenland zeigt. – Sie vernehmen bereits aus der Einleitung zu meiner Wortmeldung, dass ich jetzt zu Punkt 3 der Tagesordnung Stellung beziehe.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 52

Von diesen Entwicklungen profitieren auch die KMUs im Nahbereich, wobei auch hier auf Qualität gesetzt werden muss. Es ist sinnvoll, dass es in Österreich kein allgemei­nes Tourismusgesetz gibt, sondern dass der Bund die Rahmenbedingungen schafft und dass wesentliche Entscheidungen vor Ort in den Ländern und in den Gemeinden getroffen werden können.

Diese bundesweite Entwicklung im Tourismussektor lässt sich aber auch mit entspre­chenden Zahlen belegen. So stieg 2005 der prozentmäßige Umsatz um 3,8 Prozent österreichweit. Auch konnte bei den Ankünften 2005 ein Plus von 3,1 Prozent verzeich­net werden, das heißt, es waren insgesamt 29,3 Millionen Gäste im Jahr 2005 bei uns. 2006 stieg die Gesamtgästezahl auf 30,1 Millionen oder um 2,7 Prozent, der gäste­mäßige Anstieg hat sich also etwas reduziert. Im Burgenland hatten wir 2006 hingegen eine Zunahme von 3,1 Prozent an Gästen aufzuweisen.

Natürlich geht diese Wachstumsrate auch mit einer Belebung der übrigen Wirtschaft Hand in Hand. Mit Prokopfeinnahmen von 1 511 € konnte Österreich im internationalen Tourismusvergleich seine Position im Jahr 2005 auch entsprechend halten.

Dieser statistische Wert fällt selbstverständlich, regional gesehen, auch sehr unter­schiedlich aus. Es profitieren vor allem die Vier- und Fünf-Sterne-Destinationen, der Städte- und Kulturtourismus und Regionen mit Angeboten im Ganzjahrestourismus. Der Städtetourismus entwickelte sich selbstverständlich ebenfalls sehr differenziert. Ich möchte als kleines positives Beispiel den Anstieg des Städtetourismus in der Landes­hauptstadt Eisenstadt mit plus 13 Prozent nennen. Ein Zugpferd sind die Festspiele in Mörbisch.

Hohes Haus! Der Wintertourismus nimmt naturgemäß in Österreich den Hauptstellen­wert im touristischen Geschehen unseres Landes ein. Neben Deutschen mit knapp 51 Millionen Nächtigungen sind es vor allem auch Gäste aus den neuen EU-Ländern und aus Russland, die den Wintertourismus immer mehr beleben.

Die Statistik der Aufenthaltsdauer ist allerdings rückläufig. Im Vergleichszeitraum 1990 bis 2005 gab es einen Rückgang von 4,9 Tagen auf 4,1 Tage. 2006 sank dieser Wert weiter auf 4 Tage Aufenthaltsdauer. Dieser Rückgang ist aber vor allem für die KMUs schmerzhaft, die nur Sommersaison anzubieten haben, wie natürlich die meisten Be­triebe in der Region um den Neusiedlersee. Hier gab es in der Vergangenheit leider auch entsprechende Versäumnisse der zuständigen Tourismuslandesrätin. Wir wissen, dass der Gast vor allem bei Schlechtwetter prompt reagiert, seine Aufenthaltsdauer verkürzt, und das sehr kurzfristig. Zudem erfreuen sich diverse Fernreisen immer grö­ßerer Beliebtheit.

Der Gästerückgang betrug, wie bereits erwähnt, im Raum Neusiedlersee 2006 1,5 Pro­zent, der Nächtigungsrückgang sogar 4,6 Prozent, und zwar im Vergleich zu 2005. Im Gegensatz dazu gab es zum Beispiel in den Thermenregionen des Burgenlandes, sprich im Mittel- und Südburgenland, einen Gästezuwachs von plus 7,5 Prozent im Jahr 2006 zu verzeichnen. Von diesem Gästezuwachs profitieren nicht nur die Leitbe­triebe, sondern selbstverständlich auch die KMUs im Nahbereich.

Der österreichweit eher nur moderate Anstieg bei den Gästen – ich wiederhole mich kurz – im Ausmaß von 2,7 Prozent im Jahr 2006 ist meiner Meinung nach auf die schwächere Konsumnachfrage zurückzuführen, aber auch auf eher ungünstige Ar­beitsmarktsituationen und auf Kürzungen im Sozialbereich. Laut vorigem Bericht des Ministeriums ist die Arbeit in einem Tourismusbetrieb kaum familienfreundlich. Viele Fachkräfte wandern daher schon sehr frühzeitig in andere Jobs ab, unterziehen sich Umschulungen und nehmen familienfreundlichere Jobs an. Die Lücken werden meist von ausländischen Arbeitskräften gefüllt. Die höchste Kapazitätsauslastung erfolgt in


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den Vier- und Fünf-Sterne-Kategorien, das heißt, der Gast setzt nachweislich vermehrt und verstärkt auf Qualität und auch auf Service.

Der Tourismus trug 2005 mit 8,7 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöp­fung bei, und das ist, wie ich meine, auch ein wirtschaftlich beachtlicher Wert.

Das Ministerium gab auch Studien zur aktuellen Entwicklung der Tourismuswirtschaft in Auftrag. Dies ist wichtig, damit man rechtzeitig auf neue Trends und Tendenzen re­agieren kann. So belegt zum Beispiel eine Studie, dass 14,5 Prozent aller Nächtigun­gen in Österreich – das sind zirka 17 Millionen – in Privatzimmern und Ferienwohnun­gen erfolgen. Best Health Austria bietet begleitendes Coaching, Verbesserung der Be­triebsabläufe, aber auch Fort- und Weiterbildung für Mitarbeiter an, und ich glaube, gerade in Zeiten wie diesen, in denen der Tourismus verstärkt auf Qualität und Service setzt, ist das eine unbedingte Notwendigkeit.

Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass, obwohl die Zahl der Beschäftigten in den Gaststätten und in den Beherbergungsbetrieben stieg, sich die Zahl der Arbeitslosen im Tourismus stärker als die Gesamtarbeitslosigkeit in Österreich erhöhte. Die Gründe dafür führte ich bereits an. Empirische Untersuchungen zeigen aber auch, dass es auf Grund der demographischen Entwicklung zu einem Arbeitskräftemangel bis zum Jahr 2020 kommen wird.

Andererseits genießt die österreichische Tourismusausbildung weltweit einen guten Ruf. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal ist international sehr hoch, was auch anhand von diversen Internetplattformen zu erkennen ist, und auch ich persönlich habe diese Erfahrung in meinem eigenen Lebens- und Umweltbereich bereits machen kön­nen.

Die internationalen Kontakte der österreichischen Tourismuswirtschaft sind zwar vor­handen, müssen meiner Meinung nach aber trotzdem noch intensiviert werden. Die steigende Gästenachfrage in der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie setzt sich auch 2007 fort. Diese Unternehmen stehen mit einem Eigenkapital von durchschnittlich 4,5 Pro­zent auf besseren wirtschaftlichen Beinen als die Ein- bis Drei-Sterne-Kategorie, in der es natürlich viele Familienbetriebe gibt, die meist, wie eingangs bereits von mir er­wähnt, nur eine Saison – und das ist leider Gottes im östlichen Österreich und in den Regionsbereichen um den Neusiedlersee die Sommersaison – aufweisen.

Die flaue Konjunktur führte auch dazu, dass es verstärkt Insolvenzen im Hotel- und Gastronomiebereich gab, vor allem im Bereich der kleineren Familienbetriebe. Ande­rerseits wurde auch in der Hotellerie in Qualität investiert, also in den Ausbau von Well­ness-, Fitness- und Seminarräumen, was, wie ich persönlich meine, ebenfalls sehr wichtig war. Im Zeitalter der Globalisierung, der verstärkten Mobilität und des zuneh­menden Qualitätstourismus ist es aber auch notwendig, Tourismusförderung auch in Zukunft aktiv zielgerichtet zu betreiben, damit die einheimischen Betriebe entspre­chend konkurrenzfähig bleiben. Dabei darf auch nicht auf die KMUs, die ein wesent­licher Träger der heimischen Tourismuswirtschaft sind, vergessen werden.

Nun noch ein kleiner Ausflug in mein Heimatbundesland: Das Burgenland erhielt als Ziel 1-Gebiet von 2000 bis 2006 zirka 260 Millionen € an Fördermitteln, die, wie er­wähnt, bereits sehr zielgerichtet im Mittel- und Südburgenland zum Einsatz gekommen sind, wo vor allem der touristische Aufschwung in den Thermenregionen ganz wesent­lich von dieser Förderung abhängig war. Die Nächtigungszahlen stiegen in dieser Re­gion um plus 4,7 Prozent an, vor allem das Leader-Plus-Projekt leistete hier in einer vormals strukturschwachen Region entscheidende Dienste für die Entwicklung des ländlich strukturierten Raumes. Von den 71 Gemeinden wurden in Summe 52 Projekte mit einer Fördersumme von 4,7 Millionen € umgesetzt. Auch ist das Burgenland gegen­wärtig auf guter Schiene, was die Umsetzung der Facing-out-Programme bedeutet.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 54

Hohes Haus! Für einen modernen, zukunftsorientierten Tourismus ist es notwendig, entsprechende Ziele auch sehr konkret zu setzen. Diese Ziele sind meiner Meinung nach in der XXIII. Gesetzgebungsperiode im Regierungsprogramm der Bundesregie­rung entsprechend verankert und verschriftlicht, und ich denke, dass die Schwerpunkte in der Tourismuswirtschaft richtig gesetzt sind.

Der Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft Österreichs 2005 stellt eine wesentliche Erleichterung zur Umsetzung dieser Ziele in Zukunft dar. Wir wollen daher diesem Bericht selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Fröhlich zu Wort. – Bitte.

 


11.45.25

Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Damen und Herren! Ich darf die Ausführungen über den Bericht zur Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich fortsetzen.

Im Hinblick auf die enorme Bedeutung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft für den Wirtschaftsstandort Österreich wurde in das Arbeitsübereinkommen der Bundesregie­rung vom 17. Dezember 1991 eine Aussage darüber aufgenommen, dass dem Natio­nalrat unter Einbeziehung der Tourismusforschung jährlich über den aktuellen Stand der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich berichtet werden soll. Ich bin der Meinung, dass dieser Bericht nicht nur eine Aufgabe des Parlaments sein soll, vielmehr soll er als Informationsquelle für alle Beschäftigten im Tourismus dienen.

Der vorliegende Bericht gibt uns einen Überblick über das abgelaufene Tourismus­jahr 2005 und auch einen Ausblick auf die künftige Entwicklung. Österreich ist und bleibt ein überaus beliebtes Urlaubsland. Im Jahre 2006 konnten die Umsätze trotz des Schneemangels wieder um 2,6 Prozent auf 30 Millionen gesteigert werden. Unsere deutschen Nachbarn bleiben unsere Top-Österreich-Touristen, gefolgt von den Ameri­kanern und den Franzosen.

Die Tendenz zu kürzeren Reisen blieb auch im vergangenen Jahr gleich stark. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Touristen in Österreich beträgt zwischen drei und fünf Tagen. In Tirol befinden sich zirka 400 000 Betten, das ist ein Drittel der ge­samten Gästebetten Österreichs bei zirka 8 Prozent der Einwohner. 44 Prozent der ge­samten Nächtigungen in Österreich entfallen auf Tirol. Noch immer ist eine Abnahme bei den Privatzimmervermietern, dafür aber eine starke Zunahme in den Vier-Sterne-Hotels festzustellen.

Die Verlagerung in den Wintertourismus trägt dazu bei, dass die Geldmenge, die ein Tourist bei seinem Aufenthalt in Tirol lässt, stark gestiegen ist. Als Wahl-Außerfernerin bin ich sehr stolz auf unseren kleinen Bezirk: Der Sommer- und der Wintertourismus sind sehr stark ausgeglichen. Der Bezirk Reutte liegt an dritter Stelle im tirolerischen Ranking der besten und beliebtesten Urlaubsregionen in Tirol. Wir stehen dabei im Wettbewerb mit Kitzbühel, dem Arlberg, dem Ötztal, dem Pitztal und so weiter.

Ich war jahrelang im Tourismus beschäftigt und habe festgestellt, dass ein Großteil der im Tourismus Beschäftigten eine Jahresstelle anstrebt. Dieser Gedanke erhält meine absolute Zustimmung, diese Möglichkeit sollte weiter ausgebaut werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Breiner. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 55

11.49.00

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass der Tourismus eine wesentliche Branche in Österreich und eine Säule der österreichischen Volkswirt­schaft darstellt, braucht hier nicht mehr extra erwähnt zu werden. Das haben meine VorrednerInnen bereits erledigt.

Ein Punkt, der zu denken gibt, ist, dass in dem vorliegenden Bericht ein Stagnieren der Zuwächse festzustellen ist. Es bedarf daher vieler Anstrengungen, den Tourismus auch weiterhin attraktiv zu gestalten. Eine der Gefahren dabei ist, dass der Tourismus zu einer Tourismusindustrie verkommt und die kleineren und mittleren Betriebe nicht mehr Schritt halten können.

Die Tourismusbranche muss heute nachhaltig arbeiten. Diese Nachhaltigkeit wurde in dem ausgezeichneten Bericht, der uns vorliegt, zum Thema gemacht. Wir vermerken dies sehr positiv. Auch die Forderungen, die im Schlussdokument zur EU-Präsident­schaft stehen, sind vollinhaltlich zur Kenntnis zu nehmen und weisen auch einen Weg in eine Tourismuszukunft Österreichs.

Wie schaut es jetzt aus mit dem Kapital, das wir im Tourismus anlegen beziehungs­weise für diesen erhalten müssen? – Wir müssen das Kapital Österreichs, nämlich die ursprünglich wilden Gebirgswelten, die gepflegten Kulturlandschaften und die liebens­werten urbane Zentren, pflegen, erhalten und ausbauen. Teilweise fehlen im Bericht Aussagen über die Grundlagen, die zum Erhalt dieses Kapitals beitragen sollen. Welche Strategien sind es nun? – Ich denke, es sollte für jede Destination im Fremden­verkehr eine Belastungsgrenze festgelegt werden. Weiters geht es darum, Strategien zu entwickeln, die in den einzelnen Regionen auf eine integrierte Kreislaufwirtschaft abzielen. Wesentlich ist im Hinblick auf die Großveranstaltungsserie, die uns mit der Euro 2008 und eventuell auch mit der Olympiade erwartet, dass eine flächendeckende Mobilitätsplanung erstellt wird, die auch nach diesen Veranstaltungen Sinn für die Bevölkerung macht. Auch Ressourcenschonung und die Berücksichtigung der Lebens­verhältnisse der Bevölkerung müssen Teil einer sinnvollen Tourismusplanung sein.

In Oberösterreich wurde das Tourismusimpulsprogramm überarbeitet, und es wurden vor allem Akzente für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. So werden zum Beispiel Schneekanonen, also Kleinstprojekte, nicht mehr gefördert, weil wir glauben, dass in Oberösterreich der Rahmen bereits erreicht ist, der sinnvoll ist. Sonst beschneien wir in Zukunft auch die Umgebung von Linz, damit wir auf allen Hügerln Schi fahren können. Das wäre vielleicht ganz nett, aber wenig sinnvoll! (Zwischenruf des Bundesrates Wol­finger.)

Grundlage dabei war natürlich, dass die Betriebskosten und die Ökologie miteinander im Einklang stehen sollen. Viele im Bericht aufgelistete Projekte erfüllen die Anforde­rungen einer nachhaltigen Tourismuswirtschaft. Viele dieser Entwicklungen weisen, wie wir meinen, in die richtige Richtung.

Worauf wir aber achten sollen, ist – und das geht aus dem Bericht auch ziemlich ein­deutig hervor –, dass nicht vieles oder mehr von Gleichem angeboten werden soll. Wellness überall ist Konkurrenz überall, die man sich selbst macht. – Ich war vor kur­zem in der Region Mühlviertel, da versucht man, durch Projekte in den Orten, die diese Orte typisch machen, Menschen dazu zu bewegen, dorthin zu fahren. Das Wesentliche daran ist, dass die Eigenart des Ortes das Interessante am Tourismus sein soll und auch sein kann, nicht das Verwechselbare. Unsere Tourismusorte sollen einander so­zusagen nicht bald so ähneln wie viele Orte in Österreich, wo neben Billa ein Hofer ist und analog dazu auch in jedem Hotel Wellness, also überall die gleiche Attraktion. (Bundesrat Ager: Das ist eine sehr positive Anspielung! – Bundesrat Perhab: Man


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 56

muss auch davon leben können!) Da gebe ich Ihnen Recht! Es ist sehr wesentlich, dass man davon leben kann! Aber wenn man einander gegenseitig mit dem Gleichen Konkurrenz macht, wird es auch schwierig sein, in dieser Konkurrenzsituation zu be­stehen!

Wie im Bericht klar hervorgehoben ist, soll – und jetzt bin ich beim Arbeitsbereich – die europäische Dienstleistungsrichtungslinie den österreichischen Anbietern den Zugang zu den europäischen Märkten erleichtern. Dies gilt natürlich vice versa auch für auslän­dische Betriebe in Österreich. Diese Dienstleistungsrichtlinie bietet aber auch Möglich­keiten für Personalleasing-Gesellschaften, die manche Angebote zu günstigeren Kon­ditionen stellen. Diese Angebote sind nicht immer zum Vorteil der ArbeitnehmerInnen, und wie wir schon von Kollegen Preiner gehört haben, ist der Bereich Arbeit in der Tou­rismuswirtschaft durchaus problematisch, weil es hier häufig zu Veränderungen kommt beziehungsweise sich viel zu wenig Menschen bereit erklären, in dem Bereich zu ar­beiten, und zwar aus vielerlei Gründen, sei es die Arbeitszeit, sei es der Arbeitsumfang oder sei es die Bezahlung, wobei auch gesagt werden muss, dass der Kollektivvertrag in diesem Bereich bei uns durchaus akzeptabel ist und auch im Bericht als solcher er­wähnt wurde.

Ich denke, dass, wenn man langfristige Strategien macht, der Bereich Arbeit nicht zu vernachlässigen ist. Wir fordern aber dazu auf – und da sind wir sicherlich mit der Ge­werkschaft einer Meinung –, dass die Bedingungen verbessert und vor allem Normal­dienstverhältnisse ausgebaut werden. Es gibt eine Reihe von Überlegungen, nicht zuletzt von der Hoteliersvereinigung, die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Touris­musbranche zu verbessern.

Dass teilweise auch die stärkeren Kontrollen in den Gastgewerbebetrieben dazu bei­tragen, dass gesetzliche Grundlagen eingehalten werden, ist günstig und soll nicht nachlässig behandelt werden. Ein besonderes Anliegen ist in diesem Zusammenhang, dass das Qualitätsmanagement in der Aus- und Weiterbildung in der Fremdenver­kehrsbranche erhöht und verbessert wird. Die Gastronomie hinkt hier im Vergleich zu anderen Dienstleistungen wesentlich nach.

Abschließend sei noch angemerkt: Zufriedene Beschäftigte in der Gastronomie sind wohl einer der größten Kapitalposten für eine gelungene Tourismusgesellschaft in Ös­terreich. (Beifall bei den Grünen.)

11.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Staatssekretärin Marek das Wort.

 


11.59.12

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Die Präsidialkonferenz des Nationalrates hat in ihrer Sitzung am 1. Juli 2004 bekanntlich beschlossen, dass zur verstärkten Mitwirkung des Parlaments in EU-Angelegenheiten jedes Mitglied der Bundesregierung einen Einzelbericht aus dem jeweiligen Wirkungskreis zum jährlichen Arbeitsprogramm der Kommission und zum Jahresprogramm der jeweiligen Ratspräsi­dentschaft übermitteln soll. Dies ist 2005 zum allerersten Mal geschehen, und ich freue mich, Ihnen diesen Bericht für das Jahr 2007 heute vorstellen zu können.

Das EU-Arbeitsprogramm 2007 basiert auf dem Arbeitsprogramm der EU-Kommission und dem von Deutschland, Portugal und Slowenien gemeinsam erstellten Präsident­schaftsprogramm. Bereits im Vorjahr haben ja Österreich und Finnland ein gemeinsa­mes Jahresprogramm vorgelegt, und das nun vorliegende 18-Monats-Programm soll dem Bestreben nach Kontinuität der Politik auf europäischer Ebene noch stärkeren Ausdruck verleihen – was, denke ich, auch sehr gut gelungen ist.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 57

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat seinen Bericht am 12. Feber die­ses Jahres vorgelegt. Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf die Zuständigkei­ten der Ressorts. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Zum Arbeitsprogramm 2007 der Kommission: Zu Beginn ihrer Amtszeit hat die Kom­mission als strategische Kernziele, ganz wichtig bis zum Ende des Jahrzehnts, Wohl­stand, Solidarität, Sicherheit und Europa als Partner in der Welt dargelegt – ich glaube, das sind die wichtigen Kernpunkte, auf die sich Europa stützt und die Europa stark machen.

Als wichtigste Maßnahme zur Steigerung des Wohlstands wird die Modernisierung der europäischen Wirtschaft durch die erneuerte Lissabon-Strategie definiert, um Wachs­tum, Beschäftigung und einen dynamischen Binnenmarkt zu fördern. Dazu gehören natürlich die Förderung von Wissen, Innovation und selbstverständlich tragfähige Rah­menbedingungen, wie zum Beispiel die Schaffung einer europäischen Regelung für Wirtschaftsmigrantinnen und -migranten oder etwa die Weiterentwicklung des „Flexi­curity“-Ansatzes, der unter österreichischer Präsidentschaft als ganz wichtiges Instru­ment der Beschäftigungspolitik definiert wurde. Der Ansatz stellt eine Verbindung von Arbeitsmarktflexibilität und der Entwicklung von Fähigkeiten sowie einer soliden sozia­len Sicherung dar, was auch ein Kernpunkt des österreichischen Regierungsüberein­kommens dieser Koalition ist.

Zwei weitere Agenden ergänzen die erneuerte Lissabon-Strategie: eine stärkere Be­rücksichtigung der Globalisierung in der europäischen Politik und eine aktive Einbin­dung der Bürgerinnen und Bürger in institutionelle und konstitutionelle Fragen. Ich glaube, dass beide Punkte sehr, sehr wichtig sind, um bei den Bürgerinnen und Bür­gern eine höhere Identifikation mit Europa und den Institutionen der Europäischen Uni­on zu unterstützen.

Zentrales Ziel der Kommission ist die Verbesserung des ordnungspolitischen Umfelds. Dazu gehören die Weiterführung des Vereinfachungsprogramms – da möchte ich nur das Stichwort „bessere Rechtsetzung“ nennen –, die Kodifizierung des Acquis, die Rücknahme von Rechtsetzungsvorschlägen und die Verringerung der Verwaltungskos­ten. Dazu gehören aber natürlich auch die Folgenabschätzung von Vorschlägen und die Einbeziehung von Interessensgruppen und Sachverständigen. Auch dieser Punkt ist ganz wichtig zur höheren Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der Union und ihren Institutionen.

Ein wichtiger Schwerpunkt ist – das ist ja heute schon diskutiert worden – das Thema Energie. Die Kommission hat bereits ihren Aktionsplan für eine europäische Energiepo­litik unter den Zielen der Versorgungssicherheit – wir haben das auch zu Beginn letzten Jahres sehr intensiv diskutiert – und der Wettbewerbsfähigkeit sowie unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit vorgelegt. Gleichzeitig wurden auch Möglichkeiten zur Bekämpfung des Klimawandels aufgezeigt. Der europäische Frühjahrsrat hat am 8. und 9. März die­ses Jahres diesbezüglich auch ganz ehrgeizige Ziele beschlossen.

Zunehmende Bedeutung hat auch die Rolle Europas als Partner in der Welt. Ich glau­be, genau das ist auch ein Argument, warum die Einigung Europas so wichtig ist.

Durch die Erweiterung um zwei neue Mitgliedstaaten zu Jahresbeginn – Rumänien und Bulgarien heißen wir in der Europäischen Union willkommen – ist die Union zur größ­ten Handelsmacht der Welt geworden. Die Kommission will daher einerseits Initiativen setzen, die die externe Wettbewerbsfähigkeit der Union steigern sollen, andererseits aber auch durch einen Abschluss der Doha-Verhandlungsrunde die Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt fördern. Neben diesen multilateralen Verhandlungen sollen auch bilaterale Verhandlungen ausgebaut werden.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 58

Ein besonderes Augenmerk wurde und wird von Österreich auf die europäische Nach­barschaftspolitik gelegt, auf die Aufnahme von Verhandlungen über Assoziierungsab­kommen mit wichtigen Partnern in Asien und in Lateinamerika und auf Fortschritte bei den Verhandlungen mit strategisch wichtigen Partnern, wie es etwa Russland, China und die Ukraine sind. Gleichzeitig sollen auch die transatlantischen Beziehungen ge­stärkt werden.

Zum EU-Arbeitsprogramm 2007 im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit: Auf­bauend auf den Programmen der Kommission und der Präsidentschaften hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in seinem EU-Arbeitsprogramm für das Jahr 2007 Schwerpunkte festgesetzt. Diese sind einerseits die Lissabon-Strategie, der Außenhandel, der Binnenmarkt, Industrie und Unternehmen, Innovation und For­schung, natürlich auch, im aktuellen Tagesordnungspunkt behandelt, der Tourismus – ganz wichtig für Österreich! –, die Energie, Beschäftigung, Arbeitsrecht und -sicherheit sowie der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

Erste Ergebnisse konnte auch hier der Europäische Rat bereits am 8. und 9. März er­zielen. Der Rat hat erstmals ein integriertes Konzept für die Klimaschutz- und Energie­politik verabschiedet und in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Reduktion von Treibhausgasemissionen ehrgeizige Ziele bis zum Jahr 2020 vereinbart. Weiters wurde eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes auf europäischer Ebene um 25 Prozent beschlossen. Die Mitgliedstaaten wurden dabei aufgefordert, bis zum Jahr 2008 ähnlich ambitionierte Ziele vorzulegen. Österreich hat sich in seiner Regie­rungserklärung zu einer innovativen, kooperativen und qualitativ hochwertigen öffentli­chen Verwaltung bekannt und arbeitet hier schon auf Hochdruck.

Im Bereich Außenhandel setzt sich Österreich für den erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde ein; allerdings ist es für Österreich hier wichtig, eine Ausgewogenheit der Ergebnisse in den Haupt-Verhandlungsbereichen im Vordergrund zu sehen. Das be­trifft sowohl alle Marktzugangsbereiche, also den Bereich der Landwirtschaft, dann alle anderen Bereiche, die so genannten NAMA, und natürlich Dienstleistungen ebenso, wie es bei Handelsregeln der Fall ist. Gleichzeitig sollen aber auch Verhandlungen über bilaterale Abkommen mit wichtigen Partnern fortgesetzt und aufgenommen wer­den.

Meine Damen und Herren! Der Binnenmarkt ist ein zentraler Bestandteil der Europäi­schen Union. Daher unterstützt Österreich die europäischen Maßnahmen zur Überar­beitung und Überprüfung der Binnenmarktpolitik. Die Kommission hat kürzlich einen Zwischenbericht zur Überprüfung des Binnenmarktes vorgelegt und darin eine Vision des Binnenmarktes des 21. Jahrhunderts dargelegt. Ziel ist es, einen Binnenmarkt der Bürgerinnen und Bürger, der Verbraucherinnen und Verbraucher zu bekommen und zu haben, einer integrierten Volkswirtschaft, einer Wissensgesellschaft – genau das ist es, was Europa stark macht – und eines wohlregulierten und nachhaltigen Europas. Die­sem Zwischenbericht soll im Herbst dieses Jahres ein Abschlussbericht folgen, und darin sollen konkrete Maßnahmenvorschläge enthalten sein.

Im Bereich der Industriepolitik erfolgt derzeit die Umsetzung eines Maßnahmenpakets von sektorspezifischen und horizontalen Initiativen zur Verbesserung der Wettbewerbs­fähigkeit des verarbeitenden Gewerbes – auch für Österreich ein maßgebliches The­ma – und des Baugewerbes der EU. Gleichzeitig werden sektorspezifische Maßnah­men für die Automobil-, die Textil- und die Maschinenbauindustrie erarbeitet.

Aktuelle Maßnahmen zu Innovation und Forschung sind die Halbzeit-Überprüfung der EU-Strategie für Biowissenschaften und Biotechnik, die gerade angelaufen ist, und das unter österreichischer Präsidentschaft beschlossene Programm für Wettbewerbsfähig­keit und Innovation, das so genannte CIP, das sich derzeit in Umsetzung befindet.


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Zum Thema Tourismus werde ich mir erlauben, mich während dieses Tagesordnungs­punktes noch einmal gesondert zu Wort zu melden, um auf den Tourismusbericht und aktuelle Zahlen, Daten und Fakten im Bereich des österreichischen Tourismusgewer­bes eingehen zu können.

Bereits mehrfach erwähnt wurde der Schwerpunkt Energie. Österreich bekennt sich zu den quantitativen Zielen, die im Europäischen Rat beschlossen wurden. Bei den Ver­handlungen für die Vollendung des Energie-Binnenmarktes, der Strom und Gas um­fasst, werden die Vorschläge der Kommission durchaus positiv bewertet. Allerdings ist es für uns wichtig, dass die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der Maßnah­men nicht aus den Augen verloren werden. Weiters setzt sich Österreich im Rahmen des EU-OPEC-Dialogs für eine Intensivierung der Gespräche ein, um einerseits die Versorgungssicherheit der Europäischen Union und andererseits eine optimale Ange­botsstruktur auf dem Erdöl- und Erdgasmarkt durch die OPEC zu gewährleisten.

Im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz auf dem Arbeitsmarkt – was mir als Ar­beits-Staatssekretärin natürlich ein besonderes Anliegen ist – arbeitet der deutsche Vorsitz derzeit an einer Einigung über eine Änderung der Arbeitsschutz-Rahmenricht­linie in erster Lesung, um diese noch im ersten Halbjahr 2007 entsprechend vorlegen zu können. Der vorliegende Kommissionsvorschlag hat eine Systematisierung der Be­richtspflichten der Mitgliedstaaten in diesem Bereich zum Ziel.

Zudem hat die Kommission die Mitteilung für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Ar­beitsplatz für die Jahre 2007 bis 2012 vorgelegt. Österreich hat auch während seiner EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 dazu einen ganz wichtigen Beitrag geleis­tet. Auch im ersten Halbjahr dieses Jahres soll es noch eine Entschließung des Rates zur neuen Gemeinschaftsstrategie geben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winterauer. – Bitte.

 


12.10.05

Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsiden­tin! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich widme mich ebenfalls dem Tourismusbericht 2005. Er gibt ja Zeugnis von einer guten Wachstumsbranche, die mit Sicherheit eine der bedeutendsten Branchen in der österreichischen Volkswirtschaft ist. Da bin ich mit meinem Vorredner, mit dem Kollegen Breiner von den Grünen, nicht ganz einer Meinung, dass wir in dieser Branche stagnieren, wenn auch die Margen unter Umständen etwas größer sein könnten.

Analysten sprechen aber davon, dass neben dem direkten Anteil auch der indirekte Anteil berücksichtigt werden sollte und dass diese Branche einen wirtschaftlichen An­teil von bis zu 16 Prozent des BIP beitragen kann. Dennoch orte ich einige Struktur­schwächen, die mir als einem, der in der Tourismuspolitik groß geworden ist, ein Anlie­gen sind und die ich gerne ansprechen möchte.

Ein Teil davon ist, dass sich viele Hoteliers und GastronomInnen von der vergangenen Regierung erwartet hätten, dass die Investitionsfreibeträge erhöht würden beziehungs­weise die Modalitäten für die nicht entnommenen Gewinne, für Investitionen etwa den Modalitäten der Industrie angepasst würden, damit nicht die KMUs ständig im Regen stehen gelassen werden. Aber das ist eigentlich nicht mein Hauptanliegen.

Als wesentlicher Punkte ist dem Bericht zu entnehmen, dass nur 12 Prozent der För­dermittel in die Infrastruktur – und hier vorwiegend in Schneekanonen – geflossen sind. Diese Einseitigkeit ist trotz oder gerade wegen des heurigen Winters – dieses schlech-


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ten Winters, von dem viele sagen, dass er gar keiner war – und der immer deutlicher sichtbar werdenden Klimaveränderungen evaluierungsbedürftig.

Wir kennen natürlich die These: Es ist nicht eine Frage, ob man sich Schneekanonen leisten kann, sondern ob man es sich leisten kann, keine Schneekanonen zu haben. Aber ob sich mit weißen Bändern in brauner Natur auf die Dauer das Feeling der Win­tergäste ohne winterliches Ambiente erhalten lässt, das darf mit Recht bezweifelt wer­den. (Ruf bei der ÖVP: Was ist die Alternative?) Es wird hier mit Sicherheit zu geopoli­tischen Selektionen kommen müssen, weil der Skitourismus auf Dauer dort stattfindet, wo Winter ist. Das heißt also: Winterlandschaft unterstützend, aber nicht Winterland­schaft erzeugend. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Damit bin ich beim Begriff der Saisonen. Die Tourismus- und Freizeitbranche spricht immer von Wintertourismus und Sommertourismus, von Wintersaison und Sommersai­son. Ich halte das, Kolleginnen und Kollegen, für etwas antiquiert. Ausgehend von der Wirtschaftlichkeit der Beherbergung: Die Sommersaison hat üblicherweise etwa 100 bis 120 Tage, die Wintersaison etwa 90 bis 100 Tage; das heißt, es sind insgesamt maximal 220 Tage. Wenn wir eine hundertprozentige Auslastung in der Saison hätten, wären das 220 Tage. Da sind wir sozusagen genau am Schnittpunkt der Wirtschaftlich­keit der Beherbergungsbetriebe, nämlich dort, wo sich das Ganze zu rentieren beginnt.

Das ist meiner Meinung nach auch die Ursache für die Probleme in den Drei-Stern-Betrieben, in der Drei-Stern-Kategorie, in der wir mit Problemen zu kämpfen haben und in der fast ausschließlich Familienbetriebe überleben. In den so genannten Vier- und Fünf-Stern-Kategorien, insbesondere in der Fünf-Stern-Kategorie, bei den Wellness- und Gesundheits-Tempeln, ist eine wesentlich bessere Auslastung zu erzielen. Das zeigt sich nicht nur deshalb, weil der Komfort ein besserer ist, sondern auch, weil dort ein Ganzjahresangebot vorhanden ist, und das ist der wesentlichere Punkt als der der Dienstleistung.

Dasselbe zeigt sich dann bei den Beschäftigten: immer mehr Saisonniers, immer we­niger Österreicherinnen und Österreicher. Kollegin Fröhlich, du hast bereits erwähnt, dass es immer weniger sind, die in der Tourismusbranche ihre Arbeit suchen. Die Hauptursache ist die Unterbezahlung. Wir haben hier eine Spirale, die in der Dienst­leistung verheerend ist: Wenn wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bran­che nicht ausreichend entlohnen, werden wir keine adäquate Dienstleistung bekom­men und die Wirtschaftlichkeit wird wieder gedrückt.

