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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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769. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Donnerstag, 16. April 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

769. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 16. April 2009

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 16. April 2009: 9.02 – 18.09 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer 2. Schriftführerin für den Rest des 1. Halbjahres 2009

2. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen, Me-
dien und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2008 und zum 18-Monatsprogramm des Rates
für 2007/2008

3. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffent­lichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäi­schen Kommission für 2009 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2008/2009

4. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Kommission für 2009 und des 18-Monate Programms des Rates (französische, tschechische und schwedische Präsidentschaft)

5. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die 2007 durch den Bund bei den ÖBB und den Privatbahnen bestellten gemeinwirt­schaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht)

6. Punkt: Kulturbericht 2007 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

7. Punkt: Strategische Jahresplanung 2009 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kom­mission sowie des 18-Monatsprogramm der französischen, tschechischen und schwe­dischen Präsidentschaften

8. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2007)

9. Punkt: Grüner Bericht 2008 der Bundesregierung

10. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirt­schaft im Jahre 2009 gemäß § 9 LWG 1992

11. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2007


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2009

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Oberösterreichischen Landtagsdirektion betreffend Mandatsver­zicht des Bundesrates Franz Wolfinger ......................................................................................................................... 7

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat .................................................................................................................. 8

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ................................................................................................................ 10

Angelobung der Bundesräte Ana Blatnik, Mag. Walter Ebner, Mag. Michael Hammer, Peter Mitterer und Karl Petritz .................................................................................................................... 11

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte ......................................................................................................................................... 31

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2009 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2008/2009 (III-363-BR/09 d.B.),

die Jahresvorschau des BMG 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Kommission für 2009 und des 18-Monate Programms des Rates (französische, tschechische und schwedische Präsidentschaft) (III-369-BR/09 d.B.),

die Strategische Jahresplanung 2009 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramm der französischen, tschechischen und schwedischen Präsidentschaften (III-358-BR/09 d.B.) und

den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend an das öster­reichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2009 (III-361-BR/09 d.B.)

gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittel­bar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ................................................................................................  31, 32

1. Punkt: Wahl einer 2. Schriftführerin für den Rest des 1. Halbjahres 2009 ............... 32

Abschiedsansprache des Vizepräsidenten Jürgen Weiss .................................... 146

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Fragestunde (140.)

Finanzen ........................................................................................................................ 11

Sonja Zwazl (1660/M-BR/09); Ing. Reinhold Einwallner, Stefan Schennach


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 3

Erwin Preiner (1664/M-BR/09); Friedrich Hensler, Johann Ertl

Stefan Schennach (1663/M-BR/09); Josef Saller, Ing. Reinhold Einwallner, Peter Mitterer

Mag. Bettina Rausch (1661/M-BR/09); Maria Mosbacher, Efgani Dönmez

Johann Kraml (1665/M-BR/09); Georg Keuschnigg

Monika Mühlwerth (1659/M-BR/09); Maria Mosbacher, Ferdinand Tiefnig, Elisa­beth Kerschbaum

Anneliese Junker (1662/M-BR/09); Ing. Hans-Peter Bock, Monika Mühlwerth

Werner Stadler (1666/M-BR/09); Reinhard Jany, Peter Mitterer

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 30

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  31, 148

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen, Me­dien und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission für 2008 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008 (III-339-BR/2008 d.B. sowie 8099/BR d.B.)                33

Berichterstatter: Gottfried Kneifel ................................................................................ 33

3. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2009 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2008/2009 (III-363-BR/2009 d.B.) .............................. 33

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 33

Maria Mosbacher .......................................................................................................... 34

MMag. Barbara Eibinger ............................................................................................. 36

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 37

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 39

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, den Bericht III-339-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 43

Annahme des Antrages zu Punkt 3, den Bericht III-363-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen                   43

4. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2009 und des 18-Monate Programms des Rates (französische, tschechische und schwedische Präsidentschaft) (III-369-BR/2009 d.B.) ................................................... 44

Redner:

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 44

Annahme des Antrages, den Bericht III-369-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         45


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 4

5. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die 2007 durch den Bund bei den ÖBB und den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht) (III-355-BR/2008 d.B. sowie 8103/BR d.B.)                   45

Berichterstatter: Mag. Wolfgang Erlitz ......................................................................... 45

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 45

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 47

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  48, 54

Wolfgang Schimböck, MSc ................................................................................... ..... 51

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-355-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 55

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Kulturbericht 2007 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-357-BR/2009 d.B. sowie 8102/BR d.B.) ................................................................................................................. 55

Berichterstatterin: Ana Blatnik ...................................................................................... 55

7. Punkt: Strategische Jahresplanung 2009 des Bundesministeriums für Unter­richt, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramm der französischen, tschechi­schen und schwedischen Präsidentschaften (III-358-BR/2009 d.B.)                     55

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 56

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 57

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 62

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 65

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 69

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 73

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, den Bericht III-357-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 76

Annahme des Antrages zu Punkt 7, den Bericht III-358-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen                   76

8. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2007) (III-360-BR/2009 d.B. sowie 8098/BR d.B.) ........................................................................ 76

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 77

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 77

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 81

Josef Kalina ............................................................................................................. ..... 83

Efgani Dönmez ....................................................................................................  86, 100

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 88

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ..... 91

Christa Vladyka ....................................................................................................... ..... 92

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-360-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 102


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 5

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Grüner Bericht 2008 der Bundesregierung (III-352-BR/2008 d.B. sowie 8100/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 102

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 102

10. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2009 gemäß § 9 LWG 1992 (III-353-BR/2008 d.B. sowie 8101/BR d.B.) ............................. 102

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 102

Redner/Rednerinnen:

Friedrich Hensler .................................................................................................... ... 102

Josef Kalina ............................................................................................................. ... 104

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 107

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 111

Ing. Hans-Peter Bock .............................................................................................. ... 114

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ... 115

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 118

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, den Bericht III-352-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, den Bericht III-353-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 124

11. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2007 (III-354-BR/2008 d.B. sowie 8104/BR d.B.) .............................................................................. 124

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 124

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ... 124

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 126

Efgani Dönmez ........................................................................................................... 128

Christoph Kainz ...................................................................................................... ... 129

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 130

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 131

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ... 133

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-354-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 134

12. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2009 (III-361-BR/2009 d.B.) ..................................... 134

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ... 134

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ... 135

Ludwig Bieringer .................................................................................................... ... 137

Albrecht Konecny ................................................................................................... ... 139

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 141

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 142

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 143

Peter Mitterer .......................................................................................................... ... 144

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ... 145

Annahme des Antrages, den Bericht III-361-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen      148


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 6

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Mag. Susanne Neuwirth, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Adipositas-Prävention und -Intervention für Kinder und Jugendliche [176/A(E)-BR/09]

Anfrage der Bundesräte

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Maßnahmen gegen Folsäuremangel in der Schwangerschaft (2664/J-BR/09)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Schließung von Postämtern (2453/AB-BR/09 zu 2656/J-BR/09)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Alkoholgrenze bei Bootsführern auf dem Bodensee (2454/AB-BR/09 zu 2657/J-BR/09)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Verkehrs­beruhigungskonzept lt. Bescheid UVP S 1 West (2455/AB-BR/09 zu 2660/J-BR/09)


09.02.23


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Harald Reisenberger: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Ich eröffne die 769. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 768. Sitzung des Bundesrates vom 26. März 2009 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Elisabeth Grimling und Kurt Strohmayer-Dangl.

09.02.47Einlauf

 


Präsident Harald Reisenberger: Eingelangt sind Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Mitgliedes beziehungsweise Ersatzmitgliedes sowie des Kärntner Landtages betreffend die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben der Oberösterreichischen Landtagsdirektion betreffend Mandatsverzicht:

„OÖ. Landtagsdirektion

4021 Linz, Klosterstraße 7

Geschäftszeichen:

L-16/51-XXVI-Rm

Bearbeiter: Gerhard Rammerstorfer

Tel: (+43732) 77 20-111 68

Fax: (+43732) 77 20 -11713

E-Mail: Itdion.post@ooe.gv.at

www.Iand-oberoesterreich.gv.at

An das

Büro des Präsidenten des Bundesrates

Herrn Harald Reisenberger

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                                   Linz, 23. März 2009

Änderung in der Zusammensetzung des Bundesrates

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir teilen mit, dass Bundesrat Franz Wolfinger mit Ablauf des 31. März 2009 auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrates verzichtet. Eine Kopie der Verzichtserklärung ist in der Anlage angeschlossen.

Laut Mitteilung des Klubs der ÖVP-Landtagsabgeordneten soll der Ersatzmann des Bundesrates Franz Wolfinger, Herr Mag. Michael Hammer ex lege in den Bundesrat nachrücken. Als neues Ersatzmitglied wurde LAbg. Arnold Weixelbaumer, Eisbach­weg 24, 4180 Zwettl, vorgeschlagen.

Die Nachwahl des neuen Ersatzmitgliedes erfolgt im Rahmen der Landtagssitzung am 2. April 2009.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 8

Mit freundlichen Grüßen

Für den Landtagsdirektor:

Gerhard Rammerstorfer

2 Beilagen“

*****

„Franz Wolfinger

Bachweg 5

4531 Kematen/Kr

An die

Erste Präsidentin des 0Ö Landtags

Angela Orthner

Dießenleitenweg 6

4040 Linz

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin!

Ich verzichte mit Ablauf des 31. März 2009 auf meine Mitgliedschaft im Bundesrat.“

*****

„OÖVP Landtagsklub

An die

Landtagsdirektion

Klosterstraße 7

4021 Linz

Sehr geehrte Damen und Herren!

Für die Wahl eines Vertreters des Landes Oberösterreich als Ersatzmitglied an die 3. Stelle in den Bundesrat erstattet die ÖVP-Landtagsfraktion folgenden Vorschlag:

An 3. Stelle

Ersatzmitglied: Arnold Weixelbaumer, 4180 Zwettl, Eisbachweg 24

Beste Grüße

Klubobmann LAbg. Mag. Thomas Stelzer“

*****

Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern:

„Josef Lobnig

Erster Präsident des Kärntner Landtages

zu Ldtgs.ZI. 5-1/30

Betreff: Wahl der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder

Herrn

Harald Reisenberger

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl Renner Weg 3

1017 Wien                                                                                                        Klagenfurt, am 31.3.2009


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 9

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Kärntner Landtag hat in seiner konstituierenden Sitzung der 30. Gesetzgebungs­periode am 31. März 2009 die Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmitglieder gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nach dem Verhältniswahlrecht gewählt.

In der Anlage übermittle ich ein Verzeichnis der Gewählten, Reihung nach d'Hondt.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage“

*****

„Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmitglieder vom Kärntner Landtag gewählt

Stand: 31.3.2009

30.Gesetzgebungsperiode

BZÖ:

1. MITTERER Peter, geb. 23.11.1946, Gastwirt,

9551 Bodensdorf, Gerlitzenstraße 44

Ersatzmitglied:

NEUNER Christof Mag., geb.15.1.1953, Kaufmann,

9020 Klagenfurt, Sterneckstraße 65

SPÖ:

2. BLATNIK Ana, geb. 19.7.1957, Berufsschullehrerin,

9072 Ludmannsdorf 49

Ersatzmitglied:

GRILLlTSCH Marie-Theres, geb. 24.10.1988, Studentin

9020 Klagenfurt, Hans Sachs Straße 33

BZÖ:

3. EBNER Walter Mag., geb. 23.6.1952, Schulleiter

9020 Klagenfurt, Anzengruberstraße 63

Ersatzmitglied :

ZWANZIGER Peter   geb. 30.5.1977, Vertragsbediensteter

9061 Wölfnitz, Drautalstraße 34

ÖVP:

4. PETRITZ Karl, geb. 12.11.1941, Finanzbeamter LR.

9560 Steuerberg 27

Ersatzmitglied:

SCHÖFFMANN Claudia, geb. 6.2.1969, HS-Lehrerin

9300 Frauenstein, Wimitzstraße 4“

*****


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 10

Schreiben der Ersten Präsidentin des Oö Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmit­gliedes:

„Angela Orthner

Erste Präsidentin des Oö. Landtages

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Harald Reisenberger

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

L-16/53-XXVI-Rm                                                                                                                  2. April 2009

Nachwahlen zum Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 2. April 2009 gemäß Artikel 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Artikel 29 Oö. Landes-Verfassungsgesetz die Nachwahl eines Ersatzmitglieds durchgeführt hat. Es wurde gewählt:

Ersatzmitglied an 3. Stelle: LAbg. Arnold Weixelbaumer,

Eisbachweg 24, 4180 Zwettl/Rodl

Diese Nachwahl wurde notwendig, weil Bundesrat Franz Wolfinger mit Ablauf des 31. März 2009 auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrates verzichtet hat und weil dessen Ersatzmitglied Mag. Michael Hammer ex lege in den Bundesrat nachgerückt ist.

Eine Kopie der Verzichtserklärung des Bundesrates Franz Wolfinger ist in der Anlage angeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen!

Beilage“

*****

„Franz Wolfinger

Bachweg 5

4531 Kematen/Kr

An die

Erste Präsidentin des OÖ Landtags

Angela Orthner

Dießenleitenweg 6

4040 Linz

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin!

Ich verzichte mit Ablauf des 31. März 2009 auf meine Mitgliedschaft im Bundesrat.“

*****

09.03.14Angelobung

 


Präsident Harald Reisenberger: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mit­glieder des Bundesrates sind im Haus anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Ange­lobung vornehmen.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 11

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun den Schriftführer um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.03.44

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch den Schriftführer Josef Saller leisten die Bundesräte Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten), Mag. Walter Ebner (BZÖ, Kärnten), Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich), Peter Mitterer (BZÖ, Kärnten) sowie Karl Petritz (ÖVP, Kärn­ten) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin­nen und Bundesräte gratulieren den neuen Mitgliedern des Bundesrates.)

*****

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich begrüße die neuen und die wiedergewählten Mit­glieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte.

