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755. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Donnerstag, 24. April 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

755. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 24. April 2008

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 24. April 2008: 9.03 – 20.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl von Schriftführern sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 2008

2. Punkt: Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Uni­on und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefüg­ten Erklärungen („Reformvertrag“)

3. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Republik Indien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

4. Punkt: Jahresvorschau des BMWF 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogramms des Rates

5. Punkt: Übereinkommen über die Beteiligung der Republik Bulgarien und Rumäniens am Europäischen Wirtschaftsraum samt Anhängen, Schlussakte und Erklärungen

6. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2006/07)

7. Punkt: Bericht an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitspro­gramm 2008

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktienge­setz 1965, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Ge­nossenschaftsrevisionsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Luftfahrtgesetz, das Bankwe­sengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Unternehmens­rechts-Änderungsgesetz 2008 – URÄG 2008)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Notariatsaktsgesetz, das Gerichtskommissärsgesetz, das Außerstreitgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Notariatstarifgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden (Feilbietungsrechtsänderungsgesetz – FRÄG)

10. Punkt: Europäisches Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten samt Erklärung der Republik Österreich


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird

12. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medi­zinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten

13. Punkt: Jahresvorschau des BMJ 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Europäischen Kommission für 2008 sowie des Ratspräsident­schaftsprogramms Sloweniens für den Bereich Justiz und Inneres

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Fi­nanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Invest­mentfondsgesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EU-Quel­lensteuergesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

19. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerumgehung samt Protokoll

20. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Ab­änderung des am 13. Jänner 2004 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

21. Punkt: Jahresvorschau 2008 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jah­resprogramms des Rates

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bun­des-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 70. Jahrestages des Einmarsches der Truppen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches in Österreich eine einma­lige Zuwendung (Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politi­schen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird

24. Punkt: Jahresvorschau des BMSK 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2008 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates/Vorsitz Slowenien bzw. Ausblick auf den französischen Vorsitz

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Franz Breiner sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat                         12


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 3

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ............................................................................... 13

Angelobung der Bundesräte Karl Boden, Martina Diesner-Wais, Efgani Dön­mez, Friedrich Hensler, Werner Herbert, Elisabeth Kerschbaum, Juliane Lugsteiner, Walter Mayr, Martin Preineder, Bettina Rausch, Kurt Stroh­mayer-Dangl, Christa Vladyka und Sonja Zwazl ..................... 14

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Nominierung eines Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz                   39

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 7932/BR d.B. gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR ............................................................................................ 39

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer und Stefan Schennach gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR betreffend Zu­stimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion – Annahme ................................................................................................  40, 40

1. Punkt: Wahl von Schriftführern sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halb­jahres 2008                   41

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 61

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 12

Fragestunde (134.)

Verkehr, Innovation und Technologie ...................................................................... 14

Günther Kaltenbacher (1615/M-BR/08); Martina Diesner-Wais, Elisabeth Kersch­baum

Ferdinand Tiefnig (1611/M-BR/08); Maria Mosbacher, Eva Konrad

Elisabeth Kerschbaum (1614/M-BR/08); Karl Boden, Martin Preineder

Mag. Gerald Klug (1616/M-BR/08); Günther Köberl, Stefan Schennach

Mag. Harald Himmer (1612/M-BR/08); Günther Kaltenbacher, Efgani Dönmez, Monika Mühlwerth

Ing. Siegfried Kampl (1618/M-BR/08); Elisabeth Kerschbaum, Günther Molzbich­ler, MMag. Barbara Eibinger

Karl Boden (1617/M-BR/08); Franz Wolfinger, Efgani Dönmez

Mag. Bernhard Baier (1613/M-BR/08); Ing. Reinhold Einwallner, Eva Konrad

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 39

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  39, 186


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 4

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend verantwortungslose Großzügigkeit der Verantwortlichen bei Umgang mit öffentli­chen Geldern bei den ÖBB (2621/J-BR/08).................................. 118

Begründung: Stefan Schennach ................................................................................ 119

Bundesminister Werner Faymann ........................................................................... 121

Debatte:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 129

Reinhard Winterauer .............................................................................................. ... 131

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ... 132

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 134

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 135

Bundesminister Werner Faymann ....................................................................... ... 136

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend einen Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Proto­kollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen („Reformvertrag“) (417 d.B. und 484 d.B. sowie 7932/BR d.B.) ............... 41

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 42

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 44

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 46

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 52

Albrecht Konecny (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 57

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 57

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 61

Staatssekretärin Heidrun Silhavy ......................................................................... ..... 65

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ..... 69

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 73

Hans Ager ................................................................................................................ ..... 77

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 79

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 83

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 85

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 86

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 88

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 91

Günther Molzbichler ............................................................................................... ..... 95

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 97

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 99

Ing. Siegfried Kampl (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 100

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ... 100

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 102

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 106

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 108

Jürgen Weiss ........................................................................................................... ... 110

Reinhard Winterauer .............................................................................................. ... 112


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Vertrag von Lissa­bon und die weitere Entwicklung der Europäischen Union – Annahme (E 266-BR/08) ..........................................................................  50, 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z. 2 iVm Artikel 50 Abs. 4 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen           ............................................................................................................................. 114

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (455 d.B. und 489 d.B. sowie 7910/BR d.B.) ................................... 114

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 114

Redner/Rednerinnen:

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ... 114

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ... 115

Eva Konrad .............................................................................................................. ... 115

Bundesminister Dr. Johannes Hahn .................................................................... ... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen ............................................................... 117

4. Punkt: Jahresvorschau des BMWF 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitspro­gramms des Rates (III-340-BR/2008 d.B. sowie 7911/BR d.B.) ............................................................................................................... 117

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-340-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 118

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Über­einkommen über die Beteiligung der Republik Bulgarien und Rumäniens am Europäischen Wirtschaftsraum samt Anhängen, Schlussakte und Erklärungen (443 d.B. und 501 d.B. sowie 7923/BR d.B.) ........................................... 118

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 118

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2006/07) (III-338-BR/2008 d.B. sowie 7924/BR d.B.) .................. 140

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 140

7. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österrei­chische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2008 (III-344-BR/2008 d.B. sowie 7925/BR d.B.) ..................... 140

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 140


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 6

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ... 141

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 143

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ... 144

Peter Mitterer .......................................................................................................... ... 145

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ... 146

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 148

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, den Bericht III-338-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 148

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, den Bericht III-344-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 149

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz 1965, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Genossen­schaftsrevisionsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Luftfahrtgesetz, das Bankwe­sengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Unterneh­mensrechts-Änderungsgesetz 2008 – URÄG 2008) (467 d.B. und 494 d.B. sowie 7909/BR d.B. und 7926/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 149

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 149

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 149

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Notariatsaktsgesetz, das Gerichts­kommissärsgesetz, das Außerstreitgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das No­tariatstarifgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, die Rechtsanwaltsord­nung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden (Feilbietungsrechts­änderungsgesetz – FRÄG) (466 d.B. und 495 d.B. sowie 7927/BR d.B.) ...................................................................................... 149

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 150

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 150

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Euro­päisches Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten samt Erklärung der Republik Österreich (457 d.B. und 496 d.B. sowie 7928/BR d.B.) ............................................................................................................... 150

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 150

Redner/Rednerinnen:

Maria Mosbacher .................................................................................................... ... 150

Mag. Bernhard Baier .............................................................................................. ... 151

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ... 152

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ... 153

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 155

Jürgen Weiss ........................................................................................................... ... 156

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen und 3. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Arti-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 7

kel 50 Abs. 2 Z. 3 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 157

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend eine Ver­einbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (317 d.B. und 497 d.B. sowie 7929/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 157

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ....................................................................... 157

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend eine Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Jus­tizanstalten (319 d.B. und 498 d.B. sowie 7930/BR d.B.) ............... 157

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ....................................................................... 157

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ... 158

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 159

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ... 160

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ... 161

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 163

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 163

13. Punkt: Jahresvorschau des BMJ 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2008 sowie des Ratspräsi­dentschaftsprogramms Sloweniens für den Bereich Justiz und Inneres (III-342-BR/2008 d.B. sowie 7931/BR d.B.) ................................... 163

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ....................................................................... 164

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-342-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 164

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanz­ausgleichsgesetz 2008 geändert werden (479 d.B. und 513 d.B. sowie 7912/BR d.B.) ...................................................................................... 164

Berichterstatter: Günther Molzbichler ....................................................................... 164

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 164

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Investment­fondsgesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert werden (452 d.B. und 514 d.B. sowie 7913/BR d.B.) .................................................. 165

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 165


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 8

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wird (515 d.B. sowie 7914/BR d.B.) ........... 165

Berichterstatter: Reinhard Todt .............................................................................. ... 165

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EU-Quellensteuer­gesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden (674/A und 516 d.B. sowie 7915/BR d.B.) ...................................................... 165

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 165

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 166

Johann Kraml .......................................................................................................... ... 166

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 167

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ... 170

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ... 171

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 173

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 173

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (652/A und 517 d.B. sowie 7916/BR d.B.)               173

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 173

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerumgehung samt Protokoll (450 d.B. und 518 d.B. sowie 7917/BR d.B.) ............................................................................... 173

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 173

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend das Pro­tokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Abänderung des am 13. Jänner 2004 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (461 d.B. und 519 d.B. sowie 7918/BR d.B.) ............................................. 173

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 173

Redner/Rednerinnen:

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 174

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 175

Eva Konrad .............................................................................................................. ... 175


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 9

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................ 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................ 177

21. Punkt: Jahresvorschau 2008 des Bundesministeriums für Finanzen auf
der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie
des operativen Jahresprogramms des Rates (III-336-BR/2008 d.B. sowie 7919/BR d.B.)                            177

Berichterstatter: Günther Molzbichler ....................................................................... 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-336-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 177

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Be­hindertengleichstellungsgesetz geändert werden (477 d.B. und 510 d.B. sowie 7920/BR d.B.) ............................................................................... 177

Berichterstatter: Harald Reisenberger ....................................................................... 177

Redner/Rednerinnen:

Günther Kaltenbacher ............................................................................................ ... 178

Edgar Mayer ................................................................................................................ 178

Eva Konrad ................................................................................................................. 179

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 180

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem aus Anlass des 70. Jahrestages des Einmarsches der Trup­pen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches in Österreich eine einmalige Zuwendung (Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (465 d.B. und 506 d.B. sowie 7921/BR d.B.) ............................................................................................................... 181

Berichterstatter: Harald Reisenberger ....................................................................... 181

Redner/Rednerinnen:

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 181

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ... 182

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 183

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ... 184

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 185

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 186

24. Punkt: Jahresvorschau des BMSK 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2008 sowie des Achtzehnmonats-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 10

programms des Rates/Vorsitz Slowenien bzw. Ausblick auf den französischen Vorsitz (III-343 und Zu III-343-BR/2008 d.B. sowie 7922/BR d.B.)                       186

Berichterstatter: Harald Reisenberger ....................................................................... 186

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-343 und Zu III-343-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 186

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst betreffend 15a-Vereinbarung zum Ausbau der Kinderbetreuung (2618/J-BR/08)

Ing. Reinhold Einwallner, Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zollabfertigungen nach dem Schengenbei­tritt der Schweiz (2619/J-BR/08)

Ing. Reinhold Einwallner, Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zollabfertigungen nach dem Schengenbei­tritt der Schweiz (2620/J-BR/08)

Stefan Schennach, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend verantwortungslose Groß­zügigkeit der Verantwortlichen bei Umgang mit öffentlichen Geldern bei den ÖBB (2621/J-BR/08)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anbau beim landesgerichtlichen Gefangenenhaus in Feldkirch (2392/AB-BR/08 zu 2596/J-BR/08)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kersch­baum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswirkungen auf Österreich (2393/AB-BR/08 zu 2599/J-BR/08)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflicht­fall mit negativen Auswirkungen auf Österreich (2394/AB-BR/08 zu 2598/J-BR/08)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage
der Bundesräte
Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Bahnstrecke Bregenz–St. Gallen (2395/AB-BR/08 zu 2593/J-BR/08)


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 11

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
auf die Anfrage der Bundesräte
Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwall­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agentur für den Schutz vor Naturgefahren (2396/AB-BR/08 zu 2594/J-BR/08)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswir­kungen auf Österreich (2397/AB-BR/08 zu 2601/J-BR/08)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Finanzdebakel der Bundesforste in der Russischen Föderation (2398/AB-BR/08 zu 2603/J-BR/08)

der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswirkungen auf Österreich (2399/AB-BR/08 zu 2602/J-BR/08)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umgehung des UVP-Gesetzes für Autobahnanschlussstellen unter dem Deckmantel einer „vorüber­gehenden Ausweichverbindung“ bzw. „Baustraße“ (2400/AB-BR/08 zu 2597/J-BR/08)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Elisa­beth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswirkungen auf Österreich (2401/AB-BR/08 zu 2600/J-BR/08)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Elisa­beth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Monitoring Report der E-Control Versorgungssicherheit Strom – Neue Projekte (2402/AB-BR/08 zu 2604/J-BR/08)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Elisa­beth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend RECS-Zertifikatehandel in Österreich (2403/AB-BR/08 zu 2605/J-BR/08)

der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst auf die Anfrage der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 15a-Ver­einbarung zum Ausbau der Kinderbetreuung (2404/AB-BR/08 zu 2618/J-BR/08)


09.03.48


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Helmut Kritzinger: Ich eröffne die 755. Sitzung des Bundesrates.

Ich begrüße alle zahlreich erschienenen Gäste, meine Kolleginnen und Kollegen und die Medien.

Das Amtliche Protokoll der 754. Sitzung des Bundesrates vom 28. März 2008 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Josef Saller.

09.04.15Einlauf

 


Präsident Helmut Kritzinger: Eingelangt sind Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatzmitgliedes sowie des Nie­derösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

„Angela Orthner

Erste Präsidentin des Oö. Landtags                                                                               3. April 2008

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Helmut Kritzinger

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien

Nachwahlen zum Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 3. April 2008 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art. 29 Oö. Landes-Verfassungsgesetz die Nachwahl eines Ersatzmitgliedes durchge­führt hat. Es wurde gewählt:

als Ersatzmitglied an 9. Stelle: Franz Breiner, Heinprechting 17,4690 Redlham

Diese Nachwahl wurde notwendig, weil Herr Franz Breiner mit Ablauf des 31. März 2008 auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrates verzichtet hat und dessen Ersatz­mann Herr Efgani Dönmez, geb. am 30. Oktober 1976, Thomas-Bernhard-Weg 3/1bI8, ex lege als Mitglied nachgerückt ist.

Mit freundlichen Grüßen!

Angela Orthner“

*****


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 13

„Der Landtag von Niederösterreich

3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, Haus 1a

Ltg.-W-5-2008                                                                                         XVII. Gesetzgebungsperiode

Betreff:

Wahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder des Bundesrates

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Helmut Kritzinger

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 1. Sitzung am 10. April 2008 die Wahl der Mitglieder, die vom Landtag in den Bundesrat entsendet werden und ebenso die Wahl der Ersatzmitglieder vorgenommen.

Als Mitglieder wurden gewählt:

1. Martin Preineder, ÖVP, Hauptstraße 25, 2821 Frohsdorf

2. Walter Mayr, ÖVP, Mitterweg 16, 2301 Mühlleiten

3. Karl Boden, SPÖ, Reibers 41, 3844 Waldkirchen/Thaya

4. Sonja Zwazl, ÖVP, Agnesstraße 1, 3400 Klosterneuburg

5. Martina Diesner-Wais, ÖVP, Pürbach 96, 3944 Schrems

6. Juliane Lugsteiner, SPÖ, Fourlanigasse 17, 2604 Theresienfeld

7. Werner Herbert, FPÖ, Schloßparksiedlung 35, 2433 Margarethen am Moos

8. Kurt Strohmayer-Dangl, ÖVP, Matzles 39, 3830 WaidhofenIThaya

9. Friedrich Hensler, ÖVP, Untere Hauptstraße 4, 2471 Hollern

10. Christa Vladyka, SPÖ, Marienheimgasse 8/7/1, 2460 Bruck an der Leitha

11. Bettina Rausch, ÖVP, Neustift 19, 3375 Krummnußbaum

12. Elisabeth Kerschbaum, GRÜNE, Albrechtsgasse 2/16, 2100 Korneuburg

Als Ersatzmitglieder wurden gewählt:

1. Marianne Lembacher, ÖVP, Wilhelmsdorf 25, 3712 Maissau

2. Dr. Martin Michalitsch, ÖVP, Josef Plangger-Straße 25, 3032 Eichgraben

3. Herbert Thumpser, SPÖ, Perlmooserau 2b, 3160 Traisen

4. Michaela Gansterer, ÖVP, Donaulände 27, 2410 Hainburg

5. Karl Moser, ÖVP, Nächst Altenmarkt 1, 3683 Yspertal

6. Ernst Winter, SPÖ, Pulkauer Straße 7, 3743 Röschitz

7. Edmund Tauchner, FPÖ, Markt 2112, 2880 Kirchberg

8. Jürgen Maier, ÖVP, Adolf Fischer-Gasse 1/5, 3580 Horn

9. Franz Grandl, ÖVP, Kleindurlas 9, 3074 Michelbach

10. Renate Seitner, SPÖ, Melker Straße 21, 3512 Mautern


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 14

11. Anton Erber, ÖVP, Rogatsboden 17, 3251 Purgstall

12. Ing. Martin Litschauer, GRÜNE, Plesserstraße 1/8/2, 3830 Waidhofen/Thaya

St. Pölten, am 10. April 2008

Der Präsident des Landtages von Niederösterreich:

Hans Penz“

*****

09.04.56Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsident Helmut Kritzinger: Die neuen Mitglieder beziehungsweise die wiederge­wählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher so­gleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.05.31

Schriftführer Helmut Wiesenegg: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch den Schriftführer Wiesenegg leisten die Bundesräte Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich), Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich), Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich), Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich), Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich), Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederös­terreich), Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich), Walter Mayr (ÖVP, Niederös­terreich), Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich), Bettina Rausch (ÖVP, Niederös­terreich), Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich), Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich) und Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 


Präsident Helmut Kritzinger: Ich begrüße die neuen und die wiedergewählten Mitglie­der des Bundesrates auf das Herzlichste. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätinnen und Bundesräte gratulieren den neuen Mitgliedern des Bundesrates.)

Meine Damen und Herren, bevor wir zur Fragestunde gelangen, möchte ich Herrn Bun­desminister Faymann recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.08.29Fragestunde

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Ich weise darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vize­präsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

 


Präsident Helmut Kritzinger: Ich beginne jetzt – um 9.08 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 15

Wir kommen zur 1. Anfrage, 1615/M, an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Kaltenbacher, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Minister! Mei­ne Frage lautet:

1615/M-BR/2008

„Was kann vonseiten der Forschung zur Erreichung der Klimaschutzziele beigetragen werden?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren des Bundesrates! Die For­schung hat in der Vergangenheit beim Klimaschutz – und das lässt sich am Beispiel des Verkehrs, aber natürlich auch der Raumwärme und der Energiegewinnung sehr deutlich nachvollziehen – durch den technischen Fortschritt vieles an tatsächlicher CO2-Reduktion bewirkt.

Wenn sich der Verkehr in den letzten 20 Jahren auf unseren Straßen verdoppelt hat, sich der CO2-Ausstoß aber, wenn man den Tanktourismus wegrechnet, der ein eige­nes Kapitel ist, nur um geringe Teile erhöht hat, dann heißt das, dass sich der CO2-Ausstoß etwa im Verkehr, im Autobereich, im Pkw- und Lkw-Bereich halbiert hat.

Das wäre ohne Forschung, Entwicklung und damit technischen Fortschritt nicht mög­lich gewesen.

So ist es natürlich auch unsere Aufgabe heute, für Gegenwart und Zukunft festzulegen, in welchen Bereichen des Pkws, der technischen Entwicklung des Lkws, aber natürlich auch der Schifffahrt und des Flugverkehrs wir als Österreicher unsere Automobilindus­trie, unsere Industrie in der Luftfahrtforschung mit ganz konkreten Programmen für For­schung und Entwicklung unterstützen können, die wir gemeinsam festgelegt haben. Es sind zwar drei Ministerien betroffen, aber durch enge Abstimmung und enge Koordi­nation gibt es sowohl Programmlinien bei der Automobilindustrie als auch gemeinsame Programmlinien etwa bei der Luftfahrt oder der Telematikanwendungen, bis hin zur Steuerung des Schiffverkehrs auf der Donau – sehr detailorientiert! –, die ich Ihnen jetzt alle auflisten und natürlich auch zur Kenntnis bringen könnte.

Ich möchte aber allgemein noch zwei Bemerkungen dazu machen: Es ist derzeit eine wichtige Diskussion für uns auf europäischer Ebene, bei der Neuzulassung von Pkws ebenfalls solche Schadstoffgrenzen vorzugeben, die uns helfen, insgesamt CO2 zu re­duzieren.

Auch der viel und hart diskutierte Biokraftstoff, also neue Formen von Kraftstoffen, neue Formen, neue Entwicklungen bei Motoren werden in Zukunft mithelfen, eine CO2-Reduktion zustande zu bringen.

Noch lieber als diese Diskussion ist mir natürlich die Diskussion über die Vermeidung von Verkehr und die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Auch hier gibt es Forschungsprojekte, die mithelfen, den kombinierten Verkehr zu unter­stützen, Telematiksysteme, die den Verkehr flüssig gestalten, um Stop-and-go-Effekte auszuschalten. Auch da gibt es also eine Reihe von sehr wichtigen Forschungspro­grammen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 16

In meinem Bereich sind die Programmlinien „Haus der Zukunft“, „Fabrik der Zukunft“ und „Energie der Zukunft“ mit ganz konkreten Projekten jeweils zwischen 240 Projek­ten beim „Haus der Zukunft“ und 120 Projekten bei „Energie der Zukunft“ mit dement­sprechenden Mitteln aus meinem Ressort dotiert. Sieht man sich die Althaussanierung etwa als Beispiel an, dann sieht man, dass die Energieeffizienzoffensive in diesem Be­reich so deutlich ist, dass man sich ganze Kraftwerke sparen kann, wenn man in die­sem Bereich flächendeckend die Potentiale nutzt.

Aber auch die Entwicklung etwa der Elektromotoren ermöglicht uns effizientere Moto­ren, Pumpen, Ventilatoren, angepasste Laufzeiten und optimale Steuerungen. Auch hier hat Österreich einen wesentlichen Anteil. Es sind sehr renommierte Firmen, etwa die in Seibersdorf – um ein Beispiel zu sagen –, eine unserer bedeutendsten außeruni­versitären Forschungseinrichtungen, an dieser Entwicklung ganz massiv beteiligt. Hier ist natürlich auch die Frage der Entwicklung etwa der Batterie – der Größe, des Ge­wichts – und damit der Auswirkungen, kombiniert mit Elektroentwicklungen, Hybrident­wicklungen oder Kraftstoffen, einer der bedeutendsten.

Ich kann daher sagen, dass wir als Österreicher nicht darauf warten, bis in anderen Ländern Europas oder international Forschungsergebnisse zustande gebracht werden, die uns helfen, die Klimaschutzziele zu erreichen, sondern wir können mit unseren Pro­grammen sehr detailliert und engagiert mit unserer Industrie gemeinsam nachweisen, dass auch wir Österreicher einen sehr aktiven Beitrag bei der Forschung leisten.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister, Sie haben schon die Biokraftstoffe angesprochen.

Meine Frage: Welche Initiativen setzen Sie in Zukunft im Bereich der Forschung be­züglich der Biokraftstoffe der zweiten und dritten Generation?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ihre Frage ist sehr berechtigt und hat auch einen sehr aktuellen Hintergrund. Sie alle wissen, dass es sich bei den Biokraftstoffen, die wir auch im Regierungsprogramm als Beimischung festgelegt haben – mit einem erreichbaren Ziel, wie wir meinen, bis 2010 von 10 Prozent – um Beimengungen der ersten Generation handelt.

Die erste Generation – das ist in vielen öffentlichen Diskussionen, aber auch von der Wissenschaft klargestellt worden – hat eine Fülle von Nachteilen. Nun muss man aber auch kurz den Vorteil erwähnen: Wir haben bisher 1 Million Tonnen CO2-Reduktion durch diese Beimengung der Kraftstoffe erreicht und wissen, dass wir bei Erreichung des 10 Prozent-Zieles 2 Millionen Tonnen CO2 reduzieren können. Bei dem, wie weit wir vom Ziel entfernt sind, brauchen wir natürlich all diese Entwicklungen.

Es ist aber auf Grund der Entwicklung der Nahrungspreise international und der Nah­rungsmittel, von denen wir wissen, dass sie einerseits in vielen Ländern der Welt sehr knapp geworden sind, andererseits durch diese Verknappung die Preissteigerungen nicht nur im heurigen Jahr zu erwarten und bereits eingetreten, sondern auch für die nächsten Jahre zu erwarten sind, eine Diskussion entstanden, die Forschungsmittel in diesen Bereichen – und das machen wir ganz konkret im Rahmen der FFG und auch unserer Einrichtungen – zu erhöhen, um die zweite und dritte Generation zu forcieren.

Das heißt, es geht dann nicht mehr darum, Nahrungsmittel etwa direkt einzusetzen, sondern geringe Anteile oder irgendwann gar keine Anteile von direkten Nahrungsmit­teln mehr einzusetzen. Von der Forschung sind uns im Bereich der Zellstoffe oder viel­leicht sogar später der Abfälle von den Ergebnissen sehr vielversprechende Entwick-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 17

lungen bekannt gegeben worden. Wir rechnen damit, dass wir innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre durch gezielte Unterstützung der Forschung in diese wichtige Phase kommen: weg von der Diskussion über Nahrungsmittel hin zu einer Diskussion über Zellstoffe oder die Nutzung von Abfällen, die natürlich beide Effekte erfüllen würde.

Sie würde den Kritikern entgegenwirken, die uns zu Recht darauf aufmerksam ma­chen, dass dieser nächste Forschungsschritt wichtig ist, und Sie würden trotzdem im Einvernehmen mit der Landwirtschaft eine Entwicklung zustande bringen, die man nur begrüßen kann, denn wenn man so Programme startet, muss man jenen, mit denen man die Programme startet, auch eine gewisse Sicherheit einräumen. Und daher glau­be ich, dass die erste Generation notwendig war, aber dass wir alles zu unternehmen haben, um möglichst rasch die zweite und die dritte Generation zu entwickeln.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Ihren bisherigen Antworten entnehme ich nicht, dass Sie irgendeine Änderung des Systems direkt planen, sondern Sie ändern jetzt nur die Namen des Treibstoffs.

Meine Frage jetzt zur Strategie insgesamt: Bis wann ist mit einem Beschluss über eine Strategie und ein Jahresprogramm 2008 des Klima- und Energiefonds zu rechnen, da­mit seine grundlegende Förderausrichtung endlich klar definiert wird?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Der Energie- und Klimafonds, bestehend in einer Kooperation von mehreren Ministerien, hat sowohl ein Präsidium aus Vertretern der Ministerien als auch einen Expertenbeirat. Beide haben als Strategie festgelegt – wenn auch noch nicht endgültig, und man wird dann noch sicher ein paar Monate brauchen, bis es endgültig festgelegt wird –, dass der Anteil der Forschung maximal gefördert werden soll.

Es ist so, dass wir an Forschungsprojekten im Energie- und Klimafonds aber gar nicht ausreichend Projekte – qualitativ ist natürlich schon eine gewisse Norm eingezogen! – zur Verfügung haben und daher auch nicht die Möglichkeit, einige Entwicklungen zu unterstützen, die über die Forschung hinausgehen. Ich darf das dann vielleicht bei anderen Anfragebeantwortungen heute noch erzählen.

Es gibt Projekte etwa im Nahverkehr, die mir zum Beispiel ein besonderes Anliegen sind. Derzeit werden Projekte auch im Bereich der Solarenergie etwa oder der Förde­rung im Zusammenhang mit Solardächern diskutiert. Also, vom Prinzip her ist die Stra­tegie geklärt: Es sollen Forschung und Entwicklung auf hoher Qualität vom Energie- und Klimafonds weiter gefördert werden.

Wenn aber Mittel zur Verfügung sind – ich glaube, dass sie noch eine Zeit lang zur Verfügung sein werden –, dann sollen es nicht reine Forschungsgelder im engeren Sinn sein, sondern durchaus auch Entwicklungsgelder, mit denen Pilotprojekte etwa im Bereich des Nahverkehrs, die für uns ganz große Bedeutung für die Energie- und Um­weltpolitik haben, forciert werden.

Ich glaube, dass sich in groben Zügen und anhand der Beschlussfassungen, die es im Energie- und Klimafonds schon gibt, sehr genau zeigen lässt, dass die Strategie stimmt. Die „Detailausformulierung“ – das ist ja eine neue Einrichtung in unserer Repu­blik – wird in den nächsten Monaten erfolgen, aber vom Prinzip her ist das eigentlich gut auf Schiene.

Es geht nicht nur um eine Umbenennung der Treibstoffe. Es ist ein Unterschied, ob man Mais braucht, um einen Treibstoff zu erzeugen, oder ob man etwa Holzmaterial


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 18

oder Abfall dafür verwendet. Das ist keine Umbenennung, sondern da besteht ein we­sentlicher Unterschied, der den Kritiken Rechung trägt, die dahin gehen, dass man auf Dauer die Nahrungsmittelpreise und die Entwicklung der Nahrungsmittelpreise nicht gegen das Thema Energie ausspielen darf, sondern dass man einen Weg finden muss, wo beidem Rechnung getragen wird.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1611/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Tiefnig, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Minister! Mei­ne Frage lautet:

1611/M-BR/2008

„Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um eine Reduktion der Schadstoffemissio­nen im Verkehrsbereich zu erreichen?“

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Herr Bundesrat! Der eine Bereich, über den ich schon sehr lange reden durfte, ist der Be­reich Forschung und Entwicklung. Darüber hinaus gibt es natürlich Bereiche der Um­setzung von Maßnahmen, wo es mir ein besonderes Anliegen ist, den öffentlichen Ver­kehr zu unterstützen. Die Ökologisierung der Lkw-Maut und die Erhöhung der Kosten auf der Straße für Transit gehören zu jenen Maßnahmen, mit denen der öffentliche Verkehr unterstützt werden kann.

Wieso ist das eine wesentliche Maßnahme? – Der Verkehr – der Verkehr auf der Schiene, auf der Straße und in der Luft – befindet sich in gewisser Weise in einem Wettbewerb, sowohl im Güterbereich als auch bei den Personen, die frei entscheiden, ob sie mit dem Flugzeug ein Ziel ansteuern oder mit dem Auto oder der Bahn dorthin fahren.

Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind nur dann möglich, wenn auch auf der an­deren Seite Kostenwahrheit gegeben ist, etwa beim Flugverkehr, wo über Emissions­zertifikate auf europäischer Ebene die ersten Fortschritte erzielt werden. Es ist daher notwendig, zu Kostenwahrheit zu kommen.

Das ist meiner Ansicht nach vor allem beim Transit notwendig, der weiter zugenommen ist. In Österreich sind im Transitbereich 54 Prozent der Lkws ausländische Lkws, und zwar auch aufgrund des von uns so begehrten Wirtschaftswachstums in den neuen Ländern der Europäischen Union. Sozusagen die Schattenseite dieses Wirtschafts­wachstums ist, dass dadurch das Verkehrsaufkommen enorm gestiegen ist.

Es sollte dafür gesorgt werden, dass nicht so viele Produkte quer durch Europa trans­portiert werden oder dass sie, wenn sie schon quer durch Europa transportiert werden, möglichst auf der Schiene transportiert werden. Das verlangt natürlich zwei Maßnah­men: Das eine ist ein optimales Angebot auf der Schiene – das sind der Kombinierte Verkehr, die Rollende Landstraße, der Ausbau der Hauptstrecken. Der Ausbau der Südstrecke, die heute in einer anderen Anfrage noch einmal zur Diskussion ste-
hen wird, ist ein ganz besonderer Punkt, weil es einen Unterschied macht, ob ich Wien–Klagenfurt innerhalb von viereinhalb oder zwei Stunden schaffe. (Bundesrat Mag. Klug: Genau so ist es! Bravo!) Es macht einen Unterschied, ob ich für die Spedi­teure Verlässlichkeit und ausreichende Kapazität zustande bringe, etwa auch durch den Brenner-Basistunnel oder andere Projekte.

Wenn ich dieses Angebot im öffentlichen Verkehr habe, wenn ich es schaffen kann, etwa im Güterbereich, dann muss ich auf der anderen Seite dafür sorgen, dass der Transit auf der Straße mehr kostet.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 19

Daher ist die Lkw-Maut erhöht worden – das war im Rahmen der Europäischen Union um 4,2 Cent pro Kilometer möglich. Es ist die Anpassung der Mauttarife bereits be­schlossen worden, und es ist die Ökologisierung der Lkw-Maut im Rahmen des Mögli­chen, also tarifliche Besserstellung für schadstoffärmere Lkw, ebenfalls zustande ge­kommen. Der große Unterschied zur Schweiz besteht aber darin, dass die Schweiz die doppelte Maut in diesem Bereich einhebt und damit sehr große Erfolge erzielt hat.

Österreich ist das deshalb nicht oder noch nicht gelungen, weil die Verhandlungen in der Europäischen Union erst am Anfang stehen. Das heißt, im Juni kommt dazu ein Gutachten, das die Kommissare eingeholt haben, und die dafür verantwortlichen Kom­missionen werden dieses Gutachten vorlegen, wie sie die Internalisierung externer Kosten, wie sie sagen, zuwege bringen wollen.

Im Zusammenhang mit der Diskussion auf europäischer Ebene über diese Kosten­wahrheit, wie ich sie nenne, muss uns klar sein, dass die Alpenländer im Großen und Ganzen auf unserer Seite stehen, dass es aber andere Länder in der Europäischen Union gibt, die geographisch eine stärkere Randlage haben, die etwa weniger Berge als wir haben und die daher viel leichter, als wir das zum Beispiel im Inntal überhaupt machen könnten, Ausweichstraßen und Umgehungsstraßen bauen können.

Ich denke, dass es in diesem Zusammenhang eine intensive Diskussion in der Euro­päischen Union geben wird.

Ich kann berichten, was ich getan habe: die maximale Erhöhung der Maut, die inner­halb der Wegekostenrichtlinie möglich ist. Ich kann berichten, dass die Ökologisierung der Maut sehr sinnvoll ist, aber ich kann noch nicht berichten, dass es uns gelungen ist, auf europäischer Ebene die weiteren Ziele durchzusetzen.

Wenn man sich die Maßnahmen ansieht, die wir als Mitglied der Europäischen Union, aber unabhängig von weiteren Beschlüssen in der Europäischen Union selbst setzen können, so sind das gemeinsame Maßnahmen mit den Ländern: einerseits Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – da ist insbesondere der Nahverkehr in den Städten zu erwähnen –, andererseits ist es aber auch im Zusammenhang mit dem IG-Luft möglich, bei Verkehrsbeeinflussungsanlagen dann, wenn Schadstoffgrenzen überschritten wer­den, „herunterzuregeln“. Da ist sehr wohl eine Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern national auch ohne weitere europäische Entwicklungen möglich, die wir auch sehr massiv betreiben.

Spritsparendes Fahren und andere Programme, die wir bereits bei der Ausbildung von Fahrschülern anwenden: Es ist ein Entwurf für eine Durchführungsverordnung im Rah­men des Führerscheingesetzes für das zweite Quartal vorgesehen.

Also dort, wo wir Möglichkeiten haben, national oder in Kooperation mit den Ländern Schwerpunkte zu setzen, um Schadstoffemissionen im Verkehrsbereich zu reduzieren, machen wir das. Uns muss aber klar sein, dass es sich dabei um ein internationales Thema handelt und dass wir daher einerseits beispielgebend sein sollten bei den Maß­nahmen, die wir selbst setzen können, andererseits unsere Stimme erheben sollten in der Europäischen Union und in der internationalen Diskussion. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Bravo, Herr Minister!)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Planen Sie auch, Maßnahmen zu setzen für Pkw dahin gehend, diese zu kennzeichnen bezüglich ihres Schadstoff­ausstoßes?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Es soll auf europäischer Ebene eine derartige Kennzeichnung erfolgen. Wir haben ja bei


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 20

der NoVA eine Abstufung im Zusammenhang mit dieser, wenn man so will, Kennzeich­nung vorweggenommen.

Es sollen auf europäischer Ebene sowohl die Grenzen festgelegt werden als auch eine möglichst einheitliche Kennzeichnung in Europa erfolgen. Ich setze mich sehr dafür ein, weil ich glaube, man sollte das sowohl bei Lkw, wo das auch gilt und wo das leich­ter kontrollierbar ist, weil ja manche Länder mithelfen, schadstoffärmere Lkw zu be­günstigen – ich denke etwa an Nachtfahrverbote; da ist natürlich eine klare Kennzeich­nung auch für die Kontrolle besser –, als auch bei Pkw machen. Das entspricht ganz unserem Vorhaben und ist auch auf europäischer Ebene anerkannt.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Minister, meine Frage lautet: Wie unterstützt Ihr Ministerium die Länder und Gemeinden im Bereich des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Wer­te Frau Bundesrätin! Beim öffentlichen Verkehr gibt es aus einem bestimmten Grund eine Kompetenzaufteilung. Die wesentliche Einnahme aus dem Pkw-Bereich ist die Mineralölsteuer. Die Länder erhalten einen bestimmten Anteil an der Mineralölsteuer. Das heißt, bei der letzten Erhöhung der Mineralölsteuer, die uns nicht leicht gefallen ist, denn wir alle wissen, wie viele Familien ganz genau auf den Benzinpreis schauen – die Entwicklung der Ölmärkte können ja wir in Österreich nahezu nicht beeinflussen; unser Einfluss auf den Benzinpreis erfolgt nur über die Mineralölsteuer –, haben auch die Länder etwas bekommen.

Wir haben die Mineralölsteuer, wie ich meine, engagiert erhöht, aber jetzt versprochen, dass damit Schluss ist. Ich bin sehr darauf bedacht, das bis zum Ende der Legislatur­periode auch so durchzuhalten. Von der letzten Erhöhung der Mineralölsteuer haben aber, wie bereits gesagt, auch die Länder durch eine Erhöhung ihrer Anteile profitiert, so wie auch der Bund insgesamt von der Mineralölsteuer und der Mehrwertsteuer profi­tiert.

Diese Einnahmen, die bundesweit mehr als 5 Milliarden € ausmachen – davon macht der Tanktourismus mehr als 1,5 Milliarden € aus –, kämen ohne Straßen nicht zustan­de, weil man ja ohne Straßen schwer eine Mineralölsteuer einheben könnte. Das heißt, durch die Investitionen in die Straßen kann die Mineralölsteuer eingehoben worden, aber wir brauchen die Mineralölsteuer dringend für den öffentlichen Verkehr.

Bei diesem öffentlichen Verkehr geht es um Programme, die mit den Ländern gut ab­gestimmt sind – das steht heute noch mehrfach bei anderen Anfragen zur Diskussi-
on –, insbesondere betreffend die großen Linien, etwa die West- und die Südstrecke. Das bringt auch dem Nahverkehr sehr viel, weil damit erst freie Kapazitäten für den Nahverkehr geschaffen werden, denn zusätzliche Gleise bewirken, dass auch im Nah­verkehr mehr Kapazität entsteht. Ein zusätzlicher Ausbau dieser Strecken bewirkt, dass man auch im Nahverkehr eine Halbierung der Fahrzeit erreicht – etwa auf der Südstrecke. Es gibt hier also Maßnahmen im Rahmenplan, die allen, auch dem Nah­verkehr, enorm zugute kommen.

Weiters gibt es die Bestellerförderung, die ebenfalls mit den Ländern abgestimmt wird, wo wir eine Reihe von Mitteln erhöht haben, um vor allem im urbanen Bereich, also im Schnellbahnbereich, durch Bestellerförderung unseren Anteil und den Anteil der Län­der gemeinsam einzusetzen, um den Nahverkehr zu unterstützen.


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Wenn Sie mich als Verkehrsminister fragen, muss ich sagen: Ich bin in meinem eige­nen Bereich engagiert genug, um zu sagen, ich hätte natürlich gerne noch mehr An­teile aus der Mineralölsteuer, um noch mehr Projekte in Graz, Salzburg, Innsbruck zu unterstützen, weil ich glaube, dass etwa in Salzburg, in Graz mit der Schnellbahn, aber auch in Innsbruck die Konzepte fertig in der Tischlade liegen. Hätten wir schon vor 15 Jahren diese Konzepte verwirklicht, müssten wir weniger Zertifikate kaufen und müssten wir uns weniger mit den Zielerreichungen betreffend CO2 herumschlagen.

Daher hoffe ich, dass neben den Investitionen, die ich aus dem eigenen Budget tätigen kann, und neben den Investitionen, die ich über den Energie- und Klimafonds für den Nahverkehr ermöglicht habe, weitere Anteile mit Hilfe des Finanzministers zustande kommen. Hier gibt es ja ein wunderbares Beispiel, das ich als Wiener besonders gut kenne, das ist die Wiener U-Bahn. Ich habe immer gesagt, wir Wiener brauchen die U-Bahn, sie hat auch enorm viel an CO2-Reduktion gebracht und den Anteil des öffent­lichen Verkehrs stark erhöht. In Wien ist der Anteil jener, die täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, deutlich höher, weil dieses Angebot da ist. Und solch leistungs­fähige Angebote, wenn auch nicht überall eine U-Bahn, brauchen wir auch in den an­deren Städten Österreichs.

Also, ich kann Ihnen ein detailliertes Programm darüber vorlegen, was wir tun, würde mir aber wünschen, in Verhandlungen mit dem Finanzministerium und den Ländern – mit einigen Bundesländern gibt es schon Termine – noch ein bisschen mehr Anteile der MöSt zu bekommen, um in den Ballungsräumen verstärkt in den öffentlichen Ver­kehr investieren zu können.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte zurückkommen auf das Thema Lkw-Maut, das Sie schon angesprochen ha­ben. Eine solch flächendeckende Maut nach Schweizer Vorbild hätte für uns natürlich viele Vorteile.

Sie haben schon erwähnt, dass Sie in diesem Punkt noch keine Erfolgsmeldung brin­gen können. Haben Sie einen Zeitplan, oder welchen Zeitrahmen stellen Sie sich vor, um hier ein Ergebnis vorlegen zu können?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Der Erfolg war, dass wir die Lkw-Maut mit 1. Juli 2007 um 4,2 Cent pro Kilometer erhöht haben, dass wir die Ökologisierung in unserem erlaubten Rahmen durchgeführt haben und dass wir die jährliche Anpassung dort vornehmen können. Im Hinblick auf den Erfolg in der Schweiz, den ich mir auch für uns wünsche und den Sie angesprochen haben, beginnt die Diskussion im Juni in der Europäischen Union, im Rat. Im Rat, sicher dann auch im Umweltrat, aber natürlich im Verkehrs­ministerrat, wird eine Studie vorliegen, die auslotet, wie man die Wegekostenrichtlinie verändern könnte.

Die Wegekostenrichtlinie, der damals auch Österreich zugestimmt hat – wie ich meine, nicht gerade erfreut, aber doch zugestimmt hat –, hat in einem Punkt einen großen Nachteil: Je mehr Verkehr auf einer Straße ist, umso weniger dürfte man eigentlich ver­langen. Die Wegekostenrichtlinie hat also umweltpolitisch gesehen einen Nachteil: dass man viel Verkehr belohnt, wie das bei einem Rabatt der Fall ist. Das müsste in die andere Richtung gehen.

Insbesondere die Alpenländer haben es nicht so leicht wie etwa Holland oder andere vergleichbare EU-Länder, die sagen: Gut, wenn so viel Verkehr ist, dann kann man ja billiger werden, denn man kann ja eine andere Straße dazubauen!, denn bei uns ist


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das gar nicht so leicht möglich. Die Investitionen in den Brenner-Basistunnel zum Bei­spiel haben eine ganz andere Dimension, als wenn man auf dem flachen Land irgend­wo eine Straße dazulegt. Daher meine ich, dass wir hier eine intensive Diskussion zu erwarten haben.

Ich kann Ihnen sagen, wann es losgeht: Losgehen tut es im Juni. Aber wie es ausgeht und vor allem, wann die Alpenländer, die hier gemeinsam vorgehen – manche betonen die Alpentransitbörse stärker, ich betone eher die Maut –, ihr gemeinsames Ziel, näm­lich weniger Transitverkehr, erreichen, weiß ich nicht. Verschiedene Maßnahmen, wahrscheinlich ein Puzzle an Maßnahmen werden wir ab Juni sehr intensiv am Bei­spiel der Wegekostenrichtlinie diskutieren.

Wenn ich Ihnen bei so vielen Ländern, die sich an dieser Diskussion beteiligen wer­den – wahrscheinlich fast alle europäischen Länder –, sagen könnte, wann es aus ist und wie es ausgeht, wäre ich ein Hellseher. Ich kann Ihnen nur sagen, ich werde mich engagiert an dieser Diskussion beteiligen. Ich rechne damit, dass diese Diskussion in den nächsten ein, zwei Jahren geführt werden wird, und hoffe auf ein Ergebnis, das sich für Österreich lohnt.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1614/M, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Kerschbaum, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Ich hoffe, diese meine Frage beantworten Sie, denn das war jetzt keine Ant­wort auf die vorherige Frage.

1614/M-BR/2008

„Wurde für die Hochleistungsstraßen-Verbindung Wien–Prag eine Prüfung der volks- und betriebswirtschaftlich sinnvollsten Variante (Kleinhaugsdorf, Drasenhofen oder Reintal) vorgenommen, oder wollen Sie alle drei Varianten umsetzen?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Frau Bundesrätin, weil Sie sagen, dass das keine Antwort war: Ich habe Ihnen beantwortet, wie mein Standpunkt in der Europäischen Union zur Wegekostenrichtlinie aussieht.
Ich habe Ihnen auch beantwortet, wie jener der Alpenländer im Großen und Gan-
zen aussieht. Und ich habe Ihnen die Widersprüche zu den anderen Ländern ge-
sagt. Wenn Sie von mir verlangen, dass ich Ihnen vor Beginn einer Diskussion ein Ende einer Diskussion zusage, dann müsste ich ein Scharlatan sein. Sie haben ein Recht darauf, dass ich kein Scharlatan bin. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bun­desrates Ing. Kampl.)

Auf Ihre Frage, die Sie gestellt haben, ist deshalb eine konkrete Antwort möglich, weil wir dafür mitverantwortlich sind, zwar nicht für den Teil jenseits der Grenze, aber inner­halb unserer Grenzen, und ich möchte Ihnen daher kurz den aktuellen Stand berichten.

Im Verzeichnis 1 zum Bundesstraßengesetz 1971 – ich brauche nicht lange einzulei­ten, dass das natürlich im Bundesstraßengesetz festgelegt wird – ist die Verbindung Knoten Eibesbrunn–Wolkersdorf–Staatsgrenze bei Drasenhofen als „A 5 Nord Auto­bahn“ enthalten. Die Bundesstraße wurde im Jahre 1999 als Autobahn ins Bundesstra­ßengesetz aufgenommen und befindet sich in Umsetzung. Gemäß Prioritätenreihung im März 2007 wird der Südabschnitt bis 2010 fertiggestellt sein, der Nordabschnitt bis zur Staatsgrenze voraussichtlich bis 2013.


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Im Verzeichnis 2 dieses Bundesstraßengesetzes ist der Knoten Stockerau/West (A 22/S 5)–Hollabrunn–Staatsgrenze bei Kleinhaugsdorf als „S 3 Weinviertler Schnell­straße“ enthalten. Diese Bundesstraße wurde im Jahr 2006 nach Durchführung einer strategischen Prüfung im Verkehrsbereich als Schnellstraße ins Bundesstraßenge-
setz aufgenommen. Gemäß Prioritätenreihung vom März 2007 wird diese Verbindung schrittweise umgesetzt. Eine Gesamtfertigstellung bis zur Staatsgrenze wird für das Jahr 2020 avisiert und ist in den Rahmenplänen, dort, wo es heute bereits festgelegt wird, auch so enthalten.

Beide Projekte verfolgen neben der Anbindung von Tschechien an das hochrangige Straßennetz von Österreich vor allem die Versorgung regionaler Zentren sowie die Ent­lastung des stark belasteten untergeordneten Straßennetzes mit einer Vielzahl von be­troffenen Ortsdurchfahrten entlang der B 7, Korridor A 5, und der B 303, Korridor S 3. Beiden Projekten liegt eine Kosten/Nutzen-Untersuchung zugrunde, welche Trassen­verfahren, die zur A 5 und S 3 führten. Hierbei wurde auch die Alternative Korridor A 5, von Ihnen angesprochenes Reintal, geprüft und ausgeschieden.

Neben den naturschutzrechtlichen Problemen bei einer Trassenführung über Reintal wurden auch mehr Längen dieser Trassenführung bei Betrachtung der Strecken Wien–Prag, Brünn–Krakau im Vergleich zu einer Trasse über Drasenhofen angeführt.

Abschließend wird darauf verwiesen, dass der in der Anfrage genannte Begriff „Hoch­leistungsstraßen-Verbindung“ in der österreichischen Fachterminologie nicht definiert ist und möglicherweise nur irrtümlich verwendet wurde.

Sie sehen also, dass die Frage des Ausbaues der Strecke Wien–Prag in dem Bereich, in dem wir verantwortlich sind, sehr genau geprüft wurde, festgelegt wurde und sich in den Rahmenplänen so findet, wie ich soeben ausgeführt habe.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Es freut mich, dass Sie trotzdem gewusst haben, was ich unter „Hochleistungsstraße“ verstehe. Ich denke, das ist ein allgemein gebräuchliches Wort. Bei der Frage vorhin ging es aber um flä­chendeckende Lkw-Maut, und diese wurde nicht beantwortet. – Sei es, wie es sei.

Meine Zusatzfrage: Auf tschechischer Seite wird versucht, die Variante der E 52, die durch „Natura 2000“-Gebiet geht, als fix darzustellen. Die Bevölkerung hat Einwände, die EU-Kommission hat Einwände.

Von welcher Variante – oder von welchen Varianten – auf tschechischer Seite gehen Sie aus, wenn Sie jetzt sagen, es geht über Drasenhofen und über Kleinhaugsdorf?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ich glaube, Sie sind nicht überrascht, wenn ich sage, dass wir uns in die Diskussion nicht einmischen, weil sich in die Diskussion auf unserer Seite, wo wir das festzulegen hat­ten, auch niemand eingemischt hat. Ich habe daher persönlich das Vertrauen, dass die Nachbarn – mit denen ich natürlich in engem Kontakt stehe und sicher beim nächsten Verkehrsministerrat auch wieder mit ihnen darüber diskutiere – selbst und unabhängig von uns darüber befinden, für welche Variante sie sich entscheiden.

Ich weiß, dass das in diesen Tagen Thema bei den Regierungssitzungen unserer Nachbarn ist. Dieses Thema ist sehr umstritten. Es wäre letzte Woche schon auf der Tagesordnung gewesen, und es wurde verschoben. Ich kann Ihnen daher nicht sagen, ob sie es noch einmal verschieben. Aber die Diskussion ist in unserem Nachbarland jedenfalls sehr intensiv. Und ich glaube, das, was sich unsere Nachbarn jetzt am we­nigsten erwarten, sind Zurufe von uns. Die sind selbst in der Lage, sehr genau festzu-


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legen, wie einerseits ökologisch, umweltpolitisch, und andererseits wirtschaftlich eine Trassenführung auf ihrer Seite ausschauen sollte.

Wenn die Regierung die Strecke festgelegt hat, dann wissen wir, ob die Variante, die wir vorbereitet haben, zum Zug kommt oder ob eine Umplanung notwendig ist.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister, wie soll die Ausbauqualität der S 3 und der A 5 hergestellt werden? Soll das ein Vollausbau – zwei plus zwei Fahrstreifen – oder ein Teilausbau – zwei plus eins oder eins plus eins – wer­den?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Herr Bundesrat! Die A 5 wird im Vollausbau – das heißt zwei Mal zwei Fahrstreifen und Ab­stellstreifen – errichtet werden. Die S 3 soll entsprechend dem Verkehrsbedarf in den Neubauabschnitten nördlich von Hollabrunn als Halbausbau – das heißt mit zwei plus einer Fahrspur und baulicher Mitteltrennung – errichtet werden.

An der Bestandsstrecke südlich von Hollabrunn soll ein sicherheitstechnischer Ausbau erfolgen. Diese Ausbaupläne berücksichtigen auch die Situation in Tschechien: In Fort­setzung des Korridors der S 3 fehlt der Ausbau von zirka 95 Kilometern, in Fortsetzung des Korridors A 5 fehlt der Ausbau von zirka 25 Kilometern bis zu einem Lücken­schluss mit dem bestehenden hochrangigen Streckennetz in Tschechien. Das Ausbau­erfordernis in Tschechien stellt auch klar, dass hinsichtlich der überregionalen Funktion der Schwerpunkt bei der A 5 liegt.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage: Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Das System von Park-and-Drive-Anlagen ist besonders für Pendlerinnen und Pendler wichtig, weil es durch den Bau von Parkplätzen bei Autobahnauffahrten das Bilden von Fahrgemeinschaften ermöglicht.

Sie haben am 14. November gemeinsam mit Landeshauptmann Dr. Pröll eine Rah­menvereinbarung für Niederösterreich zur Errichtung von Park-and-Drive-Anlagen ge­schlossen.

Meine Frage an Sie: Wird bei der Neuerrichtung von Autobahnen und Hochleistungs­straßen dieses Konzept bereits in der Planung und im Bau umgesetzt?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Herr Bundesrat, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das ansprechen, weil ich glaube, dass das eine der kurzfristigen konkreten Maßnahmen ist, mit denen man Pkw-Verkehr sinn­voll im Pendlerbereich reduzieren kann.

 


Das ist ein Programm, wo sich anlässlich dieses Rahmenplanes und der Präsentation, die Sie erwähnt haben, die ASFINAG sich verpflichtet hat, bei Neuplanungen oder dort, wo es jetzt noch von der Planung her möglich ist, mit den Ländern Flächen zu suchen, die dieses Park and Drive ermöglichen, weil das, wie gesagt, eine jener Maßnahmen ist, die so selbstverständlich klingen: dass man sich, bevor von drei Personen jeder in einem Auto sitzt, zu dritt in einem Auto viel erspart. Aber oft ist ja das Einfache das Gute. Und in diesem Fall hat die ASFINAG anhand dieses vorbildlichen Beispiels des Rahmenplanes das in ihre Planung aufgenommen.


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Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1616/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Klug, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage, die ich als steirischer Bundesrat stelle, wird Sie mit an Sicherheit gren­zender Wahrscheinlichkeit nicht überraschen. Sie lautet:

1616/M-BR/2008

„Wann werden auch die Menschen, die in den Süden Österreichs reisen, wesentliche Verbesserungen in der Bahninfrastruktur verspüren?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ich danke Ihnen für diese Frage, die für mich deshalb eine erfreuliche Frage ist, weil wir hier im Zeitplan sind. – Für mich sind natürlich jene Fragen die unangenehmen, wo wir aus bestimmten Gründen nicht im Zeitplan sind, und die angenehmen diejenigen, wo wir beweisen können, dass wir die Vorhaben auch völlig in dem geplanten Tempo und mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet erreichen können.

Mit der 130 Kilometer langen Koralmbahn und andererseits mit der Trassenfindung, die gerade beim Semmering-Basistunnel mit Hochdruck im Gange ist, ist natürlich die Süd­strecke die wichtigste Hochleistungsstrecke, die in unserem Land noch in dieser Form ausgebaut werden kann. – Die Weststrecke ist schon weitgehend ausgebaut. Hier gibt es nur mehr Einzelmaßnahmen, die natürlich auch alle wichtig sind. Und man soll ja nicht die Weststrecke gegen die Südstrecke ausspielen, denn beide bilden, was die Hochleistungsstrecken betrifft, das Rückgrat Österreichs.

Aber die Südstrecke hat nun eine 15 Jahre lange Zeit von Versäumnissen hinter sich. Die Schweizer haben viel früher investiert. Ich freue mich aber, dass wir jetzt gemein­sam in der Regierung die finanziellen Mittel dafür beschlossen haben – die natürlich für uns gewaltig sind: Man kann sagen, dass von den 20 Milliarden €, die wir bis 2020 in die Bahn investieren, mindestens 50 Prozent der Mittel für den Ausbau der Südstrecke aufgewendet werden.

Das belastet unsere Generation und Sie alle, uns alle als die politisch Handelnden in dieser Generation natürlich ganz besonders. Aber zum Ausbau der Südstrecke durch den Koralmtunnel und durch die Großvorhaben, die notwendig sind, gehört natürlich vieles dazu – bis hin zum Hauptbahnhof, und auch noch viele kleinere Projekte, die am Weg der Südstrecke liegen. Und es gibt ja einige Diskussionen, ob nicht noch ein paar Projekte zur Südstrecke dazugehören würden.

Aber diese Investition von doch 7 oder 8 Milliarden € – nur die beiden Tunnel gerech­net –, auf heutiger Preisbasis, ist eine Investition, die wir im Rahmenplan voll im Zeit­plan vorgesehen haben. Die Bauvorbereitungen und damit auch die ersten konkreten Bauarbeiten und Vorbereitungsarbeiten bei der Koralmbahn konnte ich gemeinsam mit dem Landeshauptmann auch besichtigen und konnten wir auch der Öffentlichkeit be­reits vorstellen.

Und ich muss sagen, dass der Ausbau der Südstrecke zu den Bereichen gehört, von denen ich überzeugt bin, dass sie auch zu einer höheren Fahrgastanzahl insgesamt im Bahnverkehr, zu einer Verbesserung im Nahverkehr durch die genannten Kapazitäten und Zeiten führen werden, aber auch für den Güterverkehr von großer Bedeutung sind, sowohl im Hinblick auf Norditalien als auch deshalb, weil der Hafen Koper für uns ein so wichtiger Hafen für wichtige Bereiche der Wirtschaft, im Wirtschaftsaustausch mit unseren Nachbarländern und darüber hinaus geworden ist – vom Hafen Koper erfolgt


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ja der Weitertransport über Schiffe in die ganze Welt –, sodass diese steigende Bedeu­tung des Hafens Koper und damit auch der Ausbau der Südstrecke auch einen we­sentlichen Beitrag zur Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene leis­ten.

Die Fahrzeit von Wien nach Villach – das wissen Sie sicher, aber nicht alle fahren auf der Südstrecke, oder vielleicht fahren auch viele noch mit dem Auto, weil die Bahn dort ja noch gar nicht so richtig ausgebaut ist – beträgt heute im IC 4 Stunden und 14 Minu­ten für 472 Kilometer. Ab Dezember 2008 wird die Fahrzeit 3 Stunden und 58 Minuten betragen, also um 16 Minuten reduziert.

Gerade durch die beiden Großvorhaben, die im Rahmenplan enthalten sind, und durch die Anhebung der Streckenhöchstgeschwindigkeit zwischen Wien und Gloggnitz von 160 km/h auf 200 km/h beziehungsweise eine Streckenbegradigung zwischen Semme­ring-Südportal und Graz sollte dies dann letztendlich, wenn alles fertig und abgeschlos­sen ist, in einer Fahrzeit von 2 Stunden möglich sein.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage: Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Da Weichen und damit auch die Weichenstellung ebenfalls zur Infrastruktur gehören, darf ich eine Frage zur personellen Infrastruktur stellen. Aktuell überschlagen sich die Ereignisse um den Wechsel im Vorstand der ÖBB. Daher meine Frage an Sie:

Wie beurteilen Sie als Eigentümervertreter die derzeitige Situation sowie auch die Zu­kunft dieses Unternehmens, vor allem in Anbetracht dessen, dass es für viele fast den Anschein hat, dass die Eisenbahnergewerkschaft gleichzeitig auch das Unternehmen führt? (Heiterkeit bei der ÖVP und ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Stad­ler: Du bist ein bisschen ein Träumer!)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Herr Bundesrat, ich habe gar nicht gewusst, wie weit die Südstrecke reicht. (Heiterkeit.)

Das Aufsichtsratspräsidium, bestehend aus hoch qualifizierten Persönlichkeiten – etwa einem sehr erfolgreichen Unternehmer aus Vorarlberg, einem Wirtschaftsanwalt, einem langjährigen Generaldirektor einer großen, erfolgreichen Firma sowie auch einem Ver­treter aus meinem Ministerium –, hat seine Beschlüsse im Rahmen der Bestimmungen der vorhandenen, in einem Rechtsstaat üblichen Verträge bei Auflösung von Dienstver­trägen gefasst.

Ich habe allen Grund, hinter diesen Persönlichkeiten zu stehen, weil ich erstens dar­über froh bin, dass sie sich dieser gewissenhaften und sehr aufwändigen Arbeit des Aufsichtsratspräsidiums gestellt haben und weil sie es sich auch bei der Vorgangs­weise hinsichtlich der Auflösung von Verträgen – mit Übergangszeiten, mit Festlegung von Zeitpunkten, mit Teilarbeit, die noch auf Konsulentenebene zur Verfügung gestellt wird – nicht leicht gemacht haben, einen Plan zu entwerfen, wie wir von vier wieder auf zwei Vorstände reduzieren, um mit zwei Vorständen die Bahn zu führen.

Es ist für mich ganz unbestritten, dass die Führung der Bahn durch das Management erfolgt und der Betriebsrat seine Aufgaben als Betriebsrat wahrzunehmen hat, und ich stehe daher sowohl hinter dem Aufsichtsratspräsidium als auch hinter dem Manage­ment.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage: Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich werde jetzt keine Zusatzfrage zur Causa prima Ihrer Ressortverantwortung stellen, da wir ja heute noch Gelegenheit haben werden, ausführlich darüber zu sprechen.


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Meine Zusatzfrage betrifft daher das Thema der gegenständlichen Anfrage: Wann kön­nen Sie garantieren, dass es auch nach Graz einen Stundentakt und nach Klagenfurt einen Zweistundentakt gibt? Und welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit das öffentliche Bus-Bahn-Angebot verbessert wird, das in Kärnten letztlich, wenn man es mit Vorarlberg vergleicht, inexistent ist? – Wenngleich dieses natürlich in der Verant­wortung auch des Landes liegt, werden auch Sie als Verkehrsminister ja nicht die Augen verschließen, wenn in einem Bundesland der öffentliche Verkehr, die Kombina­tion von Bus und Bahn, im Grunde nicht existiert.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Herr Bundesrat, auch ich bin daran interessiert, dass einerseits durch den Bau der Süd­strecke und des Hauptbahnhofes überhaupt einmal die technischen Möglichkeiten für Taktfahrpläne insgesamt gegeben sind und verbessert werden. Damit sind viele Takt­fahrpläne – dies, einmal unabhängig von einem Bundesland, für alle Bundesländer – überhaupt erst durchführbar. Und das Bahnmanagement hat ja eine penible Auflistung gemacht, wie es vorhat, die Taktfahrpläne – mit dem neuen Hauptbahnhof, mit Fertig­stellung des Wienerwaldtunnels, dann in der Folge natürlich mit dem Ausbau der Süd­strecke – ganz neu zu gestalten aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten, die es damit zur Verfügung hat.

Wo ich Ihnen aber recht gebe, ist – und das gilt nicht nur für ein Bundesland –, dass die Abstimmung zwischen Schiene und Busverkehr oder die Abstimmung zwischen Nahverkehr, für den die Länder weitgehend selbst verantwortlich sind, meinen Bussen, den Bahn-Post-Bussen, und der Schiene in allen Bundesländern verbessert werden kann. Wir haben insbesondere beim Thema „Nebenbahn mit dem oder gegen den Bus?“ sehr viel Abstimmungsbedarf. Es gibt viele Bürgermeister, die sich viele neue Busverbindungen wünschen und gleichzeitig beklagen, dass die Nebenbahn Fahrgäste verliert.

Also in Abstimmung zwischen Bus, Sammeltaxis – die ich da auch dazurechne, also auch anderen Verkehrsmitteln –, Schnellbahnverbindungen und Bahnverbindungen ist es notwendig, verstärkt mit den Bundesländern aktiv zu werden. Ich sehe das in Kärn­ten, aber ich sehe das auch in anderen Bundesländern als eine Aufgabe, der wir uns sehr stark widmen. Ich habe bei mir im Ministerium einen Generalsekretär, der jetzt auch Sektionschef für Planung und Finanzen ist, der dieses Thema etwa vor einem halben Jahr zu bearbeiten begonnen hat und der mich ja auch mit darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir neben der Bestellerförderung, neben den Einzelzuschüssen für Pilotprojekte, etwa für Graz oder für Sammeltaxis in Klagenfurt, noch einiges mehr an Mitteln bräuchten, um noch stärker positiv einzugreifen, also mitzuhelfen, solche Pro­jekte voranzubringen und zu finanzieren.

Es existiert dazu eine Arbeitsgruppe. Herr Dipl.-Ing. Herbert Kasser ist derjenige, der das für mich leitet. Und je mehr Finanzierung ich zur Verfügung habe, umso mehr Recht habe ich auch, das voranzutreiben und nicht nur zu sagen, was ich machen würde, hätte ich die Länderkompetenz. Mir ist es lieber, wenn ich sage, welche Bei­träge ich leisten kann.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 1612/M, und ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Himmer um deren Verlesung.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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1612/M-BR/2008

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um im Rahmen der EURO 2008 eine Verlagerung der Besucherströme vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr zu erreichen?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Wer­ter Herr Bundesrat, „meine“ Eisenbahner sagen: Wir bringen alles auf die Schiene, was rollt!, manche sagen auch, es ist wie ein Silvester im Sommer. Wir versuchen, alles einzusetzen, was wir hier zur Verfügung haben. Sie wissen aber, dass wir auch bei der Bestellung etwa von Waggons und von anderem Wagenmaterial für den Betrieb ein bisschen einen Nachholbedarf haben. Ich gehöre daher nicht zu jenen, die sagen: Es ist ja alles kein Problem, bitte mehr solche Veranstaltungen, denn wir sind gut ausge­rüstet!, sondern das ist eine wirkliche Kraftanstrengung, zum Teil mit Material, das erst in den letzten zwei Jahren bestellt wurde, nicht ausschließlich in dieser Amtsperiode, auch in der letzten, das aber eben erst seit Kurzem überhaupt vorhanden ist, wobei viele Bestellungen auch noch gar nicht eingetroffen sind – denn es ist ja auch da nicht so, dass man in ein Geschäft geht und Waggons kauft und diese gleich mitnimmt und auf die Schiene stellt, sondern auch das hat seine Vorlaufzeiten –, sodass wir hier na­türlich vom Material sehr knapp liegen.

Insgesamt bin ich für diese Frage sehr dankbar, weil natürlich die umweltfreundlichen Verkehrsträger am Gesamtverkehrsaufkommen bei der EURO 2008 den wesentlichen Anteil zu leisten haben.

Wir haben in meinem Ministerium gemeinsam mit dem Finanzministerium die Realisie­rung eines Kombitickets festgelegt und auch mittlerweile so vorbereitet, also eine Matchkarte als Fahrschein im Nah- und Fernverkehr am Spieltag und am folgenden Tag bis 12 Uhr in Österreich und in der Schweiz. Wir haben das damals gemeinsam festgelegt und auch so gemeinsam propagiert.

Das EURO-2008-Kombiticket wird in Österreich gemeinsam mit der UEFA realisiert, und dieses Kombiticket soll es den Tickethaltern erlauben, mit der Eintrittskarte 36 Stunden lang – am Matchtag plus eben bis 12 Uhr am folgenden Tag – die öffentli­chen Verkehrsmittel in den austragenden Regionen, aber auch im Fernverkehr zu be­nutzen, ohne dafür extra Fahrgeld entrichten zu müssen.

Es wird zusätzliches Angebot im öffentlichen Verkehr – das habe ich schon gesagt –mit allen maximalen Kapazitätsmöglichkeiten, die wir zur Verfügung haben, geben. – Wir haben keine spezielle Mautreduktion bei der ASFINAG vorgenommen, um damit nicht eine Konkurrenzierung zu dem von mir schon genannten bedeutenden öffentli­chen Verkehr zu schaffen.

Wichtig ist natürlich die Information – und da haben uns alle Kommunikationsexperten darauf hingewiesen –, dass das Entscheidende die im Zusammenhang mit der Inter­net-Buchung verfügbare Information – sowohl natürlich auf unserer Bahn-Seite als auch in Kooperation mit der Homepage der UEFA – ist, weil die Information zur Frage: Wie kann man in Österreich am besten vorankommen? – nämlich mit öffentlichen Ver­kehrsmitteln! –, von den Gästen, die zu uns kommen, in der Regel über das Internet abgefragt wird und wir daher versucht haben, dort die Information im höchstmöglichen Umfang zu gewährleisten.

Wir haben uns darüber hinaus auch für Nicht-Matchkartenbesitzer eine Reihe von Vor­teilen einfallen lassen und überlegt, wie es uns – ebenso wie in der Schweiz – gelingen kann, auch für jene, die zwar in dieser Zeit nach Österreich kommen und unsere Gäste


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sind, aber nicht zum Match gehen, einigermaßen zufriedenstellende Angebote für den öffentlichen Verkehr zu schaffen.

Mit den Städten und Ländern, die Austragungsort sind, gibt es gemeinsame Verkehrs­konzepte. Davon betroffen sind natürlich besonders etwa der jetzt fertig gestellte U-Bahnausbau und damit die Verknüpfung in Richtung Stadion in Wien.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Bundesminister, wie ist der Stand der Vorbereitungen des im Regierungsprogramm vorgesehenen Österreich-Tickets für alle öffentlichen Verkehrsmittel?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Rein technisch und von der rechnerischen Aufgabe her ist der Preis mit etwa 2 300 € auf Beamtenebene sehr weit gefasst. Mich besorgt trotzdem der hohe Preis. Die Schwei­zer sagen zu diesem Thema, dass es ihnen am Anfang, als sie ein solches Ticket ein­geführt haben, auch so ergangen ist. Dieses Ticket soll ja österreichweit für alle öffent­lichen Verkehrsmittel gelten, daher besteht viel Abstimmungsbedarf mit den Ländern, da die meisten, die zu einer solchen Besprechung eingeladen werden, gewissermaßen nicht gerade großzügig vorbereitet kommen.

Mit den Ländern gemeinsam eine Reduktion des Preises zustande zu bringen, ent­spricht dem Bohren harter Bretter. Das liegt gar nicht so sehr am politischen Wollen, als an den betriebswirtschaftlichen Zielen, die die einzelnen Verkehrsunternehmen ha­ben und die natürlich bei einem solchen Thema auch ins Gewicht fallen.

Mein Wunsch wäre es natürlich, unter 2 000 € zu kommen. Ich glaube, dass für viele Pendler und einige extreme Vielfahrer, die sehr viel unterwegs sind und auch in der Freizeit den öffentlichen Verkehr stark nutzen, diese preisliche Größenordnung, da es ja auch eine Pendlerpauschale und damit zusätzliche Unterstützungen gibt, ein interes­santes Angebot ist. Wenn es uns aber gelingt, in diesen so genannten Schlussver­handlungen von 2 300 € auf unter 2 000 € zu kommen, dann wäre für den Start der Aktion schon viel getan. Aber da koche nicht nur ich, sondern da kochen viele Ver­kehrsbetriebe und Verkehrsunternehmen in unserem Land, und wie Sie wissen, ist es mit dem gemeinsamen Kochen immer ein bisschen schwieriger.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, Sie haben meine Zusatzfrage bereits ausführlich beantwortet, sodass ich keine Frage mehr habe.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Danke schön.

Weiters hat sich Herr Bundesrat Dönmez zu einer Frage zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche Mehrkosten kommen auf die ÖBB aus dem Mehrangebot sowie aus den zu erwar­tenden nachfolgenden Sanierungsarbeiten an Rollmaterial und Bahnhöfen im Rahmen der EURO 2008 zu?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ich kann Ihnen die Mehrkosten nennen, die sich auf Grund der Ermäßigungen für diesen


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Zeitraum ergeben. Wir haben diese genau berechnet, denn wir mussten sie natürlich erheben, bevor wir gemeinsam mit der UEFA ein entsprechendes Angebot machen. Die Realisierung dieses zusätzlichen günstigen Angebots auch mit der Karte und die Ermäßigungen, die wir für die ÖBB-Vorteilscard für diesen Zeitraum gewährleisten, machen für mein Ministerium 6,7 Millionen € aus. Die UEFA beteiligt sich hier mit 1,2 Millionen €, und ein gewisser Anteil wäre dann noch für den zusätzlich vergünstig­ten Vorverkauf dazuzurechnen.

Für alle anderen Kosten, die Sie ansprechen, habe ich keine detaillierte Kostenschät­zung. Ich gehe aber davon aus, dass die EURO 2008 umgekehrt der Bahn auch etwas bringt. Wenn wir nämlich in Österreich beweisen können, wie stark unsere öffentlichen Verkehrsmittel sind – wenn auch bei einem solchen Sportereignis nicht 100-prozentig, aber doch in verstärktem Maß –, und es uns gelingt, dadurch mehr Städtebesucher und Gäste im Zuge des Sommer- oder Wintertourismus in unsere schönen österreichi­schen Gebiete zu bringen, weil sie das Land im Zuge dieser Werbeveranstaltung bei der EURO 2008 kennen gelernt haben, ihnen die Bahn gut in Erinnerung ist und sie diese daher auch nutzen, dann hat das auf der anderen Seite langfristig einen positi­ven Einnahmeneffekt.

Für diesen Einnahmeneffekt bin ich langfristig auch deshalb dankbar, weil die Österrei­cher und insbesondere auch die Pendler wissen sollen, wo wir wie bei der Bahn unter­wegs sind und wo wir noch etwas zu tun und auch auszubauen haben. Es soll aber auch für die Touristen bekannt sein, wie stark unserer Urlaubsland ist, und zu dieser Stärke gehört auch die Bahn.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Zu einem so großen Ereignis wie der EURO 2008 kommen geplanter­weise und wahrscheinlich darüber hinaus sehr viele Besucher. Das heißt, es wird or­dentlich etwas los sein! Es wird aber auch im Bereich der Handys viel los sein.

Daher meine Frage: Welche Vereinbarungen oder Maßnahmen haben Sie mit den Mo­bilfunkbetreibern getroffen, damit die Netze nicht zusammenbrechen für den Fall, dass Notrufe getätigt werden müssen?

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Das Bahn-Management hat bei seinen Besprechungen natürlich auch die Frage des Funk­tionierens von Notrufen mit Handys erörtert beziehungsweise generell Sicherheitspro­gramme für diesen Zeitraum erarbeitet. Ich bin gerne bereit, wenn Sie das im Detail interessiert, Ihnen diese Frage auch schriftlich zu beantworten. Ich weiß aber, dass das Teil der Kooperation im Zuge der Vorbereitungen war, weil natürlich nicht nur der Not­ruf, sondern darüber hinaus die Sicherheitsfrage generell auch bei der Bahn in diesem Zeitraum ein Schwerpunkt war.

Insgesamt mache ich mir betreffend das Funktionieren des Netzes während der EURO 2008 in der Bahn nicht zu viele Illusionen, denn ich fahre sehr viel mit der Bahn und ärgere mich jetzt schon oft, wenn die Verbindung ununterbrochen abbricht. Ich hoffe also, dass die technische Entwicklung auch bei der Bahn noch rascher Einzug hält.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen jetzt zur 6. Anfrage, 1618/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Kampl, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Bun­desminister! Meine Frage lautet:


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1618/M-BR/2008

„Werden Sie den dringend erforderlichen Vollausbau der S 37 zum Wohle der Bevölke­rung von Kärnten und Steiermark noch vor dem Jahr 2010 beginnen, damit die Ver­kehrssicherheit erhöht und die Umweltbelastungen gesenkt werden?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ver­ehrter Herr Bundesrat, die eine Frage, die Sie gestellt haben, betrifft den Ausbau an sich, der sehr wichtig ist. – Dazu möchte ich einiges festhalten.

Für den Abschnitt St. Veit – Klagenfurt wird derzeit eine Prioritätenreihung der Ausbau­maßnahmen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Verkehrssicherheit in Abstim­mung mit dem Land Kärnten mit dem Ziel erarbeitet, möglichst umgehend nach Ab­schluss der erforderlichen Behördenverfahren mit den ersten Baumaßnahmen für den Vollausbau zu beginnen.