Deshalb ist es hier ganz wesentlich – und das ist heute von meinem Kollegen Preiner schon gesagt worden –, den Ganzjahrestourismus zu fördern. Deshalb begrüße ich die Schaffung von Modellregionen, wie sie auf Seite 97 des Regierungsübereinkommens der neuen Bundesregierung angeführt ist, um hier doch eine Antwort zu finden: Natur- und Kulturschönheiten zu zeigen, mit einem mit der Jahreszeit verbundenen Package, das heißt also, nicht nur ganz besonders Sommersaison oder ganz besonders Winter­saison hervorzuheben und explizit darauf zu setzen, sondern die Natur und Schönhei­ten jahreszeitmäßig und das ganze Jahr über anzubieten, um eine kontinuierliche Aus­lastung zu erzielen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das passiert eh!)

Die Bevölkerung ist ebenfalls mit einzubeziehen, damit sie sich mit der Branche identi­fiziert – stärker identifiziert als in vielen Anlassfällen. Ebenso müssen sich die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer finden.

Wichtig wären meiner Meinung nach auch themenbezogene Interessengemeinschaf­ten. Die älteste mir bekannte themenbezogene Interessengemeinschaft ist der Heil­bäder- und Kurorteverband. Aber es gibt durchaus auch in anderen Themensegmenten Zusammenschlüsse, die förderlich sind, um nicht nur einerseits einen konzentrierten Marktauftritt zu erzielen, sondern andererseits auch Qualitätsmerkmale festzulegen,


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um dem Gast die Kompetenz zu signalisieren. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das passiert eh!)

Auch die Marktauftritte gehören meiner Meinung nach international mehr gesplittet. Wir haben ein besonderes Engagement auf dem deutschen – auf dem natürlich sehr guten deutschen – Markt. Kollegin Fröhlich hat es erwähnt: Die deutschen Gäste sind unsere Stammgäste. Ja, aber der deutsche Markt – das wissen wir – ist der meistumworbene neben dem holländischen Markt, sodass wir hier durchaus splitten sollen und versu­chen sollen, eher in den neuen Nachbarländern im Osten zusätzliche Gästeschichten zu lukrieren. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das wird eh erkannt!)

Dies erfordert natürlich auch eine bessere sprachliche Qualifikation unserer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter beziehungsweise eine bessere Ausbildung unserer Jugend. Und damit schließt sich für mich der Kreis, dass die neue Regierung unter Alfred Gusen­bauer, nach dem bisherigen Debakel der alten Bundesregierung (Bundesrätin Roth-Halvax: Na, na, na!), jetzt wesentlich mehr für die Bildung tut. Das lässt in mir die Hoff­nung weiter keimen, dass es mit dem Tourismus, mit dieser Wachstumsbranche doch vorangeht. (Bundesrätin Zwazl: Woher kommen denn die Erfolgszahlen?)

Deshalb stimmen wir dem Antrag zu, Kollegin. (Beifall bei der SPÖ.)

12.19


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Kolle­gin Gansterer. Ich nehme an, sie wird natürlich auch einen Einblick in die Tourismus­wirtschaft liefern. – Bitte. (Bundesrätin Roth-Halvax: Was heißt „auch“?)

 


12.19.23

Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Sie werden verstehen, dass es mir als Gastwirtin natürlich auch wieder ein großes Bedürfnis ist, zu diesem doch sehr positiven Tourismus- und Freizeitbericht Stellung zu nehmen. Dieser Bericht ist erstens sehr übersichtlich und wirklich gut verständlich – abgesehen davon, dass er positiv ist –, und dafür möchte ich auch einmal den Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums aussprechen.

Es wurden bereits einige Zahlen genannt, trotzdem ist es mir auch ein Anliegen, ein paar herauszugreifen, die eben für mich besonders positiv sind. Im Allgemeinen ist unsere Situation so, dass wir die Spitzenposition innerhalb Europas behalten konnten, noch vor der Schweiz, vor Belgien, Luxemburg, Spanien und Frankreich. Ich denke, das ist etwas ganz Tolles. Dass wir weiters auch die Österreicher stärker für Österreich gewinnen konnten, dass wir hier einen Umsatz von fast 13 Milliarden € erzielen konn­ten, dass wirklich schon fast 80 Prozent davon für Urlaubsreisen und eigentlich nur noch ein ganz kleiner Teil für Dienstreisen ausgegeben wurde, das ist beachtlich.

Wir haben auch gehört, dass die Wintersaison vielleicht ein wenig rückläufig war. Aber für die Sommersaison und auch für die Saisonverlängerung glaube ich, dass hier eine dynamische Entwicklung im Gange ist, sodass der Sommer eben nicht mehr auf zwei Monate beschränkt ist, sondern dass wir durch Aktivitäten, die wir auch in Niederöster­reich haben – mit einem Weinherbst und solchen Dingen –, absolut das tun, was zum Beispiel Kollege Winterauer schon gemeint hat. Das machen wir ja, dass wir saisonal auf all das eingehen und dass wir das auch in der Küche bereits überall tun.

Ich sehe hier eine große Chance – und das hat man auch im Bericht lesen können – im Gesundheits- und Wellnessbereich, wobei mir Wellness, vielleicht aber noch spezieller der Gesundheitstourismus wirklich am Herzen liegt. Wir sehen hier einen guten Trend, und das ist natürlich auch darauf zurückzuführen, dass schon im letzten Jahr eine sehr gute Kooperation stattgefunden hat, nämlich zwischen einerseits den beiden Ministe-


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rien für Wirtschaft und Gesundheit und andererseits der Wirtschaftskammer Österreich und der Tourismuswerbung, der Österreich-Werbung.

Hier ist es aber auch ganz wichtig, dass wir bei diesem Trend aufpassen und dass wir uns nicht nur in der Quantität steigern, sondern es ist auch die Qualität sehr wichtig. Da gibt es auch diese Cluster-Gesellschaft „Best Health Austria“, die meiner Ansicht nach die Garantie dafür gibt. Das ist besonders wichtig.

Aber ich denke, kaum ein anderes Land hat ein so großes Potential wie Österreich und solche Ressourcen, die genau in die Richtung des Gesundheitstourismus hinzielen, wenn wir an unsere Natur denken. Das ist eben nicht nur spezifisch auf den Winter oder auf den Sommer zurückzuführen, sondern da gibt es sehr wohl Ganzjahresmög­lichkeiten von Sportarten, die man ausüben kann, ohne dazu viel Technik zu brauchen. Da bin ich ganz bei Ihnen, das müssen wir auch machen.

Ich tue das zum Beispiel in Niederösterreich – wenn ich vielleicht auch gleich darauf eingehen darf – an der Grenze zur Slowakei: Na selbstverständlich holen wir den neu­en Markt zu uns! Das ist ja keine Frage, und Sie werden uns hoffentlich nicht für so dumm halten. Das tun wir ganz sicher.

Was mir eben zum Beispiel in meiner Region zu Hause auch wichtig ist, ist, wie ge­sagt, einerseits die Grenzöffnung. Darauf möchte ich vielleicht auch ganz kurz einge­hen, da Sie gemeint haben, der Österreicher arbeitet nicht zu diesen Bedingungen, die wir haben.

Da darf ich Ihnen sagen – und darauf bin ich auch sehr stolz –, es war in den ersten Jahren, in denen ich selbstständig war, vielleicht wirklich so, dass es noch schwieriger war, einen Österreicher zu bekommen. Aber der aktuelle Stand mit 1. April ist bei mir so, dass wir zwölf Mitarbeiter haben; von den zwölf Mitarbeitern sind inzwischen – und das war nicht immer so – sieben Österreicher, eine Deutsche und vier Slowaken. Wei­ters möchte ich noch etwas erwähnen, was mich besonders freut, und zwar, dass sie­ben von den zwölf Frauen sind. Das ist, denke ich, eine positive Entwicklung, und so sieht man das auch. Natürlich können wir auch nur zahlen, was man kalkulieren kann, das ist keine Frage, aber da machen wir einiges.

Abschließend vielleicht noch zu etwas, was mir immer ein Anliegen ist und was ich auch im letzten Jahr bereits erwähnt habe: Im Gesundheitstourismus geht es nicht nur um Sportarten und um Wellness, sondern da geht es auch um die Ernährung. Das ist ja auch in aller Munde, dass wir hier ein Bewusstsein schaffen sollen. Da setze ich in meiner Küche zu Hause, vor allem in der neuen Generation, noch enger auf die Ko­operation mit den Landwirten, und zwar mit den heimischen in der Region, soweit das geht, und wenn es möglich ist – und das ist eigentlich mein Ziel –, eben auch noch mit dem Ganzen auf biologischer Basis.

Wenn wir in der Richtung arbeiten, sehe ich hier eigentlich keine große Gefahr und freue ich mich auf die nächsten Zahlen. Ich werde auf jeden Fall in der Richtung arbei­ten, und mein politisches Engagement für die Kollegen wird in dieser Richtung sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.24


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


12.24.39

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Tourismus in Ös­terreich beruht im Grunde auf zwei Grundlagen. Die eine Grundlage ist die schöne, intakte Natur. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig, dass mit ihr ein sehr sorgfältiger


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Umgang nötig ist, da die Touristen nicht kommen werden, wenn sie eine Natur vorfin­den, die sich nicht maßgeblich unterscheidet von dem, was sie auch daheim haben.

Diese starke Fokussierung auf den Wintertourismus, die – ich spreche jetzt aus der Sicht von Tirol, das ist die Situation, die ich am besten kenne – bei uns einfach Fakt ist, bringt Probleme mit sich. Das haben wir in diesem Winter gesehen. Ich glaube, alle Hoteliers haben in diesem Winter gehofft und gebangt, dass die Auslastungszahlen ir­gendwie passen und dass irgendwann doch der Schnee kommt. Jetzt, da er hier wäre, ist es wahrscheinlich schon ein bisschen zu spät.

Mit den Schneekanonen hat man diesen Winter zwar über die Runden gebracht, aber – und das ist Fakt – Schneekanonen können das Problem auf Dauer nicht lösen. Wir haben in Tirol einen Tourismus, der wirklich sehr stark auf Wintertourismus ausge­richtet ist, auch in der Infrastruktur, und wir haben das Problem, dass die Schnee­sicherheit einfach kontinuierlich schlechter wird. Das wirkt sich auf die Buchungslage aus, und das wirkt sich dann auch auf die Situation der jeweiligen Betriebe aus.

Es ist nicht die Frage, ob wir für oder gegen Wintertourismus sind – darum geht es ja gar nicht –, sondern ohne Schnee wird es nicht gehen, das ist ein Fakt. Dieses Pro­blembewusstsein ist, glaube ich, leider noch nicht so ganz ausgereift. Da besteht oft die Hoffnung, dass der nächste Winter ohnehin wieder passt, dass wir dann ohnehin wieder genug Schnee haben, sodass wir eben über die Runden kommen. Jedenfalls: Jetzt groß in Lifte und in Infrastruktur für Wintertourismus zu investieren, ist wahr­scheinlich der falsche Weg.

Ich glaube, die Lösung des Problems oder zumindest ein Schritt in die Zukunft müsste es sein, einerseits den Sommertourismus stärker zu forcieren und auch da weiterzuar­beiten, wo es schon ganz interessante Ansätze gibt, nämlich auch naturschonenden, naturnahen Urlaub zu ermöglichen. In meinem Heimatort zum Beispiel gibt es ein ganz interessantes Projekt, das auch sehr gut funktioniert. Die Bergbahnen in Söll haben auch im Sommer eine sehr gute Auslastung, weil das Gebiet, das im Winter als Ski­gebiet genutzt wird, im Sommer ein Naherholungsgebiet – eine Wassererlebniswelt – ist, das sehr gut angenommen wird und das die Leute auch interessiert.

Wir werden jedenfalls im Sommertourismus auch verstärkt auf Trendsportarten setzen müssen. Das geschieht noch nicht in dem Ausmaß, wie es möglich wäre. Ich glaube, hier wäre noch einiges auszubauen und einiges zu holen.

Die andere Grundlage, auf der ein funktionierender Tourismus beruht, sind die Men­schen, die im Tourismus arbeiten. Hier möchte ich nur zwei Zahlen zum Nachdenken nennen. 51 Prozent der freien Lehrstellen in Tirol sind im Tourismusbereich. Wissen Sie, wie viel Prozent der Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen, eine Lehrstelle in diesem Bereich wollen? – 7 Prozent!

Diese sehr große Diskrepanz bei Nachfrage und Angebot kommt nicht von ungefähr. Die Arbeitsbedingungen sind für junge Menschen im Tourismus nicht attraktiv. Das soll nicht heißen, dass junge Menschen, ich weiß nicht, zu faul sind, um auch abends zu arbeiten – das ist ja absolut nicht der Fall –, sondern die Arbeitsbedingungen sind nicht attraktiv. Es sind offensichtlich auch keine Zukunftsperspektiven für diese Menschen da.

Ich kenne das auch aus eigener Erfahrung. Sehr viele meiner Bekannten haben ein halbes, ein dreiviertel Jahr eine Lehrstelle gesucht und haben letztendlich eine Lehr­stelle im Tourismus angenommen, obwohl sie das partout nicht wollten. Diese Men­schen werden vielleicht die Ausbildung fertig machen, sie werden aber wahrscheinlich nicht auf Dauer im Tourismus bleiben und werden wahrscheinlich auch nicht die Aller-


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motiviertesten sein, um in diesem Bereich zu arbeiten. Das ist ein Problem. (Bundesrat Ager: Sie werden keine Nachteile haben!)

Das ist auch ein Problem, das sich dann auf die Qualität im Tourismus auswirken wird. Wer keine Freude am Beruf hat, wird wahrscheinlich auch nicht mit voller Energie ar­beiten. Das heißt, es muss auf jeden Fall in die Richtung gearbeitet werden, dass Lehr­stellen im Tourismus attraktiver sind, dass die Arbeitsbedingungen im Tourismus at­traktiver sind.

Es war vorhin sehr viel von Familienbetrieben die Rede. Auch für die Familien, die in diesen Familienbetrieben arbeiten, ist es nicht immer leicht, zum Beispiel ein Familien­leben und den Betrieb in Einklang zu bringen. Es ist also eine Verbesserung der Ar­beitssituation für die Menschen im Tourismus auch in unserem Sinne, wenn wir einen funktionierenden, guten Tourismus haben wollen, unbedingt nötig. (Beifall bei den Grü­nen.)

12.29


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.

 


12.29.18

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Frau Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrtes Hohes Haus! Vorab: Der einstimmige Beschluss im Wirtschaftsausschuss zu diesem Bericht über den Touris­mus für 2005 zeigt auch ein klares Bekenntnis der Sozialdemokratie zum Tourismus in ganz Österreich.

Geschätzte Damen und Herren! Wer heute eine Zeitung gelesen hat, dem ist dabei aufgefallen, dass hier getitelt wird: Wir haben es im Überfluss, in Österreich sprudelt das Wasser und wird zur Touristenattraktion. Daher appelliere ich: Wenn wir – und das ist bei einzelnen Rednerinnen und Rednern hervorgekommen – den Tourismus, unter Anführungszeichen, „schlechtreden“, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn der Tourismus von anderen schlechtgeredet wird.

In diesem Sinne wäre es für mich als Tiroler besonders wertvoll gewesen, wenn es ein eigenes Ressort für Tourismus gegeben hätte. Ich hätte das als sehr, sehr sinnvoll empfunden.

Doch die Zahlen im Bericht zeigen eindeutig ein Bild davon, dass der Tourismus ein wichtiger Teil unserer Wirtschaft ist. Als Tiroler komme ich aus einem Bundesland mit mehr als 42 Millionen Übernachtungen. Daher denke ich, dass das besonders für uns in Tirol Anlass dazu gibt, in vielen Bereichen der neuen Tendenz im Tourismus Rech­nung zu tragen. Daher haben wir alles dazu beizutragen, dass geeignete Rahmen­bedingungen und beste Voraussetzungen für den Tourismus geschaffen werden, und nicht umgekehrt.

Daher habe ich, mit Verlaub, auch wenig Verständnis für die Verteuerung unseres Treibstoffes, ist doch der Tanktourismus – dies sei auch erlaubt in Regionen und be­sonders in Grenzregionen, und das ist auch unsere Region – ein wesentlicher Be­standteil des Tourismus schlechthin. Dies ist somit auch ein Tagesbesuch, der sich mehr als positiv in unserer Region auswirkt und die Kaufkraft dieser Region stärkt, aber auch für ganz Österreich wesentliche Steuern abliefert. Selbstverständlich ist in unse­rem Tourismus der Verkehr ohnehin die Kehrseite der Medaille. Daher sind wir auch dazu aufgerufen, intelligente Produkte zu entwickeln, die den Massenverkehr in unse­ren Regionen hintanhalten können.

Geschätzte Damen und Herren! Der Arbeitsmarkt im Tourismus wurde heute schon er­wähnt. Es wäre ohne die Aktivitäten unserer Tourismusverantwortlichen und ohne Ein-


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satz unserer Unternehmungen und Unternehmer nicht möglich, diesen Arbeitsmarkt so zu erhalten, er würde also negativ bilanzieren. Daher gilt auch mein Dank all jenen, die im Tourismus Verantwortung tragen.

Mit diesem Appell, meine geschätzten Damen und Herren, möchte ich schon schließen und wünsche unserem Tourismus weiterhin viel Erfolg. (Beifall bei SPÖ und ÖVP so­wie des Bundesrates Schennach.)

12.33


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 


12.33.16

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht zeigt einige erfreu­liche Fakten über den Tourismus in Österreich auf, und man erfährt auch, dass Öster­reich nach wie vor zu den wichtigsten Tourismusländern Europas zählt. Ich möchte da gewisse Sachen nicht wiederholen, jedenfalls sind sowohl der Sommer- als auch der Wintertourismus in Österreich sehr begehrt.

Was mich besonders freut, ist, dass auch immer mehr Österreicher in der Heimat Ur­laub machen. Aus dem Bericht geht hervor, dass 3,2 Prozent – keine erschreckend ho­he Zahl, aber immerhin eine Steigerung – Österreicher in ihrer Heimat Urlaub machen.

Wir können fast sicher sein, dass, wenn das Wirtschaftswachstum anhält, auch immer mehr Menschen hier in Österreich Urlaub machen und hierher kommen. Über den Grund dafür hat heute der Bundeskanzler eine treffende Sache gesagt. Er hat gesagt, in Österreich bekommen Sie etwas, was Sie mit Geld nicht kaufen können: Kultur und Charme, hat er gesagt.

Ich möchte es ergänzen: Sie bekommen in Tirol – und auch in anderen Bundeslän­dern – zusätzlich auch noch Erholungs- und Sportmöglichkeiten und etwas, was auch von den Gästen sehr geschätzt wird – ich werde da auch ein Beispiel erzählen –, näm­lich die Gastfreundlichkeit!

Ich möchte da einen Ort in Tirol hervorheben, der nicht im hintersten Kaunertal liegt, wo Fuchs und Hase früher einander gute Nacht gesagt haben, sondern im Ötztal, schon einem bekannten Platz, und das ist Obergurgl. Der Ort selbst liegt auf über 2 000 Metern, das Dorf hat 420 Einwohner. Es wurde 1931 von dem Schweizer Auguste Piccard entdeckt, dem Stratosphärenforscher, der dort mit seinem Ballon eine Notlandung vornehmen musste. Da war Obergurgl natürlich in aller Munde.

Heute hat man dort 32 Hotels mit 4 100 Gästebetten und 520 000 Nächtigungen; die Gemeinde Sölden, zu der Obergurgl zählt, hat 2 Millionen Nächtigungen – um Ihnen eine Vorstellung zu verschaffen. In Obergurgl selbst gibt es 21 Lifte, Seilbahnen, 110 Kilometer Pisten, 36 Kilometer Langlaufloipen, einen Eislaufplatz, eine Saunawelt. Es können mit diesen Liften stündlich 33 000 Menschen, Wintersportler, transportiert werden. Wo andere mit ihren Bergliften enden, dort fängt der Pistenspaß in Obergurgl an.

Vom Wurmkogel aus, ungefähr 3 100 Meter hoch, sieht man den Großglockner, aber auch die Zugspitze, die Seiser Alm mit dem Gasthof Zallinger oder die Silvretta (Zwi­schenrufe bei SPÖ und ÖVP) – ja, die Silvretta auch, da sollten Sie einmal hinfahren, das wäre ja ein netter Ausflug, glaube ich –, aber auch den Rosengarten.

In Obergurgl – auch das, glaube ich, muss man erwähnen – gibt es Familien mit einem echten Pioniergeist im Tourismusbereich. Der Spartenobmann Gotthard Scheiber gab


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auch die Initialzündung für die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer; das ist auch, glaube ich, für ganz Österreich eine sehr wichtige Dienstleistung.

Ich möchte aber den Überblick über die Leistungen, die der kleine Ort anbietet, noch durch etwas ergänzen. Den Skifahrern in Obergurgl werden über Nacht Skier präpa­riert – und dabei auch die Kanten geschliffen –, sodass sie jeden Tag mit dem vor dem Hotel wartenden Skilehrer die Pisten befahren können. Das ist eine Dienstleistung ins­besondere für Gäste wie jene, die aus England kommen, mit dem Flugzeug in Inns­bruck landen und nichts mithaben außer ihrer Kleidung. Sie werden dann auf die Ski­pisten geführt, bekommen dort Skier und haben jeden Tag eine, ich möchte sagen, perfekte Ausrüstung.

Meine Damen und Herren! Aufgabe von Bund und Ländern ist es nun, die eigenen Förderungen zu optimieren. Da der Tourismus weltweit eine Wachstumsbranche ist, bewirken Förderungen auch große Effekte. Tourismus spielt auch, glaube ich – und das wissen wir ja alle –, eine wesentliche Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren! Angesprochen in diesem Bericht wird auch die Alpenkon­vention, die auf den Schutz und die Entwicklung des gesamten Alpenraumes abzielt. Für die Umsetzung dieser Ziele bedarf es der Unterstützung von Bund, Ländern und Gemeinden.

Interessant ist der Gastkommentar über den Urlaub am Bauernhof. Seit 1991 arbeiten über 3 000 Ferienbauernhöfe, die mit 40 000 Gästebetten eine erkleckliche Organisa­tion haben. Aktuell finden sich gerade in Österreich, auch in Deutschland, am meisten solcher Angebote für den Urlaub am Bauernhof. Eine größere öffentliche Unterstützung für diese Organisationen wäre durchaus wünschenswert. Der Bauernhof und der länd­liche Raum sind für uns ein Herzstück.

Wir müssen nicht um jeden Preis mit den Unterhaltungs-Mekkas dieser Erde konkur­rieren, unsere Stärke liegt auch in der Geschichte und in der Tradition unseres Landes. Deswegen plädiere ich für die Hervorhebung dieser unserer Schätze, damit der Öster­reich-Tourismus weiterhin so erfolgreich gedeihen kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


12.41.34

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen habe ich einen Verdacht, dass mein Kol­lege Kritzinger vielleicht eine Saisonkarte in Obergurgl bekommen hat. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Aber ich glaube, auf Grund seines angemessenen Alters fährt er sowieso schon bei allen Seilbahnen Österreichs gratis. Das ist keine Frage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Winterauer, ich habe Ihren Ausführungen sehr interessiert zugehört und habe natürlich sofort ins Internet ge­schaut. Die Nächtigungsstatistik von Bad Goisern – wo Sie ja Bürgermeister waren und, glaube ich, auch gebürtig sind – zeigt, dass in den letzten drei Jahren die Zahl der Nächtigungen leider von 204 000 auf 170 000 gesunken ist. Daher glaube ich, ganz sind Sie der Konzeption, die Sie uns hier vorgeschlagen haben, in Ihrer Heimatgemein­de nicht gefolgt. (Beifall bei der ÖVP.)

Vielleicht gibt es morgen eine Schlagzeile: „Bundesgeschäftsführer der SPÖ empfiehlt: Keine Förderungen mehr für Schneekanonen in Gosau, in Bad Goisern, in Hintersto­der“, das wäre vielleicht ein schöner Text als Einleitung zur Tourismusdebatte und zum Tourismusbericht in Österreich. Aber Sie werden sich ja in Zukunft mehr dem Städte­tourismus widmen, weil Sie jetzt in der Löwelstraße sitzen; da ist die Ferienhotellerie,


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glaube ich, Schnee von gestern. (Bundesrat Schimböck: ... Pühringer für Ökotouris­mus! Zeitung lesen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Sektionschefin ist leider schon weg; ich möchte mich auch bei ihr und ihrem Team bedanken. Der Bericht ist, glaube ich, sehr umfassend. Er bietet alle Zahlen und Daten, und es ist meiner Ansicht nach müßig, hier daraus zu zitieren. Daher darf ich meinerseits als Gastwirt und aktiver Be­treiber in der Tourismuswirtschaft ein paar Interpretationen geben und ein paar Bemer­kungen machen.

Ich glaube, der österreichische Tourismus ist nach wie vor von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Worauf wir besonders stolz sein können, ist, dass wir beim Pro-Kopf-Ein­kommen nach wie vor die Tourismus-Weltmeister sind, was ja nicht von ungefähr kommt: Wir sind hier mit 1 500 € vor der Schweiz mit 1 197 €. Das ist bei unserem, ich möchte sagen, nicht sehr großen Angebot, was den Sommertourismus betrifft, eine gewaltige Leistung.

Wir wissen, dass wir das Problem der Saisonalität im österreichischen Tourismus durch keine Vision lösen werden. Ich habe nichts gegen Visionen, wenn sie irgend­wann zum Ziel führen, aber ich bin dagegen, dass man Visionen bereits als Realität hinstellt und sagt: Das alles brauchen wir nicht mehr, den Wintertourismus brauchen wir nicht mehr, die Schneekanonen können dieses Problem nicht lösen.

Ich kann Ihnen aus der heurigen Wintersaison eines sagen: Es hat im heurigen Winter weniger Gästebeschwerden als voriges Jahr in Bezug auf die Schneesituation gege­ben, und damals hatten wir übermäßig viel Schnee. Warum? – Es waren die Pisten in ganz Österreich in einem super Zustand! Dort, wo es möglich war, die Pisten zu be­schneien – ab den Mittelstationen –, waren sie in Top-Zustand, das Wetter hat ge­passt, die Gäste waren sehr zufrieden.

Was natürlich gefehlt hat, ist der Tagesgast, sind die Kurzentschlossenen. Wenn Sie in Wien jemanden im Februar gefragt haben: Gehst du einmal Ski fahren?, dann hat er gesagt: Wovon redest du überhaupt? Das ist heuer gar nicht möglich! Daher war die gesamte Einstellung zum Wintersport heuer, bedingt durch dieses Wetter, für uns nicht optimal. Es sind die Tagesgäste, die Kurzentschlossenen weggefallen, der Bustouris­mus hat schwere Einbrüche gehabt, um 30 bis 40 Prozent. Wir müssen natürlich auch die wirtschaftlich negativen Seiten aufzeigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Sicht der Hotellerie können wir nicht alles über einen Kamm scheren. Herr Kollege Mitterer, du weißt das hundertprozentig: Wir reden hier vom Städtetourismus, wir reden hier von der Ferienhotellerie, wir reden hier zu Recht von verschiedenen Kategorien. Ich warne aber auch davor, dass wir eines glauben: Wenn in Österreich alle Drei-Stern-Beherberger in den Vier-Stern-Be­reich gehen, haben wir alle Probleme gelöst, Wirtschaftlichkeit, Auslastung und Gäste­zufriedenheit. So ist es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein breites Angebot, die typisch österreichische Gastlichkeit und das Herzliche, das wird in diesen erweiterten Familienbetrieben perfekt gemacht, ohne große Unternehmensberatungen und ohne große Marketingstrategien.

Natürlich können nur die größeren Betriebe international auf dem Markt auftreten, und daher ist es ein Gebot der Stunde, auch für die Zukunft – das ist ebenfalls ein Schluss aus diesem Bericht –, dass wir den österreichischen Tourismus weiterhin internationali­sieren und neue Gästeschichten ansprechen. Wer heuer auf der ITB in Berlin war und gesehen hat, was dort 2 700 Aussteller im Angebot dargestellt haben, der fragt sich, wie es überhaupt Menschen geben kann, die schon jahrzehntelang nach Österreich fahren, zumindest bei diesem Angebot im Sommer.


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Wir wissen, dass in den neuen EU-Ländern zwar 70 Prozent der Ungarn, der Polen und so weiter in Gästebefragungen kundtun, dass sie nach Österreich Ski fahren ge­hen und dort Winterurlaub machen wollen. Aber die gleichen 70 Prozent geben auch an, dass sie im Sommer woanders hinfahren wollen und woanders Urlaub machen wol­len. Das ist, glaube ich, die Kunst der Österreich-Werbung und der Betriebe, auch hier die nötige Anzahl von Gästen nach Österreich zu bringen.

Ein Wort noch zu der im Zuge der Klimawandeldebatte geäußerten Meinung unseres Landwirtschaftsministers: Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn alle Öster­reicher in Österreich Urlaub machten. (Bundesrat Konecny: Was tun wir, wenn das alle Deutschen auch tun?) Das spielt es leider nicht, obwohl ich aus einem Bundesland komme, nämlich der Steiermark, in dem wir einen Inländeranteil von 66 Prozent haben. Dieser Prozentsatz ist nicht mehr steigerbar, daher brauchen wir internationale Gäste.

Tourismus ist keine Einbahn, und in dem Sinn sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg, dass wir auch im Jahre 2007, trotz Schneemangels, vielleicht ein positives Er­gebnis zeichnen können. (Beifall bei der ÖVP.)

12.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Kollege Kneifel. – Bitte.

 


12.48.02

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Ich bedanke mich auch sehr herzlich für Ihre grundsätzlichen Ausführungen zum EU-Arbeitsprogramm Ihres Ressorts. Sie haben hier wichtige Schwerpunkte der zukünftigen Entwicklung Europas, auch was Ihr Ressort betrifft, genannt, wie den Lissabon-Prozess, den Außenhandel, Innovation und Forschung, in­dustrielle Entwicklung, Beschäftigungspolitik, Gesundheitspolitik und so weiter. Ich glaube, dass es angebracht ist, bei der Bearbeitung des EU-Arbeitsprogramms Ihres Ressorts auch einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen, gerade im Hinblick auf den bevorstehenden 25. März, an dem wir 50 Jahre europäische Integration feiern und dieses Ereignis auch als Erfolgsstory entsprechend begehen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Friede, Freiheit, Demokratie, Wohlstand, Menschenrechte sind uns in diesen Jahren selbstverständlich geworden. Nach den bekannten historischen Irrtümern, geboren aus Intoleranz, Hass, nationalen Egoismen und anderen missratenen Ideologien, ist man vor 50 Jahren neue Wege gegangen. Diese Wege, die aus den Ruinen des Nationalsozialismus herausführten, aus den Rui­nen und dem Niedergang des Eisernen Vorhangs, haben ein neues Europa gegründet, das wir weiterentwickeln müssen – und dazu dient auch diese Vorlage Ihres Ressorts – und das von nunmehr 27 Staaten mit nahezu 500 Millionen Menschen bevölkert wird.

Diese 500 Millionen Menschen setzen gewisse Hoffnungen in die Sicherheit und in die Lebensqualität, nicht nur in unserer Generation, sondern auch in den nachfolgenden Generationen. Ich glaube, dass es nach den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit nötige Einsichten gibt, wie wir dieses Europa in Zukunft weiterentwickeln und gestalten wollen. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig – bei aller Bilanz, die man bei einem 50. Geburtstag zieht –, eher den Blick in die Zukunft zu richten: Wohin geht Europa? Wo soll es in zehn, 20, vielleicht auch in 50 Jahren stehen? – 50 Jahre sind vielleicht eine etwas lange Perspektive, aber 50 Jahre sind ja auch die vergangene Zeitepoche, die wir jetzt bei der europäischen Entwicklung hinter uns gelassen haben.

Ich glaube, dass die Bevölkerung Fragen stellt und dass wir uns auch bei so einem Anlass – 50 Jahre Europäische Union – bemühen sollen, entsprechende Antworten zu geben, dass wir zumindest den Versuch wagen sollen, entsprechende Antworten zu


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geben, wohin Europa sich entwickeln soll. Es stellt sich vor allem die Frage nach der Identität Europas, und ich bin auch dankbar für den Redebeitrag des Kollegen Kritzin­ger, der auf die Geschichte und auf die Tradition des Kontinents hingewiesen hat, weil das auch ein Bestandteil dieser europäischen Identität ist, auf der wir sicherlich auf­bauen können.

Was ist die Seele Europas? Warum ist eigentlich die Begeisterung der Gründergenera­tion verflogen, die mit großem Engagement an die Arbeit gegangen ist? – In der heuti­gen Ausgabe der „Wiener Zeitung“, glaube ich, ist das Ergebnis einer Umfrage gestan­den: Nur noch 7 Prozent halten etwas vom friedenserhaltenden Wert der Europäischen Union. Das muss uns schon zu denken geben: Wir sagen immer, das ist das Friedens­projekt schlechthin, und dann sagen nur noch 7 Prozent, dass das wichtig ist! Da ist einiges an Begeisterung, an Leidenschaft für Europa verloren gegangen, wenn wir uns das Ergebnis dieser Umfrage vor Augen führen. Deshalb sind, glaube ich, wieder ein neuer Anlauf und eine neue Orientierung in der europäischen Entwicklung erforderlich.

Was erwarten eigentlich die Menschen von Europa? – Ich glaube, wohl doch, dass es imstande ist, im Zeitalter der Globalisierung und der Internationalisierung materielle Existenz und Wohlstand für alle Schichten der Bevölkerung zu sichern. Das ist meiner Meinung nach die Hauptaufgabe, und in dieser Entwicklung trägt gerade auch das Ressort für Wirtschaft und Arbeit eine enorme Verantwortung. Ich glaube, es ist auch wichtig, Lebenssinn zu stiften und ein Lebensgefühl zu vermitteln, auf der Grundlage der Menschenrechte und klarer Werthaltungen eben die Welt und Europa partner­schaftlich, menschlich und friedlich zu gestalten. Ich glaube, das ist ein ganz wesent­licher Aspekt, wenn wir eine Perspektive Europas in die Zukunft legen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die Einigkeit unter den 27 Mitgliedern der Europäischen Union jetzt, nachdem die zwei neuen Oststaaten zu Europa gekommen sind, immer schwieriger werden wird. Ich glaube, dass es in Zu­kunft in diese Richtung gehen wird, dass es einen verdichteten Kern einer weiterge­henden politischen Vertiefung durch einige Mitglieder geben wird und dass wir mit dieser Perspektive auch leben müssen. Einer der Grundwerte Europas ist meiner Mei­nung nach die Individualität, das heißt: freie Entscheidungen in eigener Verantwortung! Darin könnte eine Lösung dieses vermeintlichen Konfliktes zu finden sein, die einen Weg aus einer gewissen Sackgasse aufzeigt, in die wir auch durch die Ablehnung der europäischen Verfassung durch zwei Gründerstaaten der Europäischen Union gelangt sind. Die beiden Staaten, die dieses Europa eigentlich vor 50 Jahren mit gegründet haben, haben der Verfassung eine Absage erteilt. Daher muss es einen Weg heraus geben.