09.05.59Fragestunde

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.07 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen ermöglichen zu können, bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Ich darf in unserer Mitte Herrn Vizekanzler und Bundesminister für Finanzen Dipl.-Ing. Josef Pröll recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Bundesministerium für Finanzen

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bun­desminister für Finanzen.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Zwazl, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1660/M-BR/2009

„Welche Maßnahmen setzen Sie angesichts aktueller Prognosen der österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitute hinsichtlich eines BIP-Rückgangs von -2,2 Prozent bis ‑2,7 Prozent für das Jahr 2009 und eines ,kleinen‘ Plus von 0,4 Prozent bis 0,5 Prozent im Jahr 2010, um die Krise zu bewältigen, die Wirtschaft zu stärken und den Menschen zu helfen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Auch ich darf eingangs allen heute neu angelobten Mitgliedern des Bundesrates herzlich gratulieren und alles Gute wünschen für diese sehr, sehr wichtige Aufgabe in der Politikgestaltung für unser gemeinsames Ziel, nämlich in Österreich etwas weiterzubringen.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 12

Was die Frage betrifft, die Sie, Frau Abgeordnete, mir hinsichtlich der Prognosen und hinsichtlich dessen gestellt haben, welche Elemente wir setzen und mit welchen Maß­nahmen wir der sicher schwierigsten Situation, was Wirtschafts- und Finanzentwick­lung seit 1945 betrifft, entgegenwirken, so möchte ich, bevor ich auf die Maßnahmen­palette eingehe, vor allem einmal skizzieren – ich werde das auch nächste Woche bei der Budgetrede am 21. April 2009 dem Hohen Haus präsentieren –, was denn die Bud­getplanung, die Parabelrechnungen für das Wirtschaftswachstum, die Entwicklung der Arbeitslosigkeit – wie jetzt prognostiziert – für uns bedeuten.

Wir dürfen kurz zurückblicken. Ich möchte gar nicht allzu weit zurückgehen, sondern auf die Zeit der Koalitionsverhandlungen in der Nachwahlsituation Ende September des letzten Jahres: Damals sind wir mit Wirtschaftsprognosen konfrontiert gewesen, die gelautet haben, es wird in den Jahren 2009 und 2010 ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent beziehungsweise 1 Prozent geben. Ein paar Wochen später, im Dezem­ber 2008, gab es dann eine Korrektur Richtung null. Jetzt liegen wir bereits bei minus 2,2 Prozent in der Prognose, manche sagen minus 2,7 Prozent. So geht es wöchent­lich dahin.

Ich war letzte Woche beim informellen Rat der Finanzminister in Prag, wo für Europa weitere dramatische Zahlen in dieser Hinsicht entsprechend skizziert wurden.

Wir haben gegengesteuert und haben mit zwei Konjunkturpaketen und einer Steuer­reform im Ausmaß von zirka 6 Milliarden € Pakete auf den Weg gebracht, nach dem Motto: Wir wollen die Wirtschaft mit zwei Konjunkturpaketen stärken, die einen breiten Maßnahmenmix für Klein- und Mittelunternehmen bereitstellen, und auch mit einer Steuerreform in der Höhe von knapp 3 Milliarden €, die in den nächsten Wochen wirk­sam werden wird, durch die wir alle Menschen, die in Österreich Steuer zahlen, entlas­ten wollen, den klassischen Mittelstand entlasten wollen und vor allem mit 500 Millio­nen € aus diesem Paket für die Familien Kaufkraftstärkung vornehmen wollen.

Das sind die Eckdaten von dem Durchschnitt, den wir uns vorgenommen haben. Wir liegen dabei in den Unterstützungspaketen in einer Größenordnung von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist eine Zahl, wie wir sie bis dato noch nie aufgewendet haben. Das muss auch verkraftet werden in den öffentlichen Budgets. Das sind Zahlen, die natürlich auch dazu beitragen werden, dass das Budgetdefizit und auch die Ver­schuldungsquote gegenüber der Vergangenheit deutlich steigen werden. Es sind außergewöhnliche Maßnahmen für eine außergewöhnliche Zeit.

Das ist der Maßnahmenmix, mit dem wir dieser Wirtschafts- und Finanzkrise entgegen­treten wollen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Wie liegt Österreich mit seinen Maßnahmen im europäischen Vergleich?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Auch der Vergleich zur Wirtschaftskrise der Zwanziger- und Dreißigerjahre, die damals ja die größte Re­zession und den größten Wirtschaftseinbruch für die Welt bedeutet hat, liegt nahe. Jetzt gibt es einen wesentlichen Unterschied zu damals: Erstmals handeln die Weltge­meinschaft und Europa relativ gut – und ich sage: sehr gut in Europa – abgestimmt, um die Krisenherausforderung gemeinsam zu bewältigen. Es wird in dieser Krise nicht ver­sucht, durch nationale Maßnahmen die Krise auf andere abzuschieben und die Ge­wichte ungleich zu verteilen, sondern jedes Land in Europa hat seine Herausforde­rungen selbst zu bewältigen, allerdings in einer Konzeption, in einem gemeinsamen Design, das wir in Europa entwickelt haben.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 13

Wir liegen, was die Frage der Maßnahmen betrifft, im absoluten Spitzenfeld Europas. Wir haben uns das angesehen: Was machen unsere Konjunkturpakete und die Steuer­reform, die wir umgesetzt haben, aus? – Die Maßnahmen führen uns im Jahr 2009 von der Höhe und der Effizienz her an die zweite Stelle hinter Spanien und im Jahr 2010 an die zweite Stelle hinter Deutschland. Wir sind jenes Land, das gemessen am Brutto­inlandsprodukt am zweitmeisten zur Bewältigung dieser Finanz- und Wirtschaftskrise aufwendet und dafür die richtigen Antworten gibt. Wir bewegen uns da ungefähr bei 2 Prozent des BIP, Deutschland bei 1,9 Prozent, wir bei 1,8 Prozent im nächsten Jahr. In dieser Größenordnung liegen wir. Wir sind on top.

Wir brauchen uns überhaupt nichts vorwerfen zu lassen, von niemandem etwas vor­werfen zu lassen – ich sage das ganz bewusst in diesen Stunden und Tagen! Wir ha­ben reagiert wie niemand anderer, frühzeitig, im Ausmaß an der zweiten Stelle in Euro­pa. Und auch von der Wirkung werden die Konjunkturpakete und die Steuerreform ihre Kraft dann in den nächsten Wochen und Monaten voll entfalten können.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Einwallner.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Finanzminister, ich möchte noch einmal konkret auf die einzelnen Maßnahmen zurückkommen. Können Sie noch einmal konkretisieren, welche Maßnahmen Sie setzen, um gerade die Bezie­her kleinerer Einkommen zusätzlich zu entlasten?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben gera-
de für die kleineren Einkommen einen Mix gesetzt, der schon wirksam ist, im Gegen­satz zu allen anderen, wo wir jetzt die Steuerreform erst umsetzen. Wir haben mit dem 300-Millionen-€-Arbeitslosenversicherungsbeitragsentfall eine wirkliche Maßnahme, die jetzt voll hilft und wirkt, schon in der letzten Bundesregierung gesetzt.

Wir haben – und das dürfen Sie auch nicht vergessen – mit dem Familienpaket, das jetzt in die Umsetzung kommt, mit einem Mix an verschiedenen Maßnahmen in diesem Familienpaket gerade auch die Bezieher niedrigerer Einkommen entsprechend unter­stützt, dort, wo Kinder sind, einen entsprechenden Impuls gesetzt und damit, so denke ich, auch das Richtige zur richtigen Zeit getan.

Es wird vor allem auch dazu führen, dass erstmals in Österreich die Anzahl der Men­schen, die keine Steuer mehr zahlen, auf 2,7 Millionen steigen wird und wir folgende Tatsache realisiert haben, nämlich dass auf einen Steuerzahler in Zukunft schon fast einer kommt, der keine Steuer bezahlt. Das ist auch ein wichtiges Thema, das man sehen muss!

Deswegen bin ich ja so massiv dagegen, dass man über das hinaus jetzt noch beginnt, den Mittelstand, der diese Last zu tragen hat – 2,7 Millionen Menschen, die keine Steu­er zahlen, aber Transferleistungen in Anspruch nehmen –, weiter zu belasten. Man darf diesen nicht überbeanspruchen! Deswegen ist es jetzt wichtig, dass wir den Mittelstand entsprechend entlasten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Finanzminister, auf das von Ihnen zuletzt Angesprochene möchte ich eingehen. Damit sprechen Sie wohl die Vermögensteuer an, die nicht auf den Mittelstand, son­dern auf die obersten Einkommen abzielt, die ja in dem Sinn noch keine Solidarabgabe leisten.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 14

Aber zurück: Sie haben recht, zwei Konjunkturpakete, eine Steuerreform, die wirkt.

Zu den Konjunkturpaketen – es gibt dazu heute ja noch weitere Fragen – eine konkrete Frage: Für die BIG sind 875 Millionen € in zwei Jahren vorgesehen. Die BIG selbst sagt, sie hat gar nicht so viele Projekte, um dieses Geld auszugeben. Wir beurteilen Sie das?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Auf die Frage der Vermögensbesteuerung möchte ich jetzt nicht eingehen, denn so eine Steuer, wie Sie sie debattieren, nämlich eine Solidarabgabe, eine Reichensteuer und so weiter, also im ganz oberen Spitzenbereich angesiedelt, liefert gar keinen Anteil zur Konsolidierung in der Breite, wie es notwendig ist. Wenn wir über Vermögenssteuern, wie sie hochgezo­gen sind, reden, dann reden wir über eine breite Eigentumsbesteuerung, die ich nicht haben will.

Wenn das dahinter steht – und das kann nur der Sinn dahinter sein, um massiv Geld zu lukrieren –, wird es für Schrebergarten- bis Zinshausbesitzer (Bundesrat Gruber: Einfamilienhaus!), für Menschen, die ihr Geld hart erwirtschaftet haben, keine Besteue­rung auf Einkommen und Eigentum geben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Das will kein Mensch!)

Zum zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben: In den Konjunkturpaketen sind für die Bundesimmobiliengesellschaft knapp über 800 Millionen € veranschlagt. Es geht jetzt darum, dass die Ministerien bei der BIG ihre Bauprojekte in Auftrag geben. Uns war damals schon klar, dass der Rahmen sehr ambitioniert ist und auch mit Projekten ausgefüllt werden kann. Die Zeittangente für so riesige Bauprojekte, die überraschend schnell vorgezogen werden müssen, stellt natürlich eine besondere Herausforderung dar.

Noch dazu kommt die Botschaft – und das hat viele überrascht –, dass die Bauindus­trie abseits der zusätzlichen Projekte, die wir auch in der öffentlichen Hand durch die BIG forcieren wollen, volle Auftragsbücher aus dem privaten und wirtschaftlichen Be­reich hat. Das heißt, wir stoßen auch auf die Tatsache, dass die BIG zwar jetzt massiv in die Planung geht, Vorziehprojekte im Auftrag der Ministerien plant und umsetzen will, aber wiederholt und sehr, sehr oft die Botschaft bekommt, die Bauindustrie arbeitet derzeit am absoluten Limit der Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen in der Ausschöpfung dessen, was an Aufträgen gerade realisiert wird.

Da ist also ein Zusammenspiel zu sehen. Die 800 Millionen € stehen als Potenzial. Je­des Vorhaben, das in den nächsten zwei Jahren vorgezogen werden kann, wird reali­siert werden. Auf dieser Linie bleiben wir auch.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Preiner, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1664/M-BR/2009

„Wie viele Anträge für die Ökoprämie sind bis jetzt beim Bundesministerium für Finan­zen eingelangt?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben die Ökoprämie in Österreich eingeführt. Ich habe am Anfang – ich mache da auch kein


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 15

Hehl daraus – diese Maßnahme als einzelne Maßnahme, die Österreich zu setzen hat, sehr kritisch beleuchtet. Wir haben dann aber gesehen, dass im breiten Kontext in Europa die Ökoprämie in Deutschland und Frankreich forciert und eingeführt wird. Ich habe immer gesagt, wenn wir das in Europa machen, dann werden wir als eines der zentralen Automobilzulieferländer uns nicht als Signal auf die Seite stellen.

Man sieht jetzt, dass die Ökoprämie tatsächlich ihre Wirkung entfaltet. Nach ein paar Tagen des Anlaufs haben wir mit Stand von heute in der Früh – wir haben ja eine eigene Homepage, wo mit einem Link direkt aus den Verschrottungsbereichen, aus der Automobilverkaufsindustrie sozusagen zugegriffen und angemeldet werden muss – 6 142 Pkws, die angemeldet waren. Gestern um 15 Uhr waren es noch 6 046 Pkws, jetzt sind es 6 142. Das heißt, seit gestern 15 Uhr sind 100 Pkws plus zu verzeichnen. So ist ungefähr die Dynamik der Entwicklung von den angemeldeten Pkws.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Welche weiteren Maßnahmen zur Ent­lastung der Automobilindustrie und auch der Autozulieferindustrie sind gegenwärtig be­ziehungsweise in näherer Zukunft geplant?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich glaube, dass es in der Frage der wirtschaftlichen Entwicklung gar nicht so sehr nur um eine Branche geht. Als Erstes hat es die Automobilindustrie im Absatz und damit auch die Zuliefer­industrie in Österreich gespürt. Deswegen haben wir dort unsere Konzepte umgesetzt.

Die von mir jetzt erwähnten Konzepte gelten aber nicht spezifisch nur für die Automo­bilindustrie. Es ist die Frage des Kurzarbeitsmodells, das wir ausgeweitet haben. Wir haben derzeit 47 000 Menschen in Kurzarbeit. Es ist ein großer Teil davon in der Auto­mobilzulieferindustrie, aber nicht nur. Das ist also ein ganz konkretes Package, das aus der Not der Automobilzulieferindustrie entstanden ist, die Fristen für Kurzarbeit von sechs auf 18 Monate zu verlängern. Wir geben dafür insgesamt mit der Weiterqualifika­tion 138 Millionen € aus. Wir nutzen ja die Kurzarbeit auch zur Weiterqualifikation der Menschen, die leider in Kurzarbeit gehen müssen.

Der zweite und große Punkt ist die Frage: Wie überbrücken wir die Finanzierungsnot­wendigkeiten, wissend, dass im Bankenpaket im Haftungsschirm von 75 Milliarden € noch Geld zur Verfügung ist und Haftungsmöglichkeit vorhanden ist?