Im Bereich St. Veit und Klagenfurt wurden bereits Maßnahmen zur Erhöhung der Ver­kehrssicherheit durchgeführt. Ebenso werden derzeit Lärmschutzmaßnahmen projek­tiert. Für den „Zwischenwässern“ genannten Bereich zwischen Hirt und Mölbling, den Sie sicherlich kennen, werden derzeit mehrere Trassenvarianten untersucht. Die Ent­scheidung über die endgültige Trassenlage soll bis Ende des Jahres 2008, also noch heuer, abgeschlossen sein. Der Baubeginn ist für 2012 vorgesehen.

In dem schwierigen Abschnitt von Scheifling bis Friesach werden derzeit umfangreiche Baugrunderkundungen als Grundlage für mögliche Trassenführungen durchgeführt. Eine Entscheidung über die Trassenführung soll im Frühjahr 2009 getroffen werden.

Ich möchte Ihnen aber auch etwas zum Baubeginn 2010 sagen: Dieser Termin ist aus heutiger Sicht und auch aus meiner Sicht nicht realistisch und war es vom ersten Tag an nicht. Daher auch meine Antwort: In den Bereichen für den vorgesehenen Sicher­heitsausbau durch die Anlegung einer Richtungsfahrbahn besteht eine UVP-Pflicht. Gemäß UVP-Gesetz werden für die gesamte S 37 daher mehrere Teilverfahren abzu­wickeln sein. Dafür sind entsprechende Zeiträume einzuplanen, und daher ist ein Bau­beginn vor 2010 aus Sicht meiner ASFINAG-Verantwortlichen derzeit nicht realistisch.

Ich habe mir vorgenommen, dass ich Ihnen, wenn ich in ein paar Jahren zu Ihnen in den Bundesrat komme und Sie mich an meine Antwort von heute erinnern, in die Augen schauen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Danke für das Angebot, Herr Minister!

Ich bitte noch um Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnis zwischen Autobahn und Schnellstraße ausgebaut werden soll. In welchen Bereichen ist welche Variante geplant?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Dazu gibt es eine sehr detaillierte Planung. Für die von mir erwähnten Abschnitte zwischen Hirt und Mölbling sowie zwischen Scheibling und Friesach wird die Entscheidung be­treffend die Zeitpläne, wie ich ausgeführt habe, erst getroffen werden. Es gibt auch für die Anschlussstelle Lassnitztal sowie betreffend den Lärmschutz generell, aber auch für die Ausbaustufen sehr detaillierte Vorbereitungen.


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Ich kann Sie gerne mit dem Verantwortlichen der ASFINAG zusammenbringen, um Sie auch über die Details zu informieren. Ich habe die Unterlagen zum Teil schriftlich mit, aber natürlich nicht alles. Die Einzelheiten werden gerade sehr detailliert bei der ASFINAG bearbeitet.

Wenn Sie ein bestimmter Teil hinsichtlich des Ausbaugrades besonders interessiert, dann bin ich gerne bereit, Ihnen das nach dem heutigen Stand der Dinge detailliert zu beantworten. Ich habe Ihnen ja schon in meiner ersten Antwort gesagt, wann in wel­chen Abschnitten was gemacht wird.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Inwieweit werden Sie sich die Empfehlungen aus dem letzten Bericht des Rechnungshofes bezüglich Umweltschutzmaßnahmen und Lärmschutzmaßnahmen beim Autobahnbau zu Herzen nehmen? – Der Rechnungshof empfiehlt, man möge Richtlinien schaffen, die entsprechende Prioritäten setzen und vor allem die volkswirt­schaftliche Kosten-Nutzen-Situation hinsichtlich solcher Strecken berücksichtigen, die einfach nur verwirklichbar sind, wenn umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen gesetzt werden.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Die Lärmschutzmaßnahmen sind ein sehr intensives Thema. Ich meine, der Rechnungshof hat die Frage der Lärmschutzwände zu Recht sehr genau unter die Lupe genommen, und zwar nicht nur die Planung und den Ausbau an sich, wobei auch viel zu ver­bessern ist, sondern schon die generelle Planung von vornherein, damit nicht zu viele Lärmschutzwände gebaut werden müssen.

Wir haben den Anteil der Investitionen für Lärmschutzwände im heurigen Jahr im Ver­gleich zum Jahr 2006 halbiert. Wir können also belegen, dass wir nur 50 Prozent von dem investieren, was in den Jahren 2006 und davor in Lärmschutzwände investiert wurde. Betreffend die Möglichkeiten der Planung von Lärmschutzmaßnahmen, die gegen Schadstoff einerseits und Lärm andererseits wirksam sind, hat die ASFINAG auch hinsichtlich der Technologie der Fahrbahn ein sehr engagiertes Ausbaupro­gramm – ich weiß nicht, ob Sie dieses kennen –, um generell eine Schadstoffreduktion und verstärkten Lärmschutz für die Anrainer zu gewährleisten.

Der Rechnungshof hat die Lärmschutzwände detailliert unter die Lupe genommen und bei vielen festgestellt, dass bei deren Errichtung nicht nach dem Prinzip der Wirtschaft­lichkeit vorgegangen wurde.

Ich treffe hiebei eine Unterscheidung: Einerseits wurden der Bevölkerung oder den Gemeinden Lärmschutzwände versprochen. Diese Versprechen sind sozusagen abzu­arbeiten, diese Verträge sind einzuhalten. Andererseits gehören zu den Lärmschutz­maßnahmen auch das Telematiksystem und andere Möglichkeiten des Lärmschutzes, etwa durch gezielte Temporeduktionen. Diese Programme, die fixiert und vertraglich vereinbart wurden, halten wir ein, und bei Neuplanungen versuchen wir, mit geringeren Investitionen in Lärmschutzwände auszukommen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister, meine Fragen betreffend den Vollausbau der S 37 wurden teilweise schon beantwortet. Ich möchte nur an Sie appellieren, auf die ASFINAG einzuwirken, dass auch vor 2012 entspre-


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chende Sicherheitsmaßnahmen für diese Strecke so getroffen werden, dass diese den Verkehrsteilnehmer auch wirklich zugute kommen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Das ist Teil unserer Vorhaben. Gerade betreffend Sicherheit hat es eigene Besprechungen und auch Festlegungen mit Zeitplänen gegeben. – Ich kann das nur unterstützen. Das sehe ich so wie Sie.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. – Bitte.

 


Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minis­ter! Ich bleibe bei diesem sehr wichtigen Thema der Verkehrssicherheit. – Meine Frage dazu lautet: Welche Maßnahmen setzen Sie, dass eine Senkung der Unfallzahlen spe­ziell bei jungen Mopedlenkern erzielt werden kann?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Die Verkehrssicherheitsexperten haben festgelegt, dass sie sich wünschen würden, dass wir im Bereich der Ausbildung den Praxisteil ausweiten. Dazu gibt es zwei Möglichkei­ten, einerseits bei der Primärausbildung, andererseits bei der Phasenausbildung nach einer gewissen Zeit in der zweiten Phase. Wir bereiten hoffentlich noch knapp vor dem Sommer oder knapp nach dem Sommer, also jedenfalls im heurigen Jahr, eine diesbe­zügliche Novelle vor, gemäß welcher wir den Anteil der Praxisausbildung erhöhen.

Die Verkehrsexperten haben analysiert, dass sich mehr als ein Drittel der Unfälle ohne Fremdeinwirkung ereignet haben. Das heißt, es geht darum, den Lenkern möglichst frühzeitig mit Praxiselementen eine gewisse Sicherheit zu vermitteln.

Warum ich in diesen Diskussionen die Autofahrerorganisationen ÖAMTC und ARBÖ herangezogen habe, ist eine Preisfrage. Wir wollen einerseits den Praxisteil stärken, andererseits soll der Führerschein auch noch leistbar bleiben. Daher versuchen wir mit den Fahrschulen und den Autofahrerorganisationen, einerseits für einen verpflichten­den, andererseits für einen freiwilligen zusätzlichen Praxisteil Angebote zu schaffen, die es einem durchschnittlichen Lehrling in Anbetracht seiner Lehrlingsentschädigung möglich machen, sich diesen Führerschein weiterhin leisten zu können.

Meine Antwort lautet also: Ich befürworte eine Erhöhung des Praxisanteils zu möglichst leistbaren Preisen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1617/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Boden, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1617/M-BR/2008

„Wie stellen Sie sicher, dass auf der Westbahn zwischen Wien und Linz bis 2012 we­sentliche Kapazitätssteigerungen und damit verbundene kürzere Reisezeiten erreicht werden?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Im Jahr 2012 wird man bereits vom neuen, teilweise fertigen Hauptbahnhof Wien über den Lainzer Tunnel und die Neubaustrecke Wien–St. Pölten weiter in Richtung Westen


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über den Lückenschluss Ybbs–Amstetten nach Linz kommen. All diese Projekte wer­den bereits 2012 verkehrswirksam, andere Teile werden später fertig.

Heute fährt man die 190 Kilometer lange Strecke vom Westbahnhof nach Linz mit der schnellsten Verbindung in einer Stunde und dreiunddreißig Minuten. Ab 2012 wird diese Strecke in unter einer Stunde zu bewältigen sein. Fahrgeschwindigkeiten bis 230 km/h sind hier möglich. Von Linz zum Flughafen Wien wird man dann in einer Stunde und fünfzehn Minuten, von Salzburg nach Wien in rund zwei Stunden gelan­gen.

An dieser Strecke wird seit 1989 geplant und gebaut. Es gab zahlreiche Verbesserun­gen der Fahrzeit von etwa 200 km/h. Die Züge fahren zwischen Wien und Linz bereits seit 9. Dezember 2007 um 10 Minuten schneller. Hinsichtlich der Kapazität, dass es nämlich mehr Platz für Nahverkehr und Güterverkehr und damit entsprechende Mög­lichkeiten der Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene geben soll, sind Verbesserun­gen vor allem zwischen St. Pölten und Linz bereits jetzt deutlich spürbar. Die Gesamt­streckenlänge Wien–Linz beträgt 190 Kilometer und bis Wels 215 Kilometer; fertig gestellt sind 104,25 Kilometer.

Die Westbahn ist derzeit – wie Sie alle wissen – die wichtigste Eisenbahnachse durch Österreich. Ziel ist es, die Strecke zwischen Wien inklusive Hauptbahnhof und Lainzer Tunnel bis Linz und später bis Wels viergleisig auszubauen. Zwei Gleise bestehen be­reits, zwei sollen neu gebaut werden.

Es ist viel geschehen. Der Gesamtausbau kostet rund 5,9 Milliarden auf jeweiliger Preisbasis. 3,5 Milliarden sind schon mit 1. Juli 2007 verbaut; 2,4 Milliarden folgen bis zum Jahr 2017. Bis 2012 werden weitere Schritte gesetzt, einerseits im Bau, nämlich die genannten 73 Kilometer vom Lainzer Tunnel in Wien bis Bahnhof St. Pölten, Asten und Linz, andererseits die in Planung befindlichen 39 Kilometer ebenfalls vom Haupt­bahnhof bis zum Lückenschluss Ybbs. 2012 folgt die Güterzugumfahrung St. Pölten mit Baubeginn Dezember 2012 und Inbetriebnahme 2017.

Sie sehen also, dass wir auf Hochdruck im Zeitplan sind. Hier ist erfreulicherweise in den vergangenen Jahren wirklich einiges in die Wege geleitet worden, das es uns er­möglicht, hier nahtlos anzuschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister, Sie wissen, dass wir derzeit schon einen starken Personalmangel im Lokfahrdienst haben. Wie wollen Sie sicherstellen, dass wir die Kapazitätssteigerungen in Zukunft bewältigen können?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Indem ich darauf vertraue, dass der Betriebsrat darauf aufmerksam macht, wo er Schwachstellen sieht; indem ich darauf vertraue, dass das Management bei Engpäs­sen das macht, was jeder Konzern der Welt macht, wenn er wirtschaftlich vorgeht, nämlich überlegt: Wie kann man mit zusätzlichem Personal, wie kann man mit dem bestehenden Personal Aufgaben bewältigen?

 


Ich bin kein Freund davon, aus allem eine große politische Frage zu machen. Ich sehe es als tägliche Aufgabe der Bahn und des Bahnmanagements, dafür zu sorgen, dass das Personal sowohl maximal motiviert und eingesetzt wird als auch natürlich entspre­chend zur Verfügung steht.


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Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage: Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundesminister! In letzter Zeit ist es immer wieder zu schweren Unfällen an Eisenbahnkreuzungen ge­kommen. Welche Maßnahmen setzen Sie zur Verbesserung der Sicherung von Eisen­bahnkreuzungen und somit zur Verhütung von diesbezüglichen Unfällen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Für Eisenbahnkreuzungen gibt es ein Bauprogramm, das wir mit den Ländern abstimmen, und zwar hinsichtlich der Hot Spots, also jener gefährlichen Stellen, wo wir sagen: Es geht nicht ohne Schranken! Das ist natürlich die teuerste Form, die aufwendigste Form und in vielen Bereichen von den Gemeinden gar nicht so erwünscht. Das ist aus Si­cherheitsgründen notwendig geworden, aber es ist nicht Wunsch der Gemeinde gewe­sen, weil natürlich durch eine Regelung mit Schranken die Flüssigkeit des Verkehrs in vielen Bereichen unterbrochen wird. Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig, als das Bauprogramm für zusätzliche Bahnschranken mit den Bundesländern umzusetzen. Wir haben nahezu mit allen Bundesländern – Niederösterreich ist besonders betroffen und daher auch das erste Bundesland gewesen, mit dem wir das festgelegt haben – ge­meinsam festgelegt, wann, wo und wie wir zusätzliche Schranken bauen.

Die zweite Maßnahme ist das Licht, nämlich: aufmerksam machen durch Lichtanlagen.

Die dritte Maßnahme ist eine kurzfristige, die wir jetzt im Frühjahr quer durch Öster­reich am massivsten umsetzen werden: auf der Straße eine zusätzliche Bodenmarkie­rung, die den Autofahrer darauf aufmerksam machen soll, dass jetzt etwas Ungewöhn­liches zu erwarten ist. Diese Bodenmarkierung wird nicht der Länge nach, sondern quer am Boden verlaufen.

Das Wichtigste allerdings, ergänzend zu diesen Maßnahmen, ist eine gewisse Be­wusstseinsbildung. Wenn wir uns die Unfallanalysen bei Bahnübergängen ansehen, wissen wir, es waren in den seltensten Fällen Unfälle, die passiert sind, weil jemand von einem Bahnübergang überrascht wurde, weil er dort zum ersten Mal fährt und nicht bemerkt hat, dass ein Bahnübergang kommt. Am häufigsten – man kann sagen der fast überwiegende Teil der Unfälle, wie die Analyse ergeben hat – passieren Unfälle bei der täglichen Fahrt, bei der sehr häufigen Fahrt. Das, weil halt sehr oft alles frei war, sich im Unterbewusstsein irgendwie festgesetzt hat: Es wird schon nichts passie­ren! Vielleicht auch deshalb, weil, abgelenkt durch Radio, durch Telefonieren auch mit Freisprechanlage, diese Gefahrenquelle Bahnübergang nicht mehr so im Bewusstsein gestanden ist. Daher ist der Bewusstseinsarbeit in diesem Bereich, dem Aufmerksam-Machen gemeinsam mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit ein Schwerpunkt in unserer Aufklärungsarbeit gewidmet.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Wie werden Sie die im Sinne des Klimaschutzes sehr vorteilhafte und unter ande­rem auch von der EU forcierte Radmitnahme im Schnellzugsverkehr in Hinkunft sicher­stellen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: In­dem die ÖBB im Zuge ihrer Vorhaben für den Betrieb auch für den Radverkehr, für die Mitnahme von Rädern ein Konzept erstellen, wie sie Radfahrer bevorzugen, besser be­handeln können. Derzeit ist das nicht besonders befriedigend gelöst. Jeder, der das schon einmal gemacht hat, weiß, dass es Waggons gibt, wo das super geht, dass man


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Räder mitnimmt, und wieder andere, in denen man in direkte Kollision gerät mit jenen, die einsteigen und nicht weitergehen, sodass man mit dem Rad dann gar nicht mehr einsteigen kann.

Dieses Programm der ÖBB für Radwege bekommt zwei Unterstützungen, nämlich einerseits von der Bauabteilung, indem wir zusätzliche Stellplätze für Räder beim Bahnhof schaffen, versperrbare Stellplätze. Das werden beim Hauptbahnhof mehr als tausend sein. Wirklich sehr massiv werden im Zuge der Bahnhofsoffensive diese zu­sätzlichen versperrbaren Stellplätze geschaffen werden.

Weiters wird hinterfragt werden: Wie kann man in den Waggons insgesamt Räder bes­ser unterbringen?

Und drittens: natürlich generell eine Serviceunterstützung für den Radfahrer, wofür auch eine gewisse finanzielle Unterstützung von meinem Ministerium vorgesehen wird. Wir sind dabei, über den Generalsekretär eine Abteilung mit dem Schwerpunkt Radver­kehr einzurichten, um eine Radverkehr-Abteilung im Ministerium zu haben, um in Ab­stimmung mit den ÖBB, aber auch mit den Ländern einige dieser Schwachstellen, die Sie richtig erkannt und auch aufgezeigt haben, zu beseitigen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen zur 8. und letzten Anfrage, 1613/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Baier, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1613/M-BR/2008

„Wie erfolgt die genaue Abwicklung der einzelnen Maßnahmen im Rahmen der Initia­tive ,Forschung macht Schule‘?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Herr Bundesrat, Sie wissen, dass in meinem Ministerium Frau Staatssekretärin Marek damit betraut ist, die dieses Programm sehr engagiert vorantreibt – im Wesentlichen in zwei Bereichen.

Ich glaube, vom Grundsatz her brauche ich Ihnen über die Notwendigkeit von naturwis­senschaftlich-technischen Inhalten und einem verstärkten – wie soll ich sagen? – Neu­gierig-Machen von jungen Menschen in diesem Bereich nichts zu sagen, da uns da so­wohl Absolventinnen und Absolventen fehlen als auch beim Neubeginn das Interesse gesteigert werden muss. Dass es da um Neugierig-Machen geht, um Verstärkt-interes­sant-Machen, dass es auch darum geht, dass sich mehr Mädchen für diesen Bereich interessieren und dass die Programme, beginnend bei den Schulen und auch in der Öffentlichkeit, dazu anregen sollen – das kürze ich ab, obwohl ich es sehr lange aus­führen könnte, denn ich glaube, dass wir da derselben Meinung sind –, das unter­streiche ich nur.

Ich möchte die konkreten Maßnahmen, die Sie ja konkret nachgefragt haben, anfüh­ren: zum einen die Pilotregionen, die in diesen Wochen festgelegt werden. Es ist das Ziel, mit den Bundesländern mehrere Pilotregionen auszuarbeiten, wo sich junge Men­schen vom Kindergarten bis zum Schulabschluss dem Thema Forschung, Innovation und Technologie widmen können. Ich sehe das als vielfältiges Bildungs- und Innova­tionsangebot.

Was heißt das? – Das heißt, man kann sich Forscher einladen, man erhält auch eine gewisse finanzielle oder praktische materielle Unterstützung, organisatorische Unter-


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stützung, um auch einmal eine Exkursion in einen Forschungsbetrieb, vielleicht auch in eine außeruniversitäre oder universitäre Forschungseinrichtung machen zu können, um auch eine persönliche Begegnung mit Menschen herbeizuführen, denn noch bes­ser, als es in Büchern zu lesen, ist es, diesen persönlichen Kontakt, diese Begegnung herbeizuführen. Das ist das Projekt der Pilotregionen, das gerade mit den Bundeslän­dern ausgearbeitet wird.

Dann gibt es noch dieses Innovationspraktikum für SchülerInnen. Engagierte Schüler und Schülerinnen ab 15 Jahren sammeln im Sommer ein Monat lang wertvolle Berufs­erfahrung in österreichischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen und erhalten dafür mindestens 700 € pro Monat. Für die qualifizierte Betreuung und die Lohnkosten dieser PraktikantInnen erhalten die Unternehmen bis zu 1 000 €. Diesbezüglich gibt es auch eine Internetadresse, und diese ganze Aktion wird betreut und abgewickelt von der FFG, also von unserer sehr bewährten Forschungsförderungsgesellschaft.

Den Forschungsscheck, der natürlich auch irgendwie zu diesem Thema dazugehört, will ich Ihnen jetzt nicht extra ausführen – ich glaube, Sie alle kennen ihn –, er gehört aber mit erwähnt.

Wettbewerbe und Auszeichnungen, die Initiative „Forschung macht Schule“ mit einer eigenen Koordinierungsstelle werden in enger Zusammenarbeit mit Frau Kollegin Clau­dia Schmied durchgeführt, weil die innovativen Unterrichtsmaterialien bis zur Vermitt­lungsmethode, bis hin zu den Aktivitäten, die man hier setzen kann, bis eben hin zu den von mir genannten Wettbewerben und Auszeichnungen gemeinsam mit dem Schulressort vorbereitet werden.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Welche weiteren Initiativen – sofern es solche gibt – setzt Ihr Ressort bei der Unterstützung von jungen Nachwuchs­forscherinnen und -forschern?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ich glaube, dass neben den Programmen, die ich jetzt angeführt habe, in Zusammenarbeit auch mit dem Wissenschaftsminister, es notwendig ist, in regelmäßigen Abständen auch öffentlich die Bedeutung dieses Bereiches klarzumachen.

Technik, naturwissenschaftliche Berufe, Bildung, Ausbildung in diesem Bereich, Wei­terbildung: All das ist manches Mal in der öffentlichen Diskussion zu stiefmütterlich ver­treten, weshalb ich glaube, dass es neben diesen konkreten Ansatzpunkten auch not­wendig sein wird, öffentlich Schwerpunkte zu setzen. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

 


Wir sind gerade in der Ausschreibungsphase beziehungsweise die Ausschreibung ist schon vorbei, wir sind in der Vorbereitungsphase zu einer „Nacht der Forschung“, wie es das auch bei den Museen gibt, um eben auf den Bereich Forschung und Techno­logie mit speziellen Veranstaltungen stärker aufmerksam zu machen. Das ist ein häufig unterschätztes Thema, und ich glaube, dass die Zusammenarbeit einerseits mit der Kollegin, die im Schulbereich verantwortlich ist, und andererseits mit dem Wissen­schaftsminister der richtige Weg ist. Jene Punkte, die ich Ihnen in meiner ersten Ant­wort konkret aufzählen durfte, passen sehr gut zu dieser Absicht, möglichst viele Men­schen schon sehr jung, im Kindergarten, in der Schule beginnend, für dieses Thema zu interessieren.


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Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Ein­wallner. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister, meine Zusatzfrage bezog sich eigentlich auch auf die Regionen, die in Österreich be­rücksichtigt werden, das haben Sie aber schon sehr ausführlich beantwortet.

Mich würde interessieren: Wie hoch ist das Gesamtbudget dieser sehr positiv zu beur­teilenden Initiative, die den jungen Menschen zugute kommt?

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ich muss Ihnen sagen, ich kann das Gesamtbudget jetzt deshalb nicht benennen, weil ich zwar Einzelmaßnahmen aufgelistet habe, diese aber sicher nicht vollständig sind. Ich werde Ihnen die Antwort schriftlich nachreichen, wie viel das ist, wenn man alles addiert.

Ich kann konkret nur den Forschungsscheck betreffend sagen, dass dieser, aber auf­gelistet für den Benutzer oder für den Interessenten, zwischen 300 € und 1 000 € liegt. Ich habe die konkreten Zahlen für die Unterstützung der Praktikanten, die 700 € im Monat erhalten, und die Unternehmer, die bis zu 1 000 € bekommen. Es gibt aber eine Reihe von Maßnahmen, die weder für den Konsumenten, für den Kunden, noch in den Gesamtkosten aufgelistet sind. Das muss ich Ihnen schriftlich nachreichen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister, das Pro­jekt „Forschung macht Schule“ soll, wenn man sich dessen Homepage anschaut, be­sonderes Augenmerk auf die Förderung von Mädchen und jungen Frauen legen. Ich würde gerne von Ihnen hören, wie das im Detail ausschauen wird.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Im Detail schaut das so aus, wie ich bereits in meiner ersten Antwort dazu darzustellen versucht habe: dass man sehr früh, nämlich bereits im Kindergarten und in der Schule, versucht, Mädchen wie Burschen dafür zu interessieren. In den Bereichen Technik, Naturwissenschaft und Forschung ist es wichtig, Mädchen in diesem Alter besonders zu unterstützen, damit sie sich dafür interessieren und begeistern.

Ich habe aber neben all den Programmen, die ich genannt habe, auch die Absicht – gerade an diesem heutigen Tag –, verstärkt in den Vordergrund zu rücken, dass immer mehr Mädchen und Frauen auch auf der Universität, auch in unseren Forschungsein­richtungen tätig sind. Das ist vom Anteil her natürlich noch steigerbar – ist auch zu steigern, da ist noch vieles zu erhöhen.

Ich werde Sie jetzt in Kürze verlassen – darf aber am Nachmittag wieder zu Ihnen zurückkommen – und nach Seibersdorf fahren, wo Frau Bundesministerin Bures heute den „Girl’s Day“, also das Mitnehmen von Töchtern in die Forschungseinrichtung, or­ganisiert. – Also heute ist so ein Tag, an dem man aufzeigen kann und aufzeigen soll, dass gerade im Bereich der Forschung, dass gerade im Bereich der naturwissen­schaftlichen Forschung und in technischen Bereichen verstärkt Mädchen und Frauen tätig sind, was sehr zu unterstützen und sehr zu begrüßen und auch weiter auszu­bauen ist.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Herr Minister.

Die Fragestunde ist beendet.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 39

10.34.35Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältig­ten und verteilten Anfragebeantwortungen 2392/AB bis 2404/AB und des Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 10).

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

„Republik Österreich

Dr. Alfred Gusenbauer

Bundeskanzler                                                                                                   Wien, den 9. April 2008

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Helmut KRITZINGER

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

Betrifft: Mitteilung über den Beschluss der Bundesregierung vom 9. April 2008 betref­fend die Nominierung von Herrn MR Mag. Wolfgang NITSCHE zum Verwaltungsrat der EIB

Sehr geehrter Herr Präsident,

gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, dass der Ministerrat entspre­chend den diesbezüglich stattgefundenen informellen Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien in seiner Sitzung am 9. April 2008 beschlossen hat, die Herstellung des förmlichen Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vorausgesetzt, Herrn Ministerialrat Mag. Wolfgang NITSCHE für die Österreich zustehende Funktion eines Verwaltungsrates der Euro­päischen Investitionsbank zu nominieren. Ich ersuche Sie, sehr geehrter Herr Präsi­dent, um Kenntnisnahme. Ein Lebenslauf des Herrn Ministerialrates Mag. Wolfgang NITSCHE ist dem Schreiben beigeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Eingelangt und den zuständigen Aus­schüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist des Ausschussberichtes betreffend einen Vertrag von


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Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schluss­akte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen („Re­formvertrag“) Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist des gegenständlichen Ausschussberichtes einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates er­forderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und die Wahl von Schriftfüh­rern sowie eines Ordners für den Rest des ersten Halbjahres 2008 auf die Tagesord­nung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Antrag gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund des Ausscheidens und der Wahl beziehungsweise Wiederwahl von zwei Bundesräten liegt mir ein Antrag der Bundes­räte Professor Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer und Stefan Schennach gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung betreffend Zustimmung des Bun­desrates zum Zusammenschluss als Fraktion vor.

Ich werde sogleich über diesen Antrag abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, dass sich die dem grü­nen Parlamentsklub gemäß Klubfinanzierungsgesetz angehörenden Bundesrätinnen und Bundesräte Efgani Dönmez, Elisabeth Kerschbaum, Eva Konrad und Stefan Schennach gemäß § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu einer Fraktion zusammen­schließen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmen­mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Den Grünen ist somit wiederum der Fraktionsstatus zuerkannt. Ich gratuliere herz­lichst!

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 6 und 7, 11 und 12, 15 bis 17 sowie 18 bis 20 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden also so vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsord­nung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundes­rätinnen und Bundesräte Schennach, Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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„verantwortungslose Großzügigkeit der Verantwortlichen bei Umgang mit öffentlichen Geldern bei den ÖBB“ an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­nologie vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung dieser Dringlichen Anfrage an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.38.171. Punkt

Wahl von Schriftführern sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 2008

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesord­nung, zur Wahl von Schriftführern sowie eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 2008.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Niederösterreichischen Landtag durch­geführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der Schriftführer.

Es liegt mir ein Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Helmut Wiesenegg, Jo­sef Saller, Ana Blatnik und MMag. Barbara Eibinger für den Rest des 1. Halbjahres 2008 zu Schriftführern beziehungsweise Schriftführerinnen des Bundesrates zu wäh­len.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Bundesrat Wiesenegg, Bundesrätin Blatnik und Bundesrätin MMag. Eibinger neh­men die Wahl an. – Vizepräsidentin Mag. Neuwirth gibt bekannt, dass von dem für heute als verhindert gemeldeten Bundesrat Saller das schriftlich erklärte Einverständ­nis vorliegt.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl eines Ordners.

Es liegt mir der Vorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Karl Boden für den Rest des 1. Halbjahres 2008 zum Ordner des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

(Bundesrat Boden nimmt die Wahl an.)

Ich gratuliere ganz herzlich allen Gewählten.

10.40.012. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend einen Vertrag von Lis­sabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und


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Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Er­klärungen („Reformvertrag“) (417 d.B. und 484 d.B. sowie 7932/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mayer. Ich bitte um diesen Bericht.

 


10.40.26

Berichterstatter Edgar Mayer: Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staats­sekretär! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend einen Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemein­schaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließ­lich der dieser beigefügten Erklärungen.

Gemäß der dem Vertrag von Nizza angeschlossenen Erklärung „zur Zukunft der Uni­on“ sollten die Fragen einer genaueren, dem Subsidiaritätsprinzip entsprechenden Ab­grenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten, der künf­tige Status der Charta der Grundrechte, die Vereinfachung der Verträge und die Rolle der nationalen Parlamente, Gegenstand einer Regierungskonferenz im Jahr 2004 wer­den. Ebenso forderte die Erklärung von Laeken von Dezember 2001 die Mitgliedstaa­ten auf, die zentralen institutionellen und materiellen Fragen im Zusammenhang mit der künftigen Entwicklung der Union zu prüfen und zufrieden stellende Lösungen für das effiziente und demokratische Funktionieren einer erweiterten Union zu finden. Auf­bauend auf den Arbeiten des Europäischen Konvents wurde am 29. Oktober 2004 der Antrag über eine Verfassung für Europa unterzeichnet, der diesen Anliegen Rechnung tragen sollte. Am 29. Mai 2005 und am 1. Juni 2005 lehnten die Bevölkerungen von Frankreich und den Niederlanden in Referenden den Vertrag über eine Verfassung für Europa ab. Nach einer im Rahmen des Europäischen Rates vom 16./17. Juni 2005 ausgerufenen, zwei Jahre andauernden Reflexionsperiode einigten sich die Mitglied­staaten unter deutscher Präsidentschaft beim Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007 auf ein sehr detailliertes Mandat für eine Regierungskonferenz zur Änderung des Ver­trags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Die Regierungskonferenz wurde am 23. Juli 2007 einberufen und konnte ihre Arbeiten bereits im Rahmen des informellen Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs am 18./19. Oktober 2007 in Lissabon politisch abschließen. Der Ver­trag zur Änderung der Verträge über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – der „Vertrag von Lissabon“ – wurde am 13. Dezem­ber 2007 von den Staats- und Regierungschefs sowie den Außenministern der Mit­gliedstaaten der Europäischen Union in Lissabon unterzeichnet. Er soll am 1. Jän­ner 2009 in Kraft treten.

Ziel des Vertrags ist es, die demokratische Legitimation der EU zu stärken und gleich­zeitig sicherzustellen, dass auch die nunmehr erweiterte Union handlungsfähig bleibt und Entscheidungen effizient treffen kann.

Zu den wichtigsten Inhalten des Vertrags von Lissabon gehören eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten, die Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente im EU-Gesetzgebungsverfahren, die Aufwertung des Europäischen Parlaments, die Vereinfachung der Verträge, die rechtsverbindliche Ver­ankerung der Grundrechte-Charta und die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen auf EU-Ebene. Gleichzeitig wird die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Union be­trächtlich erhöht und die soziale Dimension der EU stärker betont. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten die Möglichkeit, durch eine europaweite Bürgerinitiative Rechtsset­zungsaktivitäten der EU anzuregen.


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Der Vertrag von Lissabon übernimmt damit große Teile jener Neuerungen, die bereits im EU-Verfassungsvertrag verankert waren. Allerdings unterscheiden sich die beiden Verträge in einigen Punkten doch wesentlich voneinander. So wird EU-Recht nicht mehr explizit Vorrang vor nationalem Verfassungsrecht eingeräumt, zudem wird auf Begriffe wie „Europäischer Außenminister“ und „Europäisches Gesetz“ verzichtet. Auch die Symbole der EU – etwa die blaue Europaflagge mit den zwölf goldenen Sternen und die Europahymne – wurden aus dem Vertrag gestrichen. Anstelle einer einheitli­chen Rechtsgrundlage, der EU-Verfassung, bleiben die Verträge der Europäischen Union bestehen: der EUV und der künftig in Vertrag über die Arbeitsweise der Union (AEUV) umbenannte EGV.

Die nationalen Parlamente werden mit dem Vertrag von Lissabon zu „Wächtern“ des sogenannten Subsidiaritätsprinzips. Dieses besagt, dass Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union so nahe am Bürger wie möglich getroffen werden sollen. Die EU darf demnach nur dann aktiv werden, wenn die angestrebten Ziele nicht von den Mit­gliedstaaten selbst beziehungsweise auf regionaler Ebene erreicht werden können. Zu­dem müssen die von der EU vorgeschlagenen Maßnahmen verhältnismäßig sein und dürfen nicht über das Ziel hinausschießen.

Konkret sieht der Vertrag von Lissabon die Einrichtung einer Art „Frühwarnmechanis­mus“ vor. Die nationalen Parlamente haben demnach acht Wochen Zeit, um Rechts­setzungsvorschläge der EU-Kommission und andere Legislativvorhaben auf EU-Ebene auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu prüfen. Dabei hat jedes Parlament zwei Stimmen, die sich in Zweikammersystemen wie Österreich auf die beiden Kam­mern (im Fall Österreichs Nationalrat und Bundesrat) aufteilen.

Bei einer ausreichenden Zahl von Einwänden seitens der Parlamente – grundsätzlich ein Drittel; im Bereich Justiz und Inneres ein Viertel der Gesamtstimmen – muss die EU-Kommission ihren Vorschlag überprüfen und, wenn sie dennoch dabei bleibt, umfassend begründen („gelbe Karte“). Macht eine Mehrheit der Parlamente Subsidiari­tätsbedenken geltend („orange Karte“), kann das Legislativvorhaben in weiterer Folge durch eine einfache Mehrheit im Europäischen Parlament bzw. von 55 Prozent der Mit­glieder des Rates, dem Gremium der zuständigen Minister, gestoppt werden.

Um die nationalen Parlamente in die Lage zu versetzen, ihre Mitwirkungsrechte effektiv auszuüben, ist die EU-Kommission verpflichtet, die Parlamente über alle Vorhaben der Union zu informieren und ihnen unverzüglich alle Legislativvorschläge zu übermitteln. Außerdem muss die Kommission ihre Gesetzgebungsvorschläge im Hinblick auf die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit umfassend begründen, vor der Vorlage eines Gesetzgebungsakts umfangreiche Anhörungen durchführen sowie den finanziellen Auswirkungen eines Vorschlags und dem damit verursachten Verwaltungs­aufwand ein besonderes Augenmerk widmen.

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 2 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 50 Abs. 4 B-VG ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

Die Beschlüsse des Nationalrates sowie des Bundesrates bedürfen gemäß Art. 50 Abs. 4 B-VG jeweils der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 23. April 2008 in Verhandlung genommen. Als Auskunftspersonen gemäß § 33 GO-BR sind der Präsident des Vorarlberger Landta­ges Gebhard Halder als Vorsitzender der Landtagspräsidentenkonferenz und Gesand-


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ter Dr. Klemens Fischer, nominiert von der Verbindungsstelle der Bundesländer, ange­hört worden.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. April 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 Z 2 iVm Artikel 50 Absatz 4 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 


10.48.44

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Staatssekretä­rin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie werden heute in seltener Einmütigkeit die­sem Vertrag von Lissabon zustimmen.

Dass 60 Prozent der Bevölkerung darüber eine Volksabstimmung haben wollen, wie auch von den Freiheitlichen gefordert, lässt Sie völlig unbeeindruckt. (Bundesrat Ko­necny: Laut Ihrer Aussendung sind es 80 Prozent!) 60 Prozent – geht durch alle Me­dien.

Die Tatsache also, dass ein Großteil der Bevölkerung eine Volksabstimmung darüber wünscht, lässt Sie völlig unbeeindruckt. (Bundesrat Gruber: Vergessen Sie nicht, was Sie 2005 getan haben!) Dass die Politiker in der Rangliste immer wieder an allerletzter Stelle vorkommen, kann man durchaus nachvollziehen, wenn man sich anschaut, wie Sie mit der Bevölkerung und vor allem mit dem Willen der Bevölkerung umgehen.

Die Bevölkerung ist nicht dumm, und die Bevölkerung versteht sehr wohl, Dinge aus­einanderzuhalten und auch darüber zu befinden.

In anderen Ländern funktioniert das hervorragend. Die Schweiz macht uns das seit Jahrzehnten, um nicht zu sagen seit Jahrhunderten vor. Dort gibt es jede Menge Refe­renden, ohne dass der Staat zusammengebrochen wäre, sondern ganz im Gegenteil, er funktioniert bestens. Warum sollten das die Österreicherinnen und Österreicher nicht auch können? (Beifall des Bundesrates Herbert.)

Aber offensichtlich wollen Sie die Bevölkerung gar nicht über die Ziele dieses Vertra­ges ausreichend informieren, denn eine flapsige Antwort der Außenministerin, die nicht nur Außenministerin ist, sondern auch für europäische Angelegenheiten zuständig ist, mit einem Verweis, man könne sich das auf der Homepage des Außenministeriums an­schauen, zeugt von einer sehr abgehobenen und sehr arroganten Haltung der Regie­rungspolitiker.

Der Vertrag ist nicht leicht zu lesen. Er ist relativ unverständlich, das geben auch Juris­ten zu, nicht nur juristische Laien. Spätestens da stellt sich schon die Frage: Warum muss er eigentlich so unlesbar sein? Warum kann man ein Vertragswerk, das man der Bevölkerung nahebringen will, wo man ihr die Vorteile aufzeigen will, die wir angeblich davon haben, nicht in einer Sprache abfassen, dass es auch der einfache Bürger, der gerade des Lesens und Schreibens mächtig ist, verstehen kann? Bürgernahe, so wie Sie dieses Vertragswerk loben und preisen, ist das überhaupt nicht!

Der Reformvertrag unterscheidet sich vom Verfassungsvertrag, der in einigen Ländern mittels Referenden abgelehnt worden ist, nur marginal. Und auch der ehemalige Präsi­dent Frankreichs Giscard d’Estaing hat 2007 gesagt, dass nur kosmetische Änderun­gen vorgenommen worden sind, um Referenden zu vermeiden.


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Wenn alles so gut ist, wie behauptet wird, muss man sich fragen: Warum können Sie es den Menschen dann nicht erklären und lassen sie darüber befinden? Wovor haben Sie Angst? Wenn alles wunderbar ist, muss man sich vor nichts fürchten. Es ist aber eben einfach nicht alles so happy-peppi, wie Sie es immer vorstellen, nur wollen Sie das nicht zugeben. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

Die EU entwickelt sich nämlich sehr wohl zu einem föderalen Bundesstaat, nur will
es keiner zugeben. Das ist eines der Täuschungsmanöver, die in diesem Zusammen­hang stattfinden. Theo Öhlinger hat es zwar nicht direkt zugegeben, aber gemeint, dass die im alten Verfassungsvertrag enthaltenen Artikel 1 bis 6 über den Vorrang des EU-Rechts im neuen Vertrag überhaupt nicht vorhanden sind. Das ist richtig. Sie finden sich im Vertrag selbst nicht, sie finden sich aber sehr wohl wieder in den Erklärungen der Regierungskonferenz, und diese sind Bestandteil des Reformvertrages. Also ist hier wieder eine Verschleierungstaktik in Gang gesetzt worden, um nicht zu sagen eine Täuschung. (Beifall des Bundesrates Herbert. – Zwischenruf des Bundesrates Weiss.) Aber ich sehe es auch anders, und das darf ich wohl. (Bundesrat Weiss: Wenn Sie ihn schon zitieren, dann zitieren Sie ihn ganz!)

Auch die Aufwertung des EU-Parlaments ist nicht so wunderbar, wie es immer wieder dargestellt wird, denn in sehr vielen Fällen wird es lediglich gehört, zum Beispiel in einem nicht ganz unwesentlichen Punkt, der im § 269 geregelt ist und die Eigenmittel der Europäischen Union betrifft.

Da steht drinnen: „Der Rat erlässt gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einen Beschluss, mit dem die Bestimmungen über das System der Eigenmittel der Union festgelegt werden. Darin können neue Kategorien von Eigenmitteln eingeführt oder bestehende Katego­rien abgeschafft werden.“

Das heißt, das Parlament wird gehört. Es können so auch neue Steuern eingeführt werden, andere Steuern eingeführt werden. Und der Bürger zahlt dann wieder, ohne dass er sich – auch nicht über seine Abgeordneten – wirksam dagegen wehren kann.

Auch bei den Bestimmungen über die Sicherheitspolitik wird sehr viel verschleiert. Sie ist anders, als sie immer von Ihnen beiden, nämlich ÖVP, SPÖ, aber auch von den Grünen dargestellt wird, denn sie umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsa­men Verteidigungspolitik sehr wohl. Das heißt, dann kann man sich nicht mehr aussu­chen, ob und in welchem Rahmen, in welcher Art und Weise an einer gemeinsamen Verteidigungspolitik mitgemacht wird.

Außerdem verpflichten sich die Mitgliedstaaten in dem entsprechenden Artikel, dass sie ihre militärischen Fähigkeiten verbessern werden. Das finde ich ganz interessant, dass Teile der SPÖ, aber auch die Grünen, die normalerweise bei uns das Bundesheer immer abschaffen wollen, das so ohne Murren zur Kenntnis genommen haben.

Auch was die sozialen Standards anlangt, wird sehr viel versprochen, wird sehr viel schöngeredet. Man muss aber trotzdem Angst haben, dass das nicht so ist. (Bundesrat Mag. Klug: Zum Beispiel?) So hat Professor Mazal in der Expertenanhörung im Parla­ment Folgendes gesagt:

„Die Union wolle eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft erreichen, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt, die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung sowie die Förderung sozialer Gerechtigkeit und die Solidarität zwischen den Mitglied­staaten abzielt.“

Dagegen ist jetzt einmal, wenn man es so liest, nichts zu sagen. Aber das Entschei­dende kommt erst. Er sagt nämlich weiters: „Das heutige Sozialniveau könne unter dem Gerechtigkeitsaspekt und dem Aspekt der Solidarität der Mitgliedstaaten nicht ge-


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halten werden. Es wäre nicht gerecht und solidarisch, so Mazal, würden wir unser Ni­veau aufrechterhalten und bei den neuen Mitgliedsländern eine Weiterentwicklung hint­anhalten. Es könne sein, dass wir von unseren sozialen Niveaus Abschied zu nehmen haben.“ (Bundesrat Mag. Klug: So ein Blödsinn!) – Das sagt Mazal, ist wörtlich zitiert. (Bundesrat Mag. Klug: Der hat schon viel gesagt!) – „Das Prinzip der sozialen Markt­wirtschaft sei ausschlaggebend.“

Viele Teile der Bevölkerung Europas sind mittlerweile von Armut bedroht. In Deutsch­land haben heute Leute zwei und drei Jobs, und das gilt dann als Vollbeschäftigung, obwohl sie davon nicht leben können, denn die Globalisierung ist nicht vom Himmel gefallen, ist nicht ein Naturereignis, sondern die EU ist durchaus Mitverursacherin. Aus dem zitierten Spruch von Mazal ist auch schon erkennbar, in welche Richtung das geht.

Nach wie vor wird auch das EU-Recht vor den einzelnen Mitgliedstaaten stehen, ohne dass wir wirklich etwas dagegen tun können, und es kann auch ohne Zustimmung der einzelnen Mitgliedstaaten jederzeit geändert werden. Und aus all diesen Gründen se­hen wir eine Volksabstimmung darüber nach wie vor als zwingend an.

Auch hochrangige Juristen wie Professor Schachtschneider, wobei es völlig unerheb­lich ist, ob er Österreicher oder Deutscher ist, sehen das so. (Bundesrat Gruber: Stel­len Sie einen Antrag auf Austritt! Bekennen Sie Farbe! Sagen Sie, Sie wollen heraus! Reden Sie nicht um den Brei herum!)

Sie trauen offensichtlich Ihren eigenen Argumenten nicht, weil Sie sich so konsequent weigern, die Bevölkerung darüber abstimmen zu lassen. Wir halten den Weg, den die EU hier geht, für falsch, ohne dass wir, wie es uns immer so gerne unterstellt wird, ab­solut gegen eine Europäische Union sind. (Bundesrat Mag. Klug: Der Wunsch ist Va­ter des Gedankens!)

Wir behalten uns vor, diesen Weg immer wieder zu kritisieren. Wir glauben nämlich, dass man in einem gemeinsamen Haus wohnen kann, ohne gleich alle Rechte an die Zentrale abgeben zu müssen.

Wir wollen die ursprünglichen Ziele Europas, nämlich Freiheit, Selbstbestimmung, Viel­falt, beibehalten. Gegen den Willen der Bevölkerung zu regieren hat noch niemandem genützt. Auch Sie werden Ihre Rechnung noch präsentiert bekommen und dürfen sich hier nicht auf das kurze Gedächtnis der Wählerinnen und Wähler verlassen.

Wir werden jedenfalls bei unsere Anstrengungen, eine Kurskorrektur zugunsten Öster­reichs zu erwirken, nicht nachlassen. (Beifall bei den Bundesräten ohne Fraktionszuge­hörigkeit.)

10.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pro­fessor Konecny. Ich erteile ihm dieses.

 


11.00.01

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt eine bemerkens­werte Auflistung aller Vorurteile, die auch in einzelnen Medien eine beträchtliche Unter­stützung gefunden haben, gehört. Es ist bemerkenswert, dass zwischen der Abfassung der Presseaussendung der Kollegin Mühlwerth und ihrer tatsächlich gehaltenen Rede die Befürworter einer Volksabstimmung auf mirakulöse Art und Weise von 80 auf 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung geschrumpft sind. Kollegin Mühlwert
hat 60 Prozent genannt, ihr Pressedienst hat „80 Prozent“ ausgeschickt. (Zwischenrufe der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Mag. Klug: Ob 60 oder 80 Prozent – ist ja wurscht!)


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 47

Der Unterschied waren offenbar die sieben Leute, die heute vor dem Parlament ge­standen sind. (Heiterkeit. – Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Frau Kollegin, halten wir eines klar fest: Dieser Vertrag in seiner heutigen Form, aber auch in Form des Verfassungsvertrages bedeutet kein weiteres Abgeben österreichi­scher Rechte an die EU – schlicht und einfach! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir haben – und das selbstverständlich, weil es in der österreichischen Bundesverfas­sung so vorgesehen ist – bei der Abgabe von Souveränitätsrechten – und das hat statt­gefunden, selbstverständlich! – im Jahre 2004, also Wirkungsbeginn 1.1.2005, eine Volksabstimmung durchgeführt, die ein klares – wenn auch in die andere Richtung ge­hendes – Resultat erbracht hat. Und das ist die Legitimation, dass wir in jenem Be­reich, wo wir Souveränitätsrechte abgegeben haben, der Europäischen Union auch tat­sächlich Vollmachten, die für uns Bedeutung haben und bei uns wirksam werden, über­tragen haben. Selbstverständlich, das war das Votum der Österreicher. Es ging nicht um eine Vereinsmitgliedschaft. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war aber 1994! – Bun­desrat Mitterer: Das war nicht 2004!)

1994, Sie haben völlig recht, das war vor dem Beitritt, sagte ich. (Bundesrat Mitte­rer: ... auch nicht mehr als 60 bis 80 Prozent!) Es waren zwei Drittel, die dafür waren, und das ist ein ausreichendes Mandat.

Meine Damen und Herren, die EU ist in einer ständigen Entwicklung begriffen, und das ist gut so. Es ist nicht die erste Vertragsveränderung, die in der Europäischen Union stattgefunden hat, und ich stehe nicht an, hier zu bedauern, dass es nicht möglich war, den Verfassungsvertrag in seiner ursprünglichen Form Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich finde es einigermaßen merkwürdig, wenn von Gegnern der jetzigen Regelung im­mer darauf hingewiesen wird, dass 90 oder 95 Prozent jetzt identisch sind mit dem Verfassungsvertrag. Das österreichische Parlament, beide seiner Häuser, haben dem Verfassungsvertrag zugestimmt, und es war für uns schmerzlich zu erleben, dass zwei Mitgliedstaaten diesen Verfassungsvertrag abgelehnt haben.

Wir stehen zu dem Beschluss, den der Nationalrat und der Bundesrat gefasst haben, und es ist für uns ein Erfolg, dass so viele der neuen und fortschrittlichen Regelungen, die im Verfassungsvertrag enthalten sind, auch in den jetzigen Reformvertrag wieder Aufnahme gefunden haben. Jedes Prozent weniger wäre auch für Österreich ein Nach­teil gewesen. Und wenn es tatsächlich 95 Prozent sind – da will ich mich nicht festle­gen auf ein halbes Prozent –, dann ist das ein großer Erfolg für Österreich und Europa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, es gibt in diesem Vertrag eine Reihe von Veränderungen, was die innere Struktur der Europäischen Union betrifft:

Wir werden einen Präsidenten des Europäischen Rates haben. Die Stellung des Stell­vertreters des Rates für Außen- und Sicherheitsangelegenheiten wird entsprechend gestärkt und ausgebaut. Das ist etwas, was der Entwicklung der Europäischen Union entspricht. Es gibt vor allem, und das hat sogar die Kollegin Mühlwerth eingeräumt, eine Stärkung des demokratischen Elements durch einen weiteren Ausbau der Rechte des Europäischen Parlaments, und es gibt als absolutes Novum eine Form der Mitbe­stimmung der nationalen Parlamente.

Ich halte es für außerordentlich bedeutsam, dass die nationalen Parlamente die Mög­lichkeit bekommen, die Einhaltung der Regeln der Subsidiarität nicht nur zu überprü­fen, sondern notfalls auch zu erzwingen, weil die nationalen Parlamente, die bisher keinerlei direkte Rechtsbeziehung zur Europäischen Union hatten, damit in den euro­päischen Prozess eingebunden werden.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 48

Ich habe seit vielen Jahren der COSAC, dem europäischen Zusammenschluss der EU-Ausschüsse, angehört und weiß, diese Entwicklung wurde von allen nationalen Parla­menten gefordert, die die Rolle, dass europäische Mitbestimmung nur im nationalen Rahmen durch Entschließungen an die eigenen Regierungen, an die eigenen Minister möglich ist oder durch Stellungnahmen – im Fall des Nationalrates auch durch binden­de Stellungnahmen – möglich sein soll, als unbefriedigend empfunden haben, auch dort – Beispiel Dänemark –, wo diese Rechte in besonders starkem Maße ausgeprägt waren.

Es wird an uns liegen, dieses Recht, das nun eingeräumt ist, in maximaler Weise aus­zuüben, und ich sage über die notwendige Beschäftigung mit dem Vertrag für den Eigengebrauch dazu, dass wir dazu unsere Arbeitsweise substanziell effizienter gestal­ten müssen und dass wir dazu neue Instrumente entwickeln müssen. Denn eines ist klar: Es würde nicht gut aussehen, wenn die beiden Kammern des österreichischen Parlaments – und jede hat in diesem Verfahren eine Stimme – unterschiedliche Auffas­sungen vertreten würden oder eine Kammer die Subsidiarität geltend machen würde gegen eine Vorlage der Kommission und die andere sich verschweigt.

Wir haben als Bundesrat darüber hinaus – und darüber haben wir gestern im Aus­schuss mit dem Herrn Landtagspräsidenten von Vorarlberg und dem Vertreter der Ver­bindungsstelle ausführlich gesprochen – natürlich die Meinungen der Landtage zu be­rücksichtigen, wir müssen Sitzungen abhalten, und darüber hinaus ist, wenn wir wirk­lich etwas bewerkstelligen wollen, im Vorfeld auch noch ein Einvernehmen mit anderen Parlamenten, anderen Mitgliedstaaten herzustellen.

Ich räume ein, dass die im Zuge der Behandlung dieses Vertrages erreichte Verlänge­rung der Frist (dem Redner wird ein Schriftstück überreicht) – danke, just in time; das ist Effizienz; das werden wir noch lernen müssen in anderen Fragen! (Heiterkeit) –, die die Parlamente haben, von sechs auf acht Wochen notwendig gewesen ist. Diese sechs Wochen wären sehr, sehr kurz gewesen, und die acht Wochen, die es jetzt sind, sind auch nicht endlos lang. Vor allem die Abstimmung, um Mehrheiten zu erzielen un­ter den Parlamenten der Mitgliedstaaten, wird ein hohes Maß an Vernetzung erfordern, und ich lade alle Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich tätig sind oder tätig sein wollen, herzlich ein, dazu ihre Anregungen und Ideen einzubringen.

Zurück zum Vertrag selbst. – Wir haben damit ein Dokument, das spät aber doch auch auf den Tisch der Öffentlichkeit gelangt ist, denn einer der Mängel in der Debatte – und das hat manche Missverständnisse sicherlich erleichtert – war, dass es bis vor Kurzem keinen so genannten konsolidierten Text auf dem Tisch der Parlamente und der Öffent­lichkeit gegeben hat. Der Nationalrat hat das in einem Entschließungsantrag auch noch bei der Ratifizierung eingemahnt. Wir müssen das nicht mehr tun, denn in der Zwi­schenzeit gibt es den Text. Man könnte also sagen: Der Nationalrat hat sich durchge­setzt! (Heiterkeit.) Aber es war ein Mangel, und dieser Mangel ist an- und auszuspre­chen.

Wir lieben das auch so sehr, wenn wir österreichische Gesetze behandeln, wenn die uns vorliegende Vorlage so kluge Textpassagen enthält wie: In § 28 Abs. 9 Ziffer c ist die Wortfolge „Dienstag und Mittwoch“ durch die Wortfolge „Freitag und Samstag“ zu ersetzen.

Da weiß dann jeder, was gemeint ist, und das hat für ein derart bedeutendes Doku­ment gegolten. Dass ein privater Verlag offensichtlich ein sehr gutes Geschäft mit der Herstellung eines inoffiziellen konsolidierten Textes gemacht hat, sollte die Kollegen in Brüssel ein bisschen aufwecken.

Ich kehre aber zur öffentlich geführten Diskussion zurück.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 49

Meine Damen und Herren! Jenseits der unbestreitbaren und unbestrittenen Legitima­tion des österreichischen Parlaments in beiden Kammern, diesem Vertrag zuzustim­men, gibt es die Notwendigkeit, in der österreichischen Öffentlichkeit die Diskussion und die Information über die Europäische Union substantiell zu verstärken.

Herr Kollege Kampl hat eine große Anzahl von Fahnen auf seinem Platz versammelt und verleitet mich zu der Bemerkung: Es ist eben so: Gurk, Kärnten und Österreich sind alle Mitglieder der Europäischen Union! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Ing. Kampl: Bravo!)

Aber das ist nicht allen bewusst. (Bundesrat Ing. Kampl: Aber mir! – Heiterkeit.) Große Teile der österreichischen Bevölkerung sind noch nicht in der EU angekommen. Und ich gebe zu, mich hat schon am Beginn – und jetzt sage ich es richtig – des Jah­res 1995 tiefe Skepsis befallen, als ich miterlebt habe, dass das politische Vokabular Österreichs in rasendem Tempo vervollkommnet wurde. Jeder österreichische Politiker hat den Satz „Ich kann nichts dafür – daran sind die Bürokraten in Brüssel schuld!“ in­nerhalb von 14 Tagen nahezu fehlerfrei aufsagen können. Und das war kein gutes Zei­chen. (Ruf bei der ÖVP: Das gilt aber für die SPÖ auch!)

Ich habe gesagt: jeder österreichische Politiker. Gar keine Frage. Das war eine Frak­tionen übergreifende Infektionskrankheit (Heiterkeit), die dem Europabewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher nicht gerade gut getan hat.

Wir sind Teil der EU, mit im Vertragstext beinhalteter Fahne und Hymne oder nicht. Wir beschäftigen uns mit der EU als einer Dimension, in der wir drinnen sind. Es ist keine Diskussion zwischen Österreich und Brüssel. Wir sind einer von 27 Mitgliedstaaten und machen unsere Rechte geltend wie jeder andere Mitgliedstaat auch, aber es ist keine Feindbeziehung. Es sitzt niemand in Brüssel, der das Österreichertum, die öster­reichische Identität oder sonst etwas untergraben will.

Es gibt Interessensgegensätze zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen Mitglied­staaten und der Europäischen Union, aber es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass österreichische Vertreter, die Vertreter der österreichischen Regierung, aber eben auch die österreichischen Parlamentskammern, österreichische Interessen geltend ma­chen werden und aufgrund des Vertrages auch geltend machen können.

Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung, um die Debatte in überschaubaren Grenzen zu halten. Es gibt viele – nicht rasend viele, und schon gar nicht 60 Prozent, aber wir haben alle Mails bekommen –, es gibt viele Menschen, die dagegen sind, dass der Bundesrat diesen Vertrag ratifiziert. Ich habe aus keinem einzigen dieser Texte ent­nehmen können, dass der oder die Betreffende für die österreichische Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist und nur zufällig an Einzelbestimmungen dieses Vertrages Kritik übt. Die Kräfte, die hier mobilisiert wurden, sind jene, die Österreich lieber außer­halb der EU sehen würden. – Die Kollegin Mühlwerth hat das zwar heftig abgestritten, aber der Tenor ihrer Aussagen war genau das.

Ich wende mich jetzt ganz konkret an die potentiellen Gegenstimmen: Wenn Sie wirk­lich austreten wollen, dann müssten Sie eigentlich unbedingt für die Ratifizierung sein, denn dieser Reformvertrag eröffnet zum ersten Mal die Möglichkeit, aus der EU auch wieder auszutreten! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, zuletzt ist es meine Aufgabe – und das war das, was wir da mit einem hohem Maß an Effizienz noch vom Rednerpult aus erledigt haben –, einen Entschließungsantrag der Bundesräte Konecny, Bieringer, Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Vertrag von Lissabon und die weitere Entwicklung der Europäischen Union einzubringen.


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Dieser Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut, den zu verlesen ich mir wegen der Bedeutung dieses Textes gestatten werde:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen

Die Erweiterung der Europäischen Union auf 27 Mitgliedstaaten brachte die Notwen­digkeit mit sich, die bestehenden Verträge der Europäischen Union zu reformieren, um die Handlungsfähigkeit des Friedensprojekts Europäische Union zu erhalten, das de­mokratische Prinzip weiter zu stärken und die soziale Verantwortung in Europa stärker zu verankern. Mit der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäi­schen Gemeinschaft am 13. Dezember 2007 wurde eine langjährige Debatte über die institutionelle Reform der EU zum Abschluss gebracht und ein Kompromiss gefunden, den alle gewählten Regierungen der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament für eine geeignete Grundlage halten, auf der sie in Zukunft zusammenarbeiten wollen.

Der „Vertrag von Lissabon“ beinhaltet wesentliche Verbesserungen gegenüber den bis­herigen Verträgen: So stellt er etwa demokratische Kontrolle durch die Stärkung der Rollen des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente sicher, stärkt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Union, erhöht die Transparenz, Effizienz und Entscheidungsfähigkeit der Union und sorgt für eine klarere Kompetenz­aufteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in der alle bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte aufgelistet werden, wird rechtsverbindlich.

Die unterzeichneten Bundesräte sind überzeugt, dass der Vertrag von Lissabon einen stabilen Rahmen bietet, der eine künftige Weiterentwicklung der Union ermöglicht. Nun geht es darum, die in der Präambel und den Artikeln 2, 3 und 4 des EU-Vertrags ge­nannten Ziele rasch und für die Menschen spürbar umzusetzen, um zu zeigen, dass sich die Europäische Union ihres friedenspolitischen Auftrags und ihrer sozialen Ver­antwortung bewusst ist.

Der Vertrag von Lissabon soll auch das internationale Gewicht der Europäischen Union stärken und sie besser in die Lage versetzen, ihre internationale Verantwortung wahr­zunehmen. Die im Vertrag von Lissabon festgelegten Prinzipien für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik machen dabei klar, dass sich die Europäische Union als Friedensmacht versteht, die den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen ver­pflichtet ist.

Für die österreichische Neutralität ist wesentlich, dass für alle Europäischen Beschlüs­se zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiterhin Einstimmigkeit vorgesehen ist. Über die Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen des Krisenmanage­ments wird Österreich daher wie bisher souverän entscheiden können.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass alle Krisenmanagementoperationen der EU aus­schließlich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Natio­nen getätigt werden und der Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der in­ternationalen Sicherheit zu dienen haben. Die Verpflichtung dazu ist im Vertrag von Lissabon explizit festgeschrieben.

Der Vertrag von Lissabon sieht in verschiedenen Artikeln auch vereinfachte Vertrags­veränderungsverfahren sowie die – allerdings einstimmige – Beschlussfassung über die Anwendung der qualifizierten Mehrheit anstelle der Einstimmigkeit in bestimmten


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Angelegenheiten vor. Auch diese Vertragsänderungen bedürfen entsprechend der ös­terreichischen Verfassung der Ratifizierung nach Genehmigung durch Nationalrat und Bundesrat bzw. sind für jedes einzelne Parlament der Mitgliedsstaaten auch europa­rechtlich ein ausdrückliches und absolutes Einspruchsrecht vorgesehen.

Ausdrücklich wird begrüßt, dass der Rat der Europäischen Union – wenn auch erst am 15. April 2008 – eine offizielle konsolidierte Fassung des Vertrages über die Europäi­sche Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Union samt Protokollen, Er­klärungen usw., in die der Vertrag von Lissabon bereits eingearbeitet ist, im Amtsblatt veröffentlicht und damit unentgeltlich für alle Bürger der Europäischen Union zugäng­lich gemacht hat.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht,

weiterhin und verstärkt über die Tätigkeit der Europäischen Union und die europapoliti­schen Initiativen der Bundesregierung zu informieren und einen breit angelegten Dialog mit der österreichischen Bevölkerung über die künftige Entwicklung der Europäischen Union zu führen, um Vorschläge und Ideen ebenso zu berücksichtigen wie bestehende Sorgen und Bedenken;

die Verankerung des Instruments einer EU-weiten Volksabstimmung weiter zu befür­worten;

sich für eine Vertiefung der sozialen Dimension und des sozialen Zusammenhalts in den Politiken der EU einzusetzen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Entsen­derrichtlinie;

sich in der EU für Maßnahmen auszusprechen, die dazu beitragen, die negativen kon­junkturellen Auswirkungen der Finanzkrise in den USA auf Europa abzuschwächen;

dafür einzutreten, dass in den Politiken der EU die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie die föderalistischen Verfassungsstrukturen von Mitglied­staaten respektiert werden;

die österreichische Anti-Atompolitik konsequent fortzusetzen und gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Republik Ungarn und dem Königreich Schwe­den, der 54. Erklärung des Reformvertrages von Lissabon folgend, Initiativen zu ergrei­fen, um eine Revisionskonferenz zum Euratomvertrag einzuberufen;

die Bevölkerung zu informieren, dass sich für Österreich im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik an den geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen einschließlich des Neutralitätsgesetzes durch den Vertrag von Lissabon nichts ändert;

sich in der Europäischen Union weiterhin dafür einzusetzen, dass die Außen- und Si­cherheitspolitik der EU einen wichtigen Beitrag zu Frieden und Sicherheit leistet;

dass Österreich auf der Grundlage seiner verfassungsrechtlich bestimmten immerwäh­renden Neutralität weiterhin ein verlässlicher und solidarischer Partner in der Welt sein und sich aktiv an der weiteren Entwicklung der europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen wird;

bei der Anwendung eines vereinfachten Vertragsänderungsverfahrens sicherzustellen, dass die Länder, der Österreichische Städtebund und der Österreichische Gemeinde­bund sowie der Bundesrat über die beabsichtigten Vertragsänderungen und über Be-


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schlüsse betreffend den Übergang zur qualifizierten Mehrheit zeitgerecht informiert werden, um dazu im Vorhinein Stellung nehmen zu können. Darüber hinaus möge die Bundesregierung Vertragsänderungen ausschließlich unter Ratifizierungsvorbehalt zu­stimmen und diese unverzüglich dem Nationalrat und dem Bundesrat zur Genehmi­gung vorlegen bzw. jeden Beschluss betreffend den Übergang zur qualifizierten Mehr­heit dem Bundesrat unverzüglich zur Stellungnahme zuleiten;

für die generelle Anwendbarkeit der Grundrechtscharta in allen EU-Mitgliedstaaten ein­zutreten und im Sinne eines optimalen Grundrechtsschutzes in allen Bereichen auch die österreichischen Grundrechte weiter zu entwickeln.

*****

Meine Damen und Herren, ich lade Sie ein, diesem Antrag zuzustimmen, weil er in einer sehr guten Art und Weise zusammenfasst, wofür wir – die Parteien, die diese Re­gierung tragen, und auch die Grünen – in der Europapolitik eintreten.

Gestatten Sie mir einen Rückgriff in die österreichische Zeitgeschichte. Österreich ist ein gutes Vaterland und eine sichere Heimat seiner Menschen geworden. Sorgen wir dafür, dass es die Europäische Union auch wird! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Der von den Bundesräten Konecny, Bierin­ger, Schennach, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend den Vertrag von Lissabon und die weitere Entwicklung der Europäischen Union ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


11.23.55

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Ich werde euch schon sagen, warum ich das mit den Fahnen mache. (Der Redner stellt vier klei­ne Fahnen, und zwar die Europa-Fahne, die Österreich-Fahne, die Kärntner Fahne und die Gurker Fahne auf das Rednerpult, wobei drei davon umfallen, die er sich be­müht, wieder aufzustellen. – Ruf bei der SPÖ: Außer der EU-Fahne sind alle ab­gestürzt!) Freunde, der heutige Tag ist viel zu ernst, als dass wir hier herumtheatern, glauben Sie mir das! (Bundesrat Gruber: Du tust gerade herumtheatern!) Nein, nein.

Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Tag ist für mich – für uns alle – ein Tag, der eine große Bedeutung für Österreich haben wird.

Geschätzte Frau Staatssekretärin und geschätzter Herr Staatssekretär, ich habe gro­ßen Respekt vor euch und freue mich, dass ihr hier seid, nur: Heute hätte ich den Herrn Bundeskanzler und den Vizekanzler hier erwartet – oder zumindest die Außen­ministerin! (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

Das hätte heute dazugehört. Bei dieser großen Entscheidung für Österreich und für die österreichischen Menschen wäre es verantwortungsvoll gewesen, sich dem Gremium des Bundesrates zu stellen. Ich bin vier Jahre hier, ich habe bisher noch nie die Ehre gehabt, den Vizekanzler und den Bundeskanzler in dieser Situation kennen zu lernen. (Bundesrat Gruber: Letzten Jänner! Im Jänner 2007! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt meine Sichtweise zum EU-Vertrag hier darlegen: Was ist von den Ideen der Gründungsväter eigentlich geblie-


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ben? Die Gründungsväter der EU waren große Männer, die den Zusammenbruch Europas miterlebt haben, ihre Länder geliebt haben. Das war in Deutschland Adenau­er, in Frankreich de Gaulle, in Italien De Gasperi. Das waren Männer, die gewusst ha­ben, dass wir in Europa zusammengehören, dass wir zusammenfinden müssen, um in Zukunft keine Kriege mehr zu haben, sich nicht mehr feindlich zu begegnen und Frie­den, Freiheit und Wohlstand in Zukunft aufzubauen.

Meine Damen und Herren, bevor ich auf den EU-Reformvertrag eingehe, möchte ich Ihnen sagen, warum ich heute diese Fahnen mitgebracht habe.

Das ist die Gurker Fahne. (Der Redner hält dieselbe in die Höhe.) Die Gurker Fahne überbringe ich Ihnen als der Bürgermeister der 35. Europagemeinde. Ich bin seit mehr als 30 Jahren Kommunalpolitiker, und ich habe dafür Sorge getragen, dass unsere Ge­meinde eine Europagemeinde wird, mit den höchsten Auszeichnungen.

Meine Damen und Herren! 250 000 Menschen kommen jährlich in unsere Gemeinde und bewundern unseren Ort, unsere Menschen und unsere Kultur, mit dem Dom zu Gurk. Daher habe ich diese Fahne mitgebracht. Das ist die Fahne der Europagemein­de Gurk.

Hier habe ich die Fahne des Landes Kärnten. (Der Redner hält dieselbe in die Höhe.) Vom Land Kärnten bin ich mit dem höchsten Vertrauen ausgestattet worden, das je­mals ein Mitglied des Bundesrates in geheimer Wahl für den Bundesrat erhalten hat. Ich hätte Präsident des Bundesrates werden sollen, aber das war nicht möglich. Das ist nun einmal so in der politischen Entwicklung. Liebe Freunde, ich hätte als solcher sicher für die Republik Österreich meinen Beitrag geleistet.

Hier trage ich die Fahne von Österreich (dieselbe in die Höhe haltend), weil ich ein guter Österreicher sein möchte und mich überall, wo ich bin, für die österreichische Re­publik, für die österreichischen Menschen einsetzen will, weil sie fleißig und tüchtig sind und zur Nation und zum Wohlstand beigetragen haben. Diesen Menschen sind wir zu Dank verpflichtet, sie haben nach dem Ersten Weltkrieg der Ersten Republik ge­dient, waren großartige Menschen, haben ihr Vaterland geliebt, ob Arbeitnehmer, Bau­ern oder Akademiker, Menschen, die wo auch immer gestanden sind. Diese Menschen haben unser Land aufgebaut. Sie haben gewusst: Es gibt nur ein wunderschönes Land, und für dieses Land haben wir unseren Beitrag zu leisten!

Meine Damen und Herren! Hier ist die Europa-Fahne (dieselbe in die Höhe haltend), und ich traue mich, als Europäer hier ganz stark für Europa eine Bresche zu schlagen. Ich habe 1994 gegen meine Parteilinie für Europa gestimmt, habe der ÖVP meine Un­terschrift gegeben, und die ÖVP hat sehr wohl gewusst, wie man österreichweit meine Unterschrift verwenden kann. Ich stehe dazu, weil ich ein Österreicher bin, der weiß, dass es keinen anderen Weg als Europa gibt.

Nun, meine Freunde, komme ich zu einem anderen Bereich. Ich habe es erlebt und muss leider sagen: Es gibt eine „Lex Kampl“. Nur: Heute gibt es auch eine „Lex Lan­deshauptmann“. Der Landeshauptmann von Kärnten hat sich angeboten, heute hier zu reden. (Bundesrat Konecny: Er kann immer noch kommen!)

Herr Professor Konecny, es geht nicht darum! Er wollte vor unserer Diskussion bezie­hungsweise vor der Abstimmung hier reden. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Selbstverständlich! Ich habe mir den diesbezüglichen Paragraphen angesehen. Bitte, schaut in der Geschäftsordnung nach! § 38 Abs. 3 sieht vor, dass ein Landeshaupt­mann hier jederzeit das Wort ergreifen kann. (Rufe bei der SPÖ: Ja eh!) Sie haben das abgelehnt! (Nein-Rufe bei der SPÖ.) Es ist halt einmal so.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem 17. Jahrhundert bemühten sich die Menschen in Europa, mehr Demokratie zu erlangen. Seit dem 17. Jahrhundert hat es


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zahlreiche Aufstände gegeben, man hat versucht, mehr Mitsprache zu gewinnen. Die Obrigkeit war kaum mehr zu ertragen, und so hat dieser Kampf um Mitsprache sehr bald begonnen. Nach der Französischen Revolution kam dann die Revolution 1848.

Meine Damen und Herren, wir sollten sehr dankbar sein für das, was die Menschen da­mals für uns geleistet haben. Ich als Bauer habe heute noch große Demut vor Kudlich. Wir sollten allen danken, die damals mit dabei waren und zu einer Erneuerung in der Geschichte des damaligen Kaiserreichs beigetragen haben.

Das allgemeine Wahlrecht gibt es seit 1907. Frauen haben das Wahlrecht erst 1918 er­halten. Dieses konnte nur durch die starken Proteste der Frauen errungen werden.

Im Jahre 1918 wurde durch die Volkssouveränität die Basis für eine Republik geschaf­fen. 1920 bekam Österreich seine Bundesverfassung. 1945 wurde diese Bundesver­fassung wieder in Kraft gesetzt. Und jetzt reden wir gar nicht mehr davon. Die Bundes­verfassung bildet für jeden Österreicher die gesetzliche Grundlage. Aber was macht man jetzt daraus? Man tut heute so, als wäre das gar nichts, und sagt: Wir sind Euro­päer!, und meint, die österreichische Bevölkerung nicht mehr fragen zu müssen, was sie will.

Meine Damen und Herren, das ist ein Fehler, denn in der Bundesverfassung sind die Pflichten und Rechte der Bürger festgeschrieben: die Bürgerinformation, die Volksbe­fragung, das Volksbegehren, die Volksabstimmung. Und das Volk ist der Souverän. So hat man es uns immer gesagt. Zu dem stehe ich! Und deswegen vertrete ich heute diese Meinung. Ich bin nicht gegen den EU-Vertrag, meine Damen und Herren, nicht für den Austritt aus der EU. Das möchte ich hier deutlich sagen.

Herr Kollege Konecny hat hier einige Dinge aufgezeigt, wo es ein bisserl hapert, und genau bei diesen liegt das Problem, wo die Bevölkerung draußen jetzt sagt: Ja sagt einmal, wer drängt uns denn eigentlich dazu, dass wir als vierter Mitgliedstaat den Re­formvertrag ratifizieren müssen?

Meine Damen und Herren, was passiert, wenn man in Irland nicht die Mehrheit dafür erreicht? Meiner Meinung nach hätten wir, die Bundesregierung, die Abgeordneten der Länder, die Nationalräte und die Bundesräte, genug Zeit gehabt, die österreichische Bevölkerung darüber näher zu informieren. Doch das ist nicht geschehen!

Liebe Damen und Herren, jetzt kommt noch dazu, dass die österreichische Bevölke­rung sehr murrt, weil sie täglich Dinge erleben muss, wo die Bundesregierung nicht be­reit ist, durchzugreifen und eine Änderung herbeizuführen.

Das sind einmal die hohen Abfertigungen – kaum nachvollziehbar von den vielen Fami­lienvätern mit kleinem Einkommen. Wie sollen die denn das nachvollziehen können? Die sagen: Um Gottes willen, was für politisch verantwortungslose Politiker haben wir denn?!

Das ist zweitens die Korruption. Wir hören immer wieder, dass in der EU sehr viel Geld verschwindet. Seit 1994 sind es 7 Milliarden €! Und das wissen auch die EU-Bürger.

Oder: das Raucherdebakel. – Warum gibt es da nicht endlich einmal eine klare Vor­gabe?

Oder: Umweltverantwortung. – Nicht im Plan!

Oder: Sicherheit. – Die Sicherheit der Mitbürger verschlechtert sich zunehmend.

Oder: Die Lebenserhaltungskosten ufern aus. Die Preissteigerungen treiben viele Fa­milien in die Verarmung.


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Das können wir uns gar nicht vorstellen. Als Bürgermeister weiß ich da Bescheid. Es gibt immer mehr Menschen, die die Raten nicht mehr zahlen können für ihr Haus, das sie sich gebaut haben. Die sagen: Bitte, Herr Bürgermeister, können wir die Zahlung nicht ein bisserl hinausschieben? Hilf uns ein wenig! – Na selbstverständlich machen wir das. (Bundesrat Mayer: An all dem ist die EU schuld?)