Ich glaube, ein Weg wäre folgender. Da die 27 keine einheitliche Meinung finden oder finden können, sollte niemand gezwungen werden, einen Weg zu beschreiten, aber auch niemand daran gehindert werden, dies doch zu tun. „Niemanden zwingen, aber auch niemanden behindern!“, das könnte die Devise für eine Weiterentwicklung des europäischen Weges sein. Es wäre möglich, das Konzept einer Wirtschaftsgemein­schaft zu verfolgen, samt angestrebter Perfektion, und allenfalls auch weiteren Mitglie­dern zugleich den Zutritt zu ermöglichen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das sind nur einige Gedanken, die mir kommen, wenn wir zum 50. Geburtstag der Europäischen Union Überlegungen anstel­len. Ich glaube, dass mehr denn je ein gewisser Mut notwendig ist, mehr Mut statt Kleinmut, der uns alle, glaube ich, in diesen Jahren etwas umfangen hat, aber auch Fortschritt, mehr Zeit für Visionen, Überzeugungsarbeit und ein geschlossenes und entschlossenes Handeln.


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Wenn Europa jetzt an seine Zukunft denkt, sollte es ganz nüchtern eine Analyse und Prognose der globalen Entwicklung anstellen. Die globale Entwicklung ist eine Selbst­verständlichkeit geworden. Daher sollten wir uns auch nicht davor fürchten, sondern die entsprechenden Maßnahmen setzen. Im Arbeitsprogramm Ihres Ressorts, Frau Staatssekretärin, gibt es viele wertvolle Hinweise auf diese Antworten, auf die die Be­völkerung in dieser Phase der europäischen Entwicklung wartet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir Bilanz über 50 Jahre ziehen und dieses Jubiläum der Europäischen Union feiern, dann sollten wir uns vor Augen halten, wie es eigentlich zum 60-Jahr-Jubiläum der Europäischen Union aus­sehen soll: ein starkes Europa, das möglicherweise auch Länder wie die Schweiz, Nor­wegen, Island, aber vielleicht auch die Türkei und die Ukraine, natürlich auch die Balkanstaaten umfassen könnte, in welcher Form auch immer das geschehen kann. In welcher Form auch immer: Ich habe die zwei Wege einer Vertiefung einer gewissen Kerngruppe und einer weiteren Satellitengruppe in dieser Europäischen Union aufge­zeigt.

Die Zeit der Minimal-Kompromisse und der Mini-Lösungen ist, glaube ich, abgelaufen. Es hat vor kurzem eine Veranstaltung in der Wirtschaftskammer gegeben, da wurde auch diese Thematik besprochen. Ein Neustart ist, glaube ich, angesagt, und was wir in Zukunft brauchen, zeigt sich allein schon, wenn wir die Debatte des heutigen Tages verfolgen: Ökologische Entwicklung, klimatische Entwicklung, auch Temelín ist heute in der Fragestunde mit dem Bundeskanzler schon angesprochen worden, all dies sind Probleme, die eigentlich nur auf europäischer Ebene und im großen Kontext gelöst werden können.

Ich glaube, dass wir den Mut haben sollten, zum 50-Jahr-Jubiläum eine neue Diskus­sion über Europa zu beginnen, eine Diskussion, die uns aus der gegenwärtigen Phase des Kleinmuts und eigentlich des Innehaltens im europäischen Entwicklungsprozess herausführt. Mir ist das ein großes Anliegen, und ich glaube, dass wir in diesem Haus – auch wenn ich an unsere Arbeit im EU-Ausschuss des Bundesrates denke – die neuen Mitbestimmungsmöglichkeiten, die uns gegeben werden, wahrnehmen sollten, um mehr Kompetenz auch in Fragen der europäischen Weiterentwicklung zu bekommen. – Ich bedanke mich sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP.)

12.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.00.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich habe in Obergurgl anno damals meine Praxis gemacht und habe bei dieser Praxis festgestellt, dass das Gastgewerbe ein Gewerbe ist, bei dem man weder reich wird noch besonders gut lebt. (Bundesrat Mag. Himmer: ... im Bundesrat!) Ich möchte jetzt auch nicht erzählen, wie das mit so manchen Busgästen ist, die tagestouristisch unterwegs sind, und wie sie sich gegen­über jungen Kellnerinnen verhalten. Das ist ein anderes Thema, das ich jetzt gar nicht anschneiden möchte.

Ich möchte zum Papier der EU-Kommission, also zum EU-Arbeitsprogramm, sprechen und in diesem Papier zum Thema Energie kommen, weil das einfach mein Thema ist. Das Energiekapitel in diesem Arbeitsprogramm ist prinzipiell dasselbe, das im Energie­paket der EU drinsteht. Ich möchte nur drei Punkte kurz ansprechen, die mir in dieser Formulierung sehr missfallen.


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Der Punkt eins ist: Auf Grundlage dieses Energiepaketes wird der Energieministerrat am 15. Februar unter deutschem Vorsitz einen Aktionsplan zur Energiepolitik für Euro­pa erarbeiten, der schließlich am Europäischen Rat im März angenommen werden soll. Ich würde mir wünschen, dass solche Dinge nicht nur im Rat diskutiert werden, son­dern auch in den Parlamenten, sowohl im EU-Parlament als auch hier. Denn ich den­ke, das sind sehr wichtige Papiere, auch für unsere Zukunft sehr wichtige Papiere, die dann sehr wohl auch bei uns im Parlament ihren Einfluss haben.

Der zweite Punkt, der mir immer wieder sehr ins Auge springt – ein heute schon ange­sprochener Punkt, ein weiterer Aspekt, der auch von Österreich respektiert wird –, ist die Souveränität der Mitgliedstaaten bei der Wahl der Nutzung der primären Energie­quellen und des Energie-Mix. Ich erkenne diese Souveränität der einzelnen EU-Mit­gliedstaaten nur dann an, wenn diese EU-Mitgliedstaaten anerkennen, dass auch nicht-atomare Staaten ein Recht darauf haben, eine gewisse Sicherheit zu genießen, und wenn die Energiewahl der einzelnen EU-Mitgliedstaaten nicht Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten hat, die nicht gedeckt sind. Sprich: Mir fehlt die Atomhaf­tung!

Ich denke, sobald wir eine vernünftige EU-Regelung im Bereich der Atomhaftung ha­ben, sobald so etwas wie Tschernobyl nicht mehr passieren kann und bei uns nicht einen wirtschaftlichen Schaden anrichten kann, den uns keiner ersetzt hat, sobald also die Atomenergie diese Kosten mittragen wird, wird sich kaum ein Land mehr für die Atomkraft entscheiden. Das ist meiner Meinung nach der entscheidende Punkt, und den spricht offensichtlich auch in Österreich niemand mehr an. Das fehlt mir sehr!

Des Weiteren steht dann noch hintennach: Dabei ist die Nutzung der Kernenergie auch in Zukunft keine Option für Österreich. – Wir hatten vor kurzem eine Aussprache mit dem tschechischen Senat, und da wurde das auch kurz angesprochen: Wir Österrei­cher sind ja atomkraftfrei. Daraufhin wurde uns mitgeteilt: Ja, aber ihr importiert ihn!

Das ist genau der Punkt. Wir können erst dann groß reden: Wir sind atomkraftfrei, und macht ihr etwas anderes!, wenn wir auch wirklich dazu stehen und unsere Energie­versorgung anderweitig bereitstellen, sodass wir keinen Atomstrom mehr importieren müssen. Dann haben wir auch eine Stellung, sodass wir sagen können: Okay, andere Staaten sollten sich auch daran halten und ihre Sicherheitsmaßnahmen ebenfalls dem­entsprechend anpassen.

Diese Unabhängigkeit fehlt mir also, und diese Unabhängigkeit wird jetzt noch weiter beschnitten durch den Bau von diversen 380-kV-Leitungen nach Tschechien und in die Slowakei. Es kann mir niemand erzählen, dass über diese 380-kV-Leitungen Windkraft oder sonst irgendetwas transportiert wird! Die führen direkt in die Atomkraftwerke: nach Mochovce, nach Temelín und nach Dukovany.

Der dritte und letzte Punkt ist diese Euphorie, die offensichtlich bei uns zu herrschen scheint, was die „Nabucco“-Gas-Pipeline betrifft. Ich bin auch nicht der Meinung, dass wir von heute auf morgen alle Gasleitungen schließen und das Erdöl endgültig ab­schaffen können. Das ist mir schon klar, dass das natürlich eine längerfristige Lösung und ein längerfristiges Ziel sein muss. Aber jetzt diese „Nabucco“-Gas-Pipeline als die Lösung unserer Probleme anzupreisen, setzt für mich irgendwie einen Gegenpart zu dem Ziel, das wir eigentlich auch in der EU haben, nämlich die Einsparung. Denn wozu brauchen wir eine neue Pipeline, wenn wir ohnehin 20 Prozent einsparen wollen?

Das verstehe ich nicht ganz. Das Problem bei Erdgas ist meines Wissens Folgendes: Es ist bei CO2 relativ gut dastehend, aber Erdgas ist nun einmal Methan, und dass Methan viel klimawirksamer als CO2 ist, ist auch bekannt. Sprich: Die große Lösung, was jetzt die Klimastrategie betrifft, sehe ich auch bei einer Gas-Pipeline nicht.


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Das sind die drei Punkte, die im Energiekapitel für mich wirklich problematisch sind. Deshalb werde ich diesem Bericht nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

13.05


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


13.05.06

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte, bevor ich zum aktuellen Thema Tourismus komme, die Gelegenheit nutzen und mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ganz herzlich für ihre ausgezeichnete Arbeit bedanken.

Meine Damen und Herren! Sie können mir glauben, gerade dann, wenn man neu in ein Amt kommt – ich bin seit zweieinhalb Monaten im Amt –, weiß man diese Arbeit und die Qualität dieser Arbeit ganz besonders zu schätzen. (Allgemeiner Beifall.) Deswe­gen möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei der Beamtenschaft, aber auch bei meinem Team in meinem Büro, meinem Kabinett, ganz herzlich für diese Unterstüt­zung und für die ausgezeichnete Arbeit zu bedanken.

Zum aktuellen Thema: Die Tourismuswirtschaft, der Tourismus in Österreich ist ja ein Wirtschaftsmotor für Österreich und ein ganz wichtiges Thema. Seit 1990 – Frau Bun­desrätin Fröhlich hat das in ihrer Rede auch gesagt – gibt es den jährlichen Bericht der Bundesregierung bezüglich der Bedeutung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft für den Wirtschaftsstandort Österreich. Der ist natürlich nicht nur als parlamentarischer Auftrag zu verstehen und wird auch nicht so verstanden, sondern als ganz, ganz wich­tiges Instrument, als Information für alle am Tourismus Interessierten und auch für die Beschäftigten beziehungsweise die in der Tourismuswirtschaft Tätigen.

Der Tourismusbericht 2006 – wir diskutieren heute ja den Tourismusbericht 2005 – ist bereits in Erarbeitung. Traditionell kommen die statistischen Daten aus der Tourismus­wirtschaft im Mai, und im Juli wird der Bericht dem Ministerrat beziehungsweise dann im Anschluss gleich dem Parlament zugeleitet. Ich möchte aber die Gelegenheit dazu nutzen, Ihnen ganz aktuell Zahlen aus dem Jahr 2006 und auch Prognosen für 2007 zu präsentieren. Der Tourismusbericht 2005 wurde ja bereits im aktuellen Tagesord­nungspunkt ausreichend diskutiert.

Die aktuellen Tourismuszahlen zeigen ganz deutlich – so viel zu Herrn Bundesrat Brei­ner, der jetzt leider nicht hier ist – absolut kein Stagnieren der Tourismuswirtschaft und ‑zahlen in Österreich, sondern ganz im Gegenteil einen der Wirtschaftsmotoren für Ös­terreich: Die Tourismuswirtschaft boomt, und das geht auch so weiter!

Im Kalenderjahr 2006 konnten wir erstmals über 30 Millionen Ankünfte erzielen. Davon sind 20,2 Millionen auf Ausländer zurückzuführen – dies bedeutet eine Steigerung von 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und 9,9 Millionen auf Inländer; hier ist dies eine Steigerung von über 5 Prozent. Ich glaube, das ist sehr herzeigbar.

Die Umsätze konnten im Jahresvergleich um fast 4 Prozent gesteigert werden und ha­ben mit über 30 Milliarden € auch eine echte Schallmauer durchbrochen. Ich glaube, das ist ein toller Erfolg und ein absolut herzeigbares Ergebnis für die österreichische Tourismuswirtschaft.

Der Trend – auch das wurde bereits mehrfach gesagt – geht zum Qualitätstourismus. Wir haben bei den Nächtigungen in Hotels der Fünf- und Vier-Sterne-Kategorien ein Plus von fast 5 Prozent, hingegen ein Plus von 0,6 Prozent in der Drei-Sterne-Katego­rie und einen Rückgang um fast 6 Prozent in der Zwei- und Ein-Stern-Kategorie. Es ist daher der Trend zum Qualitätstourismus klar steigend.


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Was die Herkunftsländer betrifft, haben wir einen Rückgang von 4,5 Prozent bei den bedeutendsten Gästen, die wir in Österreich immer hatten, nämlich den Deutschen, al­lerdings Zuwächse bei allen anderen bedeutenden Herkunftsländern. Die stärksten Zu­wächse gibt es bei Gästen aus den Vereinigten Staaten von Amerika, nämlich 7,8 Pro­zent; aus Frankreich kommen über 5 Prozent mehr Gäste; und auch bei Gästen aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien gibt es eine Steigerung von über 5 Pro­zent.

Es wurde auch die laufende Wintersaison 2006 beziehungsweise 2007, vom Novem­ber vergangenen Jahres bis zum Jänner des heurigen Jahres, bereits angesprochen. Hier hat es trotz der klimatischen Probleme beziehungsweise des außergewöhnlich warmen Winters und Schneemangels ein Umsatzplus gegeben, meine Damen und Herren, obwohl es natürlich eine Stagnation bei den Nächtigungszahlen gegeben hat. Der Umsatz ist in der ersten Hälfte der Wintersaison um 1,5 Prozent auf 4,56 Milliar­den € gestiegen! Auch das ist ein Signal für die hohe Qualität unserer Tourismuswirt­schaft, dass die Gäste einfach mehr Geld ausgeben und ihr Geld offensichtlich auch gern in Österreich ausgeben.

Das WIFO hat Anfang März in seiner Prognose gesagt, dass die Umsätze für die ge­samte Wintersaison vom November letzten Jahres bis zum heurigen April sozusagen eine schwarze Null ergeben werden, weil es einfach auch wieder warm und frühlings­haft wird – obwohl jetzt der Winter wieder zurückkommt, aber insgesamt wird der Win­ter einfach viel zu warm sein. Für das Kalenderjahr 2007 rechnet das WIFO mit einem Umsatzwachstum von mindestens 2 Prozent. Auch das, glaube ich, ist alles andere als eine Stagnation, sondern ein schöner Erfolg.

International steht Österreich mit seiner Tourismuswirtschaft ausgezeichnet da! Im weltweiten Ranking der Tourismus-Destinationen liegt Österreich, gemessen an den Ankünften, im Jahr 2005 an zehnter Stelle; Nummer eins ist Frankreich, gefolgt von Spanien und den USA.

Das Weltwirtschaftsforum in Davos hat erstmals den so genannten „Travel & Tourism Competitiveness Report 2007“ erstellt und hat dafür in 124 Ländern der Welt relevante Daten gesammelt. Die aktuelle Studie, meine Damen und Herren, kürt Österreich – nach der Schweiz und vor Deutschland – zum zweitbesten Tourismusstandort welt­weit, gemessen an der wirtschaftlichen Attraktivität für die Tourismuswirtschaft!

Bewertet wurden da ganzheitliche Faktoren – es wird also ein gesamtes Bild gebo-
ten –, Faktoren wie Stellenwert der Tourismusindustrie, Umweltpolitik, Sicherheit, Hy­giene, Flugverbindungen, Transportsystem, Preise, Humanressourcen oder auch Kul­turgüter und Naturschätze. Man kann daher sagen, auch in der Tourismuswirtschaft wird Österreich durchaus als Gesamtkunstwerk gesehen. Dies bestätigt uns in unse­rem Weg mit der österreichischen Tourismuswirtschaft.

Der Tourismus ist ein Beschäftigungsmotor. Hier möchte ich mich speziell ein bisschen auf die Frauen konzentrieren, die ja auch in meinen Zuständigkeitsbereich fallen. Der Frauenanteil im Beherbergungs- und Gaststättenwesen lag 2005, gemessen an allen Beschäftigten in dieser Sparte, bei 63 Prozent. Wenn man sich anschaut, auf welchen Ebenen in den Unternehmen wir Männer und Frauen finden, dann sehen wir, der Frauenanteil in der Tourismuswirtschaft hat mit 30 Prozent den höchsten Anteil auf den Führungsebenen. Meine Damen und Herren, Frauen haben im Tourismus die Nase vorn! Es folgt das Gewerbe mit 20 Prozent Frauenanteil auf den höchsten Führungs­ebenen, im Handel sind es 14 Prozent. Auf mittlerer Managementebene liegt der Frau­enanteil sogar bei 49 Prozent; meine Damen und Herren, auch hier ist die Nase vorn!

Die meisten Frauen lösen ihr Gewerbe in der Sparte Handel, aber die Tourismus- und Freizeitwirtschaft liegt mit über 25 000 Unternehmerinnen insgesamt an dritter Stelle.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 74

Betrachtet man den relativen Frauenanteil pro Sparte, so sind die Frauen im Tourismus am stärksten vertreten, nämlich mit einem Anteil von über 40 Prozent.

Zum schneearmen Winter habe ich bereits etwas gesagt. Ich möchte aber auch zu den Unterstützungsmaßnahmen etwas sagen, die wir Betrieben, die von diesem schnee­armen Winter betroffen sind, zukommen lassen beziehungsweise zukommen ließen. Wir lassen die betroffenen Betriebe nicht im Stich – das zu sagen, ist, glaube ich, auch ganz wichtig.

Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Betriebe werden über die Österreichi­sche Hotel- und Tourismusbank GesmbH und die AWS angeboten. Da geht es zum Beispiel um Stundungen von Tilgungsraten, Laufzeitverlängerungen und sonstige Re­strukturierungsmaßnahmen. Konkret wurden bisher aber nur elf Ansuchen um Hilfe­stellungen, davon vier von Lift- und sieben von Hotelunternehmen, bei der ÖHT einge­bracht.

Ein ganz wichtiger Faktor für die österreichische Tourismuswirtschaft im Jahr 2008 wird natürlich die EURO  2008, die Fußball-Europameisterschaft, sein; die Austragungsorte sind Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg und Wien, zusammen mit vier Schweizer Austra­gungsorten. Es handelt sich dabei um die drittgrößte Sportveranstaltung der Welt – nach den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft – und den größten Fußball-Event in Europa. Für Österreich und die Schweiz ist es der größte Sport-Event aller Zeiten! Ich glaube, das ist für Österreich auch ein ganz wichtiger Faktor, und es ist natürlich eine einzigartige Chance speziell für die österreichische Tourismuswirtschaft.

Die Österreich-Werbung hat hier eine ganz wichtige Funktion. Im Regierungsprogramm haben wir seitens des Bundes den Betrag von 6 Millionen € für zusätzliche Aktivitäten im Rahmen der EURO 2008 vorgesehen. Aber bei der Österreich-Werbung ist es nicht in erster Linie das Ziel, den Event der Europameisterschaft als solchen zu bewerben und zu promoten, sondern in erster Linie geht es uns in der österreichischen Touris­muswerbung, in der Österreich-Werbung, verstärkt darum, Aufmerksamkeit für Öster­reich als Tourismusstandort und als Wirtschaftsstandort zu promoten und Österreich auch als Urlaubsland nachhaltig zu positionieren. Rund um den Globus plant die Öster­reich-Werbung insgesamt 250 Marketing-Aktivitäten bei zahlreichen Messen und ein­schlägigen Veranstaltungen.

Ich glaube, wir werden auch mit der EURO 2008 für Österreich insgesamt ein ausge­zeichnetes Bild abgeben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.15


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Daher ist die Debatte ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Berichte getrennt er­folgt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über das EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich im Jahr 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.16.424. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (11 d.B. und 32 d.B. sowie 7660/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zum 4. Punkt der Ta­gesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Himmer übernommen. Ich bitte um den Be­richt. (Bundesrat Mag. Himmer hält die Tür geöffnet, während Staatssekretärin Marek den Saal verlässt.)

Es ist zwar zu begrüßen, dass unser Kollege Himmer noch die Höflichkeit der alten Schule hat und einer Dame die Tür aufhält, aber ich bitte jetzt trotzdem um den Bericht.

 


13.17.27

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 über ein Bundesgesetz, mit dem das Konsular­gebührengesetz 1992 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Bericht keinen Einspruch zu erheben, und bitte, die Debatte zu eröffnen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Ich bitte Herrn Bundesrat Schennach, als Erster das Wort zu nehmen.

 


13.18.34

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es wird Sie nicht wundern, dass das eine Contra-Rede zu den Erhöhungen des Konsulargebührengesetzes ist. Sie wissen, dass wir dies insbesondere aus dem Blickwinkel der Nachbarschaftspolitik machen, der Nachbar­schaftspolitik gegenüber den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, aber letztlich auch gegenüber der Türkei, und bei der Türkei geht es ja nicht nur um Touristen, son­dern es geht einfach um die Ermöglichung von Verwandtenbesuchen und so weiter.

Die Konsulargebühren wurden schon vor zwei Jahren erhöht. Sie sind jetzt wieder erhöht worden, und dabei ist die Mitwirkung Österreichs im Rat gegeben gewesen. Wir sind hier also nicht nur das Opfer der EU, das jetzt, eben weil die EU es wünscht, die Gebühren nach zwei Jahren neuerlich erhöhen muss, und zwar deutlich erhöhen muss, nämlich von 35 auf 70 €! Das ist nicht wenig, und das bedeutet gegenüber Län­dern mit deutlich niedrigeren Einkommen eine wirkliche Hürde.

Dabei sind Visa-Gebühren ja generell innerhalb Europas und gegenüber jenen Staa­ten, denen gegenüber wir bevorzugte Nachbarschaftspolitik machen, im Grunde ein Relikt aus einer anderen Welt. Herr Staatssekretär, wir haben schon öfters darüber diskutiert. Ich finde es nach wie vor unerträglich, wie sich die EU gegenüber jenen Nachfolgestaaten auf dem Balkan verhält, zumal wir doch insbesondere immer wieder


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bemüht sind, hier Perspektiven und künftige Lösungen aufzuzeigen, nicht nur den Kosovo betreffend, sondern auch die Staatlichkeit Bosnien-Herzegowinas – und gleich­zeitig gehen wir mit dem Visa-Regime nicht herunter!

Wir bemühen uns, sozusagen die nationalistischen Grenzen im Kopf in diesen Staaten zu überwinden. Dazu bedarf es dessen, dass die jungen Menschen auch reisen dürfen, insbesondere die jungen Menschen Serbiens, die aus einer Sackgasse der Beziehun­gen überhaupt nicht herauskommen. Wenn Sie einmal nachfragen, wie viele junge Menschen in Serbien ihr Land schon verlassen konnten, dann werden Sie eine er­schreckende Zahl herausfinden.

Mit großer Freude wurde im Sommer letzten Jahres von uns allen die Meldung der EU entgegengenommen, dass gegenüber Montenegro, Bosnien, Serbien und Albanien für junge Menschen, für Studierende, für Wissenschaftler das Visum fällt. Bis heute verzö­gert sich dieser Prozess; angekündigt war dies im Sommer letzten Jahres fürs Jahres­ende. Jetzt wurde zwar für die Staaten des früheren Jugoslawiens – einschließlich Al­baniens – die Übergangsbestimmung für dieses Jahr gefunden, dass es 35 € auch für 2007 bleiben. Aber was dann? Was dann, wenn wir hier wirklich einen offensiven Pro­zess beginnen wollen?

Gerade der EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens schafft für Serbien eine ganz beson­ders schwierige Situation. Statt dass wir im Rahmen der europäischen Politik endlich sagen: Okay, wir stellen nicht nur die Schutztruppen im Kosovo, sondern wir behan­deln diesen gesamten Raum mit einer wesentlich größeren Freundlichkeit, indem wir endlich das Visa-Regime abschaffen!, wird es – so sehe ich das – nach 2007 letztlich auch auf die 70 € erhöht werden. Was das für Leute in Bosnien oder in Serbien bedeu­tet, können Sie sich ausrechnen.

Dabei ist insgesamt noch eine weitere Verschlechterung hinzugekommen: Früher wur­den Forschende, Künstler/Künstlerinnen oder Leute aus dem universitären Bereich be­freit, jetzt können sie befreit werden. Das ist eine sehr, sehr weiche Lösung, die hier eingeführt wurde.

Herr Staatssekretär! Ich hoffe dringlich, dass wir diesen Raum Südosteuropa auch in der Visa-Frage anders behandeln. Wir haben es ja auch schon diskutiert, dass zum Beispiel die Kroaten aus Bosnien kein Visum brauchen, weil sie einen zweiten Pass haben; aber das alles geschieht in einem Staatsgefüge, und natürlich fühlen sich die Bosniaken als Menschen zweiter Klasse (Bundesrat Konecny: Die Serben auch!) – und die Serben selbstverständlich auch! –, wenn sie im selben Staatsgefüge sind. Die einen dürfen reisen, die anderen nicht, und das ist eigentlich unerträglich, auch für die gemeinsame Entwicklung, die wir alle wollen.

Es gibt ja, glaube ich, niemand, der nicht sagt, die Priorität der Nachbarschaftspolitik – was die EU-Außenpolitik betrifft, wenn man so will – ist der Raum Südosteuropas. Letztlich ist die Stabilität dieses Raumes auch für die EU von immanenter Bedeutung. Die EU umschließt nun diesen Raum, sie hat quasi den Bogen zugemacht, und den­jenigen, die jetzt in diesem, sagen wir einmal, geographischen Loch drinnen sind, drü­cken wir eine Visa-Regelung auf.

Jetzt muss man noch eines dazusagen. Bis 1990 konnten sie im früheren Jugoslawien reisen, wohin sie wollten. Wir in Österreich haben einen Prozess unterstützt, den Pro­zess der Selbstständig-Werdung der Teilstaaten des ehemaligen Jugoslawiens, und begegnen diesem Prozess jetzt mit den Visa! Das ist eine gewisse paradoxe Situa­tion – Kollege Himmer, weil Sie mich gar so traurig anschauen, das werden Sie ja sa­gen –: War man früher sozusagen jugoslawisch, so galt die freie Fahrt; dann unter­stützt man einen inneren Demokratisierungsprozess, oder wie immer man das benen­nen will, und dann sagt man „Visum“!


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 77

Das kann es nicht sein. Ich hoffe sehr, Herr Staatssekretär, dass auch Sie hier sagen, dass Sie diese Argumente verstehen und dass man innerhalb der EU ein Lobbying für diese Region macht, insbesondere, was den Wegfall des Visa-Regimes betrifft.

Herr Staatssekretär! Wie immer, wenn es zu diesem Thema kommt – und Sie wissen, ich gehöre nicht zu den Jägern, sondern nur zu den Interessierten –, aber wenn wir über Visa-Gebühren reden, könnten Sie vielleicht in Ihrer Antwort einen kurzen, mögli­cherweise für uns alle interessanten Einblick in den derzeitigen Stand der Verfahren bezüglich Belgrad, Ankara und Kiew geben. Wenn Sie sagen, es ist alles im Wachsen und im Werden, nehme ich dies zur Kenntnis. Aber ein paar Worte Ihrerseits, zumin­dest zum Stand, wären vielleicht angebracht. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.26


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Dr. Kühnel. – Bitte.

 


13.26.37

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssek­retär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was uns Herr Kollege Schennach jetzt berichtet hat, ist sicher nur die eine Seite der Me­daille. Es ist aber auch eine andere zu betrachten.

Als Vorsitzender des Innenausschusses des Bundesrates bin ich öfters in Brüssel be­ziehungsweise auch in den jeweiligen Hauptstädten der Präsidentschaft, und die Vor­sitzenden der Innenausschüsse, einschließlich des zuständigen Kommissars Frattini, begrüßen es, dass es zu einer Vereinheitlichung der Visa-Gebühren kommt. Über die Erhöhung kann man sicher reden, aber wichtig ist, dass hier jetzt der Gleichheitsgrund­satz umgesetzt worden ist.

Daher muss, wenn man von Nachbarschaftspolitik spricht, auch im Auge behalten wer­den, dass die Österreicher eben diese Nachbarn haben. Die Spanier haben zum Bei­spiel andere, die Italiener auch, und vielleicht die Esten, Letten und Litauer auch. Wenn wir nun alle diese Nachbarschaften ins Kalkül ziehen, dann kann ich mir vorstellen, was unter dem Strich herauskommen wird. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Wahrscheinlich war es nur ein Versprecher, Kollege Schennach, aber die Konsulargebühren werden nur auf 60 € erhöht, nicht auf 70 €, wie Sie gesagt ha­ben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Na gut, dann war es nur ein Lapsus Linguae oder ein Versprecher. Aber es soll richtiggestellt werden.

Ferner haben Sie davon gesprochen, dass die Studenten des Balkans in Mitleiden­schaft gezogen werden. Dazu kann ich nur sagen, dass hier keine Erhöhung stattfin­den wird.

Da das Konsulargebührengesetz sicher nicht der ganz große Aufreger der heutigen Debatte sein wird, möchte ich nur noch ein paar kurze Anmerkungen machen. Einer­seits hat der EU-Rat, bitte, einstimmig – weil in diesen Angelegenheiten Einstimmig­keit notwendig ist – diesen Beschluss gefasst, über den meine Fraktion glücklich und zufrieden ist.

Das Zweite ist: Es hätte dies bis 1. Jänner 2007 umgesetzt werden sollen. Das ist aus irgendwelchen Gründen nicht geschehen. Daher sind wir froh darüber, dass wir nur ungefähr drei Monate in Verzug sind, und wir hoffen, dass wir nicht zu stark auf die schwarze Liste in Brüssel gesetzt werden.

Das Dritte ist die Vereinheitlichung, die ich vorhin schon erwähnt habe. Dies wird von meiner Fraktion begrüßt, und zwar aus den verschiedensten Gründen. Auf alle kann


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ich jetzt nicht eingehen, ich bin aber gerne bereit, in einem Privatissimum länger dar­über zu sprechen.

Daher stimmt meine Fraktion diesem Gesetz zu. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

13.29


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


13.29.46

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! „Welcome back“ an den ständigen außenpolitischen Betreuer des Bundesrates! Das kommt davon, wenn man sich verabschiedet. (Staatssekretär Dr. Winkler: Ich bin nur fürs Cover ...! – Heiterkeit des Redners.) – Gut.

Selbstverständlich wird auch meine Fraktion diesem Gesetz zustimmen. Aber ich möchte absolut – und ohne Bruch irgendwelcher Koalitionsvereinbarungen – jene Ar­gumentationslinie fortsetzen, die Kollege Schennach hier eingebracht hat. (Präsident Gruber übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind nicht nur damit konfrontiert – und der Herr Staatssekretär kennt das Problem sehr gut –, dass in Serbien und in Bosnien gewissermaßen zwischen den Generatio­nen genau das Umgekehrte dessen passiert, was in unseren Breiten passiert. In unse­ren Breiten hören die Großeltern, die es bis Caorle und irgendwo nach Dalmatien ge­schafft haben, mit Stolz den Urlaubsberichten ihrer Kinder aus Ägypten und der Türkei zu und mit ein bisschen Unverständnis den Berichten ihrer Enkelkinder über Reisen in die Karibik, auf die Seychellen oder wohin auch immer. In Serbien ist es genau umge­kehrt: Dort erzählen die Großeltern und die Eltern den heute Jungen, wie schön es in Europa ist, weil sie überall dort waren, und die Jungen hören staunend, neidig, frust­riert zu.

Nun ist Serbien, nun ist Bosnien kein normaler Staat, kein Staat mit einer positiven Ent­wicklung, die uns alle befriedigen und beruhigen kann. Das sind immer noch Span­nungsherde. Wir verwahren uns dagegen und sind entsetzt, wenn in Serbien nationa­listische Parteien die Größten sind; wir beargwöhnen nationalistische Äußerungen im multinationalen Bosnien. Aber wir ignorieren diese Tatsache.

Kollege Schennach hat das an einem Beispiel illustriert, es gibt aber zwei weitere. Die­ses Gefühl der Isolierung wird ja dadurch unterstrichen, dass einerseits die bosnischen Kroaten zu, ich weiß nicht, wie viel Prozent, aber über 90 werden es schon sein, Dop­pelstaatsbürger sind und daher von den kroatischen Erleichterungen Gebrauch ma­chen können. Aber wir haben in diesem Raum zwei weitere Entwicklungen, von denen zumindest eine denselben Raum betrifft.

In einer Art und Weise, die ein bisschen an das unselige Wort von den „Beutegerma­nen“ erinnert, öffnet Bulgarien seine Staatsbürgerschaft für Mazedonier und – das weist in einen anderen Bereich – in geradezu aggressiver Weise Rumänien gegenüber moldawischen Staatsbürgern. Dort ist es inzwischen fast die Hälfte, und die molda­wische Regierung wehrt sich verzweifelt, aber ohne Aussicht auf Erfolg gegen diesen, wie soll man es nennen?, bevölkerungspolitischen Imperialismus oder so etwas. Die Menschen nehmen dieses Angebot natürlich gerne an, denn im Fall von Bulgarien und Rumänien bedeutet es EU-Bürgerschaft mit allen Vorteilen, die das im Reiseverkehr und in vielen anderen Hinsichten bedeutet. Den benachbarten Ukrainern – in Bezug auf Moldawien –, den benachbarten Serben und serbischen und bosniakischen Bos­niern sind diese Möglichkeiten verwehrt. Das ist ein entscheidender Beitrag dazu, die-


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ses Gefühl des Ausgestoßenseins, des Isoliertseins zu verstärken, was auch politische Folgen hat.

Es ist gar keine Frage, dass das nicht von Österreich lösbar ist. Aber wir haben – und das haben wir durchaus erfolgreich angewandt – innerhalb der EU in einem begrenz­ten Umfang die Möglichkeit, uns gerade für diesem Raum Gehör zu verschaffen, weil uns – nicht zu Unrecht – unterstellt wird, dass wir näher dran sind und die Entwicklun­gen, die es dort gibt, sensibler wahrnehmen.