Deswegen werden wir mit 10 Milliarden € für mittelständische und größere Industriebe­triebe gemeinsam mit den Banken in der Liquiditätsversorgung, sprich in der Versor­gung auch mit Kreditvolumen, einen entsprechenden Baustein setzen – ich habe das angekündigt, ich bin derzeit in den Detailverhandlungen –, nicht um der Industrie wil­len, sondern um die Arbeitsplätze in diesen Betrieben zu halten. Das ist der Sinn hinter der Überbrückungsfinanzierung, die wir brauchen, um die Krise zu durchtauchen. Und das tun wir. Also Kurzarbeit plus die Frage der Liquiditätsversorgung, der Kreditlinien­erhöhung mit 10 Milliarden €, wo wir die Banken nicht aus ihrer Pflicht entlassen, im Gegenteil, voll in die Pflicht nehmen, damit sie die Kreditgeschäfte beschleunigen, aber mit unserer Haftung einen Teil davon auch abfedern können.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Hensler.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Finanzmi­nister! Die Frage wurde bereits gestellt, was den Bereich der Unterstützung der Auto­industrie betrifft, ich ziehe sie hiermit zurück.

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 



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Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich versuchte, das bereits zu beantworten, was die Automobilindustrie betrifft. Diese zwei Maßnahmen­bausteine sind gesetzt und werden jetzt umgesetzt. Die 10 Milliarden €, dieses Paket der Finanzierung auch der Automobilindustrie, aber darüber hinaus der gesamten mit­telständischen und größeren Industriebetriebe werden wir in den nächsten Wochen der Öffentlichkeit präsentieren.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Herr Bundes­minister, kommt die Verschrottungsprämie direkt den Kunden zugute? Wie hoch ist im Schnitt der nicht dem Kunden zugute kommende Teil der Verschrottungsprämie?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich gehe davon aus, dass die Verschrottungsprämie in ihrer vollen Höhe vom Kunden auch lukriert wird, für ihn also einen Mehrwert darstellt. Wir sehen das auch eindeutig im Andrang, dass das Anreizsystem funktioniert. Und ich gehe davon aus, dass es nur dann funk­tioniert, wenn der Kundennutzen auch entsprechend gegeben ist.

Wir hören das auch aus der Branche, und zwar nicht nur in Österreich, sondern überall dort, wo es in Europa eine entsprechende Maßnahme gibt, dass dadurch ein massiver Kaufkraftimpuls gesetzt wird, dass das Geld beim Kunden ankommt und dass wir auch einen Absatznutzen haben. Wir haben auch immer gesagt, dass 13 Jahre alte Autos ökologisch problematische Fahrzeuge sind, weil sie hinsichtlich Verbrauch und Emis­sionen wesentlich schlechter sind. Es ist jetzt der Trend zu kleineren, effizienteren, ökologisch sinnvolleren Wägen da. Das sehen wir eindeutig in der Frage der Umset­zung der Ökoprämie. Also: Die Prämie kommt beim Kunden an und wird getragen vom Staat – 25 Millionen € – und der Kfz-Industrie.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur 3. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Schennach, die Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Finanzmi­nister, noch einmal eine Konkretisierung der Konjunkturpakete.

1663/M-BR/2009

„Wie viele Millionen Euro sind aus den beiden Konjunkturpaketen tatsächlich bereits in die österreichische Wirtschaft geflossen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Da muss man jetzt einmal unterscheiden zwischen Konjunkturpaket 1 und 2 in der Schwerpunktsetzung. Es ist ja ein breiter Maßnahmenmix. Es geht ja nicht nur um liquide Mittel im Sinne von Förderungsunterstützung, sondern es geht vor allem um die Frage Eigenkapitalstär­kung, Austria Wirtschaftsservice für die Unternehmen, die schon kommen und abholen.

Zweiter Punkt: Es geht um die Frage von Haftungen und Garantien, um Liquidität in die Märkte zu bringen und für die Unternehmen bereitzustellen. Also wieder keine Mittel, sondern Haftungsschirme; die werden abgeholt und ausgelöst, das ist ein ständiger Prozess. Die Unternehmen sind dabei, beim AWS die Instrumente entsprechend um­zusetzen. Wir wollen bei der Breitbandförderung weiterkommen, bei der Internationali­sierungsoffensive.

Man darf ja eines nicht vergessen – ich mache einen kurzen Sidestep –: Wir reden lei­denschaftlich über die Frage der Notwendigkeit von Konjunkturpaketen in Österreich.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 17

Okay, man kann endlos darüber diskutieren, ob wir noch ein drittes, ein viertes brau­chen. Aber alles, was wir in Österreich an Maßnahmen setzen, bewegt nur 40 Prozent des Potenzials der Wertschöpfung in diesem Land. 60 Prozent des Wohls und Wehs unserer Entscheidung fallen auf Exportmärkten.

Die Frage ist: Was passiert auf Exportmärkten in der Konjunkturbelebung? Was pas­siert auf den Märkten, auf denen wir überproportional engagiert sind? Welche Trends setzt dort die Politik? – Wir haben sie in Österreich gesetzt. Aus meiner Sicht laufen sie gut. Vorzeitige Afa: umgesetzt, beschlossen. Thermische Sanierung: 100 Millionen €, die Anträge laufen bereits auf einer breiten Ebene, für private Haushalte und für das Gewerbe. In diesen Wochen laufen also sowohl Antragstellung als auch Abwicklung voll an und auch darüber.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Bundesmi­nister! Sie haben das AWS angesprochen und das Konjunkturpaket von Oktober. Wie viele Unternehmen haben bereits über das AWS Mittel bekommen? Und finden Sie es nicht bedenklich, dass das AWS derzeit noch immer – in einer solchen Zeit! – nach einer Geschäftsführung sucht?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich finde das nicht bedenklich, weil ich davon ausgehe, dass ein Unternehmen, das die Geschäftsführung verliert, einen ordentlichen Auswahlprozess – Ausschreibung, Auswahlprozess – vor­nimmt und nicht aus der Hüfte schießend neue Führungspersönlichkeiten definiert, schon gar nicht von der Politik definiert, sondern dass dieser wichtige Job in einer so wichtigen Phase nach Qualifikation besetzt wird. Interimistisch wird das AWS ja weiter­geführt, es gibt einen Geschäftsführer, der seine Verantwortung hat, auch einen zwei­ten, der jetzt interimistisch eingesetzt ist, der aus dem Haus kommt und die Modalitä­ten kennt. Alles andere liegt auch nicht in meiner Verantwortung, sondern in der des zuständigen Wirtschaftsministers. Ich kann Ihnen die Zahl der Unternehmen, die bis jetzt beim AWS aus dem Konjunkturpaket entsprechende Hilfe beansprucht haben, nicht nennen, aber ich kann das gerne schriftlich nachreichen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Was sind die Schwerpunkte der Konjunkturpakete für KMUs?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wenn man im An­schluss an die vorhergehende Frage das ein bisschen abgrenzen will und sich fragt, wo die Schwerpunkte in den beiden Konjunkturpaketen, sozusagen der Mittelstands­milliarde, sind, dann muss man Folgendes sagen:

Erstens einmal zusätzliche AWS-Kreditlinien in der Höhe von 300 Millionen €; zinsbe­günstigte Kredite aus dem ERP-Fonds im Ausmaß von 200 Millionen €; dann Mittel­standsfonds, das ist zur Eigenkapitalstärkung unserer klein- und mittelständischen Wirtschaft gedacht, 40 Millionen €, und zur Erhöhung des Haftungsrahmens zirka 400 Millionen €. – Das in Summe zur Frage Mittelstandsmilliarde auf Grund des ersten Konjunkturpakets.

Im zweiten Konjunkturpaket erweitert sich dann dieser Betrag auf insgesamt 3 Milliar­den € durch investive Maßnahmen und andere Maßnahmen, die wir entsprechend vor­gesehen haben. Da ist die Abschreibung dabei. Ich könnte eine lange Liste anführen,


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 18

aber das ist das, was wir im Parlament dann auch entsprechend der Beschlussfassung zugeführt haben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Einwall­ner, bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Zum einen muss ich jetzt zur Kenntnis nehmen, Herr Finanzminister, dass Sie offenbar in Fragen der Steuergerech­tigkeit doch das Mittel der Polemik bevorzugen (Zwischenrufe bei der ÖVP) und hier sehr polemisch auf diese Anfragen geantwortet haben. Das nehmen wir zur Kenntnis. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Was war polemisch?) – Der Kleingarten, der Schrebergar­ten ist auf keinen Fall ein Thema, Herr Finanzminister. Sie wissen ganz genau, dass es hier nicht um diese Größen geht. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Eine Vermögensbe­steuerung!) Es geht um eine Vermögenszuwachsbesteuerung, es geht um Finanz­transaktionssteuern. Und da geht es um Steuergerechtigkeit, gegen die sich die ÖVP verwahrt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte um die Fragestellung!

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg) (fortsetzend): Meine Zusatz­frage, Herr Finanzminister, geht noch einmal in Richtung AWS, obwohl ich weiß, es ist nicht ganz in Ihrer Zuständigkeit. Eine Problematik ist, dass die Antragszeiten beim AWS relativ lange sind, dass es relativ lange dauert, bis die Mittel wirklich bei den KMUs, bei den kleinen und mittleren Betrieben sind. Sehen Sie Möglichkeiten, diese Strukturen noch zu beschleunigen, schneller und aktiver zu reagieren, damit die Maß­nahmen schneller dort ankommen, wo wir sie haben wollen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich gehe gern auf Ihre Frage ein, was die Beschleunigung der AWS-Mittel betrifft, muss aber kurz auf die Polemikvorwürfe zu sprechen kommen. Ich will mich gar nicht über die Vermögens­steuer äußern, aber es ist nicht polemisch, wenn man sagt: Auf einen Steuerzahler kommt bereits einer, der keine Steuern mehr zahlt. (Bundesrat Gruber: Eh nicht!) Nur damit wir die Daten und Fakten außer Streit stellen.

Das Zweite: Es ist auch nicht polemisch, zu sagen, dass Österreich – wenn Sie Steuer­gerechtigkeit in den Mund nehmen – jenes Land ist, das 26 Prozent des Bruttoinlands­produkts in Form von Struktureffekten umverteilt. Top in Europa, die OECD weist uns als absolut top aus.

Wir haben also für die, die Steuer zahlen, 26 Prozent des BIP in der Umverteilung, eine Balance geschaffen wie kein anderes Land. (Bundesrat Gruber: Die Nationalbank hat das in einer Statistik ausgewiesen!) Aber das muss auch jemand leisten, es muss auch jemand den Topf füllen, damit 26 Prozent umverteilt werden können.

Das ist auch keine Polemik, sondern das sind die Daten und Fakten. Ich sage gar nicht mehr und nicht weniger. Und das muss jemand verdienen, jemand muss hart arbeiten und Steuern zahlen, damit man etwas verteilen kann. Und da haben wir eine Grenze erreicht, man darf die einen durch Forderungen der anderen nicht überbeanspruchen. Und wenn es einmal eins zu eins steht, dann ist es schon knapp. (Zwischenruf des Bundesrates Gruber.) Absolut d’accord, und mehr habe ich nicht gesagt. Das muss man nur in die Bewertung mit einfließen lassen.

Zweiter Punkt: AWS.

Zur großen Herausforderung in der Krisenbewältigung zählt eine Frage, die man natür­lich auch stellen muss, nämlich: Woher kommt die Krise? Was ist der Kern, was ist die


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 19

Wurzel? Die Ursache: ein Schuldenmachen aufgrund schlechter Bonitäten, falscher Einschätzungen, jedenfalls Verschuldung auf breiter Ebene zu ermöglichen.

Die Kunst bei Transfers der öffentlichen Hand – AWS et cetera – liegt darin, bei jedem Einzelfall, eben bei den vielen, die jetzt Geld, eine Überbrückungshilfe, Haftungsgaran­tien und so weiter brauchen, zu prüfen, ob Bonität jeweils gegeben ist, denn klar ist: Jetzt noch Steuergeld in ein Unternehmen zu stecken, bei dem es schon vor dieser Krise Probleme gab, das wäre der falsche Weg und würde die Krise nur noch ver­schlimmern, aber keinesfalls lindern oder lösen helfen. Das ist, wie gesagt, eine große Herausforderung im Zusammenhang mit Bewertungen durch Banken, AWS und alle anderen Partner und mit Kreditvergaben. Das alles braucht auch seine Zeit.

Ich gebe Ihnen jedoch recht – und das habe ich auch schon mehrmals öffentlich ge­sagt –, dass aufs Tempo gedrückt werden muss, wobei jedoch die Qualität der Beurtei­lung im Einzelfall nicht leiden darf.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Vizekanzler, ich wollte Sie ursprünglich auch zu Aussagen des Nobelpreisträgers Paul Krugman be­fragen, aber dazu gab es ja Gott sei Dank schon genügend Stellungnahmen Ihrerseits. Daher meine Zusatzfrage in Bezug auf das AWS, über das Sie vorhin bei einer Anfra­gebeantwortung gesprochen haben. Angeblich gibt es erhebliche Probleme im Bereich des AWS, da beispielsweise die Mitarbeiter völlig überlastet und daher Massen von Anträgen unerledigt sind. Sind diese Informationen zutreffend, und reichen Ihrer Mei­nung nach die organisatorischen und rechtlichen Kapazitäten aus, und, wenn nein, welche konkreten Maßnahmen sind diesbezüglich geplant?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Mir sind die Infor­mationen in dieser Vorwurfsbreite nicht bekannt. Ich habe sogar gesagt, ich akzeptiere und dränge auch darauf, dass Verfahren in beschleunigter Form jetzt abgewickelt wer­den. Ich werde mit dem Wirtschaftsminister darüber reden, dass einzelne Verdachts­momente im Raum stehen.