Nein, lieber Freund! Ich habe nur gesagt, es gibt zwei Bereiche, wo die österrei-
chische Bevölkerung sehr misstrauisch wird: Auf der einen Seite wird sie nicht gefragt, und auf der anderen Seite gibt es diktatorische Maßnahmen, die sie sich einfach nicht bieten lässt. (Beifall des Bundesrates Mitterer. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Mayer.)

Meine Damen und Herren! Heute habe ich in der Zeitung die Schlagzeile gelesen: Dul­dung von Polizistenhatz. (Ruf bei der ÖVP: In welcher Zeitung?) Dazu möchte ich sa­gen: Ich habe hohen Respekt vor den Fahndern, die diese Leute gefunden und ge­stoppt haben. Ja es hätten dabei ein oder zwei Polizisten auch ums Leben kommen können. Es ist ihr Recht, einzugreifen. Und wir sollen dankbar sein, dass wir so eine mutige Exekutive in Österreich haben. (Beifall des Bundesrates Mitterer sowie Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich einmal die Rechnungshofberichte an! Da gibt es einen Bericht nach dem anderen, wo überall drinsteht, dass Geld verschwendet wird, wo es Einsparungsmaßnahmen hätte geben können.

Nächster Punkt: Tschad-Einsätze. – Ja, aber gleichzeitig sollten wir uns auch der Pro­bleme annehmen, die eine Welternährungskrise hervorrufen! Da höre ich nichts von der österreichischen Bundesregierung, dass wir uns da einschalten.

Diese Probleme gibt es tatsächlich, Frau Staatssekretärin. Das werden wir noch erle­ben. Es wird fürchterlich sein. Denn das werden sich diese Menschen nicht mehr bie­ten lassen. Und wir werden nicht in der Lage sein, diese Massen in Grenzen zu halten. Diesen Massen müssen wir dort helfen, wo sie leben, und dazu haben wir genug Mög­lichkeiten. Aber davon hört man nur wenig. Daher möchte ich Sie bitten, dass man sich dieser Probleme in Zukunft mehr annimmt.

Weiterer Punkt: Neue Steuern und EU-Vertrag. – Bis 31. Dezember 2008 sollen 27 Länder diesem Vertrag zustimmen. Meine Damen und Herren, das ist eine Verge­waltigung! Wir kennen alle Unterlagen, Herr Staatssekretär. Ich danke, dass ich auch die neuesten Unterlagen bekommen habe. Nur: Sie unterscheiden sich kaum von den anderen. Jeder, der die anderen gelesen hat, weiß, dass sich im Wesentlichen nichts geändert hat.

Meine Damen und Herren, wir werden ja sehen, wie Irland abstimmen wird. Aber stellt euch vor, Irland stimmt anders ab! Herr Staatssekretär, geben Sie uns bitte heute eine Antwort, was passieren wird, wenn die Iren mit 51 Prozent gegen den Vertrag stimmen!

Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zu einem Kapitel, wo ich auch viele von euch nicht ganz verstehe. Es gab einen Bundesminister, der auch Verfassungsrichter war, das war der Professor Klecatsky. Er war Verfassungsexperte. Von 1966 bis 1970 war er Justizminister in der ÖVP-Alleinregierung. Wenn auch Klecatsky bei diesem Vertrag Bedenken hat, dann hat das eine Bedeutung.

Viele Experten haben Bedenken, nicht er allein. Da gibt es eine Zeitungsschlagzeile, die da lautet: „Der Vertrag ist abzulehnen“, und da wird eine Gruppe von Persönlich­keiten angeführt – nicht irgendwer! –, die auch Bedenken haben, und zwar sind das: Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Roman Herzog, Valérie Giscard d’Estaing, Ex-Bundesminister Hans Klecatsky, Universitätsprofessor Dr. Adrian Hollaender, Profes-


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sor Dr. Hans Peter Aubauer, der dänische Abgeordnete Jens Bonde, Professor Dr. Helga Kromp-Kolb, Universitätsdozent Dr. Peter Weish, Universitätsprofessor Dr. Hermann Knoflacher, Professor Dr. Heinrich Wohlmeyer, der den Vertrag im Zu­sammenhang mit der Agrarsituation kennt, und ... (Bundesrat Gruber: Das ist aber nicht aus der „Kronen Zeitung“, oder?) Nein, das ist nicht aus der „Kronen Zeitung“.

Oder: Professor Dr. Alfred Haiger. Professor Haiger ist für viele ein Begriff. Wir wissen, das ist eine Persönlichkeit.

Meine Damen und Herren, das ist das Problem, mit dem wir bei den Menschen drau­ßen zu tun haben – nicht der Vertrag: Die Menschen draußen wissen gar nicht, was in diesem Vertrag steht! (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Aber die Menschen, die unser Land aufgebaut haben, haben das Recht ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) Nein! Die Menschen möchten wissen, was drinnen steht, und sie möchten mit entscheiden können, lieber Kollege! (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

Meine Damen und Herren, ich bin immer zu Europa gestanden, oftmals gegen die eigene Parteilinie, und das, meine Freunde, war nicht leicht. Ich kann Ihnen sogar zei­gen, wo ich mit unterschrieben habe. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Das habe ich unterschrieben, und zwar am 9. Mai 1994. Da hat es nur zwei Abgeord­nete der Freiheitlichen Partei gegeben: Hirnschall in Wien und Kampl in Kärnten. Und ich habe trotzdem gesagt: Nein, ich bin lieber dort dabei, das ist die Zukunft! Wir wollen Frieden!

In meiner Familie und in meiner nächsten Verwandtschaft habe ich genug Schicksals­schläge miterleben müssen: sieben gefallene Cousins und Verwandte, die alles mit­erlebt haben, auch nach dem Krieg. Damit man in Ruhe die Zukunft für Österreich ent­wickeln kann, habe ich gerne mitgestimmt.

Im heutigen „Österreich“ und in einer Befragung der „Kronen Zeitung“ – die „Kronen Zeitung“ ist natürlich auch dazu da, möglichst viele Exemplare zu verkaufen und die Trommel zu rühren – tut man das, was die anderen machen sollten, und zwar die Bun­desregierung, nämlich die Menschen aufklären, die Menschen um ihre Meinung ersu­chen.

Herr Staatssekretär, erst in den letzten Wochen seid ihr aktiv geworden, aber vorher haben wir sehr wenig gehört. Ich muss Ihnen sagen, ich bin nicht einer, der Analphabet ist, was Europa betrifft, ich habe alles gelesen, was es da gegeben hat. Das haben aber nur die Funktionäre gekriegt, die Masse hat man dumm sterben lassen, und das ist das Problem heute, das wir haben.

In Österreich gibt es ein Problem, und zwar dass die Menschen einfach das Vertrauen verloren haben. Und jetzt kommen noch andere Probleme innerhalb der Bundesregie­rung dazu, und diese verschlechtern natürlich das ganze Bild noch einmal, und das ist das Problem.

Herr Staatssekretär, ich würde Sie für die Zukunft wirklich um eines bitten. Der Na­tionalrat hat den Vertrag ja beschlossen, der Herr Bundespräsident wird es unter­schreiben – und auch hier im Bundesrat wird der Vertrag heute mit Mehrheit be­schlossen werden. Nur, Herr Staatssekretär, die Bevölkerung wird sich das nicht bieten lassen, sie lässt sich nicht beruhigen in dieser Frage, weil das eine so entscheidende Frage ist, und diese entscheidende Frage hätte man anders lösen können. Ihr seid ja alle hochintelligente Leute, Diplomaten von Format, also da muss es ja wohl möglich sein, dass man in der Zukunft in Österreich bessere Vorarbeit, bessere Informations­arbeit leistet, sodass die österreichische Bevölkerung gern ja sagt und gern hinter der


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Bundesregierung steht. – Herzlichen Dank, liebe Kollegen. Danke schön. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

11.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Professor Konecny zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Im Übrigen weise ich auf die Bestimmungen der Geschäfts­ordnung hin. – Bitte.

 


11.41.34

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Nur ein kurzer Hinweis zu einer Bemerkung des Kollegen Kampl. Wir haben vom Herrn Landeshauptmann Haider einen Brief bekommen, in dem er seine Absicht bekundete, an der Debatte, die wir jetzt führen, teilzunehmen und eine Erklärung abzugeben. Beides ist zulässig nach unserer Geschäftsordnung, aber es ist nicht dasselbe.

Landeshauptleuten ist laut § 38 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung jederzeit das Wort in einer Debatte, wenn sie zum Gegenstand sprechen, zu erteilen, allerdings ohne den am Rednerpult stehenden Redner zu unterbrechen.

In Angelegenheiten ihres Landes können, auch dann, wenn das nicht mit der Tages­ordnung in Verbindung steht, Landeshauptleute verlangen, eine Erklärung abgeben zu können. Das ist ein eigener Tagesordnungspunkt.

So hat die Präsidiale den Herrn Landeshauptmann informiert. Er könnte da sitzen und sich jederzeit zu Wort melden und, da wir keine Redezeitbeschränkung haben, uns alles sagen, was er meint, was wir wissen sollen. Wir hätten ihm danach die Möglich­keit gegeben, nach dem ... (Bundesrat Ing. Kampl: Da seid ihr ausgezogen! Das ken­nen wir schon!) – Geh, bitte, den Jörg Haider haben wir uns immer noch angehört – das ist jetzt keine tatsächliche Berichtigung, sondern das Gegenteil davon –, denn das hat immer auch einen kabarettistischen Aspekt! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

11.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile ihm dieses.

 


11.43.24

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsiden­tin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Ich habe mit großem Interesse die Aus­führungen der bisherigen Redner zum Thema Vertrag von Lissabon verfolgt, und ich gestehe dir zu, Herr Bundesrat Kampl, dass du mit Begeisterung und mit Eifer für Euro­pa eintrittst und dass du für Europa kämpfst. Das hat man an deinem engagierten De­battenbeitrag gemerkt, auch am Verhalten, wie du deine Heimatgemeinde präsentierst, nämlich als Europagemeinde, wie du schon 1994 für den EU-Vertrag eingetreten bist. Und ich glaube, dass das auch Anerkennung und Wertschätzung verdient und dass wir gut daran tun, solche Wortmeldungen entsprechend zu bewerten und ernst zu neh­men. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was Kollege Kampl in Bezug auf seine Fami­liengeschichte gesagt hat – viele sind gefallen und so weiter –, das trifft ja auf jede europäische Durchschnittsfamilie zu. Und gerade deshalb gibt es ja die Zusammen­arbeit in Europa, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)


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Ich kann aber wenig anfangen mit Argumenten, die darauf hinauswollen, sich von die­sem Europa abzukoppeln, nein zu sagen. Da meine ich aber jetzt nicht dich, Kollege Kampl. Wenn das immer so umschrieben dargestellt wird, eigentlich wollen wir dieses Europa nicht, dann soll man das ganz klar aussprechen und sagen! Wenn jemand glaubt, dass wir die Probleme einer globalisierten Welt als „Insulaner“ besser bewälti­gen und der Bevölkerung so bessere Antworten geben können, dann sage ich: Das ist sicherlich der falsche Weg!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das gemeinsame Europa ist in Bewegung; Europa verändert sich. Europa verändert sich quantitativ und verändert sich qualitativ enorm. Laufende Veränderungen brauchen laufende Korrekturen und Anpassungen, was die Regeln der Zusammenarbeit für dieses gemeinsame Europa betrifft. Und die­ser Vertrag von Lissabon ist nichts anderes als eine weitere Anpassung der Regeln für ein besseres Europa und für eine bessere Gestaltung dieses Kontinents. Es ist die dritte Änderung nach den Verträgen von Maastricht, von Amsterdam und von Nizza. Jetzt erfolgt sozusagen eine weitere Feinjustierung im Vertrag von Lissabon.

Es ist das ein Vertrag, der positive Veränderungen mit sich bringt. Ich würde das ver­gleichen mit einer „Werkstatt Europa“: Die Werkstatt bleibt gleich. Der Rahmenvertrag, der Vertrag, in dem wir uns bewegen, der 1994 oder 1995 beschlossen wurde, bleibt gleich. Das ist die Werkstätte. Aber wir brauchen bessere Maschinen, wir brauchen bessere Werkzeuge, wir brauchen bessere Instrumente, um Europa besser gestalten zu können. Und das ist der Sinn dieses Vertrages.

Globale Herausforderungen brauchen gemeinsame Antworten. Der Vertrag ist das Er­gebnis von sechs Jahren intensiver Arbeit. Das ist nicht nur eine politische Meisterleis­tung, sondern das ist wirklich auch eine staatsmännische Meisterleistung gewesen. Er ist natürlich ein Kompromiss und stellt das dar, was machbar ist. Das ist so in der Politik. Das ist in der Familie so, das ist in vielen Betrieben so, dass man Kompromisse schließen muss – und das ist im praktischen politischen und europapolitischen Leben auch so.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ergebnis kann sich sehen lassen: Euro­pa wird demokratischer. Wir entwickeln die Werte der Demokratie weiter, den Rechts­staat, die rechtsstaatlichen Prinzipien. Es gibt mehr Transparenz und Kontrolle für das Europäische Parlament; mein Vorredner hat das schon erwähnt, das brauche ich nicht mehr näher auszuführen.

Es gibt in Zukunft mehr Einflussmöglichkeiten für die nationalen Parlamente. Als Vorsit­zender des EU-Ausschusses im Bundesrat weiß ich davon ein Lied zu singen, und ich mache diese Arbeit mit vielen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss mit Leiden­schaft und Begeisterung, weil wir nun mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten haben, weil der Prozess an uns nicht vorbeigeht, weil wir direkt Einfluss nehmen können und weil wir damit Europa unseren Wählerinnen und Wählern, der österreichischen Bevölke­rung, den Menschen in den Bundesländern und Gemeinden noch viel besser darlegen und erklären können.

Es gilt das Prinzip der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Das sind die Werte, die wir in diesen Beratungen entsprechend dokumentieren und herausstreichen müssen.

Die Abgeordneten werden damit zu Trägern der Europapolitik. Wir dürfen die Euro­papolitik nicht den Mitgliedern des Europäischen Parlaments überlassen, die sind ja fast nie da, das ist eine Realität, die sind sehr eingeteilt. Die Träger der Europapolitik müssen auch wir als nationale Abgeordnete werden, und ich nehme da gar nicht die Gemeinderäte in den Gemeinden draußen aus, die oftmals schon ihre Gemeinden zu Europagemeinden gemacht haben.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 59

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Europäische Union wird bürgernäher. Es gibt das Europäische Volksbegehren. 0,2 Prozent, eine ganz geringe Minderheit, von 500 Millionen Einwohnern können ein Volksbegehren starten! Und jene – Kollege Ko­necny hat schon darauf hingewiesen –, denen dieses Europa nicht gefällt, haben nun mit diesem Vertrag die Möglichkeit, aus der EU auszutreten. Ja, das gibt es nun! Erst durch diesen Vertrag wird man die Möglichkeit haben, aus dem gemeinsamen Europa austreten zu können.

Europa öffnet sich mit diesem Vertrag für neue Themen: innere und äußere Sicherheit, Klimaschutz, Klimawandel – das Thema wird ernst genommen –, Energiesicherheit. Ein sehr ehrgeiziges Ziel haben wir uns in der Europäischen Union gesetzt: bis 2020 20 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien herzustellen.

Die „Werkstatt Europa“ bekommt einen besseren Sprecher. Der Präsident wird aufge­wertet, der Chef dieser Werkstätte wird aufgewertet: Dem Präsidenten wird eine län­gere Amtszeit eingeräumt. Und es wird auch das Außenverhältnis dieser Zukunftswerk­stätte Europa mit einem Außenminister bedacht. Das ist gut so, weil damit Europa eine gemeinsame Sprache in der Welt sprechen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Union nützt nachweislich und nachhaltig, wie man sieht, wenn man sich die wirtschaftliche Erfolgsbilanz dieser Europäischen Union vor Augen führt: Von 1994, als wir beigetreten sind, bis 2008 hat es insgesamt 350 000 neue Arbeitsplätze gegeben! Und in dieser Zeit wurde auch die Zahl der Arbeitslosen in Österreich um 20 000 weniger.

Bei den Exporten sieht die Situation so aus: 1994 hat es Exporte im Ausmaß von 40 Milliarden € gegeben, 115 Milliarden € sind es heute. 60 Prozent unseres Volksein­kommens erwirtschaften wir im Export. Daran sieht man die Bedeutung dieser Export­wirtschaft klar und deutlich. 80 Prozent unserer Exporte gehen in europäische Mit­gliedstaaten.

100 000 Projekte für Bildung, Soziales, Tourismus, Wirtschaft, Landwirtschaft und so weiter wurden in dieser Zeit gemeinsam mit der Europäischen Union durchgesetzt.

Drehen wir es einmal um: Was wäre ohne Europa? Was wäre ohne diese Gemein­schaftsleistung und ohne die Europäische Gemeinschaft? Glaubt denn wirklich jemand ernsthaft, dass die internationale Kriminalität ohne Zusammenarbeit in Europa besser bekämpft werden könnte? Glaubt denn wirklich jemand, dass die internationalen Ver­kehrsprobleme – Stichwort Transeuropäische Netze – ohne Europa besser bewältigt werden können? Glaubt denn wirklich jemand ernsthaft, dass diese Exporterfolge ohne Europäische Gemeinschaft zustande gekommen wären? Glaubt denn wirklich jemand ernsthaft in diesem Land, dass die erfreuliche Beschäftigungsbilanz in diesem Europa ohne Zugehörigkeit Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft zustande gekommen wäre?

Noch etwas: Glaubt denn jemand wirklich ernsthaft, dass gegen Fehltritte und Regel­verletzungen in diesem Europa ohne Europäische Gemeinschaft vorgegangen werden könnte, dass Österreich allein gegen so große Konzerne wie Microsoft oder gegen das Kartell der Aufzugsfirmen ankommen würde, dass wir diese Leute an den Pranger stel­len und zu Schadens- und Wiedergutmachungszahlungen in Milliarden-Euro-Höhe ver­donnern hätten können? – Wir alleine nicht! Das ist nur durch die Gemeinschaft der Europäischen Union zustande gekommen. Auch gegen die Großen! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.) Auch gegen die Großen! Das hätten wir alleine nicht zustande gebracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa wird handlungsfähiger; auf die dop­pelte Mehrheit hat mein Kollege Konecny schon hingewiesen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 60

Seit 50 Jahren, seit Gründung der Europäischen Union geht es kontinuierlich aufwärts mit Europa, können wir auf einen erfolgreichen Weg zurückblicken. Die Europäische Union – das ist historisch einmalig – hat positive und nachhaltige Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger. Wer die Geschichte Europas halbwegs im Geschichtsunter­richt verfolgt und mitbekommen hat, muss zweifellos sagen: Das ist ein Wunder, was hier geschehen ist. Das ist ein Wunder, wie sich dieses Europa entwickelt hat, dieser Kontinent, der mit professioneller Konsequenz Kriege nicht nur produziert, sondern „ex­portiert“ hat – darum heißen sie ja Weltkriege; in die ganze Welt wurden Kriege „ex­portiert“. Seit wir uns besonnen, seit wir aus der Geschichte gelernt haben – man sagt immer, wir lernen nichts aus der Geschichte; die Europäische Union ist aber ein Be­weis dafür, dass wir sehr wohl aus der Geschichte gelernt haben –, seitdem leben wir in einer Periode kontinuierlichen Friedens, der Sicherheit, der Stabilität und des perma­nent steigenden Wohlstandes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe schon auf die Geschichte, auf die Familiengeschichten hingewiesen, und ich habe es immer wieder bedauert und keines­wegs als spannend empfunden, wenn ältere Männer bei einem Stammtisch beisam­men gesessen sind und nach vielleicht zwei, drei Achteln Wein über die „großen“, „spannenden“ Ereignisse in Stalingrad oder an der Front irgendwo im Zweiten Welt­krieg berichtet haben. – Es gibt spannendere Dinge im Leben als solche Berichte. – Das, meine ich, wird es in Zukunft in der Europäischen Union nicht mehr so bald geben, und das soll sich auch nicht wiederholen.

Ich muss Ihnen auch noch eines sagen, eine ganz persönliche Bemerkung, warum ich mit Begeisterung und mit Leidenschaft ein Europäer bin und an diese friedenserhalten­de Kraft der Europäischen Union glaube. Bei mir war es genauso wie in vielen anderen Familien. Mein Vater war acht Jahre lang als Truppenarzt eingerückt, drei Jahre russi­sche Kriegsgefangenschaft; mein Großvater Arzt in einem Lazarett im Ersten Welt­krieg, wo die Verwundeten von der Isonzo-Front heraufgebracht wurden; dessen Vater, Isidor Kneifel, zu jung, der ist bald gestorben, aber dessen Vater wieder war in der Schlacht bei Königgrätz und ist schwer verwundet worden. Jede österreichische, jede europäische Familie hat eine Leidensgeschichte zu berichten. Und ich bin als Gottfried Kneifel der Erste in der langen Generation der Kneifels, der die Gnade und das Glück hat, in Freiheit, Frieden und in Sicherheit leben zu können. Das ist doch geradezu eine Sensation, weil es noch nie in Europa eine so lange friedliche Geschichte gegeben hat.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, warum ich so leidenschaftlich für diesen Ver­trag eintrete? Weil ich haben möchte, dass nicht nur ich und meine Generation in den Genuss dieser friedlichen, demokratischen und sicheren Entwicklung in Europa kom­men, sondern weil ich haben möchte, dass das auch meine Kinder genießen können, meine vier Kinder und mein Enkelkind, das vor rund vier Wochen zur Welt gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.) Das soll stellvertretend gelten für eine ganze Generation; ich habe das jetzt nur an diesem Beispiel aufgezeigt.

Ich wünsche mir, dass wir dieses Europa in Frieden, Freiheit, in Demokratie und in Sta­bilität weiterentwickeln. Wir sollten diesen Vertrag nicht mystifizieren, das steht gar nicht dafür, er ist nur Teil einer ständigen Weiterentwicklung und Anpassung, wie ich erwähnt habe. Dass das unseren Nachfolgerinnen und Nachfolgern der kommenden Generation, den Kindern und Kindeskindern auch gewährt sein möge, das wünsche ich mir von ganzem Herzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, unterbreche ich die Sitzung für 3 Minuten. Die Technik muss umbauen: das Mikrophon, die Tonanlage funktionieren nicht mehr so, wie sie funktionieren sollten.

Die Sitzung ist unterbrochen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 61

*****

(Die Sitzung wird um 12 Uhr unterbrochen und um 12.03 Uhr wieder aufgenom­men.)

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Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbro­chene Sitzung wieder auf und erteile Herrn Bundesrat Schennach das Wort. – Bitte.

 


12.03.37

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich stand im Jah­re 2005 hier, als wir den Verfassungsvertrag abgestimmt haben. Und ich habe damals gesagt, dass ich für eine Volksabstimmung eintrete.

Ich sage es hier auch ganz offen und ehrlich: Auch mir wäre viel lieber gewesen, hät­ten wir den EU-Reformvertrag einer Volksabstimmung unterworfen, aber aus anderen Motiven – nicht aus dem Motiv, diesen EU-Reformvertrag zu kippen, sondern diesen EU-Reformvertrag in der Vertiefung einer breiten europäischen Legitimation zu unter­werfen. Aber nicht als eine nationale Volksabstimmung, sondern als eine Volksab­stimmung, die gleichzeitig in allen europäischen Ländern stattfindet und wo eine Mehr­heit der Bevölkerung Europas und eine Mehrheit der europäischen Staaten diesem EU-Reformvertrag eine direkte Legitimation gegeben hätten.

Nur: Alle anerkannten Verfassungsexperten sagen, dieser EU-Reformvertrag ist keine Veränderung der Verfassung. Und er ist auch, wenn die beiden Kammern des österrei­chischen Parlaments ihn verabschieden, der Bundesrat heute mit großer Mehrheit, kein Verfassungsbruch! Dies ermöglicht auch uns Grünen, hier und heute diesem EU-Reformvertrag unsere Zustimmung zu geben.

Allerdings stehen wir vor einer relativ großen Vertrauenskrise in Österreich – einer Ver­trauenskrise, die auch ihre Ursachen hat. Im Jahr 1994 wurden den Menschen bei der Volksabstimmung über den EU-Beitritt einige Dinge versprochen, die bis heute nicht gehalten haben. Die Versprechen waren falsch, nicht die Daten.

Zum Beispiel wurde den Österreichern versprochen: Niemals wird sich die Schilling- Währung ändern. – Und wir haben nur wenige Jahre danach den Euro bekommen.

Es wurde den Menschen damals auch versprochen: Die Transitregelung wird halten. – Und sie hat nicht gehalten.

Es wurde auch damals absurderweise und gegen unsere massive Kritik immer wieder versprochen: Die Anonymität der Sparbücher wird halten. – Und sie wurde Gott sei Dank und richtigerweise zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität verändert.

Und nicht zuletzt der berühmte „Gitti-Ederer-Tausender“, den jeder mehr in seiner Geldtasche haben wird. – Das wurde wohl zu einem Minus von 1 000 € in jeder Geld­tasche durch die Preislawine, die wir jetzt erleben.

Das hat eine Vertrauenskrise ausgelöst – eine Vertrauenskrise, die heute eine Gegner­schaft zur EU in Österreich beinhaltet. Man muss wohl jenen unterstellen, die heute eine Volksabstimmung verlangen, dass es um eine Gegnerschaft geht, der wir auch derzeit aufgrund der Emotionalität argumentativ gar nicht begegnen können.

Das wird noch angeheizt durch eine Situation, bei der wir uns alle, aber insbesondere die Regierenden in den Bundesländern und in der Bundesregierung, an der Nase neh­men müssen, nämlich dann, wenn es um das Spiel geht, wir in Österreich würden alles


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tun, aber die EU und Brüssel sind so böse und wir müssen uns dem Diktat Brüssels beugen.

Dieses böse Spiel macht eine Stimmung gegen die EU, die sich die EU nicht verdient hat. Wenn die EU nicht endlich auch in den Herzen der Regierenden und in allen Par­teien ankommt, dann wird dieses Spiel weitergehen und wir werden weiter schwin­dende Akzeptanz in der Bevölkerung haben.

Herr Staatssekretär Winkler kennt meine grundsätzliche Kritik, wir hatten das auch schon in einem sehr intensiven Gespräch gestern in der Ausschuss-Sitzung. Herr Staatssekretär! Ich bleibe dabei: Wenn man sieht, wie die Bundesregierung mit diesem EU-Reformvertrag umgegangen ist – wobei ich akzeptiere und auch sehe, dass es Be­mühungen Ihrerseits gab –, bleibt irgendwie der schale Beigeschmack übrig, dieser Vertrag wurde versteckt, oder man hat für ihn in einer breiten Information und vor allem auch in einer emotionalen Kampagne keine Unterstützung gewonnen. Und das be­günstigt die Unterstellungen, die Missinterpretation und natürlich eine enorme Desinfor­mation, wie wir sie heute erleben, wo ich auch sage, dass wir einer solchen Emotionali­tät etwas ohnmächtig gegenüberstehen.

Meine Damen und Herren, Faktum ist – deshalb sagen wir hier heute auch gerne ja –, dass die EU mit diesem EU-Reformvertrag – und das ist ein ganz springender Punkt – wesentlich demokratischer gestaltet ist als zu jenem Zeitpunkt, an dem zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung ja gesagt haben.

Dieser EU-Reformvertrag demokratisiert die Europäische Union. Und es werden – da muss ich Kollegen Konecny korrigieren –, bis auf wenige, keine weiteren Souveräni­tätsrechte abgegeben. Aber man soll hier nicht sagen, es werden überhaupt keine zu­sätzlichen Souveränitätsrechte abgegeben.

Es werden einige wenige, Kollege Himmer, aber sehr sinnvolle Souveränitätsrechte ab­gegeben, etwa im Bereich Inneres und Justiz. Es ist wichtig, dass wir zum Beispiel die Durchsetzung von Gerichtserkenntnissen oder -urteilen innerhalb Europas haben. Es ist ein wichtiger Punkt, dass wir im Bereich der Sicherheit zu einem Ausbau der Zu­sammenarbeit für die Sicherheit unserer Bevölkerung kommen. Das macht Sinn. Und es macht auch Sinn, dass wir im Bereich der Energie zu einer verbesserten Zusam­menarbeit kommen.

Dieser Vertrag schafft mit den doppelten Mehrheiten auch etwas ab, was ich immer kri­tisiert habe. Demokratie beruht auf dem Mehrheitsprinzip. Das kann für jemanden, der in der Opposition ist und hier so einer gewaltigen Regierungsmehrheit gegenübersteht, nicht immer lustig sein, Kollege Tiefnig. Es ist nicht immer lustig. Sie werden vielleicht später einmal diese Erfahrung machen, sollten Sie auf die andere Seite rutschen. Sie haben natürlich auch gemerkt, als es hier eine rot-grüne Mehrheit gab, dass es selbst für eine Kanzlerpartei nicht lustig war; aber diese hat ja noch ihre anderen Möglichkei­ten.

Deshalb ist es auch für die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union wichtig, dass wir zu Mehrheitsentscheidungen kommen. Wenn wir ja zur EU sagen, so müssen wir auch ein Ja zu ihrer Handlungsfähigkeit sagen. Trotzdem gilt in vielen essentiellen Be­reichen unseres Landes das Einstimmigkeitsprinzip. Jenen, die sagen, dass nun der Neoliberalismus seinen Durchbruch erlangt hat und dass es zu einem sozialen Damm­bruch kommen wird, kann man nur entgegnen, wenn sie den Vertrag mit allen Vorurtei­len lesen oder nur auf Informationen angewiesen sind, die ihnen andere geben, dann können sie so etwas verbreiten, aber es stimmt nicht.

Es ist richtig: Die Europäische Union ist auch mit diesem Reformvertrag keine Sozial­union geworden – und das bedauern wir. Dort, wo wir die Freiheit der Waren, der


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Dienstleistungen und der Personen haben, haben wir noch keine soziale Union. Es wäre schön gewesen, hätte man zum Beispiel einen europäischen Mindestlohn defi­niert. Es wäre schön gewesen, wäre die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa ein Grundprinzip dieses Vertrages.

Trotzdem sind soziale Fortschritte erkennbar, nämlich durch die Verabschiedung der Grundrechtscharta. Das ist die Grundrechtscharta, die immerhin im Artikel 14 den Schutz der Gewerkschaften vorsieht, im Artikel 28 das Streikrecht in Europa begrün­det, die weiterhin – und das ist ein ganz wichtiger Punkt – die Gleichheit von Frauen und Männern sowohl bei der Beschäftigung, bei der Arbeit als auch beim Arbeitsentgelt definiert, die im Artikel 31 festhält, dass es ein Recht auf gesunde, sichere und vor al­lem würdige Arbeitsplätze gibt.

Stichwort „sozialer Dammbruch“: Die nationalen Regierungen – da muss man jetzt wie­der die EU ein bisschen in Schutz nehmen – waren ganz leise, als es darum ging, die Dienstleistungen generell zu privatisieren. Es hat einen Prozess auch im Europäischen Parlament nach sich gezogen, dass nun die Daseinsvorsorge, dieser Zugang zu Leis­tungen der sozialen Sicherheit oder der Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie sie in den Artikeln 34 und 36 beschrieben sind, genau in dieser Grundrechtscharta stehen und damit der Wert der Daseinsvorsorge in dieser Grundrechtscharta dargelegt wurde. Das ist mitnichten ein Dammbruch in Richtung Neoliberalismus.

Meine Damen und Herren, diese Grundrechtscharta enthält noch viele andere Punkte, aber mit Sicherheit nicht, dass wir eine Rückkehr zur Todesstrafe haben – auch das war nämlich schon zu lesen! –; die wird nämlich genau auf dem Gebiete der Europäi­schen Union ein für alle Mal geächtet. Auch dass künftig die Kollektivvertragsbestim­mungen mit einem Federstrich weggewischt werden, ist unrichtig. Richtig ist – auch das ist eine Weiterentwicklung –, dass diese Grundrechtscharta und damit die EU als Gesamtes der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten.

Meine Damen und Herren, all jene, die heute und hier ihre Zustimmung geben, wurden in der öffentlichen Debatte als Volksverräter dargestellt. Es war auch mehrfach zu le­sen, dass die Kameras unsere Gesichter festhalten sollten, damit man die Volksverrä­ter identifizieren kann, um sie nachfolgenden Generationen als die Verräter des heuti­gen Tages an der Souveränität Österreichs weiterzugeben.

Die Souveränität Österreichs geht mit diesem Vertrag in keiner Sekunde verloren. Al­lerdings: Österreich bekennt sich dazu, die EU handlungsfähiger zu machen und der EU ein Rechtsstatut zu geben. Und die EU bekennt sich dazu, dass es einen weiteren Schritt in der Demokratisierung des Europäischen Parlaments geben wird, aber auch, was das Verhältnis der Europäischen Union zu den nationalen Parlamenten betrifft, nämlich durch die Gleichzeitigkeit der Information. Letztlich sind wir als Bundesrat auf­gerufen, die Rolle des Wächters des Subsidiaritätsprinzips zu spielen und zur Dreh­scheibe des Subsidiaritätsprinzips mit den Landtagen und unseren Bundesländern zu werden.

Meine Damen und Herren! Vor nunmehr 30 Jahren bin ich gezwungen worden, mein Heimatbundesland zu verlassen, weil es vor 30 Jahren in Tirol nicht möglich war, nach meinem Gewissen zu leben und auf Tiroler Boden den Wehrersatzdienst zu leisten, weil der damalige Landeshauptmann keine Zivildienststellen einrichten ließ. Deshalb bin ich in Wien und deshalb vertrete ich hier ein Wiener Mandat. Und deshalb ist mir die Frage der Aufrüstung, der Militarisierung von besonderer Wichtigkeit. All jenen, die nun sagen, wir wachen mit diesem EU-Reformvertrag in einer Militärunion auf und zer­stören die Neutralität, sage ich genauso leidenschaftlich: Das stimmt nicht, denn 1995, beim EU-Beitritt Österreichs, wurde von der EU festgehalten, dass die Neutralität Ös-


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terreichs (Bundesrat Ing. Kampl: Immerwährend!) der unverwechselbare Beitrag unse­res Landes für Frieden und Sicherheit in Europa ist.

Diesem Passus, die militärischen Fähigkeiten zu verbessern, steht im Protokoll Num­mer 4 eindeutig gegenüber, dass dies freiwillig erfolgt. Österreich hat nicht diesen EU-Reformvertrag benötigt, um seine militärische Aufrüstung nahezu EU- und NATO-kon­form zu gestalten, indem der Eurofighter – unserer Meinung nach die größte Geldver­schwendung in der Zweiten Republik! – angeschafft wurde. Das haben uns die EU und auch dieser Reformvertrag nicht vorgeschrieben.

Wenn wir davon ausgehen, wo die Neutralität ihre Einschränkung erfahren hat, dann war es durch die Volksabstimmung von 1994, in der sehr wohl Souveränitätsrechte ab­gegeben wurden und sehr wohl das Bekenntnis zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erfolgte. Aber es gab da Zwischenschritte, die einer stärkeren Diskus­sion bedurft hätten, etwa die Unterzeichnung der Petersberger Papiere oder der Beitritt zur NATO-Partnership for Peace.

Oder – und ich möchte nicht 2010 hören, dass wir durch den EU-Reformvertrag nun in die Battle Groups gezwungen werden –: Ja, Österreich hat sich dazu entschieden – ob sinnvoll oder nicht, lasse ich jetzt einmal dahingestellt –, 2010 an einer dieser Battle Groups ein halbes Jahr teilzunehmen, und wird das mit Deutschland und Tschechien machen. Das alles ist vor diesem EU-Reformvertrag geschehen, und ich möchte das, bitte, hier auch ausdrücklich festhalten!

Es ist natürlich richtig, dass der militärische Spielraum Europas angesichts dessen, dass 22 Mitgliedstaaten NATO-Mitglieder sind, gering ist. Aber die Solidaritätsklausel wird ja nur militärisch interpretiert! Die Europäische Union ist eine große Familie, und wenn es jemandem in dieser Familie schlecht geht, so sind die Familienmitglieder, nämlich die anderen Mitgliedstaaten, dazu aufgerufen, Hilfe zu leisten. Das kann der Fall sein, wenn es irgendwo extreme Wasserknappheit gibt – dann wird man hier eine solidarische Aktion durchführen; man wird ja nicht zuschauen, wie andere Teile Euro­pas an Durst leiden! –, oder es betrifft den Bereich Energiekrisen, aber auch den Be­reich Sicherheitskrisen. Es ist hier nicht gesagt, und dieser Vertrag schreibt es nicht vor, dass eine Solidarität ausschließlich in militärischer Logik erfolgen muss!

Die Europäische Union ist noch keine Friedensunion. Aber auf dem Gebiete der Euro­päischen Union – und das hat Gottfried Kneifel hier sehr ausführlich dargestellt – sind kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Nationalstaaten nahezu undenkbar geworden! Ich habe hier eine Stelle in „Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers“ von Stefan Zweig gefunden; er meint:

„Jedesmal, wenn ich im Gespräch jüngeren Freunden Episoden aus der Zeit vor dem ersten Kriege erzähle, merke ich an ihren erstaunten Fragen, wieviel schon für sie his­torisch oder unvorstellbar von dem geworden ist, was für mich noch selbstverständ­liche Realität bedeutet. Und ein geheimer Instinkt in mir gibt ihnen recht: zwischen un­serem Heute, unserem Gestern und Vorgestern sind alle Brücken abgebrochen. Ich selbst kann nicht umhin, mich zu verwundern über die Fülle, die Vielfalt, die wir in den knappen Raum einer einzigen ... Existenz gepresst haben, und schon gar, wenn ich sie mit den Lebensformen meiner Vorfahren vergleiche.“ – Das, was Gottfried Kneifel heute auch gemacht hat.

Mein Sohn ist neunzehn; er kann sich nicht vorstellen, dass es hier, auf diesem Boden, jemals Krieg gegeben hat, auch wenn er sich in Zeitgeschichte sehr intensiv, aber aus rein historischer Perspektive, mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg befasst.

Meine Damen und Herren, zum Bereich der Diskussion darüber, was nun alles abge­graben wird und was sich verändert, ob Wasser, Gentechnik oder Atom: Wir Grüne


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sind nicht glücklich über den EURATOM-Vertrag. Das ist und bleibt eine prinzipielle Kritik. Aber dieser EU-Reformvertrag ändert nichts an jener Grundlage von 1995. Es wird immer wieder die Politik sein, die nationale Regierungen einbringen, und deshalb ist auch Politikwechsel im nationalen Bereich so wichtig, um den Rahmenvertrag mit politischen Inhalten, wie wir sie uns vorstellen und wie wir sie interpretieren, aufzufül­len.

In Kürze wird sich auch das irische Parlament mit diesem Reformvertrag und einer Volksabstimmung zu befassen haben. Ich möchte eines nicht verhehlen: 1995 haben die Grünen zu einem Nein zum Beitritt zur Europäischen Union aufgerufen. Aber noch in den neunziger Jahren haben die Grünen innerhalb dieser Europäischen Union die Chance, die leidenschaftliche Chance von gemeinsamer Europapolitik gelebt! Und sie sind heute in dieser Form auch eine der glaubhaftesten politischen Gruppierungen für Europa. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.)

Ich möchte Ihnen nun zum Abschluss noch etwas zur Kenntnis bringen. Die Senatorin Deirdre de Burca aus Irland, eine der militantesten EU-Gegnerinnen, die bisher jeden Vertrag mit der Europäischen Union abgelehnt hat, hat vor Kurzem eine Rede gehal­ten, in der sie argumentierte, dass die positive Führungsrolle, die die EU in für die Grü­nen wichtigen Bereichen wie Klimawandel, Menschenrechte, Entwicklungszusammen­arbeit oder internationale Konfliktprävention ausübt, sie und andere dazu bewogen hat, ihre Anti-EU-Position zu überdenken. Außerdem nennt sie die fortschrittlichen Arbeits- und Gleichstellungsgesetze, die es ohne die EU in Irland nicht gäbe; auch die vielen höheren Umweltstandards und die positive Wirtschaftsentwicklung seien auf die EU zu­rückzuführen.

Sie hat vor Kurzem einen Appell an die bisher zu nahezu hundert Prozent klar positio­nierten irischen Grünen gerichtet, einen Appell, sich angesichts von Klimawandel, Peak Oil, humanitären Krisen, internationaler Migration und Menschenhandel für eine starke und effiziente Europäische Union mit „global leadership“ zu entscheiden. Die irischen Grünen haben mit knapper Zweidrittelmehrheit diesen Positionswechsel vollzogen und werden auch diesem EU-Reformvertrag ihre Zustimmung geben. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne ist dieser EU-Reformvertrag ein erster Schritt. Die Demokratisierungsbemühungen in der EU dürfen nicht aufhören. Das Euro­päische Parlament muss weiter in seine Rolle als echtes demokratisches Parlament hineinwachsen. Die Zusammenarbeit, gerade was die Subsidiarität betrifft, muss sich jetzt einspielen; hier sind wir gefordert. Und nie und nimmer dürfen wir ruhen bei der Weiterentwicklung auch hin zu einer Sozialunion Europäische Union. – Ich danke. (Bei­fall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

12.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Staatssekretärin Silhavy das Wort. – Bitte.

 


12.29.08

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy: Herr Präsident! Wertes Präsidium! Sehr geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sie beraten heute nach der Ersten Kammer des Parlaments den Vertrag von Lissabon. Der Nationalrat hat sich ja, wie Ihnen bekannt ist, in mehreren Ausschusssitzungen sehr intensiv, sehr eingehend und unter Beiziehung bekannter und namhafter VerfassungsexpertInnen mit diesem Vertrag auseinander gesetzt und sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen.

Wir hatten gestern auch die Ehre, im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus des Bundesrates eingehend über wichtige Schwerpunkte des Vertrages mit Ihnen zu disku-


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tieren. Ich freue mich sehr darüber, dass auch der Ausschuss des Bundesrates den Vertrag positiv beurteilt und sich klar für ein Votum zugunsten der Ratifikation des Ver­trages ausgesprochen hat.

Meine Damen und Herren! Der Vertrag von Lissabon ist ein guter Vertrag, weil die EU damit eine sehr solide rechtliche Grundlage hat. Im letzten Jahrzehnt hat es zwei gro­ße, zusammenhängende Entwicklungen in Europa gegeben, die die Europäische Uni­on geprägt haben. Das war auf der einen Seite die Erweiterung um 12 Mitgliedstaaten, was ja nahezu einer Verdoppelung entsprochen hat, und auf der anderen Seite der Wegfall des Eisernen Vorhangs, der eine neue Phase der Integration in der europäi­schen Entwicklung bewirkt hat.

Wenn wir uns überlegen, dass es nur 15 Jahre gedauert hat, bis die ehemaligen Ost­blockstaaten – wenn man das so formulieren kann – Mitglieder in dieser Gemeinschaft geworden sind, einer Gemeinschaft, die sich von der Wirtschaftsgemeinschaft letztlich zu einer politischen Union weiterentwickelt! Daher hat es bereits seit Anfang der neun­ziger Jahre Reformbestrebungen gegeben, die nun mit dem Vertrag von Lissabon, der ja mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten soll, einen Abschluss finden.

Wir alle, Sie alle kennen Studien, die klar belegen, wie sehr gerade Österreich und die österreichische Wirtschaft seit 1995 vom EU-Beitritt profitiert haben! Wir alle wissen, wie viele Arbeitsplätze gerade in einer exportorientierten Wirtschaft, wie Österreich sie hat, davon abhängen, unsere Produkte in diesem europäischen Binnenmarkt von rund 480 Millionen Menschen abzusetzen und umzusetzen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir sehr wohl auch in Informationsbroschüren die konkreten Ergebnisse der EU-Mit­gliedschaft für die Bevölkerung in Österreich, für die Menschen bei uns nachgewiesen haben.

Wir alle wissen auch, wie wichtig es gerade für einen Staat wie Österreich ist, dass wir in der EU eine mächtige Stimme in internationalen Organisationen – ich nenne hier als die Beispiel die WTO – haben, die auch die Interessen unserer Staaten vertritt. Sie wis­sen, wie wichtig es gerade für junge Menschen ist, dass sie sich fortbilden können und wertvolle Erfahrungen auch im jetzigen europäischen Inland und früheren Ausland sammeln können. Ich nehme an, dass auch Sie alle es schätzen, wenn wir ohne große Kontrollen und ohne Geldwechseln in unsere Nachbarstaaten reisen und auch dabei Teil dieses großen und größeren Europas sind.

Das alles sind Aspekte, die eigentlich auf der Hand liegen und die Vorteile dieser Euro­päischen Union sehr klar und auch sehr nachvollziehbar für die Menschen machen. Trotzdem erleben wir gerade jetzt, und verstärkt mit der Debatte dieses Reformvertra­ges, den Euroskeptizismus.

Meine Damen und Herren, wir in der Politik sind gefordert und aufgefordert, uns damit auseinander zu setzen. Es ist unsere Verpflichtung, die Ängste und Sorgen der Men­schen ernst zu nehmen. Ich denke, das ist uns allen auch sehr deutlich bewusst. Es hat hier allerdings einige Beispiele gegeben, zu denen ich sagen muss: Genau das ist nicht die Aufgabe der Politik, dass wir unterschiedliche Ereignisse und unterschiedliche Entwicklungen wieder in eine Diskussion stellen und so tun, als ob es da einen unmit­telbaren Zusammenhang mit der EU gäbe!

Meine Damen und Herren, ich versuche, mich dagegen zu wehren, dass dieser Vertrag als Vorwand dafür genommen wird, Stimmung gegen die EU zu machen. Manche sind in Wirklichkeit auch dafür, dass wir die EU ... (Bundesrat Ing. Kampl: Wer macht das? Gehen Sie zu den Leuten hinaus!)

Ich bin dabei! Ich habe gesagt, Herr Kollege Kampl, dass ich die Menschen und ihre Sorgen ernst nehme. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, das zu vermischen, sondern es


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ist unsere Aufgabe, aufzuzeigen, was wir mit dem Vertrag machen, statt den Vertrag als Vorwand dafür zu nehmen, sozusagen Stimmung gegen die EU zu machen. (Bun­desrat Ing. Kampl: Nein!) Ich habe nicht gesagt, dass Sie das machen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Ich habe es Ihnen nicht unterstellt. Aber lesen Sie auch diverse Me­dien: Da fragt man sich schon, warum sie nicht an einer objektiven Berichterstattung in­teressiert sind, denn das wäre ja eigentlich ihre Aufgabe.

Im Zusammenhang mit mangelnden Informationen, die heute kritisiert wurden, ist es mir auch ein Anliegen, nicht nur die Kompetenz des Staatssekretärs Winkler, sondern auch seinen persönlichen Einsatz zu betonen! Er ist oft genug draußen bei den Leuten, Herr Kollege Kampl, und diskutiert mit ihnen. Er kann wahrscheinlich selbst sagen, bei wie vielen Veranstaltungen er war; ich weiß, bei wie vielen Veranstaltungen ich war. Wir sind draußen und reden mit den Leuten, machen Sie sich keine Sorgen!

Ich möchte trotzdem noch einmal darauf hinweisen: Es ist nicht Aufgabe der Politik, die Dinge zu vermischen, sondern wir sind jetzt bei dem Thema EU-Vertrag, und wir sollen aufzeigen, was dieser Vertrag für die Menschen und für die EU bedeutet.

Ich glaube, es ist auch unbestritten, dass das politische Konstrukt der EU nicht so ein­fach zu beschreiben ist; das macht auch den Vertrag nicht ganz so einfach und ver­ständlich. Alle, die mich länger kennen, wissen, dass ich aus der Sozialpolitik komme: Es wird mir hier kein Mensch erklären können, dass das ASVG, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, leicht verständlich ist! (Bundesrat Kneifel: Oder der Finanzaus­gleich!) Ich glaube, dass wir das alle so sehen, und trotzdem wirkt es für alle Menschen und ist damit lebbar und erlebbar.

Es ist auch eine Folge des Vertrags von Lissabon, dass er eine Stabilisierung der EU als Institution mit sich bringt. Was am 9. Mai 1950 als ein Projekt begonnen hat, das die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich beseitigen sollte, ist nicht einmal ein Jahrzehnt später mit dem In-Kraft-Treten der Römer Verträge zu einem europäi­schen Wohlstandsprojekt geworden, das die damals freien Teile Europas zu einem Zentrum der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilität machte. Mittlerweile leben wir in einer politischen Union, die einen gemeinsamen Markt, eine gemeinsame Wäh­rung, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie eine gemeinsame Politik der inneren Interessen umfasst. Es ist schon angesprochen worden, dass wir auch die­se Bereiche bereits mit dem Beitrittsvertrag beschlossen haben.

Der Vorschlag des europäischen Zukunftskonvents für einen europäischen Verfas­sungsvertrag ist bekanntlich an zwei nationalen Referenden gescheitert. Aber ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns bereits in diesem Zusammen­hang auch in Österreich sehr intensiv mit den Inhalten und den Themen beschäftigt ha­ben und dass die Menschen natürlich auch zum damaligen Zeitpunkt die Information und den entsprechenden Informationsstand hatten.

Die Schwerpunkte, nämlich gemeinsame Werte wie Solidarität, Toleranz und Nichtdis­kriminierung, um nur einige zu nennen, oder der einheitliche Zielekatalog, wurden ges­tern im Ausschuss ebenso diskutiert wie die bessere Ausgestaltung der Subsidiarität – was natürlich gerade für den Bundesrat ein wesentliches und wichtiges Thema ist – und der Verhältnismäßigkeit. Neben der neuen gemeinsamen Rechtsgrundlage sind vor allem ein Mehr an Demokratie – die Stärkung des Europäischen Parlaments wurde ja schon angesprochen –, die Einbeziehung der nationalen Parlamente in Entschei­dungsfindungen oder die Einführung der BürgerInneninitiative angesprochen, die ich als einen qualitativen Sprung sehe und empfinde.

Neben der Notwendigkeit der Reform der Institutionen und Verfahren bringt der Ver­trag – wie auch schon angesprochen – den verbindlichen Grundrechtekatalog für die Union mit sich, und er zeigt damit einen Entwicklungsprozess in Richtung Bürger und


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Bürgerinnen. Es geht damit auch um die Wahrnehmung und, wie gestern schon im Ausschuss diskutiert, um die Durchsetzung der wesentlichen subjektiven Rechte ge­genüber den europäischen Institutionen. Die EU wird damit ein Stückchen mehr zu einer Union der Bürgerinnen und Bürger. Auch wenn es von Herrn Bundesrat Schenn­ach schon angesprochen wurde, dass dies noch keine Sozialunion ist – so haben Sie es selbst genannt –, möchte ich noch einmal den Aspekt der sozialen Dimension, aber auch die Stärkung der Daseinsvorsorge als wesentlichen Aspekt hervorheben und be­tonen.

Wenn wir es schaffen, diesen EU-Reformvertrag von Lissabon tatsächlich mit 1. Jän­ner 2009 in Kraft zu setzen, dann haben wir auf viele Jahre hinaus nach innen und nach außen ein internationales politisches Gebilde stabilisiert. Ich denke, gerade ange­sichts der weltweiten Herausforderungen ist es notwendig, eine stabile Europäische Union zu haben.

Wir alle – Sie haben es ja vorhin schon erwähnt, und auch ich habe einen Sohn und ein Enkelkind – können uns das eigentlich gar nicht mehr anders als stabil vorstellen. Ich bin 1956 geboren, das heißt, ich habe auch das Glück, einer Generation anzugehö­ren, die keinen Krieg miterleben musste. Frieden, Stabilität und Wohlstand sind für uns, für knapp 500 Millionen Europäer, schon in hohem Maß selbstverständlich, und wir sind dafür sehr dankbar.

Trotzdem gibt es genug aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. Das gilt vor allem für ein immer schnelleres Voranschreiten einer globalisierten Welt, in der die natürli­chen Ressourcen immer knapper werden, in der wir mit einem Klimawandel zu kämp­fen haben und in der wir alle uns eines eingestehen müssen: Das sind keine Heraus­forderungen mehr, die im nationalen Bereich gelöst werden können, sondern sie müs­sen im gemeinsamen Kontext gelöst werden.

Herr Bundesrat Kampl, Sie haben den Hunger angesprochen. Gerade in diesem Zu­sammenhang ist es ja auch wieder notwendig, eine gestärkte EU zum globalen Akteur erheben zu können, der mitmischt, nämlich nicht nur zum Wohle der Menschen, die innerhalb dieser EU leben, sondern auch zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger auf anderen Kontinenten. Dafür ist es notwendig, eine gestärkte, stabilisierte Union zu ha­ben.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat am 9. April im Nationalrat gesagt, Europa sei für ihn das größte Zivilisationsprojekt der menschlichen Geschichte. Ich möchte hier anfü­gen: Bei allem, was man nach wie vor verbesserungswürdig finden kann und was auch verbesserungsfähig ist, müssen wir sagen und uns bewusst machen, dass wir heute im Vergleich zur Vergangenheit und im Vergleich zu vielen anderen Teilen dieser Welt um ein Vielfaches reicher geworden sind, und zwar nicht nur materiell, sondern auch kultu­rell, indem wir einfach mit anderen Kulturen eine intensivere Berührung haben, und dies unabhängig von sozialer Schichtung, kultureller oder sprachlicher Zugehörigkeit. Die europäische Einigung hat dazu geführt, dass wir heute unsere Interessensgegen­sätze auf einem Niveau austragen, wie das noch nie vorher in unserer Kultur der Fall war. Es ist gelungen, dass man das Schicksal ehemals verfeindeter Länder untrennbar miteinander verbunden hat, und diesen zivilisatorischen Fortschritt, den wir Frieden nennen, kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

Ich möchte mich daher bei allen Bundesrätinnen und Bundesräten, die durch ihre Zustimmung heute diesen zivilisatorischen, demokratischen und auch sozialen Fort­schritt stabilisieren, schon jetzt bedanken, denn dazu tragen Sie durch ihre Zustim­mung bei. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Ing. Kampl.)

12.41



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 69

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Wink­ler das Wort.

 


12.42.00

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her­ren! Hoher Bundesrat! Ich gebe Herrn Bundesrat Kampl recht. Es ist dies in der Tat ein wichtiger Tag heute, ein wichtiger Tag für den österreichischen Parlamentarismus. Und ich gebe gerne zu, dass ich heute auch mit einer gewissen Emotion an dieser Debatte teilnehme.

Es wurde schon erwähnt, dass dieser Vertrag, der Ihnen heute zur Behandlung vorliegt, seit sieben Jahren zur Diskussion steht – nicht der Vertrag selbst, aber die Grundzüge und die Richtung, in die dieser Vertrag gehen will, zur Diskussion stehen.

Diese sieben Jahre haben dazu gedient, eine umfassende, sehr intensive, manchmal sehr kontroversielle und emotionale Debatte über unseren Kontinent zu führen und über das, was wir von der Europäischen Union erwarten. Diese Debatte wurde in allen Staaten geführt. Sie wurde in vielen Staaten sehr unterschiedlich geführt, weil auch die Interessenslagen in den verschiedenen Staaten sehr unterschiedlich sind und weil auch die historischen Erfahrungen in den verschiedenen Staaten sehr unterschiedlich sind.

Da heute daran erinnert wurde, dass der Verfassungsvertrag, der vom österreichischen Parlament mit großer Mehrheit genehmigt wurde, in zwei Staaten von der Bevölkerung abgelehnt wurde, möchte ich doch auch daran erinnern, dass immerhin 18 Staaten, und das sind genau zwei Drittel, diesem Vertrag zugestimmt hatten. Zwei Staaten hat­ten sogar in einer Volksabstimmung diesem Verfassungsvertrag zugestimmt. Die Be­völkerung hat in Spanien mit sehr großer Mehrheit und in Luxemburg mit einer deut­lichen Mehrheit dem Verfassungsvertrag zugestimmt.

Heute haben wir ein Vertragswerk vor uns – ich will mich da jetzt nicht auf die Diskus­sion einlassen, ob 95 oder 94 oder 92 Prozent gleich sind –, das in seinen Grundzügen sehr vieles von dem bewahrt, was der Verfassungsvertrag offensichtlich auch zur Zu­friedenheit des österreichischen Parlaments festgelegt hatte. In einigen Punkten ist die­ser Vertrag allerdings wirklich anders. Er ist zunächst einmal anders, was seine Ver­tragstechnik betrifft. Und das führt dazu, dass dieser Vertrag relativ schwer zu lesen ist. Frau Kollegin Silhavy hat – ich verwende dieses Beispiel auch immer ganz gern – auf das ASVG hingewiesen. Ich habe wirklich einmal ernsthaft versucht, die 67. ASVG-No­velle zu lesen. (Bundesrat Schennach: Das ist einfach unmöglich!)

Übrigens: Als die 67. ASVG-Novelle im Parlament behandelt wurde, hat es meines Wissens keinen konsolidierten Text des ASVG gegeben.

Wir haben – und wie ich in der Zwischenzeit weiß, haben das die Regierungen in den meisten Mitgliedstaaten getan – zur Erleichterung der Debatte in den Parlamenten einen solchen konsolidierten Text produziert, der allerdings selbstverständlich keinen formalen Status hat und keinen formalen Status haben kann.

Ich glaube schon, dass die Bundesregierung, die einzelnen Mitglieder der Bundesre­gierung sich in den letzten Monaten sehr intensiv bemüht haben, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande zu informieren. Und glauben Sie mir, ich habe persönlich sehr viel Freude daran, wenn ich mit Bürgerinnen und Bürgern diskutieren kann, auch kri­tisch diskutieren kann, denn ich bin der Meinung, dass es selbstverständlich verschie­dene Meinungen, verschiedene Visionen dessen geben kann und muss, was dieses Europa sein muss.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 70

Was mich aber wirklich bedenklich stimmt und was mich auch als engagierten Euro­päer und Völkerrechtler und Jurist, der ich auch bin, mit Sorge erfüllt, ist, dass man sich sehr oft nicht an die Tatsachen hält. Das ist für mich nämlich eine der Grundvor­aussetzungen, über irgendetwas zu diskutieren, dass man zumindest außer Streit stellt, was die Tatsachen sind. Meinungen kann man ja verschiedene haben.

Ich möchte daher, wenn Sie mir das gestatten, auf die Rede der Frau Bundesrätin Mühlwerth zu sprechen kommen, weil für meine Sorge und meine Bedenken, gerade was die Tatsachen betrifft, die man eigentlich objektiv nachlesen könnte (Bundesrat Mag. Klug: Und nicht tut!), diese Rede ein gutes Beispiel darstellt. Ich gehe auf die drei Punkte, die hier vorgebracht worden sind, ein:

Erstens: die Verschleierung. Sie haben von einer Verschleierung gesprochen, haben Professor Öhlinger zitiert. Ich darf an eines erinnern: Als Österreich 1994 eine Volksab­stimmung über den Beitritt zur Europäischen Union durchgeführt hat, die bekanntlich mit großer Mehrheit für die Union ausgegangen ist, sind wir in ein Acquis eingetreten, also in einen Rechtsbestand der Europäischen Union. Und genau dieser Rechtsbe­stand wurde der österreichischen Bevölkerung unterbreitet. Ein wesentlicher Bestand­teil dieses Rechtsbestandes und einer der Hauptgründe, warum auch eine Volksab­stimmung abgehalten werden musste, weil es sich um eine Gesamtänderung der Bun­desverfassung gehandelt hat, war die Frage des Vorranges des Gemeinschaftsrechts vor dem österreichischen Bundesrecht.

An diesem Vorrang, der zum ersten Mal 1964 in einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes festgelegt worden ist und der bereits 1994 völlig außer Streit gestanden ist, an diesem Rechtsbestand hat sich überhaupt nichts geändert, was diesen Vertrag betrifft. Es ist richtig, dass der Verfassungsvertrag eine ausdrückliche Bestimmung enthalten hätte, die diesen Grundsatz, der auf Grund der Rechtsprechung des Euro­päischen Gerichtshofes ohnehin gilt, festgeschrieben hätte, kodifiziert hätte, die dieser Vertrag nicht enthält.

Sie sagen, es steht in einer Erklärung drinnen. – Erklärungen sind nun einmal keine Vertragsbestandteile, sie sind nicht Teil des Primärrechts der Europäischen Union. Es ändert sich also an diesem Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem Bundesrecht überhaupt nichts, und Professor Öhlinger, den ich besonders schätze, hat über Ersu­chen des Herrn Bundespräsidenten genau das festgestellt: Er, der beim Verfassungs­vertrag noch der Meinung war, man hätte eine Volksabstimmung machen müssen, weil wegen dieser Vorrangsbestimmung eine Änderung eingetreten wäre, hat nunmehr ge­sagt: Weil diese Bestimmung nicht mehr enthalten ist, kommt auch er zu dem Schluss, dass eine obligatorische Volksabstimmung nicht mehr erforderlich ist.

Zweitens: Eigenmittelbeschluss. Also: Ich vermag – aber vielleicht lese ich den Vertrag falsch – zwischen dem alten Artikel 269 und dem neuen Artikel 269 keinen Unterschied zu erkennen. Es ist auch im neuen Artikel 269 – ich nehme an, Sie haben ihn gelesen, Frau Bundesrätin – davon die Rede – Sie haben nämlich alles zitiert – außer den letz­ten Satz. Den letzten Satz haben Sie nicht zitiert. Im letzten Satz, wenn Sie den nach­lesen, Artikel 269, steht, dass selbstverständlich in allen Mitgliedstaaten ein Ratifika­tionsprozess stattzufinden hat. Also es ist schlicht und einfach nicht wahr, dass beim Eigenmittelbeschluss nur die Regierungen beschließen – die müssen übrigens auch einstimmig beschließen –, sondern es müssen auch die Parlamente ratifizieren. Also Sie, alle Abgeordneten, haben ... (Bundesrätin Mühlwerth: So steht das nicht drin­nen!) – In dem Text, den ich habe, steht es drinnen. (Heiterkeit bei Bundesräten von SPÖ und Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Sie hat einen anderen Text!) – Das ist möglich. Ich meine, das ... (Bundesrat Mag. Klug: Ich glaube, das Problem können wir lösen! Ich habe den Text da!)


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 71

Artikel 269 besagt – also in dem Text, den ich habe, steht das –: „Dieser Beschluss tritt erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfas­sungsrechtlichen Vorschriften in Kraft.“

Das ist der gleiche Text, der schon im Vertrag von Maastricht enthalten ist. Selbstver­ständlich ist also der Eigenmittelbeschluss weiterhin dem parlamentarischen Genehmi­gungsverfahren zu unterwerfen.

Zur Sicherheitspolitik. Frau Bundesrätin, Sie haben die gemeinsame Verteidigungs­politik erwähnt. – Ja, ich brauche nicht einmal auf den Verfassungsvertrag zurückzuge­hen, es genügt, wenn ich auf den Vertrag von Maastricht zurückgreife, wo dieses Ziel einer gemeinsamen Verteidigungspolitik wörtlich ebenso enthalten ist wie im jetzigen Vertrag von Lissabon. Da ändert sich überhaupt nichts! Das sind einige Beispiele, und es gibt auch viele andere Beispiele in der öffentlichen Debatte, die Sie nicht erwähnt haben, wo einfach die Tatsachen nicht beachtet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auf einige der Punkte einge­hen, die hier in dieser, wenn ich das sagen darf – ich hoffe, das steht mir zu –, sehr niveauvollen und sehr beeindruckenden Debatte vorgebracht worden sind.

Ein Punkt, nach dem Herr Bundesrat Kampl gefragt hat, war: Was geschieht, wenn Irland diesem Vertrag nicht zustimmt, wenn er in der irischen Bevölkerung keine Mehr­heit findet? – Die Antwort ist relativ einfach: Genauso wie der Verfassungsvertrag muss auch dieser Vertrag von allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert werden, und wenn ein Mitgliedstaat, aus welchen Gründen auch immer – weil sich das Parlament dazu nicht in der Lage sieht oder weil die Bevölkerung, wenn eine Volksab­stimmung notwendig ist, dagegen stimmt –, dagegen stimmt, dann wird dieser Vertrag nicht in Kraft treten.

Jetzt bitte ich, doch einen Moment darüber nachzudenken, was denn die Alternative ist. Wenn dieser Vertrag nicht in Kraft ist und nicht in Kraft tritt, was durchaus möglich ist, dann wird zunächst einmal, und ich würde mich trauen, das vorherzusagen, auf ab­sehbare Zeit die bestehende Vertragsgrundlage, nämlich der Vertrag von Nizza, be­stehen bleiben.

Es ist ja nicht so – aber ich habe manchmal diesen Eindruck in der Debatte –, dass, wenn wir nur gegen diesen Vertrag sind, wenn es uns irgendwie gelingt, diesen Vertrag zu verhindern, dann die Europäische Union verschwunden wäre. Nein, ist sie natürlich nicht, denn dann werden wir weiterarbeiten auf der Grundlage des Vertrages von Nizza, und – und das ist heute wirklich sehr gut zum Ausdruck gekommen in den De­battenreden bis jetzt, und ich nehme an, es wird auch in den weiteren so sein – das ist nicht gut, denn eine Union der 27 mit so vielen neuen Herausforderungen braucht eine verbesserte Rechtsgrundlage, damit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, im In­teresse von Europa und von uns allen diese Union schlagkräftiger und effizienter sein kann.

Natürlich werden wir auch weiterhin auf der Grundlage von Nizza arbeiten können, und ich hoffe, falls das wirklich passieren sollte – ich bin aber Optimist und glaube, dass es nicht passieren wird, aber falls es passieren sollte –, dass man sich überlegt, eine andere vertragliche Grundlage zu machen.

Ich glaube aber, und das ist meine feste Überzeugung auch nach sehr langjähriger Be­schäftigung mit diesem Thema, dass es im heutigen Europa unrealistisch wäre, zu glauben, dass wir einen besseren Vertrag bekommen könnten. Es beginnt ja schon da­mit, dass, wenn ich das jetzt zur Debatte stellte und an Sie alle die Frage richtete, was denn Ihrer Meinung nach ein besserer Vertrag wäre, wir uns nicht darauf einigen könn­ten, was wir anders haben wollen.


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Selbstverständlich gibt es in diesem Vertrag eine ganze Reihe von Dingen, die mir nicht gefallen, die Ihnen, Herr Bundesrat Kampl, nicht gefallen, und die wahrscheinlich dem Herrn Bundesrat Schennach nicht gefallen, und allen anderen auch nicht, aber dieser Vertrag ist nach einem ausführlichen Diskussionsprozess, einer breiten Diskus­sion in Europa, einschließlich der Zivilgesellschaft, einschließlich der nationalen Parla­mente, einschließlich der Experten und einschließlich der Politiker, das Beste, was wir heute bekommen können, und er bringt uns in sehr vielen Punkten weiter. Und das ist es doch wert, dass wir daher diesem Vertrag auch mit Freude zustimmen.

Ich möchte mich, so wie meine Kollegin, schon sehr herzlich dafür bedanken – ich darf das wohl hoffen –, dass dieser Vertrag auch im Bundesrat die Zustimmung finden wird.

Auf einige Punkte möchte ich noch eingehen. Herr Bundesrat Schennach hat die Voll­beschäftigung erwähnt. (Bundesrat Schennach: Von Vollbeschäftigung habe ich nicht gesprochen!) Sie haben auf die Arbeitslosigkeit hingewiesen. Das eine hängt mit dem anderen doch irgendwo zusammen. (Bundesrat Schennach: Wenn Sie es positiv brin­gen wollen, bitte!) – Ja.

Ich möchte doch auf eine neue Bestimmung hinweisen, die übrigens, wenn ich mich recht erinnere, im Verfassungsvertrag noch nicht in dieser Form enthalten war, die jetzt aber im Vertrag von Lissabon enthalten ist, nämlich der Artikel 2 Abs. 3, wo es heißt: „Die Union errichtet einen Binnenmarkt.“ – Na gut, das ist nichts Neues.

Aber: „Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines aus­gewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wett­bewerbsfähige soziale Marktwirtschaft,“ – es ist das zum ersten Mal, dass die soziale Marktwirtschaft auch vertraglich verankert wird – „die auf Vollbeschäftigung und sozia­len Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin.“

Jetzt möchte ich die Kritiker des Vertrages fragen: Ist das nicht ein wirklicher Fortschritt in Europa, wenn wir auch auf europäischer Ebene nunmehr die soziale Marktwirtschaft, den Umweltschutz, die Vollbeschäftigung als Vertragsziele verankert haben? Wir alle wissen, dass im Vertrag verankerte Ziele auch vom Europäischen Gerichtshof entspre­chend konkret umgesetzt werden.

Auf das Mehr an Demokratie wurde bereits mehrfach hingewiesen. Ich kann mich da­her hier ganz kurz fassen. Ich möchte aber doch auf die Europäische Grundrechte­charta zu sprechen kommen.

In der Diskussion im Nationalrat wurde von Bundeskanzler, Vizekanzler und Außenmi­nisterin darauf hingewiesen, dass nunmehr Grundrechte, neue Grundrechte und auch die alten Grundrechte, im Vertrag selbst verankert werden, und da hat es ein bisschen einen Hohn dafür gegeben. Es ist gefragt worden: Wozu brauchen wir neue Grund­rechte? Wir haben seit 1867 das Staatsgrundgesetz, und wir haben die Europäische Menschenrechtskonvention. Alles richtig, aber, bitte, bedenken wir den Mehrwert der Grundrechtecharta.

Erstens: Zum ersten Mal überhaupt sind nunmehr auch die Organe der Europäischen Union an diese Grundrechte gebunden. Das ist nämlich bisher nicht der Fall. Und wenn Sie heute als Unternehmer von der Kommission zu einer hohen Geldstrafe verdonnert werden, dann haben Sie es bis jetzt schwer gehabt, vor ein Gericht zu gehen und zu sagen, das war kein faires Verfahren. In Hinkunft werden auch die Organe der Euro­päischen Union daran gebunden sein, sich an diese Grundrechte zu halten.

Zweitens: Es werden in dieser Grundrechtecharta doch einige neue programmatische, wirtschaftliche und soziale Rechte enthalten sein, die, davon können wir ausgehen, auch vom Europäischen Gerichtshof in weiterer Folge ausgeformt werden.


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Drittens – auch das wurde schon erwähnt –: In Hinkunft wird die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten, und damit ist der Schutz Ihrer Rechte, meiner Rechte ganz erheblich verbessert.

Ich könnte selbstverständlich jetzt noch auf sehr viele andere Vorteile hinweisen. Sehr vieles, was im Vertrag enthalten ist, betrifft Organisatorisches, Institutionelles, und wir wissen, das interessiert die Bürger nicht wirklich. Warum sollte es sie auch interessie­ren? Woran die Bürger interessiert sind, ist, dass diese Europäische Union sie schützt und dass ihnen diese Europäische Union nützt, ganz konkret, und dazu bedarf es einer besseren Rechtsgrundlage, einer effizienteren, einer stärkeren Europäischen Union.

Zum Schluss ein Wort noch zu EURATOM. Die österreichische Position, auch die ös­terreichische Haltung, die Haltung der österreichischen Bundesregierung ist bekannt. Ich darf hier doch immerhin darauf hinweisen, dass es zu einer eigenen Erklärung mehrerer Staaten – Deutschland, Schweden, Ungarn, Österreich – gekommen ist, in der man festgestellt hat, dass es möglichst bald zu einer Regierungskonferenz kom­men soll, die die Vertragsgrundlage von EURATOM überprüft.

Der EURATOM-Vertrag bleibt, so wie bisher schon – das ist er nämlich schon, seitdem wir beigetreten sind –, Teil der Europäischen Union, aber wir treten nach wie vor und wir werden auch in Hinkunft dafür eintreten, dass dieser Vertrag so geändert wird, wie es mehr unseren eigenen Interessen entspricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr herz­lich für diese leidenschaftliche, positive, optimistische Debatte, denn ich glaube, wir sollen gegenüber Europa mit Optimismus und mit Zuversicht antreten. Es besteht kein Grund, Angst zu haben, denn wir können uns gemeinsam, so glaube ich, doch in eine richtige, gute Richtung weiterentwickeln, auch wir Österreicher, und wir bleiben Öster­reicher, selbstverständlich, aber wir als Österreicher haben mehr Chancen und bes­sere Chancen, wenn dieser Vertrag in Kraft treten wird. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Todt das Wort. – Bitte.

 


13.00.22

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Mit dem neuen Europaver­trag kommt die europäische Einigung einen großen Schritt voran, die Europäische Uni­on wird demokratischer und handlungsfähiger. Wir erleben einen doppelten Fortschritt: zum einen vom Europa der Staaten zu einem Europa der Bürger, zum anderen von einer reinen Wirtschafts- zu einer politischen Union.

Mit dem Lissabon-Vertrag ist zwar das Ende der europäischen Einigungsgeschichte noch nicht erreicht, aber mit diesem Grundlagenvertrag kann Europa die Herausforde­rungen des 21. Jahrhunderts besser bewältigen.

In einigen Zeitungskampagnen, in vielen Diskussionen und auch in den Aussagen eini­ger Politikerinnen und Politiker wird der Eindruck erweckt, dass durch den Vertrag von Lissabon ein Verlust der nationalen Souveränität, an regionaler Identität oder sogar an demokratischer Beteiligung entsteht. Das ist nicht richtig, das Gegenteil ist der Fall! Neben den verschiedenen staatlichen Ebenen werden insbesondere die Bürgerinnen und Bürger wie auch die organisierte Bürgergesellschaft erheblich in ihren Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten gestärkt.

Mit der Charta der europäischen Bürgerrechte wird der weltweit umfassendste und mo­dernste Katalog von Rechten und Freiheiten im Europavertrag verankert. Zum ersten


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 74

Mal stehen in einem Grundrechtskatalog die sozialen und wirtschaftlichen Rechte der Menschen gleichberechtigt neben den klassischen Freiheitsrechten. Diese Rechte kön­nen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingeklagt werden. Über die ein­klagbaren Grundrechte hinaus enthält die Charta aber auch eine Vielzahl von Staats­zielen, vom Schutz der Kinder bis zum Recht auf ein würdevolles Leben im Alter.

Die Grundrechtscharta ist die Seele des neuen Europavertrages; in ihr sind die Werte und Ziele für die Bewahrung und Modernisierung des europäischen Sozialmodells nie­dergelegt.

Mit dem Lissabon-Vertrag werden die Bürgerinnen und Bürger erstmals direkt auf die Gestaltung der Politik in Brüssel einwirken können. Durch das europäische Bürgerbe­gehren wird ein Instrument der direkten Demokratie in die Europapolitik eingeführt: So­bald mehr als eine Million europäischer Bürger durch ihre Unterschrift ein politisches Anliegen unterstützt, muss die Europäische Kommission dieses in die politische Tages­ordnung aufnehmen.

Das europäische Bürgerbegehren wird sich als ein Bindeglied für die Menschen von Polen bis Portugal erweisen und es wird vor allem ein Europa von unten ermöglichen! Die EU ist damit fortschrittlicher als so mancher ihrer Mitgliedstaaten, in dem es keine Elemente der direkten Demokratie gibt.

Mit dem neuen Europavertrag bekommen die Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal entscheidenden Einfluss auf die Wahl des Regierungschefs der EU, den Präsidenten der Europäischen Kommission, der auch Chef der europäischen Exekutive ist. Dieser wird in Zukunft vom Europäischen Parlament gewählt, wobei das Ergebnis der Europa­wahl berücksichtigt werden muss.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 bekommen damit eine neue Bedeutung: Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden letztlich, in welche politische Richtung sich die Europäische Union weiterentwickeln soll.

Wichtig und notwendig ist es jetzt, dass die europäischen Parteien vor den Europa­wahlen geeignete Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten für das Amt des Kom­missionspräsidenten oder der Kommissionspräsidentin aufstellen. Die Bürgerinnen und Bürger können dadurch zum ersten Mal zwischen verschiedenen Personen und somit auch zwischen verschiedenen konkreten Programmen für die fünfjährige Legislaturpe­riode wählen. Die Europäische Union wird damit bürgernäher und auch transparenter.

Die von den Unionsbürgern gewählten Parlamente in der EU gehören ebenfalls zu den Gewinnern des neuen Europa-Vertrages, darauf wurde schon hingewiesen. Die Ar­beitsweise der Union beruht auf der repräsentativen Demokratie. Die nationalen Parla­mente bekommen mehr Verantwortung und Mitwirkungsmöglichkeiten; einige meiner Vorredner haben diese Frage bereits ganz besonders unterstrichen.