Ich kann nur sagen, es ist eine wichtige politische Aufgabe, innerhalb der EU dieses Problem immer wieder anzusprechen und dafür zu sorgen, dass es hier neue Möglich­keiten gibt, dass diese Menschen auch in den Genuss einer – ich sage auch dazu: nicht kostenpflichtigen – Reisemöglichkeit kommen. Dafür sind auch neue und viel­leicht originelle Formen zu entwickeln. Was es heute an Möglichkeiten gibt, ist bis zum Rand auszunützen, wobei ich bisher nicht sagen kann, dass die österreichischen Be­hörden das nicht getan hätten. Aber hier geht es darum, Nachbarn – wenn auch nicht im technischen Sinn, aber im Sinn eines übergreifenden Raums – aus dieser Isolierung befreien zu helfen und unsere europäischen Partner davon zu überzeugen, dass das zutiefst notwendig ist. (Präsident Gruber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Diese Bemerkung muss anlässlich dieses Gesetzesbeschlusses einfach gemacht wer­den. Ich würde mich freuen, wenn der Herr Staatssekretär, so wie es auch Kollege Schennach erbeten hat, hier ein bisschen ins Detail gehen könnte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kritzinger.)

13.35


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Kollege. – Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Winkler. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


13.35.49

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat Schennach, ich stimme Ihnen im Grunde zu. Auch ich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen im Außenministerium, auch die Minis­terin hat das schon gesagt: Wir haben die Vision eines Europa, in dem alle Menschen frei reisen können. Das ist eine Vision, und es ist heute zwangsläufig noch eine Zu­kunftsvision.

Denn es gibt auch Realitäten, und ich glaube, es ist unfair, das alte Jugoslawien mit den Nachfolgestaaten von heute zu vergleichen. In der Zwischenzeit hat es sehr viele grausame, fürchterliche Kriege und Ereignisse gegeben. Es sind neue Staaten entstan­den, und diese neuen Staaten müssen erst ihre Institutionen ausbauen, mit Hilfe der Europäischen Union. Also ich glaube ... (Ruf bei der SPÖ: Näher zum Mikrophon!) – Noch näher? Ich schlucke es ja schon fast.

Daher glaube ich, dass es unfair ist, wenn man das alte Jugoslawien und die Reise­freude im alten Jugoslawien, die in einem kommunistischen Land immerhin eine große Errungenschaft war, als einstiges kommunistisches Land den heute bestehenden Nachfolgestaaten gegenüberstellt.

Ich gebe natürlich auch Herrn Professor Konecny Recht, wenn er zu Recht darauf hin­weist, dass es hier Ungereimtheiten gibt. Es wurde auf Kroatien hingewiesen, es wurde auf Rumänien und Bulgarien hingewiesen. Es kommt sogar noch schlimmer, oder es ist schon schlimmer gekommen: Jetzt, da Rumänien der Europäischen Union ange­hört, muss Rumänien eine Visapflicht für Moldawier einführen, was dazu führt, dass die Moldawier, wenn sie zum Beispiel ein österreichisches Visum bekommen wollen – und das bekommen sie ja nur in Bukarest –, zuerst ein rumänisches Visum für Bukarest


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brauchen, bevor sie dann nach Österreich kommen können. Das ist alles, zugegeben, sehr ungerecht.

Lassen Sie mich nur ein Wort zu Rumänien und Moldawien sagen. Ich hatte vorgestern die Gelegenheit, den Präsidenten des Senats von Rumänien – vielleicht haben Sie ihn auch getroffen – bei mir zu Besuch zu haben. Ich habe ihn auf diese Frage angespro­chen, und er hat mir gesagt: Es sind insgesamt 50 000 Fälle, es sind 300 000 Anträge, und die rumänischen Behörden prüfen sehr genau, unter welchen Voraussetzungen sie die Staatsbürgerschaft tatsächlich gewähren. Er sagte mir auch – ich kann es nicht nachprüfen –, dass die meisten dieser Moldawier zwar reisen wollen, aber in Molda­wien bleiben wollen, also nicht notwendigerweise alle sich in Richtung Westeuropa in Bewegung setzen.

Herr Bundesrat Schennach! Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es ein Rats­beschluss ist. Es ist ein Ratsbeschluss, an dem Österreich mitgewirkt hat. Allerdings hat Österreich mit einer Reihe von Staaten – zunächst waren es übrigens nur sehr we­nige Staaten – durchgesetzt, dass zumindest gewisse Dinge in dieser Verordnung ent­halten sind. Dazu gehört insbesondere die Befreiung der – im Wesentlichen – Balkan­staaten, sodass alle jene Staaten, die bereits ein Visaerleichterungsabkommen unter­schrieben haben oder ein solches verhandeln, von dieser Erhöhung ausgenommen worden sind. Ich glaube, das ist immerhin doch eine Errungenschaft, über die man sich freuen sollte.

Wenn Sie sagen, dass unklar ist, wie es nach 2007 weitergehen wird, ist das richtig. Das gilt zunächst bis zum Ende des Jahres 2007. Allerdings wissen wir, oder wir hof­fen, dass diese Nicht-Erhöhung auch weiterhin gewährt werden wird und dass das zu einer permanenten Einrichtung werden wird. Es ist ziemlich sicher, würde ich meinen, dass die Visaerleichterungsabkommen in absehbarer Zeit abgeschlossen werden kön­nen.

Dies ist übrigens auch etwas, worauf Österreich mit einer Reihe von anderen Staaten dringt. Wir sind gegenüber der Kommission und gegenüber Partnern, die das so nicht wollten, sehr stark dafür eingetreten, dass auch im Beschluss des Rates vom Juni des Vorjahres nunmehr eine klare Aussage darüber enthalten ist, dass diese Abkommen so bald wie möglich, spätestens aber bis Ende dieses Jahres, abgeschlossen sein sollen.

Ja, selbstverständlich, auch wir wollen Reisefreiheit, vor allem für die jungen Men­schen! Sie haben es erwähnt: Die serbischen jungen Leute würden gerne reisen, sie können aber nicht reisen. 70 Prozent der serbischen Bevölkerung waren noch nie außerhalb von Serbien. Das ist sicherlich bedauerlich, wenn wir erwarten, dass diese Länder sich auch den europäischen Strukturen und den europäischen Werten anpas­sen.

Ich glaube aber doch, dass es letztlich eine vernünftige Lösung ist. Ich bin auch Herrn Bundesrat Kühnel sehr dankbar dafür, dass er darauf hingewiesen hat, wie wichtig es ist, nunmehr eine Vereinheitlichung vorgenommen zu haben. Das ist auch für die Men­schen in diesen Ländern sehr wichtig.

Sie haben mich nach dem Stand der Ermittlungen in der so genannten Visa-Affäre gefragt. Sie haben Ihre eigenen Befürchtung ja schon ausgesprochen; ich fürchte, ich muss diese Befürchtung erfüllen: Ich kann über den Stand der Verfahren relativ wenig sagen. Es sind jetzt alle Verfahren in den Händen der Justiz, und daher werden Sie verstehen, dass ich zum Stand der Verfahren nichts sagen kann.

Ich möchte aber doch eines sehr deutlich sagen. Diese Vorkommnisse, diese zuge­gebenermaßen sehr unerfreulichen Einzelfälle, haben doch zu einer sehr intensiven


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Betrachtung der Prozeduren und der Verfahren geführt. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die es verhindern sollen – nach menschlichem Vermögen; es wird nie ganz möglich sein, aber nach menschlichem Vermögen –, dass solche Vorfälle in Hinkunft noch einmal passieren.

Es sind eine ganze Reihe – ich möchte jetzt nicht alle aufzählen, das ist nicht un­bedingt Gegenstand dieser Debatte –, aber es sind eine ganze Reihe von Maßnahmen gesetzt worden. Ich glaube, wir haben jetzt auch sichergestellt, dass, sollte es zu wieder zu Verfehlungen Einzelner kommen, diese sehr rasch erkannt werden und dass dann die entsprechenden strafrechtlichen, judiziellen Methoden greifen können. – Danke vielmals, Herr Präsident. (Allgemeiner Beifall.)

13.42


Präsident Manfred Gruber: Danke schön, Herr Staatssekretär. – Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle, bei zwei Gegenstimmen, die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

13.43.025. Punkt

EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angele­genheiten (III-316-BR/2007 d.B. sowie 7661/BR d.B.)

6. Punkt

Bericht betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichi­schen Entwicklungspolitik 2006–2008, vorgelegt von der Bundesministerin
für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik (III-312-BR/2007 d.B. sowie 7662/BR d.B.)

 


Präsident Manfred Gruber: Nun gelangen wir zu den Punkten 5 und 6 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Ich bitte um die Berichte.

 


13.43.40

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über das EU-Arbeits­programm 2007; Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss hat mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen – und ich stelle hiermit den entsprechenden Antrag –, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Darüber hinaus bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenhei­ten betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwick-


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lungspolitik 2006 – 2008, ebenfalls vorgelegt von der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik.

Auch bei diesem Tagesordnungspunkt hat es im Ausschuss Stimmeneinhelligkeit dar­über gegeben – und hiermit stelle ich den entsprechenden Antrag –, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

 


Präsident Manfred Gruber: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.44.54

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum EU-Arbeitsprogramm 2007 und dem Bericht des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten – beziehungsweise jetzt für europäische und internatio­nale Angelegenheiten – sprechen.

Begrüßen möchte ich, dass in diesem Bericht das 18-Monate-Programm der EU-Kom­mission verarbeitet worden ist. Man sieht, man will die europäischen Probleme über einen längeren Zeitraum betrachten, was sicher vernünftig ist, denn wir wissen aus der Realität, dass man innerhalb von sechs Monaten sicher das eine oder andere bewegen kann, dann aber in der Regel viele Vorhaben an die nächste Präsidentschaft weiterrei­chen muss.

Kollege Kneifel hat heute bereits auf die Römer Verträge vor 50 Jahren hingewiesen. Ich darf dazu nur sagen, dass hier wirklich ein Anlass gegeben ist, dieses Ereignis zu feiern. Das wird am Sonntag in Berlin erfolgen. – Das ist die eine Seite, die andere Seite ist aber, dass wir Europapolitiker, die im EU-Ausschuss tätig, die im Außenpoli­tischen Ausschuss vertreten sind – beziehungsweise wird der jetzt auch umbenannt –, natürlich mit großem Interesse dieser Erklärung entgegensehen und sie auch mit Spannung erwarten.

Ich darf aber auch darauf hinweisen, dass in Österreich einiges dazu stattfindet, dass das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium für auswärtige beziehungsweise jetzt europäische und internationale Angelegenheiten sich von 10 bis 16 Uhr mit be­sonderen Feiern hervortun werden und dass auch eine Ausstellung im Bundeskanzler­amt stattfinden wird. Als Weiteres kann man alle 27 EU-Botschaften in Wien in einer Rallye besuchen. Auch das ist meiner Ansicht nach besonders erwähnenswert und sollte auch unseren Kindern und Halbwüchsigen den Eindruck vermitteln, dass Europa etwas ganz besonders Gutes ist.

Kollege Kneifel hat heute schon auf die Umfrage in der „Wiener Zeitung“ hingewiesen, dass nur noch 7 Prozent Europa als ein Friedensprojekt ansehen. Ich glaube, hier ist es von uns aus, von der älteren Generation aus, besonders wichtig, immer wieder dar­auf hinzuweisen, dass wir jetzt schon 62 Jahre Frieden in Europa haben – abgesehen vom Balkan – und dass in dieser Friedenszone doch sehr viel einerseits an materiellen Werten geschaffen werden konnte, aber man die geistigen Werte, die hinter Europa stehen, die Identität, auf keinen Fall vernachlässigen sollte. Das heißt, die Friedens­zone ist – auch wenn nur 7 Prozent der Meinung sind, dass es wichtig ist – in den Vor­dergrund zu stellen.

Das Zweite ist: Die EU hat eine ungebrochene Attraktivität. Wenn ich mich an die frü­here DDR und die Bundesrepublik Deutschland erinnere, so hat man damals von einer Abstimmung mit den Füßen gesprochen; das heißt, die Bürger der DDR sind, wenn es nur irgendwie gegangen ist, unter Einsatz ihres Lebens in den Westen geflüchtet.


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Heute haben wir dieses Phänomen einerseits aus dem Maghreb, andererseits aus Westafrika, aber natürlich auch über die türkischen Schienen, die russischen Schienen nach Europa hinein.

Darüber hinaus sind natürlich einige Länder, die nicht unbedingt europäisch sind, daran interessiert, Mitglied der EU zu werden. Es ist das eine oder andere Land in Nordafrika, das vorsichtig die Fühler ausgestreckt hat, aber auch im Nahen Osten wird über dieses Thema diskutiert. Von der Türkei brauchen wir nicht zu reden, da sind wir voll in der Diskussion drinnen. Aber auch Länder wie Moldawien – von Transnistrien möchte ich nicht sprechen, das lassen wir lieber weg – und vor allem die Ukraine zei­gen ein besonderes Interesse daran, in die EU hineinzukommen, zumindest der ukrai­nische Präsident; bei Ministerpräsident Janukowitsch bin ich mir nicht so sicher, ob das wirklich der Fall ist.

Es hat sicher sehr viel Sinn, in die Zukunft zu blicken. Wenn wir die Zukunft der Euro­päischen Union betrachten, ist es besonders wichtig, dass wir mit der EU-Verfassung – oder wie wir sie vielleicht einmal nennen werden – echt weiterkommen. Hier ist vor allem der jetzigen EU-Präsidentschaft unter Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür zu danken, dass sie mit großem Einsatz unterwegs ist. Sie wird sicher am Sonntag in der Erklärung einiges dazu sagen.

Sie ist aber auch bemüht, bis zum Ende der deutschen Präsidentschaft einen entspre­chenden Fahrplan aufzustellen. Da ist sicher letzte Woche die Reise nach Polen schon ein kleiner Erfolg für sie gewesen, da sie die Kaczyński-Zwillinge zumindest ein biss­chen davon überzeugen konnte, dass die EU-Verfassung nicht das Schlechteste für Polen ist.

Eine weitere harte Nuss auf dem Weg ist sicher Tschechien – wobei man den Tsche­chen natürlich konzedieren muss, dass sie keine sehr stabile Regierung haben und daher jeder sehr vorsichtig mit irgendwelchen Äußerungen ist – und selbstverständlich Großbritannien, das sich wie eine ägyptische Sphinx verhält. Denn Tony Blair war zu­mindest anfangs durchaus ein überzeugter Europäer. Mit zunehmender Regierungs­tätigkeit hat sich das immer mehr abgeschwächt, und wie sich die Sphinx Brown ver­halten wird, das wage ich nicht zu prophezeien.

Eines muss aber mit aller Deutlichkeit zur EU-Verfassung gesagt werden: dass sich am 26. Jänner 2007 die bisher 18 Staaten, die die EU-Verfassung ratifiziert haben, in Mad­rid getroffen haben, und dort wurde festgehalten, dass man die Verfassung nicht aufgeben will, sondern darauf beharrt, auch wenn zwei Länder sie abgelehnt haben und andere Länder sich in einem gewissen Grau-Bereich bewegen. Hier ist in dem Bericht des Außenministeriums vor allem interessant, dass aus österreichischer Sicht der Verfassungsvertrag der bisher beste ausgearbeitete Versuch ist, die Europäische Union demokratischer und bürgernäher zu machen und auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten, und dass die EU-Verfassung in der Substanz zu erhal­ten ist.

Selbstverständlich ist man jederzeit bereit – auch Österreich –, sollten nun plötzlich die Königsideen auftauchen, dass man über diese diskutiert. Nur soll man sich da nicht so sehr erwarten, dass hier noch etwas Besseres kommt – höchstens in der Theorie –, denn es müssen ja auch die 27 Länder zustimmen. Das Zweite ist – das wird auch in dem Bericht erwähnt –, dass Europa natürlich unter einem gewissen Zeitdruck steht, denn bis zur nächsten Europawahl 2009 sollte die EU-Verfassung unter Dach und Fach sein.

Zuletzt möchte ich zum EU-Verfassungsvertrag noch Folgendes sagen: Es muss in Europa gestattet sein, dass es unter Umständen ein Europa der zwei Geschwindig­keiten gibt. Wenn gewisse Länder nicht mitgehen wollen, dann sollen sie eben in ihrem


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bisherigen Status verharren, sie sollen aber die anderen nicht daran hindern, voranzu­schreiten.

Als Nächstes ein paar Worte zur gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Vertei­digungspolitik. Hier ist es meiner Ansicht nach notwendig, auf verschiedene Krisen­herde zumindest verbal einzugehen – wobei eine Vertiefung von meiner Seite aus nur bei einem erfolgen wird –; ich meine hier den Iran, den Nahen Osten, den Maghreb und Russland. Ich möchte hier nur den Iran betrachten und vor allem auf die Gefahr hinweisen, die vom Iran ausgeht.

Wir haben dort einerseits einen schiitisch-sunnitischen Konflikt. Der Iran arbeitet an einem Atomprogramm, vordergründig friedlich; Hintergrund: Zumindest ist die Interna­tionale Atomenergie-Organisation nicht bereit, dem Iran einen Persilschein auszustel­len. Der Iran arbeitet massiv an der Entwicklung von Mittelstreckenraketen; wer einmal Mittelstreckenraketen technisch beherrscht, der hat irgendwann auch Langstrecken­raketen.

Ferner ist die intensive geheimdienstliche Tätigkeit des Irans in Europa, in anderen Ländern, in Asien, bitte, nicht zu unterschätzen. Ich darf nur an die Morde in Wien er­innern, die wahrscheinlich schon einigermaßen in Vergessenheit geraten sind; aber sie haben in Wien stattgefunden.

Natürlich ist auch auf den Segen hinzuweisen, den der Iran jetzt mit dem vielen Geld aus dem Erdöl- und Gasgeschäft hat, das natürlich nicht immer nur zum Wohle des iranischen Volkes eingesetzt wird, sondern wenn man in Zeitungen darüber nachliest, scheint es einiges an Unruhe im Iran selbst zu geben. Außerdem besteht diese eigen­artige außenpolitische Achse, die sich zwischen Ahmadinedschad, Chávez, ein biss­chen Morales und Kuba entwickelt.

In diesen einzelnen Punkten habe ich versucht, die Gefahr herauszustreichen. Hier ist, bitte, auch die Entwicklung interessant, die in den letzten Wochen in Russland stattge­funden hat. Nach der bisherigen Unterstützung des Irans zeigt sich jetzt plötzlich doch ein hohes Maß an Skepsis, und wenn die Russen skeptisch werden, dann sollte man diese Skepsis nicht bagatellisieren. Daher – der langen Rede kurzer Sinn –: Nur eine gestärkte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union wird dieser Gefahr entsprechend entgegentreten können.

Öfters höre ich in den Diskussionen: Ja, ja, wir brauchen eine Europa-Armee. – Das ist alles sehr schön und gut, nur ist das sicher ein Projekt, das nicht vor dem Jahre 2025 in die Realität umgesetzt sein wird. Bis dahin sollten alle Staaten in Europa entspre­chend schauen, dass sie finanzielle Mittel für die Verteidigung bereitstellen.

Damit ist wieder der Bogen zu den Abfangjägern geschaffen: Wir sollen sie auf jeden Fall nicht nur beschaffen, sondern wir sollen sie auch nach Österreich kommen lassen, und alles ist zu tun, um zu verhindern, dass die Sicherheit Österreichs gefährdet wird. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.55


Präsident Manfred Gruber: Danke schön. – Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Kollegem Konecny vor. – Bitte.

 


13.56.01

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kol­lege Kühnel kommt ohne Feind nicht aus; jetzt ist es also der Iran. Die Entwicklung dort ist sicherlich zu beobachten, aber dass das eine gute Begründung für die Abfangjäger ist, glaubt Kollege Kühnel wohl nicht einmal selbst. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 85

Es war aber nicht meine Absicht, den Bogen so weit ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Ich bin kein Heuchler!) – Bitte? (Bundesrat Dr. Kühnel: Ich bin kein Heuchler, Herr Professor!) Habe ich das gesagt? (Bundesrat Dr. Kühnel: Ich meine, wenn Sie sagen, dass das nicht meine Überzeugung ist!) Ich habe gesagt: Es ist falsch! (Bundesrat Dr. Kühnel: Das kommt aufs selbe hinaus!) Ich habe gesagt: Es ist falsch. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie haben gesagt: „glaubt er selbst nicht“!) Gut, da gebe ich Ihnen ja gerne das Recht: Es gibt viele verschiedene Überzeugungen, und solange sie friedlich nebeneinander zu leben in der Lage sind, habe ich kein Problem damit – und ich sie nicht zahlen muss.

Ich wollte das aber nicht in den Mittelpunkt meiner Überlegungen stellen, sondern es ist dies natürlich ein Anlass, einerseits dem europäischen Projekt Respekt zu zollen, was beim vorvorigen und bei diesem Tagesordnungspunkt auch von anderen Rednern getan wurde. Es ist klar zu sehen, dass der Rückblick zwar ein stolzer ist, aber er hilft uns nicht.

Ich sehe keinen Sinn darin, zu beklagen, dass nur für 7 Prozent die Friedenserhaltung in Europa eine Begründung für die EU ist. Ja, wir beide stammen aus einer Generation, die sich unter Krieg in unseren Breiten zumindest noch etwas vorstellen kann. Für die heute jungen Menschen ist das – erfreulicherweise! – keine für sie vorstellbare Lebens­realität, und der Versuch, ihnen das einzureden, ist von vornherein zum Scheitern ver­urteilt.

Wir haben in diesem Land um die Demokratie gekämpft, und es haben Menschen da­für ihr Leben gelassen. Wenn wir heute über unser politisches, demokratisches System sprechen, dann reden die Menschen über die Mängel dieses Systems, über das, was sie als unzulänglich empfinden, und ich halte auch das für gut und richtig. Es muss sich jede Generation in der Welt oder in dem Europa einrichten, das sie vorfindet, und nicht in einer 50 Jahre zurückliegenden Geschichte, in der die Waffen erst kaum geschwie­gen hatten zwischen Hauptakteuren dieses europäischen Projekts.

Die Frage ist daher sehr viel mehr diese: Was sind die Aufgaben, die sich Europa heu­te, vielleicht nicht für die nächsten 50 Jahre, aber für die nächsten Jahrzehnte, stellt? – Da sind drei Dinge anzumerken.

Eine Erfolgsgeschichte auch der letzten Jahrzehnte, die fortschreibbar ist, ist der Wohl­standsausgleich unter den Mitgliedstaaten. Der Erfolg einzelner Mitgliedstaaten ist un­terschiedlich stark, aber es gibt Erfolgsgeschichten, und dieses Solidaritätsprinzip in­nerhalb der europäischen Gesellschaft – weil das ja von den Menschen mitgetragen werden muss – ist etwas, was weiterhin Gültigkeit hat und vermehrt Gültigkeit hat, weil naturgemäß die heute neuen Mitgliedstaaten in ihrem Wohlstandsniveau so weit zu­rückliegen, dass hier gewaltige Anstrengungen erforderlich sind.

Das zweite Element ist, dass wir uns klar werden darüber, dass dieses Europa nicht nur einen wirtschaftlichen Schwerpunkt haben darf, sondern auch einen Sozial-Schwerpunkt haben muss! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Wenn es richtig ist, dass dieser Aspekt in der sogenannten Berliner Erklärung zu Ehren kommt, dann ist das ein großer Schritt vorwärts. Denn Europa kann nicht nur eine Freihandelszone und ein großer Wirtschaftsraum sein, es muss auch ein großer Rechtsraum, ein Raum der Demokratie, aber auch der sozialen Gerechtigkeit sein. Es ist keine Frage, dass dieser Aspekt in den letzten Jahren eindeutig zu kurz gekommen ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen die europäische Verfassung. Aber gerade dieser Aspekt – nämlich dass er gefehlt hat – hat entscheidend dazu beigetragen, dass es in zwei Staaten mit einer großen europäischen Tradition, einer großen historischen Zustimmung zu diesem Pro­jekt, jeweils ein Nein bei Volksabstimmungen gegeben hat.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 86

Wenn wir dieses Dokument weiterentwickeln – um es einmal so zu sagen –, wenn wir in der Lage sind, hier alle mit an Bord zu bekommen, was keineswegs garantiert ist, dann darf dieser Aspekt nicht fehlen, und es darf nicht abgeschlankt werden zu einem bloßen Institutionenpapier. Ein neuer Vertrag, der nichts anderes tut, als Abstimmungs­verhältnisse, Stärkevertretungen in den Räten und Ähnliches zu regeln, ist mit Sicher­heit nicht das, was die Bürgerinnen und Bürger dieses gemeinsamen Europa erwarten.

Aber wir haben uns auch weitere Fragen zu stellen. Wir haben uns die Frage zu stel­len – und zwar nicht aus pekuniären Überlegungen, sondern von der Fähigkeit der In­tegration der Union her –, wie der Erweiterungsprozess weiter verlaufen kann und ver­laufen soll. Da muss eines klar gesagt werden: Es gibt Mitgliedstaaten – oder dominie­rende politische Kräfte in Mitgliedstaaten –, die gar nicht genug kriegen können an neuen Erweiterungsvorschlägen. Das klingt manchmal recht nett, aber es ist auch klar, was es bedeutet: Wer die Europäische Union uferlos vergrößern will, hängt in Wirklich­keit dem Konzept der Freihandelszone ohne soziale Komponente und ohne gemein­same politische Komponente an! Man kann ein Projekt auch dadurch auf eine be­stimmte Schiene bringen, dass man es ausdünnt, und genau das ist die Überlegung, die hinter diesen unkritischen und uferlosen Erweiterungsvorschlägen aus manchen Mitgliedstaaten steht.

Das heißt nicht, das wir jetzt sagen: das Tor in diese Gemeinschaft ist zu!, aber es muss auch klar sein, dass die Absorptionsfähigkeit der Union gegeben sein muss, auch deshalb, weil nur so die Völker neuer Mitgliedstaaten etwas davon haben. Dass wirtschaftlich schwache Staaten mit ihrer bescheidenen Wirtschaft in einer bloßen Freihandelszone nicht zu den Gewinnern, sondern zu den Opfern gehören werden, ist selbstverständlich. Nur dann, wenn es entsprechende abstützende Elemente gibt, nur dann ist das ein Prozess, der zum Vorteil beider Seiten, der nunmehr 27 alten Mitglied­staaten und möglicher neuer Mitgliedstaaten in der Zukunft, ist!

Es gibt ein weiteres Element, das man ganz offen ansprechen muss: In der größeren EU mit größeren Finanzmitteln und komplexeren Zusammenhängen ist eine Frage – nicht in der Verfassung, aber in der Diskussion, die jetzt beginnen muss, damit sie bei der Vorbereitung der nächsten Finanzvorschau vielleicht Gestalt annehmen kann – zu stellen. Die Europäische Union ist ein gewaltiger fiskalischer Verschubbahnhof: Jedes Mitgliedsland, jeder Mitgliedstaat liefert dort einen beträchtlichen Betrag ab, und er hat – außer in Randbereichen, in denen das nicht garantiert ist – seine festgelegte Quote, wie viel er davon zurückbekommt. Dann wird für Agenden, die unbestreitbar in­tegrierender Bestandteil nationaler Politik oder regionaler Politik sind, Geld aus dem gemeinsamen Topf ausgegeben.

Machen wir uns eines klar: Das Gesamtbudget der Europäischen Union geht zu einem geringen Prozentsatz – wie viel ist es?, 12 Prozent – an eigene Aufgaben, wie interne Verwaltung, Hilfe für Drittstaaten, Nachbarschaftshilfe oder andere Ausgaben, während rund 100 Milliarden pro Jahr unter verschiedenen Titeln in die Mitgliedstaaten zurück­fließen. Das sind zu einem beträchtlichen Teil immer noch die Direkt-Beihilfen und die Marktordnungsmaßnahmen im Agrarbereich, fast 43 Milliarden, aber es sind immerhin schon 12,5 Milliarden für die Entwicklung des ländlichen Raums, und es sind, insge­samt 55 Milliarden, die so genannten Mittel für die Förderung von Wettbewerbsfähig­keit und Wohlstand, von denen 45,5 Milliarden die regionale Entwicklung betreffen.

Also zumindest diese fast 60 Milliarden werden anhand konkreter Projekte in den Mit­gliedstaaten vergeben. Es handelt sich um kofinanzierte Projekte, weil der Förderungs­werber einen gleich hohen Betrag aufbringen muss. Ich gestatte mir, zunächst einmal die Weisheit dieser Politik zu hinterfragen. Sie erinnert mich irgendwie daran, oder sie wäre vergleichbar mit einem System, das Arbeitslosenunterstützung dann auszahlt, wenn der Werber ein geregeltes Einkommen nachweisen kann. Gerade die ärmsten


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Mitgliedstaaten sind dann jene, die beträchtliche der ihnen zustehenden Mittel nicht in Anspruch nehmen können, weil die Kofinanzierungsfähigkeit nicht im ausreichenden Maße gegeben ist. Das bekommen dann die anderen Mitgliedstaaten zurück, und das ist nicht Zweck der Übung.

Aber auch dort, wo die Mittel voll abgeholt werden, kann man das nur sehr begrenzt als Erfolgsgeschichte bezeichnen. Natürlich gibt es viele vernünftige Projekte, großartige Entwicklungsprojekte, die aus diesem Titel finanziert wurden – der „Spiegel“ hat sich diese Woche dieses Themas angenommen –, aber wenn man im Jahr 1994 immerhin ein 800-Millionen-€-Projekt zur Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken in Süditalien an­wirft und bei dieser Gelegenheit feststellt, dass dort knapp die Hälfte des Streckennet­zes elektrifiziert ist, das Programm 2002 abschließt und dann im amtlichen Endbericht der EU festhält, dass nunmehr 50 Prozent der Strecken elektrifiziert sind, dann frage ich mich, was mit den 800 Millionen passiert ist!

Wir haben unzählige Beispiele – mit Verlaub gesagt, auch in unserem eigenen Land – dafür, dass Projekte eines höchst zweifelhaften Wertes mit gewaltigsten Beträgen ge­fördert werden. Wir sind nicht besser – auch nicht schlechter – als die anderen, und Regionalpolitiker sowie Kommunalpolitiker locken natürlich diese Geldtöpfe. Klar! Ob das, was herauskommt, etwas Vernünftiges und Verwertbares ist, das bleibt immer die Frage.

Ich zitiere jetzt wieder den „Spiegel“, der fairerweise überwiegend deutsche Beispiele angeführt hat: eine Fahrradgarage, also Fahrradständer, um 150 000 €, und zwar des­halb, weil dies in einem Dorfentwicklungsprojekt untergebracht werden musste und da­her nicht einfach aus Blechständern unter einem Blechdach bestehen konnte, sondern ein wunderschönes, aus Klinkern errichtetes Häuschen ist. 150 000 € für ein paar Fahrräder!

Es gibt auch das groteske Beispiel, das von zwei Konkursen gekennzeichnet ist. Da hat die EU in Brandenburg zunächst einmal eine riesige Halle gefördert und kofinan­ziert, auf dass dort der „CargoLifter“ erzeugt wird, also jenes Luftschiff, das die schwe­ren Lasten durch die Gegend führen soll. Dieses industrielle Projekt hat im Konkurs geendet, aber die Halle war da! Jetzt hat dort, wiederum mit viel Geld der EU, eine, glaube ich, koreanische Firma einen Freizeitpark „Tropical Islands“ errichtet, in dem man in warmer Luft – die Halle ist ja gut gedichtet – an einem künstlichen Sandstrand baden kann. Die stehen gerade vor dem Konkurs, weil in der Märkischen Heide die Nachfrage nach tropischen Inseln offensichtlich begrenzt ist.

Das könnte ich jetzt, publikumswirksam und humorig, lange weiterdeklinieren. Aber ich möchte nur eine Frage, eine ganz zentrale Frage, stellen: Ist es wirklich so, dass jene, die diese Mittel in Brüssel verwalten, besser über regionale Bedürfnisse Bescheid wis­sen als die in den jeweiligen Staaten existierenden regionalen Institutionen? Hat dieses Hin- und Herschieben von vielen, vielen Milliarden irgendeinen praktischen Sinn – außer dass vermutlich die Banküberweisungen den kontoführenden Banken bei diesen Beträgen nicht ganz unrecht sind? Wäre es nicht vielleicht denkbar, ein System zu ent­wickeln, in dem wir diese Mittel in die nationale Verantwortung rückführen?

Nettozahler wie wir hätten eben ihren Beitrag für die zentralen Ausgaben abzuliefern, Nettoempfänger würden also den entsprechenden Betrag draufbekommen. Das ist jetzt kein Konzept, dazu ist das alles zu roh und zu jung. Aber stellen Sie sich einmal für unser eigenes Land vor, wie es wäre, wenn die Bundesregierung mit der Karotte der finanziellen Unterstützung darüber entscheidet, wie Bürgermeister ihre Gemeinde gestalten! Ich glaube nicht, dass das ein System ist, das in unserer Bevölkerung zu­stimmungsfähig ist und das finanziell tragbare Konsequenzen hätte.


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Das werden wir jetzt nicht entscheiden, aber es ist mir wichtig, in der 50-Jahre-Eupho­rie solche grundsätzliche Überlegungen anzuschneiden. Denn nur dann, wenn daraus eine breite Diskussion wird, besteht irgendeine Chance, die Europa-Müdigkeit unserer Bürgerinnen und Bürger zu überwinden, indem das System rationaler, sparsamer, ver­nünftiger und vor allem sozialer wird. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsident Manfred Gruber: Danke schön. – Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Schennach. – Bitte.

 


14.13.08

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Konecny hat zu Recht auf die Bedeutung dieser „Berliner Erklärung“ anlässlich der 50-Jahr-Feier hingewie­sen. Es wäre schön gewesen, wenn neben neun Mitgliedstaaten dieser Erklärung für einen neuen Schwung, für ein soziales Europa, neben Bulgarien, Belgien, Zypern, Spanien, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Luxemburg und Italien, auch ein zehnter dabei gewesen wäre, nämlich Österreich. Aber wir werden das unterstützen, und ich hoffe, dass das jenen Schwung hineinbringt, um erstens zu einer Verfassung zu kom­men und zweitens diese soziale Dimension, die in Europa derzeit noch fehlt, dort zu verankern.

Aber zur sozialen Dimension Europas gehören natürlich auch die Beziehungen Euro­pas zum Süden. Ich möchte jetzt speziell auf das Dreijahresprogramm der Österreichi­schen Entwicklungspolitik eingehen, nämlich diese besondere Verantwortung Europas gegenüber insbesondere Afrika, aber auch dem Nahen Osten.