Ich sage nur, die Mitarbeiter im AWS, auch die Führung leistet wirklich sehr, sehr inten­sive Arbeit im Hinblick auf das, was da an Bewertung notwendig ist. Es ist eine außer­gewöhnliche Situation für alle. Sie wissen, es gab endlose Debatten, auch über Büro­kratie, ja oder nein, in Österreich über Jahre. Jetzt schreien alle nach Abwicklungen in zwei Tagen. Auf einmal soll eine Aufstockung der Zahl hoch qualifizierter Beamter und Mitarbeiter binnen Wochenfrist erfolgen. Das geht eben nicht, wenn man auf der an­deren Seite über Jahre und Jahrzehnte die Rückführung propagiert. Und deswegen ist es jetzt eine ganz große Herausforderung. Aber ich bin sehr, sehr optimistisch, dass im Sinne der Unternehmen – und um diese geht es – jetzt eine rasche Abwicklungsmög­lichkeit der Finanzierung gefunden werden kann.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mag. Rausch, um die Verlesung der Frage.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister, meine Frage:

1661/M-BR/2009

 


„Die Steuerreform ist mit 1. April 2009 in Kraft getreten, ab wann und wie werden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Entlastung spüren?“


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 20

Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Steuerreform umfasst ja mehrere Elemente, zum einen die Lohnsteuersenkung, Einkommensteuer­senkung, auch einen Input für kleinere und mittlere Unternehmen, eine Äquivalenz­regelung zum 13. und 14. Gehalt sozusagen. Weiters beinhaltet die Steuerreform im Ausmaß von 500 Millionen € das größte Familienpaket, das wir in Österreich in den letzten Jahrzehnten auf den Weg gebracht haben.

Die Maßnahmen, die zu dieser Entlastung führen, wirken zeitlich unterschiedlich. Jetzt, unmittelbar in den nächsten Tagen und Wochen, spätestens bis 30.6., wird die Tarif­senkung rückwirkend mit 1. Jänner 2009 für alle spürbar werden, die Beträge werden angewiesen und ausgezahlt werden. Die Abwicklung läuft in den Unternehmen bereits. Das heißt, da kommt jetzt ein Einmalbetrag rückwirkend mit 1. Jänner und dann monat­lich die Entlastung, die natürlich aufgrund der Senkung der Lohnsteuer dann auch wei­ter bei den Löhnen spürbar sein wird.

Zur Frage des erhöhten Kinderabsetzbetrages: Da erfolgt ebenfalls eine Nachzahlung. Der Kinderabsetzbetrag kommt ja mit der Familienbeihilfe, und er wird erhöht. Es kommt zu einer Nachzahlung und dann zu einer ständigen Erhöhung bei den turnus­mäßigen zweimonatlichen Auszahlungen.

Die Absetzbeträge, die in der Steuerreform unterschiedlich induziert sind, Kinderfreibe­trag, Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderbetreuungskosten, die erstmals absetzbar werden, werden erst im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2009 im nächsten Jahr spürbar sein.

Das heißt, das ist ein Maßnahmenmix, der sofort wirkt. Der größte Betrag, 2,2 Milliar­den € Lohnsteuersenkung, ganz grob gesagt, wirkt jetzt rückwirkend und dann monat­lich, während der Rest, nämlich auf Absetzbetragsbasis, erst im Jahr 2010 entspre­chend wirksam wird. Und ich sage, das ist auch ein kluger Ausgangspunkt und eine kluge Herangehensweise, weil das nicht nur der Steuersystematik entspricht, sondern weil wir auch 2010 durchaus noch zusätzliche Inputs brauchen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Da ging es um die kon­kreten Auswirkungen für den einzelnen Steuerzahler und die einzelne Steuerzahlerin. Herr Bundesminister, mit welchen volkswirtschaftlichen Auswirkungen auf die Konjunk­tur rechnet man im Hinblick auf die Steuerreform 2009?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wenn man sich anschaut, welches Ausmaß die Steuerreform hat, nämlich 3,2 Milliarden €, so erwarten wir, dass die Nettorealeinkommen pro Kopf um zirka 3,6 Prozent steigen werden. Das ist der höchste Zuwachs seit 20 Jahren und auch die richtige Antwort in einer so schwierigen Situation, in der wir uns derzeit befinden. Die Konjunktureffekte jetzt über einen Kamm zu scheren ist etwas schwierig, weil die zeitlichen Effekte der Steuer­reform, die ich vorher bereits angesprochen habe, natürlich eine unterschiedliche Wir­kung entfalten, aber der Wachstumseffekt könnte 2009 bei etwa einem halben Prozent des BIP liegen, 2010 bei 0,15 Prozent des BIP. Was die Frage der Beschäftigungsef­fekte betrifft, gehen wir bei der Steuerreform von plus 15 000 Beschäftigten aus, was in einer sehr, sehr schwierigen Phase ein wichtiges Signal darstellt.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 21

Der private Konsum – dieser ist trotz der Krise immer noch die Stütze unserer Entwick­lung in den letzten Wochen – und die Investitionen werden dadurch sicher einen Schub in die richtige Richtung erfahren.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mos­bacher.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, meine Frage an Sie lautet: Welche Einkommensstufen werden prozentuell durch die Steuerreform am stärksten entlastet?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Was die Vertei­lungswirkung der Steuerreform betrifft, haben wir eine genaue Tabelle auch im Rah­men der Beschlussfassung beigelegt. Wir steigern die Entlastung bis zu einem Maxi­malbetrag von 1 360 €. Dann wird abgeschnitten – das, weil gerade vorher von der Verteilungswirkung im oberen Bereich gesprochen wurde. Das heißt, das ist die Entlas­tung, die hier gesetzt wird für jeden und jede, der beziehungsweise die Lohn- oder Ein­kommensteuer zahlt. Es geht in der Progression hinauf bis maximal 1 360 €. Das ist, glaube ich, die maximale Obergrenze der Entlastung.

Für jene Menschen, die keine Steuer zahlen, haben wir im Vorfeld der Umsetzung der Steuerreform bereits mit 300 Millionen € Arbeitslosenversicherungsbeitrag einen richti­gen Schritt gesetzt.

Ich kann Ihnen die Steuertarife ab 1. Jänner 2009, also rückwirkend mit 1. Jänner, noch ganz kurz sagen: Bis 11 000 € keine Steuer – das betrifft 2,7 Millionen Menschen, das ist das, was ich vorhin schon erwähnt habe; das ist ein Plus von knapp 200 000 Menschen, die aufgrund der Steuerreform aus der Steuerpflicht herauskom­men –, zwischen 11 000 € und 25 000 € 36,5 Prozent Grenzsteuersatz – das betrifft 2,4 Millionen Menschen –, ab 25 000 € bis 60 000 € beträgt der Grenzsteuersatz 43,21 Prozent – das betrifft 1,2 Millionen Menschen – und ab 60 000 € Einkommen 50 Prozent Grenzsteuersatz – davon sind 200 000 Menschen betroffen. – Das zur Frage, wo Steuern ansetzen müssen, um einen breiten Effekt zu erzielen, rein vom Summenaufkommen, nicht von der politischen Zuordnungsdebatte.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Minister! Wann wird die Bundesregierung eine Vermögenssteuer und eine Finanztransaktionssteuer einführen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zwei Punkte. Ich habe vorher schon einmal Kritik an der undifferenzierten Diskussion über eine Vermö­genssteuer geübt. Da muss man einmal genau sagen, woran dabei gedacht ist. Wenn ich an einen breiten und spürbaren Effekt für die Budgetkonsolidierung denke, dann muss man klar sagen: Wer eine Vermögenssteuer will – ich will sie nicht –, denkt, ja muss an eine breite Eigentumsbesteuerung denken. Wer wirklich viel Geld auslösen will – alles andere ist Kosmetik und hat zwar möglicherweise einen politischen Charme, aber keinen Effekt in dem Ausmaß –, wer will, dass Vermögenssteuern kommen, muss Ja sagen zu einer breiten Eigentumsbesteuerung. Und das sehe ich nicht.

Der zweite Punkt: Ich halte einen solchen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt für grob fahr­lässig; für grob fahrlässig in einer sehr sensiblen Phase des Landes, in der wir entlas­ten, in der wir Geld aufbringen müssen für Konjunktureffekte, in der wir den Leuten sig­nalisieren: Wir geben euch Geld zurück! Für die mittelständische Wirtschaft und für


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alle, die wirtschaften und investieren – und von deren Investitionskraft werden wir in Zukunft ganz besonders abhängen –, jetzt schon wieder zu signalisieren: Liebe Freun­de, Achtung, haltet lieber zurück, denn irgendwann werden euch die Steuererhöhun­gen bestimmt wieder treffen!, nämlich in der jetzigen Phase, in der es genau um den gegenteiligen Effekt gehen muss, ist wirtschaftspsychologisch der absolut falsche Schritt, das falsche Signal und schwerst kontraproduktiv. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb werden wir jetzt das Budget vorlegen, deshalb werden wir den Verlauf der Wirtschaftsentwicklung genau beobachten, uns die Zweitschlagskapazität auch im Bundeshaushalt vorbehalten, um dann zur richtigen Zeit entweder durch neue Maß­nahmen oder auch durch Konsolidierungsmaßnahmen die Antworten zu geben. Aber wir müssen aufpassen, dass dieses zarte Pflänzlein des Konjunkturaufschwungs – für das Jahr 2010 rechnen manche mit 0,5 Prozent Wachstum – nicht jetzt schon wieder durch falsche Signale gefährdet wird. Wer das tut, der handelt grob fahrlässig.

Deshalb ist der Zeitpunkt, jetzt über Steuererhöhungen nachzudenken, ein absolut fal­scher. Im Übrigen glaube ich, dass nur darüber nachzudenken, die Menschen zur Kasse zu bitten, und nicht auch über eine Ausgabendynamik im Bundeshaushalt, über­haupt das falsche Signal ist.

Deshalb: Jetzt Konjunkturpakete schaffen, jetzt für Unterstützung und Entlastung für Familien sorgen, Kaufkraft stärken – und nicht schon wieder das Gegenteil signalisie­ren!

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Kraml um die Verlesung der Frage.

 


Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage:

1665/M-BR/2009

„Wie wollen Sie die Vergabe von 10 Milliarden € an Firmenkrediten für Industrieunter­nehmen sicherstellen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Diese Frage der 10 Milliarden Finanzierung hat eine längere Geschichte, die ich kurz erläutern will, weil es immer heißt: Was tun die mit den Banken? Sie geben den Banken Milliardenbe­träge. 100 Milliarden € für die Banken!

Das ist der Anfang der Geschichte. Wir haben diese Hilfe: 100 Milliarden €, 75 Milliar­den davon im Wesentlichen Haftungen, Garantien, nur 15 Milliarden € als Direktunter­stützung für die Banken – Geld, das wir herleihen, aber wieder zurückbekommen; da­zwischen müssen die Banken Geld zahlen –, einstimmig im Hohen Haus beschlossen, einstimmig beschlossen, und ich wundere mich, dass in einer solch angespannten, schwierigen Situation jetzt Einzelne damit beginnen, sich von dieser Einstimmigkeit – aus zugegebenermaßen populären Gründen, weil es offensichtlich sehr in ist, auf die Banken „hinzuhauen“ – zu verabschieden. Ich mache das nicht! Die Banken sind das Rückgrat und auch der Blutkreislauf der österreichischen Wirtschaft.

Wir haben jetzt innerhalb unseres Haftungsschirmes noch 10 Milliarden für Haftungen zur Verfügung, bezüglich derer ich in folgender Art und Weise vorgehen will: Nicht der Bund vergibt direkt Liquidität oder direkt Kreditlinien an Unternehmen, wie das manche mit dem Anleihensystem ursprünglich gemeint haben, sondern die Banken vergeben weiter Kredite, und einen Teil der Haftung übernimmt der Staat. Wie viele Prozente, in


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welcher Bandbreite, das ist gerade in Diskussion. Wir helfen damit, mehr und besser und schneller Kreditlinien für die Wirtschaft im mittleren und größeren Bereich bereit­zustellen; AWS macht das für die klein- und mittelständische Wirtschaft. Wir füllen da­mit eine Lücke – ohne Zusatzbelastung und Zusatzkosten innerhalb des bestehenden Bankenpakets.

Durch wen erfolgt die Abwicklung? – Das sind einmal klar die Banken, die Systemban­ken, alle Banken, die Kreditlinien vergeben. Wenn es eine Abwicklungsstelle braucht, werden wir darüber diskutieren, wer das sein kann und wer Erfahrung hat mit der Ab­wicklung solcher Geschäfte. Dann ist noch die Frage zu klären – ich werde die Banken sicher nicht aus ihrer Verantwortung entlassen –, was der Bund an Haftung übernimmt und was auf Risiko der Banken geht. Dass der Bund zu 100 Prozent bei Kreditverga­ben an Industriebetriebe und andere dahinterstehen wird, das wird sicher nicht der Fall sein. Die Banken haben ihre Last mitzutragen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat Kraml.

 


Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Gibt es eine Institution, die diese Sache abwickelt, oder läuft das jetzt nur über die Banken?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es wird eine Insti­tution geben, die konkret dieses Paket abwickelt. Welche das allerdings ist, wird derzeit innerhalb der Koalition beraten und dann der Öffentlichkeit präsentiert werden. Da geht es nicht um eine Frage der politischen Entscheidung, das sage ich auch gleich dazu, sondern da geht es einfach um die Frage, wer mit Haftungsgeschäften, wer mit der Abwicklung solcher Dinge große Erfahrung hat. Ich werde sicher nicht zulassen, dass eine Bank, die von sich aus schon in Schwierigkeiten ist, aufgrund ihrer jüngeren Ge­schichte – wobei noch zu beleuchten ist, warum das so ist –, und die schon im Staats­besitz ist, mit zusätzlichen Aufgaben überfrachtet wird. Diese haben genug damit zu tun, selbst wieder auf die Füße zu kommen und ein Zukunftskonzept auf den Weg zu bringen, damit der Bestand nicht gefährdet ist.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Keuschnigg.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister, welche Beobach­tungen sind seitens der Oesterreichischen Nationalbank in Zusammenhang mit den Kreditvergaben, also in Zusammenhang mit der angeblichen Kreditklemme bekannt?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Nationalbank screent ja und beobachtet und begleitet natürlich das Bankgeschäft und damit auch die Kreditvolumina – aushaftende, Neuvergaben – sehr genau, und wir können eines sa­gen: Von der viel beschworenen Kreditklemme kann die Nationalbank im Wesentlichen nichts berichten. Wir haben im Jahr 2008 noch eine sehr gute Kreditwachstumsent­wicklung gehabt; es lag bei 8 Prozent im Jahresdurchschnitt. Auch im Jänner und Februar 2009 lag das Kreditwachstum im Vergleich zum Jahr davor bei plus 7,7 und plus 6,3 Prozent, also eigentlich noch relativ hoch. Tatsache ist, die Konditionen haben sich natürlich entsprechend verschärft, weil von den Bonitäten her in der Krise, auch in der Rückstellung und in der Sicherheit die Bank andere Herangehensweisen haben muss, das habe ich vorhin schon gesagt. Wir dürfen einem Fehler nicht unterliegen: Einer Krise, die durch Schulden-Machen entstanden ist, durch neues Schulden-Ma-


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chen zu begegnen, ohne bessere Bonitätsprüfung und die notwendigen Maßnahmen, wäre glatt kontraproduktiv.