Die Parlamente können jetzt die „gelbe Karte“ zeigen: Wenn ein Drittel der nationalen Parlamente einen Verstoß gegen das Prinzip der Subsidiarität feststellt, ist die Kom­mission aufgefordert, den Vorschlag zu überdenken, muss ihn aber nicht zwangsläufig verändern.

Die Parlamente können aber auch eine „orange Karte“ zeigen: Wenn die Hälfte der na­tionalen Parlamente Einspruch erhebt, muss die Kommission begründen, warum sie keinen neuen Vorschlag vorlegt. In diesem Fall kann die Gesetzesinitiative der Kom­mission mit 55 Prozent der Stimmen im Ministerrat oder mit einfacher Mehrheit im Europäischen Parlament abgelehnt werden.

Und es gibt auch die „rote Karte“: Neben dem Einspruch im Rahmen des Frühwarnsys­tems haben die nationalen Parlamente auch die Möglichkeit, über ihre Regierungen vor


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dem Europäischen Gerichtshof eine Subsidiaritätsklage einzubringen. Eine Gesetzes­initiative der EU-Kommission muss zurückgezogen werden, wenn der EuGH entschei­det, sie verstoße gegen das Prinzip der Subsidiarität.

Darüber hinaus organisieren die nationalen Parlamente zusammen mit dem Europäi­schen Parlament die politische Kontrolle über Europol, über das europäische Polizei­amt, über Eurojust, die europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit, und betei­ligen sich an der Bewertung der Unionspolitik im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

Das Europäische Parlament als einzige direkt von den Bürgerinnen und Bürgern ge­wählte europäische Institution wird in seinen Kompetenzen und Mitspracherechten durch den Vertrag von Lissabon gestärkt. Der neue Vertrag ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu einer parlamentarischen Demokratie auf europäischer Ebene.

Insbesondere bei der Gesetzgebung, beim Haushaltsrecht und bei der Kontrolle der europäischen Exekutive gewinnt das Europäische Parlament an Bedeutung. EU-Ge­setze werden in Zukunft zu 95 Prozent gleichberechtigt vom Europäischen Parlament und dem Ministerrat entschieden.

In diesem Zweikammersystem auf EU-Ebene repräsentiert das Parlament die Interes­sen der Bürger, der Ministerrat die der Staaten. Neu ist die Mitentscheidung insbeson­dere bei der gesamten Agrarpolitik, weiten Teilen der Innen- und Justizpolitik, der Ener­giepolitik, beim Katastrophenschutz und bei der humanitären Hilfe.

Insbesondere in der Innen- und Justizpolitik wird das Europäische Parlament neue Mit­wirkungsmöglichkeiten erhalten, so zum Beispiel bei der Kriminalitäts- und Terroris­musbekämpfung, in Fragen des Grenzschutzes und der Einwanderungspolitik wie auch bei der Kontrolle der europäischen Polizei- und Justizbehörden Europol und Eurojust.

Das Parlament hat sich bereits in der Vergangenheit für eine Balance zwischen den Bedürfnissen der Sicherheit auf der einen Seite und den Freiheitsrechten der Men­schen auf der anderen Seite eingesetzt. Insbesondere der Schutz der Grundrechte so­wie der Schutz der persönlichen Daten sind für das Europäische Parlament von großer Bedeutung.

Das Europäische Parlament wird auch bei der europäischen Außen- und Sicherheits­politik mehr Mitsprache erhalten. Der neu geschaffene europäische Außenminister, der offiziell „Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik“ heißt, ist gleichzeitig Vize­präsident der Europäischen Kommission. Damit ist er in seiner Arbeit gegenüber dem Europäischen Parlament verantwortlich, muss dort Rede und Antwort stehen und kann notfalls auch durch einen Misstrauensantrag entlassen werden.

Zum Aufbau der EU-Botschaften in der ganzen Welt muss das Europäische Parlament gehört werden.

Zusammen mit den nationalen Parlamenten wird das Europäische Parlament darüber hinaus die parlamentarische Kontrolle der EU-Verteidigungspolitik und der EU-Militär­missionen gewährleisten.

Die Budgetrechte des Europäischen Parlaments werden deutlich ausgeweitet: In Zu­kunft wird das Europäische Parlament die Mitentscheidung über Ausgaben der EU ha­ben.

Mit dem Vertrag von Lissabon wird das Europäische Parlament in Zukunft den Präsi­denten der Europäischen Kommission wählen. Der Europäische Rat muss dem Parla­ment einen Personalvorschlag machen und dabei die Ergebnisse der Europawahlen berücksichtigen. Der Chefposten in der europäischen Exekutive wird damit vom Wäh­lerwillen und den daraus gebildeten Mehrheiten im Europäischen Parlament abhän-


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gen. – Dies ist ein wichtiger Fortschritt für die Personalisierung wie auch für die Politi­sierung der Europapolitik und die Verwirklichung der europäischen Demokratie.

Der Vertrag von Lissabon verankert den Grundsatz der partizipativen Demokratie auf EU-Ebene. Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen. Die Entscheidungen werden so offen und bürgernah wie mög­lich getroffen.

Zu den Gesetzesvorschlägen und sonstigen Initiativen müssen Anhörungen mit den Betroffenen und ihren Verbänden durchgeführt werden. Zivilgesellschaftliche Organi­sationen, die die Interessen von vielen Tausend Bürgern repräsentieren, werden zu einem offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog eingeladen. In Zukunft werden die Positionen von Organisationen wie zum Beispiel amnesty international oder Green­peace bei europäischen Gesetzesvorhaben stärker berücksichtigt.

Mit dem Vertrag von Lissabon wird die Rolle von Kommunen und Regionen in Europa gestärkt. Erstmals wird das Recht der kommunalen Selbstverwaltung durch den Euro­pa-Vertrag garantiert. Die Wahrung der kulturellen Identität der Regionen in der EU gehört ebenfalls zu den Zielen des Lissabon-Vertrages.

Das Prinzip des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes in der EU ist auch die Grundlage für den EU-Sozial- und den EU-Regionalfonds, durch die vor Ort viele Men­schen und Unternehmen profitieren.

Im neuen Europa-Vertrag wird stärker denn je eine klare Kompetenzabgrenzung zwi­schen der europäischen und der nationalen Ebene vorgenommen. Erstmals werden die ausschließlichen Kompetenzen, die geteilten Kompetenzen zwischen der EU und den Nationalstaaten und Politikbereiche, in denen die EU ergänzende Maßnahmen be­schließen kann, in den Verträgen aufgelistet.

Alle der EU nicht übertragenen Zuständigkeiten verbleiben weiter bei den Mitgliedstaa­ten. Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten und ihre jeweilige nationale Identität. Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung kann die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeit tätig werden, die ihr die Mitgliedstaaten in den Verträgen übertragen haben.

Neben einer klaren Kompetenzabgrenzung gewinnen die Mitgliedstaaten durch die Stärkung des Ministerrates und die Einrichtung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs als einer neuen Institution an Bedeutung. In Zukunft werden die Mitgliedstaaten durch zwei EU-Organe vertreten:

Zunächst ist das der Ministerrat, der in seinen jeweiligen Formationen die nationalen Fachminister zusammenbringt. Der Ministerrat wird gemeinsam mit dem Europäischen Parlament als Gesetzgeber tätig und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus.

Als neue Institution kommt jetzt der Europäische Rat mit einem gewählten Präsidenten hinzu. Dieser Europäische Rat soll der Europäischen Union die erforderlichen Impulse für die Weiterentwicklung geben und soll die Prioritäten wie auch die politischen Ziel­vorstellungen für Europa festlegen.

Ein Gewinn für die Mitgliedstaaten ist auch der Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit in den meisten Politikbereichen. Blockaden eines einzelnen Mit­gliedstaates zulasten der 26 anderen Länder sind in diesem Fall nicht mehr möglich. Entscheidungen können schneller getroffen werden und bleiben nicht mehr auf einen Minimalkonsens beschränkt.

Der Vertrag von Lissabon ist eine wichtige Etappe auf dem Weg zur europäischen Ein­heit; dieser neue Europa-Vertrag stärkt die EU nach innen wie auch nach außen. Die


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wichtigsten Inhalte des Verfassungsvertrages, über den wir hier im Bundesrat bereits einmal abgestimmt haben, konnten in den Vertrag von Lissabon gerettet werden – der Herr Staatssekretär hat ganz besonders darauf hingewiesen.

Die Europäische Union wird durch den Lissabon-Vertrag demokratischer und hand­lungsfähiger. Bedeutend sind der Erwerb der Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union und die Überwindung der Aufteilung zwischen EU und EG. Europa ist jetzt aus einem Guss und kann sowohl nach innen als auch nach außen auftreten und interna­tionale Verträge abschließen.

Die Europäische Union ist der erste Versuch, die Völker und Staaten des Kontinents freiwillig und friedlich zu einen. In der Geschichte hat es mehrere Versuche gegeben, dies mit Gewalt und Unterdrückung durchzusetzen. Solche Versuche sind immer ge­scheitert und haben Millionen von Toten gefordert.

Der freiwillige Charakter der Mitgliedschaft in der Europäischen Union wird durch die neue Austrittsklausel unterstrichen. Ein Mitgliedstaat kann beschließen, aus der Union auszutreten.

„Einheit in Vielfalt“ ist das Motto der europäischen Integration. Bei Wahrung der natio­nalen und regionalen Identität ist die europäische Zusammenarbeit zur Lösung großer Probleme ein historisches Projekt, von dem alle profitieren. – Österreichisch leben, europäisch denken! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.16


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Ager das Wort. – Bitte.

 


13.16.35

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Als Vorsitzender des Aus­schusses für auswärtige Angelegenheiten dieser zweiten Kammer möchte auch ich meinen Beitrag zu Punkt 2 dieser Tagesordnung leisten.

Vorausschicken möchte ich, dass ich ein Befürworter dieses Reformvertrages bin. Er ist zwar noch nicht das Gelbe vom Ei, aber er beinhaltet eine ganze Fülle von Verbes­serungen gegenüber dem Vertrag von Nizza, wie zum Beispiel die Stärkung der ge­meinsamen Außenpolitik und der Menschenrechte. Darüber hinaus macht dieser Re­formvertrag, wie wir gehört haben, die EU demokratischer und handlungsfähiger.

Ich respektiere auch die Sorgen und Ängste der EU-Skeptiker, bin aber der Meinung, dass wir trotz gegensätzlicher Ansichten immer die Sachlichkeit in den Vordergrund stellen sollten.

Für manche ist der neue europäische Reformvertrag eine Bedrohung der Menschheit, andere wieder sehen in diesem Vertrag so etwas wie die Lösung aller Probleme. – Die Wahrheit wird wahrscheinlich in der Mitte liegen, und für diesen Konsens werden wir alle zusammen stehen müssen.

Um diesen Vertrag zu verstehen, braucht es Top-Experten, die uns zur Verfügung standen und die uns die Lage immer wieder erklärt haben, darüber hinaus muss man sich aber auch selbst mit den Hintergründen auseinandersetzen.

Unsere Außenministerin Ursula Plassnik hat den Vertrag einmal eine „neue Ge­brauchsanleitung für Europa“ genannt. Das trifft meiner Ansicht nach genau zu, weil er das auch ist.

Wir sollten in dieser Auseinandersetzung aber von der gleichen Sache reden: Manche reden vom Vertrag und meinen den Ausstieg aus der EU – ich frage mich da immer,


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wie die Alternative aussähe –, manche reden vom Vertrag und möchten vom Kuchen nur die Rosinen haben, und mancher glaubt, 26 Länder richten sich primär nach öster­reichischen Bedürfnissen.

Meiner Überzeugung nach ist die Europäische Union ein einzigartiges pluralistisches Projekt mit 450 Millionen Menschen, ein Garant für den Frieden, Vergangenheit und Zukunft zugleich, ein gutes Gegengewicht zu Amerika.

Die Einigung Europas, die wir heute in beträchtlichem Maße erreicht haben, war die Antwort auf eine Frage, die sich für viele seiner Bürgerinnen und Bürger heute offenbar nicht mehr stellt – Frieden und Freiheit sind eine Selbstverständlichkeit geworden. Wir wissen heute, dass sich Europa nur aus freiem Willen, das heißt, im Frieden und aus der Sehnsucht nach dem Frieden, dauerhaft vereinen kann und vereint bleiben wird.

Neu in der Zukunftskompetenz dieses Vertrages sind zwei Rechtsgrundlagen: Zu­nächst die für den Klimaschutz und zum Zweiten die für eine europäische Energiepoli­tik, was auch sehr wichtig ist.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, die Verlockung war groß, auf alles, was die EU-Gegner an Ängsten in die Welt gesetzt haben, eine Entgegnung zu bringen. Das würde zum einen den Rahmen meiner Rede bei Weitem sprengen, zum anderen möchte ich auch niemanden belehren.

Ich möchte hier dennoch drei Beispiele bringen. Es wird immer wieder behauptet, Österreich bezahle an die EU als Nettozahler viel zu viel. Da muss ich sagen: Wussten Sie, dass Österreich neben Irland als einziges Land der Union fast 90 Prozent seiner Gelder zurückholt?

Zweitens: Es wird behauptet, die EU bekomme Zugriff auf unser Wasser. – Wahr ist, dass Österreich, was das Wasser betrifft, ein ausdrückliches Vetorecht besitzt.

Drittens: Es wird immer wieder behauptet, die österreichische Neutralität werde abge­schafft. Das stimmt so sicher nicht. Der Vertrag von Lissabon ändert nichts am Status unserer Neutralität, wie sie seit dem Beitritt und der Verfassungsänderung von 1997 besteht.

Lassen Sie mich hier kurz unseren legendären ehemaligen Präsidenten Schambeck, der in seinem Aufsatz in der jüngst erschienenen Publikation „Europäische Verfassung im Werden“ gesagt hat, dass die einzelnen Mitgliedstaaten die Mitgliedschaft nach un­terschiedlichen Schicksalen und mit verschiedenen Zielsetzungen angestrebt und an­getreten haben. Da hat er wohl recht. Das Europa von morgen steht vor geschichtli­chen Umwälzungen von bisher nicht gekannten Ausmaßen, in denen Europa nur als geeinte Macht zwischen Asien, allen voran China und Indien, und den USA überleben wird können.

Ich bin der Meinung, dass der Reformvertrag von Lissabon – immer im Vergleich zum vorherigen Vertrag, nämlich dem von Nizza – besser für die Bürger, besser für Öster­reich, besser für Europa, also insgesamt besser für uns alle ist. Liebe Freunde! Ver­wenden wir die gemeinsame Substanz und Energie, um unseren gemeinschaftlichen Lebensraum Europa und unser gemeinsames Zusammenleben zu verbessern!

Meiner bescheidenen Meinung nach werden wir alle in Europa angekommen sein, wenn die einen aufhören, alles nur positiv zu sehen, und der andere Teil der Bevölke­rung aufhört, alles der EU zuzuschieben – und wenn die Gegner aufhören, so zu tun, als ob die Welt zusammenbricht, wenn wieder irgendwelche Neuerungen kommen. Erst dann, glaube ich, werden wir gemeinsam in unsere und unserer Kinder Zukunft bli­cken können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.23



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 79

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.23.16

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich sage ein nicht besonders euphorisches Ja zu diesem Reform-Ver­trag. Auch in meinen Augen ist er kein Meisterwerk. Ich habe einige Kritikpunkte gefun­den, wie zum Beispiel im demokratischen Bereich.

Einerseits ist verankert, dass es künftig ein BürgerInnenbegehren geben wird. Wunder­bar! Es werden auch die Rechte des Parlaments gestärkt. Aber nichtsdestotrotz, wenn 95 Prozent der europäischen Gesetze vom Parlament bestätigt werden müssen, blei­ben 5 Prozent über, die es nicht müssen. Das Parlament hat weiterhin kein Initiativ­recht. Ein europaweites Volksbegehren, also das BürgerInnenbegehren, wird in der Kommission zwar behandelt werden, aber mit welchem Ergebnis es behandelt wird, können wir nicht garantieren – und wird auch im Vertrag nicht geregelt werden können.

Zum Bereich des Umweltschutzes: Es ist erfreulich, das der Klimaschutz jetzt zu den Zielen gehört. Wie das mit dem freien Personen- und Warenverkehr zusammenspielen wird, wird sich weisen. Es gibt keine eindeutige Austrittsmöglichkeit aus dem EURATOM-Vertrag. Das wäre für mich ein wichtiges Ziel gewesen, steht aber leider nicht im Vertrag. Es gibt auch nicht wirklich ein Recht auf intakte Umwelt, das ich mir auch gewünscht hätte.

Auch im Bereich des Sozialen gibt es einiges, das ich vermisse. Es ist schön, dass die Grundrechtecharta anerkannt wird und dass Vollbeschäftigung und soziale Marktwirt­schaft als Ziele definiert sind. Im Prinzip sind diese Dinge aber doch eher Schlagworte und keine Mindeststandards. Die Einführung von Mindeststandards im sozialen Be­reich steht leider noch nicht dezidiert in diesem Vertrag.

Bei der Sicherheitspolitik wird der Frieden sehr oft als Ziel genannt. Das militärische Kerneuropa, auch wenn es nur auf freiwilliger Basis stattfinden kann, ist etwas, das ich mir nicht gewünscht hätte. Es ist etwas, das ich in diesem Vertrag lieber nicht verfasst gesehen hätte. Trotzdem: Wenn all die Kritikpunkte, die ich an diesem Vertrag ver­misse, in diesem Vertrag stünden, und Dinge, die ich in diesem Vertrag lieber nicht ver­fasst gesehen hätte, nicht darin stünden, könnte ich euphorisch zustimmen.

In diesem Fall fehlen diese Punkte. Das heißt aber auch, dass diese bis jetzt nicht in einem EU-Vertrag gestanden sind. Sie stehen jetzt nicht im Vertrag und es gibt keine Änderung. Wir könnten sie hineinreklamieren.

Der vorliegende Reformvertrag gibt der Kommission und dem Ministerrat – und mit dem Ministerrat auch der österreichischen Bundesregierung und dem europäischen Parlament – einen Rahmen vor. In diesem Rahmen kann sich die Europäische Union zu mehr Demokratie und zu mehr sozialem Engagement entwickeln. Das ist möglich, aber durch diesen Vertrag nicht garantiert.

Der Reformvertrag gibt der Bevölkerung die Möglichkeit, ihre Anliegen in diesem Bür­gerInnenbegehren an die Kommission vorzubringen, sich am politischen Geschehen verstärkt zu beteiligen. Damit ist aber nicht garantiert, dass das politische Interesse der Bevölkerung dadurch geweckt wird, und es ist auch nicht garantiert, dass die Interes­sen der Bevölkerung, die in einem solchen BürgerInnenbegehren vorgebracht werden, berücksichtigt werden. Die Kommission muss sich damit befassen, muss es aber nicht umsetzen. Das ist im Prinzip eine Sache, die auch bei einem österreichischen Volks­begehren leider nicht anders gehandhabt wird.

Jetzt hat die Bevölkerung die Möglichkeit, eine Volksabstimmung zu fordern. Das tut sie auch lautstark. Ich habe sehr, sehr viele Mails bekommen, wir alle haben sehr, sehr


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 80

viele Mails bekommen, aber ich glaube, nicht sehr viele von uns haben sie beantwor­tet. Ich habe mir die Mühe gemacht und habe sie alle beantwortet.

Die Mails von der Friedenswerkstatt enthielten einiges: Auf der einen Seite waren da nur Schlagworte, von denen man, wenn man sich damit näher beschäftigt, begreift, dass sie im Prinzip nichts mit dem Reformvertrag zu tun haben. Auf der anderen Seite waren es Dinge, die so einfach nicht stimmen. Auf der dritten Seite waren es Dinge, von denen ich sagen muss: Natürlich kann man den Teufel an die Wand malen, aber es gibt in Europa auch noch Demokratien mit nationalen Parlamenten! Man muss nicht immer vom schlimmsten Fall ausgehen.

Ich habe diese Mails beantwortet und bekam viele weitere Rückmeldungen. Das waren keine Schimmelmails mehr, sondern andere. Viele davon waren wirklich sachliche Ant­worten, verständnisvolle Erklärungen von Standpunkten dieser Menschen. In viel mehr Rückmeldungen ist aber leider nur gestanden: Ich glaube euch einfach nicht. Oder: Einem Politiker glaube ich sowieso nichts. Oder: Die EU ist sowieso schuld an allem, an der Armut, an der Globalisierung und an der Atomkraft. Diese Mails finde ich sehr beunruhigend. Ich denke, wir müssen es ernst nehmen, wenn es in Österreich so viele Menschen gibt, die eine solche Meinung von ihrer Regierung und von ihren Politikern haben.

Kollege Konecny hat vorhin darüber diskutiert, ob es 60 oder 80 Prozent der Bevölke­rung sind, die eine Volksabstimmung wollen. Sollen es 40 Prozent sein, das ist trotz­dem sehr viel! Auch wenn nur 20 Prozent mit solchen Argumenten eine Volksabstim­mung wollen, ist das erschreckend viel. Ich denke, wir müssen das ernst nehmen, auch wenn wir es jetzt so in dieser Form nicht verstehen.

Was wir besonders ernst nehmen müssen, ist die Skepsis dieser Menschen. Warum glauben sie denn, dass man einem Politiker von Haus aus nichts glauben darf? Warum fühlt man sich so belogen? Liegt es daran, dass beim Beitritt nicht alles direkt gesagt worden ist? Liegt es daran, dass die Information zwar vorhanden ist – wobei ich dazu­sagen muss, dass Sie sich persönlich, Herr Staatssekretär Dr. Winkler, immer sehr darum bemüht haben, allen alles zu erklären –, dass man aber beim Erklären nicht in die Breite gegangen ist? Das hat leider in diesem Fall sehr gefehlt. Breite, sachliche Information hat es leider nicht gegeben.

Der Vertrag ist sehr, sehr kompliziert zu lesen; man hätte ihn wahrscheinlich aufberei­ten müssen. Da hat einiges gefehlt.

Aber warum fühlen sich diese Menschen nicht ernst genommen? Es ist für mich er­schreckend, dass in diesem Fall offenbar der „Kronen Zeitung“ mehr Glaubwürdigkeit zugesprochen wird als dem Informationsdienst des Außenministeriums, auch wenn dieser einen Vertragstext zuschickt. Letztendlich glauben die Menschen das, was in der „Kronen Zeitung“ steht, denn den Politikern kann man ja – so heißt es – nichts mehr glauben. Es ist nicht nur erschreckend, es ist für mich auch ein großer Grund zur Sorge. Ich denke aber, man soll sich nicht nur sorgen, sondern sich auch überlegen, wie man diese Einstellung ändern kann.

Die Regierung neigt leider in sehr vielen Bereichen dazu, sich auf die EU auszureden. Zum Thema Transitverkehr hören wir immer: Wir können nichts tun, denn die EU will alle ihre Lkw durch Österreich schicken. – Die EU schreibt uns aber nicht vor, dass wir quer durch Österreich überall und an jeder Ecke eine Autobahn bauen müssen; das entscheidet die Regierungspolitik. Außerdem würde uns die EU eine flächendeckende Lkw-Maut ermöglichen; das wäre laut Wegekostenrichtlinien möglich. Aber wir haben heute in der Anfragebeantwortung des Herrn Verkehrsministers wieder gehört, dass er davon offenbar nichts mitkriegen will. Er ist überhaupt nicht darauf eingegangen, ob eine flächendeckende Lkw-Maut jemals absehbar ist.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 81

Es ist nicht ganz ehrlich, sich im Bereich Transit auf die EU auszureden, denn die Regierung hat da einiges mitzureden, tut es aber leider nicht.

Zum Bereich Atomkraft. Wir können uns nicht aussuchen, ob andere Mitgliedstaaten die Atomkraft nutzen oder nicht. Wir können es ihnen auch nicht verbieten, erst recht nicht, da wir aufgrund – ich sage jetzt nur: Ökostromgesetznovelle – der Untätigkeit der Regierung derzeit leider sehr abhängig sind vom Atomstrom aus Tschechien. Was wir aber können, ist, wirklich Anti-Atompolitik zu machen und hiezu auch die Bevölke­rung mit einzubinden. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt Umweltverträglichkeitsverfahren, zum Beispiel zuletzt das vom Kernkraftwerk Mochovce. Es war so herrlich versteckt auf der Seite des Umweltbundesamtes! Ich schätze das Umweltbundesamt wirklich sehr, aber die Informationen zu diesem Um­weltverträglichkeitsverfahren wurden irgendwo auf einer Unterseite der Umweltbundes­amt-Homepage veröffentlicht und dann auch irgendwo auf den Homepages der Länder versteckt, sodass kein Mensch gewusst hat, dass hier ein Umweltverträglichkeitsprü­fungsverfahren läuft. Die Länder, die es an und für sich kundmachen hätten müssen, haben sich einfach gedacht: Wir sparen uns die Inseratkosten. – Ich weiß nicht, was sonst der Grund dafür sein konnte. Jedenfalls ist das nicht öffentlich gemacht worden. Das ist fehlende Anti-Atompolitik in Österreich!

Was ich mir in diesem Bereich noch wünschen würde, ist, dass man massiv auf einen fairen Wettbewerb drängt. Atomkraft hat bekanntlich nur deshalb Marktchancen, weil in Bezug auf Haftung und Versicherung viel zu wenig geschieht. In dem Ausmaß, in dem Atomkraftwerke versichert sind, würde ich gerne mein Auto versichern müssen; dann bräuchte ich wahrscheinlich gar nichts zu bezahlen. Die Gesamtversicherungssumme der tschechischen Atomkraftwerke beträgt etwa 70 Millionen; das ist lächerlich.

In diesem Bereich würde ich mir wirklich wünschen, dass die Regierung massiv auf­steht und sagt: Wir haben keine Atomkraftwerke, aber falls etwas passiert, wollen wir, dass unsere Bevölkerung Anspruch auf Entschädigung hat. Das könnte die Regierung tun: mit oder ohne EURATOM-Vertrag.

Ich möchte noch bemerken, dass die Mittel für EURATOM trotz Einstimmigkeit im Mi­nisterrat 2006 massiv erhöht worden. Auch das war eine politische Entscheidung im In­land.

Zum Bereich Soziales. Auch die Einführung des Grundeinkommens scheitert nicht an der EU, sondern eher am Willen beziehungsweise am Tempo der Regierung. Es reicht mir nicht, wenn man sagt: Es ist traurig und erschütternd, dass die Bevölkerung der Politik kein Vertrauen schenkt – oder zumindest weniger als der „Kronen Zeitung“. Ich denke, hier muss etwas geändert werden. Der einzige Weg, wie man Vertrauen wie­dergewinnen kann, ist Transparenz.

Transparenz könnte man zum Beispiel schaffen, indem man Ministerratsentscheidun­gen wirklich öffentlich behandelt, nämlich so, dass wir wissen, wie österreichische Mi­nisterinnen und Minister im Ministerrat abstimmen. Bei Differenzen mit der Kommis­sion  (Zwischenbemerkung von Staatssekretärin Silhavy.) – Das kann man sicher irgendwo aus dem Internet heraussuchen. Momentan ja. Aber dann nicht mehr. Es gibt auch die Möglichkeit, sich zu enthalten. (Staatssekretär Dr. Winkler: Sprechen Sie vom EU-Ministerrat?!)

Zur Klarstellung: Ich spreche vom EU-Ministerrat. Unseren Ministerrat habe ich jetzt nicht gemeint. Ich habe gedacht, dass das klar ist, da ich ja von der EU rede. (Staats­sekretär Dr. Winkler: Diese Sitzungen werden live übertragen!) – Ja, aber da sitzt man nicht immer.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 82

Es gibt zwar vieles, aber es auch wirklich zu finden, ist manchmal ein Problem. Ganz ehrlich, ich habe jetzt viel herumgesucht und sogar die konsolidierte Fassung dieses Reformvertrags habe ich erst sehr spät gefunden. Das Allererste, das man im Internet gefunden hat, war die Homepage von „Rettet Österreich“, leider. Man kann aber etwas dagegen tun. Ich denke, es wäre zum Beispiel möglich, die Homepage des Ministe­riums in Google ein Stückchen vor „Rettet Österreich“ zu verschieben.

Zu mehr Transparenz: Transparenz fehlt mir auch, wenn es darum geht, dass man er­fährt, was die Kommission und die österreichischen Minister miteinander für Probleme haben. Die Mahnschreiben der Kommission habe ich bisher immer vergeblich im Inter­net gesucht; meines Wissens stehen sie auch nicht in Internet. Ich wüsste aber oft ger­ne, wie das mit der Umsetzung ist und ob Österreich richtig umgesetzt hat, aber diese Kritik findet man leider nicht im Internet.

Wie gesagt, dieses ewige Sich-aufeinander-Ausreden, vor allem das der Bundesregie­rung auf die Europäische Union, schafft sicher kein Vertrauen. Es wäre unbedingt not­wendig, auf Regierungsseite das Verhalten zu ändern. Österreich könnte selbständig eine effektive Politik in den Bereichen Umwelt, Soziales und Verkehr machen, wenn die österreichische Regierung das wirklich wollte. Die EU hindert in den wenigsten Be­reichen daran.

Viele ReformvertragsgegnerInnen lehnen den Vertrag auch aus den Gründen ab, die ich zu Beginn erwähnt habe und kritisiere: Zu wenig Demokratie – das wäre ausbau­bar –, zu wenig Ausbau der sozialen Kompetenzen und zu wenig Stärkung der Ziele Frieden, Grundrechte und so weiter. „Zu wenig“ kann meiner Meinung nach bedeuten, dass ich den Vertrag ablehne und eine Volksabstimmung fordere, bei der ich ihn ab­lehne.

Das hat 2005 leider auch nicht funktioniert. 2005 ist der Verfassungsvertrag nicht durchgegangen, aber was war das Ergebnis? – Dass ein paar Jahre später ein neuer Vertrag vorliegt, in dem sich zwar einiges geändert hat, aber nicht unbedingt das, was mir ein Herzensanliegen ist. Worin der Fortschritt liegt zwischen 2005 und jetzt, ist für mich persönlich nicht klar und deutlich heraussehbar. Würde der Reformvertrag wieder verhindert, würden bis zum Zeitpunkt, zu dem ein neuer Vertrag vorliegt, die Verträge von Nizza gelten – und das wäre meiner Überzeugung nach ganz sicher kein Fort­schritt.

Meine Vorgehensweise: Ich werde zustimmen. Ich habe schon vorher gesagt: Ich wer­de nicht euphorisch zustimmen, aber ich stimme zu. Es ist mir aber sehr wichtig, dass wir hier auch in diesem Hause in der Tagespolitik immer wieder darauf drängen, dass auf die Wünsche der Bevölkerung mehr Rücksicht genommen wird und es gerade in diesem Bereich mehr Transparenz gibt. Mehr Transparenz ist die einzige Vorausset­zung, wenn es darum geht, Vertrauen zurückzugewinnen und künftig eine öffentliche Diskussion über EU-Themen sachlich führen zu können.

Die Verträge von Lissabon sind ein Fortschritt im Vergleich zu den Verträgen von Nizza. Es ist ein kleiner Fortschritt, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die EU zu einem Hort der Demokratie, zu einer Sozialunion, einer Friedensunion und zu einem Hort der Menschenrechte zu machen, auf dieses Meisterwerk werden wir wahrschein­lich noch lange warten müssen. Es ist jetzt Aufgabe der Regierung und des Europäi­schen Parlaments, mit dem vorhandenen – beziehungsweise bald gültigen – Vertrag dahin gehend zu arbeiten, dass die EU den Weg in diese Richtung einschlägt und nicht in eine andere Richtung geht.

Es ist hier im Parlament unsere Aufgabe, von der Regierung Transparenz und Informa­tion einzufordern und das Vertrauen eines großen Teils der Bevölkerung – ob es nun


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 83

40, 20 oder 70 Prozent sind – wiederzugewinnen: im Sinne der Demokratie in Öster­reich. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


13.40.02

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Werte Damen und Herren! Frau Kollegin Kerschbaum hat gerade die Begriffe „Transparenz in der Politik“ und „Glaubwürdigkeit von Politi­kern“ verwendet – ein guter Ansatz, aber leider praktisch nicht gelebt.

Wenn man dieser Tage mit den Menschen in unserem Land, mit der Bevölkerung ins Gespräch kommt und sie auf den Reformvertrag anspricht, dann bekommt man nahe­zu überwiegend immer die gleiche Rückmeldung, nämlich den Ärger über die Politik, über die Vorgehensweise, wie dieser Reformvertrag in der Bevölkerung umgesetzt wird, oder, anders gesagt, wie damit über der Bevölkerung „drübergefahren“ wird.

Das Problem an dieser Sache ist wohl auch das, dass gerade von Seiten der Regie­rung, aber auch der Grünen eine Argumentation verwendet wurde, die eigentlich an Überheblichkeit und Arroganz fast nicht zu überbieten ist. Man hat gesagt: Du, liebes Volk, bist zu dumm, dass du den Vertrag verstehst! (Bundesrat Schennach: Na! – Bundesrat Gruber: Das hat wortwörtlich niemand gesagt!) Du kennst dich nicht aus in diesem Vertrag! Und du hast daher auch nicht die Legitimation, darüber zu befinden! (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist eine Ungeheuerlichkeit!) Und das machen wir, die Politiker, obwohl wir wissen – und da spreche ich wieder in erster Linie SPÖ, ÖVP und Grüne an –, dass ihr ... (Bundesrat Mag. Himmer: Sie sind der Erste, der von einem „dummen Volk“ spricht! Ich mache Sie darauf aufmerksam!)

Ich danke für den Zwischenruf, Herr Kollege! Ich weiß, bei der Antrittsrede ist das nicht üblich, aber es freut mich doch sehr, dass ich da den Punkt getroffen habe. (Zwischen­ruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Bundesrat Gruber: Man provoziert ja auch nicht so bei einer Antrittsrede!)

Man hat hier die Befürchtungen, die Sorgen der Bevölkerung nicht beachtet – wohl wis­send, dass vieles, was ihr im Vorfeld versprochen wurde, bereits beim Beitritt und auch in den Jahren danach nicht eingehalten wurde; ich erinnere an den „Ederer-Tausen­der“, ich erinnere daran, dass gesagt wurde, dass transitmäßig in Tirol alles besser werde, ich erinnere daran, dass die Lebenskosten generell günstiger werden sollten; all das ist nicht eingetroffen! Statt dass man argumentativ den Zugang zum Volk gesucht hätte, dass man versucht hätte, gerade über die Expertenmeinung, das Volk quasi auf die sichere Seite, auf die Seite der Befürworter zu ziehen, ist man von Seiten der Re­gierungsparteien, aber auch der Grünen, die diese Vorgangsweise wohl auch mitgetra­gen haben, einfach „drübergefahren“. Ich glaube, man hat damit der Politik als Ganzes keinen guten Dienst erwiesen. (Präsident Kritzinger übernimmt wieder den Vorsitz.)

In Zeiten, wo immer wieder von Politikerverdrossenheit gesprochen wird – ich betone ausdrücklich Politikerverdrossenheit, nicht Politikverdrossenheit, denn das Interesse an der Politik, meine Damen und Herren, ist nach wie vor sehr groß, aber man hat in der Bevölkerung kein Interesse an solchen Politikern, die nicht auf das Volk hören und die nicht das Anliegen des Volkes vertreten (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth – Bundesrat Molzbichler: Das war das Volk! – Bundesrat Gruber: Das Volk hat geklatscht!) –, hat man der Politik als solches, nicht nur der österreichischen, son-
dern auch der europäischen Politik, einen schlechten Dienst erwiesen. (Bundesrat Mag. Klug: Das tut ihr heute auch!) – Nein, nein, das glaube ich nicht! Ich spreche das


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 84

aus, was Sie verabsäumt haben, Herr Kollege! Das spreche ich heute hier aus. Ich glaube auch nicht, dass Sie, Herr Kollege, wenn Sie sich schon hier einbringen wollen, auch Ihrem Gedankengut, nämlich die EU dem Volk etwas näherzubringen, einen guten Dienst erwiesen haben.

Gerade mit solchen Ansätzen: „Drüberfahren“; Volk, wir, deine gewählten Vertreter, wissen es ja besser als deine Empfindungen!, gerade mit solchen falschen Ansätzen – so glaube ich – kann man die EU den Bürgern nicht näherbringen! Das glaube ich nicht, Herr Kollege! (Bundesrat Mag. Klug: Das glaube ich schon!) – Na ja, das ist viel­leicht Ihr Zugang! Vielleicht wird sich das bei der nächsten Wahl das eine oder andere Mal auf die eine oder andere Art und Weise niederschlagen. Das wäre auf jeden Fall zu begrüßen! Das wäre zu begrüßen! (Bundesrat Gruber: Sie haben das schon hinter sich!)

Wir von der FPÖ stehen jedenfalls – und das möchte ich hier noch einmal betonen – von Anfang an auf der Seite des Volkes. (Bundesrat Mag. Klug: Keine Ahnung von Lissabon! Keine Ahnung!) Es war immer unser Zugang, dass wir gesagt haben: Das Volk, das eigentlich in der Verfassung der Souverän bei solchen Entscheidungen sein sollte, ist hier nicht auszuschließen, sondern explizit einzubinden! (Bundesrat Perhab: 66,2 Prozent waren nicht das Volk 1994?!) – Na, wir reden nicht von damals, wir reden von heute, wir reden von diesem Reformvertrag, Herr Kollege, von diesem Reformver­trag, nicht, was früher war, von diesem Reformvertrag! (Bundesrat Mag. Klug: Sagen Sie zu Lissabon auch noch was? – Bundesrat Gruber: Sagen Sie doch, Sie wollen austreten!) – Sie nehmen mir jetzt das Wort vorweg! Auch Ihre ständigen Anschuldi­gungen, wir seien für den Austritt, machen Ihre Argumente nicht richtiger, Herr Kollege! Das ist nicht wahr! (Bundesrat Gruber: Reden Sie nicht um den heißen Brei herum!)

Ich möchte noch einmal feststellen: Die FPÖ will nicht austreten! Die FPÖ will nicht austreten, aber falsche Argumente mit einem schlechten Vertrag machen die Zugänge zur EU nicht besser. (Bundesrat Gruber: Wo waren Sie denn, als Ihre Kollegen im Par­lament zugestimmt haben?)

Daher meine ich: Hätten Sie das Volk befragt, Herr Kollege, dann bräuchten Sie sich heute hier nicht aufzuregen! So einfach ist das. Sie bräuchten Ihre Anschuldigungen nicht gegen mich zu erheben, wenn Sie selber damals auf die Stimme des Volkes ge­hört hätten! (Bundesrat Gruber: Wo haben Sie denn geredet mit Ihren Nationalräten 2005?)

Ich glaube jedenfalls, dass derartige Experimente, die mit diesem Reformvertrag ein­mal mehr in die falsche Richtung gelaufen sind (Bundesrat Gruber: Es gibt halt Leute, die wechseln die Hemden!) und wo hier einmal mehr dem Volk vorgezeigt wurde, wie man Politik nicht machen sollte (Bundesrat Mag. Klug: Genau!), nämlich nicht auf das Volk zu hören (Bundesrat Mag. Klug: Wie man es nicht machen soll! Keine Ahnung!), sondern drüberzufahren, Herr Kollege, der falsche Weg sind! Das ist der falsche Weg, das können Sie mir glauben! (Bundesrat Mag. Klug: Kommt noch was zu Lissabon?)

Ich hoffe doch sehr, dass wir uns vielleicht über den Umweg Irland in einigen Monaten wieder hier sehen und über die dritte Fassung beraten werden! Ich bin gespannt, wel­che Argumente Sie dann haben! Vielleicht ist das dann wieder der nächste Winkelzug. (Bundesrat Gruber: Da sind Sie wieder dafür!)

Jedenfalls steht die FPÖ zu diesem Vertragswerk nicht – nicht auf diesem Weg, nicht ohne Einbindung des Volkes. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundes­rat Molzbichler: Das Volk klatscht! – Bundesrat Mag. Klug: Das wird immer schlim­mer!)

13.47



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 85

Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort kommt Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile es ihr.

 


13.48.00

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod President! Frau Staatssekretärin! Gospa drzavna sekretarka! Herr Staatssekretär! Gospod drzavni se­kretár! Lieber Herr Kollege Werner, ich habe mir das jetzt aufgeschrieben. Wortwörtlich haben Sie gesagt: Transparenz und Glaubwürdigkeit, ein guter Ansatz, aber praktisch nicht gelebt.

Ihre Partei ist diejenige, die das Volk und die Bevölkerung durch Unwahrheiten wie zum Beispiel Neutralität, Todesstrafe, Verkauf des Wassers verunsichert. Wir nehmen die Bevölkerung ernst. Unsere Aufgabe ist es, diesen Vertrag wahrheitsgetreu unter die Bevölkerung zu bringen und auch Vertrauen für diesen Vertrag aufzubauen. Das hat sich der Vertrag verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt: Der Herr Kollege Sigi Kampl ist nicht da, aber seine Fahnen haben eigentlich den Reichtum Europas dargestellt, nämlich die Vielfalt. Seine Identität: Er ist Gurktaler, Gurktaler Bürgermeister, er ist begeisterter Kärntner, er ist begeisterter Ös­terreicher und ein begeisterter Europäer, ich bin davon überzeugt. Er ist auch der­jenige, der gesagt hat, dass er das Miteinander so forcieren will. Ich appelliere an ihn: Gehen wir gemeinsam nach Kärnten und versuchen wir, diesen Vertrag vertrauensvoll und wahr der Bevölkerung zu präsentieren und nicht Unwahrheiten und Verunsicherun­gen zu verbreiten!

Jetzt möchte ich zu meiner eigentlichen Rede kommen; ich möchte mich nicht wieder­holen, weil es eigentlich sehr viele Vorredner und Vorrednerinnen schon gemacht haben. Fakt ist, dass dieser Vertrag demokratischer, sozialer und handlungsfähiger ist. Wenn wir diesem Vertrag nicht zustimmen, dann sind wir nicht in einem rechtsleeren Raum, sondern dann gilt der Vertrag von Nizza – und dieser ist sicherlich schlechter.

Dieser Vertrag ist ein Resultat, welches jahrelang mühsam diskutiert und verhandelt worden ist. Selbstverständlich muss dieser Vertrag weiterentwickelt werden. Da gibt es in Kärnten ein Plakat. Wenn wir dem Vertrag jetzt zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sind wir keine EU-Chaoten und keine EU-Chaotinnen, wie dort zu le­sen steht, sondern wir sind begeisterte Anhänger und Anhängerinnen eines friedlichen, sozialen, gestärkten und handlungsfähigen Europa.

Es gilt, das Vertrauen der Menschen in diesen Vertrag zu stärken! Das hat die Frau Staatssekretärin im Ausschuss betont. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist aber nicht legitim und – wie ich glaube – auch nicht akzeptabel und auch nicht verständlich, wenn irrationale Ängste geschürt werden, wenn Vorurteile gestärkt werden und wenn man Unwahrheiten behauptet. Und das machen leider das BZÖ und die FPÖ. Ängste, Vorurteile, Unwahrheiten schaffen keinen Frieden. Das primäre Ziel Europas ist, für Frieden zu sorgen!

Ich möchte jetzt auf die Charta der Grundrechte eingehen, speziell auf die Menschen­rechtskonvention. Es gibt neue Grundrechte, die in diesem Vertrag verankert worden sind; das hat der Herr Staatssekretär vorhin schon erwähnt. Und die Menschenrechts­konvention ist in diesem Vertrag verankert, und zwar – und das ist wichtig! – als Ver­pflichtung. Sie ist als Verpflichtung verankert; und alle Organe müssen sich daran hal­ten.

Das bringt zwei positive Auswirkungen mit sich. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ist die alleinige, höchste Instanz. Und gerade dieses Gericht kann gleich­mäßig auslegen, wie Menschenrechte im Detail auszulegen sind.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 86

Die zweite positive Auswirkung ist, dass auf diese Art und Weise, liebe Kollegen und Kolleginnen, jeder einzelnen Person, jeder einzelnen Bürgerin und jedem einzelnen Bürger der Zugang zum Menschenrechtsgerichtshof ermöglicht wird. Und gerade diese Punkte, diese wichtigen Punkte, hat bei der letzten Sitzung des Europarates in Straß­burg die deutsche Bundeskanzlerin Merkel betont. Wir haben ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Zielsetzung für ganz Europa; nämlich ein Europa zu schaffen, auf das in Zukunft aufgebaut werden kann, ein Europa im Sinne des Miteinanders, ein Europa eines positiven und friedlichen Zusammenlebens von 500 Millionen Menschen aus 27 Mitgliedstaaten.

Seit fast sechs Jahrzehnten gibt es keinen Krieg mehr auf diesem Kontinent. Wenn wir bedenken, wie viele Millionen Menschen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg ihr Leben lassen mussten, muss man sagen, es ist der eine Punkt, nämlich für Frieden zu sor­gen, ein wesentlicher Punkt, durch den bewiesen wird, dass diese EU und dieser Re­formvertrag ihre Berechtigung haben.

Dazu ist es aber auch notwendig, dass dieses Europa auch ein Europa für Bürger und Bürgerinnen wird und auch ist. Ein Europa der Bürger und Bürgerinnen bedeutet aber, das gegenseitige Kennenlernen zu forcieren. Europas Reichtum liegt in der Vielfalt, und Europa ist eine Zone der sprachlich-kulturellen Vielfalt. Die verschiedenen Spra­chen und Kulturen müssen als Bereicherung Europas erkannt werden. Das Erlernen der Muttersprache ist sehr wichtig, denn gerade das Erlernen der Muttersprache hilft wesentlich dabei, eine Identität, eine Zugehörigkeit und ein Verständnis für die eigene Heimat zu entwickeln.

Darüber hinaus geht es aber auch darum, andere europäische Sprachen zu erlernen, um ein besseres Verständnis für Europa in seiner ganzen Vielfalt zu erlangen, nämlich ein Europa des Respekts, ein Europa des Vertrauens, ein Europa der Akzeptanz und gegenseitiger Achtung.

Der Weg Europas soll hin zu einer Offenheit, zu einer Lebendigkeit führen, auch zu einer Lebendigkeit der kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Eine Sprache zu kennen bedeutet mehr als ihre Beherrschung für Kommunikationszwecke. Eine Sprache zu kennen bedeutet, andere besser kennenzulernen, andere in ihren Sprachen anzure­den, sie besser zu verstehen und Vertrauen aufzubauen. Wo Vertrauen herrscht, fühlt man sich wohl. Und wo man sich wohlfühlt, liebe Kolleginnen und Kollegen, da herrscht Frieden.

Die verschiedenen Sprachen und Kulturen sind ein Reichtum, ja sogar ein Wettbe­werbsvorteil. Deshalb sollte die Mehrsprachigkeit in diesem Europa gefordert, gefördert und genützt werden. Nur wenn Europa seine Vielfalt als eine europäische Aufgabe ver­steht, werden die Geister der Vergangenheit, die durch Nationalismus und Chauvinis­mus zerstörerisch und destruktiv in Erscheinung traten, zum Schweigen gebracht.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. – Hvala. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

13.57


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich erteile es ihm.

 


13.57.29

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Zunächst einmal nehme ich mir ganz ernsthaft vor, mich an die freiwillige Redezeitbeschränkung zu halten! (Allgemeiner Beifall.) Die Debatte, die wir hier führen, ist sehr, sehr wichtig, was natürlich rechtfertigen würde, dass wir länger reden. Aber wenn es dann dazu


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 87

führt, dass immer nur derjenige aufwacht, der gerade selbst spricht und die anderen schon eher in den Schlafmodus übergehen, haben wir wieder nicht diesen Dialog, den wir eigentlich gerne haben möchten.

Was die Idee Europa betrifft, ist ja sehr vieles schon gesagt worden. Es ist auch von meiner Seite so, dass ich glaube, Sicherheit, Frieden und Freiheit zu exportieren, ist si­cherlich das wesentlichste Gut der europäischen Idee. Ich möchte trotzdem erwähnen, dass Österreich, was auch die wirtschaftliche Position betrifft – wir haben, als wir der EU beigetreten sind, ein Exportvolumen von 40 Milliarden € gehabt, das in der Zwi­schenzeit auf 115 Milliarden € gestiegen ist, 80 Prozent der Exporte gehen in den EU-Raum, 60 Prozent des Volkseinkommens hängen damit zusammen –, sehr, sehr viel insbesondere auch von der Ostöffnung profitiert hat.

Über die Inhalte des Vertrages – von der Grundrechtscharta über die Subsidiarität, die Mitwirkung des Europäischen Parlaments und die Außenpolitik – ist schon sehr viel gesprochen worden. Ich möchte an dieser Stelle auch festhalten, dass man, was die Information der Bevölkerung betrifft, nicht damit zufrieden sein kann, dass man über­haupt grundsätzlich nie damit zufrieden sein darf, wenn sich die Menschen nicht genü­gend informiert fühlen, und dass natürlich auch noch ein Weg vor uns ist, den wir beschreiten werden – das ist ja überhaupt keine Frage!

Ich möchte hier auch noch in folgendem Punkt auf die Debatte eingehen: Ich habe von manchen Kritikern gehört, das Problem liege ihrer Meinung nach darin, dass Politiker sich in ihrer Argumentation auf die EU ausreden und deswegen die EU dann immer wieder einen Imageschaden erleidet – wobei sich aber die gleichen Kritiker dann in Lamenti über die gegenwärtige Situation hinsichtlich Volksbefragung ergehen, die aber auch wiederum rein gar nichts mit Problemstellungen, die die Europäischen Union betreffen, zu tun haben.

Viel ist gesagt worden über die Rechtssituation. Ich glaube, es ist ganz klar, dass es sich um keine Gesamtänderung der Bundesverfassung handelt, weswegen wir in einer repräsentativen Demokratie hier im Parlament heute einen Beschluss fassen können.

Eines kann ich an der Position der Kritiker inhaltlich zwar nachvollziehen, meine aber doch, dass man dazu auch die Gegenargumentation bringen darf: Für mich ist es auch ein Einsammeln von billigem Kleingeld, wenn man all das aufzählt, was generell in Po­litikfeldern unerledigt ist, dann da wird man natürlich immer aus dem Vollen schöpfen können. Es ist aber meiner Wahrnehmung nach jeder, der sich in dieser Hinsicht kritisch geäußert hat, die Antwort schuldig geblieben auf die Frage, was sich mit einer Nichtzustimmung zu diesem Vertrag diesbezüglich zum Besseren wenden könnte.

Wenn dann seitens dieser Kritiker gesagt wird, es gehe ihnen doch nur darum, dass abgestimmt wird, dann sei darauf hingewiesen: Wenn aber dann tatsächlich abge­stimmt wird, muss man ja auch wieder eine Meinung dazu haben, ob man jetzt eigent­lich dafür oder dagegen sein soll! – Und das ist natürlich politisch besonders opportun: Wenn man nur einen Wirbel macht für das Thema, indem man sagt, es sollte abge­stimmt werden, dann aber seine Argumentationen streut nach dem Motto: Diejenigen, die glauben, ich bin ein Europäer, sollen glauben, ich bin ein Europäer, und diejenigen, die glauben, ich bin eigentlich gegen die EU, sollen glauben, ich bin gegen die EU. – Das ist als Haltung einer Opposition nachvollziehbar, aber von einer politischen Linie ist das weit entfernt.

Es sind hier interessante Themen angesprochen worden, wie Neoliberalismus und auch der Hunger in der Welt – ein Thema, das meiner Ansicht nach einem entwickelten Land wie in Österreich beziehungsweise auch der Europäischen Union alles andere als gleichgültig sein kann. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, dass der Umstand, dass wir dann einen neuen Vertrag haben, uns nicht davon entbindet, dass noch viel


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 88

an Politik, die zu erledigen ist, vor uns liegt und dass natürlich vieles auch in der lau­fenden Arbeit, in der politischen Auseinandersetzung stattzufinden hat.

Das treffendste Argument den Kritikern gegenüber hat aus meiner Sicht heute Profes­sor Konecny gebracht, indem er darauf aufmerksam gemacht hat, dass man, wenn man sich in Zukunft besonders kritisch mit der EU auseinandersetzen möchte und auch von der Austrittsmöglichkeit Gebrauch machen möchte, eigentlich auch diesen Vertrag braucht. Mit dieser Argumentation, die ich inhaltlich für sehr richtig und wertvoll halte, hat er wirklich sozusagen eine Spange zugemacht.

Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch darauf hinweisen, dass der ganze Ratifikationsprozess ja bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist. Wir sind bekanntlich eines von 27 Mitgliedsländern. Wir haben noch einiges an Zeit vor uns, diesen Vertrag der Bevölkerung näherzubringen. Und keinem von uns, der hier heute diesem Ver­tragswerk zustimmt, muss bange sein, dass er das der Bevölkerung nicht erklären wird können – der Bevölkerung, die ja immer wieder beschworen wird als diejenige, die wir vertreten: Na selbstverständlich, wir stimmen nämlich heute als Fraktion diesem Ver­trag deshalb zu, weil wir die Bevölkerung vertreten, weil wir das Beste für die Bevölke­rung wollen und weil wir hier aus diesem Hohen Haus aufrechten Ganges hinausgehen können und uns selbstverständlich in der Lage fühlen, der Bevölkerung und den Bür­gern, die uns fragen, zu erklären, warum wir die Zustimmung zu diesem Vertrag erteilt haben.

Da sind wir einfach sehr zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Monaten auch erklären werden können. Und bis zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Vertrag, das ganze Vertragswerk dann auch tatsächlich in Kraft tritt, wenn auch alle anderen Mitgliedslän­der das entsprechend ratifiziert haben, muss es unsere gemeinsame Zielsetzung sein, dass dieses Delta, das bei der Bevölkerung insofern vorhanden ist, als Informationen fehlen, dann signifikant geringer geworden ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundes­räten der SPÖ und Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

14.04


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile es ihr.

 


14.04.40

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ein neuer Vertrag ist vor al­lem deshalb nötig geworden, weil die EU bisher nach Verträgen gearbeitet hat, die für 15 Staaten gemacht waren. Inzwischen sind es 27 Staaten, und es ist einleuchtend, dass diese Regeln nicht mehr funktionieren. Das hat man an vielen Beispielen immer wieder gesehen, dass einfach das alte Regelwerk nicht mehr dem angemessen war, was jetzt die Herausforderung ist, was die EU jetzt leisten und erfüllen soll.

Der erste Anlauf zur Schaffung dieser neuen Regeln war die Debatte über eine Verfas­sung, die dann aus diversen Gründen gescheitert ist. Ich glaube auch, dass die negati­ven Referenden in Frankreich und in den Niederlanden auch sehr stark einen innenpo­litischen Grund hatten, dass es da gar nicht nur oder gar nicht unbedingt um den Inhalt des damaligen Verfassungsvertrages ging, sondern dass es da schon auch innenpoli­tische Zusammenhänge gab, warum das abgelehnt wurde.

Nachdem dann dieser Verfassungsvertrag abgelehnt wurde, hieß es: Zurück an den Start!, und es kam die sogenannte Nachdenkpause, von der wir damals alle gesagt haben, das wäre doch jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, um eine generelle Diskussion über Europa, über die Ziele, die Absichten, die Wünsche an Europa zu führen. Das ist nicht in dem Ausmaß passiert, wie ich es für wichtig gefunden hätte.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 89

Wie auch immer, es gab einen neuen Anlauf, und jetzt stehen wir hier und diskutieren über diesen Vertrag von Lissabon. Das ist ein Vertrag, der in einem „falter“-Artikel mit sehr treffenden Worten beschrieben wurde: „Schönheit ist das jüngste europäische Baby keine.“

Es ist ein Vertrag, der kaum lesbar ist. Es ist ein Vertrag, über den es unzählige einer­seits bewusste Falschinformationen, aber auch Irrtümer gibt, die im Umlauf sind. Und es ist ein Vertrag, der – das muss ich auch sagen – viele Schwachstellen hat und der viele Inhalte hat, die mir nicht gefallen.

Wenn ich mir wünschen könnte, wie dieser Vertrag aussehen soll, würde er anders aussehen, das ist keine Frage. Nur: Ich bin die Eva Konrad, ich bin nicht die EU. Und dieser Vertrag, der vorliegt, ist ein Kompromiss von 27 Staaten. Da müssen wir uns schon im Klaren darüber sein: Ein Kompromiss hat – wie jemand einmal etwas zy­nisch, aber nicht ganz unrichtig gesagt hat – die Eigenheit, dass am Schluss jeder ein bisschen unglücklich ist. Und wenn es immer nur so weit geht, dass man damit leben kann, dann hat man einen funktionierenden Kompromiss. – Wir hoffen, dass es auch in diesem Fall ein funktionierender Kompromiss sein wird.

Dieser Vertrag hat sehr viel Ablehnung provoziert – aus verschiedenen Gründen. Teil­weise waren es nationalistische Gründe, nach dem Motto: Wir sind generell gegen die EU, deshalb sind wir auch gegen diesen Vertrag.

Teilweise gab es deshalb Ablehnung, weil viel von dem – ich kann es nicht anders sa­gen – verbreiteten Unsinn geglaubt wurde.

Teils gibt es aber auch gute Gründe zu kritisieren, was in diesem Vertrag steht. Für viele ist die EU einfach nicht in dem Ausmaß, wie sie es wollen und für richtig halten, eine Sozialunion. Für viele stehen zu sehr wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt.

Viele üben Kritik daran, dass die Atomenergie von der EU gefördert wird und dass es jetzt auch ein militärisches Kerneuropa geben wird, das in diesem Vertrag verankert und erwähnt ist.

Teils gibt es aber auch sehr große Ablehnung gegen diesen Vertrag, weil eben die jeweiligen Regierungen – einerseits die jetzige, aber auch die vorigen Regierungen – schon seit Jahren davon reden, dass man den Europa-Dialog stärken muss, dass Europa zu Hause anfängt. Wir haben unzählige dieser Diskussionen hier geführt, aber eine wirkliche breite, öffentliche Diskussion und Information über einerseits die EU und die Frage, was sie soll, andererseits den Inhalt dieses Vertrages von Lissabon, das ist nicht erfolgt.

Es stimmt schon – das haben wir auch gestern im Ausschuss diskutiert –, dass es sehr viel an Broschüren und Informationsmaterial gibt, aber das Problem ist eben, dass man sich das extra besorgen muss und dass es diverse andere Informationen gibt, die doch einfacher zu bekommen sind. Und es hängt, glaube ich, ein bisschen daran, welche Information zuerst bei den Menschen ist: die wird nämlich dann eher geglaubt. Und das ist einfach auch einer der Gründe, warum zu diesem Thema so viele Irrtümer und so viele falsche Informationen im Umlauf sind.

Ich rede nicht davon, dass man eine Werbekampagne hätte machen sollen, aber ich glaube, dass es viele Inhalte gibt, dass es viele Zielsetzungen der EU gibt, die man durchaus ehrlich positiv argumentieren kann, von denen man sagen kann: Das sind doch gute Gründe, dass man dafür ist! – Und dann kann man auch über die Schwach­stellen diskutieren. Das hat mit Schönreden oder Werbung-Machen eigentlich noch nichts zu tun.

Was sind also die Gründe, dass wir als Fraktion der Grünen diesem Vertrag unsere Zu­stimmung geben? – Kurz gesagt, enthält er doch eine Reihe von zentralen Punkten, in


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 90

denen es im Vergleich zu Nizza, dem jetzt gültigen – und wenn dieser Vertrag nicht be­schlossen werden sollte, auch weiterhin gültigen – Vertrag, Verbesserungen gibt: Die schon erwähnte Grundrechtscharta wird rechtsverbindlich. Die EU tritt der Menschen­rechtskonvention bei. Es gibt mehr Rechte für das Europäische Parlament. Es gibt auch eine stärkere Einbindung der nationalen Parlamente. – Es kann also gar nicht die Rede davon sein, dass die nationalen Parlamente jetzt nichts mehr zu tun hätten oder alle ihre Einflussmöglichkeiten abgeben würden.

Es wird zukünftig – das ist mir sehr wichtig – die Möglichkeit eines europaweiten Bür­gerinnen- und Bürgerbegehrens geben. Das ist nur der Anfang einer direktdemokrati­schen Beteiligung, aber es ist ein wichtiger erster Schritt, und ich glaube, hier darf nicht aufgehört werden, sondern in diese Richtung muss es dann auch weitergehen. Und: Unter den Zielen der Union werden in Zukunft die soziale Marktwirtschaft, Vollbeschäf­tigung und auch der Klimaschutz explizit genannt werden.

Zu guter Letzt: Wenn dieser Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, dann werden Staaten künftig auch austreten können. – Jetzt gibt es dann manchmal dieses, ich weiß nicht, nicht sehr originelle Argument: Das ist ja dann so, als würde man heiraten, damit man sich scheiden lassen kann! – Wenn man es sich genau anschaut, sind wir schon ver­heiratet, aber jetzt können wir uns noch nicht scheiden lassen. Allen Kritikern sei ge­sagt: Das ist schon eine Möglichkeit, die, wenn die Kritik wirklich so fundamental und weitgehend ist, ihnen eigentlich gefallen müsste.

Ich möchte auf zwei zentrale Kritikpunkte eingehen, die im Zusammenhang mit dem Vertrag von Lissabon immer wieder vorgebracht werden und die in einem gewissen Ausmaß schon auch ihre Berechtigung haben. Das ist einerseits der Kritikpunkt, dass der Vertrag neoliberale Wirtschaftspolitik festschreibt, andererseits der Kritikpunkt der Militarisierung der EU.

Der erste Kritikpunkt hängt sich an der Bestimmung auf, dass der Vertrag die EU-Staa­ten zu einer Wirtschaftspolitik der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ver­pflichtet. Hier ist es schon wichtig zu sehen, dass diese Bestimmung genau so auch in den jetzt gültigen Verträgen steht. Das heißt, wenn dieser Vertrag von Lissabon nicht beschlossen wird, dann haben wir in diesem Punkt rein gar nichts gewonnen, denn auch diese Regelung wird weiterhin so in den gültigen Verträgen stehen. So gesehen ist es schon ein Fortschritt, wenn im Vertrag von Lissabon jetzt auch die soziale Markt­wirtschaft mit den Zielen der Vollbeschäftigung und des sozialen Friedens festgeschrie­ben wird. – Das sind Worte auf Papier. Es wird dann die Aufgabe der EU und auch die Aufgabe der jeweiligen Regierungen sein, dass diese Worte auf Papier umgesetzt wer­den, weiterverfolgt werden und nicht nur leere Worte bleiben. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist keine Frage, es gibt noch ganz viel zu tun, bis die EU in sozialer Hinsicht so aus­schaut, wie ich mir und wahrscheinlich sehr viele der KritikerInnen sich das wünschen würden. Aber es ist ein erster Schritt, und um diesen Schritt zu machen, müssen wir einfach auch diesem Vertrag zustimmen.

Zum zweiten Punkt – das ist ein Punkt, der mir auch sehr wichtig ist und auch nahe­geht –: Der EU-Vertrag spricht von einem militärischen Kerneuropa. Und wir lehnen das ab. Wir sind nicht der Meinung, dass die EU sich so sehr militärisch ausrichten sollte. Aber – und das ist jetzt der zentrale Punkt, warum ich trotzdem zustimmen kann – die Zuständigkeit für militärische Angelegenheiten bleibt in Händen der Mitglied­staaten. Das heißt, es kann kein Mitgliedstaat – egal, was verbreitet wird – gezwungen werden, an einem militärischen Einsatz teilzunehmen, und das betrifft auch den Pas­sus über die Terrorismusbekämpfung. Damit es hier gar keinen Zweifel gibt, möchte ich die entsprechende Stelle zitieren:


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 91

„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schul­den die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstüt­zung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.“

Und jetzt kommt der wichtige Satz: „Dies lässt den besonderen Charakter der Sicher­heits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.“

Dieser Satz ist genau auf neutrale Staaten, zum Beispiel auf Österreich, zugeschnitten. Die Neutralität wird nicht abgeschafft. Österreich ist nicht zur Aufrüstung gezwungen. Österreich ist nicht gezwungen, militärische Mittel bereitzustellen. Österreich kann mit zivilen Mitteln helfen, wenn es das will. – Ich sage nicht, dass in Zukunft Österreich nicht vielleicht mehr Geld für militärische Mittel ausgibt. Das ist aber dann nicht die Schuld der EU, das ist dann einzig und allein die Entscheidung Österreichs, und Öster­reich wird dann dafür in die Verantwortung zu nehmen sein. Es geht hier sehr stark um die Frage der Verantwortung, und wir müssen einfach wissen, wo hier die Verantwor­tungen liegen, und daran müssen wir weiterarbeiten.

Eine Kritik kann ich allerdings nicht ausräumen oder entkräften, nämlich die, dass ein­fach zu wenig informiert und diskutiert worden ist. Ich habe es schon vorher gesagt: Es hat so viele Möglichkeiten für eine wirklich konstruktive EU-Debatte gegeben. Sie ist in den weitaus meisten Fällen nicht geführt worden, und ich glaube, auch als Angst: weil es ein schwieriges Gebiet ist, weil es inzwischen schon sehr schwer ist, den Menschen zu vermitteln, was denn die Vorteile einer EU oder eines neuen Vertrages sind, und sehr viele Politikerinnen und Politiker einfach davor zurückschrecken, sich dann da ins Schussfeld zu stellen und diese harte Auseinandersetzung zu führen, die eben auch oft nicht ganz fair geführt wird.

Angst ist nie ein guter Ratgeber. Das Ergebnis sehen wir: einerseits die Falschinforma­tionen, die Irrtümer, andererseits aber auch die wirklich stark verbreitete negative Mei­nung über die EU. Da haben wir alle nichts davon.

Ich glaube, es wird also nichts helfen, es wird nichts darum herumführen, dass diese Debatte endlich begonnen wird. Ich sage, es ist noch nicht zu spät, dass die Bürgerin­nen und Bürger mehr einbezogen werden, mehr ihre Meinung abgeben können. Und ich glaube, das hilft auch oft: Wenn man einfach einmal seine Meinung sagen kann, wenn man einfach einmal sich an einer Diskussion beteiligen kann und es nicht dann heißt, die Informationen gibt es ohnedies auf einer Homepage, oder man kann sich den Vertrag ja dann ohnedies herunterladen. Es geht schon darum, Informationen so auf­zubereiten, dass sie konsumierbar sind, dass es nicht eines ganzen Wochenendes oder einer ganzen Woche an Zeit bedarf, um sich da in irgendeiner Form einzuarbei­ten. Daran müssten wir eigentlich alle ein Interesse haben.

Wir haben heute jedenfalls nicht zu entscheiden, ob wir den denkbar besten Wunsch­vertrag, wie wir ihn uns alle in unseren Träumen ausmalen würden, oder diesen Kom­promissvertrag wollen. Wir haben faktisch die Wahl zwischen dem hier vorliegenden Vertrag von Lissabon und dem bisher – und wenn der Vertrag von Lissabon nicht an­genommen wird, weiterhin – gültigen Vertrag von Nizza. Diese Abwägung haben wir zu treffen, und bei dieser Abwägung fällt meine Entscheidung auf den Vertrag von Lissa­bon. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

14.15


Präsident Helmut Kritzinger: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile es ihm.

 


14.15.38

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Eine Kärntnerin,


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 92

die vor mir gesprochen hat, und ein Kärntner, der nach mir sprechen wird, sind eigent­lich auch Zeitzeugen der Vielfalt in Europa. Mir hat auch die Rede von Frau Bundes­rätin Ana Blatnik sehr gut gefallen, weil sie auf das hingewiesen hat. Sie selbst ist ja Kärntner Slowenin und zeigt also, wie viel Platz in diesem Europa, auch in einem klei­nen Kärnten, ist.

Und was mich ganz besonders freut – und da möchte ich mich ganz herzlich beim Prä­sidenten Kritzinger bedanken –: dass er uns einlädt, auch Südtirol zu besuchen. Das ist ein weiterer Schritt, der es dem Bundesrat ermöglicht, auch noch andere Teile – außer Österreich – in der Europäischen Union zu besichtigen. Herzlichen Dank für die Einladung! Ich habe sie selbstverständlich auch angenommen, und ich werde kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wie Siegi Kampl bin auch ich bekennender Europäer – na net: Als Wirtschaftskämmerer, als Wirtschaftstreibender habe ich sehr wohl erkannt, welche Chancen es in der Euro­päischen Union gibt und welche Chancen auch mit der Erweiterung gestiegen sind. Auch hiezu hat es von mir immer ein klares Ja gegeben. Und es gibt auch viele weitere positive Aspekte.

Mir ist auch bewusst, dass ein sozialer Friede, der ja auch einem Frieden überhaupt vorausgeht, nur zu erreichen ist, wenn wir die anderen, noch nicht so starken Länder in der Europäischen Union heranführen an einen österreichischen oder an einen europäi­schen Schnitt. Trotzdem muss es erlaubt sein, innerhalb der Europäischen Union die­ser auch kritisch gegenüberzustehen.

Und: EU-kritisch zu sein, heißt nicht, EU-Gegner zu sein! Das muss ich noch einmal ganz klar und deutlich festhalten: Wenn man kritisch eingestellt ist, ist man deshalb nicht Gegner. Keine Spur in unserer Bewegung BZÖ von einer Forderung nach einem Austritt Österreichs aus der Europäischen Union – nein, sondern: Mitgestalten, aber auch mitbestimmen!

Es gibt eben einige Dinge, die nicht mit diesem Reformvertrag geregelt werden und die kritisch zu betrachten wären, etwa dass wir im Bereich der Nettozahlungen nach oben schnellen – in der Zwischenzeit sind es 860 Millionen per anno. Ich glaube, wir werden uns im laufenden Jahr noch etwas ersparen, aber immerhin, 860 Millionen sind ge­plant.

Es ist in der Europäischen Union ein Zuwanderungsdiktat mit enthalten – Stichwort „Blue Card“. Oder: Die Gentechnik ist für uns Österreicher nicht optimal gelöst. Auch nicht die Frage der Atomkraft, das ist auch heute schon von einigen Stellen angezogen worden. Oder: „Made in EU“ statt „Made in Austria“ – eine Urangst der Österreicher, die ja stolz sind auf ihre eigenen Produkte. Auch das Thema Transit wäre hier zu nen­nen.

Es wundert mich also, dass das von der Fraktion der Grünen ohne Wenn und Aber zur Kenntnis genommen wird und dass die Grünen sich hier als Erfüllungsgehilfen einer großen Koalition betätigen – die ihre Hilfe ja gar nicht notwendig hat, denn mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln und hier im Bundesrat mit einer Vierfünftelmehrheit ausgestattet, braucht sie diese eigentlich nicht. Ich hätte mir von den Grünen eigentlich erwartet, dass sie auch zu diesem Thema einmal Stellung nehmen und das auch kri­tisch hinterfragen und nicht nur einfach mitmarschieren.

Mir ist klar, dass aufgrund der Erweiterung der Europäischen Union von 15 auf 27 Mit­gliedstaaten die Fortführung des Vertrages von Nizza auf Dauer gesehen nicht möglich ist. Er lähmt, und es muss also etwas Neues geschehen, das ist mir klar. Die Hand­lungsfähigkeit muss gegeben sein, denn wir haben ja noch Konkurrenten, die nicht in Europa zu Hause sind, sondern in Amerika und Asien, und wir müssen hier mithalten.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 93

Mit diesem neuen Vertrag sind gravierende Änderungen verbunden, die wir durch­leuchtet haben, und wir glauben, dass sie einer Befragung des Volkes unterzogen wer­den sollten. So wird es in Zukunft in 181 Politbereichen möglich sein, mit einer qualifi­zierten Mehrheit – statt mit Einstimmigkeit – zu beschließen. Das wurde uns 1994 nicht gesagt, als das Volk befragt wurde, das mit Zweidrittelmehrheit den EU-Beitritt befür­wortet hat. Wenn es da Änderungen gibt, muss daher das Volk wieder befragt werden.

Es gibt eine Stellungnahme der Verfassungsabteilung in Kärnten – ich zitiere sie nicht wörtlich; der Leiter der Verfassungsabteilung ist ein Sozialdemokrat, damit Sie nicht glauben, dass alle Beamten in Kärnten dem BZÖ angehören –, deren Leiter meint, dass den Reformvertrag ... (Ruf: So viele habt ihr wahrscheinlich gar nicht!) – Es wer­den Gott sei Dank immer mehr.

Der Leiter der Verfassungsabteilung – Herr Kollege Molzbichler weiß das – ist ein be­kennender Sozialdemokrat – übrigens ein hervorragender Mann, der im Recht wirklich gut ist –, und der meinte, dass in der Schlussbestimmung Ziffer 17 festgehalten ist: Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes räumt dem EU-Recht Vorrang vor dem nationalen Recht ein. – Das ist eine wesentliche Änderung, und eine solche sollte, meint der Leiter der Verfassungsabteilung, der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden.

Was spricht eigentlich dagegen, die Bevölkerung zu befragen? Haben die Regierung und die Koalitionsparteien panische Angst davor, dass eine Abstimmung darüber in Österreich negativ ausgeht? – Die brauchen sie ja nicht zu haben, wenn alles, wie heu­te von den drei Parteien hier gesagt wurde, wirklich so positiv ist. Das ist ja dann kein Problem. Fragen wir einfach das Volk!

70 Prozent – das hat heute schon Herr Professor Konecny gemeint (Bundesrat Mag. Klug: 70 ist jetzt neu!); 60 Prozent wurden von Frau Kollegin Mühlwerth genannt, 80 Prozent stand in der Presseaussendung, ich spreche von 70 Prozent, da liege ich genau in der Mitte – meinen laut Umfragen, dass es gut wäre, dass man hier mitreden sollte und gut informiert wird. – Reicht das nicht? Demonstrationen in Wien reichen an­scheinend auch nicht. Tausende Leute, nicht BZÖ-ler, sind es, die auch am Samstag wieder in Wien marschieren werden. 220 000 Unterschriften reichen nicht! 15 000 be­glaubigte Unterschriften in Kärnten, wo jeder zum Gemeindeamt oder zum Notar ge­hen musste, um zu unterschreiben, reichen auch nicht! Die Koalition unterläuft auch solch ein demokratisches Mittel, wie wir es in Kärnten gestartet haben, indem sie die Ratifizierung von Juni auf April vorverlegt. Das ist nicht Demokratie. Das ist eine Politik, bei der das Ohr nicht beim Volk ist!

Anders bei uns in Kärnten: Unser Landeshauptmann weiß sehr wohl, was die Bevölke­rung will und wo sie der Schuh drückt. (Bundesrat Mag. Klug: Er will den Bundesrat abschaffen!)

Unser Landeshauptmann wollte heute hier eine Erklärung dazu abgeben. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Hätte er können!) Ich weiß schon. (Ruf bei der SPÖ: Wieso ist er nicht gekommen?) Frau Präsidentin, Sie haben an der Präsidialkonferenz teilgenommen (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Deshalb weiß ich das!) zum Unterschied von Herrn Vize­präsidenten Jürgen Weiss, der leider nicht dabei war, der erkannt hat, dass die Präsi­dialkonferenz hier einen taktischen Fehler gemacht hat, denn immer dann ... (Bundes­rat Stadler: Taktisch ist der Haider – und nicht die Präsidialkonferenz!) – Nein. Immer dann, wenn ein Landeshauptmann vorgibt, eine Erklärung zu einem Tagesordnungs­punkt abzugeben ... (Bundesrat Konecny: Zu einem Tagesordnungspunkt kann er keine Erklärung abgeben!) – Aber das Thema ist vorgegeben worden. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das Thema ist nicht vorgegeben worden, das hat er sich ausgesucht!)


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 94

Überlegt einmal – ich war ja auch ein halbes Jahr lang Mitglied der Präsidialkonfe­renz –, wie es gewesen wäre, wenn die Landeshauptleute Häupl oder Pröll hätten kommen wollen, um zu diesem Tagesordnungspunkt eine Erklärung abzugeben. Hättet ihr das dann auch als Punkt 3, nach der abgeführten Debatte und der Abstimmung, auf die Tagesordnung gesetzt?! Das ist ja wie zum Hohn. Das habt ihr euch gedacht. Nur habt ihr eines vergessen: dass sich der betreffende Landeshauptmann das nicht ge­fallen lässt und die Konsequenzen daraus zieht. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Er tritt zurück!)