Herr Staatssekretär! Ich gehe jetzt auf einige Punkte ein, die kritisch sind – wir werden aber diesen Bericht zur Kenntnis nehmen –, möchte aber zuerst – das ist so meine Art – auch das Positive herausstreichen. Positiv fällt einfach die verstärkte Ausrichtung auf Gender-Gerechtigkeit auf, die verstärkte Ausrichtung auf Menschenrechte und auf Rechtsstaatlichkeit – all diese Bereiche sind in diesem Bericht auch erstmals übersicht­lich gekennzeichnet – und, was ganz besonders wichtig ist, ein eigenes Kapitel zur Ko­härenz.

Warum ich das betone und auch die Frau Außenministerin es betont: Es ist vor allem die Leistung der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit in ein richtiges Gleichge­wicht zu setzen, ihre besondere Verantwortung, das Ringen um Gleichberechtigung, der Einsatz der Frauen, gerade der Frauen, beim Wiederaufbau von Gesellschaften. Dabei geht es eben um den Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen, den Kampf gegen die Ausbeutung der Frauen, den Kampf gegen die Verstümmelung von Frauen und den Kampf gegen die nicht nur passive Diskriminierung, sondern vielfach auch noch aktive Diskriminierung.

Herr Staatssekretär! Im Dreijahresprogramm fällt auf, dass Österreich – das wird auch festgehalten – mit einer Leistung von 0,52 Prozent des Bruttonationaleinkommens das von der EU für 2006 verordnete Ziel überschritten hat. Da könnte man sagen: sehr gut! Aber bei dieser Überschreitung vergisst man vielleicht doch, zu erwähnen, dass die österreichischen Erhöhungen faktisch zur Gänze auf die Entschuldungen zurückgehen. Wenn wir das Jahr 2005 hernehmen, betrug der Anteil der Entschuldungen an der ge­samten österreichischen EZA 57,5 Prozent, und davon wiederum ging der alleraller­größte Teil in die Entschuldung des Iraks. Dazu kommt noch – neben der Entschul­dung des Iraks – Madagaskar.

Jetzt kann man sagen, dass das wichtig ist. Wir stemmen uns ja auch nicht gegen die Entschuldungspolitik. Aber die Frage ist: Wie sieht denn parallel dazu die Erhöhung der


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unmittelbaren EZA aus? – Diese Erhöhung fällt, im Gegensatz zur Entschuldung, mar­ginal aus!

Wenn wir noch generell auf die Debatte der Entschuldung eingehen: Sie wissen, die Frage der Anerkennung von Entschuldungen in der ODA-Statistik ist umstritten. War­um? – Einerseits ist es völlig richtig – und daher auch ein Ja zu Entschuldungen –, weil es Geld frei macht, mit dem man Entwicklung finanzieren kann. Auf der anderen Seite sind es oft sehr langfristige Schulden, die in den Ländern gegenüber ihren Gläubigern längst abgewertet, wenn nicht gar abgeschrieben wurden.

Wenn wir uns diese enorme Entschuldungsleistung gegenüber dem Irak und Madagas­kar ansehen, so kommt nun Nigeria hinzu. Aber die Frage, wenn wir uns all diese Ent­schuldungsleistungen ausschauen, ist ja eine andere: Wohin dann? – Es wurde 2005 bei der Überprüfungskonferenz festgehalten, dass die Hilfe für Afrika zu verdoppeln ist. Wenn sich die Verdoppelung der Hilfe für Afrika nicht in der EZA niederschlägt, son­dern nur in einer Entschuldungshilfe gegenüber Nigeria, so war das in der Überprü­fungskonferenz der Millenniumsziele wohl nicht gemeint. Deshalb, sehr geehrter Herr Staatssekretär, erwarten wir hier, dass sich die Verdoppelung der EZA gegenüber Afri­ka nicht allein in der Entschuldung Nigerias niederschlägt!

Ziehen wir die Entschuldungen aber ab, dann fragt man sich: Wo kommen künftig die Mittel für die Erhöhung her? – Die aktuelle Bundesregierung hat sich ja Budgeteinspa­rungsziele verordnet. Deshalb ist auch interessant, dass in diesem Dreijahrespro­gramm erstmals keine Budgetdaten ausgewiesen werden. Aber es gibt Spekulationen, wenn es vielleicht doch Geld gibt, wofür es das geben könnte. Da gibt es die Anhebung der österreichischen Beiträge zu den UN-Entwicklungsorganisationen – einverstan­den! –, sektorale Budgethilfe und die Zusammenarbeit mit der österreichischen Wirt­schaft.

Ich habe schon eingangs gesagt – und ich finde das äußerst positiv –, dass die Ko­härenz in einem eigenen Kapitel dargestellt wurde. Es war ja die Pariser „Declaration on Aid Effectiveness“ vom März 2005, die in fünf Leitprinzipien sowie zwölf Fortschritts­indikatoren die detaillierten Verpflichtungen für Geber und für Empfänger dargestellt hat. Insbesondere ging es darum, dass die Geberländer in der Weise zusammenarbei­ten, dass es keine Doppelgleisigkeiten und keine Doppelstrukturen gibt. Das heißt, es geht generell um eine Effizienzerhöhung bei der Hilfe, aber auch darum, sehr geehrter Herr Staatssekretär, die Untied Aid, das heißt jene Hilfe, die nicht zweckgebunden ist, zu erhöhen. Die andere heißt nämlich: Nahrungsmittelhilfe und geförderte Exportkre­dite.

Die österreichische Bundesregierung hat dazu auch einen nationalen Aktionsplan für den Zeitraum von 2006 bis 2010 erstellt. Die Frage ist die nach der Effizienz. Man könnte hier sagen, entweder ist es Rhetorik, oder es ist ein Quantensprung. Der Be­weis für die Frage, wo wir landen werden, ist ja noch nicht erbracht. Es ist nur zu hof­fen – jenseits von parteipolitischen Positionierungen –, dass es zu einer höheren Wirk­samkeit der EZA kommt. Dazu ist es notwendig, sich gegen eine starke Fragmentie­rung der EZA zu stemmen – Sie nicken, und ich bin froh, dass diese Meinung auch von Ihnen geteilt wird – und die mangelnde Kohärenz staatlichen Gebarens weiterhin zu beseitigen.

Der Bericht weist Kohärenzkriterien auf und definiert Bereiche, wobei wir in einem Be­reich strittig sind; Herr Staatssekretär, Sie wissen das. Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsübereinkommen keine rechtliche Grundlage für das, was sie hier fest­gehalten hat, nämlich unter dem Punkt „Migration und Entwicklung“ zu sagen, dass man Entwicklungszusammenarbeit mit der Kooperation der Herkunftsstaaten verknüp­fen muss und dass diese der Ausstellung von Heimreisedokumenten oder dem Ab-


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schluss von Rücknahmeabkommen zustimmen müssen. Herr Staatssekretär, das ist nach dem Abkommen von Cotonou nicht erlaubt! Wenn man Hilfe gibt, kann man diese nicht an solche Bedingungen knüpfen. Es gibt den Art. 13 dieses Abkommens, da ist das explizit ausgenommen.

Was mir bei der entwicklungspolitischen Kohärenz, bei der Darstellung der Bereiche auffällt, ist, dass ein paar aus unserer Sicht sehr, sehr wichtige Bereiche fehlen: Cli­mate Change, die soziale Dimension der Globalisierung, der Digital Divide – das heißt die Teilung der Informationsgesellschaft –, Transport und Energie. Das fehlt, aber ich denke, es fehlt nicht wegen Anti-Positionierungen, sondern vielleicht fehlt es an hinrei­chender Sensibilisierung in diesem Bereich.

Insgesamt ist es aber ein interessanter Bericht, dem wir allerdings unsere Anmerkun­gen gegenüberstellen.

Zum EU-Arbeitsprogramm. – Herr Professor Konecny! Sie haben mich einmal dafür kri­tisiert, dass ich meine Redezeit ungehörig überschritten habe. Sie haben es heute auch getan, und ich brauche noch ein paar Minuten. (Bundesrat Konecny: ... ist ein Unterschied!)

Zum EU-Arbeitsprogramm: Kroatien liegt im österreichischen Interesse. Es fällt auf, dass diesmal – erstmals – die privilegierte Partnerschaft mit der Türkei nicht mehr vor­kommt. Da fragt man sich: Ist die privilegierte Partnerschaft, die man irgendwie als Not­lösung gefunden hat, jetzt auch gefallen? – Das ist zu wenig.

Was mir weiters fehlt, ist ein Guide dafür, wie man nun gedenkt, das von Ahtisaari ge­fundene Modell einer international überwachten Selbstständigkeit für den Kosovo akti­ver umzusetzen.

Zur europäischen Nachbarschaftspolitik eine Anmerkung: Ja, wir sind für die Schwarz­meer-Dimension, Herr Staatssekretär, keine Frage! Österreich ist insbesondere an der Dimension des Donauraums in Bezug zum Schwarzmeerraum interessiert. Aber auf einem Auge ist diese Politik ziemlich blind: Das ist nämlich das Öko-Auge, wenn man die Schwarzmeer-Dimension ansieht. Wir verstehen, dass Europa versucht, seine Energiereserven durch den Schwarzmeerraum oder die Schwarzmeer-Dimension zu sichern und zu definieren, aber es gibt dabei keine Anbindung an die EU-Umweltricht­linien, keinen Safeguard-Mechanismus und keine Definition der Finanzierung. Das sind Dinge, worüber wir sagen: Ja, Energiesicherung ist eine Sache, aber die ökologische Dimension soll man dabei nicht übersehen.

Da ich ja von früher her noch ein Guthaben abzubauen habe, reduziere ich das, was ich jetzt zum Barcelona-Prozess sagen wollte. Wir werden noch Möglichkeiten haben, darüber zu diskutieren, insbesondere über die Frage der Partizipation und Einbindung von Immigranten auf lokaler Ebene, auch mit Ausstattung des Wahlrechts.

Aber eines muss man zum Schluss noch anmerken, und Kollege Kühnel hat das ir­gendwie provoziert: Die Politik der USA gegenüber dem Iran halte ich für weitaus ge­fährlicher als alles, was der Iran derzeit macht! Den Iran gilt es, wie Professor Konecny gesagt hat, zu beobachten. Aber dass es eine unmittelbare europäische Bedrohung durch den Iran gibt, ist ein Phantasieprodukt.

Herr Kühnel hat von der verstärkten Nachrichtentätigkeit des Iran gesprochen: Na hallo, liebe Leute, die Hochblüte der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des alten Per­siens unter dem Schah in Europa war um vieles intensiver als alles, was derzeit ge­boten wird! Und die Morde von Wien berühren ja eine ganz andere Frage; Sie wissen, dass es die Ermordung von drei prominenten Kurdenführern war. Das ist eine andere Sache.


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Wenn man schon von Bedrohungen, die vom Iran ausgehen, sprechen muss, dann hätte ich es verstanden, wenn sich Kollege Kühnel zum Beispiel um Israel Sorgen gemacht hätte, wenn er sich Sorgen um den Irak nach der Anwesenheit der USA gemacht hätte. Generell haben wir, was den Iran betrifft, eine interessante Situation im Zentral-Kaukasus, eben auch von wegen Energie. Wir haben die Türkei, die eine Art wirtschaftliche Vormachtstellung hat, den Iran, der versucht, eine geistige einzuneh­men, und Russland, das versucht, eine militärische zu haben. In diesem Spannungs­feld gilt es sehr wohl, alles zu tun, wodurch man den Iran zur Abkehr von seinem Atom­programm bewegen kann.

Aber eine europäische Gefährdung durch den Iran ist ein Phantasieprodukt wie aus einem Krimi! Weder Rom noch Wien noch Warschau sind durch mögliche iranische ... Warum auch? Was macht das für einen Sinn? Was macht es für einen strategischen Sinn? Was macht das für einen militärischen Sinn? – Meiner Meinung nach sollten wir alles tun, um die USA daran zu hindern, dort unten einen weiteren Flächenbrand aus­zulösen. Das halte ich für wesentlich gefährlicher, und dann ist es gefährlich für Euro­pa, wenn so etwas passiert!

Wir werden beiden Berichten unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.29


Präsident Manfred Gruber: Danke schön. – Weitere Wortmeldung: Kollege Ing. Kampl. – Bitte.

 


14.29.39

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Liebe Kollegen im Bundesrat! Keine Angst, ich werde versuchen, meine 10 Minu­ten einzuhalten. Aber ein bisschen ist das schon eine Zumutung. Es gibt eine Präsi­diale, in der Präsidiale sind 10 Minuten Redezeit ausgemacht worden, und dann sollen sich meiner Meinung nach alle daran halten. Oder es wird sich niemand mehr daran halten! Wir können uns das also in Zukunft aussuchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Konecny, mit zwei Sätzen möchte ich ganz kurz auf Ihre Ausführungen eingehen. Immer wieder wird der ländliche Raum und vor allem die ländliche Bevölkerung oder die Landwirtschaft als Subventionsemp­fänger hingestellt. Es ist fast schon eine Schikane, wie man heute vonseiten der EU die bäuerlichen Betriebe in Österreich kontrolliert. Aber man muss es deswegen tun, weil man schlechte Erfahrungen gemacht hat! In Spanien hat es Tausende Hektar gege­ben, die gar nicht vorhanden waren, die im Meer draußen gewesen wären. Oder in Italien wurden jahrzehntelang Tausende Hektar gefördert, die nie vorhanden waren. Daher ist es, glaube ich, notwendig, dass wir eine sehr gute, effiziente und, ich möchte sagen, sehr starke Überwachung haben.

Nur, sehr geehrter Herr Staatssekretär, es geht ein bisschen zu weit! Ich bin da schon beim anderen Thema. Aber wenn wir keine Schwalben mehr auf den bäuerlichen Milchbetrieben haben dürfen, weiß ich nicht, was man mit denen machen soll. Oder wenn zum Beispiel in einem Katastrophenjahr ein Holzlagerplatz für die Zwischenlage­rung des Holzes gebraucht wird, dann die EU-Akteure in Österreich kommen und diese Fläche herausnehmen, sie berechnen und am Ende des Jahres abziehen, dann ist das eine Schikane, die zu weit geht, Herr Staatssekretär! Da sollten wir uns meiner Ansicht nach gemeinsam bemühen: Überwachung ist gut, aber man muss schon auch ein biss­chen die Menschen verstehen, die im ländlichen Raum leben und die Situation zu er­tragen haben.


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Nach diesen Worten zur Förderungspolitik möchte ich nun zu meinen Überlegungen zum EU-Arbeitsprogramm 2007 kommen. Vor 60 Jahren, nach dem Zweiten Welt­krieg – davon bin ich überzeugt –, haben wir einen europäischen Zusammenschluss notwendig gehabt. Es waren drei große Männer in Europa – Schuman aus Frankreich, De Gasperi aus Italien und Adenauer aus Deutschland –, die vor 50 Jahren wirklich diejenigen waren, die Europa gebaut haben.

Heute sollten wir ja weiterbauen, heute sollte es uns gelingen, dass wir ein Europa ha­ben, in dem wir alle gern leben und letzten Endes für die Bevölkerung, für unsere Men­schen, das tun, was sie brauchen. Damals war es das Ziel, in Zukunft einen Krieg in Europa zu verhindern; keine Nation in Europa sollte eine Vorherrschaft haben; das Dritte war ein Gegengewicht zur Sowjetunion beziehungsweise zum Kommunismus. Das waren eigentlich die Überlegungen der großen Männer von damals.

Anlässlich der 50-Jahr-Feier, die am 25. März 2007 in Berlin stattfinden wird, wird es eine politische Erklärung geben, Herr Staatssekretär. Es ist eine hohe Verantwortung für 27 Länder eine Zukunft zu bauen, das ist für uns alle verständlich: 500 Millionen Menschen, 25 verschiedene Sprachen, und da noch mit Verantwortung ein Europa der Zukunft zu errichten, das ist sicher eine Herausforderung, die wir annehmen müssen und auch annehmen sollten.

Ich möchte aber zu einigen Schwerpunkten Forderungen stellen, Herr Staatssekretär. Nach einigen Versäumnissen ist man einfach nicht zufrieden, und das betrifft etwa die überfällige Verfassung für ganz Europa. Das ist ja das Thema, das wir haben, und wir haben schon eine Ablehnung durch zwei Staaten miterlebt.

Vorschläge für eine europäische Friedenspolitik sind meiner Meinung nach nicht voll berücksichtigt worden. Amerikanische Raketen in Europa, ob in Tschechien oder Po­len – so etwas kann doch, bitte, nicht sein! Ich glaube, es spaltet uns von vornherein in Europa, dies für die übrige Welt nach Mitteleuropa zu bringen. Wir sind Europäer, und wir sollten von Europa aus tätig sein. Wir haben immer eine große Bedeutung gehabt, Herr Staatssekretär und liebe Kollegen! Wir Europäer waren immer diejenigen, die für die gesamte Welt etwas bedeutet haben. Diese Vormachtstellung sollten wir auch in Zukunft aufrechterhalten, und das sollten wir immer verstärkt einbringen.

Das Ankara-Protokoll sollten wir, glaube ich, in allen seinen acht Kapiteln sehr, sehr kritisch prüfen, Herr Staatssekretär. Denn da gibt es innerhalb unserer Kulturgemein­schaft große Unterschiede. Wenn wir das nicht sorgfältigst prüfen, dann werden wir ein böses Erwachen erleben – was wir alle in Europa nicht wollen!

Zur Sicherung der Öl- und Gasversorgung, ob aus Russland oder dem arabischen Raum: Das wird immer nur so gemacht, wie Druck ausgeübt wird. Die großen Kon­zerne entscheiden letzten Endes, was gemacht wird.

In politischer Hinsicht sollten wir dem Nahen Osten gegenüber objektiver sein. Es hat mich gefreut, dass die Frau Staatssekretär auch die Palästinenser als gleichwertig mit den Israelis eingestuft hat. Denn da haben wir immer eine Schwäche gehabt, indem wir gesagt haben: Israel ist der Gute, und alles andere ist böse. Ich glaube, so sollte Europa nicht vorgehen.

Damit komme ich gleich zur Atompolitik in Europa. Da sollte von uns mehr Verant­wortung getragen werden: Ja zur Abrüstung des Irans, aber auch von Israel, wenn sie Atombomben besitzen! Es haben beide keinen Anspruch darauf, Atomwaffen zu ha­ben, und da sollten wir auch gegen beide unsere Verantwortung erheben.

Kritisch sollten wir auch dem Alleingang Amerikas in allen Kriegsfragen gegenüberste­hen. Auch da, Herr Staatssekretär, könnten wir in Europa meiner Meinung nach den Finger erheben und so manches Mal auch Herrn Präsidenten Bush unsere Meinung


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sagen. Denn der glaubt ja, er kann auf dieser Welt tun und lassen, was er will! So kann es nicht sein, Herr Staatssekretär. Das ist meine Meinung: Es ist einfach unglaublich, wie ein amerikanischer Präsident mit Kriegsdrohungen letzten Endes auch schon in Europa herumhantiert, im europäischen Raum, in europäischen Nachbarstaaten! Er schlägt alles zusammen, und dann heißt es: Liebes Europa, komm und baut wieder auf! Ihr seid ja letzten Endes dafür da!

Mehr gemeinsame Verantwortung ist auch in der Umweltfrage nötig. Da könnten wir noch sehr vieles tun. Mir ist darüber auch in dieser kurzfristigen Aussage für 2007 zu wenig enthalten.

Mehr Solidarität – die sehe ich nicht, die ist im Papier nicht angeführt – in der Asylfra­ge! Es ist so, dass gewisse Länder einen sehr hohen Anteil an Asylanten haben. Diese müssen versorgt werden, sie sollen auch versorgt werden, das ist unsere moralische Pflicht! Aber, bitte schön, wo ist da die Solidarität?

Mehr Zusammenarbeit in der Terrorbekämpfung! Da könnten wir, glaube ich, auch we­sentlich mehr tun. Es wäre dann leichter, den ganzen Terror in Zukunft in den Griff zu bekommen.

Aber, sehr geschätzter Herr Staatssekretär, wie sollen wir das machen, wenn wir nicht mehr Aufklärung in den Parlamenten, in den Kommunen, in den Schulen und in den Medien machen? – Da sind wir meiner Meinung nach sehr, sehr säumig. Da gibt es zum Beispiel eine Umfrage aus den Schulen: Was ist eigentlich die EU? – 70 Prozent haben überhaupt nichts gewusst, und 30 Prozent haben eine bescheidene Aussage gemacht, mit der man auch nichts hat anfangen können. Herr Staatssekretär, das kann nicht so sein! Wir haben, glaube ich, eine gute Schulbildung, aber da muss mehr ge­schehen.

Ich glaube auch, wir sollten längerfristig planen, wir sollten mehr Heimatgefühl für Europa bekommen. Wir sollten einfach mehr zu Europa stehen, zu Europa auch als unserer Heimat. Da ist dieses Zusammengehörigkeitsgefühl: Zuerst sind wir, und dann ist Europa. Vielleicht könnte man da, auch mit Fachexperten, in Zukunft ein bisschen mehr tun.

Was das Rechtswesen betrifft, ist sehr, sehr vieles offen. Und all die Diskriminierung zwischen Männer- und Frauenarbeit muss einmal beseitigt werden, Herr Staatssekre­tär! Auch darüber steht in dem Papier nichts drin. Wer soll es denn dann machen? – Wir in Österreich sind säumig, in Europa ist man noch mehr säumig. Wir kennen die gesamte Problematik, die für uns alle eigentlich nicht zielführend sein darf. Wir leben in einem glücklichen, reichen Land und sind anscheinend nicht in der Lage, das von uns aus zu bewältigen oder unseren Einfluss im gemeinsamen Europa durchzusetzen.

Herr Staatssekretär! Wir sprechen immer von einem Europa der Menschlichkeit. Da sind wir aber noch sehr weit auseinander! Von meinen Vorrednern ist da einiges ange­schnitten worden, und ich bin auch der Meinung, es muss einfach menschlicher wer­den, es muss nachbarschaftlicher werden. Wir sollten einander nicht aggressiv gegen­übertreten.

Ich sage das bewusst, weil ich ein Bürgermeister der 35. Europa-Gemeinde bin, und ich habe bewusst dafür gekämpft, so ein Bürgermeister zu sein. Es kommen im Jahr 250 000 Menschen zu uns, und wir nennen uns „Stätte europäischer Begegnung“. Da­her traue ich mich auch heute, Herr Staatssekretär, meine Meinung darzulegen: wie ich es sehe, für unsere Bürger in Österreich und auch für ein gemeinsames Europa!

Ich komme gleich zum Ende, Herr Präsident. Aber ich möchte noch etwas Besonderes in den Raum stellen.


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Herr Staatssekretär! Wir haben zwar kurzfristig dieses Papier, aber jetzt sind in Europa 27 Länder beisammen, und da gibt es noch die Heimatvertriebenen. Herr Staatssekre­tär, wer soll denn dieses Problem lösen? – Das sind ja auch Menschen! Ob sie in Ju­goslawien, in Tschechien oder in Ostpreußen daheim waren, das sind Menschen, die heute in Europa sind und die nichts dafürkönnen, dass sie ihrer Heimat beraubt wur­den. Oder unten in Istrien, wo auch immer sie waren, Herr Staatssekretär: Da hört man nichts, da sieht man nichts – und da wollen wir weitermarschieren! (Bundesrat Todt: Oder in Kärnten!)

Wenn wir nicht in der Lage sind, das so zu sehen und aufzuarbeiten, Herr Staatssekre­tär, werden wir nicht in der Lage sein, in Zukunft ein solches Europa zu haben, wie wir es uns vorgestellt haben. Ich gehöre ja auch zu der Generation, die den Krieg und die Nachkriegszeit erlebt hat, Herr Staatssekretär: Es war nicht einfach! Wir haben damals das Schicksal der Menschen kennengelernt, wir haben mit ihnen mitgefühlt. Sie sind gute Österreicher geworden, sie sind gute Europäer geworden – nur: Diese Staaten, die Verantwortung dafür tragen, sind heute Mitglieder von Europa, sie haben ihre Ver­sprechen nicht eingehalten, und da ist noch etwas zu tun.

Mein Aufruf an alle – und ich gehöre dazu –, Herr Staatssekretär: Bauen wir weiter! Das Papier ist gut, aber es ist nicht vollständig. Es muss mehr beinhalten, und vor allem muss längerfristig gebaut werden. – Danke schön. (Beifall der Bundesräte Mitte­rer und Konecny.)

14.41


Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Kollege Kampl. – Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 


14.42.06

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Ausführungen waren interessant, muss ich sagen, wir haben sie wirklich genossen. Aber es ist dies doch ein Beweis dafür, wie jeder im außenpolitischen Bereich seine eigenen Vorstellungen hat. Es gibt schon ein paar Punkte, in denen wir uns einig sind, aber gerade deswegen ist es wichtig, dass wir an der Spitze jemanden haben, der es versteht, diese Punkte zusammenzuziehen, sie zu definieren und auch etwas in die Tat umzusetzen.

Dieser Bericht, den wir uns durchgelesen haben, ist für mich auch ein Dokument, das den Stellenwert des kleinen und im außenpolitischen Bereich unglaublich einflussrei­chen Österreich demonstriert. Das beflügelt einen mit einem gewissen Selbstbewusst­sein. Das ist, glaube ich, schon das Erfreuliche an der ganzen Sache.

Sie wissen selbst, dass am 25. März in Berlin diese große Tagung stattfinden soll. Ich würde es sehr begrüßen, wenn man da einmal die europäischen Werte aufs Tapet brächte. Das ist für uns das Um und Auf! Ich sage Ihnen, damit hängt der Fleiß, die Tüchtigkeit, der Einfallsreichtum der Menschen zusammen, die hier in Europa leben.

Meine Damen und Herren! Wer einmal in Brüssel war – wahrscheinlich jeder –, weiß das, ich war natürlich auch schon dort und war, ehrlich gesagt, ein bisschen darüber entsetzt, wie es dort zugeht. Da siedeln sie wieder einmal alle nach Straßburg, das ist sozusagen wie die Sommerschwalben, mit Sekretärinnen und Sekretären, alles siedelt nach Straßburg, und dann geht es wieder zurück nach Brüssel. Ich möchte dem nicht eine ganz schlimme Bezeichnung geben, aber das ist so, wenn Brüssel weiter damit fortfährt, auch mit der Negierung des Willens der Menschen in unserem Land, indem man völlig rücksichtslos darüber hinweggeht. Das Gurkenbeispiel ist ja eines der vielen und oft schon zitierten Beispiele, aber es gibt auch andere.


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Jetzt steht im Bericht, dass Brüssel sich verstärkt im regionalen Bereich einschalten möchte. Ich hoffe nur, dass sie die Befugnisse des Landtages in Ruhe lassen. Denn was versteht man unter „regional“? – Wir Tiroler haben einen Begriff von „regional“; ich nehme an, auch die Oberösterreicher und Niederösterreicher und alle anderen wissen, was darunter zu verstehen ist. Ich wäre schon sehr darauf bedacht, dass wir uns nicht etwas aufzwingen lassen, was wir im Grunde genommen nicht wünschen.

Da könnten wir auch einmal sagen: Bitte, machen wir einen Vorschlag, dass man über­haupt einmal den Standort – der ja auf zwei Beinen steht, Brüssel und Straßburg – in Frage stellt! Jetzt hat Wien – meine Hochachtung! – die Energie- und Klimapolitik durch ein Sekretariat wieder nach Wien gezogen. Es wären auch da durchaus positive Überlegungen denkbar. Wien liegt jedenfalls ganz zentral, wenn man von Europa spricht, es liegt im zentralen Raum Europas. Vielleicht wäre einmal so ein Schreckluft­ballon für Brüssel nicht ganz das Schlimmste!

Meine Damen und Herren! Ich halte mich kurz, weil ich weiß, dass meine Vorredner viel zu sagen gehabt haben; sie haben auch interessant gesprochen. Aber eines, glau­be ich, muss man dem Bericht entnehmen: Wer ihn durchgelesen hat, der sieht, dass im Außenministerium nicht nur Worte gesprochen werden – theoretische Begriffe –, sondern Taten gesetzt werden. Dazu gratuliere ich, und dafür bedanke ich mich! (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.46


Präsident Manfred Gruber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 


14.46.53

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Am Anfang ein Vorschlag für die nächsten Sitzungen, in denen es wieder um das Thema geht: Vielleicht könnten wir uns einmal gegenseitig den Bericht vorlesen, und zwar den kom­pletten, dann wären wir umfassend informiert. Ich weiß nicht, irgendwie haben wir da auch selbst einen Fehler drinnen. Wir sind manchmal sehr darauf bedacht, den Bun­desrat dort hinzuheben, wo er hingehört. Und dann haben wir Leute dabei, die einfach nicht mehr aufhören, weil sie sich oft vielleicht selbst so wichtig nehmen, wie es einfach nicht sein soll. – Das möchte ich am Anfang einmal gesagt haben.

Weiters darf ich am Beginn den Leuten im Außenamt sagen – lieber Herr Staatssekre­tär, ich bitte, dies auch der Frau Außenministerin auszurichten –, dass diese Berichte immer so etwas wie ein Beipackzettel für die Arbeit der Außenpolitik sind und dass das eine ganz tolle Geschichte ist, mit der man sehr gut arbeiten kann. Wir müssen uns dann nicht gegenseitig immer alles vorbeten; vielleicht arbeiten wir danach und mit die­sen Dingen das ganze Jahr, das ist mir viel wichtiger.

Vielleicht darf ich nur zwei, drei Punkte vorbringen – dann höre ich auf –, und zwar eher persönlicher Natur.

Die Frau Außenministerin hat in ihrem Geleitwort festgestellt, dass Entwicklungszu­sammenarbeit ein wichtiger Teil der Außenpolitik ist und Brücken zwischen Menschen verschiedener Kontinente, Kulturen und Sprachen baut. Das sollte man, glaube ich, in den Vordergrund stellen. Sie leistet einen Beitrag zur Solidarität mit den Ärmsten die­ser Welt, und das sollten wir auch tun. Wir sollten nicht darüber herumstreiten, ob wir bei 0,33, 0,45 oder 0,52 Prozent sind, sondern wir sollten ... (Bundesrat Schennach: Das ist schon ein Unterschied!) – Der Unterschied ist schon da, aber wir sollten tun­lichst gemeinsam schauen, dass wir das Ziel von 0,7 Prozent gemeinsam erreichen; das sollten wir tun.

Dann möchte ich noch erwähnen, dass nicht Länder und Staaten Geld geben, sondern deren Menschen. Deshalb ist es für mich eine Sinngebung, Entwicklungshilfe zu ge-


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ben, nämlich auch für jene, die geben. Das möchte ich speziell jenen ans Herz legen, die diesem Thema oft mit einer „Mir san mir!“-Mentalität und einer große Portion Egois­mus begegnen, und ihnen auch vor Augen führen, dass Mitgefühl zu zeigen denen ge­genüber, denen es noch schlechter geht, eine moralische Verpflichtung ist.

Damit möchte ich dieses Thema schon abschließen. Da auch zum zweiten Thema, dem EU-Arbeitsprogramm, schon alles gesagt ist, möchte ich nur noch kurz auf die Sitzung in Berlin eingehen, in der Martti Ahtisaari, der ehemalige Präsident von Finn­land und jetzige Beauftragte für den Kosovo, einige Dinge gesagt hat.

Da möchte ich einmal Albrecht Konecny sehr loben, auch wenn er mir gerade nicht zu­hört. Lieber Freund, alles, was du über den Kosovo gesagt hast, ist richtig! Du bist ein profunder Kenner dieser Materie, und ohne dem vorzugreifen, was der letzte Punkt der heutigen Tagesordnung ist – da pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass du das neue Mitglied im Europarat sein sollst –, muss ich sagen: Ich freue mich auf dich, wir werden da sicher sehr gut zusammenarbeiten. Auch deine Einschätzung, dass der Ko­sovo – auch für mich ist das so – ein Pulverfass ist, das uns jeden Tag um die Ohren fliegen kann, ist richtig.

Ganz zum Schluss möchte ich sagen, dass die Frühjahrskonferenz für neue Impulse zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sehr, sehr wichtig ist. Schließen möchte ich mit dem Dank an die Mannschaft: alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bun­desrates Schennach.)

14.51


Präsident Manfred Gruber: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Winkler. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


14.51.18

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich erstens mit einem Dank beginnen! Ich kann mich erinnern, als wir zum ersten Mal einen Bericht dieser Art in diesem Hohen Haus dis­kutiert haben, ist viel Kritik geäußert worden – viel berechtigte Kritik, stehe ich nicht an zu sagen. Wir haben uns diese Kritik sehr zu Herzen genommen, und wenn ich mir die heutigen Reaktionen vor Augen führe, dann haben wir, offensichtlich mit einem gewis­sen Erfolg, doch eine bessere Art der Präsentation dieses Berichtes gefunden. Ich möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Außenministeriums ganz herzlich dafür bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Es sind sehr viele Themen angesprochen worden. Ich bitte jetzt schon um Entschuldi­gung und um Verständnis dafür, wenn ich nicht alle Punkte anspreche. Aber es ist mir doch einiges sehr wichtig, und das möchte ich auch hier in meiner Antwort sagen.

Es ist der 25. März erwähnt worden, es ist die „Berliner Erklärung“ erwähnt worden, und es sind die Veranstaltungen in den Mitgliedstaaten – selbstverständlich auch in Österreich – erwähnt worden. Was die „Berliner Erklärung“ betrifft, so kennen wir noch nicht den endgültigen Text. Es hat sich die Präsidentschaft – klugerweise, würde ich sagen – vorbehalten, im Zuge von Konsultationen herauszufinden, was die Mitglied­staaten denken, und dann in Eigenverantwortung in einem umfassenden Text – der aber nicht zu lange sein soll, der auch nicht zu pathetisch sein soll, der rückblickend, aber auch vorausblickend sein soll – Grundsätzliches zur Europäischen Union zu sa­gen.

Ich kann an dieser Stelle selbstverständlich den Rednern, die darauf hingewiesen ha­ben, Recht geben und ihnen auch versichern, dass selbstverständlich der Ausgangs­punkt dieser Erklärung – wie der Ausgangspunkt jeder Erklärung über die Europäische


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Union – die gemeinsamen Werte sind. Die Europäische Union ist eine Wertegemein­schaft! Und ich glaube, ausgehend von dieser Aussage erfolgt alles andere.

Österreich wird eine Reihe von Veranstaltungen haben – ich bin sehr dankbar dafür, dass das erwähnt wurde –, auch um den Minoritenplatz herum. Da befinden sich ja mehrere Ministerien, das Bundeskanzleramt gemeinsam mit dem Europaministerium, dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten – es geht mir schon ganz gut vom Mund, ich habe mich jetzt auch schon daran gewöhnt (Bun­desrat Konecny: ... sollten Sie es sich nicht!) –, dort werden wir den ganzen Tag, je­denfalls von 10 bis 17 Uhr, mehrere Veranstaltungen haben. Ich glaube, Sie alle haben die Einladung bekommen. Ich würde mich auch persönlich ganz besonders freuen, wenn ich den einen oder anderen der von mir sehr geschätzten Bundesrätinnen und Bundesräte im Außenministerium begrüßen könnte.