Das heißt, die Kreditklemme ist in dem Ausmaß, wie sie öffentlich beschworen wird, si­cher nicht da, aber die Konditionen haben sich verschärft, und wir wollen daher durch Haftungen und weitere Möglichkeiten zur stärkeren Beschleunigung unseren Beitrag leisten.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mühlwerth, um Verlesung der Frage.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, meine Frage lautet:

1659/M-BR/2009

„Wie hoch ist die durchschnittlich abgeführte beziehungsweise festgesetzte Einkom­mensteuer 2006, 2007 und 2008 von durchschnittlichen österreichischen Haushalten in der Relation (Prozent und absoluten Zahlen) zu Haushalten ohne Kinder gewesen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Diese Frage will ich zwar, kann ich aber nicht beantworten. Ich kann Ihnen aufgrund mangelnder Steu­erstatistiken über diese Frage keine Auskunft geben, und das liegt an der Systematik.

Ihre Frage ist deshalb nicht zu beantworten, weil wir in Österreich ein System der In­dividualeinkommensbesteuerung haben und niemals und in keinem Fall abstellen auf Haushalte. Das heißt, ich kann Ihnen auf Einzelpersonen bezogen natürlich gerne ver­schiedene Statistiken geben, aber wir haben aufgrund der Systematik keine Daten über Haushaltszusammenfassung in Relation zu anderen. Dazu kommt noch, dass die Veranlagung für das Jahr 2007 noch gar nicht abgeschlossen ist und die für 2008 voll angelaufen ist.

Wir haben Ihre Frage Haushaltsbewertung betreffend keine Ansatzpunkte, weil bei uns in der Steuerhoheit und in der Steuerabwicklung alles als Individuum betrachtet wird. Das ist ein technisches Problem.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Minister, es scheint aber doch Menschen zu geben, die sich eine gewisse Systematik zunutze machen können, denn Experten bekritteln immer wieder, dass Menschen, die Kinder großziehen, steuerlich benachteiligt sind gegenüber jenen, die dies nicht tun. Es ist ja gerade die ÖVP eine, wie ich sage, selbst ernannte Familienpartei (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Danke, dass Sie das bestätigen!), die zwar durchaus oft gute Ansätze hat, aber den Familien nicht in dem Ausmaß hilft, das wir als notwendig erachten. Und da­her meine konkrete Frage: Was werden Sie tun, damit eine Gerechtigkeit entsteht zwi­schen jenen, die Kinder aufziehen, und jenen, die das nicht tun?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich habe selbst drei Kinder und weiß um die Belastungen und Herausforderungen, aber ich weiß auch ganz genau um die Potenziale für Familienpolitik in Österreich. Ich sage ganz ehrlich und klar und deutlich: Es gibt kein anderes Land, wo für Familien, für Kinder – dort, wo Kinder sind, von der alleinerziehenden Mutter bis hin zur Mehrkinderfamilie – derartige Inputs gesetzt werden wie in Österreich.


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Alle Daten im internationalen Vergleich zeigen klar und deutlich, dass unsere Fami­lientransferleistungen hervorragend sind. Auch durch die Steuerreform – dafür habe
ich mich ganz persönlich eingesetzt, 500 Millionen €; andere haben das anders gese­hen –, durch die Absetzbarkeit der Kinderbetreuung: 2 300 € pro Jahr, durch Unter­haltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag – ich kann das alles, was wir erhöht und an Steuerfreibeträgen neu eingeführt haben, gar nicht anführen –, durch die 13. Familien­beihilfe für den September, die erstmals gewährt wurde, haben wir Trends und Bench­marks für Kinder gesetzt – von der alleinerziehenden Mutter bis hin zu Mehrkinderfami­lien – wie kein anderes Land. Wir haben in diesem Bereich einen klaren Schwerpunkt gesetzt.

Von der Steuerreform kommen 500 Millionen € – um Ihre Frage indirekt zu beantwor­ten – direkt Familien zugute, kommen dorthin, wo Kinder sind. Das ist das richtige Sig­nal, zusätzlich zu dem, was in der Lohn- und Einkommensteuer natürlich für jeden Österreicher lukrierbar ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mosbacher.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, welchen Beitrag wird die Steuerreform zur Ankurbelung des privaten Konsums leisten?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Im Ausmaß jetzt? (Bundesrätin Mosbacher: Im Ausmaß!) Wir haben gesagt, bei den Nettorealeinkom­men erwarten wir eine Steigerung von 3,6 Prozent und 2,2 Milliarden €, das Familien­geld wird gesplittet und dann nächstes Jahr auch die steuerlichen Absetzbeträge, aber insgesamt wird das Volumen natürlich in die Kaufkraftstärkung gehen, das ist über­haupt keine Frage. Wir sehen auch bereits, dass der Konsum, der private Konsum eine große Stütze ist, und die Steuerreform wird diese Stütze weiter abmauern und beto­nen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Tief­nig.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Welche steuerlichen Maßnah­men wurden mit der Steuerreform 2009 für Familien mit Kindern eingeführt bezie­hungsweise erhöht? – Diese Frage ist eigentlich schon beantwortet worden, aber zum Verständnis seitens Kollegin Mühlwerth bitte ich um nochmalige Beantwortung.

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Als Parteiobmann einer Familienpartei wiederhole ich gerne noch einmal, was wir alles tun für die Kinder und für die Familien mit Kindern in Österreich. (Bundesrat Schennach: Da müssen Sie aber schon selber schmunzeln!) Herr Bundesrat Schennach, kein Grund, nervös zu werden. Wir machen einfach viel für Familien, und wir schämen uns dafür nicht. Im Ge­genteil! Wir sind stolz darauf, dass wir das tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Was wir getan haben – ich sage es noch einmal überschlagsmäßig –: Kinderabsetzbe­trag ab 1. Jänner 2009 von 50,9 € auf 58,4 € pro Kind und Monat erhöht, Unterhalts­absetzbetrag entsprechend umgesetzt und erhöht, neuen Kinderfreibetrag im Ausmaß von 220 €, jährlich geltend zu machen pro Kind, eingeführt, Berücksichtigung der Kos­ten für Kinderbetreuung ab 1. Jänner 2009 in der Veranlagung des nächsten Jahres und in weiterer Folge umgesetzt; also Kinderbetreuung in der gesamten Vielfalt er­fasst – ein lang gehegter Wunsch und auch finanziell spürbar, 2 300 € Absetzbarkeit pro Kind bis zum 10. Lebensjahr ist absolut das richtige Signal. Wir haben mit der 13. Familienbeihilfe gerade dann, wenn es drückt, nämlich im September, wenn, wie


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alle, die Kinder haben, wissen, die Schule beginnt und die Kosten anlaufen, das rich­tige Signal gesetzt.

Das ist der Maßnahmenmix, der innerhalb dieses Maßnahmenpakets der Steuerreform seine Wirksamkeit haben wird.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): An die Familienpartei! Sie haben ... (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Ich habe nicht gesagt, dass die anderen keine sind!) Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Sie die Frage nach der Finanztransaktionssteuer vergessen haben; aber das zählt jetzt noch nicht als mei­ne Frage.

Sie haben vorhin betont, wie viel Geld Österreich doch ausgibt für die Unterstützung der Familien. Mich würde interessieren – das Budget ist ja noch nicht bekannt gege­ben –: Wie hoch sind die Steigerungen im Bildungsbereich, besonders im ersten Bil­dungsbereich vorgesehen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Finanztransak­tionssteuer habe ich nicht vergessen, sondern ich habe das einfach aufgrund der Ver­mögenssteuerdebatte nicht mehr weiter entwickelt.

Zur Finanztransaktionssteuer können Sie nachlesen in einem wirklich guten Papier, es heißt „Perspektivenpapier“ meiner Partei, dafür durfte ich Verantwortung tragen. (Bun­desrätin Kerschbaum: Da steht so viel drin!) Da steht so viel Kluges und Gutes drin, auch zur Finanztransaktionssteuer; damals von vielen kritisiert und jetzt auf einmal in aller Munde.

Klar ist, es hat keinen Sinn, auf österreichischer Ebene eine Finanztransaktionssteuer zu implementieren. Es ist ein Thema – dafür bin ich absolut zu haben –, auch als ein Sinnbild und eine Antwort auf diese Krise, die wir haben, in Europa und international diese Implementierung zu fordern, voranzutreiben und umzusetzen. Das ist ein Ziel, das ich verfolge, und dazu habe ich mich auch ganz klar bekannt.

Das zweite Problem, das Sie angesprochen haben, war die Frage der Bildung. Die Dis­kussion, die derzeit läuft – und das werden Sie auch bei der Präsentation des Budgets nächste Woche sehen –, ist eine spannende. Es gibt ganz wenige Bereiche im Budget, aufgrund der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeit, die mit einem Wachstum rechnen können.

Plus 1 Milliarde € für die Bildung bis 2013. Für die Ausbildung unserer Kinder lege ich 1 Milliarde € zum Budget 2008, in der Entwicklung bis 2013, dazu – bei, und das ver­gessen viele Bildungspolitiker, gleichzeitig sinkender Schülerzahl in Österreich! Das heißt, überproportional pro Kind werden die Ausgaben für Bildung noch einmal gestei­gert. Deshalb begleite ich diese Diskussion auch sehr kritisch. Ich weiß schon, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, jeder Minister ist jetzt sein eigener Finanzminister, hat auch seine Verantwortung zu tragen, aber um diese Tatsache: 1 Milliarde mehr für die Bildung, sinkende Schülerzahlen und pro Kind deutlich mehr als je zuvor!, kommt nie­mand herum, und das wird am Dienstag in aller Breite und Deutlichkeit der Öffentlich­keit auch bekannt gegeben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Junker, um Verlesung der Frage.

 


Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister, meine Frage lau­tet:


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1662/M-BR/2009

„Haben die aktuelle Debatte rund um das Bankgeheimnis und der G-20 Gipfel in Lon­don Auswirkungen auf die österreichischen Sparerinnen und Sparer?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Nein. Wir werden, was das Bankwesengesetz betrifft, § 38, die Frage des Bankgeheimnisses nicht verän­dern für Österreicherinnen und Österreicher. Wir haben Handlungsbedarf in der Frage Doppelbesteuerungsabkommen, Informationsaustausch mit anderen Ländern, und das werden wir auch entsprechend vorantreiben. Da setzen wir das richtige Signal, dass ausländische Behörden bei begründetem Verdacht schneller, effizienter zu Informatio­nen kommen als in der Vergangenheit. Dann werden wir von diesen Listen auch run­terkommen. Der Startschuss für die Verhandlungen um die Frage Doppelbesteue­rungsabkommen ist gegeben, aber es wird keine Änderung im Bankgeheimnis für heimische Staatsbürger geben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Bundesrätin? – Bitte.

 


Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Das ist sehr positiv für die österreichi­schen Sparerinnen und Sparer, aber: Was macht Österreich im Kampf gegen den grenzüberschreitenden Steuerbetrug?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: In dieser Frage gibt es genaue Regeln im Kontext der internationalen Zusammenarbeit. Es gibt Aufstel­lungen, in welchem Ausmaß man in welcher Vernetzung zu welchen Informationen ent­sprechend Auskunft geben muss. Im Wesentlichen, das habe ich schon gesagt, sind das Doppelbesteuerungsabkommen oder bilaterale Verträge, in denen dieser Informa­tionsaustausch und der Zugang zu Informationen geregelt wird.

Was wir in Zukunft nicht haben wollen – das machen wir auch nicht aktiv –, ist das automatische Fischen nach Daten, ohne Verdacht Einblick zu ermöglichen oder zu ver­langen, sondern nur bei begründetem Verdacht. Auf dieser Basis gehen wir jetzt in die Doppelbesteuerungsabkommen-Diskussion.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Bock.

 


Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Herr Finanzminister! Wie alle im Hau­se wissen, muss man auf Gewinne am Sparbuch Kapitalertragsteuer zahlen. Daher meine Frage – noch einmal in die gleiche Richtung, wie schon von den Grünen gefragt wurde –: Wann und vor allem wie wird Österreich auf europäischer und globaler Ebene Druck zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer ausüben?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Frage der Zinsbesteuerung in Österreich hat nichts mit der Finanztransaktionssteuer zu tun, son­dern wir sind da auf einer anderen Schiene. Das heißt, wir werden diese Debatte in Europa führen, dieses Thema im Rahmen von ECOFIN, auf Ebene der Regierungs­chefs einfach vorantreiben. Der Zeitpunkt ist da, und wir führen diese Diskussion auch.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Die zur UniCredit gehörende Bank Austria plant, ab Sommer Kundenda-


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ten nach Italien abzusiedeln. Das schreibt jedenfalls der „Kurier“ am 7. April. Jetzt war­nen Experten davor, dass es hier zu schwerwiegenden Mängeln in der Datensicherheit kommen könnte, weil Italien erstens einmal ein anderes Bankenrecht hat als wir, das wesentlich lockerer ist, und außerdem an einem regen Informationsaustausch über die Zinseinkünfte ausländischer Anleger teilnimmt.