Ich finde es richtig, dass er heute nicht hier war. Ich weiß schon, die Geschäftsord-
nung sieht vor, dass sich ein Landeshauptmann so wie jedes Regierungsmitglied auch in der Debatte zu Wort melden kann. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Wir haben eh nichts dagegen! – Bundesrat Mag. Klug: Er hätte reden können!) Aber diesen Affront, sein Begehren einer Erklärung nach dem Tagesordnungspunkt 2 anzusetzen, kann er sich nicht gefallen lassen. Und seine Reaktion war auch richtig. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Deshalb schafft er jetzt gleich den ganzen Bundesrat ab! – Bundesrat Mag. Klug: Deshalb schafft er den Bundesrat ab! – Bundesrat Gruber: Majestätsbelei­digung!)

Herr Präsident Jürgen Weiss wird Ihnen in der Geschäftsordnung die Stelle zeigen, wo steht (Bundesrat Konecny: Nein! – Bundesrat Mag. Klug: Wird er nicht finden!), dass in der Praxis ein solches Verlangen vor der Tagesordnung oder zu Beginn der Tages­ordnung anzusetzen ist – in der Praxis ist es so. (Bundesrat Schennach – ein Exem­plar der Geschäftsordnung zeigend –: Wollen Sie die Geschäftsordnung? – Bundesrat Konecny: Herr Kollege, schauen Sie nach!) – Es ist nicht gesetzlich festgelegt, aber es war bisher so üblich. Nur bei Landeshauptmann Haider habt ihr es anders gemacht.

Ich möchte mich eigentlich bei der Präsidialkonferenz dafür bedanken, denn parteipoli­tisch war diese Maßnahme für uns eine sehr, sehr große Hilfe. (Bundesrätin Mag. Neu­wirth: Bitte, gerne!) Das eröffnet uns eine komplett neue Dimension. Ich spreche jetzt in der Fußballsprache, denn wir haben ja in wenigen Tagen die Euro 2008 – wir in Kärnten freuen uns schon darauf. (Bundesrat Stadler: Haben Sie ein Abseits gese­hen? – Bundesrat Gruber: Foul, Elfer! – Bundesrat Mag. Klug: Gelbe Karte!)

In der Fußballsprache würde das bedeuten: Rot-Schwarz-Grün legt Landeshaupt-
mann Haider einen Ball auf den Elf-Meter-Punkt. (Rufe bei der SPÖ: Und er ver­schießt!) Das ist aber noch zu wenig: Die Mannschaft aus diesen drei Parteien nimmt dann auch noch den Tormann heraus. – Sie werden doch wohl nicht glauben, dass Landeshauptmann Haider diesen Elfmeter nicht bombensicher verwerten wird? (Bun­desrat Mag. Klug: Das haben wir gelesen!) Herzlichen Dank noch einmal dafür. (Bun­desrätin Mag. Neuwirth: Wir sind abgeschafft!)

Das ist erst jetzt aus einer Pressemeldung hervorgegangen. (Bundesrat Gruber: Dass du den verteidigst, der dich für unnötig erachtet ...!)

Ihr seid also nicht bereit, das Volk in einem so wesentlichen Moment zu befragen, wie heute Siegi Kampl und auch der Herr Staatssekretär gesagt haben, in einem so we­sentlichen Moment für die Republik Österreich im Rahmen der Europäischen Union. Aber das Volk wird befragt werden. Spätestens in einem knappen Jahr wird sich zu­mindest in Kärnten der Souverän zu Wort melden und zu entscheiden haben, ob er die Europapolitik von Rot-Schwarz-Grün oder von Jörg Haider befürwortet. – Herzlichen Dank. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl. – Bundesrat Gruber: „Das Volk“ hat ap­plaudiert!)

14.27


Präsident Helmut Kritzinger: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Molzbich­ler. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 95

14.27.26

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ein kleines Kärntner Scharmützel, dass der Herr Landeshauptmann zurücktritt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Kollege Mitterer, um in der Fußballsprache zu bleiben: Landeshauptmann Dr. Jörg Hai­der kann im Klagenfurter Fußballstadion, in der Hypo-Arena, wo wir auch wieder Pro­bleme bekommen werden mit der Bayerischen Landesbank – wir wissen noch nicht, wie diese Börsenspekulationen ausgegangen sind –, den Elfmeter verwandeln mit sei­nen 25 000 Freikarten, die er in Kärnten verteilt. Das kann er dann in Kärnten machen. Aber ob das ... (Bundesrat Mitterer: Ihr ärgert euch ja nur, ... in der obersten Spiel­klasse spielt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist aber noch nicht ausgestanden. Da werden wir noch einmal die finanzielle Gebarung dieses Vereins anschauen, da wird noch einiges zutage kommen.

Ich möchte kurz auf die Pressekonferenz des Herrn Landeshauptmannes von Kärnten replizieren. Er hat wieder einmal den Bundesrat abgeschafft. – Ich staune, denn bei seiner letzten Rede hier im Bundesrat, bei Antritt deiner Präsidentschaft, Kollege Mitte­rer, hat er den Bundesrat sehr wohl gelobt. Im Vorfeld hatte er ihn auch abgeschafft und danach eben auch wieder. Ich muss euch ehrlich sagen, ich nehme das nicht so ernst, denn dazu müssten wir schon zuerst die Verfassung ändern.

Mich würde interessieren, welche Stellungnahme ihr zwei, Kollege Mitterer und Kollege Kampl, abgebt, wenn der Bundesrat abgeschafft ist. Wo würdet ihr dann sitzen? – Das dazu.

Ich möchte nun zum eigentlichen Thema kommen. Der Reformvertrag beinhaltet mei­ner Meinung nach eine Stärkung des demokratischen Prinzips durch die Aufwertung der nationalen Parlamente, was in meinen Augen außerordentlich wichtig ist, und
des Europäischen Parlaments, zum Beispiel durch die Subsidiaritätskontrolle, durch die Aufwertung des Ausschusses der Regionen und durch die Achtung kommunaler Selbstversorgung, um nur einige Punkte zu nennen, die in diesem Vertrag positiv zu bewerten sind.

Angelegenheiten, die auf nationaler Ebene nicht ausreichend geregelt werden können, werden auf europäischer Ebene geregelt, wie zum Beispiel Mindeststandards im Um­weltschutz oder Sicherheit der Energieversorgung.

Meine Damen und Herren, es gibt auch keine Verpflichtung zur Teilnahme an einer militärischen Aktion für Österreich. Es wird auf nationaler Ebene entschieden, wie etwa eine Hilfeleistung aussieht. Dies hat auch für Missionen der EU in Drittstaaten Gel­tung – nur im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der UNO.

Die Selbstverwaltung der Regionen und der Gemeinden wird im Vertrag ausdrücklich hervorgehoben und auch anerkannt. Dasselbe gilt auch für das Subsidiaritätsprinzip für die Mitgliedstaaten. Die Europäische Union muss die politischen und verfassungsrecht­lichen Grundprinzipien und deren nationale Identität respektieren.

Meine Damen und Herren! Gerade für Österreich und für unsere langjährige Tradition der Sozialpartnerschaft ist es überaus positiv, dass im Reformvertrag die Bedeutung der aktiven Mitarbeit der Sozialpartner im europäischen politischen Leben hervorgeho­ben wird. Ihre Funktion als Schnittstelle zwischen Politik und Zivilgesellschaft wird da­mit anerkannt.

Im Zusammenhang mit diesem Reformvertrag entspricht es ganz unserer repräsenta­tiven Demokratie, dass das Parlament hier seine verfassungsmäßige Zuständigkeit wahrnimmt und für oder gegen diesen Vertrag stimmt. Aus politischen Gründen hätte man eine Volksabstimmung machen können, aus rechtlichen Gründen ist keine Volks-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 96

abstimmung vorgegeben, da meiner Meinung nach die Grundprinzipien unserer Bun­desverfassung nicht angegriffen werden. Es gibt keine Gesamtänderung unserer ös­terreichischen Bundesverfassung, und es gibt schon gar keine Abschaffung unserer Souveränität.

Meine Damen und Herren, ich kenne in Österreich nur eine Person, die die Verfas-
sung unbeirrt verletzt, und das ist Herr Landeshauptmann Dr. Haider. (Bundesrat Ing. Kampl: Ungeheuerlich! Ungeheuerlich!) Wie hoch sind mittlerweile, Kollege Kampl, die Kosten der ständig neuen Verfassungsgerichtshofs-Verfahren und der Ur­teile beziehungsweise Erkenntnisse betreffend die neuen Verordnungen und Ortstafel­aufstellungen? Wie hoch sind diese Kosten? (Bundesrat Mitterer: Die Burgenländer haben sie 25 Jahre später aufgestellt als wir!)

Die österreichische Verfassung, werte Kollegen Kampl und Mitterer, ins Lächerliche zu ziehen, wenn es um die Ortstafeln geht, die anerkannten Rechte auch der Kärntner Slowenen zu beschneiden, wo dies nur geht, und die repräsentative Demokratie in Österreich zu denunzieren und somit Österreich zu schaden, was ist daran patriotisch? Was ist patriotisch daran?

Die Unterschriftenaktion mit der Frage: Soll die Kärntner Landesregierung zum EU-Vertrag eine zustimmende Stellungnahme abgeben?, ist obsolet, da das Bundesland Kärnten nicht für den Vertrag von Lissabon zuständig ist. Das wussten wir bereits vor der Unterschriftenaktion! Und ob sich – und wenn ja, für welche Personen – die vom Land finanzierten Investitionen in Plakate und Medieninserate tatsächlich ausgezahlt haben, möchte ich nicht weiter kommentieren. (Bundesrat Ing. Kampl: Zur Sache, bitte! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Interessanter wäre da schon die Frage, Kollege Kampl: Soll die Kärntner Landesregie­rung, sollen Gemeinde- und Landespolitikerinnen und -politiker mehr Verantwortung in der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union übernehmen, etwa im Ausschuss der Regionen?

Klar ist, werte Kollegen: Aufgrund dieses Reformvertrages würden die Bundesländer mehr Mitbestimmung, mehr Verantwortung, das heißt auch mehr Arbeit bekommen. Stattdessen wird bei uns in Kärnten gerade vom Landeshauptmann eine Halbierung oder Drittelung der Abgeordnetensitze diskutiert. Ich meine, das ist auch nicht gerade bürgernahe und demokratisch, oder? (Bundesrat Ing. Kampl: Einsparung!) Aber das ist ja auch nicht der Sinn der Idee, sondern die Grundmandatshürde soll dadurch an­gehoben werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, diese ständige Angstmacherei von BZÖ und FPÖ, zum Beispiel dass es aufgrund der Öffnung der Schengen-Grenzen zu einem massi­ven Anstieg der Kriminalität in Österreich kommen werde, war damals genauso über­flüssig wie jetzt die Panikmacherei vor dem Reformvertrag. (Bundesrat Ing. Kampl: Kollegin Trunk hat das gesagt!)

Laut aktuellen Daten haben wir einen Kriminalitätsrückgang in allen Bundesländern zu verzeichnen! In gewissen Bezirken in Österreich, auch in den von der Öffnung der Schengen-Grenzen betroffenen Bezirken, sind Rückgänge an gerichtlich strafbaren Handlungen zu verzeichnen; Beispiele: Wien-Umgebung Rückgang 27 Prozent, Bruck an der Leitha, Kollegen aus Niederösterreich, minus 21 Prozent, Deutschlandsberg in der Steiermark zirka 14 Prozent.

In den vergangenen Jahren wurden in Kärnten mehr als 300 erfolgreiche EU-Projekte umgesetzt – dem werden Sie beide, Kollege Mitterer und Kollege Kampl, sicher zustim­men.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 97

Förderungen der Kärntner Bauern, EU-Förderung von Kärntner Wirtschaftsbetrieben, die südosteuropäischen Märkte boomen, wovon wir nur profitieren. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Sehen wir es pragmatisch, so bleibt festzuhalten (Bundesrat Ing. Kampl: 800 Millionen haben wir eingezahlt!), dass die Europäische Union, lieber Siegi Kampl, will sie sich weiterentwickeln und auch auf internationaler Ebene eine ge­wichtigere Rolle einnehmen, diesen Vertrag benötigt. Weitere Verträge werden folgen.

Die Europäische Union ist nicht am Ende angekommen, werte Kolleginnen und Kolle­gen, im Gegenteil, sie ist jetzt in einer weiteren, in einer neuen Entwicklungsphase, die mehr positive Potenziale beinhaltet als negative.

Glauben Sie mir, ich bin für unsere lieb gewonnene österreichische Neutralität und ge­gen neoliberalistische Ökonomie. Ich trete für eine soziale Marktwirtschaft ein, für eine gemeinsame europaweite Grundrechtscharta, die nicht nur für über 560 000 Menschen bei uns in Kärnten, für 8 Millionen Menschen in Österreich, sondern für fast eine halbe Milliarde Menschen in der Europäischen Union gilt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe diesen Vertrag – trotz einiger Aspekte, die mir nicht gefallen – als Weiterentwicklung hin zu einer Europäischen Union, die bürger­näher, sozialer und demokratischer werden kann, ja, werden muss, wenn wir den so­zialen Frieden in der Europäischen Union weiterentwickeln wollen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

14.36


Präsident Helmut Kritzinger: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm.

 


14.37.10

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste aus Bayern – ich habe gehört, es sind welche hier –, Sie haben soeben bei uns im Bundesrat, in der Vertretung der österreichischen Bundesländer ein kleines Kärntner Intermezzo erlebt, aber ich darf Sie darauf aufmerksam machen: Wir diskutie­ren heute einen sehr wichtigen Vertrag, den Reformvertrag von Lissabon, und es geht um die Zustimmung in unserer Kammer – der zweiten Kammer – unter diesem Tages­ordnungspunkt.

Frau Kollegin Mühlwerth ist jetzt nicht hier, sie war heute zu Beginn dieses Tagesord­nungspunktes die Kontrarednerin. Ich habe mit Erstaunen vernommen, dass sie und ihre Partei sich als die Retter Österreichs aufspielen, wo ich mich noch daran erinnere, dass es gerade ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Ja, leider, ich muss es trotzdem sagen; so lange seid ihr ja nicht getrennt, Herr Kollege Kampl, vielleicht kannst du es ihr dann mitteilen.

Ich erinnere mich daran, in meiner Studienzeit haben sich die FPÖ und ihre Vorgänger­parteien ja schwergetan, sich zur österreichischen Nation zu bekennen. Und heute, an diesem Tag, wollen sie Österreich vor dem Reformvertrag, vor den bösen Bürokraten in Brüssel retten! Das ist für mich das Absurdeste, was es überhaupt gibt, und das ist überheblich und arrogant.

Was wirklich skandalös war, war die Rede ihres Klubobmanns Strache im Nationalrat – und das bei Live-Übertragung für die österreichische Bevölkerung! Genau solche Re­den tragen dazu bei, dass die österreichische Bevölkerung eine negative Einstellung zum europäischen Projekt hat. Denn da wurden ja nicht nur Unwahrheiten behauptet, sondern es wurden in einer zutiefst demagogisch angelegten Rede falsche Dinge be­hauptet, von der Todesstrafe bis zu den – das erinnert immer mehr an die Volksabstim­mung 1994, wo von Filzläusen in Joghurts, Blutschokolade und, und, und gesprochen


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wurde. All diese Behauptungen wurden aufgestellt, um den EU-Beitritt Österreichs zu desavouieren.

Gott sei Dank ist all das nicht eingetreten. Ich bin der Letzte hier an diesem Podium, der behauptet, dass in der Europäischen Union alles eitel Wonne und Grießschmarren ist, im Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn wir alle wissen, dass das Projekt Europa bei Gott noch nicht fertig ist. Es wird auch nie zu Ende geführt wer­den können, es ist ein dynamischer Prozess. Wir müssen unsere besten Köpfe nach Brüssel schicken, wir müssen unsere besten Experten damit beauftragen, die Positio­nen Österreichs wirksam zu vertreten. Das ist unsere Hausaufgabe, und die haben wir in der Vergangenheit vielleicht nicht immer zur vollsten Zufriedenheit unserer Bevölke­rung erfüllt, das gebe ich zu.

Ich komme aus einer Region, wo es zum Beispiel durch fehlerhaftes Verhalten unserer Landesverwaltung auf dem Gebiet der Natura-2000-Ausweisungen in Österreich einen massiven Widerstand der Bevölkerung gegen EU-Richtlinien gibt. Viele Grundbesitzer bei uns fühlen sich durch eine EU-Richtlinien-Verordnung de facto enteignet, weil das Land Steiermark in seiner – möchte ich einmal sagen – vielleicht überpositiven Einstel­lung zu viele Flächen ausgewiesen hat, dann zurücknehmen musste und jetzt eine EU-Klage gegen den Bund droht, die uns täglich 120 000 € an Pönalezahlungen verursa­chen würde. Das sind auch Gründe dafür, dass in der Gesamtbevölkerung die positive Zustimmung nicht in dem Ausmaß vorhanden ist, wie wir uns das wünschen.

Auch ich habe als Abgeordneter in den letzten Wochen und Monaten sehr viele E-Mails bekommen. Ich habe sie im Gegensatz zu Frau Kollegin Kerschbaum nicht beantwortet, weil ich nach dem fünften Durchlesen zur Ansicht gelangt bin, dass sie alle nach dem gleichen Strickmuster verfasst wurden – ich glaube nach dem gleichen Strickmuster, mit dem auch schon 1994 versucht wurde, den Beitritt Österreichs hint­anzuhalten.

Ich denke, wir liegen in der Gesamtheit mit der Zustimmung heute zu diesem Ver-
trag aus diesem Grund auch richtig, weil sowohl ganz links außen als auch ganz
rechts außen das Protestpotenzial ist, und ich glaube, der Weg der Mitte ist der zielfüh­rende. Die Pros und die Kontras sind abzuwiegen, aber ich stimme diesem EU-Ver-
trag, diesem Reformvertrag mit bestem Wissen und Gewissen zu. Ich habe mich infor­miert – wie viele meiner Kollegen; wir haben uns in den EU-Ausschüssen Experten an­gehört –, und ich behaupte sogar, dass ich 1994 beim Vollbeitritt Österreichs zur EU nicht das Wissen und die Information gehabt habe, wie ich sie bis zum heutigen Tag dank zahlreicher Informationsveranstaltungen und vielleicht auch dank der neuen Me­dien erlangen konnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa à la carte kann es auch nicht geben. Frau Kollegin Konrad – sie ist ebenfalls nicht da –, wir können uns als einer der Mit­gliedstaaten nicht aussuchen, was alle anderen, alle 27 dann zu vollziehen hätten, son­dern wir müssen – und das liegt in der Natur der Dinge – hier einen guten Kompromiss suchen. Ich glaube, es wurde ein würdiger und guter Kompromiss im Sinne der öster­reichischen Bevölkerung gefunden.

Ich stimme daher diesem Vertrag mit vollster Zuversicht zu, bin stolz darauf, dass die Österreichische Volkspartei wieder Flagge zeigt und als Europapartei Nummer 1 in die­sem Lande agiert hat. – Ich stimme für Österreich, für Europa und für die nächsten Ge­nerationen in unserem Land! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.42


Präsident Helmut Kritzinger: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 99

14.42.57

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen kurzen Debattenbei­trag auf ein spezielles Thema im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag richten, wie ich das auch schon gestern im Ausschuss gemacht habe, und einige kurze Ge­danken zur sozialen Dimension bringen.

Wenn ich mich jetzt noch daran erinnere, was zur sozialen Dimension des Vertrages von Lissabon von Kollegin Mühlwerth zu Beginn vorgebracht wurde, dann schäme ich mich heute noch, dann schäme ich mich auch jetzt noch. Ich sage das in aller Deutlich­keit – unabhängig davon, dass ich überhaupt nichts davon halte, sich in einer parla­mentarischen Diskussion als Einziger als Kontraredner zu Wort zu melden und dann im Laufe der Debatte permanent durch Abwesenheit zu glänzen. Darüber hinaus war die parlamentarisch aktive Arbeit der FPÖ und des BZÖ auch gestern im Ausschuss schon derart „großartig“, dass sie zu den Ausschussberatungen erst gar nicht gekommen sind. (Rufe bei der SPÖ: Hört! Hört!)

Ich darf jetzt auf die soziale Dimension zu sprechen kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hätte verstanden, wenn Kollegin Mühlwerth gesagt hätte, die Europäi­sche Union, wie wir sie derzeit kennen, ist unsozial. Wenn sie dann in meine Richtung geschaut hätte, weil sie weiß, dass ich in meinem Hausgeschäft auch gerne Sozialpoli­tiker bin, dann wäre ich dort gesessen und hätte zustimmend genickt. Aber – und jetzt kommt es, Kolleginnen und Kollegen – wenn ich sage, dass die derzeitige Union unso­zial ist, dann muss ich mich mit dem Vertrag von Lissabon seriös auseinandersetzen. Und für den Fall, dass ich den Vertrag auch lese – diesbezüglich bin ich mir bei Kolle­gin Mühlwerth nicht sicher, nach dem, was sie heute zum Besten oder zum Schlech­testen gegeben hat –, dann sehe ich, dass mit dem Vertrag von Lissabon in der sozia­len Dimension aus meiner Sicht drei wichtige Punkte erreicht werden.

Es kommen soziale Grundrechte ins Primärrecht. – Ich möchte dazu nur sagen, ich freue mich schon auf die noch bevorstehende Debatte zu unserer Verfassungsreform, wenn auf einmal soziale Grundrechte aus Europa kommen und wir in der österreichi­schen Verfassung noch immer keine haben. Auf diese Debatte freue ich mich schon. Ich hoffe natürlich, dass es positive Auswirkungen geben wird.

Zweiter Aspekt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir heben die Sozialpartner im Sozial­kapitel besonders hervor und stärken auch den sozialen Dialog in Europa. Wir stärken den sozialen Dialog in Europa! Es wird zu äußerst interessanten Sozialgipfeln für Wachstum und Beschäftigung kommen.

Der dritte Punkt, der mir auch besonders wichtig ist – ich habe gestern im Ausschuss versucht, ihn ein bisschen zu strapazieren –: Wir bringen im Bereich der sozialen Di­mension eine neue soziale Querschnittsklausel. Das rechtliche Substrat dieser sozia­len Querschnittsklausel ist zwar noch umstritten, aber sie wird Europa, alle seine Orga­ne und – was mir besonders wichtig ist – den Europäischen Gerichtshof letztlich auch an diese Querschnittsmaterie binden.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch Schattenseiten. Die wirtschaftliche Grundausrichtung wird nicht geändert. Wir haben nach wie vor im Bereich der Geld­politik und der Budgetpolitik eindeutige Ausrichtungen – zulasten, meines Erachtens, der Sozialpolitik. Aber, und das ist nach meinen Empfindungen gerade in der sozialen Dimension so wichtig, zu betonen: Die derzeitige Europäische Union funktioniert in den sozialen Bereichen noch nicht überall, und die Sozialpolitik wird auch nach wie vor Aufgabe der Nationalstaaten bleiben, aber dieser Vertrag von Lissabon bringt einen ersten wichtigen Schritt in diese notwendige Sozialunion, die wir auch für die Bürge­rinnen und Bürger für ein großartiges Friedensprojekt brauchen. – Daher bin ich für


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 100

den Vertrag von Lissabon. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.47


Präsident Helmut Kritzinger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Kampl zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Be­richtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf.

 


14.48.02

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Präsi­dent! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen! Zur Berichtigung, Herr Kollege Klug: Lieber Freund, ich bin fast bei jeder Ausschusssitzung dabei, aber ich habe kein Rederecht, und das tut mir sehr leid. Ich bitte daher, es zu ermöglichen, dass auch ein oder zwei Kollegen des Bundesrates, die keiner Fraktion angehören, ein Rederecht bekommen. Es ist unzumutbar, 600 Kilometer weit zu fahren, um an einer Ausschusssitzung teilnehmen zu können, aber kein Rederecht zu haben. Ich möchte bitten, das für die Zukunft vorzusehen.

14.48


Präsident Helmut Kritzinger: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.48.50

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die bisherige Debatte an mir vorüberziehen lasse, dann kann ich Folgendes feststellen:

Frau Kollegin Kerschbaum ist voll der Kritik gegenüber der EU, wird aber – soweit ich die Aussagen richtig interpretiere – dem Vertrag zustimmen. Kollege Kampl, Kollege Mitterer sind der EU gegenüber sehr positiv eingestellt, werden aber dem Vertrag of­fensichtlich nicht zustimmen. Was die Freiheitlichen betrifft, so können wir uns natürlich vorstellen, dass sie dem abgeneigt sind.

Zu den Argumenten – weil Frau Kollegin Mühlwerth gerade zur Tür hereinkommt – muss man schon sagen, dass man sich da an der Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit bewegt, wobei das Schwergewicht offensichtlich auf dem Gebiet der Dich­tung liegt und nicht bei der Wahrheit.

Um es aber ganz allgemein einmal festzustellen und gleichzeitig ein Lob und auch Dank auszusprechen, möchte ich dem Präsidium des Bundesrates dafür danken, dass wir sowohl im EU-Ausschuss des Bundesrates als auch im Verfassungsausschuss
des Bundesrates – Vorsitz Gottfried Kneifel beziehungsweise Vorsitz Vizepräsident Weiss – wirklich die Möglichkeit hatten, uns ausgiebig zu informieren und auch ent­sprechend Fragen zu stellen. Wir haben sehr viel auch an persönlichen Erkenntnissen gewonnen.

Im Zusammenhang mit dem EU-Ausschuss hat es auch eine Klausur am Kahlenberg gegeben, wo sich auch ein Teil mit dem Vertrag von Lissabon beschäftigt hat. (Bun­desrat Ing. Kampl: Dazu braucht man eine Einladung!) Ich komme noch darauf zurück.

Weiters kann ich, was den Nationalrat betrifft, sagen, dass auch die Präsidentinnen und der Präsident des Nationalrates sehr bemüht waren, Informationen weiter zu ver­mitteln, und diese Veranstaltungen nicht nur den Abgeordneten, sondern auch einem breiteren Publikum zugänglich gemacht haben.

Das heißt, es hat die nötigen Informationsmöglichkeiten gegeben, aber auch Diskus­sionsmöglichkeiten – nur: Man muss diese Möglichkeiten wahrnehmen!


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 101

Darüber hinaus hat das Bundeskanzleramt eine etwas größere Broschüre, das Bun­desministerium für europäische und internationale Angelegenheiten eine etwas kleine­re Broschüre – zu der ich anmerken darf, dass diese 1 : 1 von den Deutschen über­nommen worden ist – herausgegeben. Aber auch die SPE und die Europäische Volks­partei, nämlich die Abgeordneten Ettl und Karas, haben eine Broschüre verfasst, wo man nachlesen kann, was die Wahrheit – ungefähr zumindest – ist, um die Gebiete der Dichtung ausklammern zu können. Ich würde Ihnen (in Richtung Bundesrätin Mühl­werth) diese gerne überreichen, wenn Sie gestatten – aber erst nachdem ich meine Ausführungen abgeschlossen habe –, damit Sie sich entsprechend informieren kön­nen.

Außerdem gibt es Homepages und Internetmöglichkeiten, sich zu informieren. „Wien direkt“ von den Grünen, wie mir Kollege Schennach gerade zeigt. (Bundesrat Schenn­ach hält eine Broschüre in die Höhe.) Also wirklich, es ist vieles da.

Ich möchte auch den Funktionären und Angestellten meiner Partei danken. Die ÖVP-Bundespartei hat hervorragend informiert, der Parlamentsklub hat uns entsprechend unterstützt, und auch die EVP-Fraktion, Abgeordneter Karas, hat eine sehr gute Bro­schüre verfassen lassen, wo man wirklich auch Detailfragen nachlesen kann.

Wenn nun vom Kollegen Schennach – und es tut mir leid, dass ich Sie etwas kritisch betrachten muss – unterm Strich gesagt wird, dass hier nicht genügend Information ge­liefert worden ist, dann kann ich mich diesem Urteil in keiner Richtung anschließen. Die Information war meiner Ansicht nach hervorragend, und das soll hier von dieser Stelle aus auch gesagt werden.

Nun zu den möglichen Kritikern, die wahrscheinlich am Ende der Debatte Nein sagen werden; wobei dieses Ende vermutlich leider nach 18 Uhr sein wird, weil wir dazwi­schen eine Dringliche Anfrage zu verhandeln haben. Aber es sei, wie es sei.

Es ist schon interessant, festzustellen, dass da eine Volksabstimmung verlangt wird. Ich möchte nur daran erinnern, dass im Jahr 2005, als wir über den Verfassungsver­trag gesprochen haben, keine große Diskussion darüber war, ob eine Volksabstim­mung stattfinden soll oder nicht. Das ist erst jetzt, drei Jahre später, massiv gefordert worden. (Bundesrat Konecny: Das ist die übliche Reaktionsgeschwindigkeit! – Heiter­keit bei der SPÖ.) Wenn man heute meint, dass ungefähr 90 bis 95 Prozent aus dem Verfassungsvertrag in den Vertrag von Lissabon übernommen worden sind, dann fehlt mir das logische Verständnis dafür, dass man das so massiv fordert.

Man muss aber auch bedenken, wenn wir wirklich einen Dienst an Europa tun wollen, was in die Volksabstimmungen in Frankreich und auch in den Niederlanden alles an Seitenthemen und sonstigen Verwerfungen hineininterpretiert wurde, um dann negativ über den Verfassungsvertrag abzustimmen. Bitte, denken wir daran, was da alles eine Rolle gespielt hat! Plötzlich war die Türkei interessant, die Sozialpolitik der Regierung oder vielleicht auch die Schönheit des einen oder anderen Politikers. Das kann es doch im Endeffekt nicht sein, wenn man über ein Sachthema befinden soll. Die Lehre daraus ist – und ich bin sehr froh darüber –, dass die 27 Länder diese Gefahr erkannt und ge­meint haben: Bitte, so geht es nicht!

Ich darf in diesem Zusammenhang an einen Vorschlag des Altkanzlers Schüssel erin­nern, der einmal gesagt hat, und das unterstütze ich: Wenn wir in Europa schon eine Volksabstimmung machen, dann, bitte, über genau das Thema, an einem Tag und ohne Verknüpfung mit anderen Fragen! Interessant wäre, und das ist sicher in Europa noch nicht ausdiskutiert worden, wie dann die Mehrheit aussehen würde. Wird das dann – bei 500 Millionen Einwohnern, 400 Millionen Wahlberechtigten – so sein, dass man sagt: Okay, in Europa genügt die einfache Mehrheit, das heißt 200 Millionen plus eine Stimme!? Oder wird es eventuell das Schweizer Modell sein, dass man sagt: Eine


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 102

gewisse Anzahl von Ländern kann ruhig mit Mehrheit mit Nein stimmen, es gilt dann trotzdem!? – Diese Frage ist sicher noch nicht ausdiskutiert.

Daher warne ich davor, in die Falle der Volksabstimmung à la FPÖ zu marschieren. Warum warne ich davor? Glauben Sie denn wirklich allen Ernstes, dass Sie dann wirk­lich nur über den Vertrag von Lissabon abstimmen würden? Ich sage Ihnen eines: Bei Ihnen kommt sicher das Ausländerthema hinein, die Ausländerhetze kommt hinein (Bundesrätin Mühlwerth: Es gibt keine Ausländerhetze! – Bundesrat Konecny: Außer bei Ihnen!), und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie auch fragen, ob die Türkei jetzt beitreten soll oder nicht. – Davor ist auf jeden Fall zu warnen.

Kollege Herbert ist jetzt nicht im Saal, daher möchte ich nur ein, zwei Sätze an ihn rich­ten. Er hat die ganze Zeit vom „Drüberfahren“ gesprochen. Wenn wir hier im Bundesrat diese Frage diskutieren, dann reden wir vom „Drüberfahren“? Brauchen wir das Parla­ment nicht mehr? Wenn ein Parlament eine Mehrheitsentscheidung trifft, dann ist das, bitte, kein Drüberfahren über irgendjemanden! Das möchte ich schon sagen. Wir sind zwar als Bundesräte indirekt gewählt, aber wir sind gewählte Mandatare, und ein ge­wisses Wissen über die Materie darf man uns schon konzedieren. In diesem Zusam­menhang darf ich mich Kollegem Himmer anschließen, der gesagt hat: Wir als Abge­ordnete haben auch eine Verantwortung, ob wir für etwas oder dagegen sind.

Daher ist letztlich die Frage zu stellen: Will man die EU überhaupt haben? Und wenn man sie nicht haben will, Frau Mühlwerth, dann soll man eben sagen: Wir wollen aus­treten! Ich kann hier nur an Professor Konecny anschließen, der Ihnen gesagt hat: Stimmen Sie dem Vertrag zu, dann gibt es eine Austrittsmöglichkeit! Aber als Ergän­zung dazu möchte ich Ihnen noch sagen – und ich hoffe, dass die Österreicher immun sind –: Eine Zweidrittelmehrheit werden Sie als FPÖ in dieser Sache sicher nicht be­kommen.

Außerdem möchte ich noch eines sagen, was meinen Spezialbereich, den Innenbe­reich, betrifft: Hier wird es maßgebliche Verbesserungen geben. Aufgrund der vorge­schrittenen Zeit möchte ich jetzt nicht mehr im Detail darauf eingehen, aber Sie können mir glauben: Es wird sehr viel für die Sicherheit der europäischen Bürger getan wer­den!

Zuletzt möchte ich noch festhalten, dass ich mich persönlich zur Europäischen Union bekenne und dass ich für die Europäische Union in hohem Maße bin. Ab und zu kann man selbstverständlich das eine oder andere kritisieren, aber die EU hat sich immer bemüht, besser zu werden. Von der Montanunion zur Europäischen Wirtschaftsge­meinschaft, zur Europäischen Gemeinschaft und zur Europäischen Union – wir werden sehen, wohin der Weg noch führen wird.

Die Zukunft ist für mich dank der EU eine gute und ausgesprochen rosige. Europa schreitet voran, langsam, aber stetig, und damit auch nachhaltig. Ich hoffe, dass alle 27 EU-Mitgliedstaaten dem Vertrag von Lissabon zustimmen werden. Das ist unbe­dingt notwendig, damit sich Europa, die Europäische Union, wieder uneingeschränkt den Zukunftsfragen zuwenden kann. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.59


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Preiner. Ich erteile es ihm.

 


14.59.37

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Dass ich mich heute zu diesem Tagesordnungs­punkt zu Wort melde, hat auch einige persönliche Gründe, die ich kurz skizzieren möchte.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 103

Ich denke, es ist sehr wesentlich, dass auch ein Mehr an Demokratie in Europa ein­zieht – und dieser Reformvertrag von Lissabon bietet eben die Möglichkeit zu einem Mehr an direkter Demokratie.

Zum Zweiten hat die EU in der Vergangenheit den Regionen immer wieder die Mög­lichkeit geboten, sich in den Regionalentwicklungen entsprechend zu profilieren. Wir seitens des Burgenlandes wissen, was das bedeutet. Das ist ebenfalls ein großes Plus der EU, und soweit ich weiß, wird das auch in Zukunft ein Schwerpunkt und daher ein großes Plus für die Entwicklung der Regionen im europäischen Raum sein. (Vizepräsi­dentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Der dritte Bereich ist ein direkter, persönlicher beruflicher Zugang meinerseits: Vor 15 oder 20 Jahren war es aufgrund der damaligen Gesetzeslage zum Beispiel kaum mög­lich, mit Schülergruppen über die Grenze in ein EU-Land zu fahren, zum Beispiel nach Italien, oder auch nur die Grenze zweimal zu überqueren – einfach, um Fahrzeit zu sparen –, um ins Südburgenland zu kommen. Das ist in der Gegenwart überhaupt kein Problem mehr.

Der vierte Bereich, den ich ansprechen möchte, ist folgender: Mein Vater, der den ge­samten Zweiten Weltkrieg als Soldat erlebte, hat mir einiges aus seinen persönlichen Erfahrungen erzählt. Ich möchte mir beziehungsweise meinen nachkommenden Ge­nerationen so etwas nicht antun. Ich sehe die EU also auch dezidiert als Werk des Friedens in der zukünftigen europäischen Entwicklung.

Wie ich vorhin bereits kurz angesprochen habe, kennen wir die Entwicklung der Euro­päischen Union vom Ende des Zweiten Weltkrieges über die Gründung der Montan­union bis hin zum Beitritt Österreichs im Jahr 1995.

Ziel war es zur Gründerzeit, einen Wirtschaftsraum zu schaffen – zum Wohle der Men­schen in den Mitgliedstaaten sowie zur weiteren gemeinsamen Entwicklung in wirt­schaftlicher Hinsicht, in den letzten Jahren aber auch mit immer größerem Schwer­punkt zur Entwicklung der sozialen Dimension bis hin zu den jüngsten Reformbestre­bungen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

Viele Probleme machen, wie wir wissen, vor nationalen Grenzen nicht Halt. Als einzel­ner Staat, als einzelnes Bundesland können wir allein oftmals keine entsprechenden Lösungen anbieten, zum Beispiel im Bereich Umwelt und Klimawandel, aber auch bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.

Aufgrund der Erweiterung der EU auf 27 Mitgliedstaaten ergibt sich auch die Notwen­digkeit, bestehende Verträge zu reformieren, um die Handlungsfähigkeit der EU – auch im Inneren – zu erhalten und das demokratische Prinzip zu stärken.

Vor allem geht es, denke ich, aber auch darum, die soziale Verantwortung und den Kli­maschutz entsprechend zu verankern. Auch wird im Vertrag von Lissabon die kommu­nalpolitische Ebene erstmals anerkannt und mehr Gestaltungsfreiheit bei öffentlichen Dienstleistungen und in der Daseinsvorsorge festgelegt.

Kolleginnen und Kollegen! Es ist auch unumstritten, dass wir mehr denn je für zukünf­tige Generationen Verantwortung zu übernehmen haben – vor allem in den Bereichen Energie, Klima, aber auch Umweltschutz.

Keinesfalls darf dabei unberücksichtigt bleiben, dass diese Zukunft in einigen Bundes­ländern schon begonnen hat – so zum Beispiel im Burgenland, das seit der EU-Mit­gliedschaft Österreichs die erfolgreichste und dynamischste Entwicklung seiner Ge­schichte genommen hat.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 104

In vielen Bereichen ist auch ein enormer Aufholprozess gelungen  natürlich unter­stützt durch die beiden Ziel-1-Förderperioden und durch die nunmehrige Phasing-Out-Phase, die ja bekanntlich noch bis 2013 andauert.

Mit der EU-Erweiterung von 2004 ist das Burgenland aber auch endgültig von seiner vormaligen Randlage geographisch in den zentralen europäischen Bereich gerückt. Das Burgenland ist heute ein Land mit höchster Lebensqualität und einer intakten Na­tur und Umwelt. Vorzeigbare Ergebnisse bieten wir daher vor allem auch in den Berei­chen Energie, Natur und Umweltschutz.

Mithilfe der EU wurden und werden weitere Maßnahmen zur Ökologisierung des Bur­genlandes gesetzt, zum Beispiel weitere Projekte zur Nutzung der erneuerbaren Ener­gieträger. Erst vor Kurzem wurde außerdem im Landtag ein neues Ökoförderungs­gesetz beschlossen und eine Energieagentur im Land eingerichtet.

Ebenso wird in der Wohnbauförderung auf aktiven Umwelt- beziehungsweise Klima­schutz besonderer Wert gelegt. Durch die Nutzung der Windkraft, der Biomasse und der Fotovoltaik wollen wir auch weitere Impulse im Energie- und Umweltbereich set­zen – auch mit dem Ziel, bis zum Jahre 2013 stromautark zu sein.

Das Burgenland ist in dieser Hinsicht auch ein Beispiel für eine positive regionale Ent­wicklung in den Bereichen Energie und Umwelt innerhalb der EU und gilt daher als Best-Practice-Beispiel für positive, gelungene Regionalentwicklung in der EU und im Ranking der europäischen Regionen.

Kolleginnen und Kollegen! Es sind daher alle Versuche abzulehnen, Leistungen im Zusammenwirken mit der EU für die Bevölkerung unrichtig darzustellen oder sogar zu ignorieren, vor allem auch dann, wenn die derzeitige EU-Skepsis parteipolitisch instru­mentalisiert wird. – Wir haben auch heute in manchen Diskussionsbeiträgen einiges in dieser Richtung vernehmen können.

Zugleich darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass es weitere Verbesserungs­potenziale in der EU gibt, die es gilt, mit Nachdruck weiter zu nutzen. So ist es, denke ich, eine Notwendigkeit, dass Entscheidungen der EU in Zukunft transparenter gestal­tet werden und dass die EU in Zukunft mehr auf die Bevölkerung zugeht. Auch Büro­kratieabbau stellt schlicht und einfach eine Notwendigkeit dar.

Die europäische Energiepolitik wird sich künftig auch auf eine eigene Rechtsgrundlage stützen können. – Auch das ist ein zentraler Schwerpunkt im Lissabonner Reform­vertrag. Der Energieartikel sieht weiters vor, dass die Energiekompetenz im Geist der wechselseitigen Solidarität wahrzunehmen ist.

Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Energiepolitik ist für Österreich auch eine eigenstän­dige europäische Kompetenzgrundlage ein wesentliches Anliegen und von großer Be­deutung. Im Vertrag von Lissabon wird daher auch explizit festgehalten, dass weiterhin jeder Mitgliedstaat selbst über seine Energiequellen und seine Energieversorgung be­stimmen kann.

Aus meiner Sicht ist weiters erwähnenswert, dass es auf Initiative Österreichs im Um­weltbereich gelungen ist, das Ziel der Bekämpfung des Klimawandels auf internationa­ler Ebene in den Lissabonner Vertrag aufzunehmen. Ich denke, für ein relativ kleines EU-Mitgliedsland ist das schon ein Erfolg, der erwähnenswert ist. (Bundesrat Schenn­ach: Man müsste halt nur im Inland ein bisschen eine andere Politik machen!) – Das kommt noch, Herr Kollege Schennach.

Das ist insofern notwendig, als – wie ich bereits eingangs erwähnt habe; ich sage es dezidiert und bewusst noch einmal! – die Umweltverschmutzung vor keinen Grenzen haltmacht. Wir brauchen daher unbedingt eine europäische beziehungsweise weltweite


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 105

Anstrengung, um gegen den Klimawandel halbwegs erfolgreich vorgehen zu können. Dieser zeichnet sich, wie wir wissen, durch globale Erderwärmung und das Abschmel­zen der Polkappen, aber auch der Gletscher in den Alpen bereits deutlich ab. Erstmals wird daher auf europäischer Ebene eine Rechtsgrundlage für den Klimaschutz ge­schaffen – auch eine Novität in diesem Vertrag von Lissabon.

Die EU hat ja bekanntlich das gemeinsame Ziel, bis 2020 ein Fünftel des Energiever­brauches aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne und Wasser zu gewinnen und bis 2020 auch eine Senkung der Treibhausgase um 20 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen.

Kolleginnen und Kollegen! Dass wir in Österreich von diesem Ziel doch noch etwas entfernt sind, ja sogar die selbst gesteckten Ziele diesbezüglich bei Weitem nicht errei­chen, ist uns allen, so meine ich, bekannt. Ich verweise nur auf Kyoto. Die CO2-Aus­stöße sind gegenwärtig um ein Drittel höher als vertraglich fixiert. Das ist ja zweifels­ohne ein Versäumnis der bisherigen Umweltpolitik. In nächster Zeit ist diesbezüglich auch keine Trendumkehr zu erkennen oder zu erwarten.

In der Frage des Biosprits halte ich es, wie ich gestern auch in der Ausschusssitzung kurz erwähnt habe, mit dem Club of Rome, der meint, Biosprit und Gentechnik werden keine generelle Lösung für die Umweltprobleme der Menschen bringen, dies könne zur Revolte führen.

Nun hat es sich die EU, wie ich selbst eingangs erwähnt habe, auch zum Schwerpunkt gemacht, eine friedliche Entwicklung in Europa weiter voranzutreiben und zu forcieren. Wir können diesen Gedanken also – zumindest was den Kontinent Europa betrifft – ad acta legen.

Ich verweise aber auf die gegenwärtig sehr hohen Lebensmittelpreise. Besser ist es – so meine persönliche Meinung –, Biosprit in zweiter Generation auf Holzbasis zu pro­duzieren. Weiters hoffe ich, dass in Zukunft nicht die Autofahrer für entsprechende Ver­säumnisse büßen müssen.

Kolleginnen und Kollegen! Der Vertrag von Lissabon bringt für Österreich aber auch dezidiert keinen Zwang zur Nutzung der Atomenergie, wie dies von manchen behaup­tet wird. Österreich kann auch nicht gegen seinen Willen zur Erzeugung von Atom­energie gezwungen werden. Das haben wir ja heute bereits von der Regierungsbank vernehmen können.

Im Gegenteil: Die konsequente Fortsetzung der österreichischen Atompolitik ist nach wie vor ein vorrangiges Anliegen Österreichs innerhalb der EU. Atomenergie ist meiner Meinung nach keine vernünftige Alternative im Sinne von Alternativenergien. Ich appel­liere daher an die österreichische Bundesregierung, auch in Zukunft die Anti-Atompoli­tik im Sinne der österreichischen Bevölkerung in den entsprechenden Gremien der EU mit Nachdruck fortzusetzen.

Weiters besteht in vielen grundlegenden Fragen – zum Beispiel für den Bereich Was­serressourcen – weiterhin das Erfordernis, einstimmige Entscheidungen zu treffen. Ös­terreich kann daher in diesem Bereich nicht überstimmt werden. Weshalb sage ich das? Weil ja doch in sehr vielen Printmedien diesbezüglich nicht gerade sehr wahre Behauptungen verbreitet wurden.

Neu im Vertrag von Lissabon ist auch die Rechtsgrundlage für eine europäische Ener­giepolitik, um sich gegen die Interessen von Energielieferanten vor allem im Bereich Öl und Gas besser durchsetzen zu können. Im Falle von gravierenden Schwierigkeiten bei der Energieversorgung können daher die Mitgliedstaaten der EU künftig solidari­scher vorgehen, als das momentan der Fall ist und in der Vergangenheit der Fall war.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 106

Kolleginnen und Kollegen! Dieses gemeinsame Europa soll meiner Meinung nach auch Garant für ein friedliches Europa sein, was bei weitem nicht selbstverständlich ist. Den­ken wir nur an die jüngste kriegerische Auseinandersetzung im ehemaligen Jugosla­wien.

Es soll aber auch Garant für mehr Chancengleichheit in Europa sein, auch – dieser Punkt wurde heute ebenfalls bereits angesprochen – für ein soziales Europa, bei dem nicht neoliberales Gedankengut, auf Gewinnmaximierung der Konzerne ausgerichtet, im Mittelpunkt des Denkens und Handelns der in Politik und Wirtschaft Verantwortli­chen stehen darf.

In diesem gemeinsamen Europa sollen, so denke ich, im Mittelpunkt des Handelns aller in Politik und Wirtschaft Verantwortlichen ausnahmslos die Menschen, die Bevöl­kerung in den EU-Mitgliedstaaten und das Wohl dieser stehen, denn nur so hat die EU auf Grundlage des Reformvertrages Zukunft. Ich bin optimistisch und zuversichtlich, dass das gelingt, und gebe daher diesem Reformvertrag von Lissabon sehr gerne meine Zustimmung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


15.13.40

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Mitglieder des Bun­desrates! Mit dem EU-Beitritt hat sich für Österreich vieles verändert.

Wir brauchen nur zurückzudenken. Ich darf den Fokus auf einen Teilbereich in unserer Gesellschaft lenken, nämlich auf die Landwirtschaft, denn gerade dort hat es die größ­ten Veränderungen gegeben.

Denken wir zurück: Es haben sich Preise auf Weltmarktniveau reduziert. Diese Preis­reduktion wurde ursprünglich durch Flächenprämien, jetzt durch Betriebsprämien abge­golten. Wir können mit der Einführung eines sehr breiten Umweltprogramms durchaus positive Akzente im Bereich der Bewirtschaftung unserer Flächen setzen – ein Umwelt­programm, das zu 50 Prozent von der Europäischen Union und zu 50 Prozent von Ös­terreich finanziert wurde und wird und an dem sich fast alle – nämlich 98 Prozent – unserer Betriebe beteiligen. Es fließen zwischen 2007 und 2013 fast 4 Milliarden € in den Bereich der Landwirtschaft.

Aber auch die Biolandwirtschaft ist durch den Beitritt zur Europäischen Union entspre­chend unterstützt worden. Wir sind mit 14 Prozent der Betriebe und 16 Prozent der Fläche auf Platz eins in Europa und wollen das entsprechend ausbauen.

Denken wir daran: Die Europäische Union hat einfach die Grenzen abgebaut und durch offene Grenzen die Wirtschaft und auch die Landwirtschaft zu neuen Chan-
cen geführt. Das hat uns dahin gebracht, dass wir in Österreich im Jahr 2006 mehr Agrarprodukte exportieren konnten als je zuvor. Ein Beispiel: Im Bereich der Rind­fleischexporte konnten wir im Jahr 2000 einen Erlös von 4,1 Millionen € erzielen, der
im Jahr 2006 auf 30 Millionen € angestiegen ist. – Das ist eine Steigerung von über 600 Prozent!

Geschätzte Damen und Herren! Was aber bei der Präsentation in der niederösterrei­chischen Landwirtschaftskammer sehr interessant war: Auch der Strukturwandel hat sich durch den Beitritt zur Europäischen Union reduziert. Wir konnten eindeutig fest­stellen, dass nach dem EU-Beitritt 1995 wesentlich weniger landwirtschaftliche Betrie­be aufgegeben wurden. Ich meine, auch diese positive Entwicklung sollten wir sehen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 107

Wenn wir über den Reformvertrag und über Europa sprechen, vergessen wir jedoch oft das Europa der Regionen und das, was die Europäische Union in Regionalprojekte in­vestiert – in kleine Projekte, in größere Projekte vor Ort in unseren Heimatgemeinden, in unseren Heimatregionen, wo die regionale Entwicklung entsprechend forciert und gefördert wird.

Sie alle kennen viele einzelne dieser Projekte. Ich selbst darf ein solches Projekt leiten, nämlich „So gut schmeckt die Bucklige Welt!“. Es umfasst in meiner Heimatregion 23 Gemeinden und bringt direkt vermarktende Landwirte und Gastwirte unter einen Hut, um für regionale Produkte und für regionale Betriebe Marketing, Werbung und PR zu betreiben und die Wertschöpfung vor Ort zu forcieren. Es werden auch „Klima­schutzmenüs“ angeboten, bei denen es darum geht, kurze Transportwege zu nutzen.

Wenn solche Projekte zu 60 oder zu 80 Prozent gefördert werden, dann spüren wir das in unseren Gemeinden, in unseren Regionen, in unseren Leadergebieten. Das muss uns ebenso bewusst sein, wenn wir an ein gemeinsames Europa, an die Europäische Union denken.

Ein besonderes Ziel – mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen – ist der Bereich des Klimaschutzes; ein Bereich, der nur grenzüberschreitend gesehen werden kann, denn Klimaschutz kann nicht in einer Gemeinde allein betrieben werden. Es gilt zwar: „global denken, lokal handeln“, aber Klimaschutz kann nur grenzüberschreitend durch­geführt und umgesetzt werden.

Wenn uns wirklich nachhaltig ein Ausstieg aus dem „fossilen Zeitalter“ gelingen soll, wenn wir den CO2-Ausstoß reduzieren wollen, können wir das nur gemeinsam. Das geht mit der Europäischen Union leichter als als nationaler Staat. Daher unterstütze ich auch das gemeinsame Ziel, mindestens 20 Prozent des Energiebedarfs aus erneuer­baren Energieträgern zu decken.

Ich denke – auch das hat Kollege Preiner schon angesprochen –, die momentane Dis­kussion darüber, wie weit wir den Weg im Bereich von Biosprit, Ethanol und Biodiesel fortsetzen sollen und ob wir bei Treibstoffen nicht gleich auf die zweite Generation set­zen sollen, ist sehr interessant.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Meiner Ansicht nach ist es in keinem biologischen Ablauf möglich, dass die zweite Generation vor der ersten oder die dritte Generation vor der zweiten kommt, sondern es gibt eine Genera­tionenabfolge.

Somit ist es notwendig, wenn wir im Moment konkret etwas verändern wollen, auf die erste Generation zu setzen, um dann in der Entwicklung zur zweiten und zur dritten Generation erneuerbarer Treibstoffe zu kommen.

Wenn Biotreibstoffproduktion für Lebensmittelpreiserhöhungen verantwortlich gemacht wird, kann ich das vielleicht mit einem kleinen Beispiel entkräften. Wir haben in Ös­terreich bisher 10 Prozent unserer Agrarfläche stillgelegt. Wir haben im Jahr 2007 6,5 Prozent Stilllegungsflächen gehabt, davon wurden auf 1,5 Prozent der Flächen Bio­treibstoffe produziert. Es werden aber im Jahr 2008 immer noch 2,5 Prozent unserer Flächen für Biodiversität verwendet, Blühstreifen, um ökologisch zu sein. Da sollte man, wie ich meine, die Relationen entsprechend bewerten. Gemeinsam, im europäi­schen Kontext kann es uns leichter gelingen, für den Klimaschutz aktiv tätig zu werden.

Werter Bundesrat! Die Agrarpolitik wird zu einem Großteil in Europa gestaltet, und sie wird auch zu einem Großteil im Europa der 27 entschieden. Daher ist es wesentlich, dass dieses Europa demokratischer wird, dass es auch handlungsfähiger wird, dass es vor allem aber auch bürgernäher wird. Der Vertrag von Lissabon bringt uns diesem Ziel


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 108

näher, und daher möchte ich ihn auch unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

15.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tief­nig. Ich erteile ihm dieses.

 


15.22.02

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Von Frieden und Freiheit ist schon gesprochen worden. Freundschaft ist der dritte Punkt der Europäischen Union, der es wert ist, dass man hier zustimmt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundes­rat Gruber: Sehr gut! Aufnahmsprüfung bestanden!)

Geschätzte Staatssekretäre! Frau Präsidentin! Wenn heute der Bundesrat der Republik Österreich dem EU-Reformvertrag die Zustimmung erteilt, ist dies wieder ein Baustein zum gemeinsamen Haus Europa. 60 Jahre Frieden in Europa sind dazu angetan, die­ses Ziel nicht nur weiter zu verfolgen, sondern auch weiter zu entwickeln.

Schon am 1. Mai 1924 hat Graf Coudenhove-Kalergi, Gründer der Paneuropa-Union, in seinem Europäischen Manifest die Notwendigkeit des europäischen Zusammen­schlusses veranschaulicht, um die Zukunft Europas zu sichern. Er hat gewarnt vor einem herannahenden Krieg, vor der Übermacht Russlands und vor wirtschaftlichem Ruin.

Damals wurde das Thema Europa nicht ernst genommen. Wir alle wissen, was in der Zeit bis 1945 geschehen ist: Krieg, Zerstörung, Niederlage.

Schon ein Jahr später sprach Winston Churchill von den Vereinigten Staaten Europas. Ich glaube, damals wurde der erste Schritt gesetzt für die Europäische Union, wie sie sich bis heute entwickelt hat.

Die Montanunion zielte auf eine einheitliche Volkswirtschaft, einen gemeinsamen Markt und auf Harmonisierung in der Sozialpolitik ab. Wir haben manches erreicht; in der Sozialpolitik leider bis heute nicht; mehr als 50 Jahre danach. Die Römischen Verträge, der EWG-Vertrag und der EURATOM-Vertrag, der heute auch schon erwähnt wurde, bildeten wesentliche Bestandteile der späteren Europäischen Gemeinschaften. Auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, die Europäische Kommission in Brüssel und der Europäische Rat entstanden in dieser Zeit.

Angesichts der heutigen Debatte über einen Reformvertrag, der wirklich nur kleine Änderungen der Verfassung beinhaltet, stelle ich mir die Frage, wie das BZÖ oder die Freiheitlichen bei einem Beitritt von England, bei einem Beitritt vielleicht von Spanien gleich nach dem Franco-Regime abgestimmt hätten. Wir wären wahrscheinlich nicht für dessen Beitritt gewesen. Gott sei Dank sind wir später beigetreten, und die Freiheit­lichen sind nicht dabei gewesen. Wir haben ein großes Europa. Wir sind 1995 mit Schweden und Finnland der Europäischen Union beigetreten und können jetzt auch mitwirken, mitbestimmen.

Heute ist auch das Thema Schweiz erwähnt worden. Die Schweiz will immer wieder durch die Hintertür in die Europäische Union hinein. – Wir sind dabei! Wir können ge­stalten – und haben mitgestaltet. Und ich glaube, dies macht uns alle miteinander stolz. Auch die gemeinsame Währung. Was wäre Österreich mit dem Schilling gewesen? Die anderen Währungen werden abgewertet. Und unsere Wirtschaft hätte sich nie so entwickeln können, wie dies heute der Fall ist. Allein die Schaffung der Währungsunion ist ein wichtiger Schritt gewesen. Es ist daher für uns von großer Bedeutung, dabei zu sein.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 109

Eine gemeinsame Hymne, eine gemeinsame Fahne machen uns natürlich stolz, Euro­päer zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Maastricht hat auch einen Schritt dazu gesetzt, dass Europa eine wirtschaftliche Macht geworden ist und sich auf dem internationalen Markt hervorragend behauptet. 2004 sind zehn Länder der Europäischen Union beigetreten. Und wo war Österreich vorher? – Österreich war am Rande Europas, jetzt sind wir mitten in Europa. Ich glaube, das ist auch ein Wert. Die Länder, die beigetreten sind, freuen sich darüber, dass sie mit Unterstützung Österreichs bei dieser gemeinsamen Union dabei sind.

Im letzten Jahr erfolgte der Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Aber jetzt muss die Europäische Union überlegen, wie erweiterungsfähig sie noch ist. Unser Altkanzler Wolfgang Schüssel, der der Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union in Zukunft Schranken gesetzt hat, war meiner Meinung nach auch ein Vordenker in diesem Be­reich.

Heute beschließen wir den EU-Reformvertrag. Ich hoffe, dass damit endlich die Verun­sicherung der Bürgerinnen und Bürger beendet wird. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Österreich profitiert von Europa.

Lieber Herr Kampl! Im Krisenmanagement. Hochwasser 2002: 134 Millionen € aus der Europäischen Union für betroffene Opfer. Wo seid ihr gewesen? – In Knittelfeld, bitte schön! (Heiterkeit.)

Liebe Freunde! 2005 wieder 14,8 Millionen € für die Hochwasseropfer in Tirol. Weiters: Hilfe der Mitgliedstaaten bei Kriseninterventionen im Ausland, wenn Österreicher in Not geraten. Im Bildungsbereich ist Österreich Nettoempfänger. 9 000 Jugendliche und Er­wachsene profitierten schon im Jahr 2007 von der Bildungsoffensive der Europäischen Union. 7 Milliarden € stehen für den Zeitraum 2007 bis 2013 zur Verfügung.

Auch im Forschungsbereich – die Zukunft liegt, wie ich meine, auch in der Forschung – profitiert Österreich von der Europäischen Union. Auch aus diesem Bereich können wir Gelder lukrieren. Jährlich werden 10 000 Arbeitsplätze geschaffen.

Wenn man da noch einen Grund hat, gegen diese Europäische Union zu sein, dann meine ich, es haben einige nicht verstanden, dass eine friedliche Erweiterung viel posi­tiver ist als eine militärische Erweiterung.

Noch zum Thema Wirtschaft. Die Wirtschaft kann von Glück reden. Müsste Österreich gegen Produktpiraterie alleine agieren, wären wir machtlos. Die Europäische Union stellt eine Macht in der ganzen Welt dar und kann dadurch auch in den WTO-Verhand­lungen Positives erreichen, wie zum Beispiel bei Themen wie Milch, Rindfleisch, Zu­ckermarkt, aber auch in der Frage GVO. Für Österreich wäre es alleine nicht möglich, für strengere Bestimmungen bei der GVO-Kennzeichnung auf dem Markt einzutreten. Gemeinsam ist dies in Europa möglich. GVO ist natürlich ein Thema, das uns alle berührt. Wenn eine Region GVO-frei produzieren will, dann, meine ich, dürfen weder die Europäische Union noch die Vereinigten Staaten Einfluss nehmen und Länder dazu zwingen.

Ein weiterer Punkt ist die Frage der Energie, was die Grünen meiner Meinung nach noch immer nicht verstehen. Österreich hat es geschafft, selber zu entscheiden, wel­che Energieversorgung es wählt: ohne Einfluss der Europäischen Union. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Lieber Herr Schennach, ihr sprecht immer über das Thema Temelín. Österreich hat es allerdings auch geschafft, über die Energieversor­gung selber zu entscheiden. In diesem europäischen Konzert hat jedes Land die Ent­scheidung selbst in der Hand, mit welcher Energieform es in Zukunft das Land versor­gen wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 110

Es ist wichtig, eine europaweite Vernetzung im Energiebereich herzustellen, weil die Europäische Union in Zukunft nicht mehr von Drittländern abhängig sein soll, sondern die Energie selber produzieren soll. Wie Energie produziert wird, ist jedem Land selbst überlassen. Wir wollen auch nicht, dass andere sagen, in Österreich müsste auf einmal ein Atomkraftwerk errichtet werden, sondern wir wollen atomfrei bleiben, wofür sich das Volk im Rahmen einer Volksabstimmung seinerzeit ausgesprochen hat.

Ein Punkt liegt immer noch im Argen, und zwar die Verunsicherung mit dem Wasser­verkauf. Das Wasser ist abgesichert, und es besteht eine Daseinsvorsorge. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Laut einer EU-Verordnung darf die Daseinsvorsorge nicht gefährdet werden.

Auch das Thema Mindestlöhne ist schon geregelt. Die Festlegung von Mindestlöhnen erfolgt durch das jeweilige Mitgliedsland. Vollzeitbeschäftigte Arbeitskräfte haben daher in dem Land, in dem sie arbeiten, zumindest einen Anspruch auf den Mindestlohn. Das ist auch ein wichtiger Punkt. Daher bin ich davon überzeugt, dass dieses Europa trotz der kulturellen Unterschiede in den einzelnen Regionen, trotz unterschiedlicher Glau­bensbekenntnisse und Sprachen Zukunft und auch die Möglichkeit hat, sich weiterzu­entwickeln.

Die Europäische Union ist ein Prozess, der niemals enden wird. Und wir hier im Bun­desrat sind, wie ich meine, mit verantwortlich dafür, dass dies auch geschieht. Meine Fraktion stimmt daher diesem Reformvertrag gerne zu.

Die Mitglieder des BZÖ haben ja der Verfassung zugestimmt, sind aber jetzt auf einmal nicht mehr im Boot, sondern gegen den Reformvertrag. Der Standort bestimmt den Standpunkt. Ich würde Sie bitten, vielleicht doch die Hände zu heben. – In diesem Sinne noch einmal ein Dankeschön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Freundschaft!)

15.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


15.31.45

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich nachträg­lich nicht in die Diskussion darüber einmischen, was Herr Landeshauptmann Haider hätte sagen wollen oder hätte wann sagen können. Ich möchte nur zur Vermeidung einer Präjudizwirkung für ein ähnliches Ersuchen meines eigenen Landeshauptmannes doch Folgendes festhalten: Es ist richtig, dass der Wortlaut der Geschäftsordnung kei­nen Rechtsanspruch auf einen bestimmten Zeitpunkt normiert, zu dem der Landes­hauptmann eine in Form einer Erklärung abzugebende Rede halten könnte. Es liegt in der Hand des Präsidenten beziehungsweise im Zweifelsfalle in der Hand des Bundes­rates, das festzulegen.

Es gibt allerdings – und das ist richtig – eine bewährte Übung, das im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann jedenfalls am Beginn der Sitzung zu machen oder, wenn er es zu einem späteren Zeitpunkt wünscht, später.

Das ist jetzt nicht nur meine subjektive Erinnerung, sondern das ist auch das, was der Kommentar zur Geschäftsordnung als gängige Praxis beschreibt, nämlich dass solche Erklärungen, sofern sie vor Eingang in die Tagesordnung angekündigt wurden, was der Fall war, entweder vor Eingang in die Tagesordnung abgegeben oder an die Spitze der Tagesordnung gestellt werden.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 111

Das ist die Praxis, und sie hat auch einen ganz bestimmten Grund, weil nämlich die Er­läuterungen dazu, was seinerzeit in die Geschäftsordnung eingefügt wurde, darauf hin­weisen, dass für die Abgabe der Erklärung eines Bundesministers – das bezieht sich auf den Landeshauptmann in gleicher Weise – im Allgemeinen ein Zeitpunkt vor Ein­gang in die Tagesordnung gewählt wird. (Bundesrat Konecny: Aber der, der den Kom­mentar geschrieben hat, hat den Vorschlag gemacht! Interessant! – Heiterkeit.) – Nein, aber jedenfalls hat der Bundesrat bei der Beschlussfassung dieser Bestimmung selber erläutert, was er darunter verstanden hat, und die nachfolgende Praxis hat das bestä­tigt.

Ich möchte nur bitten, sich unabhängig von Person und Thema bei künftigen Mitteilun­gen von Landeshauptmännern, eine Erklärung abgeben zu wollen, an der bewährten Praxis zu orientieren. Das sage ich im Interesse meines eigenen Landeshauptmannes. Der Kärntner Landeshauptmann wird sich selber zu helfen wissen oder auch nicht, aber jedenfalls für meinen eigenen Landeshauptmann möchte ich das geltend machen.

Es ist heute schon mehrfach darauf hingewiesen worden, ich will darauf nicht näher eingehen, dass der Reformvertrag auch für die nationalen Parlamente, auch für deren zweite Kammern, das heißt auch für den Bundesrat, neue Möglichkeiten, neue Chan­cen bringt. Nur sollten wir darauf achten, es nicht dabei bewenden zu lassen, uns sel­ber Mut zuzusprechen.

Herr Kollege Konecny hat schon richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir das In­strumentarium, also die Arbeitsweise ändern müssen – das ist richtig –, wir müssen aber wohl auch die Intensität unserer Arbeit ändern, das sage ich deutlich dazu. Ich gehe jetzt nicht darauf ein, was wir mit dem seit 1995 bestehenden Stellungnahme­recht gemacht haben, weise nur aus aktuellem Anlass darauf hin, dass wir zu Jahres­beginn jeweils Vorhabensberichte der einzelnen Bundesministerien bekommen, was die EU im anstehenden Jahr alles vorhat, wohl mit dem Ziel, sie möglichst rasch zu dis­kutieren, weil das nur so Sinn macht.

Ich erinnere daran, wir haben jetzt bald Ende April und sechs Berichte immer noch nicht diskutiert. Also daran müssen wir wohl auch etwas ändern.

Die Kritik des Landeshauptmannes Haider am Bundesrat, die an sich nicht neu ist, be­zieht sich nur vordergründig auf eine mögliche Unhöflichkeit, die er als solche empfun­den hat. Hauptpunkt der Kritik ist natürlich, dass wir, entgegen seiner Meinung, dem Reformvertrag unsere Zustimmung geben. Das ist des Pudels Kern, und das ist der Anlass für seine Kritik – nicht zuletzt auch deshalb, weil er Kritik daran übt, dass das Parlament sich herausnehme, vor Abhaltung der Kärntner Volksbefragung den Vertrag zu genehmigen.

Nun können wir wahrlich nichts dafür, dass die Kärntner Volksbefragung noch immer nicht stattgefunden hat, obwohl der Befragungsgegenstand schon lange bekannt ist. Es ist auch ein Faktum, dass acht der neun Bundesländer ganz ausdrücklich für die Zustimmung zum Reformvertrag sind. Das haben die Landeshauptmänner Häupl und van Staa – Letzterer als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz – erst heute noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Gestern im Verfassungsausschuss hat auch der Vorsitzende der Landtagspräsidentenkonferenz ganz deutlich argumentiert, welche Vorteile mit diesem Reformvertrag insbesondere für die regionale Ebene verbunden sind und dass er es aus diesem Grund für notwendig hält, dass dieser Reformvertrag in Kraft tritt, wofür die Genehmigung durch den Bundesrat eine von mehreren Voraus­setzungen ist.

Ich komme schon zum Schluss. Herr Landeshauptmann Haider ist zwar Landes­hauptmann von Kärnten, aber nicht der Oberlandeshauptmann der anderen Bundes-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 112

länder. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Und daher bleibt es aus meiner Sicht dabei, dass wir dem Reformvertrag zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

15.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winterauer. Ich erteile ihm dieses.

 


15.38.01

Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Staatsse­kretärin! Herr Staatssekretär! Werte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei der ÖVP für die Aufstellung der Flaggen bedanken, werte das sozusagen als neues Zeichen für eine Verbesserung des Koalitionsklimas, dass ihr schon vor dem 1. Mai die Flaggen hisst (Beifall bei der SPÖ) und der Kollege Tiefnig sich schon in Freundschaft übt.

Liebe Kollegen, ich will zum Reformvertrag eingangs einen alten deutschen EU-Politi­ker zitieren, der anlässlich eines Besuchs in Brüssel gemeint hat, wir nähern uns mit Riesenschritten der europäischen Einheit der Vielfalt.

Wir machen etliche Schritte zur Seite, manche auch zurück und gelegentlich auch wel­che nach vor, und ich denke, gerade mit der Beschlussfassung des Reformvertrages von Lissabon machen wir heute wirklich einen Schritt nach vor. Es ist in den vielen De­batten schon gesagt worden, dass diese EU demokratischer und funktionaler wird, war auch notwendig nach den Verträgen von Nizza.

Ich möchte mich aber heute, nachdem man zunächst einen Verfassungsvertrag ausge­handelt hatte, der – auch das ist schon gesagt worden – von den Bürgern in den Nie­derlanden beziehungsweise in Frankreich zu Fall gebracht wurde, betreffend diesen neuen Vertrag von Lissabon an jene wenden, die vor drei Jahren hier im Parlament für diesen Verfassungsvertrag gestimmt haben, nämlich die Abgeordneten des BZÖ und auch die meisten Vertreter der Freiheitlichen Partei, die heute plötzlich Sorge haben, dass dieser Vertrag von Lissabon undemokratischer wird.

Wir sollten uns die Unterschiede zwischen dem Verfassungsvertrag und dem Vertrag von Lissabon ansehen, weil jetzt die Diskussion darüber angeheizt wird.

Zunächst fehlen gegenüber diesem Vertrag im neuen Vertrag die europäischen Sym­bole. – Das wird nicht unbedingt besonders kritisch zu bewerten sein. Was aber ganz wesentlich ist und was natürlich auch mir wesentlich ist: Die nationale Daseinsvorsorge wird unter Schutz gestellt. Das ist insbesondere für die Attac-Aktivisten in Österreich von großer Bedeutung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass gerade die Daseinsvorsorge, die in den letzten drei Jahren in Österreich für so viele Diskussionen gesorgt hat, jetzt plötzlich jetzt ein Problem sein sollte.

Außerdem wird Österreich im EU-Parlament nicht mit 18 Sitzen, sondern jetzt mit 19 Sitzen bedacht; also auch kein Nachteil für Österreich. Ich weiß nicht, weshalb wir da jetzt einen Grund haben sollten, dagegen zu sein.

Die Umweltstandards werden genauer definiert, ebenso die Klimaschutzziele – also auch ein Vorteil. Und wenn es uns gelingen soll, diese Klimaschutzziele im internatio­nalen Gleichklang zu erreichen, denke ich, wird auch der Kärntner Landeshauptmann kein Problem damit haben. Höchstens werden die braunen Flecken auf den Kärntner Skipisten weniger werden.

Ein wichtiger Punkt ist der Schutz der Wasserressourcen – auch das ist heute schon angesprochen worden. Er wurde in Artikel 175 2b) ausdrücklich nach dem Einstimmig-


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keitsprinzip geschützt. Auch da können wir keine Probleme haben, obwohl das in den letzten Wochen in der öffentlichen Diskussion war.

Und was uns als Bundesrat angeht – Kollege Weiss hat es soeben ausgeführt, und ich möchte es noch einmal hervorheben –, ist, dass hier die Subsidiarität erweitert wurde, und dass auch das Klagerecht und das Vorinformationsrecht nicht nur für den National­rat von sechs Wochen auf acht Wochen verlängert wurde, sondern das nun auch auf die zweite Kammer ausgedehnt wird, nämlich auf den Bundesrat, wodurch wir eine hö­here Bedeutung erfahren. Deshalb wundert es mich, dass Landeshauptmann Haider nicht von seinem Rederecht hier Gebrauch gemacht hat.

In diesem Bereich ist der Herr Landeshauptmann ein bisschen mimosenhaft; er kann sich ja jederzeit in die Diskussion einklinken. Stattdessen aber gibt er eine Pressekon­ferenz und erklärt sozusagen, dass der Bundesrat abgeschafft werden sollte! Jetzt, wo wir endlich größere Bedeutung erlangen, wenn wir die Interessen der Länder im europäischen Kontext besser vertreten können, sind wir plötzlich dagegen!? – Das ist, für mich zumindest, nicht ganz nachvollziehbar.

Was die Volksabstimmung betrifft, meine zwei Herren vom BZÖ, zitiere ich Ihren Klub­obmann in der Debatte vom 11. Mai 2005 zur Volksabstimmung: Denn eines sagt uns die Bundesverfassung klar: dass über einen völkerrechtlichen Vertrag selbst keine Volksabstimmung durchgeführt werden kann.

Ihr Klubobmann hat sich in der Debatte am 11. Mai 2005 im Parlament entsprechend geäußert. Aber natürlich würden wir uns, wenn es eine europaweite Volksabstimmung gäbe – und in unserem Entschließungsantrag ist das ja in einer Formulierung enthal­ten –, einer solchen nicht entgegenstellen. (Bundesrat Mitterer: Man darf immer ge­scheiter werden!)

Der Unterschied ist ja der: Damals wart ihr in der Regierung, jetzt seid ihr in der Oppo­sition. (Bundesrat Konecny: Wir haben auch damals zugestimmt!) SPÖ und Grüne waren damals in der Opposition und haben diesem Verfassungsvertrag zugestimmt, haben also Rückgrat bewiesen – Rückgrat bewiesen in wichtigen politischen Entschei­dungen. Und dieses Rückgrat fehlt dem BZÖ und zum Teil auch den Freiheitlichen. Es ist eben schwierig, wenn man sozusagen ein bisschen am Gängelband vom Süden des Landes her hängt.

Ich habe – das sage ich ganz offen – zur EU immer eine differenziert-kritische Haltung eingenommen, aber in erster Linie deshalb, weil die Verträge von Maastricht nicht jene sozialen Standards festgeschrieben haben, die ich mir gewünscht hätte. Kollege Klug hat heute ausgeführt, dass dieser Vertrag von Lissabon das jetzt nachholt. Deshalb kann ich mit bestem Wissen, Gewissen und voller Überzeugung dem Vertrag von Lissabon zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jetzt noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Heiterkeit. – Bundesrat Konecny: Negativmeldungen sind nicht erforderlich!)

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da durch den gegenständlichen Beschluss die vertraglichen Grundlagen der Europäi­schen Union geändert werden, bedarf dieser gemäß Artikel 50 Absatz 1 Ziffer 2 in Ver-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 114

bindung mit Artikel 50 Absatz 4 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesen­heit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Beschluss gemäß Artikel 50 Absatz 1 Ziffer 2 in Verbindung mit Artikel 50 Absatz 4 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­mehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfor­dernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Konecny, Bieringer, Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend den Vertrag von Lissabon und die weitere Entwicklung der Europäische Union vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 266-BR/08.)

15.47.193. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (455 d.B. und 489 d.B. sowie 7910/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich bitte um den Bericht.

 


15.47.37

Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Der Bericht des Ausschusses für Wissen­schaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betref­fend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Republik Indien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hladny. Ich erteile ihr dieses.

 


15.48.33

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Abkommens zwischen der Re­gierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien ist es, die Durchführung gemeinsamer Projekte auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik zu fördern. Die Finanzierung der Mobilitätskosten beider Vertragspartner basiert auf der


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Grundlage der Gegenseitigkeit unter Berücksichtigung der Prioritäten. Dabei geht es um einen Betrag von 90 000 €, der aus den Budgetmitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung kommt.