Es wird eine sehr interessante Ausstellung geben. Vielleicht haben Sie auch Zeit und Lust, mit Ihren Kindern oder Enkelkindern an der Europa-Rallye teilzunehmen. Sie be­kommen eine Art Wanderpass, einen Europapass, wofür Sie in jeder der Botschaften einen Stempel haben können, und wenn Sie mindestens zehn Botschaften besucht haben, dann können Sie auch an einer Verlosung teilnehmen. – Ich gebe dem Herrn Präsidenten hier auch einige gedruckte Exemplare; wer sich dafür interessiert, bitte ich, das dann anzunehmen. (Der Redner überreicht Präsident Gruber einige Schriftstücke.)

Herr Professor Konecny hat vom Friedensprojekt Europa gesprochen und, wenn ich das richtig verstanden habe, doch etwas beklagt, dass das eine etwas, wie soll ich sagen, überholte Sichtweise ist. Ich teile diese Meinung nicht. Ich glaube, dass das Friedensprojekt Europa nicht obsolet, sondern heute aktueller denn je ist, wenn auch natürlich in einer ganz anderen Art und Weise. Ich glaube, es geht darum: Es muss dieses Friedensprojekt neu definiert werden und den jungen Leuten neu aufbereitet werden.

Natürlich, wenn ich meiner 23-jährigen Tochter sage, es gibt die Europäische Union, damit es keinen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich mehr gibt, dann wird sie mich mit großen Augen anschauen. Wenn ich ihr aber sage, es muss diese Euro­päische Union geben, es muss diese Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten geben, damit es zum Beispiel keinen Krieg in Bosnien oder in Serbien gibt, da­mit wir Europäer eine Rolle in der Welt spielen, und zwar eine friedenspolitische Rolle, eine entwicklungszusammenarbeitspolitische Rolle, dann wird man das verstehen.

Ich glaube daher, dass wir weiterhin darauf bestehen sollen, dass dieses Europa, diese Europäische Union, ein Friedensprojekt ist und bleibt, wenn sich auch, bedingt durch die aktuellen Ereignisse, natürlich die Bedeutung dieses Ausdruckes verändert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sehr vieles über den Verfassungsver­trag gesagt worden. Die österreichische Position, die übrigens auch in der erwähnten Madrider Konferenz der Ratifikanten vertreten wurde, ist klar: Wir sind der Meinung, dass dieser Vertrag ein guter Vertrag ist. Ich spreche hier natürlich auch im Einklang mit diesem Hohen Haus; der Verfassungsvertrag ist ja mit großer Mehrheit, fast ein­stimmig, vom österreichischen Nationalrat verabschiedet worden. Daher ist es nur selbstverständlich, dass wir der Meinung sind, dass das ein guter Vertrag ist.

Ich bin auch der Meinung, dass man diesen Vertrag nicht aufdröseln kann und soll. Denn wenn man damit beginnt, etwa zu versuchen, das institutionelle Gefüge des Ver­trages neu zu verhandeln, wäre das, glaube ich, wie das Öffnen von Pandoras „Box“.

Herr Professor Konecny! Ich stimme auch nicht ganz mit Ihnen überein, wenn Sie sa­gen: Das ist sozusagen die Stunde null, was das soziale Europa betrifft, und wir begin-


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nen jetzt von neuem. – Dieser Vertrag und sehr viele Akte, Sekundär- und Primärakte der Europäischen Union, haben sehr wohl eine sehr ausgeprägte soziale Dimension! Ich erinnere zum Beispiel – das ist für mich eines der signifikantesten Beispiele – an die Dienstleistungsrichtlinie, für die nach einem schwierigen Verhandlungsprozess und auch dank des Europäischen Parlaments gerade diese soziale Komponente sehr wich­tig und sehr entscheidend gewesen ist. Da trägt der Text, der schließlich zustande ge­kommen ist, genau dieser sozialen Dimension auch Rechnung.

Ich gebe Ihnen aber gerne darin Recht – ich weiß nicht, ob Sie aus dem Bericht zitiert haben, aber fast genau so steht es ja im Bericht drin –, dass Österreich selbstverständ­lich bereit ist, auf der Grundlage des Verfassungsvertrages auch für Ideen über Ver­besserungen, insbesondere auch, was die soziale Dimension betrifft, offen zu sein und darüber zu verhandeln. Selbstverständlich kann man jedes Produkt verbessern. Aber ich glaube, an das alte Sprichwort, dass manchmal das Beste der Feind des Guten ist, sollen wir auch denken und sehr vorsichtig sein, wenn wir heute alles in Frage stellen.

Was das Institutionengefüge betrifft, was insbesondere den ersten Teil des Vertrages betrifft, so bin ich ganz der hier geäußerten Meinung, dass es selbstverständlich ers­tens schwierig wäre, das neu zu verhandeln, und dass sich zweitens ein Vertrag nicht darauf beschränken kann, nur institutionelle Fragen zu lösen. Das ist auch der Grund, warum wir zum Beispiel die Idee von Sarkozy über einen Mini-Vertrag grundsätzlich ablehnen.

Herr Bundesrat Schennach! Sie haben sich ausführlich mit der österreichischen Ent­wicklungszusammenarbeit und mit dem Dreijahresprogramm beschäftigt. Es ist rich­tig – das ist ja nicht zu leugnen –, dass die 0,52 Prozent des Jahres 2005 zu einem guten Teil auch erreicht worden sind, weil es eine Reihe von Entschuldungen gegeben hat. Aber ich würde mich dagegen wehren, zu sagen, dass diese Entschuldungsmaß­nahmen Maßnahmen zweiter Ordnung sind. Sie sind vom DAC entsprechend aner­kannt.

Österreich macht das, was alle Staaten machen, was sie völlig zu Recht machen, und ich glaube, wir sollten uns da auch gar nicht verstecken. Wenn Sie – ich bin sicher, dass Sie das getan haben – den DAC-Bericht über das Jahr 2005 gelesen haben, dann sehen Sie, dass insgesamt die Erhöhung in der Entwicklungszusammenarbeit der OECD-Mitgliedstaaten zu einem guten Teil darauf zurückzuführen ist, dass es Ent­schuldungsmaßnahmen gegeben hat.

Wir bekennen uns aber – und wir betrachten das auch als völkerrechtliche Verpflich­tung – zu den Millenniumszielen und zu den Zielen, die die Europäische Union ange­nommen hat. Es wird bis zum Jahr 2010 eine Erhöhung auf 0,51 Prozent geben, und es wird bis zum Jahr 2015 eine Erhöhung auf 0,7 Prozent geben müssen: Da werden die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Über das Budget kann man ja, bevor es dem Hohen Haus übermittelt wurde, noch nicht im Detail sprechen, und es ist auch nicht vernünftig, dies zu tun, bevor das Parla­ment es nicht sozusagen offiziell erhalten hat. Aber es werden hier schon erste Anzei­chen dafür erkennbar sein, dass man diesen Weg gehen wird. Im Übrigen ist im Zuge der Budgetverhandlungen vom Finanzminister eine Arbeitsgruppe – gemeinsam mit dem Finanzministerium, mit dem Außenministerium, mit dem Bundeskanzleramt – ein­gerichtet worden, um einen Budgetpfad zur Erreichung der Millenniumsziele und der Ziele der Europäischen Union aufzuzeigen. Diese Arbeitsgruppe soll möglichst schnell, noch im ersten Halbjahr dieses Jahres, einen entsprechenden Plan vorlegen.

Herr Bundesrat Schennach! Sie haben auch die Kohärenz und Effizienz angesprochen. Mit einem gewissen Stolz können wir, glaube ich, darauf hinweisen, dass es während


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der österreichischen Präsidentschaft war, dass ein sehr grundlegender und lange um­strittener Beschluss zur Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit der Europäi­schen Union angenommen worden ist. Selbstverständlich gibt es dieses Kohärenzge­bot auch im österreichischen Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, und ich sehe es auch als meine Aufgabe und als Aufgabe des Außenministeriums an – das ja im Ent­wicklungszusammenarbeitsgesetz dafür verantwortlich ist –, in der Bundesregierung darauf zu achten und zu schauen, dass die Maßnahmen und die Aktionen anderer Ressorts im Einklang mit diesem Kohärenzgebot stehen. Und selbstverständlich – ich kann und will jetzt nicht in alle Details eingehen – liegt uns sehr daran, dass die effi­ziente Mitteleinsetzung eine absolute Priorität bleibt.

Sie haben auch die Schwarzmeer-Region erwähnt, und im Zusammenhang damit die von Österreich immer wieder sehr ins Spiel gebrachte Frage der Donau als europäi­scher Strom, der die Völker verbindet, angesprochen. Die Donau hat über Jahrhun­derte Völker sehr oft entzweit, jetzt ist sie fast ein Binnenstrom der Europäischen Union geworden; sie wird es in einigen Jahren vielleicht auch werden. Daher glauben wir, wenn wir über die Schwarzmeer-Region sprechen, dann müssen wir auch verstärkt über eine Donau-Kooperation sprechen.

Eines der wichtigen Projekte in diesem Zusammenhang, Herr Bundesrat, ist ein Um­weltverbund, ein Umweltnetzwerk vom Ursprung bis zur Mündung der Donau ins Schwarze Meer. Von Österreich wird die Donau-Kooperation besonders gefördert; es gibt ja dieses Donau-Kooperationsprojekt, zu dem am 24. April, wie Sie wissen, die nächste ministerielle Konferenz in Belgrad stattfinden wird. Da werden Umweltthemen ganz besonders auf der Tagesordnung stehen, und es bietet sich auch eine Möglich­keit an, zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Nicht-Mitglied­staaten der Europäischen Union zusammenzuarbeiten. Denn die Umwelt ist ja keine Frage der Europäischen Union, und die Frage der Reinhaltung der Donau und der Um­welt entlang der Donau bis zum Mündungsgebiet ist eine Frage, die alle Anrainerstaa­ten angeht.

Herr Bundesrat Kampl! Sie haben ein sehr wichtiges Thema angesprochen, und darauf möchte ich auch kurz eingehen: die Frage der Kommunikation. Da geht es nicht dar­um, dass man die Europäische Union sozusagen verkauft, sondern es geht darum, den Menschen verständlich zu machen, was Europäische Union heißt, vor allem für die jun­gen Menschen, und wie das Leben beeinflusst wäre, wenn es diese Europäische Uni­on nicht gäbe.

Es war heute – ich empfehle sehr, das zu lesen, aber vielleicht haben Sie es ohnehin gelesen – ein sehr guter Kommentar von Doris Kraus, glaube ich, in der „Presse“, die zu der Frage „Wollen Sie aus der Europäischen Union austreten?“ – und es sind im­merhin 25 Prozent dieser Meinung – sehr richtig geschrieben hat: Das ist natürlich die völlig falsche Frage; die Frage ist nicht „Wollen Sie aus der Europäischen Union aus­treten?“, die richtige Frage wäre: Wollen Sie den Preis dafür bezahlen, wenn wir heute nicht bei der Europäischen Union wären? Wollen Sie wieder Zölle einführen? Wollen Sie wieder Grenzkontrollen einführen und alles das, was damit verbunden ist? – Dann wären, davon bin ich überzeugt, bei weitem nicht 25 Prozent, sondern wesentlich weni­ger der Meinung, wir sollten aus der Europäischen Union austreten.

Im Übrigen sind die Umfragen gar nicht so schlecht, wie man uns immer wieder glau­ben macht! Es gibt ein hohes Bedürfnis nach Information über die Europäische Union. Natürlich gibt es Kritik, die soll es ja auch geben, und diese Kritik wollen wir, die Bun­desregierung, das Außenministerium, im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern be­sprechen. Gemeinsam wollen wir lernen; „Europa hört zu“ war, wenn Sie sich erinnern, auch das Motto der österreichischen Präsidentschaft. Wir hören immer noch zu, wir wollen aber auch andere von der Richtigkeit dieses europäischen Weges überzeugen.


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Daher gibt es eine Reihe von Überlegungen – ich beschäftige mich auch persönlich sehr damit –, wie wir dieses Projekt Europa näher an vor allem die junge Leute heran­bringen können. Eine Maßnahme, die wir jetzt durchführen wollen, ist, im Rahmen der Wien-Besuche Schülern und Schülerinnen aus den Bundesländern auch anzubieten, ins Außenministerium zu kommen und dort über Europa und die Europäische Union zu sprechen. Auch eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen wollen wir hier setzen, weil das einfach wichtig ist.

Herr Bundesrat Kritzinger! Ich bedanke mich sehr herzlich dafür, dass Sie finden, dass das ein guter Bericht ist. Ich habe schon gesagt, darüber freuen wir uns selbstver­ständlich. Es sind viele Autorinnen und Autoren, die daran gearbeitet haben, und ich bin davon überzeugt, das tut ihnen wohl.

Es ist sehr viel über Regionalpolitik gesprochen worden; Herr Professor Konecny, Sie haben das geradezu in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen gestellt. Es würde jetzt wirklich zu weit führen – wir könnten einmal ein Seminar darüber abhalten –, lassen Sie mich aber sagen, was ich grundsätzlich glaube. Bei allen Fehlern, die es gibt – und man könnte wahrscheinlich stundenlang über Bespiele, auch lächerliche, berichten –, halte ich diese Art des Ansatzes für Förderungen grundsätzlich für richtig.

Ich glaube, es wäre unrealistisch, zu denken, dass man ein System hätte einführen können, in dem die reichsten Staaten sozusagen gar nichts bekommen, aber andere Staaten schon etwas bekommen. Hier muss es einen Ausgleich geben, und der von Ihnen eingangs sehr lobend erwähnte Ausgleich zwischen den Mitgliedstaaten findet ja über diese Förderungen statt. Es ist eben so, dass wir Nettozahler sind und daher vie­les von dem, was wir nach Brüssel geben, in Länder geht, die weniger reich als wir sind. Daher glaube ich auch, dass es durchaus vernünftig ist, wenn man diesen Weg grundsätzlich weitergeht.

Ich bin allerdings – das habe ich auch im Europäischen Parlament schon gesagt – für mehr Transparenz, auch für eine engere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden oder nationalen Stellen und den Brüssler Stellen, obwohl das an sich ohne­hin passiert. Aber grundsätzlich würde ich dieses System nicht in Frage stellen wollen.

In dem Zusammenhang – Sie haben das nicht erwähnt, aber ich möchte es jetzt er­wähnen – ist natürlich die Frage der Eigenmittel von höchster Bedeutung. Ich erinnere daran, dass der ehemalige Bundeskanzler Schüssel gerade in dieser Frage auf euro­päischer Ebene besonders aktiv war und eine massive Erhöhung der Eigenmittel der Europäischen Union vorgeschlagen hat, in welcher Form auch immer, sei es in Form einer Kerosinsteuer, einer Abgabe auf Finanztransaktionen oder mit einer anderen Me­thode. Aber damit wäre auch das Hickhack der Mitgliedstaaten untereinander über die Verteilung der Mittel leichter.

Herr Bundesrat Ager! Sie haben eigentlich ein wunderschönes Schlusswort zur Ent­wicklungszusammenarbeit gesprochen: Im Mittelpunkt steht der Mensch, es ist eine moralische Verpflichtung. Mehr kann man zur Entwicklungszusammenarbeit eigentlich nicht sagen; das ist ja genau das, was die Entwicklungszusammenarbeit, auch die ös­terreichische Entwicklungszusammenarbeit, versucht. Danke, dass Sie das so sehen! Ich glaube, wir alle sehen das so.

Herr Präsident! Lassen Sie mich zum Abschluss sehr herzlich danken. Ich muss Ihnen sagen – ich habe doch schon sehr viele europapolitische Debatten erlebt, hier in die­sem Haus, aber auch im Europäischen Parlament, und ich verfolge auch die europa­politischen Debatten in anderen Parlamenten sehr genau –, ich glaube nicht, dass es sehr viele Parlamente in der Europäischen Union gibt, in denen eine so grundsätzlich pro-europäische Stimmung herrscht. Dafür möchte ich mich als der Vertreter des Mi-


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nisteriums, das für Europapolitik verantwortlich ist, sehr herzlich bedanken. (Allgemei­ner Beifall.)

15.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird kein Schlusswort gewünscht.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über das EU-Arbeitsprogramm 2007; Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Bericht betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2006 bis 2008, vorge­legt von der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.10.407. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird (97/A und 26 d.B. sowie 7659/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte um den Bericht.

 


15.10.54

Berichterstatter Karl Bader: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht zum Hochschülerinnen- und Hochschülerschafts­gesetz 1998 und zu der Änderung, die heute zu beschließen ist.

Der Bericht liegt Ihnen auch in schriftlicher Form vor.

Ich stelle den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates im Sinne der Entschei­dung des Ausschusses keinen Einspruch zu erhebe.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


15.11.42

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass wir diese Novelle heute ableh­nen, liegt weniger an ihrem Inhalt, sondern an dem, was sie eben nicht beinhaltet.

Die Novelle, mit der wir uns heute befassen, liegt vor, weil der Verfassungsgerichtshof im Oktober des Jahres 2006 einen Passus aufgehoben hat, für den es einen Ersatz braucht, damit bei den nun kommenden ÖH-Wahlen auch Studierende von Bildungs­einrichtungen mit weniger als 1 000 Studierenden in der Bundesvertretung vertreten


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werden können. Dass sich der Verfassungsgerichtshof aber überhaupt mit diesem Ge­setz befasst hat, geht auf die SPÖ zurück.

Ich glaube, behaupten zu können, dass es der SPÖ nicht so sehr um den jetzt zu än­dernden Passus gegangen ist, sondern eher um andere, grundlegendere Dinge, wie zum Beispiel um die Direktwahl, die im Jahr 2005, bei der letzten HSG-Novelle, abge­schafft wurde. Die SPÖ ist immer für die Wiedereinführung dieser Direktwahl eingetre­ten, zumindest bis zu den Regierungsverhandlungen.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2005 haben wir zur damaligen Novelle eine Dringliche Anfrage gemeinsam mit der SPÖ gehabt. Wenn ich kurz zitieren darf, was Kollege Konecny damals gesagt hat: „Keine Frage, eine durch Direktwahl legitimierte Vertretung hat eine lautere und kräftigere Stimme und sie kann anders auftreten als eine, die nur durch das Votum von Delegiertenvertretern entsteht.“ – Originalton aus dem Jahr 2005!

In derselben Diskussion sagte auch die SPÖ-Bundesrätin Lueger, dass eine Umstel­lung von einem direkten auf ein indirektes Wahlsystem jedenfalls einen „demokratiepo­litischen Rückschritt“ bedeuten würde, wobei ich ihr absolut zustimme. So hat das 2005 geklungen, und noch im November 2006 gab es eine Presseaussendung von Josef Broukal, der sagte: Die SPÖ will die Direktwahl der Bundes-ÖH wieder einführen.

Inzwischen ist die SPÖ in der Regierung, und die Bundesvertretung der Studierenden wird auch in diesem Mai, bei den nächsten ÖH-Wahlen, nicht direkt gewählt werden! Dass es in einer Koalition Kompromisse geben muss, ist mir schon klar, aber warum alle Kompromisse im Bereich Hochschulpolitik, sagen wir einmal, nicht im Sinne der SPÖ ausgegangen sind, das, hoffe ich, tut auch Ihnen weh. Mir tut es jedenfalls weh.

Ein ÖVP-Argument für diese Abschaffung der Direktwahl war damals, dass sich die Studierenden ja viel stärker mit der Ebene vor Ort, mit der Universitätsvertretung identi­fizieren würden. Wie das allerdings ein Argument dafür ist, eine direkte Wahl abzu­schaffen, verstehe ich nicht. Es würde zum Beispiel auch niemand auf die Idee kom­men, zu sagen: Ab sofort werden die Landtage den Nationalrat beschicken, weil sich einfach zum Beispiel die Tirolerinnen und Tiroler mit dem Landtag in Tirol viel mehr identifizieren können als mit dem Nationalrat.

Durch eine direkte Wahl ist eher noch die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass es dann auch zu einer Identifizierung kommt, würde ich behaupten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Studierenden waren sich zumindest – das kann ich aus Erfahrung sagen – sehr bewusst darüber, dass sie verschiedene Ebenen wählen: dass sie eine direkte Vertretung am Institut wählen, dass sie eine universitätsweite Vertretung wählen und dass sie eben auch eine bundesweite Vertretung wählen. Sie haben diese Stimmen, die ihnen da zur Verfügung standen, auch entsprechend und durchaus unterschiedlich eingesetzt.

Dass Hochschulpolitik Bundes- und nicht Länderangelegenheit ist, hat gute Gründe. Solange es bundesweite Gesetze gibt, die Studierende betreffen, sei es im Stipendien­wesen, sei es in der Studienorganisation, braucht es auch eine starke, laute und direkt legitimierte Interessenvertretung.

Die ÖVP hat 2005 die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft novelliert, unter anderem – jetzt in Bezug auf das Wahlsys­tem – mit der Hoffnung, der ihr nahe stehenden Aktionsgemeinschaft eine bessere Ausgangschance für die Wahlen zu verschaffen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist Ihre Mei­nung!) Das hat wahrscheinlich nicht so funktioniert, wie man gehofft hat. Jetzt ist die SPÖ in der Regierung, und eine Direktwahl für die Bundesvertretung gibt es noch im­mer nicht.

Noch etwas war der SPÖ früher sehr wichtig, und es wird trotzdem nicht geändert: Es wird auch in Zukunft kein passives Wahlrecht für ausländische Studierende geben. Die


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ehemalige Ministerin Gehrer hat das in ihrer, nennen wir es so, unvergleichlichen Krea­tivität damals so argumentiert, dass es ohnehin für Studierende aus EU-Ländern ein Wahlrecht gebe. Was das mit den Studierenden aus Nicht-EU-Ländern zu tun hat, wollte sie mir nicht beantworten.

Ich hoffe, dass mir der jetzige Minister vielleicht eine Antwort geben kann, warum das auch diesmal nicht geändert wird und warum auch in Zukunft Studierende aus Nicht-EU-Ländern nicht passiv wahlberechtigt sind. Denn diese Studierenden haben wirklich mit sehr vielen Problemen zu kämpfen, die vielleicht andere Studierende nicht haben. Umso wichtiger wäre es auch, dass sie selbst kandidieren können und dass sie selbst ihre Probleme artikulieren und auch vertreten können. Ich hoffe wirklich, dass es ir­gendeine Erklärung dafür gibt, warum das wieder nicht passiert ist.

Jetzt noch zu einem Detailbereich, der aber für die Arbeit der Studierendenvertreterin­nen und -vertreter doch wichtig ist: Bisher war es so, dass sich durch diese Tätigkeit, wenn man sie gemacht hat, die Anzahl der freien Wahlfachstunden, die man eigentlich in fast jedem Studium absolvieren muss, um ein gewisses Ausmaß reduziert hat. In Zukunft wird aber nicht mehr in Stunden gerechnet, sondern in ECTS-Punkten nach Bologna. Das HSG in der Fassung, wie wir es heute behandeln, spricht aber nicht von ECTS-Punkten, sondern weiterhin von Stunden. Es besteht also die Gefahr, dass die Studierenden für diese Tätigkeiten, die sie ehrenamtlich durchführen, nicht mehr die Stunden reduzieren können. Das erhöht sicher nicht die Motivation, als Studierenden­vertreterin oder -vertreter zu arbeiten!

Ich weiß aus eigener Erfahrung sehr gut, was für einen Zeit- und Energieaufwand es darstellt, sich da zu engagieren. Es ist nicht die finanzielle Entschädigung, die die Men­schen dazu bringt, dass sie das tun, und es wird auch nicht diese Reduzierung von Wahlfachstunden sein, die Menschen dazu bringt, diese ganze Arbeit auf sich zu neh­men. Das sind eben nur kleine Entschädigungen, aber sie sind wichtig, und es ist auch ein symbolischer Ausdruck, dass man das in gewisser Weise doch für wichtig hält und auch zu würdigen weiß, was hier an Arbeit geleistet wird.

Diese Novelle, wie sie heute vorliegt, verbessert weder die Situation der Studierenden­vertreterinnen und -vertreter, noch löst sie die bestehenden Probleme im HSG. Wir werden dem nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

15.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Florianschütz. – Bitte.

 


15.18.24

Bundesrat Peter Florianschütz (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist merkwürdig, wie man mit dersel­ben Unzufriedenheit völlig unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen kann. Die sozi­aldemokratische Fraktion wird diesem Entwurf schon zustimmen. (Bundesrat Schenn­ach: Ja, ja! Zwangsläufig!) Nicht deshalb, weil es jauchzende Begeisterung auslöst, was da drinsteht, sondern weil es einer nicht kleinen Anzahl von Studierenden das Wahlrecht bei den nächsten Hochschülerschaftswahlen im Mai geben wird. Darum geht es uns! Es ist eine Frage der Demokratie, darum werden wir dem zustimmen – und damit unzufrieden sein, Frau Kollegin!

Das ist keine Frage, meine Damen und Herren, wir sind damit unzufrieden! Aber – das ist ja kein Geheimnis – es steht die Eingliederung der Pädagogischen Hochschulen in den Bereich des Hochschülerschaftsgesetzes an. Dann wird man in aller Ruhe über all das, was Sie gesagt haben und was auch uns ein Herzensanliegen ist, reden. (Zwi-


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schenrufe bei der ÖVP.) Nur: Jetzt geht es einmal darum, dass man nicht eine Gruppe von Menschen von der Hochschülerschaftswahl im Mai 2007 ausschließt.

Dass die Direktwahl die bessere Form der konstituierenden Interessensvertretung ist, das ist unsere Auffassung. Die hat sich nicht geändert. Es ist nur so – und das muss man, glaube ich, immer wieder und wieder vortragen –, auch zu meinem großen Be­dauern ist es nicht so, dass es eine 51-prozentige Mehrheit von Mandataren der Sozi­aldemokratischen Partei in dem Haus da drüben gibt. Ganz im Gegenteil, in dem anderen Haus findet sich momentan keine Mehrheit für die Einführung der Direktwahl. (Bundesrätin Konrad: ... hier die Mehrheit!)

Ja, aber dieses Haus ist nicht das entscheidende; das andere ist das entscheidende, das ist der Jammer! Demzufolge wird man sich das im anderen Haus anschauen müs­sen. Das wird dort auch passieren, dazu habe ich Ankündigungen von meinen Freun­den von jenseits des Ganges. Da geht es uns übrigens auch um das passive Auslän­derInnenwahlrecht, das man in dem Fall auf die Agenda setzen muss.

Natürlich geht es da letztendlich nicht nur um die formale Frage. Da geht es auch um die Frage des Umgangs mit einer Studierendenvertretung insgesamt, oder andersrum, es geht um den Umgang mit einer gesetzlichen Interessenvertretung. Derer gibt es ja mehrere.

Ich stelle mir vor, was passieren würde, wenn wir heute festlegen würden, dass seitens des Nationalrates die Apothekerkammer kräftige Veränderungen zu erwarten hätte, ohne dass die Apothekerkammer darüber mitbestimmen könnte. Den Aufschrei würde ich mir anschauen; auf die Idee würde niemand kommen! Das gilt auch für die Notare, die Ärzte und dergleichen mehr. Nur bei den Studenten hat man leider geglaubt, das schon tun zu können.

Herr Bundesminister! In dem Zusammenhang ein Appell: Es ist mir zu Ohren gekom­men – ich glaube mich da nicht zu irren –, dass zu einer interministeriellen Arbeits­gruppe über die Frage, wodurch jetzt eigentlich Studiengebühren ersetzt werden oder nicht, die gesetzliche Interessenvertretung der Studierenden nicht eingeladen worden ist. Wenn dem so ist – was ich mir habe sagen lassen –, würde ich Sie dringend bitten, Herr Bundesminister, die Österreichische HochschülerInnenschaft dort einzuladen. Denn dies ist die gesetzliche Interessenvertretung, und in diesem Land ist es eine gute Gepflogenheit, die gesetzliche Interessenvertretung von 21 Universitäten an diesem Prozess teilhaben zu lassen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Natürlich bleibt die Forderung nach der Abschaffung der Studiengebühren weiter auf­recht. Worüber man in dem Zusammenhang auch wird reden müssen, ist Folgendes: Wir haben nicht nur 21 Universitäten, sondern wir haben auch 40 Standorte für Fach­hochschulen und Fachhochschulstudiengänge, die momentan keine bundesweite Inter­essenvertretung haben. Über diese wird in Zukunft auch zu reden sein. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Mag. Eibinger zu Wort. – Bitte.

 


15.22.27

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Juristin habe ich mir den Hintergrund und das Verfassungsgerichtshofserkenntnis sehr genau angesehen, denn wie wir heute schon gehört haben, ist dem ein Drittelantrag von Nationalratsabge­ordneten vorausgegangen, nämlich von Abgeordneten der damaligen Oppositionspar­tei SPÖ.


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Dieser Antrag zielte darauf ab, dass bestimmte Bestimmungen des Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetzes aufgehoben werden. Die wesentlichen Kritikpunkte damals waren, wie schon ausgeführt, einerseits der Verstoß des indirekten Wahlsys­tems gegen das demokratische Prinzip und den Gleichheitssatz und andererseits die Unsachlichkeit des Bestellmodus.

Die Vorwürfe der Abgeordneten wurden vom Verfassungsgerichtshof sehr ausführlich geprüft. Er hat jedoch die bemängelte Bestimmung weitgehend bestätigt; und zwar hat er konkret sechs von sieben Absätzen als verfassungskonform erklärt und lediglich einen Absatz aufgehoben, diesen allerdings aus formalen Mängeln aufgehoben. Dieser war seiner Meinung nach unzureichend determiniert.

Die Bestimmung, die aufgehoben wurde, betraf die Wahlgemeinschaft der Bildungsein­richtungen mit weniger als 1 000 Studierenden. Diese hatten nämlich, je nach Anzahl der vertretenen Studierenden, eine bestimmte Anzahl an VertreterInnen zu wählen. Weil diese Regelung aber keine Bestimmung darüber enthielt, wie die Wahl zu erfolgen hat – ob sie also nach Mehrheitswahlrecht, nach Verhältniswahlrecht oder gar nach Persönlichkeitswahlrecht zu erfolgen hat –, war dies nicht bestimmt, daher für den Ver­fassungsgerichtshof unzureichend determiniert und aufzuheben.

Durch diese Aufhebung haben die kleinen Bildungseinrichtungen momentan überhaupt keine Vertretung in der Bundesvertretung. Es ist gerade im Hinblick auf die ÖH-Wahlen im Mai – wie es mein Kollege Florianschütz schon ausgeführt hat – besonders wichtig, diese Regelung zu reparieren beziehungsweise neu zu erlassen.

Zu der Kritik von Frau Kollegin Konrad, dass dieses indirekte Wahlrecht undemokra­tisch sein soll, kann ich nur auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs verwei­sen. Dieser sieht das nicht so, und er verweist auf den Gestaltungsspielraum des Ge­setzgebers. Ich denke, dass Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs in Österreich – außer vielleicht vereinzelt in Kärnten – durchaus große Akzeptanz finden. (Demonstra­tiver Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP.)

Im Übrigen sind auch die österreichischen Interessenvertretungen Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer genauso mit indirektem Wahlrecht organisiert. Dass die österrei­chische Sozialpartnerschaft eine gut funktionierende ist, ist, denke ich, ebenfalls unbe­stritten. Meiner Meinung nach kann man dies sehr wohl vergleichen, und das traue ich mich zu sagen, da ich selbst studiert habe und momentan in einer Interessenvertre­tung, nämlich bei der Jungen Wirtschaft, aktiv bin.

Ich kann sehr gut verstehen, dass eine Novellierung des Hochschülerinnen- und Hoch­schülerschaftsgesetzes gewünscht wird, auch von den Kollegen. Vielleicht kann der Herr Bundesminister noch näher ausführen, ob hier in Zukunft etwas kommen wird. Doch bis zu den Wahlen der Hochschülerschaft im Mai ist der Zeitraum dafür einfach zu kurz gewesen.

Wenn also die kleinen Bildungseinrichtungen mit weniger als 1 000 Studierenden ver­treten sein und auch bei der kommenden ÖH-Wahl im Mai die Möglichkeit haben sollen, indirekt an der Wahl zur Bundesvertretung teilzunehmen, dann darf man heute gegen diese Reparaturbestimmung keinen Einspruch erheben, denn das wäre dann undemokratisch. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Hahn. – Bitte.

 


15.26.36

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Herr Präsi­dent! Meine Damen und Herren! Kollegin Eibinger hat es eigentlich schon in einem


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 106

Punkt zusammengefasst: Es geht hier um eine Reparatur, und wir waren gezwungen – um den ganzen parlamentarischen Prozess so zu gestalten, dass das noch für die ÖH-Wahl von 23. bis 25. Mai wirksam wird –, dies seinerzeit mit einem Initiativantrag einzu­bringen. Es geschieht bekanntlich nicht immer zur Freude der Abgeordneten, wenn etwas sozusagen ho ruck eingespeist wird, wenn keine lange Begutachtung und keine öffentliche Diskussion stattfinden kann. Aber es war eben notwendig, das so durchzu­führen, damit es noch für diese ÖH-Wahl wirksam wird. Daher erfolgt hier – nur, sage ich – die Reparatur im Rahmen dessen, was uns der Verfassungsgerichtshof vorgege­ben hat.

Es ist aber so, dass wir dieses Jahr ohnedies noch einmal – wenn ich das so salopp formulieren darf – das Hochschülerschaftsgesetz in die Hand nehmen müssen, weil es darum geht, aus Anlass der Überführung der Pädagogischen Akademien in die Päda­gogischen Hochschulen auch eine Situation zu regeln, die sich ergeben würde: dass jene, die in Zukunft Pädagogische Hochschulen zur Aus- und Weiterbildung besuchen, nämlich Lehrerinnen und Lehrer, eigentlich den ÖH-Beitrag zahlen müssten, auch wenn sie nur ein Seminar über das Wochenende besuchen.

Da sind wir auch mit der ÖH eines Sinnes, dass das so gelöst gehört, dass eben an der Pädagogischen Hochschule in Hinkunft nur jene den ÖH-Beitrag entrichten, die dort das Grundstudium ausüben, und nicht diejenigen, die die Pädagogischen Hoch­schulen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung besuchen. Aus diesem Grund werden wir ohnedies noch sehr ausführliche Debatten zu all den von Ihnen angesprochenen Fragen haben.

Nur ein Wort zu Kollegem Florianschütz: Ehrlich gesagt, Ihre Anmerkung oder Ihr Hin­weis wegen der Mitwirkung der ÖH an einer interministeriellen Arbeitsgruppe beant­wortet sich ohnedies von selbst: Es ist eine interministerielle Arbeitsgruppe zwischen den Ministerien. Wenn da ein Ergebnis vorliegt, gibt es das Gespräch mit der ÖH. By the way, sie sind eigentlich über den laufenden Diskussionsprozess informiert. Wenn es zur Umsetzung kommt – und es wird zur Umsetzung kommen –, dann brauchen wir die Hochschülerschaft, weil sie aus meiner Warte diese Umsetzung sehr wesentlich mittragen sollte. Ich denke also, da gibt es hinreichenden informellen Informationsfluss und zu gegebenem Zeitpunkt auch die ganz offizielle Einbindung.