Ich frage jetzt daher: Was werden Sie tun, damit die österreichischen Anleger, die Bank-Austria-Kunden sind, auch im Besitz des österreichischen Bankgeheimnisses bleiben können und auch wirklich so vertreten werden?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich gehe davon aus, dass in der Frage der Datenbereitstellung zwischen Tochter- und Mutterbanken, in- und ausländischen Banken und was auch immer hier an Zusammenspiel da ist, alle gesetzlichen Vorgaben der Informationspflicht, der Geheimhaltung und all dessen, was es in unserem Bankwesengesetz an Vorgaben gibt, mit Daten umzugehen, der Daten­schutz, all das, was in Rechtsmaterien Datenschutz in Österreich absichert, auf Punkt und Beistrich rechtlich erfüllt wird. – Ende! Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

Ich kommentiere auch nicht Gerüchte, die in Zeitungen auftauchen. Aber ich gehe da­von aus, dass sich die Manager und die Verantwortungsträger der von Ihnen zitierten Bank an die österreichische Gesetzgebung auf Punkt und Beistrich halten.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Stadler um die Verlesung der Frage.

 



BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 29

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1666/M-BR/2009

„Welche Forderungen wird Österreich in das neu entstehende ,Europäische System für Finanzaufsicht‘ (ESFS) einfließen lassen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben ja in dieser Frage des Systems der europäischen Finanzaufsicht eine ganz neue Herausfor­derung. Es wurde ein eigener Bericht angefordert, der De-la-Rosière-Bericht. Der wur­de auch dem ECOFIN in den ersten Zügen schon vorgestellt, hinsichtlich dessen, wo es hingehen kann. Da tobt noch die Auseinandersetzung, ob es überhaupt eine Euro­päische Finanzmarktaufsicht geben soll oder nur eine wesentlich stärkere, auf einem einheitlichen Feld organisierte Kooperation der nationalen Aufsichten.

Wir beteiligen uns an der Diskussion. Ich halte auch nicht sehr viel davon, jetzt schon voranzugehen, wissend, dass die Einführung eines europäischen zentralen Aufsichts­systems politisch schwierig erfüllbar ist und lange dauern wird. Zunächst ist aber ein­mal ein wichtiger Schritt zu setzen: dass wir die bessere Vernetzung, die Benchmarks, die Eckpunkte klarer definieren, sodass wir uns in Zukunft quasi auf einem einheitli­chen Spielfeld in der Finanzkontrolle bewegen. Das ist einmal der erste Schritt. Aber man sollte in der Finanzaufsichtsarchitektur darüber hinaus das Thema nicht aus den Augen verlieren, das da heißt: einheitliche europäische Aufsichtsbehörde.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat Stadler.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Die Zusatzfrage, Herr Minister: Wie sollte aus Ihrer Sicht die Aufsicht über Rating-Agenturen, Hedge-Fonds und neue Finanzprodukte organisiert werden?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben ja auch von verschiedenen Gipfeln auf europäischer Ebene und dann bei G-20 das klare Sig­nal erhalten, es soll – und das vertrete ich zu 100 Prozent – in Zukunft kein Finanzpro­dukt mehr auf der Welt geben – und das ist eine große Herausforderung –, das nicht durch ein Kontrollsystem in der Bewertung, in der Abschätzung gegangen ist. Das be­trifft Hedge-Fonds, das betrifft viele andere, die jetzt außerhalb auch der Finanzauf­sichtskontrolle ihre Geschäfte gemacht haben.

Das Signal ist gesetzt, und das muss jetzt auch entsprechend umgesetzt werden. Ich bin nächste Woche in Washington beim Treffen der Weltbank und des Währungsfonds, wo diese Themen sehr, sehr hoch hängen, intensiv diskutiert werden wie nie zuvor. Auch in der Frage der Rolle der Rating-Agenturen – jetzt nicht der Frage der Kontrolle, sondern der Rolle der Rating-Agenturen –, die ja mit ihren Einschätzungen zum Teil katastrophal danebengelegen sind, brauchen wir neue Entwicklungen und müssen diese auf den Weg bringen.

Wogegen ich mich verwahre, ist, angesichts der Krise jetzt dazu überzugehen, diese marktwirtschaftlichen Instrumente über Bord zu schmeißen und nur nach der Regulie­rung des Staates zu rufen. Wir brauchen bessere Vernetzung, bessere Kontrolle – da hat der Staat auch seine Aufgaben nachzuschärfen –, aber die Systematik, dass auch Wirtschaften in der sozialen Marktwirtschaft möglich sein muss, darf damit nicht gefähr­det werden.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Jany.

 


Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister, welche Auswir­kungen erwarten Sie für die beiden in Österreich für die Bankenaufsicht zuständigen Stellen, für die Finanzmarktaufsicht und für die Oesterreichische Nationalbank?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wenn man De-la-Rosière liest und wenn man sich die Vorschläge anschaut, in welche Richtung es bei der Finanzaufsichtsarchitektur in Europa gehen soll, erwarte ich mir für die sehr profes­sionell aufgestellte Nationalbank und Finanzmarktaufsicht auch hinsichtlich der recht­lich definierten Zusammenarbeitspunkte und Schnittpunkte keine wesentlichen Verän­derungen in der österreichischen Finanzkontrolle.

In der Frage der internationalen und europäischen Vernetzung haben wir sicher Auf­gaben dann auch zu implementieren und zu erfüllen, um hier besser übereinander Bescheid zu wissen, um bei Finanztransaktionen, bei Finanzprodukten, die weltweit gehandelt werden, auch besser informiert zu sein.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitte­rer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Werter Herr Präsi­dent! Herr Vizekanzler! Ich glaube, der österreichische Ruf in der Finanzwelt ist etwas ramponiert, um es vorsichtig auszudrücken. Deshalb meine Frage:

Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um den stark beschädigten Ruf Öster­reichs in der Finanzwelt, der sich insbesondere an den vergleichsweise hohen Zins­werten für Staatsanleihen ablesen lässt, zu verbessern?, beziehungsweise: Ist von


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 30

Ihnen zu erwarten, dass Sie in den Medien entschiedener die Vorteile des Standortes Österreichs hervorheben und entschiedener Stellung zu gewichtigen Aussagen bezie­hen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Deutlicher als ges­tern und heute zum Herrn Nobelpreisträger Krugman kann man sich, glaube ich, in der politischen Landschaft nicht mehr äußern, außer man ist dann an der Grenze dessen, was politisch noch vertretbar ist. Das heißt, ich habe mich sehr, sehr klar auch zu sol­chen Aussagen geäußert.

Wir werden auch im Kontext von Außenministerium, Wirtschaftskammer, Industrie und allen, die Interesse haben, im Ausland entsprechend Werbung für den Standort ma­chen. Das kann nicht immer und soll auch nicht mit der Keule in Konfrontation von hier aus geführt werden, sondern mit klarer Aufklärungsarbeit. Die Daten und Fakten spre­chen für Österreich. Das kann uns sicher machen.

Auch bei der Budgetrede werden Sie sehen, dass wir zwar schwierige Entwicklungen haben, dass wir aber im Feld der europäischen Länder mit den volkswirtschaftlichen Eckdaten durchaus im besseren Bereich mit dabei sind. Das heißt, wir halten das Land in Balance. Wir haben die Daten und Fakten auf unserer Seite und werden auch Wer­bung machen. Wir machen das auch schon, wenn auch auf einer Ebene, die nicht im­mer öffentlichkeitswirksam ist, aber die die Investoren beruhigt.

Eines ist auch klar: Alleine durch das Engagement der Stabilitätsoffensive im Osten, die ich und die wir gesetzt haben – am Anfang von vielen belächelt, nach dem Motto: wo fliegt der herum und was macht der? –, stehen am Schluss 25 Milliarden € mehr von Europa zur Stabilisierung der mittel- und osteuropäischen Länder. Und das Spread – das ist die Frage, wie teuer die Refinanzierung Österreichs wird – ist von 130 Basispunkten zum Höhepunkt auf jetzt 80 bis 90 seit dieser Ankündigung herunter­gegangen.

Das heißt, wir tun auf breiter Ebene sehr viel. Das ist wirksam, auch wenn manche das am Anfang immer kritisch sehen, die jetzt nicht mehr dabei sind und sich abmelden. Aber das nimmt man in der Politik relativ schnell zur Kenntnis. Hauptsache, es wirkt.

 


Präsident Harald Reisenberger: Danke schön.

Die Fragestunde ist beendet.

10.07.50Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Harald Reisenberger: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2453/AB bis 2455/AB verweise ich auf die im Sit­zungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6.)

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzleramt die Mitteilung gemacht hat, dass sich der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger am


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 31

16. und 17. April 2009 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf­halten wird beziehungsweise dass sich der Bundesminister für europäische und inter­nationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger am 16. April 2009 in Kroatien aufhalten wird und den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich mit seiner Vertretung beauftragt hat.

*****

Eingelangt ist der Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulie­rung 2007, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorbera­tung zugewiesen wurde.

Überdies sind die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfas­sungsgerichtshofes für das Jahr 2007 eingelangt, die dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Berichte der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesord­nung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Harald Reisenberger: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­standen sind, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vor­schlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderli­chen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Al­brecht Konecny, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen der Antrag vorliegt,

den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für 2009 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2008/2009 und

die Jahresvorschau des BMG 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Kommission für 2009 und des 18-Monate Programms des Rates (franzö­sische, tschechische und schwedische Präsidentschaft) sowie

die Strategische Jahresplanung 2009 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der französischen, tschechischen und schwedischen Präsidentschaften beziehungsweise

den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend an das österrei­chische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2009

gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrat ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 32

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bun­desräte Konecny, Bieringer, Kolleginnen und Kollegen Ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich konstatiere auch hier die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen, Me­dien und öffentlichen Dienst zum Legislativ und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2008 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2008/2009, die Jah­resvorschau des BMG 2009, die Strategische Jahresplanung 2009 des Bundesministe­riums für Unterricht, Kunst und Kultur sowie den Bericht des Bundesministers für Wirt­schaft, Familie und Jugend für 2009 jeweils ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittel­mehrheit angenommen.

Ich werde daher den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäi­schen Kommission für 2008 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2008/2009 als 3., die Jahresvorschau des BMG 2009 als 4., die Strategische Jahresplanung 2009 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur als 7. und den Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend für 2009 als 12. Tagesord­nungspunkt jeweils in Verhandlung nehmen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Harald Reisenberger: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 6 und 7 sowie 9 und 10 jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ich habe die zuvor genannten Berichte der Bundesregierung und ihrer Mitglieder bezie­hungsweise die Wahl einer zweiten Schriftführerin für den Rest des ersten Halbjah­res 2009 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

10.12.431. Punkt

Wahl einer 2. Schriftführerin für den Rest des 1. Halbjahres 2009

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Die Wahl einer 2. Schriftführerin für den Rest des 1. Halbjahres 2009 ist durch die vom neu konstituierten Kärntner Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat not­wendig geworden.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein.

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Ana Blatnik für den Rest des ersten Halbjahres 2009 zur 2. Schriftführerin des Bundesrates zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 33

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


10.13.29

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Ich nehme die Wahl gerne an und danke für Ihr Vertrauen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich gratuliere zur Wahl. (Allgemeiner Beifall.)

10.13.452. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2008 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008 (III-339-BR/2008 d.B. sowie 8099/BR d.B.)

3. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentli­chen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Euro­päischen Kommission für 2009 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2008/2009 (III-363-BR/2009 d.B.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Nun kommen wir zu den Punkten 2 und 3 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 2 ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich bitte um den Bericht.

 


10.14.21

Berichterstatter Gottfried Kneifel: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­fassung und Föderalismus zur Kenntnis.

Am 22. November 2004 wurde vom Ministerrat ein Bericht zustimmend zur Kenntnis genommen, demzufolge jedes Mitglied der Bundesregierung dem Parlament einen Be­richt zum jährlichen Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und zum Jahresprogramm des Rates für den jeweiligen Wirkungsbereich übermittelt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 2009 den Antrag, den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Ar­beitsprogramm der Europäischen Kommission für 2008 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.15.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben heute eine ganze Reihe von Berichten auf der Tagesordnung, unter anderem eben auch den Bericht des Bundes­kanzlers und der Frau Bundesministerin zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission.

Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil wir einigen Punkten dieser Arbeitspro­gramme natürlich sehr kritisch beziehungsweise negativ gegenüberstehen, wiewohl uns klar ist, dass natürlich da auch Punkte drinnen sind, die durchaus begrüßenswert sind. So ist zum Beispiel auch etwas, worauf sich der G-20-Gipfel geeinigt hat, nämlich


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 34

eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte, auch aus unserer Sicht natürlich absolut wichtig und kommt auch in diesem Bericht vor.

Man kann es aber dann insofern schon ein bisschen kritisch hinterfragen, denn wir kennen ja auch die Konjunktur- und Bankenpakete der österreichischen Regierung und müssen feststellen, sie waren gut gemeint – wir haben das auch mitgetragen –, aber sie sind nicht so angekommen, wie man sich das eigentlich gewünscht hat.

Zum einen ist es nach wie vor schwierig, dass sich die Banken untereinander Geld bor­gen – der Herr Finanzminister hat das auch heute einmal mehr indirekt bestätigt –, und zum anderen sind natürlich nach wie vor die Klein- und Mittelbetriebe in der schwieri­gen Situation, keine Kredite zu bekommen oder zu sehr teuren Konditionen.

Also auch wenn eine koordinierte Vorgehensweise in einer Krise durchaus begrüßens­wert ist, können wir nur hoffen, dass die Maßnahmen dann auch tatsächlich in dem Maße greifen, wie man sich das vorgestellt hat.

Ein weiterer Punkt, der auch kritisch zu hinterfragen ist und den wir nicht zum ersten Mal hören, sind die Einsparungen bei den Verwaltungskosten. Das begleitet uns euro­paweit, aber auch in Österreich wirklich schon seit Jahrzehnten. Immer wieder hat auch der Rechnungshof darauf hingewiesen, wie groß das Einsparungspotential sei. Da ist die EU sehr ehrgeizig, denn immerhin sollen 25 Prozent bis zum Jahr 2012 ein­gespart werden. Da sage ich: Die Kunde hören wir wohl, allein uns fehlt der Glaube, ob das auch wirklich umgesetzt werden wird! Das ist nur ein Punkt, der zeigt, dass es sehr viele Absichtserklärungen gibt, die wir nicht zum ersten Mal lesen und von denen wir sagen können, dass wir sie wahrscheinlich noch einige Male lesen werden, ohne dass sich auf diesem Gebiet wirklich etwas getan hat.