Für die Durchführung dieses Abkommens setzen die Vertragspartner eine gemischte Kommission für wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit ein. Vertreter der Bun­desministerien für europäische und internationale Angelegenheiten, für Wissenschaft und Forschung sowie für Verkehr, Innovation und Technologie werden in dieser Kom­mission tätig sein.

Wenn man bedenkt, dass bis zum Jahr 2009 bereits zirka 30 Prozent der weltweit neu geschaffenen Forschungsstellen in Indien sein werden, ist dies gerade für österrei­chische Hochschulen, Universitäten und auch außeruniversitäre Forschungseinrichtun­gen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte.

 


15.50.12

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Auch ich möchte mich ganz kurz halten, wie es vereinbart wurde, weil noch eine Dringliche ansteht.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir Verträge schließen, gerade was Hochschulen betrifft, was Forschung betrifft, die über die Europäische Union hinaus gehen. Das halte ich für ganz, ganz wichtig. Gerade was Forschen betrifft, müssen wir immer die Internationalität im Blick haben. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Ich möchte nur bitten, dass man hier wirklich die gesamten Bereiche aller wissenschaftlichen Fächer sieht und nicht nur – es „riecht“ nämlich ein bisschen danach – das technische Umfeld, sondern selbstverständlich auch das geisteswissen­schaftliche. Es ist zwar ein ganz wichtiger Schritt, dass die Kosten, was Mobilität betrifft, dass Reisekosten und Aufenthaltskosten übernommen werden, aber ich denke, es wäre auch eine interessante Geschichte, ein paar Projekte gerade in Richtung Geis­teswissenschaft anzuregen. Ich bin selber Theologe und glaube, dass solche Abkom­men wie zwischen Österreich und Indien ganz interessant sind, was die Interreligiosität betrifft.

Und ein letzter Punkt – das halte ich auch für ganz bedeutsam – ist, nicht nur die For­scherinnen und Forscher, Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Expertinnen und Experten zu sehen, sondern auch die Studierenden. Ich behaupte – und ich erlebe das selber an unterschiedlichen Universitäten und Hochschulen –, ganz spannende Forschungsgruppen gibt es dort, wo auch Studierende mit hereingenommen werden. Denn die Studierenden von heute sind die Forscherinnen und Forscher von morgen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­rätin Konrad. – Bitte.

 


15.51.56

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde es meinen Vorred­nerinnen und Vorrednern gleichtun und mich eher kurz halten. Wir haben noch etwa 8 Minuten Zeit, und ich hätte gerne noch eine Antwort vom Herrn Bundesminister.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 116

Dass Abkommen, die Forschung und Wissenschaft betreffend, wichtig sind, und je internationaler, um so besser, das steht, glaube ich, außer Zweifel. Wir Grübe werden dem natürlich auch zustimmen.

Was mich interessieren würde, ist: Was geschieht mit einem solchen Abkommen, wenn es das Haus passiert hat, wenn es beschlossen ist und wenn es quasi in die Realität übergeht? Vielleicht können Sie ein paar Beispiele nennen, was mit ähnlichen Abkommen passiert ist, was sie in der Realität für Auswirkungen hatten, wo es viel­leicht schöne Beispiele gibt, wie solche Abkommen dazu geführt haben, dass wirklich dieses oder jenes Projekt in die Realität umgesetzt werden konnte.

Das war’s dann schon. Damit haben Sie noch genug Zeit, um meine Frage zu beant­worten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesmi­nister Dr. Hahn. – Bitte.

 


15.53.02

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Vielen Dank, dass wir zwischen Europa und den ÖBB noch die Chance haben (Heiterkeit), uns weltweit mit Fragen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zu beschäf­tigen.

In der Tat: Das ist ein Rahmenprogramm, das es auszufüllen gilt. Es war auch bei der Reise, auf der ich das abschließen durfte, der Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Kratky, dabei. Wenn es zu einer Umsetzung kommt – und es wird zu einer Umsetzung kommen –, dann wird es gerade auch aus dem FWF für gemeinsame Projekte, kompetitiv zu vergeben, natürlich Mittel geben.

Der nächste konkrete Schritt, und das geht schon in Richtung Beantwortung Ihrer Fra­ge, Frau Bundesrätin, ist, dass wir sogenannte Science Days machen. Das machen wir nicht nur mit Indien. Wir haben das vor Kurzem mit Korea gemacht, und wir machen das demnächst, im Mai, mit Rumänien. Da wird eben zwischen den beiden Ländern mit den Wissenschaftern im vorhinein vereinbart, was aktuelle Themenfelder sind, und dann referieren die Wissenschafter beider Länder über den aktuellen Status ihrer Akti­vitäten in diesem oder jenem Bereich.

Ich kann zum Beispiel berichten: Anfang September des Vorjahres hatten wir das mit Korea in Wien, und spontan, als Ergebnis eines solchen Science Day, kam es zu zwei oder drei aktuellen, jetzt schon funktionierenden Wissenschaftskooperationen. Und man kann davon ausgehen, dass sich das auch mit Indien so verhalten wird.

Natürlich ist Indien eine erste Adresse, was IT-Aktivitäten anbelangt. Aber ich bin bei Bundesrat Schnider: Selbstverständlich dürfen dabei auch die geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen nicht vernachlässigt werden.

Das Tätigkeitsfeld ist ein breites, ein umfassendes. Und natürlich ist der indische Markt für Studierende, insbesondere für Dissertanten, ein hoch spannender auch im Hinblick darauf, dass sie nach Österreich kommen und hier tätig sind. Ich denke, die Vorausset­zungen gerade mit einem Land wie Indien, auch in der wissenschaftlichen Kooperation, sind hervorragend. Ich kann Ihnen garantieren, dass wir diese Möglichkeiten nutzen. Und vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, fallweise auch diesem Haus hier über die Entwicklungen in diesem Bereich zu berichten. – Vielen herzlichen Dank.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 117

Wie gesagt: Ich möchte nicht schuld daran sein, dass es zu Verspätungen im Zugver­kehr kommt. – Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung ... (Ruf: Bis 16 Uhr können wir noch einen Punkt machen!) Machen wir noch einen Punkt? – Wenn Sie sich nicht zu Wort melden, machen wir das!

15.56.544. Punkt

Jahresvorschau des BMWF 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogramms des Rates (III-340-BR/2008 d.B. sowie 7911/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nunmehr zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich bitte um den Bericht.

 


15.57.06

Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Der Bericht des Ausschusses für Wissen­schaft und Forschung über die Jahresvorschau des BMWF 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Ar­beitsprogramms des Rates liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 den Antrag, die Jahresvorschau des BMWF 2008 auf der Grundlage


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des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Ar­beitsprogramms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.58.085. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Übereinkommen über die Beteiligung der Republik Bulgarien und Rumäniens am Europäischen Wirtschaftsraum samt Anhängen, Schlussakte und Erklärungen (443 d.B. und 501 d.B. sowie 7923/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bei diesem Tempo kommen wir nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kemperle. Ich bitte um den Bericht.

 


15.58.27

Berichterstatterin Monika Kemperle: Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Übereinkommen über die Beteiligung der Republik Bulgarien und Rumäniens am Euro­päischen Wirtschaftsraum samt Anhängen, Schlussakte und Erklärungen liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich erspare Ihnen daher die Verlesung und komme gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat den gegenständlichen Beschluss des Na­tionalrates in seiner Sitzung am 22. April 2008 in Verhandlung genommen. Der Aus­schuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

15.58.53Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ver­antwortungslose Großzügigkeit der Verantwortlichen bei Umgang mit öffentli­chen Geldern bei den ÖBB (2621/J-BR/2008)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Schennach, Kerschbaum, Konrad, Dön-


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mez, Mühlwerth und Herbert an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile hiermit Herrn Bundesrat Schennach als erstem Anfragesteller zur Begrün­dung der Anfrage das Wort.

 


16.00.13

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Seit zwei Tagen ist die Öffentlichkeit fassungslos über die Form von Handshakes gegenüber Managern, die offensichtlich unfähig waren, ihren Job zu machen, beziehungsweise sich in riskante Spekulationsgeschäfte einge­lassen haben. Aber genauso sprachlos ist die Öffentlichkeit über die Reaktion des Vizekanzlers der Bundesregierung.

Ich möchte die Begründung einmal so beginnen, dass nicht ich meine Gedanken for­muliere, sondern die Menschen draußen zu Wort kommen. Ich habe hier nur zwei von vielen Leserbriefen stellvertretend herausgenommen. Einer ist von einem Herrn Rinde­rer aus Götzis; beide Herren, deren Briefe ich jetzt vorlese, sind mir nicht bekannt:

So, so, man höre und staune als Steuerzahler nicht schlecht: Nachdem keine angebli­chen aktienrechtlichen Verfehlungen bei den ÖBB-Managern Huber und Konsorten ge­mäß Aufsichtsrat vorliegen, steht eine Ablösesumme nach dem Motto: Koste es, was Huber wolle!, nichts mehr im Wege. Zu Recht frage ich mich, wer für solche Verträge verantwortlich ist. Wem darf ich zu diesem Glanzstück herzlich gratulieren? Ich stelle mit großer Verwunderung fest, dass auch die ÖBB zum Selbstbedienungsladen einiger Manager mutiert ist. – Meint dieser Mann aus Vorarlberg.

Und aus Wien ein Herr Berger: Ein Aspekt im Deal zwischen ÖBB-Aufsichtsratschef und Ex-ÖBB-Generaldirektor stößt mir besonders sauer auf: die Vereinbarung von Ver­traulichkeit über die finanzielle Dimension der Abfindung. Hierbei einigten sich zwei zu Lasten eines Dritten, nämlich des Steuerzahlers. Huber ist es verständlicherweise sehr recht, dass die 800 000 €, die er offenbar kassiert, nicht öffentlich werden. Pöchhacker ist es offensichtlich auch recht, denn meisterlich war sein Verhandlungsergebnis nicht. Und damit davon niemand erfährt, wird Vertraulichkeit gegenüber jenen vereinbart, die dafür zahlen müssen. So einfach kann Wirtschaften sein – solange es Steuerzahler und Wähler gibt, die sich das gefallen lassen.

Zwei Meinungen von vielen, Herr Bundesminister, und Sie haben es vorgezogen, zu dieser ganzen Geschichte, bis auf eine dürre Aussendung, vorderhand zu schweigen. Dies war auch der Grund und die Motivation, warum wir Sie heute hierhergebeten ha­ben.

Eines fällt auf: Wenn wir all jene Manager anführen, die mit Konsulentenverträgen ab­gefertigt oder irgendwohin geschoben wurden, dann muss die ÖBB offensichtlich eine ganze Abteilung führen: Rüdiger vorm Walde: 1,2 Millionen €, die vielfach gemobbte Goldmann Wilhelmine: 700 000 €, Herr Zimmermann, trotz strafrechtlicher Ermitt­lungen: 220 000 €, Herr Wehinger: 300 000 €. Der Herr Gassauer – das ist übrigens der Mann mit der Kreditkarte im Striplokal – bekommt die Restzeit finanziert. Was den Herrn Huber betrifft, gibt es jetzt verschiedene Zahlen, aber da werden wir ja hof­fentlich vom Herrn Minister mehr erfahren, jedenfalls gehen die Zahlen hinauf bis zu 1,2 Millionen €. Da geht es um Gehalt, Abfertigung und Pension, und da reicht die kolportierte Spannweite von 800 bis 1,2 Millionen €. Söllinger, Poschalko, all die Herr­schaften stehen zur Abfertigung an.


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Was so nebenbei noch interessiert bei zwei Personen, die man in der DLG, der Dienst­leistungs GesmbH, die seit 1. Jänner offiziell aufgelöst ist, versteckt: Das ist zum einen ein gewisser ehemaliger Kabinettschef namens Ita aus dem Verkehrsministerium, der einen ziemlich hoch dotierten Vertrag hat; den nennt man Human Resources. Diese DLG gibt es nicht mehr. Was macht der Herr, auf welche Mitarbeiter ist er gestoßen, was verdient er, und was sind seine Arbeitsergebnisse in einer aufgelassenen Dienst­leistungsgesellschaft?

Und da gibt es noch eine Frau Steinacker. Sie hat die ÖBB-Busse teuerst an die Raiff­eisen-Holding vermietet – und sie verlässt die ÖBB. Darf ich Sie fragen: Weiß wer, wo­hin sie wechselt? In eine Topposition von Raiffeisen-Holding. Wenn das keine Unver­einbarkeiten sind, meine Damen und Herren, dann weiß ich es nicht!

Herr Minister, Sie haben die Verantwortung und die Aufgabe, wenn Sie mit diesen Zu­ständen nicht einverstanden sind, hier zu handeln, wiewohl wir wissen, dass Sie hier sehr, sehr viel von Ihren Vorgängern geerbt haben. Bislang wissen wir nur, wie die gol­dene Apanage der ÖBB für diese Manager ausschaut. Aber was haben denn diese Manager tatsächlich für die ÖBB geleistet? Bei der Frau Steinacker ist es ja relativ of­fensichtlich. Sie können hier nicht die Haltung einer Sphinx annehmen! Es ist undurch­schaubar und unerklärbar, was hier denn tatsächlich passiert.

Viele nennen die ganze Situation einen wirklichen Kollateralschaden. Immerhin geht es hier um äußerst umstrittene Finanzspekulationen der ÖBB. Alleine die Ausfallshaftun­gen für Kredite bei der Deutschen Bank betragen 612,9 Millionen €. Sie mussten dafür bereits jetzt Bilanzrückstellungen über 230 Millionen € für 2007 treffen. Experten sa­gen, es wird wahrscheinlich die gesamte Summe fällig werden.

Vieles von den tollen Ergebnissen des Jahres 2006 ist vor allem durch Geschäfte in­nerhalb der Töchter zustande gekommen.

Alle diese Fakten bedeuten doch eines: Die ÖBB ist irgendwo in ein Chaos gestürzt. Und Sie sagen, es gelten die Verträge, was die Manager betrifft. Ich kann diesen An­satz verstehen. Aber wieso haben für Sie die Verträge von 45 000 ÖBB-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen mit der Republik nicht gegolten? Die hatten auch ordentliche Arbeitsverträge, und diese Verträge haben nicht gegolten, was Arbeitszeit betrifft, was Pensionen betrifft, was Überstundenregelungen betrifft. Nur: Bei den Managern, die sich ganz offensichtlich Dinge zuschulden kommen haben lassen und die ganz offen­sichtlich unfähig in der Ausübung ihres Amtes waren, da gelten die Verträge. Aber bei den 40 000 bis 45 000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, da macht man die Augen zu.

Nach wie vor unverständlich ist: Diese vorzeitige Ablöse hat dem Herrn Huber eines erspart: 20 peinliche Fragen, nämlich 20 peinliche Fragen zu dem Bereich, wo es zu einem Dreiecksgeschäft gekommen ist, und zwar zwischen der ÖBB und der Gattin des ÖBB-Chefs. Immerhin geht es hier um ein Grundstück, das wie wundersam eine Geldvermehrung erfahren hat: Die ÖBB verkauft es um 5,4 Millionen €, und auf einmal, kurze Zeit später ist es 10,8 Millionen € wert. Es handelt sich hier um das Projekt am Schillerplatz.

Die Frage ist: Stehen da vielleicht ganz andere Spekulationen dahinter? Warum scheint denn dieselbe Dame im Zusammenhang mit den Bauprojekten am Südbahnhof auf? Hier wurden ja auch Zuschläge gegeben. Ist das irgendwie eine Bonifikation ge­wesen? Bitte, Herr Bundesminister, klären Sie uns in diesen Fragen dringend auf!

Diese 20 unangenehmen Fragen zu Familienimmobiliengeschäften innerhalb der ÖBB, die hat Huber sich erspart – und möglicherweise dafür noch 1,2 Millionen € bezogen.

Ich denke doch, dass der Finanzminister weiß, wie viel dieses Unternehmen an Sub­ventionen braucht. Die erste Reaktion des Finanzministers dieser Republik war: Privati-


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sieren wir die ÖBB! – Ein Unternehmen, das mehr als 4,5 Milliarden Steuergelder für sein Funktionieren benötigt. Und die ÖBB ist nicht irgendein Unternehmen in dieser Republik: Sie ist der größte Verkehrsträger mit 447 Millionen Fahrgästen. Dieser Vor­schlag, die ÖBB zu privatisieren, hat heute eine Zeitung geschrieben, ist eine Beleidi­gung für den Hausverstand. Oder es scheint so zu sein, dass der Finanzminister nach­träglich seine Qualifikation für dieses Ministeramt zurückziehen will.

Meine Damen und Herren, man kann doch jetzt die ÖBB nicht mit einer Debatte über Privatisierung belasten, jetzt, nach diesem Trudeln, nach dieser Verunsicherung, und zwar innerhalb der Belegschaft als auch was die Kunden betrifft, die natürlich merken, was los ist. Die Preise der ÖBB steigen, auch die Bezieher kleiner Pensionen müssen etwas drauflegen für die Tickets, und Manager, die ganz offensichtlich hier Schaden angerichtet haben, bekommen dermaßen große Summen geradezu nachgeschmissen.

Gestern wurde ich in einem Radio-Interview gefragt, ob ich glaube, dass Sie, Herr Bun­desminister Faymann, heute hier im Bundesrat die Wahrheit sprechen werden, worauf ich geantwortet habe: Es hört sich die Politik auf, wenn ein Abgeordneter davon aus­geht, dass ein Minister nicht die Wahrheit spricht! Ich gehe also davon aus, Herr Bun­desminister, dass Sie selbstverständlich hier und heute diese Gelegenheit ergreifen werden, uns zu sagen, was tatsächlich Sache in dieser Angelegenheit ist.

Jetzt braucht die ÖBB jedenfalls nur eines: Aufklärung dieser ganzen Sache, aber kei­ne Privatisierungsdebatte. Es sollte offen und ehrlich eingestanden werden, was in den letzten Jahren passiert ist. Herr Huber wurde ja als der große Umfärber und Aufräumer geholt. Es hätte also in einem sogenannten roten Unternehmen eine große Personal­besetzung beziehungsweise Personalrochade stattfinden sollen.

Und was ist seither geschehen? – Das ÖBB-Management wurde von fünf auf jetzt ins­gesamt 44 Personen aufgestockt. Und das ist die große Aufgabe des Herrn Huber ge­wesen, der von Schwarz-Orange beziehungsweise Schwarz-Blau in dieses Unterneh­men geschickt wurde?!

Meine Damen und Herren, wir brauchen die ÖBB. Die ÖBB ist eines der wichtigsten Unternehmungen unseres Landes – egal, ob es um den Personen- oder um den Güter­verkehr geht. Geordnete Verhältnisse braucht es da.

Herr Bundesminister Faymann, Sie sind jetzt am Zug: zuerst mit der Aufklärung – und dann damit, dort für die notwendige Ordnung zu sorgen. (Beifall bei den Grünen.)

16.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihm dieses.

 


16.12.27

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte vorweg nur zwei, drei Bemerkungen machen und dann, wie es üblich und rechtens ist, Ihre Fragen ganz konkret beantworten.

Einleitende Bemerkungen zu dieser Dringlichen Anfrage möchte ich aber auch deshalb machen, weil ich mir manches Mal nicht sicher bin, welchen Anteil von Behauptungen, die jemand aufstellt, der Betreffende selbst glaubt. Daher möchte ich gut meinend be­ginnen und sagen: Die Frage, ob irgendjemand – egal, ob er Generaldirektor der ÖBB war oder in irgendeiner anderen wirtschaftlichen Funktion des Landes tätig ist – privat Geschäfte macht, noch dazu einen Teil eines Hauses gekauft haben soll, von der Telekom, also gar nicht von den ÖBB – daher ist natürlich auch Ihr Hinweis auf „ÖBB-Geschäfte“ unrichtig und unpräzise –, die Frage also, ob jemand privat Geschäfte


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 122

macht und ob diese rechtens sind oder nicht, entscheidet in Österreich kein Minister, entscheidet auch kein Aufsichtsrat, sondern Sie von den Grünen waren es ja, die die Staatsanwaltschaft damit befasst haben.

Wenn Sie wissen wollen, ob die Unterlagen – Sie haben ja öffentlich ausgesandt, dass Sie damit die Staatsanwaltschaft beschäftigen –, die Sie dem Staatsanwalt übersandt haben, zu Erhebungen – in welche Richtung auch immer – führen, dann kann ich nur sagen: Es wird in Österreich die Staatsanwaltschaft beziehungsweise das Gericht sein, das dazu Stellung nimmt. Wenn es die Staatsanwaltschaft als für nicht notwendig er­achten sollte, Erhebungen einzuleiten, dann ist es auch dort aufgehoben, zu entschei­den, ob Geschäfte, die jemand tätigt, rechtens sind oder nicht.

Meiner Überzeugung nach ist es eine der wichtigen Voraussetzungen, dass man, wenn man politische Verantwortung trägt, auch weiß, wer in einem Rechtsstaat wofür ver­antwortlich ist. Jedem, der glaubt, es sei etwas Unrechtmäßiges geschehen, ist es na­türlich unbenommen, damit die Staatsanwaltschaft zu befassen. Es ist aber dann die Sache des Gerichtes – und nicht die Aufgabe von Abgeordneten oder gar Ministern –, schuldig zu sprechen oder eben auch nicht. Die Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, Erhebungen einzuleiten, wenn sie dies für notwendig erachtet – und die Gerichte haben dann das Urteil zu sprechen.

Meine Damen und Herren, auf eine solche korrekte Trennung lege ich in einem Rechtsstaat allergrößten Wert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich hätte keine Freude damit, dass Sie oder ich in einem Staat leben, wo wir beide die Aufgabe und Verantwortung hätten, jemanden zu verurteilen.

Ich werde einiges auch über den angesprochenen Vertrag und diese Abfertigung sa­gen, aber: Sie wissen doch hoffentlich, dass keiner von uns das Recht hat – weder der Aufsichtsrat nach § 75 des Aktiengesetzes noch die Hauptversammlung; auch nicht nach dem Datenschutzgesetz, auch nicht nach anderen Gesetzesmaterien, etwa des Zivilrechtes bezüglich eines geschlossenen Vertrages –, personenbezogene Daten zu veröffentlichen.

Der Rechnungshof ist in diesem Zusammenhang wirklich ein Vorbild. Er hat in seinen Berichten – diese Gesetze kennend – sehr genau gesagt: Es gibt Ausgaben im Perso­nalbereich, es gibt Ausgaben im Managementbereich, und es wurden vom Rechnungs­hof viele Bereiche, auch die der ÖIAG, miteinander verglichen. Der Rechnungshof hat sich also diese Vorgangsweise im Hinblick auf deren Rechtmäßigkeit angeschaut, hat aber selbstverständlich in seinen Bericht nicht hineingeschrieben: Der Müller verdient so viel, der Maier verdient so viel, und die Abfertigung ist so hoch! – Das entspricht nämlich den Vorschriften des Datenschutzes, den ich im Übrigen von den Grünen bei anderen Gelegenheiten jeden Tag eingefordert sehe.

Daher bin ich auch hier sehr präzise und sage: Wenn die Gesetze unseres Landes, wenn zivilrechtliche Vereinbarungen es verbieten, personenbezogene Daten zu ver­lautbaren – dabei handelt es sich ja selbstverständlich auch um etwas Einklagbares –, dann werden Sie doch nicht ernsthaft glauben, dass ich mich jetzt hier herstelle und über personenbezogene Daten referiere. Dazu, meine Damen und Herren, bin ich nicht nur nicht berechtigt, sondern ich würde mich auch rechtlich strafbar machen, wenn ich diese Daten hier bekanntgäbe.

Das, meine Damen und Herren, ist so eine knappe Grenze zwischen dem, was ich glaube, was Sie zum Ausdruck bringen wollen, wie Sie es aber aus meiner Sicht über­spitzt formulieren und darlegen – und damit Ihre Argumentation eigentlich in vielen Be­reichen ad absurdum führen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 123

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zum Finanzgeschäft etwas sagen. Das Finanzgeschäft ist etwas, von dem ich vom ersten Tag an, als ich dazu befragt wurde, gesagt habe: Öffentliche Einrichtungen wie die ÖBB, auch AGs, die der öffentlichen Hand gehören – wie das eben auch im Konkreten der Fall ist, aber auch in anderen Bereichen –, sollten möglichst konservativ veranlagen. Sie sollten nicht in das Risiko gehen, in das viele private Unternehmen, auch öffentliche Unternehmen, in den ver­gangenen Jahren gegangen sind.

Da kann man natürlich verschiedener Meinung sein – ich werfe das sicherlich nieman­dem vor, wenn er dazu eine andere Meinung hat –, ich bitte aber um Kenntnisnahme, dass ich in diesen rund 13 Jahren, in denen ich Mitglied der Wiener Landesregierung gewesen bin, nie in riskante Veranlagungen gegangen bin. Aber nicht deshalb, weil ich glauben würde, dass alle Privaten, die das machen, falsch liegen – ich bin sogar ein­mal in einem Bereich vom Kontrollamt gefragt worden, warum wir so geringe Veranla­gungszinsen haben, während in der Privatwirtschaft so hohe Veranlagungszinsen erreicht werden –, sondern weil ich persönlich meine, dass man, wenn man bei 15 Fi­nanzgeschäften 14-mal gut liegt und nur einmal schlecht, in der Politik für die 14-mal Gut-Liegen weniger Anerkennung in der Bevölkerung, der gegenüber man ja schließ­lich als Politiker verantwortlich ist, findet als für das eine Geschäft, das nicht gut funk­tioniert.

Die Bilanz der für die Finanzen Verantwortlichen der ÖBB mit Sale and lease back-Ge­schäften, mit anderen Veranlagungen ist aus meiner Sicht nicht schlecht. Dieses Fi­nanzgeschäft ist, so wie viele andere Finanzgeschäfte von Banken, von Privaten, viel­leicht sogar auch von anderen öffentlichen Unternehmen, als nicht gut zu bewerten, eben vom heutigen Stand aus. Ein Finanzgeschäft beginnt unter bestimmten Bedin­gungen – und endet zu einem bestimmten Datum. Wie es am Tage, wo man eigentlich zusammenrechnen kann, war es ein Geschäft, ein Gewinn oder ein Verlust, aussieht, das weiß ich nicht, ob wir das abwarten werden.

Der Aufsichtsrat beschäftigt sich unter Einbeziehung sehr seriöser Gutachter mit der Frage, ob, wenn sich in Verhandlungen mit der Deutschen Bank eine Ausstiegsmög­lichkeit zu für uns einigermaßen akzeptablen Bedingungen ergibt, wir uns nicht aus diesem Risikogeschäft zurückziehen sollten. Es gab schon einmal ein vergleichbares Risikogeschäft im Bereich der ÖIAG – das ist schon länger her –, da sind sie hinaus­gegangen, und es war danach ein Geschäft! Auch das kann bei einem Risikogeschäft passieren.

Warum ich persönlich das Risiko nicht eingehen möchte oder in Zukunft nicht eingehen werde und auch die ÖBB angewiesen habe, derart riskante Geschäfte keinesfalls zu unternehmen, ist nicht dadurch begründet, dass ich alle in der Privatwirtschaft, die so etwas machen, für auf dem falschen Gleis befindlich halte, sondern weil ich glaube, dass, wenn etwas nicht funktioniert, die Erklärbarkeit in der Bevölkerung besonders schwer ist. Das hat aber nichts mit kriminellen Geschäften zu tun, sondern das hat etwas mit einer grundsätzlichen Einstellung zu tun, und zwar dort, wo eine Reihe von Einzelpersonen, von in den Töchtern und dann in der Holding Verantwortlichen ver­sucht haben, mehr als die normalen Veranlagungszinsen zu bekommen, indem sie in dieses Geschäft gegangen sind. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Noch einmal: Ich würde es nicht machen. Ich würde aber auch nicht zulassen, dass jemand in Behauptungen – auch in vielen öffentlichen Aussendungen liest sich das ja so – so tut, als wäre da ein kriminelles Geschäft gemacht worden. Ein riskantes Ge­schäft ist ein riskantes Geschäft, das man aus meiner Sicht Privaten überlassen sollte, aber es ist deshalb noch lange nicht zu kriminalisieren.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 124

Bleibt der dritte Vorwurf, der so durchschwingt: Na, was haben denn die Herrschaften alles geleistet? – Ich möchte Ihnen jetzt nicht lange Bilanzen vorlegen. Denn es hat sich immerhin der Wiener Bürgermeister gemeldet und die Verdienste des Martin Hu­ber in Wien besonders gewürdigt. Es hat sich immerhin der Präsident der IV gemeldet und die Leistungen hervorgestrichen. Es haben sich andere in Kommentaren gemeldet und über diese Verdienste gesprochen.

Ich kenne die Verdienste und die Schwächen der Immobilienabteilung. Wenn ich mich an meine Zeit in der Wiener Landesregierung erinnere, dann hat die ÖBB viele Jahre, um nicht zu sagen, Jahrzehnte, wenn sie irgendwo eine Liegenschaft hatte, die sich in ihrem Besitz befunden hat, dies so betrachtet, als wäre es eben in einer Lade, und wenn man Geld für einen Bahnhof braucht, dann schreibt man dem Minister einen Brief darüber, wie viel es ist.

Es war auch die von Ihnen genannte Frau Steinacker, und es waren die jetzt dort täti­gen Mitarbeiter im Immobilienbereich, die von dieser – wie ich meine – falschen Praxis abgegangen sind und so etwas wie eine Immobilien-Projektentwicklung aufgebaut haben. Das geschah mit Fehlleistungen, wie der Rechnungshof sagt – dass eine Datei anzulegen wäre, die mehr Überblick verschafft –, mit technischen Fehlleistungen in der Anfangsphase, weil es ein Neubeginn war, aber – und ich habe schon viele Rech­nungshofberichte gelesen, so wie auch Sie – es gehört zu den Bereichen, über die ich zwar sage, man muss es besser machen, es gehört jedoch aus meiner Sicht nicht zu „alles falsch gewesen“.

Also gerade im Immobilienbereich – wenn Sie sich die Entwicklung von Bahnhöfen an­schauen, bei gleichzeitiger Projektentwicklung und damit Schaffung von zusätzlichen Einnahmen quer durch Österreich, wir haben immerhin 30 Bahnhöfe in unserem Pro­gramm – hat die ÖBB in den letzten Jahren aus meiner Sicht den grundsätzlich – nicht im Detail, aber grundsätzlich – richtigen Weg eingeschlagen.

Zum Vertrag selbst: Ich habe diese Verträge nicht geschlossen – nicht, weil ich jetzt sagen würde, ich hätte alles ganz anders geschlossen, sondern, weil ich damals gar nicht verantwortlich war. Mein von mir nominierter Aufsichtsrat hat die Verantwortung, dann, wenn er mit jemandem ein Dienstverhältnis beendet, zu überlegen, welche An­sprüche aus einem Dienstverhältnis entstehen. – Ich werde dann auch ganz konkret darauf antworten.

Ich habe es auch heute wieder bei einer öffentlichen Gelegenheit gesagt, als ich ge­fragt wurde: Wie sehen Sie das mit diesen hohen Verträgen? Eine Abfertigung in Höhe von jetzt in vielen Medien nachlesbaren Beträgen entsteht ja nicht daraus, dass je­mand dann, wenn er geht, festlegt, was er bekommt, sondern daraus, dass jemand, wenn er kommt, sich auf Grund seines Vertrages, seines Gehaltes und seiner Ansprü­che ausrechnen kann, mit welcher Abfertigung er zu rechnen hat, wenn er einmal geht. Das ist also nicht eine Frage, die gestern entschieden wurde, sondern eine Frage, die natürlich bei Vertragsbeginn entschieden wird.

Ich habe mit dem Aufsichtsrat lange darüber diskutiert, und der Aufsichtsrat hat mir gesagt, dass der neue Vorstandsvorsitzende im Gesamtgehalt 20 Prozent unter dem seines Vorgängers liegen wird. Egal, welche Summe auch immer in den Medien kol­portiert wird, manches Mal ist es richtig, und manches Mal ist es ein bisschen zu hoch, nie darf aus meiner Sicht ein Politiker es auf den Cent genau formulieren, weil das da­tenbezogen ist. Aber in dieser Diskussion, die ja in der Öffentlichkeit einen grund­sätzlichen Eindruck vermittelt, werden, auch wenn es 20 Prozent weniger sind, viele Menschen sagen: Das ist sehr viel Geld.

Wenn der Vertrag mit dem jetzt neu zu bestellenden Vorstandssprecher auslaufen wird, dann wird auch er eine Abfertigung bekommen, so wie Martin Huber, Söllinger


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und andere nach Auslaufen ihres Vertrages – übrigens Söllinger bereits Ende März des kommenden Jahres; Martin Huber ebenfalls nächstes Jahr im Herbst. Natürlich haben sie genauso einen Anspruch auf eine Abfertigung. Diese Abfertigungsdiskussion über die Gehälter und alles, was man Bonus und Bonusvereinbarungen nennt, ist eine Diskussion, die in der Öffentlichkeit eine sehr schwierig zu führende Diskussion ist, weil erstens auch wir alle weniger verdienen, weil überdies der Durchschnitt noch deutlich weniger verdient als wir alle und sich daher bei diesen Beträgen gar nicht vorstellen kann, welche Leistungen man dafür eigentlich erbringen müsste.

Auch ich habe immer Zweifel daran, ob es richtig ist, dass Manager international, aber auch bei uns so hohe Beträge tatsächlich – unter Anführungszeichen – „verdienen“. Ich habe es mir nur nicht ausgesucht! Denn Gehälter entstehen im Vergleich oder im Wett­bewerb, und hier sprechen wir von einem Betrieb mit mehr als 42 000 Beschäftigten und mehr als 5 Milliarden € Umsatz sowie von Anforderungen, die ja nicht leicht, son­dern besonders schwierig sind. Deshalb, weil der Staat viele Leistungen, die er von der ÖBB will, bezahlt, wird die Aufgabe für den Manager auch nicht leichter. Von einer Po­lemik wie: Die brauchen sowieso den Staat zur Bezahlung vieler Leistungen, wozu ver­dient dann der Manager noch etwas?, halte ich gar nichts, weil sich ja die Anforderung an den Manager nicht danach richtet, welche Anforderungen wir haben, sondern dies sogar in vielen Bereichen die Leistung eines Managers erschwert.

Ich bin davon überzeugt, wenn Sie die Gehälter sowohl innerhalb der ÖIAG als auch die Gehälter von anderen Länderbetrieben, die im Eigentum oder im Teileigentum von Bundesländern sind, aber auch die Gehälter von privaten Betrieben vergleichbarer Größe veröffentlichen und nebeneinander stellen, dann werden Sie für keines dieser Gehälter eine ungeteilte Zustimmung in der Bevölkerung finden. Daher schließe ich mich dieser Diskussion nicht an: Schau dir die Abfertigung an!, oder: Schau dir diese hohen Gehälter an!, und ich trage nicht meines dazu bei, sondern ich versuche spar­sam zu sein. Daher ist auch das Gehalt beim Neuvertrag um 20 Prozent geringer, aber es ist deshalb auch nicht unbestritten. Und ich bin davon überzeugt, wenn man eine Volksbefragung zum Thema Gehälter machen würde, bin ich mir auch nicht ganz so sicher, wie viel Sie und ich verdienen würden.

Daher glaube ich ... (Bundesrätin Mühlwerth: ... wir müssen zahlen!) Sie müssen zah­len dafür, dass Sie da sind? (Bundesrätin Mühlwerth: Wir müssen zahlen, ja!) Wir müssen dann zahlen, ja. (Bundesrat Gruber: Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein! – Weitere Zwischenrufe.) Daher appelliere ich nicht, dass wir weniger verdienen, son­dern bitte darum, dass wir uns nicht zu sehr an der öffentlichen Diskussion beteiligen, an diesem Fingerzeig: Schau dir doch den an!, und nicht diese Abfertigungen selbst noch besonders in Diskussion bringen, weil wir glauben, damit ein bisschen politisches Kleingeld gewinnen zu können. Vielmehr ersuche ich Sie um das, was Sie von mir wahrscheinlich auch erwartet haben: um eine sachliche Diskussion zu diesem Thema!

Ich möchte dann vielleicht noch ein paar politische Schlussbemerkungen machen, aber Ihnen nun die Ihnen völlig zustehende korrekte Antwort auf Ihre sehr korrekten und richtig eingebrachten Fragen darbringen. Zuerst komme ich zu dem von mir schon be­gonnenen Teil, welche Daten ich Ihnen gar nicht vermitteln darf, ohne dass ich des­halb in der Diskussion eine Gesamttendenz in der öffentlichen Berichterstattung be­streite, aber diese Daten darf ich Ihnen eben wegen rechtlicher Bestimmungen gar nicht nennen.

Zu Ihrer Frage 1, aus welchen Titeln sich welche Beträge wie zusammensetzen:

Die ÖBB Holding ist eine Aktiengesellschaft. Als Eigentümervertreter ist es meine Auf­gabe, in der Hauptversammlung gemäß § 87 Aktiengesetz die Kapitalvertreter des Auf­sichtsrates zu bestellen. Der Aufsichtsrat wiederum hat gemäß § 75 Aktiengesetz die


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Vorstandsmitglieder zu bestellen und deren Bestellung zu widerrufen. Entsprechend der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat der ÖBB Holding AG obliegt dem Präsiden­ten, also dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates, und seinen Stellvertretern Regelungen der Beziehungen zwischen der Gesellschaft und den Mitgliedern des Vorstandes, ins­besondere Abschluss, Änderung und Auflösung der Dienstverträge, mit den Vorstands­mitgliedern zu treffen.

Das werde ich auch später als Anfragebeantwortung dort einsetzen, wo es einzusetzen ist, nämlich: Wieso hat das Präsidium des Aufsichtsrates entschieden?

Die Aufsichtsratsmitglieder und damit auch das Präsidium sind gemäß § 99 Aktienge­setz entsprechend ihrer organschaftlichen Treuepflicht zur Verschwiegenheit verpflich­tet. Da der Abschluss von Vorstandsverträgen nicht in meine Ingerenz fällt, ist mir die Beantwortung Ihrer Frage, so gestellt, nicht möglich und außerdem von der rechtlichen Verschwiegenheitspflicht umfasst. Außerdem wurde ich darüber informiert, dass die Auflösungsvorschläge zusätzlich eine Verschwiegenheitsklausel beinhalten. Auch dar­auf hat jemand Anrecht, der als Privatperson davon betroffen ist, sodass ich auch ge­gen zivilrechtliche Verpflichtungen verstoßen würde.

Darüber hinaus darf ich Sie auf die Ausführungen des Rechnungshofes in seinem Be­richt über die durchschnittlichen Einkommen und zusätzlichen Leistungen für Pensio­nen der öffentlichen Wirtschaft des Bundes 2005/2006, Seite 3, verweisen, in denen er auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2003 verweist und aus der Begründung des VfGH wie folgt zitiert:

Die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie stehen daher der Anwendung jener Bestimmungen nach § 8 Bezügebegrenzungsgesetz – ein Bun­desverfassungsgesetz – entgegen, die eine namentliche Offenlegung der Bezüge und der Beschaffung von Daten zu diesem Zweck ermöglichen.

Ich ersuche Sie daher um Verständnis dafür, dass ich gegen diese gesetzlichen Be­stimmungen und vertraglichen Verpflichtungen nicht verstoßen kann und werde.

Sie haben dann eine Reihe von Fragen, nämlich die Fragen 2, 3, 4 und 5, gestellt, ob es mir quasi leid tut, dass wir so viel zahlen, und in welchem Zusammenhang das steht.

Zu diesen Fragen 2 bis 5 gestehe ich Ihnen völlig zu, dass jeder Cent, der bezahlt wer­den muss – auch der, der sich aus dem Vertrag ergibt –, schmerzlich ist. Das Präsi­dium, bestehend aus dem erfahrenen ehemaligen Generaldirektor Horst Pöchhacker, einem sehr erfolgreichen Unternehmer, Herrn Rauch, einem erfahrenen Wirtschaftsan­walt, Herrn Saxinger, und dem allgemein geachteten Generalsekretär, einem unabhän­gigen Mann des Ministeriums in meinem Bereich, den Sie auch kennen, hat diese Ent­scheidung gründlich geprüft, hat mehrere Gutachten eingeholt und ist auf Basis dieser Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass keine aktienrechtlichen Verfehlungen, die zu einer kostengünstigeren Entscheidung hätten führen können, vorliegen. Es wird ja in der öffentlichen Diskussion oft auch der Vertrauensentzug als Beispiel dafür gebracht, der ebenso mit Kosten verbunden ist.

Nach Abwägung der Vor- und Nachteile hat das Präsidium eine Entscheidung ge­troffen, von der es überzeugt ist, dass sie im Sinne des Unternehmens, der rund 43 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und der Bahnkunden die beste ist. Ich stehe zu den von mir bestellten Aufsichtsräten.

Zur Frage des Schillerplatzes 4 darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass es sich um ein Objekt handelt, das nicht der ÖBB, sondern der Telekom Austria gehört.


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Zu den Fragen 6, 7 und 8, die sich mit Zahlungen an Herrn Söllinger, mit den Bahn­kunden und so weiter beschäftigen. Da werde ich sehr konkret gefragt, ob es diesbe­züglich Auflösungsvereinbarungen gibt. Soweit ich informiert bin, gibt es diese darüber hinaus nicht. – Dies als Antwort auf die Fragen 6 bis 8.

Zur Frage 9: „Wie viel Geld wurde seit Ihrem Amtsantritt insgesamt ausgegeben, um ÖBB-Managerinnen und ‑Managern den Abgang zu versüßen?“.

Es wird prinzipiell kein Geld ausgegeben, um Managern etwas zu versüßen. Die An­sprüche begründen sich aus den befristeten Verträgen, die unter meinem Vorgänger abgeschlossen wurden. Ich und jeder andere in diesem Land muss sich an geschlos­sene Verträge halten. Ich stehe nicht an, noch einmal zu sagen, dass auch ich in der Situation bin, dass ich Verträge abzuschließen habe, die dann ebenfalls sowohl für mich als auch für mögliche Nachfolger natürlich eine Verpflichtung darstellen.

Zur Frage 10: „Wie erklären Sie, dass ÖBB-Immobilien-GmbH-Gf. Steinacker zu einem Unternehmen wechselt ...?“, und so weiter, Sie kennen ja Ihre Frage selbst.

Meine Antwort: Es ist auch bei Managern nicht unüblich, dass sie einen Jobwechsel vornehmen, wenn sie ein Angebot erhalten, das ihnen attraktiv erscheint. Zu den per­sönlichen Beweggründen von Frau Mag. Steinacker kann ich Ihnen mangels Informa­tion keine Auskunft geben.

Zur Frage 11:

Was die Zusatzeinkommen betrifft, möchte ich noch einmal auf die Antwort zur Frage 1 verweisen, wie ich schon angekündigt habe.

Zur Frage 12: „Haben sich Aufsichtsratschef Pöchhacker und sein Stellvertreter Edu­ard Saxinger vor Aushandlung der Konditionen für den“, wie Sie es nennen, „‚Golden Handshake‘ für ÖBB-Chef Martin Huber mit Ihnen beziehungsweise Ihren Vertretern im Aufsichtsrat abgestimmt?“

Ich gehe davon aus, dass sich der Vorsitzende und sein Stellvertreter Saxinger mit den anderen Mitgliedern des Präsidiums, in dessen Aufgabenbereich unter anderem die Lösung von Vorstandsverträgen fällt, abgestimmt haben, da dies die Voraussetzung für den gemeinsamen Beschluss ist. Es wurden aber Veranlassungen getroffen, dass künftig keine derartigen Spekulationsgeschäfte geschlossen werden können.

Zur Frage 13, wieder zu der Entscheidung:

Meine Antwort: Wie schon ausgeführt, hat das Präsidium seine Entscheidung nach intensiver Prüfung getroffen, insbesondere mit dem Ziel, wieder Ruhe ins Unternehmen zu bringen und die negativen öffentlichen Personaldiskussionen zu beenden.

Zur Frage 14: „Wie erklären Sie das dem durchschnittlichen ÖBB-Fahrgast ...?“, fragen Sie da, und sozusagen: Was tun Sie für das Streckennetz?

Da habe ich mir erlaubt, obwohl ich weiß, dass das nicht im Vordergrund Ihrer Frage gestanden ist, ganz kurz aufzulisten, welche Investitionen – Basisinvestitionen, Be­standsnetzsanierungen, Investitionen in die Tunnelsicherheit – wir durchgeführt haben. Dabei geht es um Beträge im Jahr 2006 von 391 Millionen € und 2008 von 522 Millio­nen € in der Bestandssanierung oder in der Sanierung von Langsamfahrstellen.

Daher ist der Hinweis, dass dann dort das Geld fehlt, nicht richtig, weil wir diese Be­träge nachweislich sowohl im Jahr 2007 als auch 2008 deutlich erhöht haben. Auch die Neubauprojekte im Zuge der Bahnhofsoffensive, die angeführten Bahnhöfe sowie alle anderen Projekte im Rahmenplan kennen Sie, da erspare ich es uns beiden, Ihnen das noch einmal vorzulesen. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen, wenn Sie wirklich auch etwas in diesem Themenbereich interessiert, dies jederzeit nachzureichen.


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Sie fragen dann in der Frage 15 ebenfalls nach der Erklärung gegenüber der Öffent­lichkeit und nach der Bilanz.

Nach meiner derzeitigen Information – eine Bilanz 2007 liegt mir noch nicht vor – ist die Restrukturierungsrücklage auf Grund der Bilanzierungsregeln nach UGB und IFRS entsprechend den Beratungen mit den Wirtschaftsprüfern zu reduzieren, da der Grund für diese Rücklage im früheren Ausmaß nicht mehr gegeben ist.

Zur Frage 16:

Im Zusammenhang mit dieser Diskussion und der weiteren Vorgangsweise fällt, wie schon erwähnt, die Auflösung von Vorstandsverträgen entsprechend der Geschäftsord­nung des Aufsichtsrates in die Kompetenz des Aufsichtsratspräsidiums.

Sie fragen dann in Frage 18: „Haben Sie beziehungsweise hat sich Ihr Vertreter im Aufsichtsrat mit dieser Vorgangsweise einverstanden erklärt?“

Da die Geschäftsordnung für alle Aufsichtsratsmitglieder gilt, ist eine weitere Einver­ständniserklärung, von wem auch immer, nicht vorgesehen.

Zur Frage 19, in der Sie über Übersee-Aufenthalte im Zusammenhang mit ehemaligen Managern und Konsulenten sprechen:

Da habe ich korrekt zu antworten, und das ist auch so: Ich habe keine Information dar­über, ob sich eine ehemalige ÖBB-Managerin oder ein ehemaliger ÖBB-Manager auf einem Übersee-Aufenthalt befindet. Es ist auch nicht vereinbart, dass diese Personen für mich tätig sind. Hinsichtlich des Aufsichtsratspräsidenten gehe ich davon aus, dass er die vereinbarten Beratungsleistungen in Anspruch nimmt.

Zur Frage 20: „Wie erklären Sie, dass trotz der gravierenden Vorwürfe keine Hauptver­sammlung stattfinden durfte, bei der die involvierten Manager hätten abberufen werden können?“

Da kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie zu dem Schluss kommen, dass keine Haupt­versammlung stattfinden durfte. Ein Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung wurde nicht an mich herangetragen. Außerdem findet die ordentliche HV wie geplant statt.

Zur Frage 21: „Wann werden Sie ... beginnen, Bahnpolitik statt parteipolitische Perso­nalpolitik bei den ÖBB zu machen?“

Auch hier möchte ich auf den Ausbau der Bahn und des Busses verweisen, auf die Rekordinvestitionen – heute durfte ich in der Fragestunde ausführlich zur Weststrecke und zur Südstrecke Stellung nehmen –, auf die vielen Bereiche im Betrieb der Bahn, in die investiert wird, die der Kunde direkt bemerkt und spürt, die die Bahn zu einem Vor­zeigeprojekt in Europa machen sollen, die an die Attraktivität der Schweizer anschlie­ßen sollen. Ich verweise auf die 2 Milliarden €, die wir bis 2020 investieren werden, aber auch auf die vielen motivierten Mitarbeiter und die engagierten Konzepte.

Die mehr als 42 000 Beschäftigten werden dazu beitragen, dass die Bahn auch in Zu­kunft eine ÖBB sein wird, auf die die Österreicher stolz sein können! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein, in der bekannt­lich die Redezeit eines jeden Bundesrates beziehungsweise einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

 


Als Erster erteile ich Frau Bundesrätin Mühlwerth das Wort. – Bitte.


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16.40.42

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Ja, sehr wortreich die Antwort, aber über weite Bereiche nicht sehr aussagekräftig.

Was die politische Verantwortung betrifft, Herr Minister, von der Sie heute gesprochen haben, finde ich trotzdem, dass Sie es sich ein bisschen einfach machen. Niemand will jemanden schuldig sprechen, aber zu sagen, ob einer Privathäuser gekauft hat oder nicht und ob das jetzt rechtens war oder nicht, sei eine Frage des Staatsanwaltes – na, selbstverständlich, das wissen wir natürlich auch. Aber es gibt wirklich sehr unschöne Optiken, wo man sich als verantwortlicher Minister nicht einfach davonstehlen kann. Wir hatten übrigens dieselbe Debatte mit Minister Platter vor zwei Monaten, der auch gesagt hat, wenn es etwas gibt, das strafrechtlich relevant ist, ist der Staatsanwalt zu befassen beziehungsweise haben die Gerichte darüber zu entscheiden. Und Ähnliches höre ich heute von Ihnen auch. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Wenn sich solche Optiken auftun – und wir als Opposition haben auch die Pflicht nach­zufragen; es ist nicht nur unser Recht, sondern auch unsere Pflicht; wozu gibt es sonst eine Opposition? –, heißt das noch nicht, dass wir jemanden schuldig sprechen wollen. Wir gehen einfach davon aus, dass wir einmal hinterfragen. Und das ist ja durchaus rechtens.

Der Rechnungshof hat einige dieser Vorgänge sehr wohl kritisiert, zum Beispiel die Fi­nanzgeschäfte, wo immerhin fast 613 Millionen € in Kredite investiert worden sind, wo man einen Deal mit der Deutschen Bank gemacht hat und jetzt kolportiert wird, dass 230 Millionen € davon zurückgestellt werden mussten.

Im Österreichischen Rundfunk war ein Bericht, dass die riskanten Spekulationsge­schäfte ohne Vorstandsbeschluss abgeschlossen worden seien und die Aufsichtsräte erst Monate später zum ersten Mal von diesem Deal gehört haben sollen. – Das ist schon eine schlimme Sache an sich. Weiters hieß es, dass Deals oder riskante Ge­schäfte gemacht wurden, von denen niemand etwas gewusst hat. Das hören wir heute auch nicht zum ersten Mal, genau das Gleiche war bei der BAWAG, wenn auch in einem wesentlich größeren Rahmen.

Dass Sie konservativ veranlagen wollen, freut mich, ich hoffe, Sie tun es auch, denn es ist immer besser, man tut es, als man redet nur darüber.

Auch an den Geschäften, die von der Gattin des ÖBB-Chefs getätigt wurden, übt der Rechnungshof in seinem Rohbericht heftigste Kritik. Sie können nicht sagen: Na ja, das ist die Telekom Austria, eigentlich hat das mit den ÖBB überhaupt nichts zu tun!, es ist nämlich vielmehr so, dass der Spitzenmanager Fischer, der in der Telekom Austria arbeitet, sehr wohl auch mit den ÖBB zu tun hat.

Die APA schreibt: Gemeinsam mit dem Wirtschaftstreuhänder Josef Ischepp hatte die Ehegattin von ÖBB-Generaldirektor Huber von der Telekom Austria um 5,8 Millionen diese Immobilie am Schillerplatz gekauft, die sie dann um 11 bis 12 Millionen an die Immobilienfirma Seeste weiterverkauft hat. Die Seeste ist einer der größten Geschäfts­partner der ÖBB – na so was! – am künftigen Hauptbahnhof-Gelände beim heutigen Südbahnhof. – Zitatende.

Sie können sich jetzt also nicht herauswinden und sagen, dass das mit ihnen über­haupt nichts zu tun hat, weil das Haus ja eigentlich der Telekom gehört hat.

Nebenbei ist noch bekannt geworden, dass Ischepp einen 75-prozentigen Anteil treu­händisch für Huber selbst verwaltet haben soll. – Da sind wir wieder mittendrin in den ÖBB und sind auch mittendrin in der Spitze der ÖBB. Das sind Dinge, die man der Be­völkerung wirklich nur sehr schwer erklären kann.


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Auch das, was Sie zu den Gehältern gesagt haben – der Rechnungshofbericht kritisiert das Gehalt der Frau Steinacker in ganz besonderem Maße.

Der Rechnungshof sagt, dass Frau Steinacker mit dem Geld, das sie bekommt, gut versorgt ist. Das waren im Jahr 2006 immerhin 230 000 € Fixum, was schon eine schö­ne Summe ist. 10 Prozent ihres Bruttoeinkommens werden zusätzlich in eine Pensi­onskasse einbezahlt, den Dienstwagen darf Frau Steinacker auch privat nutzen – gut, das gibt es bei vielen Firmen, das weiß ich –, und sie erhält bis zu 50 Prozent Er­folgsbonus im Jahr. Diesen erreichte sie 2006 praktisch zur Gänze. Zusätzlich wurden ihr nochmals 20 Prozent Sonderbonus für über die vereinbarten Ziele hinausgehende Leistungen zugestanden.

Weiters sagt der Rechnungshof, dass Frau Steinacker damit nicht nur erheblich über dem Gehalt des Bundeskanzlers gelegen ist – was uns nicht unbedingt zu Tränen rüh­ren muss –, sondern auch deutlich über den durchschnittlichen 338 500 € für die Vor­stände in der ÖBB Bau AG, die praktisch ihre Chefs sind. Und da geht es schon auch um Verhältnismäßigkeiten.

Ich bin die Letzte, die sagt, jemand, der Verantwortung trägt, soll möglichst wenig ver­dienen. Ich gönne wirklich jedem alles, mich frisst der Neid ganz sicher nicht auf, aber wenn die Gehälter der Vorstände um 80 Prozent erhöht werden und jene der Bediens­teten der ÖBB um maximal 12 Prozent – wobei viele in den privaten Unternehmen sind, die nur davon träumen können –, dann ist das ein krasses Missverhältnis. Sie be­kommen natürlich auch Geld vom Staat, es ist nicht so, dass sie das alles selbst erwirt­schaften, und außerdem haben sie einen Schuldenstand von 12 Milliarden €.

Das, was an dieser Sache so empörend ist und wofür der „normale Österreicher“, der Zeitungsleser, derjenige, der sich informiert, der Steuerzahler und auch der Wähler, überhaupt kein Verständnis hat, ist diese ständige Verquickung von Politik und Posten in staatsnahen Unternehmungen. Ich blase nicht in das Horn, dass ich sage, daher müssen wir jetzt die ÖBB privatisieren, sondern ich stehe eher auf dem Standpunkt, dass es Staatsunternehmen geben muss – und die Bahn gehört für mich dazu; denn sie ist, wie die Polizei auch, staatstragend und hat auch einen gewissen Lenkungsef­fekt –, die auch in staatlicher Hand bleiben sollen. Aber es hat sich durch die Jahre und Jahrzehnte hindurch, von der Voest begonnen, immer wieder gezeigt, dass sie deshalb schlecht geführt werden, weil immer die Politik mit hineinspielt und es nicht darum geht, dass die Besten genommen werden, sondern – jetzt passiert es ja auch wieder – es wird schon geschaut, dass es proporzmäßig aufgeteilt ist, dass ein SPÖler und dann ein ÖVPler auch wieder zum Zug kommen müssen, denn die könnte man ja noch irgendwann brauchen.

Das ist ja nicht parteifrei, das oberste Prinzip sind nicht die Leistung und das, was je­mand kann, sondern es ist immer in erster Linie das Parteibuch. Wobei ich nicht be­haupten möchte, dass jemand, der ein Parteibuch hat, deswegen nichts kann. Nur kann es nicht so sein, dass der erste Punkt das Parteibuch ist, und dann schaut man erst, was er kann. Und aus dieser Verquickung, Herr Minister, müssen Sie herauskom­men. Nach dem, was Sie heute schon gesagt haben, könnte man es Ihnen ja durchaus zutrauen.

Wir werden genau beobachten, ob Sie das auch machen. Die Bahn hat bei sich selbst genug zu tun. Ich bin Bahnfahrerin, weil ich überhaupt keine Autofahrerin bin, und ich sage Ihnen, es ist schon oft so, dass ich denke, jetzt habe ich Glück gehabt, jetzt bin ich in einem wirklich schönen Zug gefahren. Wir haben nämlich sehr viele Züge, die uns wirklich nicht zur Ehre gereichen – um es jetzt milde auszudrücken. Das beginnt bei den Abteilen, geht über die Toiletten bis zu den Sanitäranlagen insgesamt, vor al­lem wenn es Schlafwagen oder Liegewagen sind. Da ist wirklich genug zu tun. Es ist


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auch an der Pünktlichkeit zu arbeiten, die schon einmal besser war, muss ich sagen, nachdem ich langjährige Bahnfahrerin bin. Aber das, was nicht geht, ist, der Bevölke­rung zu erklären, dass wir jetzt Manager wegschicken. Huber selbst sagt, er wäre eigentlich noch gerne geblieben – das hat er vor einem Monat gesagt – und er ver­stehe nicht, warum er jetzt so angegriffen wird und warum man ihn quasi aus seinem Amt hinausdrängt.

Wir können und wir dürfen das auch nicht erklären müssen, dass wir diese Manager heimschicken. Huber bekommt noch sechs Monate lang sein Gehalt bezahlt, dazu be­kommt er noch einen Bonus, dann bekommt er noch die Abschlagszahlung für die vor­zeitige Kündigung des Vertrags – und der Bahnfahrer fragt: Was habe ich davon, außer dass ich jetzt mitzahlen darf?

Das geht nicht, das ist eine wirklich ungeheuerliche Sache, mit der einmal gründlich aufgeräumt werden muss. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

16.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Winterauer. – Bitte.

 


16.50.43

Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Begrün­dung dieser Dringlichen Anfrage liest, dann stößt es einem tatsächlich sauer auf. Wenn man aber jetzt die Beantwortung von Bundesminister Faymann gehört hat, die in der Sache sehr ausführlich, korrekt und beeindruckend war, dann stellt sich diese Dring­liche Anfrage doch in einem anderen Licht dar. Ich möchte jetzt zur politischen Dimen­sion kommen – und da stößt es mir jetzt richtig sauer auf.

Die Grünen – das ist das Recht jeder Oppositionspartei – stellen eine Dringliche Anfra­ge, und die Vertreter der Freiheitlichen Partei, namentlich Kollegin Mühlwerth und Kol­lege Herbert, unterstützen das mit einer Dreistigkeit, die tatsächlich empörend ist, denn das, was jetzt bei den ÖBB passiert, ist eine Altlastensanierung – eine Altlastensa­nierung dessen, was die Vorgängerregierung gemacht hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht nur!)

Zu Ihrer Gedächtnisauffrischung: Ihre Infrastrukturministerin Forstinger – da ich sie per­sönlich kenne, möchte ich über ihre Qualifikation nichts sagen (Heiterkeit des Bundes­rates Mag. Himmer – Bundesrätin Kerschbaum: Der war tief!) – hat den international anerkannten Fachmann und Manager Draxler aus parteipolitischen Gründen in die Wüste geschickt, und er wurde bekanntlich durch Rüdiger vorm Walde ersetzt, der nach Auffassung Ihrer Partei auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei war.

Die nächste Verantwortung, nämlich die Zerschlagung der ÖBB, die jetzt im Rech­nungshof-Rohbericht kritisiert wurde, trägt Vizekanzler Gorbach – er hat gesagt: Vor­arlberg is too small for me! –, aber auch Staatssekretär Kukacka (der Redner spricht das Č nicht aus – Rufe bei der ÖVP: Kukacka!) – ich habe immer geglaubt, er heißt Kukacka (der Redner spricht wieder das Č nicht aus), denn ich sage ja auch nicht Bäcker (der Redner spricht das C als Z aus), sondern Bäcker (der Redner spricht das Wort richtig aus); aber lassen wir das (Heiterkeit bei SPÖ und Grünen sowie Beifall bei der SPÖ) –, die diese Verträge, die Abfertigung und vor allem die falschen unterneh­menspolitischen Entscheidungen zu verantworten haben.

Minister Faymann hat nun die schwierige Aufgabe, die ÖBB zu gesunden Strukturen zu führen, auf Schiene zu bringen, damit sie endlich wettbewerbsfähig werden. Am Vormittag haben wir gehört, wie im Eilzugstempo Investitionen – zum Teil längst über­fällige – vorgenommen werden.


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Kollege Schennach, du hast von Kollateralschäden gesprochen, die entstehen können, und hast selbst in der Begründung angeführt, dass, wenn es zu Klagen kommt – und in einem Fall ist es zur Klage gekommen, wo dann beim richterlichen Vergleich sozusa­gen wieder Zahlungen vorgenommen werden mussten –, der eingeschlagene Weg mit Sicherheit der bessere ist, um die ÖBB vor weiterem Schaden zu bewahren und sie endlich auf Schiene zu bringen.

Minister Faymann hat gesagt, er will Ruhe in die ÖBB bringen, um den Zug wieder auf richtige Geleise zu stellen. Ich stelle jetzt salopp fest: FPÖ-Minister bauen einen Murks, der FPÖ-Rechnungshofpräsident kritisiert diesen Murks durchaus zu Recht, und dem Nachfolger schiebt man, weil er zufällig von der SPÖ kommt, die Schuld in die Schuhe. Ich halte diese Vorgangsweise für nicht sehr korrekt; das stört mich ein bisschen bei den Grünen, die sonst für Fairness und Korrektheit eintreten. (Bundesrat Schennach: Wir wollten Auskunft!) Ich würde mir da mehr Objektivität und mehr Korrektheit von euch erwarten und keine Dreistigkeit à la FPÖ. (Beifall bei der SPÖ.)

16.55


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster kommt Herr Bundesrat Mag. Himmer zu Wort. – Bitte.

 


16.55.50

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Es ist ja schon einiges hier gesagt worden, dass wir in einer Republik, in einem Rechtsstaat leben. Der Herr Bundesminister hat das ja ausge­führt. Ich finde das auch wirklich trefflich. Es ist sehr interessant, mit welcher Ruhe und mit welcher Sachlichkeit der Herr Bundesminister das ausgeführt hat, wie das in einem Rechtsstaat ist. Da merkt man schon den Unterschied, wenn wir über ein Ressort diskutieren, das von der SPÖ geführt wird, und es ist schön, welche Bedeutung dann Rechtsstaatlichkeit wieder hat. Ich hoffe, dass das auch im Untersuchungsausschuss, der jetzt immer wieder hier in der Nähe stattfinden wird, mit der gleichen Sachlichkeit von Ihrer Fraktion betrachtet wird.

Was den Datenschutz betrifft, möchte ich mich dem Herrn Minister anschließen. Lieber Kollege Schennach, es sind nämlich nicht nur die Grünen, sondern du ganz speziell als Person hier schon am Rednerpult gestanden, und du hast rührende Reden auf den Datenschutz mit dieser bekannten bedeutungsschwangeren, langsamen Stimme ge­halten. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Es ist schon bemerkenswert, in welchen Details in einer anderen Situation dann hier Auskunft verlangt wird.

Ich habe es sehr fair gefunden, dass auch in der Beurteilung der sachlichen Geschäfts­führung des ÖBB-Vorstandes hier anerkennende Worte vonseiten des Ministers, aber auch vonseiten des Wiener Bürgermeisters gekommen sind, denn es ist ja richtigerwei­se ausgeführt worden, dass dieser Vorstand keine Erfindung des Bundesministers war, der jetzt die Verantwortung trägt. Und da habe ich es genauso interessant gefunden, dass man hier auch zum Befund gekommen ist zu dem Thema, wie man mit Immo­bilienentwicklung auch theoretisch Geld verdienen kann, dass das keine verbotene Sache ist. Insofern hört man bezüglich der Neustrukturierung der Österreichischen Bundesbahnen – bei aller unterschiedlicher Meinung, die man haben kann – hier auch von einem Sozialdemokraten, dass das offensichtlich nicht in Bausch und Bogen falsch gewesen ist.

Das heißt, wir kommen eigentlich zu dem Punkt festzustellen, dass es natürlich sinnvoll wäre, wenn wir uns alle ein wenig zurücknehmen würden, was die Einmischung in Un­ternehmensführungen betrifft, und dass es wirklich die Aufgabe der Politik wäre, hier im Wesentlichen die Rahmenbedingungen und natürlich auch die Richtlinien vorzugeben, wohin man mit einem solch wesentlichen Unternehmen wie den Österreichischen Bun-


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desbahnen möchte. Aber es wird uns immer wieder in Probleme führen, wenn wir in dem kleinlichen parteipolitischen Hickhack drinnen sind – völlig unabhängig davon, wer gerade welche Umfärbung vornimmt.

Ich finde ja auch diese Debatte um die Umfärbungen immer sehr interessant. Sie wis­sen, ich sage das fast immer, denn wenn man eine Umfärbung anprangert, gibt man ja eigentlich die Einfärbung, die vorher stattgefunden hat, damit bereits zu. Insofern ist das auch immer eine ganz interessante Debatte.

Ich schließe mich da all jenen an, die sagen, dass ein Parteibuch grundsätzlich nichts ist, was jemanden disqualifiziert. Ich meine, dass man gerade in diesem Raum einen Konsens zu diesem Punkt bekommen können sollte, denn ich denke, dass hier einige anwesend sind, die ein Parteibuch haben, wenngleich wir nicht alle das gleiche haben, aber generell neigen wir hier ja eher dazu, Bekennende zu sein. (Bundesrat Boden: Manche haben sogar drei!) Und gerade aus dem Grund sollten wir nicht die Hauptver­treter der Meinung sein, dass, sobald man ein Parteibuch hat oder vielleicht sogar noch ein Bekenntnis, vom IQ gleich 50 Punkte abgezogen werden müssen. Das muss tat­sächlich nicht der Fall sein. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich möchte damit gar nicht sagen, dass das in Einzelfällen nicht auch wirklich gerecht­fertigt wäre (allgemeine Heiterkeit), aber ich möchte ein Plädoyer für jene halten, die es absolut ebenso gibt, für die das nicht gilt.

Und dann gibt es natürlich ein absolut treffliches Thema, über das man unendlich lang diskutieren kann, mit dem man aber auch herrlich Emotionen schüren kann, und das sind die Gagen. Das sind immer die längsten Debatten im Parlament. Ich kann mich er­innern, welche Debatten wir bei den Politikerbezügen gehabt haben. Und wenn man den Informationsflüssen zwischen den einzelnen Fraktionen glauben darf, dann ist es auch bei jeder Klubdiskussion ein ganz tolles Thema, wenn es um die Gagen geht.

Wenn es dann um die Frage geht, was eine gerechte Gage ist, wird es überhaupt hoch philosophisch. Tatsache ist, dass man, wenn man Unternehmen der Größe der Öster­reichischen Bundesbahnen oder der entsprechenden Tochtergesellschaften nach be­stimmten Parametern wie Umsatz, Mitarbeiterzahl et cetera anschaut und vergleichs­weise kompetitiv Ausschreibungen stattfinden lässt, in Einkommensdimensionen kommt, die diese politisch interessante Bundeskanzlereinkommens-Mauer durchbre­chen. Das ist schon klar. Gerade bei solchen Unternehmen wäre es aber der Fall, dass sich Manager, wenn sie das Richtige für das Unternehmen tun, vielfach rechnen. Und umgekehrt: Wenn man der Auffassung ist, dass sie das Falsche getan haben, ist es natürlich besonders schmerzvoll, dann auch noch zu betrachten, was jemand für das, was man als falsch wahrnimmt, für eine Fehlleistung auch noch an Geld bekommt.

Ich möchte wirklich davor warnen, da dann zu einer Polemik überzugehen und das an den Minister oder generell an die Politik zu adressieren, weil Personen aus Verträgen etwas bezahlt bekommen, was einfach Rechtsbestand ist und, wie das der Herr Minis­ter ausgeführt hat, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses stattgefunden hat.

Kollege Schennach! Sie wissen das ganz genau. Sollten Sie jemals in die Verlegenheit kommen, ein Regierungsmitglied zu sein und Verantwortung zu tragen, werden Sie si­cherlich auch perfekt diese richtige Argumentation der Rechtsstaatlichkeit vertreten können, also die B-Seite der Platte auflegen.

Daher denke ich, dass es ganz wesentlich ist, dass wir alle mehr Seriosität in die De­batte einbringen, weil die österreichische Wirtschaft viel zu wichtig ist, weil die Österrei­chischen Bundesbahnen als Unternehmen viel zu wichtig sind für die gesamte Infra­struktur unseres Landes, als dass sie sozusagen immer nur Gegenstand von relativ unangenehmem parteipolitischem Hickhack sein sollten.


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Ich wünsche mir auch sehr, dass man jetzt, wo die SPÖ den Infrastrukturminister stellt und die Österreichischen Bundesbahnen in einer Situation sind, wo die Farbe zwischen Unternehmensführung und Gewerkschaft nicht mehr völlig auseinander driftet, viel­leicht doch zu dem Punkt kommt, dass es nicht nur um Parteipolitik bei den Österrei­chischen Bundesbahnen geht, sondern darum, dass man ein Unternehmen gut führt. Dann werden wir alle gemeinsam mehr Spaß mit den Österreichischen Bundesbahnen haben, egal ob wir dort arbeiten oder ob wir damit fahren. (Beifall bei der ÖVP.)

17.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort. – Bitte.

 


17.05.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Lieber Herr Kollege Himmer, es freut mich, dass es dir Spaß macht, mit den ÖBB zu fahren. (Bundesrat Mag. Himmer hat sich an die hinter ihm sitzenden Bundesräte gewandt.) – Er hört es nicht! Kannst du es ihm aufschreiben? (Bundesrat Mag. Himmer: Ich höre zu!)

Es freut mich, dass es dir Spaß macht, mit den ÖBB zu fahren. Ich hoffe, es wird dir noch länger Spaß machen. Ich weiß nicht, ob du Business Class fährst oder ob du nor­male Standardklasse fährst. Würdest du Standardklasse fahren, dann würdest du auch wissen, dass sich da in den letzten Jahren einiges an Reformbedarf angehäuft hat. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Zum Thema „Schuld in die Schuhe schieben“: Es ist uns allen hier bewusst, dass die­ser Herr Minister nicht der Herr Minister ist, unter dessen ... (Bundesrat Wiesenegg: Er ist nicht Gott, und er ist auch nicht Gorbach!) – Er ist nicht Gott, und er ist nicht Gorbach. Okay. Er ist nicht zuständig für die Einstellung dieser Personen, um die es hier geht. Ich denke, ihr habt da auch einiges missverstanden. Es geht hier nicht um Schuldzuweisung, sondern es geht um eine Dringliche Anfrage. Und eine Anfrage soll eben dazu führen, dass Fragen beantwortet werden.

Und da hake ich gleich ein: Ich würde Sie nämlich bitten, mir ein paar Fragen, die Sie vielleicht überhört oder überlesen haben, von denen mir jedenfalls nicht logisch erklärbar ist, warum Sie sie ausgelassen haben, jetzt doch noch zu beantworten.

Das wäre die Frage 9. – Datenschutz? – Bei einer Gesamtsumme gibt es meines Wis­sens keinen Datenschutz. Also: „Wie viel Geld wurde seit Ihrem Amtsantritt insgesamt ausgegeben, um ÖBB-Managerinnen und -Managern den Abgang zu versüßen?“ Sie können jetzt sagen, der Ausdruck „Versüßen“ gefällt Ihnen nicht; Sie haben dazu die Geschichte mit dem Honig erzählt, aber die Summe wäre interessanter gewesen.

Dann die Frage 11: „Wie viel Zusatzeinkommen konnte sich die Spitze der ÖBB-Dienstleistungsgesellschaft aus sogenannten ,Kopfgeldern’ für den Abbau von Perso­nal verschaffen?“ – Das ist auch eine Gesamtsumme und hat meines Wissens nichts mit Datenschutz zu tun.

Mich würde auch noch interessieren: Sie haben gesagt, derartige Spekulationsge­schäfte sind künftig nicht mehr möglich. Woraus könnten wir das schließen? Oder: Wie haben Sie das jetzt so schnell erreicht?

Bezüglich Langsamfahrstellen: Sie haben nur zwischendurch einmal bemerkt, dass es, seit Sie im Amt sind, viel mehr Geld für die Beseitigung der Langsamfahrstellen gibt. Allerdings diese insgesamt mehr geworden. (Bundesrat Stadler: Da sieht man die Kompetenz!) Da würde ich Sie bitten, dazu vielleicht noch kurz etwas zu sagen, wie diese Langsamfahrstellen mit viel Geld mehr werden können. Da stimmt etwas nicht ganz.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 135

Zur letzten Frage, der so politischen Frage: Sie haben sehr viel von der Weststrecke und von der Südstrecke erzählt, das stimmt. Sie haben vorige Woche – da war die Kli­maschutzkonferenz – sehr viel vom Nahverkehr erzählt. Ich bin eine Bewohnerin des Umlandes von Wien, und ich kenne zum Beispiel den Schnellbahn-Nahverkehr sehr gut. Dass da nicht besonders viel investiert wird und dass da noch eine ganze Menge fehlt, ist offensichtlich.

Vielleicht können Sie mir einmal sagen, wie Sie sich das genauer vorstellen, um diesen vielgepriesenen Nahverkehr zu verbessern, den Sie als Mittel gegen den Klimawandel plötzlich so massiv propagieren.

Es sind dann noch zwei Fragen offen, die Kollege Schennach gestellt hat, und zwar bezüglich der Aussage des Herrn Vizekanzlers eine möglichst rasche Privatisierung der ÖBB betreffend. Da hätte ich gerne eine Stellungnahme von Ihnen dazu gehört.

Die Frage Herrn Ita betreffend haben Sie offensichtlich auch überhört. – Das waren jetzt die offenen Fragen.

Dass hohe Gehälter sehr oft Neid erwecken, darüber brauchen wir nicht zu reden. Es ist auch jetzt nicht unbedingt Sache, dass prinzipiell Leistung nicht bezahlt werden sollte, das ist jetzt nicht die Sache, um die es geht.

Was ich nicht ganz verstehe, ist, dass Sie so herumdrücken. An und für sich war die SPÖ ja damals auch gegen diese Zerschlagung der ÖBB, gegen diese vielen neuen Vorstände und, und, und. Darum verstehe ich nicht ganz, warum Sie jetzt nicht deut­licher Stellung nehmen beziehungsweise auch wieder etwas rückgängig machen oder ändern. (Bundesrat Mag. Himmer: Weil es sich als sinnvoll herausgestellt hat!)

Im Einkommensbericht des Rechnungshofes über die öffentlichen Unternehmen – Sie haben ihn schon angesprochen – ging es um die Managementkosten bei den ÖBB, und dabei geht es darum, dass zwischen 1969 und 2006 die Anzahl der Vorstände um 90 Prozent und die Summe der Vorstandsgehälter um 190 Prozent gestiegen sind. Das ist viel.

Wenn Sie jetzt sagen, das ist alles nicht mehr so schlimm, denn künftig wird der neue Vorstandsvorsitzende um 20 Prozent weniger bekommen als der jetzige, dann ist das noch immer mehr als vor der Zerschlagung der ÖBB und noch immer sehr viel. – Mich würde interessieren: Haben Sie vor, hier irgendwann einmal strukturell auch etwas zu tun?

Dazu kommt, dass das Arbeitsklima bei den Österreichischen Bundesbahnen oder zu­mindest im Vorstand der Österreichischen Bundesbahnen in den letzten Jahren nicht mehr so besonders angenehm gewesen zu sein scheint; formulieren wir es einmal so. Es sind mehrere Managerinnen und mehrere Manager gegangen, gegangen worden und dann an anderer Stelle wieder als BeraterInnen und KonsulentInnen aufgetaucht. Darum noch einmal zu meiner Frage: Ich denke, es wäre an der Zeit, bei den ÖBB wirklich strukturelle Bereinigungen durchzuführen und nicht nur zu sagen, heute der und morgen der und übermorgen der Dritte, sondern sich einmal grundsätzlich etwas zu überlegen. Haben Sie das vor, und werden Sie das tun? Oder kann es wirklich so sein, dass Sie strukturelle Probleme bei den ÖBB noch immer nicht sehen? (Beifall bei den Grünen.)