Ansonsten darf ich nochmals um Unterstützung für die vorliegende Novellierung ersu­chen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

15.30.008. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Hochwasseropferentschädi-


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gungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2005 geändert werden (25 d.B. und 34 d.B. so­wie 7657/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Todt. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. März 2007 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


15.30.55

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der heute vorliegenden Gesetzesände­rung geht es erstens um die Änderung des Katastrophenfondsgesetzes. Dies wurde notwendig, da durch die lang anhaltende Dürre und die anschließend lang anhaltenden starken Regenfälle, genauso wie im Jahr 2005, auch im letzten Jahr ein erhebliches Ausmaß an Grünland und vielen anderen Futterflächen geschädigt worden war und es daher zu Ernteausfällen gekommen war.

Im Vorjahr gab es schon eine Unterstützung in der Höhe von 1,5 Millionen €, und von dieser Summe wurden nur 0,25 Millionen € ausgeschöpft; das haben wir im Ausschuss erfahren. Mit dieser Änderung des Gesetzes kann die vorher erwähnte Unterstützung auch weiterhin gewährt werden. Der verbleibende Rest von zirka 1,25 Millionen € steht somit für den Zukauf verschiedener Futtermittel zur Verfügung. Mit der Änderung die­ses Gesetzes kann diese Unterstützung auch weiterhin gewährt werden.

Zweitens geht es um die Änderung des Hochwasseropferentschädigungs- und Wieder­aufbau-Gesetzes. Da noch immer Verfahren über die Zuerkennung von Leistungen auf Grund der Hochwasserschäden von 2005 und 2006 anhängig sind, kann es durch die Änderung des Gesetzes auch 2007 zu Auszahlungen kommen.

Wie wir alle wissen, haben im heurigen Jahr die Jännerstürme in vielen Regionen un­seres Landes erhebliche Schäden angerichtet und unübersehbare Spuren der Verwüs­tung hinterlassen. Durch die vorgeschlagene Änderung des Gesetzes ist auch diese Bedeckung 2007 möglich.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn wir uns die Bilder der Verwüstung noch einmal in Erinnerung rufen, ist es, glaube ich, unsere Pflicht, zu helfen und den Ände­rungen auf Grund der Gesetzesvorlagen zuzustimmen. Meine Fraktion wird das auch selbstverständlich tun.

Meine geschätzten Damen und Herren! Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit, einen herzlichen Dank an die vielen tausend freiwilligen Helfer auszusprechen, die immer wieder bereit sind, ihr persönliches Engagement einzubringen, und sofort bereit sind, zu helfen, wenn Naturkatastrophen ein Bild der Verwüstung hinterlassen. Ohne die ra­sche Hilfe der Freiwilligen und ihren unermüdlichen Einsatz wäre eine Bewältigung der aufgetretenen Schäden sicher nicht möglich. Ich glaube, da gebührt wirklich ein herz­liches Dankeschön!

Leider muss man auch bei dieser Gelegenheit einen Punkt feststellen. Es wird in vielen Gemeinden immer schwieriger, bei den freiwilligen Mannschaften im Bereich der


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Feuerwehren genügend Leute zu haben, wenn es zu einem Einsatz kommen soll oder muss. Viele Bürgermeister haben schon die Sorge, für diese notwendigen Einsätze keine schlagkräftige Wehr mehr zu haben.

Ich möchte aber darauf hinweisen – darauf bin ich als Oberösterreicher stolz, und ich möchte dies hier positiv erwähnen –, dass das Land Oberösterreich auf Antrag der sozialdemokratischen Landtagsfraktion ein neues Gesetz beschlossen hat. In diesem neuen Katastrophenschutzgesetz stärkt Oberösterreich seine moderne Sicherheitsar­chitektur.

Denn das bisher gültige Katastrophenhilfsdienstgesetz stammt schon aus dem Jahr 1955, und im Laufe der Jahre haben sich aus den Erfahrungen bei einzelnen Ein­sätzen, vor allem aber bei Großkatastrophen, viele bewährte Regelungen und Vorge­hensweisen zum Gewohnheitsrecht entwickelt und eingespielt. Im Ernstfall bietet das aber für die Einsatzkräfte und insbesondere auch für die Einsatzleiter keinen verläss­lichen Rückhalt mehr, weil für einzelne Befugnisse die gesetzliche Grundlage gefehlt hat.

Das neue Gesetz, das in Oberösterreich beschlossen wurde, stärkt in kritischen Ein­satzsituationen den Helfern den Rücken. Die Entschädigungsregelung bei lang andau­ernden Einsätzen unterstützt das Ehrenamt, weil künftig die Helfer leichter von den Be­trieben für den Einsatz freigestellt werden können und weiter entlohnt werden.

Geschätzte Damen und Herren! Trotzdem wird es in Zukunft sicher auch notwendig sein, zusätzliche Mittel aufzuwenden und gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Problematik, die wir alle nicht unterschätzen dürfen, behoben werden kann.

Zum Schluss möchte ich noch einen heiklen Punkt ansprechen, der mir auch in meiner Funktion als Gemeindevertreter und Kommunalpolitiker sehr oft sauer aufstößt, näm­lich dann, wenn man Bilder von Überschwemmungsgebieten sieht und es im Gefahren­bereich dieser Überschwemmungsgebiete trotzdem noch immer möglich ist, dass dort neue Häuser errichtet werden. Es kann, glaube ich, wirklich nicht sein, dass es in den so genannten roten Zonen immer noch möglich ist, Neubauten zu errichten, die letzt­endlich gerade zu diesen Schäden und zu diesen menschlichen Katastrophen führen.

Ich glaube, da müssen wir wirklich darauf achten, dass wir vielleicht das Gegenteil ma­chen, gerade als Kommunalpolitiker: dass wir Häuser aus solchen Zonen eher absie­deln und irgendwo anders die Möglichkeit zum Neubau bieten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


15.37.31

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stadler hat bereits ausgeführt, worum es bei dieser Gesetzesvorlage geht. Wir sind an und für sich froh, dass dieses Gesetz quasi verlängert wird, dass nach wie vor 80 Millionen € für Katastrophenfälle über diese Gesetzesvorlage zur Verfügung gestellt werden und dass vor allem Schäden, die noch nicht bearbeitet wurden, mit dieser Gesetzesvorlage entsprechend abgegolten werden können.

Aus Vorarlberger Sicht begrüßen wir dieses Gesetz sehr und dürfen auch mit Stolz an­merken, dass unser Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber dafür verantwortlich ist, dass dieser Katastrophenfonds vor zirka neun Jahren nicht das Zeitliche gesegnet hat, sondern dass man diesen Katastrophenfonds erhalten hat. Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, sind viele, viele Mittel zur Wiedergutmachung von Katastrophen-


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schäden aus diesem Katastrophenfonds geflossen. Auch wir Vorarlberger haben im Jahre 2005 sehr stark davon profitiert, wofür wir uns nochmals sehr herzlich bedanken möchten.

Es ist auch wichtig und richtig, dass in diesem Katastrophenfonds in Hinkunft 29 Millio­nen € verbleiben werden, neben dieser Gesetzesvorlage, und dass so dieser Katastro­phenfonds nach wie vor entsprechend dotiert wird.

Um auf die Schäden zurückzukommen, die in Vorarlberg entstanden sind: Ich habe das auch persönlich erlebt und habe mir ein persönliches Bild davon gemacht. Es wa­ren dramatische Situationen, auch Tote waren zu beklagen. Neben all dem persön­lichen Leid, das die Menschen erfahren mussten, kann man das wirkliche Ausmaß ein­fach auch nicht benennen. Wir gelten es mit Geld ab, aber hier hat man es wirklich mit anderen Dimensionen zu tun.

Vielleicht ein Beispiel: In einer Nachbargemeinde von Feldkirch wurde ein Gebiet mit 17 Wohnobjekten in den letzten fünf Jahren drei Mal überschwemmt. Jetzt hat sich die Landesregierung dazu entschlossen, dieses Gebiet abzulösen und den Leuten eine entsprechende Entschädigung auszuzahlen, weit über die 50-prozentige Regelung, die sonst im Katastrophenfonds gilt, hinaus. Wir haben für 17 Wohnobjekte insgesamt 4,7 Millionen € aufgewendet.

Natürlich war diese Ablöse nicht einfach, weil persönliche Schicksale damit verbunden sind. Die Leute haben mit viel Fleiß, mit viel Handarbeit in Tausenden Stunden nach typisch alemannischer, Vorarlberger Hüslibauer-Mentalität – wie man so sagt – diese Objekte errichtet. Da kann man ermessen, wie schwierig es auch war, mit diesen Men­schen gute Verhandlungen zu führen, um sie dazu zu bewegen, aus diesem gefährde­ten Gebiet, aus diesen gefährdeten Zonen abzusiedeln. Wie gesagt, insgesamt 4,7 Mil­lionen € hat das Land Vorarlberg hierfür aufgewendet. Ich denke, eine besondere Si­tuation bedarf auch besonderer Mittel und besonderer Berücksichtigung.

Kollege Stadler hat das ebenfalls schon ausgeführt; das ist für mich auch eine zielge­richtete Maßnahme, wenn es um Raumordnung geht, wenn man nach wie vor daran denkt, in so genannten roten Zonen, in Überschwemmungsgebieten, in gefährdeten Gebieten zu bauen, dass man hier auch ein raumplanerisches Gewissen an den Tag legen muss und ganz klar und dezidiert über die Gemeinden, über das Land einwirken muss, dass es nicht mehr zu derartigen Verbauungen kommen kann. Mir ist schon be­wusst, dass das Probleme in einem Gemeinwesen, in einem Gemeindegebiet machen kann, aber da muss man einfach an das raumplanerische Gewissen der Gemeindever­tretungen und der Landesregierungen appellieren und an diese herantreten.

Ich möchte zu diesem Ereignis noch ein paar Zahlen nennen, um einfach aus Vorarl­berger Sicht zu verdeutlichen, was dieses hundertjährige Hochwasserereignis, wie man es gerne bezeichnet, vom 22. und 23. August bedeutet hat. Vorarlberg hat insge­samt 178,2 Millionen € an Schäden gehabt: an Infrastruktur 55 Millionen, an Schutz­wasserbauten 24,2 Millionen und an weiteren Sektoren und Anlagen – das sind öffent­liche und private Gebäude, das sind Vermurungen, Verschlammungen im öffentlichen Bereich – 99 Millionen €. Insgesamt gab es 1 698 Hilfeansuchen in diesem kleinen Land Vorarlberg: 642 private Haushalte, 131 Firmen; und von 96 Gemeinden waren 77 von dieser Katastrophe betroffen – eine unglaubliche Zahl!

Noch eine Erinnerung aus dem Bereich der Infrastruktur: Die Bahnstrecke von Bludenz nach Landeck war mehr als dreieinhalb Monate überhaupt nicht passierbar. Nur durch einen vermehrten Einsatz von vielen Baufirmen war es möglich, diese Strecke in dieser Zeit wieder zu sanieren und zu reparieren.


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Ich darf aus dem Bericht des Landes Vorarlberg, den der Landeshauptmann hat er­stellen lassen, kurz zitieren und daran auch die besondere Situation nochmals dar­stellen: „Die Landeswarnzentrale koordinierte in der Katastrophenwoche 166 000 Ein­satzstunden von 7 000 beteiligten Personen bei knapp 2 600 Einsätzen. Allein bei den Feuerwehren leisteten 5 000 Personen über 60 000 Einsatzstunden.“ Jetzt noch zum Bundesheer, das sich selbstverständlich auch an diesen Aufräumarbeiten, an diesen Sanierungsarbeiten beteiligt hatte: 965 Soldaten leisteten 88 000 Stunden Assistenz­einsatz. – Besondere Zahlen für eine besondere Situation!

Ich möchte mich deshalb auch – wie bereits Kollege Stadler – bei allen freiwilligen Hel­fern nochmals bedanken, bei allen Rettungs- und Hilfsorganisationen, insbesondere natürlich bei den Feuerwehren, die wirklich eine großartige Leistung, einen großartigen Einsatz zum Wohle unserer Bevölkerung erbracht haben. Auch die Behörden, die involviert waren, haben rasch und effizient gearbeitet – eine besondere Situation!

Ich möchte noch kurz darauf zu sprechen kommen, dass das Land Vorarlberg zu die­sem Katastrophenfondsgesetz Einwendungen gemacht hat. Wir haben gefordert, dass die Katastrophenmittel auch für Schäden eingesetzt werden sollten, die an jenen Stra­ßen, die vom Bund mit 1. April 2002 an die Länder übertragen wurden – also den frü­heren Bundesstraßen B –, nach dem 1. Jänner 2005 entstanden sind. Das ist in die­sem Gesetz nicht geschehen. Ich möchte das aus Vorarlberger Sicht noch einmal mit entsprechendem Nachdruck einfordern.

Außerdem erachten wir auch – das ist ebenfalls ein wichtiger Punkt – die Einrichtung von zentralen Beschwerdekommissionen nicht für zielführend, weil für Fälle der Un­gleichbehandlung die Zivilgerichte zuständig sind. Ich möchte das aus Vorarlberger Sicht noch einmal betonen: Jedenfalls ist bei uns im Land Vorarlberg kein Fall bekannt, der an diese Beschwerdekommissionen heranzutragen wäre.

Das aus Vorarlberger Sicht. – Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär. (Allgemeiner Beifall.)

15.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.45.30

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegenden Gesetzesänderung werden wir zustimmen. Es geht um kleine Änderungen im Kata­strophenfondsgesetz, um Unterstützungsmöglichkeiten zu eröffnen, die Fälle aus den Jahren 2005 und 2006 betreffen. Das ist prinzipiell okay.

Was wir allerdings zusätzlich noch gerne hätten und was ich hiermit anregen möchte, ist, dass man sich die gesamte Gesetzgebung zum Katastrophenfonds und zum Hoch­wasserschutzfonds einmal überlegt und nachdenkt, ob man es nicht besser organisie­ren könnte.

Der Katastrophenfonds wurde 1966 eingerichtet und 1996 überarbeitet, und seither gilt im Prinzip immer dasselbe System. Es wird ein Teil von bestimmten Steuern – Einkom­men-, Lohn-, Kapitalertrags- und Körperschaftsteuer – einbehalten, um einen Fonds zu speisen, dessen Mittel dann ausgegeben werden, wenn es Katastrophenschäden gibt. Wenn die Mittel nicht ausgegeben werden, dann können maximal 29 Millionen einer Rücklage zugeführt werden, und diese können später ausgegeben werden.

Alles prinzipiell ganz gut und schön, nur denke ich, dass man auch berücksichtigen muss, dass sich das Ausmaß von Katastrophen ändert, dass sich die Häufung der


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Katastrophen ändert und dass wir künftig für diese Dinge einfach mehr Geld werden ausgeben müssen.

Es wurde zu Beginn des Jahres von der EU-Kommission eine Studie vorgelegt, die PESETA-Studie, die die Hochwassersituation im Donauraum, zum Beispiel in Nieder­österreich, untersucht. Die sollte man sich ganz genau anschauen! Denn da steht drin: Wenn nicht umfassende Vorkehrungen getroffen werden, dann werden die Schäden in den nächsten Jahren massiv zunehmen.

Es wird unter anderem auch auf unsere jetzige Zugangsweise hingewiesen, nämlich zu sagen: Es gibt ein hundertjähriges Hochwasser, und dieses hundertjährige Hochwas­ser ist für uns die Grenze; bis dahin darf man bauen oder darf man nicht bauen. Dass es aber in Zukunft dieses hundertjährige Hochwasser eben nicht alle hundert Jahre, sondern öfter geben wird, beziehungsweise dass ein hundertjähriges Hochwasser in Zukunft wahrscheinlich ganz anders aussehen wird, das wird bei uns in Österreich lei­der noch nicht berücksichtigt.

Ich möchte weiters auf eine andere Studie hinweisen, und zwar auf eine Studie des Joanneums, die 2005 durchgeführt wurde und in der es in erster Linie um diesen Kata­strophenfonds geht. In dieser Studie wird dazu angeregt, erstens die Finanzierung von regelmäßigen Präventionsmaßnahmen und die Finanzierung von Katastrophenbewäl­tigungsmaßnahmen zu trennen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, und die sollte man auch auseinanderhalten.

Weiters wird dazu angeregt, dass man die Steuerfinanzierung, die derzeit quasi eine Pflichtversicherung ist, umstellt und anpasst, indem nicht jeder Österreicher gleich viel zahlt, sondern dass das wie bei einem Versicherungsvertrag angepasst wird an die zu versichernde Fläche, die von einer Katastrophe betroffen sein kann. Es gibt auch ein Beispiel aus Spanien, in dem das so gemacht wird.

Ferner wird dazu angeregt, dass die Eigenvorsorge unterstützt wird, die theoretisch jeder Einzelne treffen könnte, die aber in Österreich leider zu wenige Menschen treffen. Derzeit ist es so: Wenn ich mich selbst versichere, dann wird das, was ich von der Ver­sicherung bekomme, wenn ich einen Schaden habe, abgezogen von dem, was ich aus dem Katastrophenfonds erhalte. Sprich: Jeder ist selbst schuld, wenn er sich versi­chert. Dem wäre auch etwas entgegenzuhalten.

Ein vierter Punkt wäre: Die Unterstützung von Privatschäden bei Naturkatastrophen ist Ländersache, jedes Land behandelt diese Unterstützung verschieden. So werden zum Beispiel bei einem Gebäudeschaden in der Höhe von 19 000 € in Salzburg 10 130 € ersetzt, in Kärnten nur 4 500 €. Worin das begründet sein könnte, steht in den Sternen. Ich denke, es wäre wirklich darüber nachzudenken, dies österreichweit auf gleichem Level zu halten.

Es ist in Österreich überhaupt ein Problem mit den verschiedenen Ebenen. Auch bei den Präventionsprojekten, sprich Rückbaumaßnahmen et cetera, gibt es verschiedens­te Ministerien, die damit beschäftigt sind. Auf der einen Seite gibt es das Umweltminis­terium, auf der anderen Seite das Verkehrsministerium; die schiffbaren Flüsse fallen zum Verkehrsministerium, die anderen muss das Umweltministerium behandeln.

Zusätzlich kommen dann noch die Länder dazu, die teilweise auch Einfluss auf die Gewässer haben und teilweise natürlich auch betroffen sind, weil sie ja die Raumord­nungsrichtlinien schaffen, die verhindern sollten, dass große Schäden entstehen, in­dem einfach dort nicht mehr gebaut wird, wo nicht mehr gebaut werden sollte.

Diese Trennung in verschiedene Ebenen führt manchmal sogar so weit, dass einzelne Gewässer halb zum Land und halb zum Bund zählen und dass dann verschiedene Hochwasser-Level am Anfang und am Ende gelten. Das sollte endlich bereinigt wer-


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den, und es wäre eigentlich dringend zu bereinigen, wenn man bedenkt, was noch auf uns zukommt! Ich denke, es wäre jetzt wirklich an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wer für solche Dinge in welcher Form und in welchem Ausmaß zuständig ist.

Ein fünfter Punkt, den das Joanneum noch kritisiert – und der Kritik kann ich mich an­schließen –, betrifft die Abschöpfung von nicht in Anspruch genommenen Mitteln. Wie weit es Sinn macht, dass man sagt: die Rücklage ist auf 29 Millionen € beschränkt, und was nicht ausgeschöpft wird und darüber hinausgeht, das wird irgendwann wieder ins Finanzministerium umgeleitet – zwei Jahre später gibt es eine Katastrophe, und wir müssen dem Fonds wieder neue Millionen zuordnen –, das sei dahingestellt. Ich den­ke, das wäre eine relativ schnell umzusetzende Angelegenheit, wenn man von der derzeitigen Praxis abweicht und die Mittel, die jährlich in den Katastrophenfonds hin­einkommen, auch im Katastrophenfonds belässt.

Das alles sind Anregungen, wie man es besser machen könnte. Die heutige Änderung ist jetzt einmal notwendig, um diese Altlasten, diese Schäden aus den Jahren 2005 und 2006, abzuhandeln. Dieser heutigen Änderung werden wir selbstverständlich zu­stimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Seitner zu Wort. – Bitte.

 


15.52.23

Bundesrätin Renate Seitner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Geschätzte Damen und Herren! Diesem Gesetz werden wir natürlich zustimmen.

Es ist schon sehr vieles von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt worden, vieles davon kann ich unterstreichen. Da ich selbst als Niederösterreicherin aus der Wachau komme und zwar nicht 2005, aber 2002 von den Hochwasser-Fällen massivst betroffen und auch in einer Schadenskommission tätig war, weiß ich, wie groß das Leid ist, das die Menschen trifft. Wenn man solche Naturkatastrophen, die sich aus ver­schiedensten Gründen so entwickeln und die vor allem in immer kürzeren Abständen öfter vorkommen, selbst erlebt und sieht, weiß man, dass die finanziellen Mittel nur ein kleines Trostpflaster sein können.

Es ist trotzdem sehr wichtig, dass wir heute dieses Gesetz beschließen, denn wie ich bei Erkundigungen im Land Niederösterreich erfahren habe, gibt es noch 40 Gemein­den, in denen die verschiedensten Wiederaufbaumaßnahmen noch nicht durchgeführt werden konnten beziehungsweise noch nicht abgeschlossen sind. Das heißt, es ist sehr notwendig, dass wir heute diese Verlängerung beschließen.

Kollege Stadler hat es vorhin erwähnt: Der Einsatz der Freiwilligen ist ein wesentlicher Punkt. Auch das möchte ich ansprechen. Gott sei Dank gibt es in den verschiedensten Bereichen – nicht nur bei der Feuerwehr, sondern auch im Rettungswesen und in an­deren Hilfsorganisationen – Menschen, die bereit sind, sich für andere zu engagieren. Manches Mal bekommen diese Menschen allerdings an ihrem Arbeitsplatz Probleme; das reicht mitunter bis zu Kündigungen. Ich bin der Meinung, dass wir in Zukunft auch darauf werden achten müssen, dass wir Mittel aus solchen Fonds unter Umständen auch den Freiwilligenorganisationen, den Menschen, die dahinter stehen, zur Verfü­gung stellen müssen.

Ein wesentlicher Punkt – das hat auch Kollegin Kerschbaum vorhin angeführt – ist mei­ner Meinung nach eine Koordination der einzelnen zuständigen Behörden. Als Ge­meindevertreterin, die derzeit beim Bau von so genannten Hochwasserschutzmaßnah­men mit involviert ist, weiß ich, wie mühsam verschiedenste Verhandlungen sind.


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Es ist schon ganz klar, dass der Mensch als besonders schützenswert gelten muss; trotz allem dürfen wir aber nicht auf die Natur vergessen, und diese verschiedenen Verhandlungen sind mitunter sehr schwierig zu führen. Daher glaube ich, dass eine strategische Koordination zwischen Gemeinden, Land und Bund notwendig ist, vor allem auch, um Präventionsmaßnahmen im Hochwasserschutzbaubereich besser zu koordinieren und vielleicht auch in der Betreuung zu den Gemeinden hin und zu den Gemeindevertretern hin besser abwickeln zu können.

An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei Frau Staatssekretärin Kranzl dafür bedanken, dass sie sich so massiv dafür eingesetzt hat, dass in den nächsten Monaten schon sehr viele Gelder freigemacht oder freigegeben werden für den Bau von ver­schiedenen Hochwasserschutzmaßnahmen.

Ich habe es schon erwähnt: Wir dürfen aber dabei nicht auf die Natur vergessen. Wir alle kennen die sich dahinschlängelnden Flüsse und Bäche, und es ist ein Problem, wenn man glaubt, dass man diese Bäche in gerade Kanäle leiten kann. Das fällt uns dann mitunter auf den Kopf.

In diesem Sinne bin ich für meine Region sehr froh darüber, dass wir heute dieses Ge­setz beschließen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


15.56.44

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Die Novelle des Hochwasser­opferentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetzes ist die Folge der immer öfter auftre­tenden Wetterkapriolen und Unwetter der vergangenen Jahre. Zur Erinnerung: Dieses Gesetz ist in einer Alleinregierung der ÖVP im Jahre 1957 als Folge des damaligen Hochwassers entstanden. (Bundesrat Konecny: Das ist keine Alleinregierung gewe­sen!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte an die Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002 erinnern: Da ist eine Flut der Hilfsbereitschaft in Österreich ausgebrochen, wie sie das Land vorher kaum gesehen hat. Der Dank gilt aber auch den Blaulicht-Organisationen, insbesondere den Freiwilligen Feuerwehren landauf und landab. Aber auch das Bundesheer, das oft nicht die positiven Meldungen erhielt, hat hier Hervorra­gendes geleistet. Ein besonderer Dank gilt aber denjenigen freiwilligen Helfern, die bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gegangen sind, um den Betroffenen die nötige Hilfe und Unterstützung zu geben.

Auch im Bezirk Braunau konnten wir seitens der Landwirtschaft in kürzester Zeit eine Futtermittel-Spendenaktion ins Leben rufen. In Koordination mit den Maschinenringen wurde dementsprechend effizient und zielorientiert geholfen. Trotzdem wurden wir ein Jahr später selbst Opfer einer Katastrophe, einer Dürre, und konnten Gott sei Dank Mittel aus dem Katastrophenfonds bekommen.

Seit dem Jahr 2002 haben sich die Katastrophen schneller wiederholt, als es uns allen lieb ist. Wenn wir es uns ansehen: Dürre, Hochwässer, die Schneekatastrophe im ver­gangenen Winter; und es wird sicher nicht abreißen, wenn man im heurigen Jahr den Sturm Kyrill dazunehmen darf.

Daher ist es notwendig, diese Mittel aus dem Katastrophenfonds auch in Zukunft be­reitzustellen. Da darf ich gerade der APA-Meldung Beachtung schenken, dass diese Mittel von 123 Millionen mit 37 Millionen € aufgestockt worden sind – eine Einigung zwischen Finanzministerium und Landwirtschaftsministerium. Aber auch im Bereich der


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ländlichen Entwicklung sind 5,7 Millionen € für die Schutzwalderrichtung bereitgestellt worden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein weiterer Punkt wird der sein, dass nicht alles aus öffentlichen Mitteln abgedeckt werden kann. Es sollen und müssen wahr­scheinlich auch versicherungstechnische Möglichkeiten angedacht werden, so wie dies bei der Hagelversicherung zurzeit schon der Fall ist. Dies muss in entsprechendem Maße weiterentwickelt werden.

Mehr Augenmerk muss – wie auch meine Vorredner gesagt haben – der Raumordnung zukommen, sodass man schon im Vorfeld Bauten in gefährdeten Gebieten untersagt. Das erweckt zwar bei den Betroffenen oft Unverständnis, aber es schützt vor späteren Folgekosten und Folgeschäden. Hier hat Landeshauptmann-Stellvertreter Hiesl in Oberösterreich bei der Bau- und Raumordnung sicher eine hervorragende Leistung vollbracht.

Als positiv hat auch schon Kollege Stadler die Mittel erwähnt, die seitens des Landes Oberösterreich für den Katastropheneinsatz zur Verfügung gestellt werden. Erwäh­nenswert ist, dass diese Mittel ab 1. Juli möglich sind, wenn Firmen freiwillige Mitar­beiter stellen, die länger als vier Tage im Katastropheneinsatz tätig sind. Hier gilt auch unserem Feuerwehrlandesrat Dr. Josef Stockinger in Oberösterreich ein großes Lob dafür, dass er sich sehr stark dafür engagiert hat, dass solche Firmen entsprechende Mittel von der Landesebene für diese Einsatzkräfte lukrieren können.

Ich bin überzeugt davon, dass diese Novelle – genauso wie jene im Jahr 2002 – Schwachstellen aufzeigt. Das haben hier auch schon die Vorredner dargelegt. Auf eine Schwachstelle hat auch meine Kollegin Martina Diesner-Wais aufmerksam gemacht, nämlich mit dem Beispiel, dass bei Flächen, die unter 0,3 Hektar groß sind und keine zusammenhängenden Flächen ausmachen, keine entsprechenden Mittel zur Verfü­gung gestellt werden. Wenn eine Fläche 0,2 Hektar ausmacht, ist es, auch wenn die Gesamtfläche 2 Hektar beträgt, zurzeit nicht möglich, Mittel aus dem Katastrophen­fonds zu lukrieren. Hier gehört auch dementsprechend angesetzt.

Da bei Katastrophen schnell und effizient geholfen werden soll, bin ich hoch erfreut, dass hier im Hohen Haus Einstimmigkeit darüber besteht. – In diesem Sinne: danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.02


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


16.02.05

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Vorlage der Bundesregierung ist für uns alle sicher verant­wortungsvoll und sehr positiv. Ich freue mich aber auch darüber, dass der ORF in letzter Zeit immer wieder Sendungen über die gesamte Problematik der Situation, die mit der Klimaveränderung, die auf uns zukommt, einhergeht, bringt. Experten warnen uns schon lange davor, wie die Entwicklung ausschauen wird, wenn wir nicht gemein­sam alles tun, um unsere Verantwortung stärker einzubringen.

Für uns ist auch wahrnehmbar, dass wir immer weniger Niederschläge haben. Kein Jahr ist ohne Katastrophen, ob es Dürre, Fröste, Sturm oder Murenabgänge sind. Die erste Anlaufstelle ist immer die Gemeinde. Bürgermeister haben in solchen Situationen eine hohe Verantwortung. Das ist auch richtig so, sie sind unmittelbar bei den Betroffe­nen. Wichtig ist, dass auch die Einsatzstelle beim Bürgermeister mit der Verwaltungs­gemeinschaft so funktioniert, dass rasch gehandelt werden kann. Betroffen sind in erster Linie Getreideflächen, Futterflächen oder Obstanlagen; auch große Forstkata-


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strophen haben wir in letzter Zeit feststellen können. Entscheidend ist die rasche Hilfe und die großartige Solidarität.

Lieber Kollege Tiefnig! Ich freue mich, dass im gesamten Bereich Österreichs, als es in Niederösterreich zur Katastrophe kam, auch die Kärntner und Tiroler in der Freiwilligen Feuerwehr mitgeholfen haben. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist ja Oberöster­reich!) – Ja, Oberösterreich, das meine ich schon; aber ich wollte nur sagen, dass alle mitgeholfen haben, um die gesamte Situation entlang der Donau in den Griff zu be­kommen. Das ist Solidarität!

Ich möchte von dieser Stelle aus der Feuerwehr, dem Roten Kreuz und auch dem Bun­desheer herzlich danken! (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Sie waren wirklich bis zum Äußersten bereit, mit ihrer Verantwortung und ihrem persönlichen Einsatz die Not lindern zu helfen.

Wir haben aber auch eine Priorität im Bereich der Grundnahrungsmittel, wofür wir letz­ten Endes Vorsorge treffen sollten. Herr Staatssekretär, es ist für uns schon wichtig, dass wir alle aufgefordert wurden, Gefahrenpläne in allen Gemeinden, in denen es gefährliche Fließgewässer gibt, zu erstellen. Die Gefahrenpläne werden finanziell vom Bund, vom Land und von den Gemeinden unterstützt. Erst nach den Gefahrenplänen sind wir alle in der Lage, notwendige Vorkehrungen zu treffen. Für uns ist das auch wichtig, und ich stehe nicht an, Herr Staatssekretär, zu sagen, dass dafür auch mehr Geld zur Verfügung gestellt worden ist, weil man weiß, dass wir den Schaden schon vor Beginn und mit den Vorkehrungen wesentlich minimieren können.

Betroffen sind insbesondere die österreichischen Landwirte; es sind noch 190 000 bäu­erliche Betriebe und es gibt eine sehr starke Abnahme. Es ist eben so, dass nur jene betroffen sein können, die ihren Erwerb, ihre Flächen unter freiem Himmel haben, und das ist die Landwirtschaft an 365 Tagen im Jahr. Daher gilt auch für sie in besonderem Maße die Unterstützung.

Derzeit sind 80 Millionen € im Reservetopf, das ist gut so. Herr Staatssekretär, es ist wichtig, dass jährlich 29 Millionen € dazukommen. Noch etwas ist wichtig, und darüber habe ich noch nichts gehört; aber ich nehme an, dass die Bundesregierung auch bei außergewöhnlichen Katastrophen, wie wir sie erlebt haben, sich zusammenfindet und wirklich bereit ist, wieder so eine Solidarität wie vor wenigen Jahren an der Donau zum Einsatz zu bringen.

Ich bin sehr froh darüber, dass es diese gesetzliche Grundlage gibt. Sie gibt eine ge­wisse Sicherheit und bietet eine gewisse Gewähr dafür, dass wir gemeinsam Verant­wortung tragen. Das ist gut, und ich gebe gerne die Unterstützung. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer und bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

16.06


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

 


16.06.56

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie alle kennen sicher den Spruch: Es wurde bereits alles gesagt, nur nicht von jedem. Deshalb werde ich jetzt, auch wenn es nicht ganz der Geschäftsordnung des Bundesrates entspricht, zu dem Gesetzentwurf nichts mehr sagen, sondern gleich zu dem eigentlichen Grund kommen, warum ich jetzt zum Rednerpult gegangen bin.

Da ich heute das letzte Mal hier im Bundesrat bin, möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich von Ihnen verabschieden. Ich möchte mich bei allen Fraktionen sehr herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Die sechseinhalb Jahre, die ich hier in diesem


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Haus in der zweiten Kammer verbracht habe, waren für mich persönlich sehr interes­sante, sehr lehrreiche Jahre, aber natürlich auch für mich in meiner Funktion.

Ich gebe zu, dass es teilweise sehr emotionelle Sitzungen gegeben hat. Am meisten – das gebe ich auch zu – hat es mich natürlich aufgeregt, wenn jemand über den ÖGB hergezogen ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber das liegt in der Natur der Sache, weil es ja unnatürlich wäre, wenn dem nicht so wäre, weil das eben meine Heimat ist. Aber ich denke, wenn man in die Politik geht, dann muss man es schon vertragen, wenn es einmal unterschiedliche Redebeiträge gibt. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls.) Ich habe ja ab und zu auch ausgeteilt – man hält das also aus.

Nichtsdestoweniger wünsche ich Ihnen allen für Ihre weitere Tätigkeit hier im Bundes­rat alles, alles Gute! Ich denke mir – und das habe ich ja selbst erlebt –, dass das eine ganz, ganz wichtige Funktion ist. Ich möchte Ihnen aber auch persönlich alles Gute wünschen.