Der zentrale Punkt all dieser Berichte ist selbstverständlich der Vertrag von Lissabon. Dazu hat sich unsere Meinung auch nichts geändert. Wir sind nach wie vor der Mei­nung, dass es da eine Volksabstimmung in Österreich geben müsste. Wir sind auch nach wie vor der Ansicht, dass der Vertrag von Lissabon, der die EU besser und effi­zienter machen sollte, dies genau nicht tun wird, weil er unserer Ansicht nach in die Richtung eines europäischen zentralen Bundesstaates führen soll. Und auch wenn wir nicht, wie uns unterstellt wird, gegen Europa an sich sind – wir sind sehr wohl für Euro­pa –, so sind wir nicht für einen zentralistischen Bundesstaat, aber aus unserer Sicht führt der Vertrag von Lissabon genau in dieser Richtung.

Wir stimmen diese Berichte nicht ab – wir können sie zur Kenntnis nehmen oder auch nicht zur Kenntnis nehmen (Zwischenrufe bei der ÖVP) –, daher werden wir diesen und auch andere Berichte nicht zur Kenntnis nehmen, um zum Ausdruck zu bringen, dass wir mit dem politischen Inhalt nicht einverstanden sind.

Trotzdem möchte ich aber all jenen, die an diesen Berichten gearbeitet haben, sie erstellt haben, das Datenmaterial zusammengetragen haben, an dieser Stelle herzlich danken. Wir wissen, dass das wirklich viel Arbeit ist, und meinen, dass diese Mühe der Beamtenschaft auch von unserer Seite bedankt werden sollte. (Beifall der Bundesräte Ertl und Mitterer.)

10.19


Präsident Harald Reisenberger: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Mosbacher. Ich erteile ihr dieses.

 


10.20.01

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich in meinem Rede­beitrag zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 ausschließlich auf das Thema Gleich­stellung von Frauen und Männern.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 35

Wie im Bericht der Europäischen Kommission festgehalten, ist die Gleichstellung von Frauen und Männern ein wichtiger Teil der Lissabon-Strategie und für Wachstum und Beschäftigung von entscheidender Bedeutung. Der Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern und der Europäische Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter bilden den Rahmen für Initiativen seitens der Kommission und des Rates.

Die Initiativen umfassen Maßnahmen zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, zur Förderung des Unternehmertums von Frauen, zur Förderung von Frauen in Entscheidungspositionen, zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf, Fa­milie und Privatleben, zur Beseitigung von geschlechtsspezifischen Stereotypen in Bil­dung und Berufsleben sowie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Diese Initiati­ven sollen dazu beitragen, dass Frauen wie Männer die gleiche wirtschaftliche Unab­hängigkeit erreichen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, jede dieser aufgezählten Maßnahmen ist von großer Wichtigkeit und ist daher auch zu begrüßen. Denken wir nur an die großen Einkom­mensunterschiede zwischen Männern und Frauen bei uns in Österreich. Allein was das geschlechtsspezifische Lohngefälle anbelangt, haben wir – und das wissen wir! – noch vieles nachzuholen.

Weiters ist beim Arbeitsprogramm der Kommission im Maßnahmenpaket gegen organi­sierte Kriminalität ein Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz der Opfer vorgesehen, durch welchen eine konsequentere Strafverfolgung und eine Stärkung der Instrumente zur Unterstützung der Opfer sowie eine Stärkung der Rechte der Opfer im Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung von Kindern erreicht werden sollen.

In der Erklärung zur Gleichstellung von Frauen und Männern der laufenden 18-monati­gen Teampräsidentschaft wird die Verpflichtung zur Umsetzung folgender Prioritäten bekräftigt: Steigerung der Frauenerwerbsquote und Verringerung der Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen bezüglich Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Erwerbs­tätigkeit; verstärkte Bekämpfung von Geschlechterstereotypen, um Entscheidungen betreffend Berufsorientierung zu diversifizieren und das Gleichgewicht zwischen Frau­en und Männern im Berufsleben zu verbessern; Begünstigung von Frauen beim Beset­zen von Entscheidungs- und leitenden Positionen; Stärkung von Frauen als Unterneh­merinnen; Verbesserung der Beschäftigungsqualität für Frauen durch flexiblere Ar­beitszeiten statt Teilzeitverträgen; Verringerung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern durch eine Kombination aus sozialem Dialog, aktiven Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten und Förderung bewährter Methoden in den Unternehmen; Verbesse­rung der Berufsausbildung von Frauen und Anerkennung beruflicher Erfahrungen von Frauen, die häufig in gering qualifizierten Branchen tätig sind; Fortsetzung des Aufbaus von zugänglicher, bezahlbarer, qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung; Ermutigung von Unternehmen, die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben sowohl für Frauen als auch für Männer zu erleichtern, sowie Ermutigung von Männern zur verstärkten Übernahme von Familienaufgaben; und abschließend noch: aktive Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegenüber Frauen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden auch bei uns in Österreich schon lan­ge – ja, jahrzehntelang – über viele dieser Forderungen, und wir Frauen wissen, wie mühselig es ist, auch nur einzelne dieser Maßnahmen umzusetzen. Daher hoffe ich, dass endlich all diese Prioritäten, die die Europäische Kommission in diesem Bericht auflistet, konsequent unterstützt und einer Lösung zugeführt werden, um endlich eine Gleichstellung aller Menschen, und hier im Besonderen der Frauen, zu erreichen. Wir schreiben ja bereits das 21. Jahrhundert. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.24



BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 36

Präsident Harald Reisenberger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. Ich erteile ihr das Wort.

 


10.24.45

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die beiden vorliegenden Berichte sind so etwas wie ein Streifzug – wenn auch nur ein na­türlich recht oberflächlicher – durch die Thematiken, die auf europäischer Ebene in diesem Zeitraum relevant waren, die angepackt wurden. Da es sonst den Rahmen sprengen würde, werde auch ich mir erlauben, nur einige wenige Themengebiete her­auszugreifen.

Der erste Bereich, den ich ansprechen möchte, ist jener, der im Jahr 2009 omnipräsent ist und der heute auch in der Fragestunde Thema war, nämlich die Belebung der Wirt­schaft und die Unterstützung eines wirtschaftlichen Aufschwungs. Dazu möchte ich nur sagen: Man möge zur Europäischen Union stehen, wie man will, man muss nicht mit allem einverstanden sein, aber selbst der größte Kritiker muss doch in dieser Situation erkennen, dass man dieses globale Problem nur in einem starken Verbund anpacken kann und dass Österreich als Einzelkämpfer noch viel mehr Probleme hätte. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Schennach und Dönmez.)

Bei all den Maßnahmen, die da jetzt angepackt werden, sollte man aber nicht versu­chen, um jeden Preis die alte Industrie zu retten, sondern gerade auf neue Techno­logien, auf Forschung und auf Innovation setzen. Nur so können wir auch in Zukunft fit sein.

Da bin ich jetzt auch schon beim zweiten Themenbereich, den ich ansprechen möchte: Es wird in einem der Berichte Europa im Bereich der Energiepolitik und des Umgangs mit dem Klimawandel eine Führungsrolle zugesprochen, und Österreich gerade eine besondere Vorreiterrolle. Genau auf diesen Aspekt darf man, bitte, auch in Zeiten einer Wirtschaftskrise nicht vergessen, wenn es uns nicht egal ist – und mir ist es nicht egal, und ich spreche da sicher für sehr viele junge Menschen –, wie unser Lebensraum, wie unsere Lebensbedingungen in Zukunft aussehen werden.

Es ist ja genauso auch ein Wirtschaftsfaktor. Es ist auch eine wirtschaftliche Chance, ein wirtschaftliches Potenzial. Das beweisen auch etliche österreichische Unterneh­men, die es in diesem Bereich an die Weltspitze geschafft haben und die uns auch sehr viele Arbeitsplätze gebracht haben. Laufen wir, bitte, nicht Gefahr, uns da jetzt von anderen Wirtschafträumen überholen zu lassen und uns diesen Vorsprung, den wir uns erarbeitet haben, wegnehmen zu lassen!

Der dritte und letzte Themenbereich ist natürlich auch in meinem Redebeitrag die Gleichstellung von Frauen und Männern. Der Bereich, wie er im Bericht dargestellt wurde und wie es die Kollegin Mosbacher auch schon ausgeführt hat, klingt vielleicht für den einen oder anderen schon etwas abgedroschen, wenn man immer wieder die gleichen Floskeln hört: bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Lohngefälle senken, mehr Frauen als politische Entscheidungsträger. Das mag vielleicht schon ab­gedroschen klingen.

Mir ist da ein Satz von Stefan Schennach in Erinnerung. Kollege Schennach, du hast gestern im Ausschuss etwas gesagt, das sich bei mir eingebrannt hat, nämlich: Von einer Gleichstellung sind wir in Österreich noch weit entfernt!

Ich habe mir gedacht: Ja, so ist es! Unter all den Dingen, die darunter fallen, ist es mir als junge Frau, die eine sehr gute Ausbildung hat, ein besonderer Dorn im Auge, dass es eben noch immer nicht gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt, dass Frauen, die ohnehin meistens den Haushalt zu einem großen Teil alleine führen, die Kinderer-


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 37

ziehung und die Seniorenbetreuung bewerkstelligen und damit volkswirtschaftlich eigentlich schon sehr viel beitragen, dann in ihrem Beruf, den sie noch zusätzlich ausüben, auch noch schlechter bezahlt werden als Männer. Das ist absolut ungerecht­fertigt, und ich werde sicher nicht müde werden, das zu betonen, solange ich in diesem Haus sein darf. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez, Kersch­baum und Schennach.)

10.28


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


10.28.56

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Uns liegen ja im Grunde Berichte über drei Jahre vor. Auch ich werde mir daher erlauben, wie meine Vorrednerin die verschiede-
nen Dinge nur kurz zu beleuchten. Ich möchte vorher nur anmerken: Ich hoffe nicht, dass wir das, was die Frau Kollegin Mühlwerth jetzt gemacht hat, in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder erleben werden, nämlich dass alle EU-relevanten Themen abgelehnt werden, nur weil wir im EU-Wahlkampf angekommen sind. Das wäre meiner Meinung nach keine seriöse Vorgangsweise für Themen, die derzeit für uns mehr als notwendig sind, um Krisen zu bewältigen. (Beifall der Bundesräte Dön­mez und Kerschbaum.)

Ich möchte jetzt auch keine Diskussion führen, ob Bundesstaat oder Staatenbund. Das ist eine Diskussion, die wir in der EU in den nächsten Monaten und Jahren noch zu führen haben werden.

Es spricht sowohl etwas für als auch etwas gegen jede der beiden Entwicklungen, aber diese Debatte halte ich angesichts des Vorhabensberichts für das Jahr 2009 für wenig sinnvoll; da hebt man sich derzeit eher einen Bruch. Viele Dinge stehen ja angesichts der europäischen Debatten derzeit ein wenig im Hintergrund. Ich denke da zum Bei­spiel an den wichtigen Kohäsionsbericht. Der ist angesichts der noch immer bestehen­den Frage, quo vadis Lissabon, und der Finanzkrise, der Neuaufstellung der Finanz­märkte, derzeit sicherlich nicht primäre Agenda, insbesondere wenn man sieht, wie in einem Ratsvorsitzland instabile politische Verhältnisse nicht jene Führungsqualität in­nerhalb der Europäischen Union nach sich ziehen, die wir brauchen würden.

Zum Bereich Neuaufstellung der Finanzmärkte: Ich erkenne die Bemühungen, aller­dings sind die Bemühungen meiner Meinung nach noch sehr, sehr lahm und langsam, und auch das gemeinsame Konjunkturpaket der Europäischen Union ist meiner Mei­nung nach mit 5 Milliarden schon sehr schwach ausgefallen, auch wenn man dagegen­hält, dass es ja zusätzlich viele nationale Pakete gibt.

Wenn ich aber in diesem Bericht lese, dass es auch um die Energiesicherheit geht, ist auch hier mein mahnender Hinweis, dass sowohl in der Europäischen Union als auch in den meisten nationalen Aktionsplänen genau der Bereich Energie – Stichworte: er­neuerbare Energie, Energiesicherheit – viel zu dürftig und viel zu schwach ausgefallen ist, vor allem, wenn am Ende dieser Krise mit einer bis zur Versechsfachung der Ener­giepreise zu rechnen ist und dann die Kosten der nicht durchgeführten Maßnahmen gegen den Klimawandel und gegen die Treibhausgasproduktion erst noch auf der Rechnung stehen.

Zum Vertrag von Lissabon: Es gibt keine Alternative zu Lissabon, und man kann nur hoffen, dass der Vertrag im Jahr 2009 ratifiziert wird. Es hat sich ja, glaube ich, in vie­len Ländern, die da ein kritisches Verhältnis hatten, gezeigt, dass solche Krisen nur in einer Eurozone und nur in einer gemeinsamen, starken Staatengemeinschaft interna-


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 38

tional zu bewältigen sind. Zu Lissabon gibt es keine Alternative. Ich hoffe sehr, dass dieser Lissabon-Vertrag Ende 2009 von allen Mitgliedstaaten ratifiziert sein wird. (De­monstrativer Beifall des Bundesrates Kneifel.)

Ein wichtiger Punkt ist der Datenschutz. Gerade heute haben wir ja gehört, dass Öster­reich von der Europäischen Kommission wegen der Vorratsdatenspeicherung geklagt wird. Sie wissen, ein halbes Jahr soll bezüglich aller Telefonate gespeichert werden, wer mit wem telefoniert hat. Allerdings ist in diesem Bereich auch etwas enthalten, wo – und das freut mich – Österreich einen datenschützerischen Vorbehalt hat, und zwar bei den Fluggastdatensätzen, die ausgetauscht werden sollen. Es gibt da also zwei Bereiche, die vom Datenschutz her wirklich äußerst problematisch sind. Es ist gut, dass sich Österreich klagen lässt, denn über eine Klage könnte man im Sinne des Da­tenschutzes noch einiges mehr feststellen.