17.12


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.12.30

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 136

Meine Damen und Herren! Die ÖBB kommen offensichtlich aus den Schlagzeilen nicht heraus. Leider nicht wegen ausgesprochen positiver Meldungen, sondern vielmehr, weil die Manager im negativen Sinn Schlagzeilen machen. War es vor wenigen Mona­ten Herr Ita, der aus dem Kabinett des Ministers unter großem medialen Interesse zu den ÖBB gewechselt ist, sorgen nun die Herren Huber und Söllinger für sehr fragwür­dige Schlagzeilen, wobei wohl weniger die Tatsache an und für sich, dass hier ein Ma­nagerwechsel stattfindet, für Interesse sorgt, sondern vielmehr der Umstand, dass es auch um nicht unwesentliche Summen geht, die als „Golden Handshakes“, Abschlag­zahlungen oder auch nur Abfertigungen kolportiert werden. Konkret soll es laut Me­dienberichten um den Betrag von 822 000 € gehen, einen Betrag, der nur Verwunde­rung hervorrufen kann.

Das wirft auch die Frage auf: Haben die ÖBB genug Geld – nämlich genug Geld für die wirklichen Herausforderungen – oder nicht? Oder anders gefragt: Herr Minister! Was sagen Sie den Fahrgästen, die wegen nicht eingehaltener Fahrpläne und schlechter Anbindungen zu Recht die ÖBB kritisieren? Was sagen Sie den gleichen Fahrgästen, die wegen Verspätungen beziehungsweise mangelndem Komfort, wenn man in man­chen Zugsgarnituren überhaupt von Komfort sprechen kann, berechtigte Kritik üben? Und was sagen Sie vor allem den vielen Gemeinden, die im Umland von großen Städten liegen und die oftmals sehr nachdringlich verbesserte Anbindungen an den öffentlichen Verkehr für ihre Gemeindebewohner, für die Pendler einfordern und denen immer wieder gesagt wird, dass die ÖBB dafür einfach zu wenig Geld haben? Offen­sichtlich ist genug Geld bei den ÖBB vorhanden. Es stellt sich nur die Frage für wen und wie man es wohl am besten ausgibt. Ich denke, hier sollten dringend neue Struk­turierungen Platz greifen.

Zum Abschluss ein kleiner Vergleich: Ein Fahrschein, ein Einzelfahrschein in der VOR-Zone, also im Verkehrsverbund Ost-Region, kostet 1,70 €. Da werden sich die ÖBB wohl anstrengen müssen, um diesen kolportierten Betrag von rund 800 000 € wett­machen zu können. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

17.15


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf. Wir kommen zur Ver­handlung über den Tagesordnungspunkt 6. – Entschuldigung! – Bitte, Herr Minister.

 


17.16.18

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Ich hoffe, es ist nicht unhöflich, wenn ich zum Schluss etwas sage. Im Nationalrat bin ich es gewohnt, dass sich dann sofort immer noch jemand meldet und sagt: Der Minister darf nicht das Schlusswort haben. Ich habe es auch nicht böse gemeint, ich habe nur nicht gewusst, ob es noch einen Redebeitrag gibt. Ich bitte um Vergebung! Ich wollte jedoch zu den offenen Fragen noch ein paar Bemerkungen machen, wenn ich das darf.

Erstens bedanke ich mich für die faire Diskussion bei einem Thema, das auch unfaire Diskussionen – die habe ich auch schon erlebt – möglich macht.

Zu den aufgeworfenen Fragen, soweit ich sie beantworten kann:

Die Frage: Wie wurde Managern der Abgang versüßt?, haben wir damit beantwortet, dass es ausschließlich die aus dem Vertrag resultierenden Beträge gibt, die im Falle eines Konsulentenvertrages aus der Bezahlung für diese Leistung oder aus der Abferti­gung beziehungsweise den Ansprüchen, die damit im Zusammenhang stehen und die


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 137

aus dem Vertrag resultieren, bestehen. Das betrifft aktuell eine Person, nämlich den Generaldirektor Huber, der praktisch mit sofortiger Wirkung ausscheidet, im Unter­schied zu jenen, die das Unternehmen verlassen werden und entweder in eine andere Funktion gehen, wie im September Herr Poschalko, wie am 1. November der Finanz­vorstand Söllinger, was keine Auszahlungen oder vergleichbare Regelungen notwen­dig macht.

Dass ich den Ausdruck „Versüßen“ nicht akzeptieren kann, verstehen Sie sicherlich, denn ich weiß wirklich, dass die Aufsichtsräte sehr gewissenhaft tätig sind, und ich darf das sagen. Ein Unternehmer, der dort tätig ist, oder ein anderer, der so lange General­direktor war, hat kein Verständnis dafür, dass man etwas ausbezahlt, was im Vertrag nicht drinnen steht. Daher habe ich mich ein bisschen gegen dieses „Versüßen“ ge­wehrt.

Zur Frage, die in der Diskussion immer wieder aufgetaucht ist: Was heißt das jetzt für die Fahrgäste? – Natürlich ist den Fahrgästen am liebsten, wenn möglichst wenig Ge­hälter bezahlt werden und möglichst viel direkt ins Service gesteckt wird, aber wir brau­chen mehr als 40 000 Beschäftigte, um den Bahnbetrieb aufrechtzuerhalten, und wir brauchen in der Führungsstruktur natürlich auch führende Mitarbeiter, deren Gehälter sich mehr oder weniger am Markt vergleichen lassen. Da bin ich ohnehin dafür, dass wir versuchen, zwar die Besten zu bekommen, aber ihnen nicht zu viel zu bezahlen. Ich weiß jedoch, dass das seine Grenzen hat, denn der Markt regelt den Preis. Wenn ich davon überzeugt bin, dass sich jemand, der etwa in einer Ausschreibung die Be­dingungen auch liest, dann deshalb nicht mehr bewirbt, weil er andere Angebote hat, die alle viel besser sind, dann wäre das auch nicht der richtige Weg.

Daher will ich die Reduktion beim Vorstandsvorsitzenden – das ist aber nur ein Teil un­serer Maßnahmen, das sind noch nicht alle Maßnahmen – im Gesamtgehalt um diese von mir genannten 20 Prozent im Vergleich zum jetzigen Generaldirektor nicht als Lizi­tation verstanden wissen, sondern das ist eben die Unterkante, wenn ich das so sagen darf, im Vergleich zu anderen Unternehmen dieser Aufgabenstellung, dieser Größen­ordnung.

Sie müssen sich ja vorstellen: Ich habe im Güter- und Cargo-Bereich zum Beispiel, wie ich meine, zwei hervorragende Leute gefunden, die dort im Vorstand tätig sind. Nicht ich persönlich habe sie gefunden, sondern unter meiner Verantwortung die Aufsichts­räte, die das ausgeschrieben und mit Engagement betrieben haben.

Es sind zwei hervorragende Leute, die aus der Privatwirtschaft kommen, die jetzt we­der mehr verdienen – eigentlich, wenn ich das so sagen darf, verdienen sie weniger –, die aber diese Aufgabe gerne machen.

Ihnen muss nur Folgendes klar sein: Wenn jemand bei den ÖBB tätig ist, muss er nicht nur die Arbeit erledigen, die jeder Manager in jedem Betrieb zu erledigen hat, sondern er ist zusätzlich einer ganz besonderen politischen Diskussion ausgesetzt.

Alleine die Anfragenbeantwortungen! Ich kann Ihnen einmal die Pakete an Anfragebe­antwortungen auf Fragen von Fragestellern quer durch die Länder – im Nationalrat et cetera, kaum im Bundesrat – ausdrucken, die ich in den letzten 15 Monaten ge­macht habe beziehungsweise die ich die Vorstände gebeten habe zu beantworten. Wenn ich Ihnen nur diese Anfragebeantwortungen ausdrucke, für welche die Vorstän­de mir natürlich verantwortlich sind, dann werden Sie sehen, dass das eine Arbeit ist, die nicht leichter, sondern die meiner Meinung nach in einzelnen Bereichen sogar schwerer ist als in einem vergleichbaren privaten Betrieb. Das sage ich immer als Ant­wort auf die Polemik, man soll den Leuten, die in einem Betrieb, der dem Staat gehört, arbeiten, weniger zahlen, weil das ja einfacher sei. – Das ist mitnichten einfacher!


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 138

Meine Bemühung geht auch in die Richtung, wenn der Steuerzahler etwas bezahlt, das nicht als Subvention an die Bahn zu verstehen, sondern als Leistungsabgeltung, denn wenn die Bahn heute für viele Fahrgäste leistbare Preise hat – Ermäßigungen für Se­nioren, für Schüler die Schülerfreifahrt und und und –, dann sind das Beträge, die wir von der Politik von der Bahn verlangt haben, die aber eine rein privatwirtschaftlich funk­tionierende Bahn gar nicht machen würde, außer sie bekommt es von jemandem be­zahlt, und die daher auch die ÖBB nicht machen können, ohne dass sie diese Abgel­tung bekommen.

Den Güterbereich halte ich für einen Bereich, der mittel- und langfristig durchaus ge­rechtfertige Prognosen in Richtung schwarze Zahlen hat, weil er im freien Wettbewerb eigentlich mit guten Chancen ausgestattet ist. Aber im Güterbereich gibt es den Wett­bewerb ja schon! Da ist es so, dass wir aufgrund der Liberalisierung – wir haben viele Strecken in Österreich, auf denen auch andere tätig sein dürfen – diesen Wettbewerb auch spüren. Ich könnte Ihnen jetzt alle aufzählen, aber Sie können mir glauben, dass die Bahn diesen Wettbewerb da bereits spürt. Wir können uns daher auf den Aus­spruch einigen, dass ein Betrieb so gut organisiert sein soll, dass er börsefähig, dass er wettbewerbsfähig ist, denn er ist jedenfalls richtig.

Was wir aber ausgemacht haben und wofür ich sehr dankbar bin, ist, dass in dieser Gesetzgebungsperiode keine Privatisierungsdiskussion geführt wird, aber das hat einen ganz anderen Grund. (Bundesrat Schennach: Das hat aber der Herr Finanzmi­nister vergessen!) – Er darf natürlich seine Meinung und seine Sicht der Dinge sagen, aber wir haben für diese Gesetzgebungsperiode das ausgemacht, und das hat aus meiner Sicht einen besonderen Grund.

Ich möchte diese Verunsicherung unter den Eisenbahnern nicht, weil ich davon über­zeugt bin, dass man damit – wie man an Ländern wie England, wo man Streckennetze privatisiert hat, wo man in anderen Bereichen Filetstücke herausgenommen und diese privatisiert hat, sieht – dem, was ich einen ruhigen Kurs bei der Bahn nenne, keinen Dienst erweist, weil die Mitarbeiter, aber auch viele in der Bevölkerung, die sich solida­risieren, zu Recht sagen: Wir wollen die negativen Beispiele aus jenen Ländern, wo wir Privatisierungen erlebt haben, nicht haben!

Das heißt aber nicht, dass wir nicht wollen, dass die Bahn wettbewerbsfähig ist! Sie muss es ja sein: Erstens arbeitet sie im Güterbereich schon in einer liberalisierten Um­gebung und es wird in einem gemeinsamen Europa in Zukunft auch eine verstärkte Liberalisierung im Personenbereich geben. Diese Vergleichbarkeit, der sich die Eisen­bahn stellen muss, ist ja schon vorhanden, wenn sie sich mit den Bedingungen etwa auf der Straße oder mit jenen des Flugverkehrs vergleichen lassen muss. Das heißt, die Bahn muss wettbewerbsfähig werden, und dafür ist auch eine Struktur notwendig, die die Bahn unterstützt.

In diesem Zusammenhang stimmt es, Frau Kollegin, dass noch einiges an Strukturre­form vor uns liegt – wir sind hier sicher nicht am Ende! –, aber ich persönlich – ich hof­fe, Sie verzeihen mir – würde nicht sagen: Wir legen jetzt wieder alles zusammen, was aufgegliedert worden ist!, weil ich einiges davon als sinnvoll erachte, während sich anderes, wie zum Beispiel die DLG – um ein konkretes Beispiel zu bringen, das doch auch viele Mitarbeiter betrifft –, so würde ich meinen, schrittweise auflösen lässt, weil sie zu einer Art Doppelstruktur geführt hat.

Aber alleine, dass ich diesen Punkt als Beispiel erwähnt habe – um in der Politik auch ein Beispiel zu bringen und nicht in die täglichen operativen Geschäfte einzugreifen –, hat dazu geführt, dass ich Hunderte Mails von DLG-Mitarbeitern in die Richtung be­kommen habe: Was ist mit meiner Zukunft? Was meinen Sie mit Auflösung? – Ich meine doch nicht, dass wir die Verträge der Arbeitnehmer dort auflösen, ich meine,


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dass wir bei einer Gesellschaft, die zu Doppelgleisigkeiten führt – außer vielleicht im EDV-Bereich, wo diese auch in Zukunft als eigenständiger Bereich geplant ist –, die Doppelgleisigkeiten beseitigen, aber doch nicht die Leute, die dort tätig sind, abbauen.

So ist das in der Politik! Ich bemühe mich wirklich sehr, immer sachlich zu antworten, aber bereits solche Beispiele für Strukturänderung, für Strukturreform führen in einem Betrieb oft nicht zum gewünschten Erfolg, nämlich Motivation, sondern zu vielen offe­nen Fragen.

Daher: Strukturreform ja, aber ruhig, im Unternehmen, gemeinsam mit den Beschäftig­ten, mit den dort inhaltlich dafür Verantwortlichen, in einem Tempo, bei dem alle ver­stehen, wohin man will und wie man dorthin will, und bei dem man nicht das Gefühl hat, dass ein so ein großer Betrieb wie die Bahn jeden Tag in eine andere Richtung ge­zerrt wird.

Also noch einmal meine Antwort: Ja, es wird sicher noch andere Doppelgleisigkeiten zu beseitigen und damit einiges an Strukturänderungen umzusetzen geben.

Noch einmal: Betreffend Gesamtgehälter wird bei Neuverträgen natürlich generell an­geschaut, ob eine Möglichkeit besteht, sparsamer vorzugehen. Auch der Bonus, der immer wieder genannt wird, wurde vom Aufsichtsrat überarbeitet: Er wird nicht höher, sondern niedriger, und er wird mit mehr leistungsbezogenen Kriterien ausgestattet.

Diese leistungsbezogenen Kriterien haben aber auch eine Schattenseite in der Diskus­sion, die Scorecard, die in aller Munde ist: Da werden Ziele formuliert, und anhand die­ser Ziele soll dann der leistungsbezogene Teil des Gehalts ausbezahlt werden. Dann kommt es bei einem Personalchef selbstverständlich vor, dass als Ziele, die gemein­sam im Unternehmen erarbeitet wurden, Vorgaben formuliert wurden, die in manchen Bereichen eine Erweiterung und in anderen eine Reduktion vorsehen. Und dann lese ich plötzlich Aussendungen – in dem Fall, glaube ich, waren es die Grünen, aber es könnte auch jemand anderer sein –: Hier werden die Manager dafür belohnt, dass sie Leute hinausschmeißen.

Wir schmeißen, wie Sie wissen, niemanden hinaus! Wir haben, wenn es nicht irgend­welche Verfehlungen oder Ähnliches gibt, ein Verhältnis zu den Mitarbeitern, das es uns ermöglicht, dass wir, auch wenn wir Umstrukturierungen umsetzen, nicht einfach wahllos Kündigungen aussprechen, wie das andere, private, Unternehmen machen. Ich glaube also, der Umgang mit den Mitarbeitern der Bahn ist sehr in Ordnung.

Wenn aber in einzelnen Bereichen eine Reduktion erfolgt, wobei das in der Scorecard als eines der gemeinsam vereinbarten Ziele steht, und wir sind drei Tage lang damit beschäftigt, zu erklären: Was ist denn das für ein Scorecard-Punkt?, dann zeigt das ja, wie schwierig es ist, ein Unternehmen zu führen und gleichzeitig ununterbrochen in der politischen Debatte zu stehen, mit all den Polemiken und Gegenpolemiken, die leider zu oft an der Tagesordnung sind.

Herrn Ita, den Sie erwähnt haben, habe ich noch vergessen anzusprechen: Herr Ita ist kein Vorstand, er ist auch in keiner geschäftsführerähnlichen Funktion, er ist ein Mitar­beiter in einem Bereich und wird behandelt wie jeder andere Mitarbeiter auch. Er hat nicht Funktion gewechselt von einem Kabinettschef zu einem Vorstand, sondern er ist ein Mitarbeiter, und – ich komme wieder zum Rechtsstaat – was immer mit einem Mit­arbeiter passiert oder was immer in einem Rechtsstaat Gerichte entscheiden, es gilt für ihn dasselbe wie für jeden anderen.

Ich kann doch nicht einen Mitarbeiter in dem Unternehmen, für das ich verantwortlich bin, aufgrund von Vorwürfen ... (Bundesrat Schennach: Das ist ja gar nicht die Frage gewesen! Die ... gibt es ja gar nicht mehr!) – Die Kollegin hat noch einmal nach Herrn


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Ita gefragt, und darum wollte ich das festhalten. Aber wenn das nicht Ihre Frage war, dann bin ich schon beruhigt.

Ich komme daher zum letzten Punkt, nach dem Sie gefragt haben. (Bundesrat Schennach: Die Frage war, was er dort macht!) – Ja, gut! Ich kann Ihnen gerne ein Organigramm zukommen lassen, was wer wo macht. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... Priva­tissimum!) – Sie werden ja hoffentlich nicht von mir verlangen, dass ich hier jetzt von allen Mitarbeitern im Detail weiß, wofür sie zuständig sind, aber ich lasse Ihnen gerne den Aufgabenbereich und das Organigramm dafür zukommen.

Ich habe vorhin die Antwort betreffend die Langsamfahrstellen vielleicht etwas zu rasch formuliert, habe aber die Langsamfahrstellen als Beispiel dafür genommen, dass wir mehr Geld, und zwar im Jahr 2008 um 60 Millionen mehr, für die Bestandsanierung und für die Sanierung von Langsamfahrstellen aufwenden. Wir widmen uns also dieser Frage – die Frage, die so aufregt: Wieso gibt es so viele Langsamfahrstellen? – nicht nur mit Engagement, sondern auch mit zusätzlichen Mitteln, mit zusätzlichen Geld.

Ich möchte zum Schluss kommen und mich für alle Meinungen, die Sie geäußert ha­ben, bedanken, weil Sie mir die Chance gegeben haben, vieles zu beantworten, aber auch die Chance gegeben haben, vieles von Ihren Fragen und auch Diskussionsbeiträ­gen für mich als Überlegung mitzunehmen.

Letztlich bin ich davon überzeugt, dass ein Infrastrukturunternehmen dieser Größe Be­schäftigungswirkung und Wirkung auf den Wirtschaftsstandort hat und – zumindest für mich – im Verkehr das Umweltprojekt Nummer eins ist. Daher verdient es auch unsere ganze Zuneigung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.30


Vizepräsident Jürgen Weiss: Mit seiner Wortmeldung hat der Herr Bundesminister die Debatte neu eröffnet. Nach der Geschäftsordnung ist das so.

Ich frage daher: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

17.31.036. Punkt

Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der ge­werblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2006/07) (III-338-BR/2008 d.B. sowie 7924/BR d.B.)

7. Punkt

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2008 (III-344-BR/2008 d.B. sowie 7925/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 6 und 7 der Tagesord­nung.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Ich bitte sie um die Berichte.

 


17.31.19

Berichterstatterin Monika Kemperle: Wertes Präsidium! Frau Staatssekretärin! Wer­te Damen und Herren des Bundesrates! Die Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit betreffend den Mittelstandsbericht 2006/07 (III-338-BR/2008 d.B.) sowie das EU-Arbeitsprogramm 2008 (III-344-BR/2008 d.B.) liegen Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich erspare Ihnen daher die Verlesung derselben und komme gleich zu den Anträgen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 141

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat die gegenständlichen Berichte in seiner Sitzung am 22. April 2008 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlagen am 22. April 2008 jeweils den Antrag, diese Berichte zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


17.32.31

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich möchte es einmal bewusst vorneweg machen und nicht ganz am Schluss meines Redebeitrags: Ich glaube, der vorliegende Bericht hat es sich wirklich verdient, dass man sich beim zuständigen Team des Herrn Sektionschefs Preglau, aber auch bei Herrn Ministerialrat Jahn im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bedankt. Das ist nämlich wirklich eine hervorragende Unter­lage, die es uns, so glaube ich, ermöglicht, die Lage der kleinen und mittleren Betriebe richtig einzuschätzen.

Im Ausschuss hat es ja schon eine große Diskussion zum Thema gegeben: Was ist eigentlich mit diesem großen Wachstumspotential, das wir im Bereich der sogenannten EPUs wahrnehmen? – Die meisten wissen nicht, was sich hinter dieser Abkürzung ver­birgt: Das ist die One-Woman- beziehungsweise One-Man-Show, das sind also jene, die ohne Mitarbeiter tätig sind und die bereits 53 Prozent der österreichischen Gewer­bescheine in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft innehaben.

Dort haben wir das Problem, dass die Grenzen zwischen einem lohnabhängigen Be­schäftigungsverhältnis, einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit und einer unselb­ständigen Wirtschaftstätigkeit verschwimmen – ich habe ja selbst schon mit vielen solchen Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen –, wenn man das genau ansieht. Verschiedene Kontrollorgane, auch jene der Sozialversicherung, haben in Linz einige Fälle bei großen Konzernen aufgezeigt, wodurch auf einen Schlag 80 sogenann­te Unternehmer zu unselbständig Erwerbstätigen erklärt wurden. Nur ist denen damit eigentlich nicht geholfen, dass man ihnen sagt, dass nach den Werkvertragsregeln in einer bestimmten Arbeitszeit an einem bestimmten Arbeitsort mit Werkzeugen, die zu Verfügung gestellt werden, eine Tätigkeit auszuüben ist.

Ich glaube, Frau Staatssekretärin, da wird es wirklich notwendig sein, dass man diese Dinge einmal hinterfragt und den Grauzonenbereich angeht, denn diese oft sehr enga­gierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden da in eine Ecke gedrängt, die sie sozialrechtlich sehr, sehr schlecht stellt.

Wenn ich umgekehrt in die andere Richtung sehe, dann muss man feststellen – das ist vom zuständigen Mitarbeiter des Ministeriums aufgezeigt worden –, dass noch viel zu wenige Daten betreffend die Frage da sind: Wie schaut es denn mit den größeren Be­trieben aus? – Ich habe versucht, mir das für heute von der Seite der Sozialversiche­rung her zu besorgen, und man wird es kaum glauben: Gerade einmal 1 Prozent der österreichischen Betriebe hat 100 Mitarbeiter und mehr. Das sagt eigentlich alles dar­über, wie unsere Wirtschaft aufgestellt ist.

Ich glaube, da ist es wirklich notwendig, diese mittleren Betriebe vermehrt zu unterstüt­zen. Sie zeigen ja in Ihrem Bericht auf, dass wir jetzt insgesamt einen Zuwachs haben, dass dieser Zuwachs aber, wenn ich mir dazu noch die AMS-Daten ansehe, haupt­sächlich bei Klein- und Kleinstbetrieben vorliegt.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 142

Ich komme bekanntlich aus Linz und deswegen habe ich mir das betreffend die Voest sehr genau angesehen. In diesen großen Industriebetrieben schaut es so aus, dass die Arbeit vor 20 Jahren noch 30 Prozent Anteil an den Produktionskosten ausgemacht hat, und jetzt – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! – betragen die Kosten der Arbeit nur mehr 18 Prozent, und das, da muss ich der Voest in Linz ein Kompliment machen, bei einer 400-prozentigen Qualitätssteigerung und einer Verdop­pelung der Produktion.

Wenn ich da in den Dienstleistungsbereich hineinsehe und diesbezüglich im letzten Statistischen Jahrbuch, das die Bundesarbeitskammer herausgegeben hat, nachlese, dann schaut es dort so aus, dass bereits mehr als 60 Prozent der Betriebe, aber vor allen Dingen auch der Beschäftigten, im sogenannten Dienstleistungssektor tätig sind. Ich glaube, da muss man wirklich helfen, denn dort ist es so, dass sich der Kosten­anteil oft 90 Prozent nähert, aber dort entstehen auch die neuen Arbeitsplätze. Es wird ganz wichtig sein, dass man dort etwas unternimmt.

In diesem Bereich sehe ich vor allen Dingen zwei Problemkreise. Der eine ist, dass es bei diesen Klein- und Kleinstbetrieben, die dem Arbeitsmarkt aber Wachstumspoten­tiale bescheren, Finanzierungsprobleme gibt. Basel II hat zwar eine Ausnahmerege­lung gefunden, indem man dort die Kleinbetriebe dem Privatkundensektor zurechnet, aber wir wissen ganz genau – und ich sehe die beiden Touristiker, der zweite ist jetzt nicht da, zu meiner Rechten an; auch ihr wisst das –, wie es aussieht, wenn im touristi­schen Bereich, bei dem ja fast 90 Prozent Dienstleistungsanteil gegeben ist, Finanzie­rungen über Banken notwendig sind: Das ist sehr, sehr schwierig! Ich glaube, hier sollte unbedingt geholfen werden.

Das zweite Problemfeld – wir reden schon sehr lange darüber – ist: Wir brauchen in diesem Bereich eine Entlastung der Administration. Es ist wirklich so, dass Klein- und Kleinstbetriebe oft bis zu einem Drittel ihrer eigentlichen Arbeitszeit aufwenden müs­sen, um entsprechende administrative Tätigkeiten durchzuführen.

Reden Sie mit einem Steuerberater! Der sagt Ihnen, wenn es um die Lohnverrechnung geht: Ich kenne doch nicht Hunderte Kollektivverträge; gehen Sie hinaus zu meiner Lohnverrechnerin! – Es gibt von Staatssekretär Matznetter schon eine Reihe von Vor­schlägen, wie man Pauschalierungen und so weiter erweitern kann. Zu meinem Be­dauern muss ich sagen, dass eine Initiative, die wir hier, im Bundesrat, gestartet ha­ben, wie man gerade im Bereich des Tourismus, im Bereich von Aushilfen und so weiter, Pauschalierungen und vereinfachte Abrechnungssysteme macht, so wie es das schon einmal vor Jahrzehnten gab – es ist für mich eigentlich völlig unverständlich –, damals an einer anderen großen Partei gescheitert ist.

Ich glaube also, Frau Staatssekretärin, wenn Sie diesbezüglich mit Ihrem Staatssekre­tärkollegen Matznetter „interdisziplinär“ ans Werk gehen, dann kann man vielleicht dem Tourismussektor, der uns ja im Übrigen – das war vor zwei Tagen; man muss den Tou­ristikern wirklich gratulieren – eine großartige Handelsbilanz beschert hat, helfen.

Das sind vielleicht nur einige wenige Aspekte, die ich hier aufgezeigt habe.

Insgesamt, darf ich sagen, ist dieser Bericht sehr erfreulich. Aber wie gesagt, ich möch­te für die sogenannten EPUs eine Lanze brechen: Diese müssen weiter unterstützt werden, auch im Bildungsbereich, der gleichfalls sehr wichtig ist.

Darüber hinaus möchte ich mich noch einmal für diese wirklich hervorragende Bericht­erstattung, die hier vorliegt, bedanken, und ich bitte, die kleinen Vorschläge, die ich ge­macht habe, aufzugreifen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 143

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.39.26

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute der Tag, an dem im Parlament und im Bundesrat wieder das Loblied auf die Klein- und Mittelbe­triebe in Österreich angestimmt wird, und ich glaube, diese verdienen es.

Die Klein- und Mittelbetriebe sind der Motor für Wachstum und Beschäftigung, für neue Jobs und für neue Betriebsgründungen. Die Menschen, die in den Klein- und Mittel­betrieben arbeiten und hervorragende Leistung erbringen – das sind nicht nur die Un­ternehmerinnen und Unternehmer, sondern auch die tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Betrieben –, verdienen Respekt und Anerkennung, weil sie ihre Leistungen oft unter schwierigsten Wettbewerbsbedingungen im internationalen Wett­bewerb erbringen.

Über große Konzerne liest man immer in der Zeitung – das sind diejenigen, die Super­bilanzen, Quartalsberichte und alles Mögliche vorlegen –, aber von den kleinen und mittleren Betrieben, die sich keine eigenen Presseabteilungen leisten können, die keine Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit haben, hört man relativ wenig. Dort werden aber große Leistungen erbracht. Diese Betriebe tragen wesentlich dazu bei, dass un­ser Land sowohl national als auch international gut dasteht. Jetzt geht es darum, dass diese Betriebe, die Großartiges leisten und von meinem Vorredner schon entspre­chend gewürdigt wurden, durch ordentliche Rahmenbedingungen in die Lage versetzt werden, das auch in einem geänderten internationalen Wettbewerb – womöglich noch besser – zu tun.

Die jüngste Umfrage unter den Klein- und Mittelbetrieben in Österreich hat ergeben, dass sie eigentlich positiv in die Zukunft schauen und daran glauben, dass sich die po­sitive wirtschaftliche Entwicklung auch in Zukunft fortsetzt, auch wenn manche Augu­ren wieder verkünden müssen, dass sich am Konjunkturhimmel alles negativ entwi­ckelt. Ich gehöre nicht dazu. Ich glaube denen, die wirklich die Hand am Puls der Zeit und der wirtschaftlichen Entwicklung haben, nämlich den kleinen und mittleren Betrie­ben in Österreich. Aus der jüngst von Herrn Dr. Lehner veröffentlichten Umfrage in Klein- und Mittelbetrieben geht hervor, dass 40 Prozent weiter investieren, Beschäftigte anstellen und ihren Beitrag zu einer ordentlichen Beschäftigungspolitik leisten wollen.

Ich glaube, dass die Abschaffung der Schenkungssteuer und der Erbschaftssteuer ein guter Beitrag sein wird. Das Erste, das ein junger Unternehmer bezahlen muss, wenn er einen Betrieb übernimmt, weil der Seniorchef in Pension geht, ist nämlich die Steu­ervorschreibung. Eigentlich sollte er investieren, in den Markt eindringen und mehr für seinen Betrieb tun, aber das Erste war immer die Vorschreibung für die Schenkungs- oder Erbschaftssteuer, je nachdem, welche Steuerart eingetreten ist.

Ich glaube, die Klein- und Mittelbetriebe brauchen auch Hilfen zum Export. Man soll nicht sagen, Export sei nur Sache der Großen. Auch die Kleinen leisten enorme Bei­träge zur positiven Entwicklung im Export. Die Kleinstbetriebe sind schon genannt wor­den. Es ist ebenfalls schon erwähnt worden, dass auch diese eine entsprechende Ent­lastung brauchen, insbesondere eine ordentliche Regelung, eine Entlastung in der Ein­kommensteuer und vor allem, dass etwas gegen die mangelnde soziale Absicherung dieser Kleinstbetriebe – das hat schon Kollege Schimböck erwähnt – getan wird.

Ich finde, jemand, der die Existenzsicherung auf selbständige Art und Weise auf sich nimmt, hat dieselben Ansprüche wie jemand, der bei einem Konzern oder Großunter­nehmen angestellt wird. Hier geht es um Gerechtigkeit. Hier geht es nicht um Privile­gien für diese Kleinstbetriebe, sondern um eine Gleichstellung. Die Menschen sollen


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gleiche Chancen vorfinden. Es gibt dazu konkrete Vorstellungen. Ich nehme nur das Beispiel mit der Sechstelbegünstigung heraus.

Wenn ein Generaldirektor angestellt ist, hat er Anspruch auf dreizehntes und vierzehn­tes Gehalt sowie auf Urlaubsgeld. Dann kommt er in eine Steuerquote von 43 Prozent hinein. Wenn aber ein Kleinstbetrieb Steuer zahlt, hat er 50 Prozent Steuerleistung. Das ist doch nicht gerecht! Ich finde, das sollte entsprechend angepasst werden. Wir sollten Rahmenbedingungen schaffen, damit diese Betriebe, die enorme Beiträge zum Wirtschaftsstandort und zur guten wirtschaftlichen Situation unseres Landes leisten, diese Leistungen auch in Zukunft erbringen können.

Ich habe zu Beginn gesagt, dass die Großbetriebe im Rampenlicht stehen. Wissen Sie, dass 90 Prozent der Gewinne, die in Österreich erwirtschaftet werden, nur von 10 Pro­zent der Betriebe stammen? 90 Prozent der Gesamtgewinne werden nur von 10 Pro­zent der Betriebe erwirtschaftet. Die restlichen 10 Prozent der Gewinne teilen sich auf die restlichen 90 Prozent der Betriebe auf. Also 90 Prozent der Betriebe und nur 10 Prozent der Gewinne! Das sollte man, wenn man über die wirtschaftliche Entwick­lung spricht, beachten und nicht alle über einen Kamm scheren.

45 Prozent der Betriebe verfügen über kein Eigenkapital. Sie bewegen sich am Rande der Existenz. Wenn es zu einem Einbruch kommt, haben sie keine Reserven, um die wirtschaftliche und betriebliche Entwicklung fortzusetzen. 90 Prozent der Wirtschafts­kammermitglieder haben weniger als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich glaube, dass damit auch über die Entlastung der Klein- und Mittelbetriebe sowie über deren Bedeutung genug gesagt wurde.

Ich glaube, wir sind alle aufgefordert, dafür Rahmenbedingungen zu schaffen, dass diese Spezies von Unternehmen – nämlich die kleinen sowie mittleren Betriebe und vor allem die Ein-Personen-Unternehmen – auch in Zukunft ihren Beitrag zu einer positi­ven wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Entwicklung leisten können. (Beifall bei der ÖVP.)

17.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


17.47.18

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Bericht komme, lassen Sie mich doch zwei Halbsätze sagen. Ich möchte mich recht herzlich für die freundliche Begrüßung bedanken und hoffe auf eine gute kollegiale Zu­sammenarbeit, auch wenn wir wahrscheinlich des Öfteren unterschiedlicher Meinung sein werden. Nun zu meiner Rede:

Der vorliegende Mittelstandsbericht für die Jahre 2006 und 2007, der über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft Auskunft gibt, ist übersichtlich und anregend gestaltet. Wie schon meine Vorredner angemerkt haben, gilt auch hier mein Lob den Autorinnen und Autoren. Inhaltlich gibt es dennoch einige Kritikpunkte. Der Blick, der in diesem Bericht auf die Situation der KMUs geworfen wird, ist teilweise beschönigend. Problemgebiete werden nicht ausreichend beleuchtet.

Erlauben Sie mir dazu ein Beispiel! Der Anteil der EPUs ist in den letzten Jahren über­durchschnittlich gestiegen und wird weiter steigen. Im Jahr 2020 müssen wir in Öster­reich mit einem Anteil von 60 Prozent an Unternehmen rechnen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, keine Beschäftigten leisten können. Der Bericht widmet sich lediglich in einem Exkurs von gerade einmal zwei Seiten einer Gruppe von Unterneh­men, die 2006 schon einen Anteil von – wie schon erwähnt – 53 Prozent aufweist. Das sind ungefähr 160 000 Unternehmerinnen und Unternehmer. Für uns ist das ein Beleg


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dafür, dass vonseiten der bestehenden Bundesregierung diese Gruppe nicht ernst ge­nug genommen wird. Schließlich gibt es auch keinen EPU-Bericht, den uns der Minis­ter für Wirtschaft und Arbeit regelmäßig vorlegen würde.

Unsere Funktionäre und Funktionärinnen der Grünen Wirtschaft kämpfen schon seit Jahren dafür, dass in Österreich eine bessere Vertretung genau dieser Unternehmen – nämlich der EPUs – bei den Sozialpartnern installiert wird. Der Bericht stellt die Wirk­lichkeit verzerrt dar, weil die hoch gelobte Steuerreform 2005/2006 den klassischen KMUs nichts gebracht hat.

Im Bericht wird zum Beispiel argumentiert, dass die Senkung der Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent den KMUs steuerliche Ersparnisse gebracht hätte. Aber von der Senkung der KöSt profitieren ausschließlich Großunternehmen, die hohe Gewinne ma­chen. KMUs – das sind in Österreich zwei Drittel aller GmbHs – zahlen keine KöSt, da sie die Mindestkörperschaftsteuerschwelle gar nicht überschreiten. Das heißt auf gut Deutsch, sie verdienen nicht einmal genug.

Die Steuerpolitik der Bundesregierung kümmert sich nicht um die kleinen Unterneh­men, die ums Überleben kämpfen, sondern bedient internationale Konzerne. Der Be­richt stellt die Situation der KMUs in Österreich mangelhaft dar, weil einzelne Ergebnis­se nicht mehr im Detail ausgeführt werden. Die Eigenkapitalquote, eine wichtige Kenn­zahl zur Bewertung eines Unternehmens, wird nur noch im Fließtext angeführt. Es gibt dafür keine internationalen Vergleiche in Form einer Übersichtstabelle. In den Berich­ten der Vorjahre hat es diese noch gegeben.

Warum ist das so? Weil es um die Eigenkapitalquote unserer KMUs schlecht bestellt ist. Lediglich 14 Prozent aller KMUs werden mit „Sehr gut“ und weitere 10 Prozent mit „Gut“ bewertet, wobei anzumerken ist, dass wir hier bereits von einer Umsatzrendite von gerade einmal 2,5 Prozent sprechen. Alle anderen 76 Prozent, das sind drei Viertel aller Unternehmen, werden nicht mehr angeführt, weil sie entweder bei der Eigenkapi­talquote, bei der Umsatzrendite oder bei beiden unter den Schwellenwerten liegen.

Das bedeutet: 76 Prozent der KMUs in Österreich können eigentlich keine Investitionen tätigen. Die Unternehmen stehen schlecht da. Nicht, dass hier die Betroffenen schuld wären, es handelt sich ganz klar um ein Versagen der Politik. Die Wirtschaftspartei ÖVP, die seit über 20 Jahren den Wirtschaftsminister stellt, hat für den Großteil der KMUs in Österreich nichts getan – außer Lippenbekenntnissen. Einzelnen Großunter­nehmen, die als Auffangbecken für ausgeschiedene PolitikerInnen und ParteifreundIn­nen dienen, gewährt sie aber großzügige Steuernachlässe. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich komme zu meinem Kritikpunkt und Schlussstatement: In diesem Bericht sollte eine bessere Analyse der Auswirkungen der verschiedenen Förderinstrumente auf das Wachstum angeführt werden. Uns Grüne interessiert vor allem, die Effekte der For­schungsförderung auf die KMUs näher zu untersuchen. Liebe Kolleginnen und Kolle­gen, im grünen Programm „Innovatives Oberösterreich 2010“, das zahlreiche Maßnah­men zur Forschungsförderung im Bereich der KMUs umfasst, haben wir auf einer re­gelmäßigen Evaluierung dieser Förderungen beharrt. Das würde ich auch der Bundes­regierung empfehlen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


17.53.50

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! In Anbetracht der Tatsache, dass wir erst beim Ta-


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gesordnungspunkt 6 von 24 angelangt sind, werde ich mich ganz kurz fassen. Es wäre natürlich notwendig, über den Bereich der KMUs ausführlich zu sprechen, aber meines Erachtens haben die drei Redner vor mir sehr sachlich – sowohl Gottfried Kneifel als auch Wolfgang Schimböck, aber auch sehr kritisch der neue Kollege Dönmez – die Situation erkannt und aufgezeigt, wo noch Handlungsbedarf besteht.

Insgesamt liest sich der Bericht wie eine Erfolgsgeschichte der Bundesregierung von 2000 bis 2007. Deshalb werden wir natürlich auch diesen Bericht positiv zur Kenntnis nehmen. Er zeigt auch einige erfreuliche Tatsachen auf, nämlich dass eine Vielzahl von Konjunkturbelebungen und sozialpolitischen Gesetzesbeschlüssen positiv hervor­gehoben wird. Das hat tatsächlich zu positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft und vor allem auf die kleinen Unternehmer geführt, es kam zu einer erheblichen steuerli­chen Entlastung für Unternehmer.

Das Sozialbetrugsgesetz zum Beispiel: Im Jahr 2004 wurde es von der SPÖ noch ab­gelehnt, heute hingegen Gott sei Dank gelobt. Auch dem Sozialrechts-Änderungsge­setz stand die SPÖ damals – in Opposition – ablehnend gegenüber. Heute sind wir froh, dass die SPÖ diesen Bericht nicht nur lobt, sondern ihn auch positiv zur Kenntnis nehmen wird.

Es werden aber einige Probleme bestehen bleiben, die noch nicht gelöst sind, und auch eine Behandlung erfahren. Die Bundesregierung hat also – sollte sie bestehen bleiben – noch genug Handlungsbedarf für die nächsten Jahre. Es ist bereits gesagt worden, dass die Schenkungssteuer und die Erbschaftssteuer für Betriebsübernehmer Hürden darstellen. Diese Hürden gehören abgebaut. Das Eigenkapital ist oft zu gering, keine Frage, daher gehören die hohen Verwaltungskosten abgebaut.

Auch mein Betrieb fällt unter den Begriff KMU. Ich möchte mich daher an dieser Stelle bei meinen Kolleginnen und Kollegen sowie bei deren Mitarbeitern bedanken. Die KMUs bilden das Rückgrat der Wirtschaft in Österreich.

Wir werden diesen Mittelstandsbericht selbstverständlich positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

17.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte.

 


17.56.21

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich zuerst für die sehr positiven Worte von bisher allen Rednern und möchte das gerne unterstützen. Hier ist sehr viel Energie, sehr viel Know-how, sehr viel Hirnschmalz hineingeflossen. Ich denke, dass ich das sehr gerne unterstreichen und unterstützen kann und mich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Hauses sehr herzlich bedanken möchte, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben.

Ich darf gleich auf die Kritikpunkte, einzelne Inputs und konkret angesprochene Punkte eingehen. Herr Bundesrat Schimböck, Sie haben gesagt, die Administration sei genau das, was hier wichtig ist. Das ist mehrfach angesprochen worden; ich kann das nur un­terstreichen. Es ist eines der großen Ziele dieser Bundesregierung, den Verwaltungs­aufwand für die Unternehmen um einen beträchtlichen Teil zu reduzieren, und zwar durch eine Verwaltungsreform.

Da gebe ich Ihnen vollkommen recht: Eine der ganz zentralen Fragen ist: Wie können wir den Unternehmen die Arbeit für den Wirtschaftsstandort Österreich – es geht ja ins­gesamt auch darum – erleichtern und den Verwaltungsaufwand effizienter gestalten? Ich glaube, wir sind hier auf einem guten Weg und konnten bereits einige sehr zentrale


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Vorhaben umsetzen. Ich möchte dennoch sagen, dass wir auf diesem Gebiet auch weiter Gas geben und den Unternehmen Unterstützung zusagen müssen.

Bei den Redebeiträgen sind immer wieder die EPUs angesprochen worden. Die EPUs sind ein sehr großer Teil der kleinen Unternehmen, das sind nämlich die ganz kleinen. Auch da gebe ich Ihnen recht: Auf diese Unternehmen müssen wir ein besonderes Augenmerk legen, weil sie ganz besondere Herausforderungen und oft Schwierigkeiten haben. Ich glaube aber, dass wir auch da auf einem ganz guten Weg sind, wobei ge­rade bei den kleinen und kleinsten Unternehmen das soziale Netzwerk mit dem Stich­wort „Flexicurity“ ganz wichtig ist.

Ich darf daran erinnern, dass wir vor nicht allzu langer Zeit die Einbeziehung der Selb­ständigen in die Arbeitslosenversicherung und in die Mitarbeitervorsorge, in die Abferti­gung neu, gemeinsam beschlossen haben. Das ist ein ganz wichtiger Schritt zuguns­ten der Kleinunternehmerinnen und -unternehmer in Österreich. Natürlich ist es wichtig, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern und hier Erleichterungen zu schaffen. Hier wird sicher in der nächsten Zeit auch noch einiges zu tun sein.

Herr Bundesrat Dönmez kritisiert, dass den EPUs insgesamt zu wenig Augenmerk ge­widmet sei. Ich darf Sie darüber informieren, dass Herr Bundesminister Bartenstein, gerade weil er die Wichtigkeit der EPUs und die besonderen Herausforderungen in die­sem Bereich kennt, eine Studie zur Situation der EPUs in Österreich in Auftrag gege­ben hat. Die Ergebnisse kommen demnächst.

Da geht es ganz klar darum, die Herausforderungen bei den EPUs punktgenau zu er­kennen und entsprechende Ausarbeitungen zu machen: Wo müssen wir hin? Wo müs­sen wir etwas tun? Wo gibt es besondere Herausforderungen? Wir sind uns des The­mas EPUs bewusst und ich denke, dass wir hier demnächst auch gute Ideen vorlegen und präsentieren werden. Das heißt, diese Gruppe wird natürlich ganz besonders ernst genommen.

Ein anderes Thema, die Forschungsförderung haben Sie auch angesprochen, Herr Bundesrat! Ich darf auf den Innovationsscheck verweisen, auf etwas, das wir gerade für die kleineren und mittleren Unternehmen mit Beginn dieses Jahres in Kooperation mit dem BMVIT angeboten haben. Das wird von der FFG abgewickelt. Es geht dabei darum, dass kleine und mittlere Unternehmen einen ersten Einstieg in Forschung und Innovation mit sehr unbürokratischen Methoden bekommen sollen. 5 000 € gibt es als Unterstützung.

Das, was an Response von den Unternehmen gekommen ist, hat sämtliche Erwartun­gen gesprengt. Wir haben mit 1 000 Unternehmen gerechnet und das Budget dafür vorgesehen. Wir haben die Zahl von 1 000 Unternehmen bereits letzten Monat über­schritten und haben jetzt das Budget bereits um weitere 3 Millionen € aufgestockt. Wir haben sofort reagiert. 5 Millionen € waren ursprünglich budgetiert, jetzt gibt es dafür noch einmal 3 Millionen €. Ich glaube, wir haben da ziemlich genau erkannt, was die Unternehmen brauchen, und sind gemeinsam daran, für die Unternehmen etwas zu tun.

Es gab auch die Kritik, wir hätten uns nur um die Großen gekümmert. Das möchte ich zurückweisen. Erstens ist es fast ein bisschen billig, Herr Bundesrat, zu sagen, wir kümmerten uns nur um die Großen und diese seien ohnehin zu vernachlässigen. Tat­sache ist, dass das sehr viele Arbeitsplätze sind, die die großen Konzerne in Öster­reich sichern beziehungsweise schaffen und geschaffen haben. Das ist wichtig für die Standortpolitik und Arbeitsplatzpolitik. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)


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Bei den kleinen Unternehmen ist aber auch ein großer Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Ich darf in diesem Zusammenhang an das KMU-Förde­rungsgesetz 2006 erinnern, wo wir einen Freibetrag für Gewinne, die in begünstige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens investiert werden, gerade für die Ein- und Aus­gabenrechner in Österreich geschaffen haben.

Hier hat es einiges an Initiativen gegeben. Ich glaube, dass wir auf jeden Fall einen gu­ten Weg beschritten haben und mit Sicherheit weiterhin gehen werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

18.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


18.02.23

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Anders als im Nationalrat nehmen wir diesen Bericht zur Kenntnis – und das hat auch eine kleine Vorgeschichte: einerseits die Erklärung des Bundesminis­ters, künftig ein wesentlich deutlicheres Augenmerk auf die EPUs zu legen, und auch die Diskussion mit Ihren beiden außerordentlich qualifizierten Beamten im Ausschuss.

Immerhin: Von den 307 000 Betrieben haben 306 000 Betriebe weniger als 250 Mitar­beiter, und davon sind 53 Prozent sogenannte EPUs.

Unser Prinzip hier ist auch immer, mit Vertrauen und nicht mit Misstrauen Erklärungen entgegenzugehen. Diese EPUs sollen nun künftig wissenschaftlich angegangen wer­den, Datensätzen erforscht werden, dass wir auch Material und Erfahrungswerte in diesem Graubereich zwischen echter Selbständigkeit oder doch nicht ganz so echter Selbständigkeit bekommen. Die Finanzierungsprobleme dieser EPUs – ich würde sagen, das sind Ein- bis Drei-Personengesellschaften mitunter – durch Basel II dürfen wir, wie ich glaube, nicht unterschätzen. Sie machen immerhin mehr als die Hälfte aller KMUs aus, auch wenn wir hier Definitionsprobleme mit den KMUs haben.

Wichtig ist jedenfalls dieser Prozess, und wichtig ist dieses Augenmerk, sodass wir nicht mehr eine eineinhalb Seiten Annexmaterie EPUs haben, die allerdings schon 53 Prozent dieses Bereiches darstellen.

In diesem Sinne werden wir heute diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und hoffen, dass das, was wir mit dieser Diskussion ausgelöst haben, bereits in den nächsten Be­richten sichtbar wird, auch von der Materialerforschung und von der Beobachtung die­ses Sektors mit seinen ganz spezifischen Problemen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

18.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Mittelstandsbericht 2006/07.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 149

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2008.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.05.428. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz 1965, das GmbH-Ge­setz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Genossenschaftsrevisi­onsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Luftfahrtgesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Unternehmensrechts-Ände­rungsgesetz 2008 – URÄG 2008) (467 d.B. und 494 d.B. sowie 7909/BR d.B. und 7926/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um den Bericht.

 


18.05.55

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesräte! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz 1965, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Luftfahrtgesetz, das Bankwesengesetz und das Versicherungs­aufsichtsgesetz geändert werden (Unternehmensrechts-Änderungsgesetz 2008), liegt vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.07.299. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Notariatsaktsgesetz, das Gerichtskommis­särsgesetz, das Außerstreitgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Notariats­tarifgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden (Feilbietungsrechtsänderungsge­setz – FRÄG) (466 d.B. und 495 d.B. sowie 7927/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

 


Berichterstatter ist wiederum Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um den Bericht.

18.07.41


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 150

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Bericht des Jus­tizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das Notariatsaktsgesetz, das Ge­richtskommissärsgesetz, das Außerstreitgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das No­tariatstarifgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden, (Feilbietungsrechtsänderungsgesetz) liegt uns vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.09.0110. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten samt Erklärung der Re­publik Österreich (457 d.B. und 496 d.B. sowie 7928/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist wiederum Herr Bundesrat Beer. – Ich bitte um den Bericht.

 


18.05.55

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesräte! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten samt Erklärung der Republik Österreich (457 d.B. und 496 d.B. sowie 7928/BR d.B.) liegt vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 3 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


18.10.32

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Europarat hat ein Übereinkommen geschaffen, damit Kinder die im Übereinkommen der Verein-


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ten Nationen verbrieften Rechte insbesondere in den sie berührenden familienrecht­lichen Verfahren auch ausüben können. Ziel des Übereinkommens ist, die Ausübung der materiellen Kinderrechte zu erleichtern, indem es Verfahrensrechte stärkt und schafft, die von Kindern selbst oder durch andere Personen oder Stellen ausgeübt wer­den können.

Das heißt erstens: Dieses Übereinkommen ist auf Kinder anzuwenden, die das 18. Le­bensjahr noch nicht vollendet haben.

Zweitens: Ziel dieses Übereinkommens ist es, zum Wohl von Kindern deren Rechte zu fördern, ihnen prozessuale Rechte zu gewähren und die Ausübung dieser Rechte zu erleichtern.

Und drittens: Im Sinne dieses Übereinkommens sind Kinder berührende Verfahren vor einer Justizbehörde familienrechtliche Verfahren, insbesondere in Bezug auf die Aus­übung der elterlichen Verantwortung, beispielsweise die Bestimmung des Aufenthalts von Kindern und den persönlichen Verkehr mit ihnen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In dem gegenständlichen Übereinkommen wird ausdrücklich die Bedeutung der Rolle der Eltern beim Schutz und bei der Förderung der Rechte und des Wohles von Kindern anerkannt. Weiters wird festgelegt, dass Kin­der in den sie berührenden familienrechtlichen Verfahren sachdienliche Auskünfte über ihre Rechte erhalten sollen und berechtigt sind, ihre Meinung zu äußern, die dann vom Gericht gebührend zu berücksichtigen ist.

Dies umfasst erstens, alle sachdienlichen Auskünfte zu erhalten, zweitens, angehört zu werden und seine Meinung sagen zu können, und drittens, über die möglichen Folgen einer Berücksichtigung seiner Meinung und die möglichen Folgen einer Entscheidung unterrichtet zu werden.

Weiters verpflichten sich die Vertragsstaaten, durch geeignete Stellen die Förderung und die Ausübung von Kinderrechten zu unterstützen. Ebenso sollen die außergericht­lichen Streitbeilegungsmechanismen zum Beispiel durch Mediation gestärkt werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die österreichische Rechtsordnung entspricht seit dem Inkrafttreten des Kindschafts-Änderungsgesetzes 2001 beziehungsweise 2003 den Vorgaben des Übereinkommens. Durch die Ratifikation des Übereinkom­mens soll ein Zeichen dafür gesetzt werden, dass Kinderrechten und der wirksamen Ausübung der Kinderrechte in Österreich stets ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Zudem hat der Nationale Aktionsplan für die Rechte von Kindern und Jugendli­chen aus dem Jahr 2004 das Vorhaben der Ratifikation des Übereinkommens vorgese­hen.

Hohes Haus! Meine Fraktion wird diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich erteile ihm dieses.

 


18.14.17

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist – wie meine Frau Kollegin be­reits angeführt und sehr treffend ausgeführt hat, worum es sich bei diesem Überein­kommen und bei diesem Beschluss handelt – ein guter Tag, wie ich glaube, für die Kin­der und damit auch für die Familien insgesamt. Denn die Kinder sind – das ist meine fest Überzeugung – ja der wesentliche Bestandteil einer Familie, der Kern einer Fami-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 152

lie, wenn man so will, und die Familien insgesamt sind wiederum die Keimzelle unserer Gesellschaft.

Daher glaube ich, dass wir uns insgesamt bei der Weiterentwicklung aller Kinderrechte und bei der tatsächlichen Anwendung der Kinderrechte auch immer sehr genau vor Augen halten müssen, wie das in der Praxis funktioniert. Wir müssen uns fragen: Funk­tioniert das auch? Wo gibt es immer wieder Dinge, die es zu verbessern gilt, nachzu­schärfen gilt? Und da ist heute ein guter Anlass auch dafür, darüber zu reden und das noch einmal zu bekräftigen mit diesem heutigen Beschluss, denn Sie haben ja schon ausgeführt, dass das Kernstück dieses Übereinkommens in Österreich bereits geltende Rechtslage ist.

Dennoch kommt in der nächsten Zeit – und so hat es die Frau Ministerin ja angekün­digt – eine Novelle auf uns zu, die in Kürze in Begutachtung gehen soll – wir werden sicher dann noch Näheres darüber erfahren! –, wo es wieder darum geht, die Rechte der Kinder und damit die Familien insgesamt zu stärken.

Es ist, denke ich, die erste Aufgabe der Politik, sich dem zuzuwenden, was für die Ge­sellschaft am wichtigsten ist – und das ist nun einmal die Stärkung der Familie und damit das Wesen der Familie, und das sind die Kinder unseres Landes.

Darum kann ich für meine Fraktion sagen: Wir freuen uns sehr, dass wir das heute be­schließen können. Wir stimmen dem natürlich gerne zu und wollen das noch einmal bekräftigend verstanden wissen für eine gute Familienpolitik in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

18.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dön­mez. – Ich bitte darum.

 


18.16.54

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein The­ma, das mich wirklich emotional auch sehr bewegt, weil ich selbst in einem Kinder- und Jugendwohnheim jahrelang gearbeitet habe und nach wie vor tätig bin. Seit fast acht Jahren ist das Europäische Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten in Kraft. Zwölf Staaten haben es bereits unterzeichnet, endlich nun auch Österreich.

Ein Übereinkommen zu unterzeichnen ist gut und schön, aber das ist halt nur eine Seite der Medaille. Wichtig ist für mich, ist für uns, auch die Inhalte des Übereinkom­mens wirklich zu leben.

Punkt eins: Warum haben wir heute nicht gleichzeitig eine Verfassungsänderung vor­liegen, die die Kinderrechte in der österreichischen Verfassung verankert? Ich habe eine gewisse Skepsis gegenüber einigen KollegInnen, die sich heute hier für die Rech­te der Kinder stark machen, und kann das aber auch begründen. Es ist nämlich noch keine zwei Jahre her – damals hat die ÖVP den Bundeskanzler gestellt –, da wollte die damalige Bundesregierung Kindern von MigrantInnen tatsächlich das Kindergeld strei­chen, solange diese keinen Aufenthaltstitel gehabt haben.

Und um einer parlamentarischen Debatte auszuweichen, sollte die damalige Ministerin Haubner das per Erlass regeln. Mit dieser Maßnahme sollten Neugeborene völlig un­schuldig diskriminiert und deren Familien in existentielle Probleme gestürzt werden. Ich kann mich auch noch gut an die damalige Diskussion erinnern. (Bundesrat Mayer: Die Frau Haubner war aber nicht in der ÖVP! – Bundesrat Kraml – in Richtung ÖVP –: Aber in der Regierung mit euch!) – Danke.


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Hätten wir damals die Kinderrechte im Verfassungsrang verbrieft gehabt, wäre dieser Versuch von vorhinein zum Scheitern verurteilt gewesen. So mussten wir uns eine mehrwöchige höchst peinliche Debatte liefern. Damit uns Ähnliches in Zukunft erspart bleibt, erwarte ich eine rasche Verfassungsänderung. Warum kommt sie nicht?

Ich hege so meine Befürchtungen. Ich zitiere: „Kinder und Jugendliche dürfen auch für das, was ihre Eltern sagen, machen oder glauben nicht bestraft oder diskriminiert wer­den.“ – So steht es nämlich wortwörtlich in Artikel 2 der Konvention.

Wir müssen uns einmal vor Augen halten, was in Österreich tagtäglich Usus ist: Da werden tatsächlich Kinder für die Taten ihrer Eltern mit verantwortlich gemacht und zum Beispiel einfach abgeschoben.

Ich hege die Befürchtung, dass wir noch sehr lange auf eine Verankerung des Kinder­schutzes in unserer Verfassung warten müssen, denn es ist offensichtlich, dass diese Bundesregierung nicht beabsichtigt, die Rechte aller Kinder in Österreich wirklich zu gewährleisten. Es kann wohl kein Zufall sein, dass die verfassungsrechtliche Veranke­rung bereits in zwei Regierungsprogrammen gestanden ist – aber gekommen ist sie bisher nicht, weder in der Zeit der rechtskonservativen Regierung noch in der großen Koalition.

Die Bundesregierung kann mit ihrer gegenwärtigen Politik die Kinderrechte in der Ver­fassung gar nicht verankern, weil sie tagtäglich dagegen verstößt. Ein aktuelles Bei­spiel möchte ich anführen. Die Regelung des Kinderbetreuungsgeldes verstößt gegen die Konvention, da die Kinder von subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen keinen An­spruch darauf haben. Die, die es am notwendigsten bräuchten, haben keinen Anspruch darauf!

Die Konvention geht davon aus – und das ist der Knackpunkt in dieser Materie –, dass alle Kinder gleich sind. Und wenn alle Kinder gleich sind, haben sie auch die gleichen Rechte. Das wird in Österreich aber nicht gelebt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ein Minister Platter alle Kinder gleich behandeln möchte; zumindest zeugt davon sein Vorgehen in den viel diskutierten Fällen – darauf brauche ich jetzt, glaube ich, nicht explizit einzugehen. Die beabsichtigten Abschiebungen sind ja Realität.

Da gelangen dann plötzlich auch noch ganz schnell die vermeintlichen Taten von jugendlichen Geschwistern, die übrigens auch von der Kinderrechtscharta geschützt werden, an die Öffentlichkeit.

Summa summarum: Das ist der Alltag vieler Kinder und Jugendlicher hier in Öster­reich, wie ich tagtäglich auch in meiner Betreuungsarbeit wahrnehme. Das ist nicht irgendein Hirngespinst, sondern das passiert.

Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass wir heute der Unterzeichnung dieses Überein­kommens zustimmen. Für viele Kinder und Jugendliche kann es nur noch besser wer­den. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministe­rin Berger. – Bitte.

 


18.22.23

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Danke für die Unterstützung dieses Übereinkommens.

Es stimmt, dass das, was in diesem Übereinkommen von Österreich verlangt wird, schon seit Längerem umgesetzt ist. Genauso stimmt es, dass sich speziell in diesem Bereich ein Innehalten wirklich nicht gut auswirken würde und dass wir hier immer wie-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 154

der auch neue Schritte für mehr Kinderrechte und für einen besseren Schutz der Kin­der setzen sollten.

Weil Herr Bundesrat Baier die bereits von mir angekündigten weiteren Maßnahmen angesprochen hat, nur noch telegrammartig einige Stichworte: In meinem Bereich kann ich mit dazu beitragen, dass wir zum einen alles tun, damit Kinder nicht Opfer von Straftaten werden. Ich habe erst vor einigen Tagen mit einigen Regierungskollegen diesbezüglich zusätzliche Maßnahmen vorgeschlagen. Dort, wo es leider doch pas­siert, müssen wir darauf achten, dass Kinder das Strafverfahren, in dem sie jetzt sozu­sagen als Opfer auch stärker vorkommen, nicht weiter als traumatisierend, belastend empfinden. Wir haben da im Strafprozess selbst schon einige Vorkehrungen getroffen, und diese sollen auch auf den Zivilprozess ausgedehnt werden; zum Beispiel die ge­trennte und schonende Einvernahme von Jugendlichen und Kindern auch im Zivilver­fahren.

Wir sind in Beratungen mit Experten, insbesondere beim Schutz vor sexuellen Über­griffen und Schutz vor häuslicher Gewalt die Anzeigeverpflichtungen, die es für die un­terschiedlichsten Berufsgruppen gibt, zumindest zu vereinheitlichen, wenn nicht zu ver­schärfen. Wir alle erinnern uns noch an den Fall Luca, wo es einige Missverständnisse auch bei denen gegeben hat, die da einer Melde- oder Anzeigepflicht unterliegen.

Wir haben zusätzliche Maßnahmen in Vorbereitung zum Schutz vor Sexualstraftaten, wo wir insbesondere durch eine bessere Therapiebegleitung und Kontrolle von Tätern, die ja bereits einmal eine Tat begangen haben, dazu beitragen wollen, dass es zu kei­ner Wiederholung kommt.

Im finanziellen Bereich wird eine Rolle spielen, dass wir das Unterhaltsvorschussrecht verbessern wollen und zu einer kontinuierlicheren, regelmäßigeren Zahlung der Unter­haltsvorschüsse des Staates beitragen wollen, insbesondere zu einer schnelleren Ab­wicklung der Verfahren, dass der Unterhaltsvorschuss auch dann schon gezahlt wer­den kann, wenn ein Antrag auf Exekution eingebracht wird, und nicht erst, nachdem nachgewiesen wurde, dass die Exekution erfolglos war.

Ich darf hinweisen auf den Modellversuch Kinderbeistand, der schon unter meiner Vor­gängerin eingeführt wurde und der sich sehr bewährt, wo wir den Kindern bei Obsorge­streitigkeiten in Scheidungsverfahren sozusagen einen Anwalt nur für ihre Rechte, notfalls auch gegen die Eltern, zur Verfügung stellen. Ich möchte dieses Modell, wenn wir das Geld dafür auftreiben, gerne ausweiten.

Wir bemühen uns, die Familiengerichtsbarkeit weiter zu verbessern. Es wird heuer Schwerpunkt der Richterinnen- und Richterwoche sein, dass wir die Familienrichter, die ja eine besonders schwierige Aufgabe haben, noch besser unterstützen, dass wir mehr Kontinuität in diesen Berufen bekommen. Das ist ein sehr belastender Teil der Gerichtsbarkeit. Die Richterinnen und Richter wechseln hier sehr oft, was wieder für die Länge der Verfahren nicht günstig ist.

Abschließend darf ich noch sagen, dass vorgesehen ist, die UN-Konvention über die Kinderrechte im Rahmen der Verfassungsreform umzusetzen. Nachdem es sich dabei weitgehend um Grundrechte handelt, soll diese UN-Konvention im Paket 3 der Verfas­sungsreform umgesetzt werden. Die Umsetzung dieses Plans hat sich diese Regierung sehr ernsthaft vorgenommen. Ich bin auch überzeugt davon, dass wir es in dieser Le­gislaturperiode schaffen werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 155

18.26.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehr-
te Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Lieber Kollege Dönmez, ich sehe schon spannende Zeiten und spannende Diskussionen auf uns zukommen. (Bundesrat Kraml: Das glaube ich!)

Die FPÖ bekennt sich selbstverständlich dazu, obwohl ich es mir jetzt leicht machen und sagen könnte: Das war damals Frau Haubner, und die war schon beim BZÖ, das geht uns eigentlich nichts an! (Bundesrat Stadler: So lebt man leichter, oder?), dass zuerst der Asylstatus geklärt werden muss, bevor Gelder ausgeschüttet werden, weil wir es im Gegensatz zu Ihnen nicht so sehen, dass es reicht, über die Grenze zu kom­men, um hier alle Förderungen bekommen zu können, die jeder Österreicher bekommt. Wir glauben, dass Sie damit jenen, die tatsächlich Asyl brauchen, überhaupt nichts Gutes tun. Wir wollen dem Sozialtourismus nicht Tür und Tor öffnen! (Beifall des Bun­desrates Herbert.)

Ich nehme an, Sie haben vom Fall Arigona gesprochen, weil Sie ja auch aus Ober­österreich kommen. Und in diesem Zusammenhang muss ich einmal mehr darauf hin­weisen: Der Vater ist illegal eingereist, hatte einen negativen Asylbescheid, hat seine Familie mittels Schleppern illegal nachgekommen lassen. Diese Personen haben wie­der einen negativen Asylbescheid bekommen – und so geht das jetzt schon einige Male. Ich sage Ihnen: Nach unserer Auffassung kann man sich das Bleiberecht nicht ersitzen.

Aber jetzt zum eigentlichen Thema. Der Europarat hat da etwas wirklich Positives in die Wege geleitet. Ja, wir bekennen uns auch zu den Rechten des Kindes, auch wenn es da manchmal unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Art und Weise, vor al­lem im Herkömmlichen, gibt. Die Rechte der Kinder generell in den Mittelpunkt zu stellen, vor allem dann, wenn es um familienrechtliche Streitigkeiten geht, muss unser oberstes Ziel sein, weil wir immer das Wohl des Kindes im Auge haben müssen, weil es unser wertvollstes und wichtigstes Gut ist.

Gerade Kinder sind ja bei Trennungen immer die unschuldigen Opfer, die sich oft selbst schuldig wähnen, obwohl sie gar nichts dafür können, wenn sich ihre Eltern nicht mehr verstehen.

Es ist ja von meinen Vorrednern schon sehr viel gesagt worden, das ich durchaus un­terstütze und unterschreibe, zwei Dinge möchte ich aber doch noch ansprechen – ich möchte nicht alles wiederholen, was schon gesagt wurde.

Es gibt ja auch eine Empfehlung, in familienrechtlichen Angelegenheiten die Verfahren zu beschleunigen. Das halte ich für eine ganz wesentliche Sache, denn nichts ist schlimmer für Kinder als ein jahrelanges Hin- und Hergezerre.

Das Zweite ist – da haben wir in Österreich ja auch schon positive Ansätze – die ge­meinsame Obsorge der Eltern, die sich, obwohl sie anfangs doch größerer Kritik aus­gesetzt war, als etwas durchaus Positives herausgestellt hat, wiewohl viele Eltern nicht wissen, dass es diese Möglichkeit gibt. Diesbezüglich wäre in einem Trennungsfall viel­leicht eine intensivere Beratung notwendig.

Aber der letzte Schritt müsste eigentlich sein, dass es eine verpflichtende Obsorge für beide Elternteile gibt, weil beide Elternteile für ihre Kinder verantwortlich sind, wie das auch in diesem Übereinkommen richtigerweise angesprochen wird, und das Kind auch das Recht auf beide Elternteile hat. Wie wir gesehen haben, erledigen sich dadurch manche Streitigkeiten schon von vornherein. Ich hoffe, dass uns diese verpflichtende Obsorge in absehbarer Zeit gelingt. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

18.30



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 156

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. Ich erteile es ihm.

 


18.30.46

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Nur vier ganz kurze Anmerkungen.

Erstens: Wiederkehrende Berichte über Zwangsverheiratungen selbst von Kindern und Jugendlichen unterstreichen die Notwendigkeit, dass das Kinderrechtsabkommen der UNO über die europäischen Vertragspartner hinaus durchsetzbar wird und den Betrof­fenen überall wirksame Verfahren zur Verfügung stehen. Manche Kulturkreise haben, wie wir wissen, in dieser Hinsicht noch erheblichen Nachholbedarf.

In anderen Ländern wiederum ist die wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern noch nicht beseitigt, wenngleich es bei vielen Konzernen inzwischen zum guten Ton gehört, durch Kinderarbeit hergestellte Waren nicht mehr auf den Markt zu bringen.

Zweitens: In Österreich gibt es im Bereich der Unterhaltssicherung von Kindern noch einige Lücken, auf die wir kürzlich mit einer Anfrage aufmerksam gemacht haben. Es gibt nämlich einige Fälle, in denen kein Unterhaltsvorschuss gewährt wird, beispiels­weise wenn der Unterhaltspflichtige noch nicht feststeht oder überhaupt unbekannt ist oder wenn er arbeitslos ist. In solchen Fällen geht der Unterhaltsanspruch von Kindern ins Leere, und sie sind häufig, was auch kein angemessener Status ist, auf Sozialhilfe angewiesen.

Drittens: Die Frau Bundesministerin hat schon darauf hingewiesen – zu dem, was Herr Kollege Dönmez eingemahnt hat, nämlich eine Verankerung in der österreichischen Bundesverfassung –, dass das Teil des Regierungsprogramms ist, aber nicht nur das, sondern dass das auch in Arbeit ist. Das ist auch ein wesentlicher Teil der Tätigkeit der Expertengruppe, die für diesen Zweck eingesetzt wurde, und das ist in dieser Hinsicht inhaltlich völlig unbestritten. Das gilt umso mehr, als in einzelnen Ländern die Kinder­rechte ja in der Landesverfassung schon verankert sind, beispielsweise seit vier Jahren in der Vorarlberger Landesverfassung, wo es heißt, dass sich das Land zu den Zielen der Kinderrechtskonvention bekennt und demgemäß das Wohl der Kinder vorrangig zu berücksichtigen ist. – Da gibt es also weder einen Konflikt zwischen Bund und Län­dern, die von solch einer Verankerung in der Bundesverfassung auch betroffen wären, noch zwischen den handelnden Parteien.

Damit komme ich abschließend zu einem zweiten Berührungspunkt mit Interessen der Länder. Die Regierungsvorlage ging im Allgemeinen Teil der Erläuterungen davon aus, dass das Übereinkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regle und es daher keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfe. Von Länderseite wurde dieser Meinung widersprochen, zumal die Erläuterungen zu Arti­kel 12 hinsichtlich der zur Unterstützung verpflichteten innerstaatlichen Stellen aus­drücklich auf die Kinder- und Jugendanwaltschaften der Bundesländer verwiesen hat­ten.

Nach einer Intervention des Verfassungsdienstes ging dann der Justizausschuss des Nationalrates in Abweichung von der Regierungsvorlage letztlich doch davon aus, dass über das Einspruchsrecht hinaus auch die ausdrückliche Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist. Sie steht außer Streit, und es ist erfreulich, dass nunmehr auch die Einbindung der Länder im Wege des Zustimmungsrechtes des Bundesrates außer Streit steht. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 157

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 3 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.35.2411. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Verein­barung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrund­stücken geändert wird (317 d.B. und 497 d.B. sowie 7929/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungs­leistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten (319 d.B. und 498 d.B. sowie 7930/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 11 und 12 ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich bitte um die Berichte.

 


18.35.55

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betref­fend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Ver­kehr mit Baugrundstücken geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor. Daher verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zum Antrag.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 158

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf den nächsten Bericht bringen.

Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Abgel­tung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstal­ten für Insassen von Justizanstalten liegt Ihnen schriftlich vor. Daher erübrigt sich des­sen Verlesung, und ich komme sogleich zum Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile ihm dieses.

 


18.37.51

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im ersten der beiden Punkte geht es, wie wir von der Berichterstatterin gehört haben, um eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivil­rechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird. Notwendig wurde diese Änderung vor allem deswegen, um einer längst fälligen Ent­scheidung des Europäischen Gerichtshofes Rechnung zu tragen. Diese Entscheidung sollte für mehr Bürgerfreundlichkeit sorgen, vor allem aber auch für mehr Rechtssicher­heit.

Artikel 2 Abs. 2 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern sieht derzeit vor, dass ein Rechtsgeschäft dann unwirksam wird, wenn nicht binnen zweier Jahre nach Ablauf der dafür bestimmten Frist das Ansuchen um die verwaltungsbehördliche Genehmigung, die Anzeige des Rechtsvorganges bei der Behörde beziehungsweise die erforderliche Erklärung nachgeholt wird. In Hinkunft soll die Rechtsunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht mehr am bloßen Ablauf von zwei Jahren anknüpfen, viel­mehr soll das Rechtsgeschäft dann rechtsunwirksam werden, wenn eine von der Grundverkehrsbehörde gesetzte Frist zur Nachholung der versäumten Handlung unge­nützt verstreicht.

Durch diese Änderung wird sichergestellt, dass ein Rechtsgeschäft nicht etwa durch die bloße Nachlässigkeit der Vertragsparteien, die irrtümlich grundverkehrsrechtliche Belange nicht beachten, rechtsunwirksam werden könnte.

Im zweiten Punkt geht es ebenfalls wieder um eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, genauer gesagt um eine Fortschreibung der Vereinbarung für die Jahre 2009 und 2013. Es hat ja auch in der Vergangenheit schon diese Vereinbarung gegeben, und die wird jetzt ein drittes Mal für den genann­ten Zeitraum verlängert.

Inhalt der Vorlage ist die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten. Die Länder ver­pflichten sich mit dieser Vereinbarung, jährlich einen Betrag von knapp über 8,5 Millio­nen € an den Bund zu leisten. Wenn man sich die jährlich anfallenden Kosten genauer anschaut, dann kann man feststellen, dass dieser von den Ländern geleistete Betrag nur zirka 30 Prozent der Gesamtkosten abdeckt. Die enormen Kostensteigerungen in diesem Bereich sollten meiner Meinung nach einen Diskussionsprozess in Gang set-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 159

zen über die Frage, wie es in Zukunft zu einer Kostensenkung in diesem Bereich kom­men kann, aber – dies sei dabei betont – ohne die medizinische Versorgungsleistun­gen für Insassen von Justizanstalten einzuschränken.

Unsere Fraktion wird natürlich beiden Vereinbarungen die Zustimmung geben.

Ich möchte nur in Bezug auf den letzten Punkt, den Diskussionsprozess, den ich ange­sprochen habe, sagen: Dieser ist ja, glaube ich, auch im Ministerium schon angedacht oder eingeleitet worden, und die Frau Ministerin ist ja schon damit beschäftigt. Aber man sieht, und ich darf da auf eine heute schon öfter zitierte Zeitung, die in Österreich Meinung macht, Meinung bildet, verweisen (Ruf: Eine oberösterreichische!) – eine oberösterreichische, die aber nicht nur in Oberösterreich, sondern in ganz Österreich erhältlich ist –, dass hier wieder versucht wird, Beamtinnen und Beamte, die unter wirk­lich nicht immer leichten Bedingungen ihren Job versehen, zu verunsichern und irgend­welche Privatisierungsgelüste ins Gespräch zu bringen.

Ich glaube, das ist der falsche Denkprozess. Ich glaube, wir sollten wirklich ehrlich über diese Dinge diskutieren, und man sollte nicht immer versuchen, die Politik schlecht zu machen, indem man mit Berichten in Zeitungen eine gewisse Gruppe von Menschen in unserem Land immer verunsichert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. – Bitte schön.