Auch möchte ich mich bei all jenen bedanken – egal, von welcher Fraktion –, die mir gerade im letzten Jahr, als es mir persönlich auf Grund der Vorkommnisse im ÖGB nicht ganz gut gegangen ist, über alle Fraktionsgrenzen hinweg gezeigt haben, dass manches Mal auch der Mensch im Vordergrund stehen muss. Da gab es auch aus anderen Fraktionen sehr tröstende Worte von denjenigen, die gemerkt haben, dass es mir nicht so gut gegangen ist. Bei denen möchte ich mich ganz besonders bedanken.

Allen anderen noch einmal persönlich und auch für die Tätigkeit hier im Bundesrat alles, alles Gute! Viel Erfolg! (Allgemeiner Beifall.)

16.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Kollegin Bachner! Wir können gerne bestätigen, dass Sie stets mit großem Engagement bei der Sache waren, dies aber stets sehr fun­diert und sachlich. Das ist etwas, was man in kollegialer Verbundenheit anerkennen soll. Sie werden uns fehlen, und wir wünschen Ihnen für Ihr weiteres Wirken alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Matznetter. – Bitte.

 


16.10.01

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens einmal: Roswitha, scheiden tut manchmal weh! Die Funktion wird dir sicher noch abgehen. Aber ich glaube, Roswitha wird uns erhalten bleiben, auch als Mahnerin in der öffentlichen Natur, und lautstark wird sie auch sein. In diesem Sinne freuen wir uns auf deine weiteren Wortmeldungen.

In der Sache selbst darf ich mir erlauben, einerseits unter Hinweis auf die Debatte, die ja schon im Nationalrat stattgefunden hat, darauf zu verweisen, dass die Bundesregie­rung sich sehr rasch bemüht hat, mit der neuen Regierungsbildung dafür Sorge zu tra­gen, dass zwei Dinge sichergestellt sind. Erstens geht es um die noch offenen Beträge aus dem Hochwassergesetz 2005. Da ist es so, dass beim Hochwasseropferentschädi­gungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2005 etliche Verfahren auch an die Beschwerde­kommission gegangen sind und wir sicherstellen wollten ... (Das Mobiltelefon des Red­ners beginnt zu läuten.)

Jetzt muss ich aber fürs Sparschwein zahlen! (Der Redner schaltet das Mobiltelefon aus.) Wie viel ist das bei euch? (Heiterkeit.) – Ich habe es nämlich wirklich vergessen. Habt ihr kein Sparschwein für diese Zwecke? Der Tarif dafür im Ministerrat ist auf 10 € erhöht worden, weil wir eine andere Verteilung der karitativen Organisationen vorge­nommen haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ihr habt kein Sparschwein da. Das des Herrn Bundesminister Grasser war noch leer, und ich habe mir gedacht, das werden wir verwenden, um es bei Sitzungen zu füllen.


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Aber der Hochwasserfonds selbst soll nicht leer sein, sondern es soll sichergestellt sein, dass alle Personen im Rahmen der Entschädigung infolge des Hochwassers am Ende des Tages die notwendige Unterstützung bekommen.

Meine Damen und Herren! Ich darf an der Stelle auch ein bisschen über die Grenzen hinausblicken. Man überlege sich das einmal im Vergleich: Wie sieht es bei uns in Österreich aus, und wie ist es in anderen Ländern? – Ich brauche jetzt gar nicht New Orleans zu nennen. Es ist sichtbar, dass wir in Österreich in dem Zusammenwirken von Bund, Ländern, Gemeinden, freiwilligen Helfern und ganzer Regionen ein Engage­ment an den Tag legen, wie eine mustergültige Gemeinschaft damit umgeht, dass Menschen in Not geraten, dass ganze Regionen in Not geraten. Das ist eine Stärke, die dieses Land an den Tag legt, sichtbar auch darin, dass wir gesetzliche Vorsorge dafür treffen, dass, auch wenn etwas passiert, sehr, sehr schnell die Mittel mobilisiert werden können! Man darf ja nicht vergessen, dass es in dieser Situation schwierig ist für jene Menschen, die rasch Hilfe brauchen.

Ich erinnere mich daran, dass ich selbst oben im Paznauntal war und gesehen habe, wie schnell Gemeinden, Länder und Bund in der Lage waren, nach dem Hochwasser sicherzustellen, dass die Straßen wieder funktionieren, dass die Schienen wieder halb­wegs funktionieren, dass die Menschen in den Betrieben so rasch wie möglich den Be­trieb wieder aufnehmen können. All das funktioniert in unserem Land eigentlich sehr, sehr gut.

Diesen Dank darf ich gerade im Bundesrat auch als Vertretung der Länder erbringen. Das ist doch eine Leistung, die sich gerade die Länder selbst durchaus auf die Fahnen heften dürfen! Das funktioniert gut.

Ich komme aber gleich zu jenen Dingen, die auch hier besprochen worden sind und die natürlich im Zusammenhang mit der Frage stehen: Wie viel lässt man in der Länder­kompetenz, und wie viel in der Bundeskompetenz? – Es ist grundsätzlich so, dass der Bund im Katastrophenfall 60 Prozent der Auszahlungen der Länder aus dem Katastro­phenfonds refundiert. Das heißt aber auch für die Richtlinien, dass die Entscheidung darüber, was passiert, in den Ländern stattfindet.

Da gibt es widersprüchliche Intentionen. Der eine Teil ist richtigerweise genannt wor­den: Da kann es passieren, dass die eine Hälfte geringere Entschädigungen bekommt als die zwei Kilometer entfernte andere Hälfte jenseits der Landesgrenze, obwohl die gleiche Katastrophe in gleicher Art passiert ist. Gleichzeitig aber besteht ein hohes Know-how im Bereich der Länder, was die Frage der Notwendigkeit der Entschädigung betrifft. Man darf nicht vergessen, dass gerade in der regionalen Abwicklung auf die Besonderheiten, die dort vorliegen, vielleicht in viel besserem Ausmaß eingegangen werden kann, als wenn – das mögen mir jetzt die Bediensteten der Hohen Bundesmi­nisterien verzeihen – jedes Mal aus Wien entschieden werden kann.

Es sind in diesem Widerspruch von uns Lösungen zu finden, die beides gewährleisten: ein möglichst harmonisches System, bei dem es aber gleichzeitig möglich ist, die regio­nale Kompetenz einzusetzen. Diese Reform ist sicher nicht das letzte Stück. Wir wer­den uns leider auf Grund der Häufung der Katastrophen wahrscheinlich weiter damit auseinandersetzen müssen. Trotzdem müssen wir in diesem Zielkonflikt eine Lösung finden.

An der Stelle sei gleich die Frage zu dem Beispiel beantwortet, wie es mit der Klein­fläche von weniger als 0,2 Hektar ist. Das ist genau so eine Richtlinie eines einzelnen Landes, die nicht durch den Bund beeinflusst ist. Der Bund ersetzt die 60 Prozent, die die Länder auszahlen, beeinflusst aber nicht Fragestellung, ob 0,2 Hektar ein ausrei­chendes Qualifikationskriterium für eine Unterstützung sind, auch dann, wenn die Flä­chen zusammen mehr als die geforderte Hektarzahl ausmachen.


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Zurückkommend zu den Fragen der Reform: Einerseits wurde bemängelt, dass die Rücklagendotierung mit 29 Millionen € limitiert ist. Dahinter steckt durchaus diese Vor­stellung: Wenn wir künftig nicht nur von der Häufigkeit her, sondern auch von der Inten­sität der Schäden her erwarten müssen, höhere Beträge aufwenden zu müssen, seien wir doch ein Eichhörnchen, und lagern wir in diesem Bereich mehr ein!

Gleichzeitig – das kommt wieder dazu, und ich glaube, das haben hier auch etliche Bundesrätinnen und Bundesräte angesprochen – gibt es natürlich einen gewissen An­spruch auf Eigenvorsorge in diesem Bereich. In dem Ausmaß, in dem wir zur Eigen­vorsorge motivieren wollen, ist natürlich der Widerstreit da: Dass die öffentliche Hand für jeden der Fälle ausreichende Mittel vorhalten soll, steht dem gegenüber, dass wir etwas für den Notfall haben, aber dass wir nicht alles ersetzen können, was geschehen ist. In diesem Widerspruch müssen wir die Fortentwicklung machen.

Ich möchte Sie an der Stelle gleichzeitig darüber informieren, wie die Zusammenset­zung ausschaut. Wenn wir das Jahr 2007 anschauen, dann werden aus den 300,7 Mil­lionen € – das ist der heutige Stand, wie es verteilt werden wird – für Privatschäden 12,7 Millionen €, für Schäden des Bundes 3,7 Millionen €, für Schäden der Länder 10 Millionen €, für Einsatzgeräte der Feuerwehren – das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn diese stellen sozusagen eines unserer entscheidendsten Erstinstrumentarien im Katastrophenfall dar – 26,7 Millionen €, für Schäden der Gemeinden 27,3 Millionen € und für Vorbeugemaßnahmen 220,3 Millionen € aufgewendet.

Das heißt, ein nennenswerter Teil der Aufwendungen für die Vorbeugung kommt aus dem Katastrophenfonds. Die Vorbeugung – das ist schon gesagt worden, und das kann man nur zweimal unterstreichen – ist die allerbeste Form, wie man mit Katastro­phen umgeht!

Der schockierende Anblick des Hochwassers 2002, die Dimension, die es ja in Nieder­österreich auch in der Fläche gehabt hat für die betroffenen Menschen – das Leid der Menschen in dieser Zeit ist heute noch nachhaltig in Erinnerung –, führt uns vor Augen, dass Naturgewalten nicht nur in hundertjährigem Höchststand stattfinden, sondern dass es durchaus Ereignisse gibt, die in mehrhundertjährigem Höchststand stattfinden.

In Wirklichkeit muss unser aller Anstrengung darauf gerichtet sein, eine Situation zu schaffen, dass wir in diesem Fall, so weit die menschliche Voraussicht reicht, einen optimalen Schutz der Bevölkerung, aber auch von Betrieben herstellen können. Daher werden wir bei den Anstrengungen aller – Bund, Länder und Gemeinden – für Vorbeu­gemaßnahmen in den nächsten Jahren nicht locker lassen. Nur dann, wenn wir dies unter Rücksichtnahme auf die Ökologie und natürlich unter Rücksichtnahme auf die Natur in einer Art und Weise gestalten, dass wir auch das größte anzunehmende Un­glück möglichst abfangen, wird man als Politiker den Menschen mit dem sicheren Ge­wissen gegenübertreten können: Wir denken an den Notfall!

Das führt mich aber gleichzeitig zu dem zweiten Problem, das auch einige angespro­chen haben: Die Raumplanung muss einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Sosehr lobend erwähnt wurde – ich glaube, auch Bundesrat Kampl hat darauf hingewiesen –, dass wir ausgezeichnete Vorbereitungen haben, was die Schutzzonen betrifft, fragt sich, wenn man sich die Pläne und dann die Luftbilder dazu anschaut, doch jeder: Bitte, wie kann dann das alles dort entstanden sein?

In der Frage geht es darum, dass es keine Bundeskompetenz ist, dass es aber eine Kompetenz ist, bei der die Bundesländer die Durchsetzung ihrer Raumplanungsmaß­nahmen auch sicherstellen müssen. Es ist die Verantwortung aller, der Baubehörde erster und zweiter Instanz, darüber zu wachen, dass dies eingehalten wird.

Es sind genug Bürgermeister hier; wir alle wissen, wie schwierig es ist, einem Gemein­debewohner zu erklären: Freund, dort hat deine Familie schon lange gelebt, das


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Grundstück habt ihr schon ewig lange gehabt, aber es geht nicht, dass an dieser Stelle genau dieses Gebäude entsteht! Da gilt es, den Rücken zu stärken, umgekehrt aber auch seitens der Länder den Bürgermeistern und den Gemeinderäten den Rücken zu stärken, weil nur das Land jene Härte durchsetzen kann, die es dem Bürgermeister möglich macht, seinen Gemeindebürgern gegenüber entsprechende – ich nenne es bewusst so – Härte an den Tag zu legen. Im Interesse der dort lebenden Menschen! Denn der Tag der Katastrophe ist ein Tag der Gefährdung nicht nur von Eigentum, sondern letztlich von Gesundheit und von Menschenleben.

Ich möchte abschließend darauf verweisen, dass der Bund seine Verpflichtungen in diesem Rahmen selbstverständlich weiter wahrnehmen wird. Es wurde bereits darauf verwiesen, dass wir zusätzlich, gerade was den weiteren Ausbau im Lawinenschutz und in anderen Bereichen betrifft, unserer Verantwortung in dieser Hinsicht weiter ge­recht werden.

Es wurde die Frage gestellt, wie mit dem ehemaligen Bundesstraßennetz B umzuge­hen ist. Klar ist, dass der Bund nicht für alles und jedes davon aufkommen kann. Ich bitte, dabei immer zu berücksichtigen, dass letztlich jeder einzelne Euro, der fließt, von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufgebracht werden muss. Der Bund hat noch einen langen Weg vor sich, um sein Defizit in den nächsten Jahren deutlich zu redu­zieren. Wir bemühen uns – und das ist auch im Regierungsprogramm festgelegt –, tat­sächlich bis zum Jahr 2010 Maastricht-relevant auch das Bundesdefizit auf null zu füh­ren, damit wir eine entsprechend große Steuerreform finanzieren können. Das heißt aber auch, dass wir den nachgeordneten Gebietskörperschaften gegenüber immer sehr klar sagen müssen: Jeder muss seinen Teil finanzieren.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass diese Auseinandersetzung eine immerwährende ist, fast wie die Neutralität. Wir werden sie auch hier führen. Aber auch dort gilt, dass der Bund viel beigetragen hat. Er hat nicht in jedem Jahr sofort die notwendigen Mittel bereitgestellt, aber der Bund kann nicht alles in diesem Bereich übernehmen. Auch dort gilt: Es müssen alle zusammenhalten, alle müssen es zusammen tun, dann kön­nen wir eine optimale Lösung schaffen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch darauf hinweisen, dass die Bundesregierung gestern – auch wenn manches Ärgernis da ist, was die Mineralölsteuererhöhung be­trifft – eine ganz wichtige Entscheidung getroffen hat. Wir wollen, auch in Fortsetzung der gesamten europaweiten Klimaschutzstrategie, entscheidend dazu beitragen, dass etwas getan wird, nachdem Österreich in den letzten Jahren die Erfüllung der Kyoto-1-Ziele nicht ausreichend zustande gebracht hat und wir unsere CO2-Emissionen gestei­gert haben, statt sie zu senken. Die Bundesregierung ist entschlossen, in diesem Be­reich auch mit der Klimaschutzstrategie eine entscheidende Kehrtwendung zu machen.

Das ist auch eine Form der aktiven Verhinderung von Katastrophen. Denn jedes Jahr länger in der Klimaerwärmung, in dem wir einen Beitrag zur gesamt-globalen Erwär­mung leisten, heißt mehr Katastrophen zu unseren Lebzeiten, denen unserer Kinder und unserer Enkelkinder! Es ist daher jeder Beitrag zum Klimaschutz auch eine ent­scheidende Maßnahme der Vorbeugung gegen Katastrophen.

In diesem Sinne freue ich mich, wenn das Zusammenwirken in diesen Fragen auch über die Fraktionsgrenzen hinweg entsprechend gut ist. – Danke für die Aufmerksam­keit. (Allgemeiner Beifall.)

16.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 120

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

16.23.589. Punkt

Jahresvorschau 2007 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-313-BR/2007 d.B. sowie 7658/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wiederum Herr Bundesrat Todt. Ich bitte um den Bericht.

 


16.24.15

Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich auf die Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. März 2007 den Antrag, die Jahresvorschau 2007 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


16.24.56

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Im Rahmen der Jahresvorschau 2007 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operati­ven Jahresprogramms des Rates möchte ich die folgenden Punkte kurz skizzieren.

Die Kommission beabsichtigt in ihrem Jahresprogramm zum einen etwa die Steigerung des Wohlstands in Europa, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts, die Steigerung der europäischen Sicherheit und die Förderung einer gewichtigeren Rolle Europas in der Welt. Ich denke, dass nahezu niemand gegen diese grundlegenden Ideen und Äußerungen im Arbeitsprogramm der Kommission stimmen kann.

Wenn es jedoch um die Diskussion der europäischen Verfassung geht, sind heftige Diskussionen vorprogrammiert. Aber auch hier möchte die Kommission weiterarbeiten und mit den Institutionen verstärkt kooperieren.

Gerade im Bereich der Rechtsvorhaben ist die Kommmission zurückhaltender. Die Kommission schlägt vor, die Folgekosten gründlicher zu betrachten und den Subsidiari­tätsgrundsatz zu berücksichtigen. Dies ist zu begrüßen und natürlich auch zu unterstüt­zen.

Die Kommission setzt sich beispielsweise auch künftig für weitere Modernisierungen der nationalen Wirtschaft im europäischen Raum ein und pocht auf einen einheitlichen europäischen Rahmen für Wirtschaftsmigranten. Auch hier wird es meiner Meinung nach noch einige Diskussionen geben, da gerade die Wirtschaftsmigration in vielen europäischen Ländern unterschiedlich bewertet wird.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 121

Vor allem unter der Zielsetzung der Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Solidarität möchte die Europäische Kommission konkretere Strategien mit den Mitglied­staaten entwickeln. Derzeit geht die Kommission davon aus, dass etwa eine bessere Verknüpfung der Beseitigung der Hindernisse beim Zugang zu den Arbeitsmärkten, eine stärkere Arbeitsplatzflexibilität und Arbeitsplatzsicherheit dabei helfen würden.

Aber hier, werte Kolleginnen und Kollegen, ist Vorsicht geboten, da diese Vorhaben auch das Gegenteil bewirken können, indem etwa die Öffnung der Arbeitsmärkte bei zu wenigen Regelungen – etwa wenn es keine klare Regelung des Mindestlohns gibt – zu Verzerrungen auf dem Arbeitsmarkt und im Einkommensbereich führen kann. Von den Menschen dann auch noch Solidarität und sozialen Zusammenhalt zu verlangen wäre meines Erachtens grotesk.

Positiv zu bewerten ist jedoch das Bemühen um die nachhaltige Nutzung der natür­lichen Ressourcen und die Erwähnung des Klimaschutzes. Hier möchte die Europäi­sche Kommission ein Grünbuch erarbeiten, in dem es vor allem um die internationale Zusammenarbeit nach Kyoto, also nach 2012, gehen soll. Man darf gespannt darauf sein, ob das Grünbuch tatsächlich konkrete Vorschläge für die Vorgehensweise oder sogar einen Aktionsplan für den Klimaschutz beinhaltet, oder ob es eher dazu neigt, Lippenbekenntnisse vorzuführen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch die Gesundheitspolitik wird von der Europäi­schen Kommission als wichtiger Arbeitsbereich genannt; hier geht es um Gesundheits­vorsorge und auch um Nahrungsmittelsicherheit.

Die Erweiterung der Euro-Zone soll 2007 fortgesetzt werden; wenn alle Konvergenzkri­terien erfüllt werden, würde dies Zypern und auch Malta betreffen.

Die Rolle Europas als internationaler Handels- und Investitionspartner soll weiter ge­stärkt werden. Besonderes Augenmerk will die Kommission auch auf die weitere Ver­tiefung der europäischen Nachbarschaftspolitik legen.

Bezug nehmend auf das operative Jahresprogramm des Rates möchte ich nur einige Punkte dieses Programms hervorheben. Das Jahresprogramm wurde von Deutsch­land, Portugal und Slowenien – gegenwärtige und zukünftige Ratspräsidentschaften – erstellt. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Debatte zur Zukunft Europas, die Um­setzung der Lissabon-Strategie sowie die Stärkung der externen Rolle Europas die strategischen Schwerpunktsetzungen für die nächsten eineinhalb Jahre des Rates sind beziehungsweise sein werden.

Für den Bereich der Zukunft Europas ist vor allem die Gestaltung der europäischen Fi­nanzen ein sehr großes Thema. Sicher ist auch, dass es in Zukunft zu einer vollstän­digen Integration Rumäniens und Bulgariens kommen soll und dass der Schengen-Raum sowie die gemeinsame Währung in möglichst vielen Ländern der EU umgesetzt werden.

Bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie erwarte ich mir jedoch wieder eine heftigere Auseinandersetzung, da etwa die weitere Liberalisierung der europäischen Energie­märkte oder zum Beispiel auch die Liberalisierung der Postdienste nicht nur Befürwor­ter hat. Gerade die Liberalisierungen der letzten Jahre haben in der Bevölkerung teil­weise zu großem Unmut geführt, da die versprochenen Vergünstigungen und Verbes­serungen kaum oder teilweise überhaupt nicht eingetreten sind. Vor allem im Bereich der angestrebten Liberalisierung ist meines Erachtens Vorsicht geboten; negative Bei­spiele haben wir nicht nur in Europa zur Genüge. Die Umsetzung der Lissabon-Strate­gie führt meines Erachtens nicht zwingend zu mehr Beschäftigung und sozialer Solida­rität in Europa. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 122

Es lässt sich festhalten, dass es drei Kernanliegen für die Arbeiten im ECOFIN-Rat in den nächsten eineinhalb Jahren gibt: Sicherstellung effektiver und effizienter Verfahren bei der Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik; Fortschritte zur Vollendung des Binnenmarktes, insbesondere bei Finanzdienstleistungen und Steuern; drittens Ver­besserung der Qualität und Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen.

Sehr positiv zu beurteilen ist vor allem das Bemühen der gegenwärtigen Ratspräsident­schaft Deutschland, sich mit der Entwicklung der Finanz- und Kapitalmärkte näher zu befassen. Hier geht es etwa um die Transparenz der sogenannten Hedge-Fonds. Auch die Debatten rund um das Mehrwertsteuerpaket oder eine einheitliche KöSt-Bemes­sungsgrundlage sind begrüßenswert.

Auf Grund dieser Arbeitsprogramme stimmen wir selbstverständlich diesem Antrag zu. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

16.32


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


16.32.28

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Europa ist von diesem Pult aus und von den Mitgliedern der Bundesregierung, die heute anwesend waren, schon sehr viel gesagt worden. Eines vorweg: Es freut mich, dass es eigentlich unisono ein klares Bekenntnis zu diesem Europa gibt.

Ich darf mich in meinem Debattenbeitrag – in Ergänzung zum Kollegen Molzbichler – auf den Tagesordnungspunkt beschränken, in dem es eigentlich um die Jahresvor­schau des Bundesministeriums für Finanzen geht. Wir haben hier schon gehört, dass sich das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission an den Zielsetzungen orien­tiert, den Wohlstand in Europa weiter zu steigern, sozialen Zusammenhang zu stärken und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Europa zu verbessern.

Sehr oft wurde heute auch schon die sogenannte Lissabon-Strategie erwähnt. Rufen wir uns noch einmal in Erinnerung, was diese Lissabon-Strategie eigentlich bedeutet beziehungsweise wie sie auf einem Sondergipfel der europäischen Regierungschefs definiert wurde.

Im März 2000 wurde in Lissabon dieses Programm verabschiedet, das im Wesent­lichen das ehrgeizige Ziel hat, die EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Ich betone es noch einmal: aus damaliger Sicht ein sehr ehrgeiziges Ziel! Wenn man die internationalen Entwicklungen, vor allem im asiatischen Raum, heute kennt, weiß man, wie hoch damals die Messlatte gelegt wurde.

Zwei Kernpunkte umfasst dieses Programm, zum einen eben das Legislativ- und Ar­beitsprogramm; dieses wurde von Kollegen Molzbichler schon näher erläutert. Ich darf vielleicht noch ein bisschen auf das operative Jahresprogramm des ECOFIN-Rates eingehen, auf einige Punkte, die darin enthalten sind.

Wir haben schon gehört, dass es vor allem um die Fortsetzung der Debatte zur Zukunft Europas geht. Da wird es mit der „Berliner Erklärung“ am 24. beziehungsweise 25. März von den europäischen Regierungschefs nicht nur eine Erinnerung an den 50. Jahrestag der Römischen Verträge, sondern auch ein Signal für die Zukunft Euro­pas geben.

Der Stabilitäts- beziehungsweise Wachstumspakt ist hier detailliert aufgeschlüsselt. In den sogenannten Key Issues Papers, den sogenannten Schlüsselpositionspapieren,


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 123

geht es darum, Tagungen vorzubereiten. Dabei geht es aus österreichischer Sicht vor allem um die Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche – Herr Staatssekretär, wenn ich das richtig gelesen habe – sowie um die Verbesserung des Unternehmensumfeldes, vor allem für KMUs.

Ein weiterer Punkt betrifft, wie schon gesagt, die Erweiterung der Euro-Zone; seit 1. Jänner ist ja Slowenien dabei, wenn man so sagen kann. In diesem Jahr gibt es auch die Möglichkeit, dass Zypern beziehungsweise Malta dazukommen.

EU-Haushaltsfragen sind unter Punkt IV zusammengefasst, und im Punkt V, Finanz­dienstleistungen, geht es um Zahlungsverkehrsrichtlinien. Hier geht es vor allem um einheitliche Rahmenbedingungen sowie einen gleichberechtigten Marktzugang und eine Modernisierung von Infrastrukturen im Zahlungsverkehr, Cross-Border-Acqui­sition-Richtlinie oder Investmentfonds.

Bei einem Punkt habe ich nachschauen müssen, nämlich bei der sogenannten Solvabi­lität II. Das ist ein Ausdruck, der aus der Versicherungswirtschaft kommt; in Anlehnung an Basel II sollen die Eigenkapitalvorschriften auch im Versicherungsbereich den tat­sächlichen Risken angepasst werden. Die Kontrolle und Bewertung der von den Versi­cherungsunternehmen eingegangenen Risken soll damit verbessert werden.

Punkt V umfasst Clearing and Settlement. Auch die berühmt-berüchtigten Hedge-Fonds sind davon betroffen.

In dem großen Paket Steuern unter Punkt VI geht es um das Mehrwertsteuerpaket. Hier gibt es ja einiges von Deutschland, das man sich vorgenommen hat. Für Öster­reich könnte eine rasche Einigung beim Mehrwertsteuerpaket deshalb interessant sein, weil es hier die sogenannte Leasing-Problematik mit den Kfz gibt. Der Herr Staatssek­retär nickt, er weiß, worauf ich anspiele.

Ein Punkt, der vielleicht auch ein bisschen lächelnd zur Kenntnis genommen wird: Die Verbrauchsteuer auf Alkohol soll einheitlich genormt beziehungsweise europaweit an­gehoben werden. Für Österreich ist das nicht von Belang, wir liegen da weit über den europäischen Richtsätzen.

In Anlehnung an den Debattenbeitrag des Kollegen Kneifel als Vorsitzender des EU-Ausschusses des Bundesrates, der sich in einer interessanten Ausführung gefragt hat, wie es denn bei der Vorbereitung des 60. Jahrestages der Unterzeichnung der Römi­schen Verträge sein wird und was in den nächsten zehn Jahren zu tun sein wird, gehe ich sogar einen Schritt weiter: Ich würde mich freuen, zu wissen – aber das werden wahrscheinlich erst unsere Nachfolger oder deren Nachfolger und Nachfolgerinnen können –, wie es denn mit dem 100. Jahrestag weitergeht. Jeder von uns kann einen Beitrag dazu leisten.

Ich freue mich darüber – wie ich schon eingangs gesagt habe –, dass es in diesem Ho­hen Haus ein klares Bekenntnis zu diesem Europa gibt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

16.38


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

 


16.38.24

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist dies hier umfassend dargestellt worden, sodass ich mich auf ein paar Punkte beschränken kann, die sozusagen die Tagesaktualität betreffen.


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Es ist so, dass sich in Vorbereitung des ECOFIN, nämlich des informellen ECOFIN, die Frage stellt, wie wir in dem schwierigen Kapitel der Steuerkoordination weiterkommen. Wie bereits mein Vorredner angesprochen hat, hat Österreich vitales Interesse daran, dass gerade das Mehrwertsteuerpaket zur Reform der 6. Richtlinie Anwendung findet, da wir hohe Abflüsse an Steuern über die Grenze haben, vor allem durch die Konstruk­tionen mit dem Kfz-Leasing.

Wir haben zweitens Interesse daran, dass es im Bereich der Missbrauchsbekämpfung zur Ermöglichung des Reverse Charge Systems im Inland kommt. Kurz zur Erläute­rung, was das ist.

Seit es den Binnenmarkt in Europa gibt, herrscht ja über die Grenze prinzipiell Waren­freiheit, und es gibt auch keine Grenzkontrolle mehr. Das heißt, das alte System der Einfuhrumsatzsteuer gilt nur noch an der Außengrenze des europäischen Binnenmark­tes; innerhalb dessen, zwischen den Mitgliedstaaten, gilt ein sogenanntes Reverse Charge System. Das heißt, der Lieferant aus einem Mitgliedstaat liefert steuerfrei dem anderen, und der Empfänger der Lieferung, das Unternehmen dort, muss eine soge­nannte Erwerbsteuer zahlen. Das heißt, er führt die Steuer ab, die er gleichzeitig – unter normalen Bedingungen – als Vorsteuer wieder abziehen kann.

Dieses System ist deutlich widerstandsfähiger gegenüber Betrugsversuchen. War­um? – Weil der, der den Vorsteuerabzug hat, gleichzeitig der Steuerschuldner ist, wenn es eine Lieferung zwischen Unternehmen ist. Das führt nicht zu dem Effekt, dass Betriebe sich Steuerguthaben wegen der Vorsteuer einbehalten können, während der, der eigentlich die Umsatzsteuer schuldet, dann in Konkurs geht oder nicht greifbar ist. Diese Form des Betruges, die europaweit in großem Umfang festzustellen ist – leider auch in Österreich –, könnte damit wirkungsvoll bekämpft werden.

Ich möchte nicht verschweigen, dass wir in diesem Bereich große Schwierigkeiten ha­ben, weil sich einzelne Mitgliedstaaten strikt gegen eine Änderung wehren, namentlich im romanischen Raum Frankreich. Wir haben die Schwierigkeit, dass gerade dieses Missbrauchsverhinderungssystem etwas wäre, was durchaus in jener Form einführbar wäre, dass die Mitgliedstaaten, die es in ihrem eigenen Binnenmarkt wollen – es geht nicht um den EU-Binnenmarkt, da gibt es das sowieso –, dieses System anwenden. Es könnten ja jene Staaten, die es nicht wollen, durchaus weiter das bisherige System haben. Dennoch ist der Widerstand sehr groß. Wir bemühen uns, auf der Seite der deutschen Präsidentschaft Bewegung hineinzubringen. Ich möchte aber in dieser Frage nicht allzu viel Optimismus walten lassen.

In der Frage des Mehrwertsteuerpaketes sind die Chancen besser. Wir hoffen, dass wir diesbezüglich möglicherweise bereits im April eine erfolgreiche Vereinbarung tref­fen können. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang nicht verschweigen, dass auch dort etliche Punkte miteinander verknüpft sind, und das an dieser Stelle vor den Bun­desländervertretern sagen: Wir haben ja noch besondere Steuersätze in sogenannten Außenzonen wie dem Kleinen Walsertal. Auch dort werden wir eine gewisse Beweg­lichkeit an den Tag legen müssen, notabene da die deutschen Sätze heute bereits höher sind.

Der letzte Punkt zur Koordinierung der Steuerpolitik betrifft die gemeinsame Körper­schaftsteuergrundlage. Ich bin sehr froh darüber, Ihnen berichten zu dürfen, dass die österreichische Bundesregierung jetzt einheitlich dafür eintritt, dass wir innerhalb der Europäischen Union zu einer vereinheitlichten Form der Unternehmensbesteuerung kommen. Vizekanzler Molterer hat bereits bei seinem Besuch in Berlin darauf hinge­wiesen, dass das ja eine Stärkung für die Unternehmen innerhalb der Europäischen Union wäre: weniger Bürokratie, deutliche Reduktion der Aufwendungen, die unter-


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schiedliche Grundlagen in den Ländern herstellen, ein Beitrag zu Transparenz im Bereich der Steuersysteme.

Ich freue mich, auch darüber berichten zu können, dass wir diesbezüglich einer Mei­nung mit der deutschen Präsidentschaft sind. Es war gestern Staatssekretär Axel Naw­rath bei mir, und wir haben die Strategie besprochen, wie wir diesen Bereich in stärke­rem Ausmaß durchsetzen können. Aber es gibt auch dort zwei, drei, vier, fünf Mitglied­staaten, die in abgeschwächter Form strikt gegen eine solche Harmonisierung sind. Ich möchte nicht verschweigen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien federfüh­rend jede Verlagerung in diesem Bereich als eine mögliche Kompetenzaufgabe im Steuerbereich ansieht. Daher muss man diesbezüglich auch den Optimismus in eher längerfristigen Bahnen halten.

Das war das, was ich Ihnen an Aktuellem berichten wollte. Interessant in diesem Zu­sammenhang war natürlich der Europäische Rat, der nach unserer Einschätzung höchst erfolgreich war. Man muss hier auch die Professionalität der Abwicklung durch die deutsche Präsidentschaft ausdrücklich hervorheben. Es wurden in schwierigen Kapiteln Ergebnisse erzielt, die eigentlich, wenn man ehrlich ist, in dieser Form nicht erwartbar waren. Eine klare Festlegung der Europäischen Union auch im Bereich der erneuerbaren Energien ist ein echter Fortschritt, der erzielt wurde. Man darf in diesem Zusammenhang eigentlich nur sagen: Hier gibt es die Chance, dass auch Österreich einmal wesentliche Teile seiner Positionen durchsetzen kann.

In diesem Sinne sind Teilerfolge aus diesem Bereich der Politik zu vermelden. Dort, wo das Bundesministerium für Finanzen die Zuständigkeit hat, müssen wir noch ein biss­chen tätig sein, um Erfolge beizubringen. Aber wir werden viel Überzeugungsarbeit bei den noch unwilligen europäischen Mitgliedstaaten leisten. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Allgemeiner Beifall.)

16.44


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.45.1310. Punkt

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Einer Vereinbarung der Fraktionen entsprechend ist vom Bundesrat ein neues Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Es liegt ein Wahlvorschlag vor, der darauf lautet, Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny als Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wäh­len.


BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 126

Daher bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekannt ge­gebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Herr Bundesrat Professor Konecny ist somit als Mitglied in die Parlamentarische Ver­sammlung des Europarates gewählt. Ich darf ihm – ich nehme an, auch in Ihrem Na­men – alles, alles Gute wünschen! Wir wissen, dass er große außenpolitische Erfah­rung in diese Funktion einbringt. Er wird diese Funktion, da bin ich ziemlich sicher, so ausüben, dass sie zum Wohle Österreichs ist. Alles erdenklich Gute! (Allgemeiner Bei­fall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.46.54Einlauf

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 13. April 2007, 9 Uhr in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 11. April 2007, ab 13 Uhr vorgese­hen.

Ich wünsche Ihnen allen ein gutes Nachhausekommen!

Die Sitzung ist geschlossen.

16.47.51Schluss der Sitzung: 16.48 Uhr

 

 

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