 


18.42.36

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! In gebotener Eile möchte ich zu diesen zwei Ta­gesordnungspunkten Stellung nehmen, wobei ich natürlich schon anmerken möchte: Wenn man nicht mehr zu Artikel-15a-Vereinbarungen sprechen kann, dann fühle ich mich eigentlich auch nicht mehr als Bundesrat, sondern als Mitglied einer Abnickungs­einrichtung. Das sei an dieser Stelle allen Ernstes gesagt, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Wie Kollege Stadler bereits ausgeführt hat, befassen sich diese beiden Vorlagen einer­seits mit zivilrechtlichen Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken und andererseits mit der Abgeltung von stationären Versorgungsleistungen von öffent­lichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten.

Wie auch Kollege Stadler uns bereits erklärt hat, ging es bei der erstgenannten Materie um eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hinsichtlich der Frage, wann dieses Rechtsgeschäft unwirksam wurde und was die entsprechende Bestimmung schlussendlich zu beinhalten hat.

Deshalb ganz kurz: In Hinkunft wird ein derartiges Rechtsgeschäft nicht durch den Ab­lauf dieser Frist rechtsunwirksam, sondern erst dann, wenn die Grundverkehrsbehörde eine Nachfrist setzt und diese ungenützt verstreicht. Es wird also ein zusätzlicher Be­hördenakt erforderlich, wo die Behörde auf den Grundstückserwerber zugeht. Das ist eine Verbesserung des Bürgerservice und natürlich auch eine Verbesserung der Rechtssicherheit in einem Verwaltungsverfahren. Und das, Frau Ministerin, ist, glaube ich, sehr zu begrüßen.

Bei genauer Betrachtung hätte man natürlich unter Umständen auch sagen können, die Errichter der Vertragsurkunde, also Notare und Rechtsanwälte, wären hier auch in die Pflicht zu nehmen. Und es bestünde die Möglichkeit, diese Menschen, die ja mit Verträgen auch sehr viel Geld verdienen, hier in die Pflicht zu nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 160

Zur zweiten Materie: Wie auch Kollege Stadler erwähnt hat, verlängern wir diese Arti­kel-15a-Vereinbarung, also einen Vertrag mit den Ländern, bereits zum zweiten Mal, und zwar um fünf Jahre. Nach diesem Vertrag wird für die Behandlung und Betreuung von Inhaftierten von Justizanstalten eine pauschale Abgeltung von zirka 8,55 Millio­nen € von den Ländern bezahlt – also auch keine kleine Summe. Aber trotzdem, wenn ich die angestiegenen Kosten im Gesundheitsbereich betrachte, dann glaube ich, dass das Justizministerium mit diesem Betrag nicht unbedingt eine Freude haben wird. Das kann man, denke ich, ermessen. Aber ich meine, man kann auch festhalten, dass es den Ländern finanziell auch nicht so gut geht. Und wenn es hier eine Einsparungsmög­lichkeit gibt oder keine Verpflichtung besteht, mehr zu zahlen, dann werden die Län­dern sagen: Danke, wir zahlen den bisherigen Beitrag!

Meiner Meinung nach wäre es auch sinnvoller – Kollege Stadler hat ja angesprochen, dass diesbezüglich bereits ein Prozess im Gange ist –, sich zu überlegen, wie man das tatsächlich besser regeln oder der Kostenwahrheit entsprechen könnte. Dann wäre es vielleicht doch möglich, dass diese inhaftierten Menschen in irgendeiner Form in die Sozialversicherung kommen, dass die Sozialversicherung sozusagen verlängert wird und sie nicht aus der Sozialversicherung herausfallen und dass wir dann hier auch mehr Transparenz haben und entsprechende Kostenwahrheit glaubhaft machen kön­nen.

Wir werden selbstverständlich diesen beiden Vorlagen gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


18.46.12

Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Auch wieder ein Thema, was vielleicht für Spannung sor­gen wird: Schubhaft.

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich eines vorausschicken: Wir werden diesen beiden Tagesordnungspunkten unsere Zustimmung erteilen. Bei beiden Punkten han­delt es sich um eine – wenn auch nur leichte – Verbesserung der bisher geltenden Rechtslage. Allerdings greift die Artikel-15a-Vereinbarung bezüglich der Abgeltung sta­tionärer medizinischer Versorgungsleistungen in Justizanstalten viel zu kurz. Es bleibt für mich die Frage offen, warum ein öffentliches Krankenhaus der Justiz für medizini­sche Versorgungsleistungen für Häftlinge ausgerechnet den Privatkostentarif verrech­net. Und meine Hauptkritik richtet sich gegen die Unvollständigkeit der Strafvollzugs­politik in unserem Land.

Diese Vereinbarung ist, weil es sich wieder um eine kurzfristige Vereinbarung handelt, lediglich eine kleine Mängelbehebung, wie so vieles im österreichischen Strafvollzug. Obwohl ich mich freue, dass diese Vereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund zustande gekommen ist und dass es diese gibt, muss ich sagen: Es handelt sich mei­ner Ansicht nach dabei um eine echte Tragödie. Es gleicht einem unwürdigen Schau­spiel, wenn darüber diskutiert werden muss, wer die Kosten für die medizinische Be­handlung von kranken Häftlingen zu tragen hat.

Unsere Justizministerin beklagt den exorbitanten Anstieg der medizinischen Betreu­ungskosten in den Justizanstalten. Immer mehr Häftlinge werden immer kränker. Und sie erkranken immer zahlreicher, weil dieses System des Strafvollzuges sie krank macht. Viele dieser Krankheiten haben psychologische und psychosomatische Ursa­chen, für die es aber am allerwenigsten Mittel und Beistand gibt. Da kann ich aus mei-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 161

ner beruflichen Zeit, als ich ein Praktikum auch in einer Justizanstalt gemacht habe, wirklich ein Lied davon singen.

Noch weniger bemerke ich in den Reihen der Verantwortlichen Verständnis für die oft verzweifelte Lage der Weggesperrten. Bei dieser Vereinbarung kann es sich offenbar nur um eine kleine Mängelbehebung handeln, weil das bestehende System regelrecht nach einer umfassenden, modernen Reform schreit. Wir haben jetzt in Österreich eine Situation, in der aufgrund der verwerflichen Vorfälle von Todesfällen, von Selbstmor­den, von korrumpierbaren Beamten der Strafvollzug in der Öffentlichkeit ausschließlich in negativen Schlagzeilen abgehandelt wird. Es entsteht der Eindruck, als kämen die Strafvollzugsbediensteten mit ihrer Arbeit nicht mehr zurande – wobei ich hier keine einzelnen Personen beschuldigen möchte, vielmehr handelt es sich um die Überforde­rung eines Systems; ganz zu schweigen von den Alarmmeldungen der Gewerkschaf­ten, was Personalmangel anlangt. Es gab auch andere Zeiten in Österreich, in denen wir uns der Herausforderung eines modernen Strafvollzugs stellten und zeitgemäße Reformen durchgeführt wurden.

Die vorliegende Vereinbarung spart die wirklich sensiblen Bereiche aus, weil die un­fassbaren, menschenunwürdigen Bedingungen in der Schubhaft und in den Polizei­anhaltezentren dadurch keinerlei Verbesserung erfahren. Ich brauche Ihnen da sicher nicht die schrecklichen Details zu schildern und die unwürdigen Vorkommnisse in die­sen Anstalten noch detaillierter auszuführen, aber einige muss ich doch erwähnen: Fa­milien werden auseinandergerissen, Hochschwangere werden isoliert, Menschen ohne Rücksicht auf ihre persönliche Geschichte und auf ihren Hintergrund zusammenge­pfercht. Das sind Zustände, die höchst bedenklich sind.

Ich gehe davon aus, dass Sie aus den Medien diese kurz angeführten Formulierungen zur Genüge kennen. Immer mehr Menschen, die, auf Gerechtigkeit und Freiheit hof­fend, nach Österreich flüchten, lernen unser Land als Erstes aus der Perspektive des Schubhaftgefängnisses kennen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Von welchem Land reden Sie, Herr Kollege?) – Von Österreich. Wir sind hier im österreichischen Bundesrat.

Die medizinische und psychologische Versorgung, soweit überhaupt vorhanden, ist in der Schubhaft eines westlichen Industrielandes wirklich unwürdig. Die Einschränkung der persönlichen Freiheit von Schubhäftlingen ist ein Skandal. Nur die auserwählten, das heißt unkritischen, NGOs – und ich glaube, da brauche ich auch keine Namen zu nennen; die Insider wissen, wen ich hier meine – erhalten Zugang zu den Haftanstal­ten.

Nun hat die Regierung mit der Verlängerung dieser Artikel-15a-Vereinbarung wieder eine kleine Überbrückungshilfe geschaffen. Viel lieber würde ich heute hier ein moder­nes Strafvollzugsgesetz diskutieren – und nicht wieder einen kleinen chirurgischen Ein­griff in ein hoffnungslos überfordertes und unmenschliches System. (Beifall bei den Grünen.)

18.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesministerin Dr. Berger. – Bitte.

 


18.51.38

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich beziehe mich im Wesentlichen auf die zweite Artikel-15a-Vereinbarung, die heute auf der Tagesordnung steht. Tatsache ist – und das wurde ja von einigen Rednern ange­sprochen –, dass die Kosten für externe Krankenhausaufenthalte von Insassen von Justizanstalten in den letzten Jahren wirklich enorm und überproportional gestiegen sind. Der Aufwand ist vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2007 um 144 Prozent gestiegen,


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 162

und das ist jener Posten im Budget des Bundesministeriums für Justiz, der die stärkste Steigerungsrate aufweist.

Für diese Kostenentwicklung sind zum einen die kontinuierlich steigenden Einweisun­gen geistig abnormer Rechtsbrecher maßgeblich. Das hat mit dem Gesundheitszu­stand sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht der österreichischen Be­völkerung zu tun. Es ist nicht so, dass der Strafvollzug krank macht, sondern Tatsache ist, dass viele Personen, die in Strafhaft kommen, die in den Maßnahmenvollzug kom­men, tatsächlich in einem schlechteren gesundheitlichen Zustand kommen, dass mehr Personen kommen. Wir haben ja insgesamt einen Anstieg von vor wenigen Jahren noch 6 000 Insassen auf jetzt 9 000 Insassen. Auch das schlägt sich natürlich bei den Kosten nieder.

Tatsache ist, dass es – und das wurde auch schon erwähnt – trotz aller Bemühungen bis heute nicht gelungen ist, dass unsere Insassen auch krankenversichert sind. Sie sind derzeit nur arbeitslosenversichert, aber nicht krankenversichert, was dazu führt, dass wir in den Krankenhäusern den Privatkundentarif zahlen müssen, der zum Bei­spiel auch bei psychiatrischen Abteilungen enorm hoch ist – er liegt im Durchschnitt bei 400 € pro Tag. Da würde man sich vorstellen, die liegen dort auf einer Intensivstation. Tatsache ist, dass sie sozusagen in der Früh wahrscheinlich eine Tablette bekommen und am Abend eine Tablette bekommen. Und das kostet uns im Durchschnitt 400 €, bei manchen psychiatrischen Krankenhäusern sogar bis zu 570 €.

Insgesamt sind wir natürlich froh, dass hier die Länder einen Beitrag leisten. Er war einmal gedacht als Ausgleich dafür, dass wir eben auch in den von den Ländern erhal­tenen Spitälern den Privatkostentarif zahlen, und dieser Ausgleichsbetrag war genau in dieser Höhe bemessen, um so quasi auf den Sozialversicherungstarif herunterzukom­men. Da dieser Betrag aber nie valorisiert wurde – insofern hat Herr Bundesrat Mayer recht, wenn er sagt, dass ich damit nicht glücklich sein kann –, deckt er, nachdem er ursprünglich 52 Prozent der Aufwendungen in diesem Bereich abgedeckt hat, mittler­weile aufgrund der neuesten Zahlen, die wir haben, nur mehr 22 Prozent der Aufwen­dungen. Der Bund übernimmt hier also einen sehr hohen Anteil.

Wie gesagt, ich habe mich in den Finanzausgleichsverhandlungen darum bemüht, dass wir hier einen höheren Betrag bekommen – das ist leider nicht gelungen. Ich bin froh, dass ich diesen Betrag habe, muss aber natürlich jetzt gleichzeitig Maßnahmen einleiten, damit wir die Kosten in diesem Bereich senken. Und das kann nur darin bestehen, dass wir weniger externe Leistungen zu diesem teuren Privatkostentarif in Anspruch nehmen und dass wir wieder mehr interne Leistungen erbringen. Das heißt, dass wir an zwei Standorten, nämlich am bestehenden Standort Asten und am neu ge­planten Standort 3. Bezirk Wien, Baumgasse, eigene Anstalten zusätzlich errichten werden, wo wir diese Patienten mit eigenem Personal versorgen und wo wir für das zusätzliche medizinische und Pflegepersonal, das wir hier brauchen, die auch schon in der Öffentlichkeit zitierte Justizbetreuungsagentur einsetzen werden, eine Anstalt öf­fentlichen Rechts, die zu 100 Prozent dem Justizministerium gehört. Über diese Anstalt sollen Pflegekräfte, sollen Ärzte beschäftigt werden, ergänzend zu den bestehenden Bediensteten. Es wird bei uns niemand abgebaut, es werden keine Leitungsfunktionen mit so quasi geliehenem Personal besetzt, aber wir müssen schauen, dass wir hier mit den Kosten herunterkommen. Wir schaffen derzeit dort, wo wir eigene Anstalten ha­ben, wie zum Beispiel in Göllersdorf, eine gute Betreuung um 200 €. Wenn wir das für mehr Patienten schaffen und eben nicht diese teuren durchschnittlichen Tarife von 400 € zahlen müssen, dann ist damit auch eine Kostenersparnis erreicht, die ich für sehr wichtig halte.

Zur Qualität des Strafvollzugs muss ich mich jetzt schon auch sozusagen zu Wort mel­den. Ich war sicher die, die voriges Jahr sehr häufig bei Debatten hier, aber auch im


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Nationalrat darauf hingewiesen hat, dass es durch den hohen Überbelag tatsächlich zu Problemen in den österreichischen Strafanstalten kommt. Ein hoher Überbelag, Perso­nalreduktionen, eine sehr schwierige Klientel, die wir zum Teil in unseren Justizanstal­ten haben – aber so, dass man sagen könnte, es ginge menschenunwürdig zu und dass ein nicht gesetzeskonformer Strafvollzug gegeben ist, ist die Situation tatsächlich nicht. Es bemühen sich hier alle sehr, die gesetzlichen Ziele des österreichischen Strafvollzugsgesetzes einzuhalten. Wir haben uns durch das sogenannte Haftentlas­tungspaket, das voriges Jahr beschlossen wurde, auch ein bisschen Spielraum ver­schafft. Und durch den Bau einer weiteren Anstalt, nämlich im 3. Wiener Gemeinde­bezirk, soll auch die bauliche Situation insgesamt und insbesondere im ostösterreichi­schen Bereich etwas entlastet werden.

Wogegen ich mich besonders wehre – und mir ist kein einziger Fall bekannt! –, ist der Vorwurf, dass es korrupte Strafvollzugsbeamte gäbe. Diesen Vorwurf weise ich wirklich zurück und betone noch einmal: Der österreichische Strafvollzug ist gesetzeskonform. Er ist menschenwürdig. Ich leugne aber nicht, dass wir aufgrund der hohen Zahl der­zeit Probleme haben.

Für die Schubhaft kann dieses Übereinkommen überhaupt nicht zur Anwendung kom­men. Der Aufenthalt in den Anhaltezentren ressortiert in diesem Fall zum Innenministe­rium, und dieses Abkommen bezieht sich nur auf die stationären Kosten, die entste­hen, wenn Insassen von Strafanstalten Leistungen entgegennehmen müssen. – Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Abgeltung statio­närer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für In­sassen von Justizanstalten.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

19.00.0913. Punkt

Jahresvorschau des BMJ 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2008 sowie des Ratspräsident-


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schaftsprogramms Sloweniens für den Bereich Justiz und Inneres (III-342-BR/2008 d.B. sowie 7931/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 13. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist wiederum Frau Bundesrätin Grimling. Ich bitte um den Bericht.

 


19.00.26

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Der Bericht des Justizausschusses über die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Justiz 2008 auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2008 sowie des Rats­präsidentschaftsprogramms Sloweniens für den Bereich Justiz und Inneres liegt Ihnen schriftlich vor. Daher erübrigt sich dessen Verlesung, und ich komme sogleich zum An­trag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 den Antrag, die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Justiz 2008 auf der Grundlage des Le­gislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2008 sowie des Ratspräsidentschaftsprogramms Sloweniens für den Bereich Justiz und Inneres zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

19.01.5114. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden (479 d.B. und 513 d.B. sowie 7912/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nunmehr zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Molzbichler. Ich bitte um den Bericht.

 


19.02.09

Berichterstatter Günther Molzbichler: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Der Be­richt des Finanzausschusses hiezu liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Es erübrigt sich daher dessen Verlesung, und ich komme sogleich zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


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19.02.5915. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz
und das Kapitalmarktgesetz geändert werden (452 d.B. und 514 d.B. sowie 7913/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wird (515 d.B. sowie 7914/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz und
die Bundesabgabenordnung geändert werden (674/A und 516 d.B. sowie 7915/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 15 bis 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 15 bis 17 ist Herr Bundesrat Todt. Ich bitte um die Be­richte.

 


19.03.26

Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zuerst bringe ich den Bericht betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz und das Kapital­marktgesetz geändert werden. Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Es erübrigt sich daher dessen Verlesung, und ich komme sogleich zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wird. Der Text hiezu liegt Ihnen ebenfalls vor, und ich komme daher sogleich zum An­trag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe schließlich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden. Der Text hiezu liegt Ihnen ebenfalls vor, und ich komme daher sogleich zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.


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19.05.14

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es kurzfristig vorbei mit unserem Zustimmungsmarathon heute. (Allgemeine Heiterkeit. Bundesrat Schennach: Liegt das am Staatssekretär? Neuerliche allgemeine Heiter­keit.) – Nein, ich glaube, Sie schicken zum Ablehnen immer mich heraus. Der Stefan traut sich das dann nicht. (Bundesrätin Fröhlich: Ah, Stefan! Schäm dich! Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.)

Zum Investmentfondsgesetz: Die Umsetzung der EU-Richtlinie soll Auslegungsunsi­cherheiten beseitigen und mehr Klarheit schaffen. Das wäre für uns in Ordnung.

Nicht so sehr in Ordnung ist für uns, dass dieser Entwurf auch vorsieht, dass das In­vestmentfondsgesetz insofern an die Nachbarstaaten angepasst wird, als die Rechts- und Marktentwicklung berücksichtigt wird. Dass man sich dabei offenbar Luxemburg als Vorbild nimmt, ist für uns nicht der richtige Zugang.

Des Weiteren ist unser Eindruck, dass die Interessen der österreichischen Fonds bes­ser geschützt werden als die Interessen der österreichischen FondsanlegerInnen, ins­besondere der KleinanlegerInnen. Da wäre es zum Beispiel ein Wunsch – der wurde auch schon im Nationalrat geäußert und den hat auch schon die Arbeiterkammer vor­gebracht –, dass es Vorschriften für verständlichere, klarere und lesbarere Prospekte gäbe, weil das eben ein wichtiger Schritt wäre, Kleinanleger zu schützen – indem sie einfach Papiere vorgelegt bekommen, die sie auch leichter verstehen und durchschau­en können.

Zum Versicherungsaufsichtsgesetz beziehungsweise zur Änderung der Regelungen für die Schwankungsrückstellungen: Die werden künftig im Eigenkapital berücksichtigt, also dem Eigenkapital zugerechnet werden können. Das ist sicherlich ein Vorteil für die Versicherungen.

Die bisherige österreichische Regelung war eine sehr stark nach dem Vorsichtsprinzip orientierte Rechnungslegungsvorschrift. Die wird jetzt doch zurückgestutzt, und diese Lockerung ist eben im Sinne der Versicherung, aber nicht im Sinne des Schutzes der VersicherungsnehmerInnen.

Da man sich bei diesem Gesetzentwurf das Begutachtungsverfahren gespart hat, spa­ren wir uns jetzt die Zustimmung. (Beifall bei den Grünen.)

19.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


19.07.59

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die drei vorliegenden Gesetzesänderungen haben alle gemeinsam, dass sie für mehr Sicher­heit auf dem Kapitalmarkt sorgen.

Mehr Transparenz, mehr Schutz für die Anleger, mehr Rechtssicherheit, mehr Klarheit und eine bessere Vergleichbarkeit: Das alles wird das neue Gesetz bringen.

Ich fasse mich jetzt kurz, weil Frau Kerschbaum auch schon einiges gesagt hat. Mir ist es wichtig, dass in diesem Bereich wirklich Sicherheit Einzug hält, denn was wir in den letzten Monaten gerade auf dem Kapitalmarkt miterleben mussten, war nicht mehr schön. Da wurden Kreditbündel geschnürt, die ganz zu Beginn schon einen strengen Geruch gehabt haben. Diese Kreditbündel sind dann reihum auf der ganzen Welt ge-


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kauft und verkauft worden, aber es hat eigentlich niemand mehr so recht gewusst, was er im Keller liegen hat.

Wir alle wissen, dass dabei Milliarden von Euro in den Sand gesetzt wurden. Die Ze­che zahlt natürlich jemand. – Es ist ja nicht so, dass dieses Geld nicht irgendwo ab­geht. Die Zeche zahlen meiner Meinung nach auch die Klein- und Mittelbetriebe, die wesentlich schwerer zu Geld kommen, die Geld für Investitionen brauchen, die dann mit Basel II konfrontiert werden, die hunderte Unterschriften bringen müssen, damit sie 15 000, 20 000 € bekommen. – All das sind Auswirkungen dieser Kreditgeschäfte. Ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass strenge Kontrollen eingezogen werden und dass auch entsprechend geprüft wird.

Das Versicherungsaufsichtsgesetz bestimmt die Bilanzierungsregelungen, und zwar geht es da bei den Konzernabschlüssen um die Schwankungsrückstellungen.

Bundesabgabenordnung – dies ist das dritte Gesetz, das wir heute ändern – regelt die Lastschriften bei der EU-Quellensteuer und bei der Kapitalertragsteuer.

Wie gesagt, alle drei Gesetze sind unserer Meinung nach wichtig, und wir werden da­her dazu unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

19.10


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


19.10.33

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon bei den an­deren Gesetzesbeschlüssen des heutigen Tages geht es auch bei dieser gemeinsa­men Abstimmung um das Thema Transparenz. So kompliziert etwa das Investment­fondsgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz und das Kapitalmarktgesetz sind, so sehr entscheidend ist es ganz einfach, dass die Anleger in ihren schützenswerten Interessen auch tatsächlich geschützt werden.

Es stimmt schon, ein Gesetz wie das Investmentfondsgesetz ist für Nichtexperten kaum lesbar und damit auch kaum verständlich. Doch was ist bei solch einem Gesetz entscheidend? – Dass möglichst wenig auslegungsbedürftig ist und dass keine Mög­lichkeiten bestehen, konsumentenschädigende Lücken zu finden.

Bei den beschlossenen Novellen werden hauptsächlich europarechtliche Vorschriften in nationales Recht umgesetzt. Es sind dies vor allem die Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für ge­meinsame Anlagen in Wertpapieren sowie die EU-Prospektrichtlinie und die EU-Pro­spektverordnung. Die Auswirkungen sind durchwegs als positiv einzustufen – positiv im Sinne der Rechtsklarheit durch eine richtliniennahe Umsetzung und positiv auch für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Das ist letztlich auch – und das ist ganz wichtig – positiv für den Anleger, weil durch die Vorschriften eine internationale Vergleichbarkeit erleichtert und hergestellt wird. We­sentlich dabei ist, dass sich die Umsetzung auf das Richtliniennotwendige beschränkt. Es wird weitestgehend die Systematik der Richtlinien übernommen, und es war ein be­sonders Anliegen, durch weitestgehende Anlehnung an die Richtlinienformulierung ein größtmögliches Maß an Harmonisierung in diesem Rechtsbereich zu erreichen.

Damit gewährleisten wir eine EU-weit einheitliche Auslegung der Vorschriften. Es gibt bei dieser Umsetzung kein Austriacum, damit erreichen wir ganz einfach Rechtssicher­heit.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 168

In Wirtschaftsbereichen wie etwa bei Immobilienfonds findet eine immer stärkere euro­päische beziehungsweise internationale Verflechtung statt. Das bedingt natürlich, dass wir die Rahmenbedingungen relativ gleich halten müssen, damit unsere Unternehmen keine Wettbewerbsnachteile erleiden.

Die richtliniennahe Umsetzung der Bestimmungen erleichtert den grenzüberschreiten­den Vertrieb von Investmentfonds und verhindert eine nachteilige Wettbewerbsposition des Wirtschaftsstandortes Österreich. Zusammenfassend haben wir eine Umsetzung ohne Golden Plating.

Im Detail werden bestimmte Definitionen betreffend die Veranlagungsbestimmungen und Instrumente, die veranlagt werden, klargestellt, wobei die Entwicklungen der Fi­nanzmärkte berücksichtigt wurden.

Durch die Harmonisierung hinsichtlich der Ausgestaltung der Veranlagungsprodukte in den Bereichen Ausschüttungsmodalitäten, Bezeichnung und Berechnung je nach An­teilsgattung werden die Wettbewerbsfähigkeit und die bessere Vergleichbarkeit von Produkten ermöglicht und die grenzüberschreitende Vermarktung von Investmentfonds verbessert.

Um das zu verdeutlichen: Ein Produkt des Investmentfonds X hat in der Zukunft in je­dem Mitgliedstaat die gleiche Kennzeichnung. Mit der Richtlinie wird auch das recht­liche Umfeld zusätzlicher Finanzierungsinstrumente klar geregelt.

Befreien wir uns bitte von dem Gedanken, dass zusätzliche Finanzinstrumente gleich ein Nachteil für die Anleger sein müssen! Wichtig ist, dass jeder weiß, mit welchen Pro­dukten und Gesellschaften er es zu tun hat.

Für die Finanzwirtschaft wesentlich ist, dass diese Maßnahmen keine weiteren Auswir­kungen auf die Verwaltungskosten für die betroffenen Kreditinstitute, Versicherungs­unternehmer oder die Kapitalgesellschaften haben. Es werden durch diese Novelle kei­ne relevanten neuen Informationspflichten geschaffen. Bitte bedenken Sie, dass neue Regelungen und Maßnahmen im Finanzbereich millionenteure Investitionen auslösen können!

Im Umfeld dieser Gesetzesnovellen musste auch das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden. Das Problem ergab sich dadurch, dass Österreich sehr restriktive Bilanzierungsvorschriften hinsichtlich der Ermittlung der Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen aufwies, was teilweise zu einer schlechteren Beurteilung durch die Rating-Agenturen führte.

Um diesem Wettbewerbsnachteil entgegenzutreten, entschließt man sich mit dieser Novelle dazu, dass die Schwankungsrückstellungen zum Eigenkapital dazugerechnet werden können. Dieser bisher bestandene Nachteil hätte nur durch eine Verlegung des Hauptsitzes des Unternehmens in ein Nachbarland ausgeglichen werden können. Es werden nun die Berechnungsvorschriften der Eigenmittel von Versicherungsunterneh­men geändert.

Bis jetzt sind im Konzernabschluss eines Versicherungsunternehmens die in den Ein­zelabschlüssen der Konzerngesellschaften ausgewiesenen Schwankungsrückstellun­gen von den bereinigten Eigenmitteln abzuziehen. Künftig kann der Abzug unterblei­ben, dies ist allerdings nur dann zulässig, wenn im Anhang zum Konzernabschluss die bereinigten Eigenmittel, die sich nach Abzug der in den Einzelabschlüssen ausgewie­senen Schwankungsrückstellungen ergeben, offengelegt werden.

Da Veranlagungsergebnisse erfahrungsgemäß sehr stark schwanken, ist der Glät­tungsmechanismus der Schwankungsrückstellungen vorgesehen. Diese Schwan­kungsrückstellungen sind so etwas wie ein Reservekanister beim Auto. In Jahren mit


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hohen Erträgen an den Kapitalmärkten wird dieser Kanister gefüllt, um in Jahren mit geringeren Erträgen eine Reserve zu haben.

Auch diese Maßnahme dient der Sicherheit und einer kontinuierlichen Kapitalentwick­lung. Daher ist es nur rechtmäßig und sachgerecht, dass diese Rückstellungen als Eigenmittel gewertet werden.

Gegen diese Änderungen bestehen keine Bedenken, weil mit der Offenlegungspflicht im Anhang die Adressaten des Konzernabschlusses und damit auch die Versicherten über die bereinigten Eigenmittel auf Gruppenebene in angemessenem Umfang infor­miert werden.

Und jetzt zur vorhin aufgeworfenen Frage, warum dieser Initiativantrag eingebracht wurde: Das war ganz einfach ein schon länger geäußerter Wunsch der Versicherungs­wirtschaft. Im Ergebnis erreichen wir damit wettbewerbsrechtliche Rahmenbedingun­gen, die heimische Versicherungsanstalten nicht schlechter stellen als andere. Es war jetzt einfach der richtige Zeitpunkt, auch in diesem Bereich die international ohnehin üblichen Standards auch bei uns umzusetzen. – Ich hoffe, Stefan (in Richtung des Bundesrates Schennach), das reicht dir, denn du warst es, der wissen wollte, warum der Initiativantrag eingebracht wurde.

Jetzt zum Einkommensteuergesetz, zum EU-Quellensteuergesetz und zur Bundesab­gabenordnung: Für diese steuerrechtlichen Novellen hat es zwei Auslöser gegeben: Erstens wird damit eine Besteuerungslücke geschlossen. Zweitens wurde ein bisher in der Verwaltungspraxis bewährtes Modell der Kapitalertragbesteuerung vom Verwal­tungsgerichtshof gekippt. Eine gesetzliche Absicherung war daher notwendig.

Zum ersten Punkt, zur Besteuerungslücke, bringe ich ein Beispiel: Ein Grundsatz
des österreichischen Steuerrechts ist, dass Kapitalerträge, wie zum Beispiel Zinsen, von Inländern steuerpflichtig sind. Es ist davon Kapitalertragsteuer in der Höhe von 25 Prozent zu bezahlen. Diese ist zum Zeitpunkt der Zinszahlung fällig.

Die Besteuerungslücke bestand bis jetzt darin, dass man die KESt dadurch vermeiden konnte, dass man vor Fälligkeit der Zinsen seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Damit verliert Österreich das Besteuerungsrecht an den Zinsen. Das ist nicht sachgerecht, und es liegt somit auf der Hand, dass man das ändern muss. Daher ist mit dieser No­velle vorgesehen, dass im Falle des Wegzuges für entstandene, aber noch nicht fällige Zinsen KESt zu zahlen ist.

Um den EU-gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit zu entspre­chen, ist außerdem vorgesehen, dass bei einem Wegzug in einen anderen Mitglied­staat die Versteuerung der Zinsen bis zur tatsächlichen Fälligkeit aufgeschoben wer­den kann, wenn der Betroffene dies beantragt.

Und nun zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes: Es geht dabei um das bisher praktizierte Gutschrift-/Lastschriftsystem bei der Verrechnung von Stückzinsen im Zuge der Abrechnung der Kapitalertragsteuer. Beim Verkauf eines Wertpapiers wird für be­reits entstandene, aber noch nicht fällige Zinserträge beim Veräußerer Kapitalertrag­steuer einbehalten. Umgekehrt erhält der Erwerber eine Gutschrift in gleicher Höhe.

Werden die Zinserträge dann fällig, werden die während der gesamten Laufzeit der Anleihe aufgelaufenen Zinsen der Kapitalertragsteuer unterworfen. Dieses Gut­schrift‑/Lastschriftsystem stellt sicher, dass Kapitalerträge letztendlich wirtschaftlich bei dem versteuert werden, in dessen Behaltezeitraum sie entstanden sind. Diese Vor­gangsweise erscheint sachgerecht, hat sich dem Grund nach bewährt und stellt für die abzugsverpflichteten Banken eine verwaltungsökonomische Art der Vollziehung dar.


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Für die Kreditinstitute hat dies den Vorteil, dass sie keine Ausnahmefälle verwalten müssen. Damit werden den Kreditinstituten Aufwand und Kosten erspart. Für die An­leger ist es sowieso aufkommensneutral. Diese ökonomische Vorgangsweise hat der Verwaltungsgerichtshof im konkreten Fall mangels gesetzlicher Deckung für unzulässig erklärt. Um diese bewährte Praxis auch gesetzlich abzudecken, ist daher diese vorlie­gende Novelle notwendig und somit auch zu begrüßen. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


19.21.17

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Es liegen heute drei Materien zur Be­schlussfassung vor. Zunächst geht es um das Investmentfondsgesetz.

Die Bundesregierung unterstützt die europäische Zielsetzung, einen möglichst einheitli­chen Rechtsrahmen für Veranlagungsbestimmungen für Investmentfonds zu schaffen.

Es geht erstens um mehr Transparenz – sprich bessere Vergleichbarkeit von Produk­ten –, mehr Schutz und mehr Rechtssicherheit für die Anleger. Die Produktvielfalt in Verbindung mit Transparenz und Rechtsklarheit kommt zweifellos den Konsumenten zugute.

Zweitens ist es zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen In­vestmentfonds gegenüber denen anderer Mitbewerber des europäischen Wirtschafts­raumes auch notwendig, das Investmentfondsgesetz entsprechend den zwischenzeit­lich insbesondere in den Nachbarstaaten vonstatten gegangenen Rechts- und Markt­entwicklungen unter Wahrung des Anlegerschutzes anzupassen.

Mit einem Wort: Die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Österreich wird weiter verbessert, was sich letztendlich durch die damit verbundene Wertschöpfung natürlich positiv auf die Beschäftigungszahlen auswirken wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Obwohl man das Investmentfondsgesetz nicht unmittelbar mit Devisenoptionsgeschäften in Verbindung bringen darf, möchte ich zu einer sehr aktuellen Situation Stellung nehmen: In jüngster Zeit kam es gerade in unserem Bundesland Burgenland in einigen Gemeinden und Verbänden teilweise zu hohen Verlusten bei sogenannten Devisenoptionsgeschäften. Es haben in unserem Bundesland Burgenland insgesamt elf Gemeinden auf Vermittlung einer Bank hoch riskante Devisenoptionsgeschäfte abgeschlossen. Sieben Gemeinden davon haben dabei große Verluste eingefahren.

Meines Erachtens gehören klare Richtlinien für die Gemeinden gesetzt, nach welchen Kriterien Finanzmanagement möglich ist. Die Gemeindeaufsicht soll und muss in die­sem Zusammenhang als Servicestelle für die Gemeinden und die Kommunen dienen. Es kann nicht in der Autonomie der Gemeinden liegen, hoch riskante Spekulations­geschäfte abzuwickeln.

Ich möchte da schon die gerechtfertigte Kritik anbringen, dass in diesem Fall im Bur­genland Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Steindl als Gemeindereferent und zu­ständiges Aufsichtsorgan säumig geworden ist. Seit 2003 war bekannt, dass Gemein­den hoch riskante Devisenoptionsgeschäfte tätigen.

Auf Drängen der SPÖ wird jetzt die Gemeindeordnung geändert. In Parteienverhand­lungen werden Richtlinien für eine neue Gemeindeordnung ausgearbeitet. Spekulatio-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 171

nen wie in der Vergangenheit müssen künftig in dieser Form ganz einfach ausge­schlossen werden.

Ich darf noch auf die Novellierung des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu sprechen kommen. Frau Kollegin Zwazl hat das mehr als ausführlich erläutert. Mit dieser Ände­rung erfolgt zwecks internationaler Wettbewerbsfähigkeit eine Gleichstellung bestimm­ter Bilanzierungsregelungen mit anderen EU-Ländern. Wie sie schon erwähnt hat, geht es dabei um die Ausweisung von Schwankungsrückstellungen in den konsolidierten Konzernabschlüssen. Somit wird der Wettbewerbsnachteil für die österreichischen Ver­sicherungsgesellschaften beseitigt.

Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Insgesamt sind dies sehr sinnvolle Verbes­serungen im Sinne der Stärkung des österreichischen Kapitalmarktes und der österrei­chischen Sparerinnen und Sparer sowie der Anlegerinnen und Anleger, die wir natür­lich gerne unterstützen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Matznetter. – Bitte.

 


19.26.04

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Bundesräte! Vielleicht gleich zu Beginn ein Dank der Kollegin Zwazl, die ja im Prinzip schon genau erläutert hat, worum es geht, sodass ich mich mit meiner Werbung dafür, dass auch die anderen Fraktionen zustim­men, auf ein paar Punkte beschränken kann.

Zum ersten Punkt: Es gibt keine Orientierung an Luxemburg. Diesbezüglich kann ich wirklich beruhigen. Was es gibt, ist eine Bestimmung in der Z 6, die den bisherigen § 5 Abs. 7 präzisiert, wobei es darum geht, dass Investmentfonds zum Beispiel eigene Anlegerkategorien in einer anderen Währung oder nach bestimmten anderen Stücke­lungen machen können, ausschließlich dafür, um möglich zu machen, dass Produkte österreichischer Investmentfonds auch in anderen Ländern des EWR aktiv vertrieben werden können.

Das bedeutet aber mehr Anlegerschutz und nicht weniger, denn der Fonds bleibt dann ein österreichischer, unterliegt der österreichischen FMA-Aufsicht und ist damit ein Fonds, der hier und ausschließlich hier überwacht wird. Denken wir nur zurück an die Probleme, die wir mit SICAVs in Luxemburg hatten. Ein großer Skandal beschäftigt uns im Rahmen der Amtshaftung weiterhin.

Wir lösen damit diese Diskriminierung, die es für die österreichischen Fonds gegeben hat, und schaffen mehr Anlegerschutz und nicht weniger.

Was die Frage der Verständlichkeit betrifft, sei eingewendet: Die Finanzmärkte sind relativ komplex. Was wir in den letzten elf, zwölf Monaten erlebt haben, deutet ja dar­auf hin, dass die Komplexität ein Ausmaß erreicht hat, wo selbst Fachleute nicht immer genau wissen, was sie da eigentlich kaufen.

Jetzt untersuchen wir diese Bestimmungen hier und fragen, ob das ein Mehr oder ein Weniger an Sicherheit in dieser Kernverständlichkeit ist. Darauf gibt es zwei Antworten:

Erstens ist schon deshalb mehr Verständlichkeit gegeben, weil wir eine europaweite Harmonisierung herstellen, wo wir die Definitionen sicherstellen, dass in Europa unter einem bestimmten Titel etwas Bestimmtes gemeint ist, und damit Rechtssicherheit für alle 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union schaffen.

Zweitens können in einem erweiterten Prozess – dem sogenannten Lamfalussy-Pro­zess – die Aufseher selbst Richtlinien erarbeiten, um sehr rasch ohne den langwierigen


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europäischen Rechtsetzungsprozess mit Richtlinien für eine schnelle Angleichung sor­gen zu können. Beides setzen wir hier um.

Es ist wirklich so, dass dadurch keine Verschlechterungen entstehen. Im Gegenteil: Wir haben uns bemüht, das möglichst nahe an den Richtlinien umzusetzen, um nicht „Extrawürste“ im Gesetz zu haben, die dann dazu führen können, dass Unsicherheit bei den Anlegern besteht, worum es sich handelt.

Einen zweiten Punkt wollte ich noch ergänzen: Die Schwankungsrückstellung, Frau Kollegin Kerschbaum, bedeutet keine Verschlechterung für den Haftungsfonds von Gläubigern. Darf ich kurz erläutern, warum? Wir haben bisher in diesem Bereich eine Gewinnrücklage gehabt. Das ist am einfachsten für jene verständlich, die eine Lebens­versicherung abgeschlossen haben: Wenn Sie eine ganz traditionelle Lebensversiche­rung abgeschlossen haben, dann hat man Ihnen gesagt, die Versicherungssumme be­trägt XY, und zwar entweder beim Todesfall oder beim Erlebensfall, plus – und dann steht dort der Gewinnanteil, meist mit einem Sternchen, und unten ist angemerkt, dass dieser nicht garantiert werden kann und abhängig vom Veranlagungserfolg ist. Dieser Gewinnanteil wird errechnet in einem zwar komplexen Verfahren, aber im Wesentli­chen aus einem geglätteten Gewinn. In dem Moment, in dem keine Schwankungsrück­stellung mehr da ist, gibt es dort auch keinen Gewinn mehr. Aber einen Rechtsan­spruch darauf haben Sie als Versicherungsnehmerin nie gehabt!

Vom Charakter her ist aber eine solche Rücklage, wenn keine rechtliche Verpflichtung daran hängt, in Wirklichkeit haftendes Eigenkapital. Denn niemand hat ein Absonde­rungs- oder Aussonderungsrecht darauf, und niemand hat eine Forderung darauf. Daher wird nach international üblichen Bestimmungen diese Schwankungsrückstellung zum Kernkapital gezählt – nur in Österreich nicht!

Das stellen wir hiermit her, damit das, was Frau Präsident Zwazl vorhin erläutert hat, nicht eintritt, nämlich dass die Versicherungsunternehmen in dieser besonderen Situa­tion durch einfache Sitzverlegung diesen Zustand herstellen können. Das ist das Anlie­gen dieses Gesetzes; ich halte das für grundvernünftig. Im Einzelabschluss wird auch nichts geändert, daher werbe ich darum: Stimmen Sie dem zu!

Der Rest der Regelung wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ausrei­chend erläutert. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 173

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates
vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988, das EU-Quellensteuergesetz und die Bundesabgabenordnung geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.32.5318. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (652/A und 517 d.B. sowie 7916/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Albanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Ver­mögen und zur Verhinderung der Steuerumgehung samt Protokoll (450 d.B. und 518 d.B. sowie 7917/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend das Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Abänderung des am 13. Jän­ner 2004 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (461 d.B. und 519 d.B. sowie 7918/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zu den Punkten 18 bis 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Sodl. Ich bitte um die Berichte.

 


19.33.39

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher beschränke ich mich auf die An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters komme ich zum Tagesordnungspunkt 19 und bringe den Bericht des Finanz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerumgehung samt Protokoll.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 174

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, darum beschränke ich mich auf die Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Schließlich komme ich zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend das Protokoll zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Polen zur Abänderung des am 13. Jänner 2004 in Wien unter­zeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich erteile ihm dieses.

 


19.36.11

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Ich denke, man kann sich bei der Novelle des Konsu­largebührengesetzes relativ kurz fassen.

Durch die Änderung des Gebührengesetzes im Herbst des Vorjahres ist es ja so, dass für Kinder innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt alle Dokumente abgaben-
frei sind. Bei der heutigen Änderung des Konsulargebührengesetzes geht es darum, auch Dokumente, die bei Geburt eines Kindes im Ausland ausgestellt werden, von den nach dem Konsulargebührengesetz anfallenden Gebühren zu befreien. Damit ist eine Gleichstellung zwischen Inlands- und Auslandsösterreichern gegeben.

Der Einnahmenentfall ist aus meiner Sicht sehr überschaubar. Er wird sich laut Angaben des Finanzministeriums auf zirka 300 000 € belaufen. Das sind ungefähr 1,4 Prozent des Gesamtvolumens des Konsulargebührengesetzes.

Der zweite Punkt, der noch zu erwähnen ist, ist das Doppelbesteuerungsabkommen mit Albanien. Dieses Abkommen ist notwendig, weil es bisher keine Regelung gege-
ben hat. Das Abkommen entspricht so, wie es vorliegt, den Rahmenbedingungen und den Grundlagen der OECD. Dieses Doppelbesteuerungsabkommen ist ein wichtiger Schritt, um zu einer weiteren Vertiefung der wirtschaftspolitischen Beziehungen mit Albanien zu kommen. Es ist dies aber nicht nur aus finanzpolitischer Sicht ein wichtiger Schritt. Ich denke, dass es im Sinne einer aufbauenden außenpolitischen Sichtweise auch ein wichtiger Beitrag für die Stabilität dieser Region ist.

Unsere Fraktion wird beiden Vorlagen gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.38



BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 175

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


19.38.25

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Wie von meinem Vorredner schon angeführt wurde, ist das Konsulargebührengesetz jetzt in Änderung. Ich glaube, das ist eine gute Sache. Es ist ja vor nicht allzu langer Zeit beschlossen worden, dass für Do­kumente, die bis zu zwei Jahre nach der Geburt in Österreich ausgestellt werden, vom Bund keine Gebühr eingehoben wird. Das wird jetzt eben auch im Ausland gemacht.

Ich denke, das ist eine gute Sache, denn die Familien sind uns sehr viel wert und ein besonderes Anliegen. Jene, die sich für Kinder entscheiden, sollen meiner Ansicht nach nicht bestraft werden und in eine Armutsfalle kommen. Dazu leistet auch dieses Gesetz einen Beitrag.

Ich denke, es müssen in dieser Richtung noch sehr viele Dinge passieren. In finanziel­ler Hinsicht können wir etwa an das Familiensplitting denken, das angedacht wird, das sich aus Freibeträgen und Absetzbeträgen zusammensetzt und das allen Familien, die Kinder haben, sowie auch Alleinerziehern zugute kommen soll. Aber auch das Betreu­ungsangebot verlangt immer noch nach Regelungen. Ich glaube, dieses Gesetz, das wir jetzt beschließen, ist eine gute Sache auf dem Weg dahin.

Wir beschließen aber auch zwei Doppelbesteuerungsabkommen, das eine mit Polen und das andere mit Albanien. Da möchte ich noch Albanien besonders hervorheben, denn dies ist ein guter Beitrag zur Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zu die­sem Land und natürlich zur Stabilität auf dem Balkan. Daher sind wir auch für diese Gesetze. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

19.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


19.40.17

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wir werden diesen beiden Doppelbe­steuerungsabkommen unsere Zustimmung geben. Vor allem das Abkommen mit Alba­nien ist insofern erfreulich, als ein solches Abkommen auch immer der Ausdruck des­sen ist, dass es doch eine verbesserte Wirtschaftsbeziehung zwischen zwei Ländern gibt; sonst wäre es ja nicht nötig. Es ist also nur zu begrüßen, dass es hier ein entspre­chendes Abkommen gibt.

Zur Frage der Befreiung von Konsulargebühren für im Ausland geborene Kinder: Ich glaube, es ist nur logisch und sinnvoll, dass da jetzt nachgezogen wird und dass, nach­dem schon für in Österreich geborene Kinder Gebühren erlassen worden sind, jetzt auch für österreichische Kinder, die im Ausland geboren werden, die Gebühr erlassen wird. Kinder zu bekommen und Kinder zu haben ist an und für sich schon teuer genug.

Da meine Vorrednerin gemeint hat, das wäre ein weiterer Schritt in der Kinderfreund­lichkeit Österreichs, könnte ich mich jetzt sehr darüber vertiefen, was wir noch alles machen könnten und vor allem machen müssten. Ich nenne nur das Stichwort Kinder­betreuungsplätze; darüber könnte ich jetzt, glaube ich, eine Grundsatzdebatte führen. Das machen wir vielleicht bei anderer Gelegenheit. Ich bin mir sicher, das Thema wird doch hin und wieder zur Sprache kommen.

Es ist zwar eine begrüßenswerte Maßnahme, dass jetzt diese Gebühren abgeschafft werden, aber überinterpretieren würde ich es nicht. Das ist eine Angleichung, die sinn-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 176

voll und logisch ist, aber nicht unbedingt der Ausdruck dessen, dass man sagt: Wir sind so kinderfreundlich, dass wir sogar in diesen Details jetzt Gebühren abschaffen. Ich glaube, da haben wir noch sehr viel zu tun, dass das wirklich das einzige Problem ist, das wir in dieser Fragestellung noch behandeln müssten. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

19.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerumgehung samt Pro­tokoll.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 177

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. April 2008 betreffend das Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Re­publik Polen zur Abänderung des am 13. Jänner 2004 in Wien unterzeichneten Abkom­mens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen.

Da auch der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reiches der Länder regelt, bedarf er ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.44.5721. Punkt

Jahresvorschau 2008 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-336-BR/2008 d.B. sowie 7919/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Molzbichler. – Ich bitte um den Bericht.

 


19.45.14

Berichterstatter Günther Molzbichler: Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatsse­kretär! Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 den Antrag, die Jahresvorschau 2008 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht. – Wortmeldungen liegen da­zu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Habe ich es richtig gesehen, Frau Kollegin Mühlwerth? – Danke.

Der Antrag ist somit angenommen.

19.46.0422. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleich­stellungsgesetz geändert werden (477 d.B. und 510 d.B. sowie 7920/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisenberger. – Ich bitte um den Bericht.

 


19.46.21

Berichterstatter Harald Reisenberger: Herr Präsident! Herr Minister! Der Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des National­rates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behindertenein­stellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden, liegt vor.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 178

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

 


19.46.58

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen des Behindertengleichstel­lungspaketes wurde aufgrund des engen inhaltlichen Konnexes darauf geachtet, für Menschen mit Behinderung den gleichen Rechtsschutz wie für den im Gleichstellungs­gesetz verankerten Personenkreis zu statuieren. Mit dem vorliegenden Entwurf wird dem Rechnung getragen.

Seit dem Inkrafttreten des Behindertengleichstellungspaketes am 1.1.2006 besteht bei Verletzung des Diskriminierungsverbotes ein Anspruch auf Schadenersatz. Es ist wich­tig, dass mit dieser Novelle eine Erhöhung des Mindestschadenersatzes von derzeit 400 € auf zukünftig 720 € zustande kommt.

Weiters wird nun klar festgestellt, dass es Schutz vor Diskriminierung auch bei Been­digung oder bei Kündigung von Dienstverhältnissen gibt. Überdies gibt es eine Ver­längerung der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in Bezug auf Diskri­minierung auf ein Jahr. Somit haben behinderte Menschen wesentlich stärkere und kräftigere Instrumente in der Hand, um sich gegen Diskriminierung zu wehren und für Gleichstellung in unserer Gesellschaft zu kämpfen.

Vieles wurde in den letzten Jahren für diesen Personenkreis hinsichtlich einer Besser­stellung getan, nicht nur seitens der Länder und der Kommunen im Bereich baulicher Maßnahmen. Auch im Bildungswesen wurde und wird vieles unternommen, um die all­gemeine sowie berufliche Mobilität dieses Personenkreises zu erhöhen.

Nichtsdestoweniger haben es Menschen mit Behinderungen nicht leicht, einerseits im Alltag zu bestehen und andererseits in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Gerade wir im AMS sehen, dass aufgrund der Zielgruppenarchitektur und Förderpolitik gerade für diesen Personenkreis nicht die entsprechenden Mittel beziehungsweise Maßnah­men zur Verfügung stehen, um eine optimale Integration arbeitsloser Personen mit Behinderungen zu erzielen. Obwohl bei uns in der Region die Arbeitsmarktsituation äußerst positiv ist, ist es nach wie vor schwierig, Personen mit entsprechenden Behin­derungen zu integrieren.

Gemeinsam mit den Programmen, die du (in Richtung Bundesminister Dr. Buchinger) zur Verfügung stellst, und in Kooperation mit Trägern wie dem Bundessozialamt versu­chen wir, entsprechende Integration zu betreiben. Aber auch die Wirtschaft ist gefor­dert, bei diesem Spiel entsprechend mitzuspielen. Behinderte Menschen müssen eine Chance bekommen, um zu zeigen, welche Leistungen zu erbringen sie imstande sind.

Wir werden daher dieser Novelle gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


19.50.17

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz und dem Behinderteneinstellungsgesetz haben behinderte Menschen in den letzten


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 179

Jahren wesentliche Verbesserungen, wesentlich bessere Voraussetzungen erhalten, sei es in der Angelegenheit der Schulbildung – wie es Kollege Kaltenbacher schon er­wähnt hat –, aber auch im Rahmen von Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Bereich oder in der freien Wirtschaft, um hier zu besseren Voraussetzungen und Mög­lichkeiten zu kommen. – So weit, so gut.

Als Obmann einer Lebenshilfeorganisation im Ländle, die sich mit behinderten Men­schen, mit qualifizierter Arbeit für diese behinderten Menschen auseinandersetzt, be­grüße ich außerdem jede Verbesserung in diesem Bereich. Mit diesen Gesetzen war ja damals auch das Ziel verbunden, Menschen mit Behinderung einen Anspruch auf ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben zu geben, damit diese Menschen – anders als in der Vergangenheit, als sie oft Bittsteller und Almosenempfänger waren – in der Berufs- und Arbeitswelt und im gesellschaftlichen Leben als wertvolle Partner angesehen werden. Ich denke, es war auch richtig, in diesem Bereich einen weisungs­freien Behindertenanwalt einzusetzen, der sich intensiv um die Belange dieser Perso­nen und dieser Gruppierung annimmt und sich für sie einsetzt.

Gute Maßnahmen für behinderte Menschen wurden also in den letzten Jahren umge­setzt. Ich bin auch sehr dankbar, Herr Minister, nachdem ich gehört habe, dass Sie diese Gesetze einer Evaluierung unterziehen wollen, damit man noch bessere Möglich­keiten für behinderte Menschen in Österreich schafft. Wir haben das hoch entwickelt und gut entwickelt, aber jede weitere, zusätzliche Maßnahme ist sehr, sehr wertvoll.

Das Land Vorarlberg hat auch ein neues Behindertengesetz und hat dieses Behinder­tengesetz deshalb auch „Chancengesetz“ genannt, damit diese Menschen mit Behin­derung noch bessere Chancen in der Arbeitswelt, aber auch in der Gesellschaft haben.

Wie Kollege Kaltenbacher bereits erklärt hat oder wie wir gehört haben, gibt es heute wesentliche Verbesserungen auch im Bereich des Mindestschadenersatzes durch des­sen Anhebung von 400 € auf 720 € sowie dadurch, dass diese Schadenersatzfrist auf ein Jahr verlängert wird und dass auch das Wahlrecht bei Schadenersatz infolge diskri­minierender Beendigung von Arbeitsverhältnissen geschaffen wird. Das haben wir ge­hört, und damit erhalten behinderte Personen, Personen mit Benachteiligung rechtlich eine stärkere Absicherung gegen Diskriminierungen.

Ich möchte noch auf einen Entschließungsantrag des Nationalrates in Bezug auf Bar­rierefreiheit bei Bauordnungen zurückkommen, der allerdings beinahe schon zwei Jahre alt ist. Das hat mit Ihrem Ministerium nichts zu tun, aber es ist doch ein wichtiger Impuls an die Länder oder in die Länder. Hier sollte man jetzt unbedingt tätig werden.

Wir haben das im Land Vorarlberg bereits im sozialen Wohnbau umgesetzt. Bei uns wurde auch der entsprechende Förderungskatalog dahin gehend angepasst, dass wir bei Neubauten von Sozialwohnbauanlagen im Erdgeschoss barrierefrei sind und behin­dertengerecht sind. Diese Maßnahme zeigt erste große Erfolge.

Sehr geehrter Herr Minister! Ich darf mich für diese Gesetzesvorlage noch einmal sehr herzlich bedanken und wünsche bei der Evaluierung viel Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Konrad zu Wort. – Bitte.

 


19.53.53

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist einer EU-Regelung zu verdanken, dass wir uns heute mit einer Materie befassen, die tatsächlich eine Verbesserung des Behindertengleichstel-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 180

lungs- und des Behinderteneinstellungsgesetzes mit sich bringen wird. Das ist es zwei­fellos! Es sind schon einige Punkte aufgezählt worden, ich werde mich deshalb relativ kurz halten können.

Zum einen werden diskriminierende Begriffe beseitigt, die bisher im Gesetz enthalten waren. Sprache ist immer etwas sehr Wichtiges, vor allem, wenn es um Diskriminie­rung und Gleichbehandlung geht. Umso wichtiger ist, dass hier auch mit den Begriff­lichkeiten entsprechend gearbeitet wird.

Ein sehr wichtiger Punkt ist auch, finde ich, dass Diskriminierung auf das subjektive Empfinden abstellt. Es ist natürlich immer ein Unterschied: Für manche ist schon etwas diskriminierend, was anderen noch nicht einmal wirklich auffallen würde; es hängt also schon sehr stark vom subjektiven Empfinden ab. Gut, dass ein Gesetz auch darauf Rücksicht nimmt und darauf eingeht!

Schon erwähnt worden ist zum Beispiel, dass der Schadenersatz bei Belästigung von 400 € auf 720 € angehoben wird. Das ist immer noch keine überwältigende Summe, aber es ist schon eine deutliche Anhebung, und ich glaube, die Botschaft dahinter ist recht klar.

Was ich hier aufgezählt habe, sind nur ein paar Punkte, die eine Verbesserung darstel­len. Das ist auch der Grund dafür, dass wir zustimmen.

Es gibt aber natürlich immer noch viele Punkte, die wir uns weiter wünschen würden, die wir noch weiter zur Verbesserung dieses Gesetzes wollen. Ich nenne hier nur zwei Schlagworte; das eine ist die Beweislastumkehr. Es ist ein Unterschied, ob ich bewei­sen muss, dass jemand mich diskriminiert hat, oder ob der andere beweisen muss, dass er es eben nicht getan hat. Gerade in solchen Materien ist eine Beweislastumkehr für die betroffenen Personen sehr wichtig, um tatsächlich Gerechtigkeit erreichen zu können.

Was auch ein sehr wichtiger Punkt wäre, ist eine Streitwertbegrenzung. Es ist schön und gut, wenn ich alle Möglichkeiten habe, mich gerichtlich gegen Diskriminierung zu wehren. Wenn das aber eine theoretische Möglichkeit bleibt und die praktische Umset­zung letztendlich daran hängt, dass ich mir überlege, ob ich das finanzielle Risiko eingehe – und ein Gerichtsprozess ist immer ein finanzielles Risiko –, dann ist es mit der praktischen Anwendung von Gleichberechtigung natürlich noch einmal ein anderer Punkt.

Ich glaube, dass bei der Evaluierung, die jetzt ansteht, sehr viel an Material darüber herauskommen wird, was man an diesen Gesetzen noch weiter verbessern kann. Es werden einige Punkte dabei sein, die wir bei entsprechenden Debatten auch schon ins Treffen geführt haben. Ich hoffe doch sehr, dass auf diese Evaluierung auch eine ent­sprechende Umsetzung folgen wird und dass diese Gesetze auch weiterhin verbessert werden. (Beifall bei den Grünen.)

19.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht, danke.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 181

19.56.5823. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 70. Jahrestages des Einmarsches der Truppen des nati­onalsozialistischen Deutschen Reiches in Österreich eine einmalige Zuwendung (Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Ver­folgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (465 d.B. und 506 d.B. sowie 7921/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wiederum Herrn Bundesrat Reisenberger. – Ich bitte um den Be­richt.

 


19.57.26

Berichterstatter Harald Reisenberger: Herr Präsident! Herr Minister! Der Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Natio­nalrates vom 10. April 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 70. Jahrestages des Einmarsches der Truppen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches in Österreich eine einmalige Zuwendung – Erinnerungszuwendung – für Wi­derstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird, liegt uns vor.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


19.58.17

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Erlauben Sie mir, dass ich als Kärntnerin, als Kärntner Slowenin zu einem Bundesgesetz rede, das für Kärnten sehr wichtig ist.

Aus Anlass des 70. Jahrestages des Einmarsches der Truppen des nationalsozialisti­schen Deutschen Reiches in Österreich soll eine einmalige Zuwendung für Wider­standskämpfer und Widerstandskämpferinnen und Opfer der politischen Verfolgung geschaffen werden, und zwar in der Höhe von 1 000 € pro Person. Es sind 3 300 Per­sonen, die diese finanzielle Zuwendung bekommen.

Die demokratische Einstellung einer Regierung spiegelt sich in der Frage wider, wie sich ein Land zu den dunklen Kapiteln seiner Geschichte und der Aufarbeitung der Ver­gangenheit verhält. Im 20. Jahrhundert gab es eine tragische, schicksalhafte und trau­rige, menschenrechtsverletzende, nicht wiedergutzumachende Zeit vor allem zwischen den Jahren 1938 und 1945. Unsere Aufgabe ist es, all jenen, die in dieser Zeit beson­deres Leid ertragen mussten, unsere Unterstützung, aber auch unser Verständnis ent­gegenzubringen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wiedergutmachen können wir die traurige Geschichte nicht. Es kann nur versucht werden, dass sich Österreich dieser Verantwortung stellt und, soweit es geht, Unrecht symbolisch entschädigt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eine einmalige Zuwendung in der Höhe von 1 000 €, wie wir sie heute beschließen werden, kann die Fehler des Natio­nalsozialismus in unserem Land nicht korrigieren. Wir wollen damit auch nicht eine Prämie oder einen Demokratiebonus ausbezahlen. Sehr wohl wollen wir aber zeigen, dass wir die Leistung und den Mut jener, die damals aktiv für unsere Zukunft tätig wa-


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 182

ren, niemals vergessen werden, und wir wollen gleichzeitig dort helfen, wo es heute trotz heldenhafter Leistungen damals soziale Probleme und Bedürftigkeit gibt.

Wir werden selbstverständlich zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

20.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel.

 


20.01.39

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich auch zur Erinnerungszuwendung zu Wort melden, und es ist mir ein ganz be­sonderes Bedürfnis, in diesem Fall das Wort zu ergreifen.

Es ist 70 Jahre her, seit der Einmarsch der deutschen Truppen, der deutschen Wehr­macht in Österreich erfolgt ist. Dann ist es zum Anschluss gekommen und Österreich war immerhin über sieben Jahre lang okkupiert. Und da hat sich dann der Mensch in seinen verschiedensten Facetten gezeigt. Es hat Leute gegeben, die sind Mitläufer gewesen. Es sind Leute gewesen, die haben dieses Regime massiv unterstützt, aber es hat auch Menschen gegeben, die dem sehr kritisch gegenübergestanden sind, auch passiven und manche sogar aktiven Widerstand geleistet haben.

Man kann natürlich, wenn man das Ganze historisch betrachtet, ein gewisses Ver­ständnis für das eine oder andere aufbringen. Es hat im Staatsvertrag von St. Germain, „Friedensvertrag“ unter Anführungszeichen, das Anschlussverbot gegeben. Österreich ist aus einem großen Reich mehr oder weniger in die Bedeutungslosigkeit gefallen, wenn man die Tradition des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nimmt, ein fürchterlicher Schock sozusagen, was sich nach tausend Jahren abgespielt hat.

Man muss aber auch eines sagen: Es geht immer wieder darum, wie sich der Mensch in Krisensituationen, in Stresssituationen verhält. Und daher ist vor jenen Personen, die Widerstandskämpfer waren, Personen, die politisch verfolgt worden sind, in jeder Rich­tung der Hut zu ziehen und ihnen zu danken für den persönlichen Mut, den sie hatten, denn eines ist schon klar: Das nazistische Regime war ein Terrorregime, und zwar ein perfektes Terrorregime. Ich kann nur holzschnittartig auf das eine oder andere hinwei­sen.

Vielleicht als Erstes etwas, was mich als jungen Mann sehr beeindruckt hat: die Ge­denkstätte in Plötzensee. (In Richtung ÖVP:) Bitte da rechts außen etwas ruhiger! (Iro­nische Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) – Wenn man dort nämlich Todesurteile ausge­hängt sieht, die kürzer sind als Hinrichtungsprotokolle, dann macht man sich als Jurist auf jeden Fall Gedanken.

Das Zweite: Wenn man KZs besucht, sei es Dachau, sei es Auschwitz, sieht man, wie industriell vernichtet worden ist. Wenn man in Wien auf den Judenplatz geht, sieht man heute das Denkmal Rachel Whitereads. Und um diesen Block, um diese stumme Bi­bliothek herum sind die Vernichtungsstätten eingelassen, die das Dritte Reich installiert hat. Und wenn man jetzt einen Sprung nach Jerusalem macht, zu Yad Vashem, wo ebenfalls die Stätten der Vernichtung eingetragen sind, dann muss man sagen, dass, wie ich schon anfangs meinte, das Terrorregime ein wirklich perfektes gewesen ist.

Und wenn sich jemand dazu durchgerungen hat, Widerstandskämpfer zu sein, gegen den Strom zu schwimmen, dann wusste er eines: Es gibt Spitzel. In jeder Diktatur, in jedem Terrorregime gibt es Spitzel, die einen verraten. Er musste sich auch dessen be-


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wusst sein, dass er sicher kein gerechtes Strafverfahren bekommen wird, sondern er wusste, er geht in den Tod.

Und als letztes Beispiel sei der 20. Juli 1944 erwähnt. Da hat man sehr plastisch und eindrucksvoll gesehen, wie mit Menschen umgegangen wird, die gegen das Regime aufgetreten sind.

Daher ist diesen mutigen Menschen, die Widerstand geleistet haben, die die Gefahr in Kauf genommen haben, volle Anerkennung zu leisten. Somit ist die Tatsache, dass eine Erinnerungszuwendung zuerkannt wird, sicher ein symbolischer, aber unheimlich wichtiger Beitrag. Und ich hoffe, dass wir auch in Hinkunft diesen Personen weiterhin unsere Hochachtung ausdrücken. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach.

 


20.07.08

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Es tut mir leid, dass ich jetzt, in diesem Augenblick der allgemei­nen Übereinstimmung ein bisschen Unstimmigkeit hereinbringe.

Liebe Kollegin Blatnik! Ich schätze dich sehr, aber ich halte es nicht aus, wenn wir hier so tun, als würde diese Erinnerungszuwendung eine wahnsinnige Leistung darstellen. Es gibt noch zirka 3 300 Überlebende, denen wir spät, aber doch 1 000 € zukommen lassen. 1 000 €! Bei der Preislawine, die wir derzeit haben, ist das nicht einmal etwas, wo man sagen kann, ich habe etwas mehr, sondern bedeutet das vielleicht nur die Ab­deckung der Preislawine für ein Jahr.

Man spricht hier von 3 300 Menschen, möglicherweise sind es in der Phase dieser Ge­setzwerdung im Nationalrat und Bundesrat auch schon wieder weniger geworden. Es sind Menschen zwischen 80 und 100 Jahren, die hievon betroffen sind. Daher finde ich es nicht richtig, dass die Zuwendung nach dem Antragsprinzip erfolgt, wo doch alle Körperschaften und Fonds die Namen und Daten haben. Damit zwingt man 80- bis 100-Jährige jener Bevölkerungsgruppe, von der meine beiden Vorredner mit so großer Hochachtung gesprochen haben, einen Antrag zu stellen. Es wäre besser, wenn man ein bisschen mehr Achtung und Respekt vor dieser Gruppe gezeigt hätte.

Eines muss man immer dazusagen: Diese Gruppe ist viel zu spät bedacht worden. Wir hatten hier eine unsägliche Debatte über die Wehrdienstverweigerer, die nicht und nicht bedacht wurden, und darüber, dass man die Schergen von SS und Gestapo mit Pensionen und Sozialversicherungen bedacht hat. Und es hat Jahrzehnte gebraucht, dass zum Beispiel die noch lebenden Wehrdienstverweigerer, die jetzt Gott sei Dank auch diesen Tausender bekommen, und dass auch die Homosexuellen endlich in diese Gruppe hineinfallen.

Und jetzt legen wir für 3 300 Leute, deren Zahl wahrscheinlich jeden Monat geringer wird, ein Antragsprinzip fest. Da gibt es nichts, weswegen man sich auf die Schulter klopfen und mit großer Dramatik sagen könnte: Nie mehr vergessen!, und so weiter. – Wir haben sie vergessen! Wir haben die Leute, die Opfer waren, in dieser Republik so lange vergessen, dass dieser Tausender nahezu lächerlich wirkt. Wirklich, ich muss das ganz ehrlich sagen.

Natürlich stimmen wir dem zu, tausend ist besser als null, aber es ist nahezu lächer­lich. Und ich muss die Harmonie dieser Show hier stören, denn ich bin etwas erschüt­tert darüber, was hier gemacht wird.


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Und dann steht noch im Text drinnen, dass das die Republik nichts kostet, weil es durch Minderausgaben aus anderen Töpfen finanziert wird. Wenn man wenigstens ge­sagt hätte, ja, wir wollen diesen Leuten etwas extra bezahlen! Nein, es wird durch Minderausgaben gedeckt. Das ist schäbig! Und deshalb wäre es besser gewesen, hätte man diesen Betrag verdoppelt oder verdreifacht, sodass wirklich ein substan­zieller Betrag am Ende eines Lebens ausbezahlt hätte werden können. Die Fonds und Körperschaften haben ja die Namen, Adressen und Bezugsadressen all dieser Leute, sonst hätte nicht bei der fünften Gruppe die genaue Auskunft gegeben werden können, dass es sich um 300 Personen handelt. Somit stehen die Daten zur Verfügung. Lassen wir das! Wir werden dem aber zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundes­rätin Grimling.)

20.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Buchinger das Wort.

 


20.10.56

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte mich bei den Vorrednern bedanken, die auf die Bedeutung dieser Erinnerungs­zuwendung über die Summe hinaus hingewiesen haben, weil es sich um eine Maßnah­me in einem Spektrum von mehreren Verbeugungen des demokratischen und freien Österreich vor den Opfern der Willkürherrschaft und den Widerstandskämpfern han­delt. Ich bin bei den offiziellen Feierlichkeiten sehr bewegt gewesen, die auch im histo­rischen Reichsratssaal stattgefunden haben, wo die richtigen Worte vom Herrn Bun­deskanzler und vom Herrn Vizekanzler und natürlich auch vom Herrn Bundespräsiden­ten gefunden wurden.

Herr Bundesrat Schennach, ich kann die Kritik, die Sie üben, nicht nachvollziehen. Sie erscheint mir auch dem Anlass nicht entsprechend, ja, sie erscheint mir geradezu kleinlich. Und sie steht auch im Widerspruch zu dem von Ihnen angekündigten Abstim­mungsverhalten. Wenn das wirklich so wäre, wie Sie ausgeführt haben: lächerlich, nicht angemessen, dann wäre ein anderes Verhalten zu erwarten gewesen. Dadurch, dass Sie dieser Gesetzesvorlage zustimmen, anerkennen Sie ja, dass das ein Aus­druck von Wertschätzung ist, der eine Bedeutung hat. (Bundesrat Schennach: Das tun wir!)

Zu Ihrer Kritik im Einzelnen: Wenn Sie sagen, 1 000 € Erinnerungszuwendung, das wä­re ein lächerlicher Betrag und gerade der Inflationsausgleich, dann darf ich Sie fragen, über welches Einkommen Sie verfügen, dass 1 000 € einen Inflationsausgleich darstel­len. (Bundesrat Schennach: Im Jahr, habe ich gesagt!) Für mehr als 70 Prozent der Betroffenen, die diese 1 000 € bekommen, stellen diese 1 000 € mehr als ihr monatli­ches Einkommen nach dem Opferfürsorge- und anderen Gesetzen dar. Ich möchte deutlich darauf hinweisen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: So ist es!)

Und wenn Sie, sehr geschätzter Herr Bundesrat Schennach, sagen, dass hier das An­tragsprinzip gelte, dann weiß ich nicht, ob Sie das hier wider besseres Wissen gesagt haben. (Bundesrat Schennach: Das steht so drinnen!) Nein, das steht nicht drinnen! Bitte lesen Sie! Soll ich es Ihnen vorlesen? Ich möchte nicht zynisch werden. Hier steht etwas von einem Anmeldeverfahren und nichts von einem Antrag. Das ist etwas ganz anderes! Ich bitte Sie! Ein Antragsverfahren ist förmlich, und ein Anmeldeverfahren heißt nur, aufzuzeigen: Bitte, hier bin ich!; Name, Adresse – formlos. Das genügt, weil dort, wo die Daten vorliegen, wie etwa bei den Betroffenen nach Ziffer 2, selbstver­ständlich von Amts wegen ausbezahlt wird und auch nicht angemeldet werden muss. Es gibt aber Gruppen, wo etwa die Amtsbescheinigung in den fünfziger Jahren zuer-


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kannt worden ist, wo keine Unterlagen aufliegen, oder diese 300 besonders Bedürfti­gen nach dem Nationalfondsgesetz, wo auch keine aktuellen Unterlagen aufliegen. Nur für diese ist eine Anmeldung, eine bloß formlose Anmeldung vorgesehen, die auch bin­nen eines Jahres erfolgen kann. Wenn triftige Gründe vorliegen, kann selbst diese Frist erstreckt werden, auch über mehrere Jahre hinweg. Hier wurde also wirklich eine ad­äquate Vorgehensweise gewählt.

Und den besten Beweis dafür, dass das eine gute und angemessene Vorgehensweise ist, Herr Schennach, liefert die Tatsache, dass das mit Zustimmung aller Opferver­bände erfolgt ist. (Bundesrat Mag. Klug: Die haben alle ja gesagt!)

Wenn es so wäre, wie Sie sagen, dass das diskriminierend, unzumutbar und bürokra­tisch ist, ja glauben Sie, die Opferverbände hätten zugestimmt? Meinen Sie wirklich, dass Sie eine höhere moralische Legitimation haben, das zu beurteilen, als die Vertre­ter der Opfer, als jene Personen, die selbst Opfer waren und in den Opferverbänden organisiert sind? – Ich glaube, darüber sollten Sie nachdenken, geschätzter Herr Bun­desrat, das kann und wird nicht der Fall sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich bitte die sehr geschätzten Damen und Herren Bundesräte im Hohen Haus, diesem Akt, der mehr als ein symbolischer Akt, aber auch ein symbolischer Akt ist und sich einreiht in entsprechende gesetzliche Beschlüsse aus den Jahren 1975, 1985, 1988 und 2005, in denen das demokratische und freie Österreich jeweils eine ähnliche Leis­tung gewährt hat, die Zustimmung zu erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.15


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es wünscht Frau Bundesrätin Mühlwerth noch das Wort.

 


20.15.22

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben im Nationalrat dieser Einmalzahlung nicht zugestimmt, aber nicht, weil wir es diesen Menschen nicht gönnen würden, sondern weil wir der Ansicht waren, es sollte dies auf eine breitere Basis ge­stellt werden.

Es ist ja auch nicht so, dass seit 1945 gar nichts geschehen ist. Ich möchte nur daran erinnern, dass der Entschädigungsfonds damals von der blau-schwarzen Regierung gegründet worden ist. Wir wollen daran erinnern, dass es den Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus gibt und auch das Opferfürsorgegesetz. Es gibt aber, wie das im Krieg leider immer so ist, auch andere, die darunter gelitten haben, ohne dass sie sich etwas zuschulden kommen haben lassen oder dass man ihnen vorwerfen könnte, dass sie in einer Organisation waren, die Verbrechen begangen hat. Und wir meinen, es gibt auch Menschen, die im Krieg ihr ganzes Hab und Gut, ihre Heimat ver­loren haben. Auf diesen Kreis hätten wir eine Einmalzahlung gerne ausgeweitet, ob­wohl wir – auch Schwarz-Blau – schon einen ersten Schritt bei den Trümmerfrauen ge­macht haben.

Uns wäre es wichtig – und vielleicht findet sich dafür einmal ein Konsens –, dass es ausgeweitet wird. Und das war der Grund, um hier auch ein Zeichen zu setzen, wie wichtig uns das ist, dass wir dieser Zahlung nicht unsere Zustimmung gegeben haben.

20.16


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 186

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

20.17.1624. Punkt

Jahresvorschau des BMSK 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission für 2008 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates/Vorsitz Slowenien bzw. Ausblick auf den französischen Vorsitz (III-343 und Zu III-343-BR/2008 d.B. sowie 7922/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Reisenberger. – Ich bitte um den Bericht.

 


20.17.41

Berichterstatter Harald Reisenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Be­richt des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über die Jahresvorschau des BMSK 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommis­sion für 2008 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des Rates/Vorsitz Slowenien be­ziehungsweise Ausblick auf den französischen Vorsitz liegt vor.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 22. April 2008 den Antrag, die Jahresvorschau des BMSK 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2008 sowie des Achtzehn­monatsprogramms des Rates/Vorsitz Slowenien beziehungsweise Ausblick auf den französischen Vorsitz zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 2618/J bis 2621/J, einge­bracht wurden.

Weiters teile ich mit, dass die Bundesräte Weiss, Kolleginnen und Kollegen den Selb­ständigen Entschließungsantrag 168/A betreffend EU-Grundrechte-Charta, weltweit zu­nehmende Verfolgung von Christen und Sicherung der Religionsfreiheit eingebracht haben, der dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorberatung zugewie­sen wurde.

*****


BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 187

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Sitzungstermin ist der 21. Mai 2008, 9 Uhr.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht be­ziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 20. Mai 2008, ab 13 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

20.19.44Schluss der Sitzung: 20.19 Uhr

 

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1017 Wien