Liebe Frau Kollegin Eibinger, Sie haben mich in Ihrer Rede angesprochen. Ich werde diesen Bereich, den Sie angesprochen haben, auch ganz stark hervorheben, nämlich das, was über die Gleichstellung von Mann und Frau in diesem Bericht enthalten ist. Wir haben ja interessanterweise durch den Wink unserer Tagesordnung ein Begräbnis und eine Taufe zugleich: Wir können zurückschauen, was das Kommissionsvorhaben bei der Gleichstellung 2007/2008 war, und auch, was das heute in diesen Papieren für 2009 bedeutet. Da gibt es, muss ich ehrlich sagen, schon erschütternde Fakten, näm­lich dass bezüglich all der bisherigen Vorhaben der EU, was die Gleichstellung von Mann und Frau betrifft, die Schere eigentlich nicht enger wird, sondern auseinander­geht.

Ich habe mir den EU-Genderbericht herausgesucht. Dieser hält zum Beispiel fest,
dass von 2005 auf 2006 die Einkommensdifferenz zwischen Mann und Frau trotz all der Maßnahmen nicht kleiner, sondern größer geworden ist. Das heißt, Frauen ver­dienten 2005 18 Prozent weniger und 2006 trotz aller Maßnahmen 20 Prozent weniger als Männer.

Bezüglich der Situation in Österreich habe ich mir den Einkommensbericht des Rech­nungshofes hergenommen. Der besagt, dass die Differenz zwischen den Einkommen von Mann und Frau in der Zeit von 1998 bis 2007 gewachsen ist, und zwar um 1,1 Prozent. Der Unterschied liegt bei 40,7 Prozent.

Diese Zahlen kann man sich ja noch wesentlich genauer anschauen, und da sieht man auch die Dramatik dieser Ungerechtigkeit, und zwar, wenn man sich das bei den Voll­zeitbeschäftigen anschaut. Zwischen dem Einkommen einer vollzeitbeschäftigten Frau und dem Einkommen eines vollzeitbeschäftigten Mannes beträgt der Unterschied in Österreich derzeit 22 Prozent.

Wenn ich mir jetzt zum Beispiel die Frau Kollegin Eibinger anschaue: Sie sind eine top ausgebildete Akademikerin. Eine Wirtschaftsakademikerin, die zehn Jahre im Beruf war, hat im Gegensatz zu einem männlichen gleich ausgebildeten Kollegen in zehn Jahren um 71 000 € weniger verdient. Wenn jetzt jemand sagt, ja, sie hat vielleicht Kin­der gekriegt, dann könnte man jetzt genau dieselbe Zahl hernehmen. Wenn dieselbe Akademikerin kein Kind bekommen hat – und das sind alles Fakten, das sind alles Zahlen –, dann hat sie um 61 000 € weniger verdient als ein Mann mit gleicher Ausbil­dung im gleichen Alter. Das sind schon dramatische Zahlen, und die besagen in keiner Weise, dass Karenz und Kinderkriegen die Ursache für diese Ungleichheit sind.

Nun gibt es eine besondere Dramatik in diesen Zahlen: Die Frauen haben bei Matura und Uni die Nase vorn. Es sind weitaus mehr Mädchen, die die Matura machen – der Anteil liegt bei 56,2 Prozent –, und 55,2 Prozent der Menschen, die einen Universitäts­abschluss haben, sind Frauen. Obwohl die Frauen besser ausgebildet sind, schlägt


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 39

sich das in keiner Weise in der Einkommensgerechtigkeit nieder. Deshalb ist es umso wichtiger, dass innerhalb Europas, aber auch Österreichs etwas getan wird.

Frau Bundesministerin, das ist eine Kritik, die ich mir erlaube, hier und jetzt an diesem Bericht zu äußern: Zu allem finden wir österreichische Positionen, nur zur Gleichstel­lung von Mann und Frau weisen beide Berichte keine österreichische Position auf, und das angesichts solch dramatischer Zahlen in Österreich. (Vizepräsident Weiss über­nimmt den Vorsitz.)

Ich würde mir wünschen, dass uns die Frau Ministerin zumindest verbal die österreichi­sche Position zu dieser Gleichstellung von Mann und Frau, wie sie von der EU ange­dacht ist, vermittelt, und ich hoffe, dass die künftigen Berichte eine klare österreichi­sche Position enthalten werden. In den Berichten 2007, 2008 und 2009 gab es dazu keine österreichische Position. Danke. (Beifall der Bundesräte Dönmez, Kersch­baum und Mag. Eibinger.)

10.38


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek das Wort. – Bitte.

 


10.38.44

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann heute hier natürlich nur stichwortartig Stellung nehmen. Ich möchte mich eher auf das laufen­de Programm beziehen, ein bisschen über den Status quo und den Ausblick berichten. Erstens – der Nichtgleichstellung widme ich mich dann als Nächstes – geht es, so glaube ich, prinzipiell darum, dass die Handlungsfähigkeit der EU in diesen schwieri­gen Zeiten außer Frage steht. Das haben auch alle Rednerinnen und Redner bei aller Unterschiedlichkeit der Redebeiträge zuerkannt.

Ich denke, es ist wichtig, dass es trotz des Rücktritts der tschechischen Regierung während ihrer EU-Präsidentschaft, trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise, trotz der aus­laufenden Amtsperiode der Europäischen Kommission, trotz der Wahlen im EU-Parla­ment – im Juni stehen ja viele Ereignisse an – gelungen ist, die Handlungsfähigkeit die­ser Europäischen Union unter Beweis zu stellen.

Sowohl beim Europäischen Rat als auch beim G-20-Gipfel konnten wichtige Schritte in diese Richtung – in die richtige Richtung nämlich – gesetzt werden. Ich möchte nur hervorheben, dass der Rat im Dezember und im März sehr entschlossen viele An­strengungen überlegt hat und auch zur Überwindung der Krise umsetzen wird, so etwa Impulse – und das haben Sie sicher heute in der Fragestunde mit dem Herrn Finanzmi­nister schon erörtert – zur Stabilisierung des Finanzsektors und zur Wiederherstellung des Kreditflusses und vor allem zur Wirtschaftsbelebung, weil ja Wirtschaftsbelebung in ganz engem Zusammenhang mit der sozialen Lage der Menschen in dieser Europäi­schen Union steht. In diesem Zusammenhang muss Arbeitslosigkeit bekämpft werden und die soziale Situation der Menschen, besonders was die Armutsgefährdung betrifft, verbessert werden.

Für die Zukunft hat sich die Europäische Kommission vieles vorgenommen. Da geht es zum einen um die Regulierung der Finanzmärkte. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir auf nationaler Ebene, in der EU und weltweit die Verschärfung der Aufsichts­vorschriften sehr, sehr ernst nehmen müssen, dass wir zu einer Neuordnung der Euro­päischen Finanzaufsicht kommen müssen, und dass hier bereits – das kann ich berich­ten, und das werden Sie, so denke ich, auch vom Finanzminister gehört haben – erste Empfehlungen und Skizzen vorliegen.


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Im März haben die Finanzminister den Auftrag bekommen, diese Neuausrichtung an­zugehen, und die Staats- und Regierungschefs werden im Juni beim Gipfeltreffen dies­bezüglich grundsätzliche Weichen stellen, weil hier verstärkte Zusammenarbeit aller europäischen Aufsichtsorganisationen und der Ausbau der Kompetenzen der Auf­sichtsgremien gefordert und gewünscht ist.

Reformen zur Regulierung der Rating-Agenturen, der Vorschriften hinsichtlich Eigen­kapitalerfordernisse für Banken sollen noch vor Ende der Wahlperiode des EU-Parla­ments verabschiedet werden, aber auch zur Regulierung von Hedgefonds, von Mana­ger-, Managerinnenvergütungen sollen Maßnahmen ergriffen werden.

Auch konnte die EU beim G-20-Gipfel als Impulsgeber bei der Reform der weltweiten Finanzarchitektur – denn nur weltweit, glaube ich, können oder müssen wir die Lehren aus dieser Krise ziehen – fungieren, und es ist erfreulich, dass auf diesem G-20-Gipfel ein klares Bekenntnis zu mehr Regulierung und Aufsicht abgegeben wurde. Jetzt ist es natürlich nötig, die Beschlüsse auch umzusetzen.

Es war auch wichtig, dass man sich bezüglich eines europäischen Konjunkturpakets einigen konnte. Ein wichtiger Schritt – manchen ist es zu wenig; es ist immer zu wenig, könnte man sagen – sind diese 5 Milliarden aus dem EU-Budget zur Umsetzung von insbesondere Infrastrukturvorhaben im Energiebereich – das wurde heute bereits an­gesprochen –, aber auch zur Förderung der ländlichen Entwicklung und zum Ausbau von Breitbandnetzen.

Für uns in Österreich bedeutet das: Nabucco-Pipeline mit 200 Millionen €, Ausbau der Wien–Györ-Elektrizitätsverbindung, und im Bereich der ländlichen Entwicklung und der Breitbandnetze bedeutet das in den nächsten zwei Jahren Rückflüsse nach Österreich im Wert von 44 Millionen €.

Wichtig ist, dass es gelungen ist, die Aufrechterhaltung der Stabilität der Volkswirt­schaften in den Regionen Zentral- und Osteuropas hier in den Fokus zu stellen, dass die Bundesregierung beim Europäischen Rat auch erfolgreich war in dieser Hinsicht, und dass die EU in enger Abstimmung mit dem Internationalen Währungsfonds erfor­derliche Unterstützungen leisten wird.

Ich spreche nur an – Sie haben es heute vielleicht auch schon gehört – die Verdoppe­lung des Kreditrahmens auf 500 Milliarden US-Dollar, und auch das Volumen der mög­lichen Zahlungsbeihilfen der Europäischen Union für die Mitgliedstaaten wird verdop­pelt, nämlich von 25 auf 50 Milliarden €.

Im Lichte der ganzen Debatte um diese Wirtschafts- und Finanzkrise und der Neuord­nung der Finanzmärkte ist der soziale Bereich ein sehr, sehr wichtiger, ein Bereich, den wir in den Mittelpunkt stellen müssen, weil die Entwicklungen auf dem Arbeits­markt innerhalb der EU sehr besorgniserregend sind. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in Österreich sind natürlich auch sehr besorgniserregend, aber wir haben versucht – und ich bin stolz darauf, dass wir das zweitgrößte Paket in der EU insge­samt schnüren konnten, nämlich mit Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit –, Modelle an­zudenken, dass Kurzarbeit nur ein Übergang sein kann, um Arbeitslosigkeit zu verhin­dern, dass hier vieles investiert wird, auch weiterhin investiert werden wird.

Wir werden es bei der Budgetrede demnächst auch hören, und Sie werden es ja auch im Bundesrat danach debattieren, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die größ­ten Investitionen und Anstrengungen von uns allen erfordert.

Ich möchte nun aber auf den zweiten Bereich – obwohl ich noch Klimaschutz auf der Agenda hätte, ebenso den Europäischen Haushalt –, den Gleichstellungsbereich, ein­gehen, weil mir dieser natürlich besonders am Herzen liegt und ich mir wünsche – und es sicherlich so sein wird –, dass wir in den Berichten der Europäischen Kommission


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vertreten sein müssen und sehr wohl etwas dafür tun. Das möchte ich noch ganz kurz erläutern.

Es ist besorgniserregend – wie heute auch schon gesagt wurde –, dass wir, was die die Gehaltsschere angeht, schlechter geworden sind. Wir wurden ja von EU-Kommis­sar Špidla in dieser Hinsicht gerügt. Es sind 25,5 Prozent – aber egal, ob es jetzt 2 oder 3 Prozent mehr oder weniger sind: Wir sind Zweitschlechteste, was die Lohn­schere anbelangt.

Es lassen sich aber von diesen Einkommensunterschieden einige Prozente nicht erklä­ren. Ich kann einiges erklären, und wir müssen Maßnahmen setzen, um diese Lohn­schere geringer ausfallen zu lassen. Aber einige Prozente kann man nicht erklären. Da geht es rein um die Diskriminierung von Frauen, nur weil sie Frauen sind, und es han­delt sich immerhin um 12 bis 15 Prozent. Das ist nicht so wenig.

Den Rest kann man erklären: Frauen ergreifen – Sie wissen es – die Lehrberufe, die sehr eingeschränkt sind. Von den über 270 Lehrberufen, die wir haben, sind es fünf bis zehn, die Frauen am meisten ergreifen, und zufällig sind es auch welche, die schlech­ter bezahlt sind als andere. Ich werde daher nicht müde werden, auch darauf aufmerk­sam zu machen, die Sozialpartner aufzufordern, mit den Sozialpartnern gemeinsam zu versuchen, dass wir diese Unterschiede, dass wir diese Bewertung von Arbeit hintan­stellen. Denn: Warum soll ein Friseurlehrling im ersten Lehrjahr um 150 € weniger ver­dienen als ein Mechanikerlehrling? Und das ist so! (Beifall bei der SPÖ.)

Warum wird diese Arbeit schlechter bewertet als eine andere in Zeiten wie diesen, wo vieles schon mechanisch, elektronisch – und ich weiß nicht was – funktioniert? – Das ist der erste Bereich.

Der zweite Bereich: der Berufseintritt, die ersten Gehaltsvorstellungen bei einem Vor­stellungsgespräch. Auch da ist es so, dass es schon bei den Einstiegsgehältern zu Un­terschieden kommt, dass Frauen da niedriger bewertet werden und einfach ja sagen. Das heißt, es liegt nicht nur an den Frauen, dass sie nein sagen, es liegt auch an den Rahmenbedingungen. Wie kommen wir dazu, dass wir einfach nicht wissen, was der männliche Kollege für die gleiche Arbeit bekommt?

Daher werde ich mich vehement dafür einsetzen – auch da gibt es schon Vorgesprä­che mit dem Herrn Sozial- und Arbeitsminister und mit dem Herrn Wirtschaftsminis-
ter –, dass wir gemeinsam legistisch rasch darüber nachdenken, wie wir zu einer Transparenz bei den Einstiegsgehältern kommen können, damit die Betriebe aufgefor­dert sind, verpflichtet sind, diese Branchen offenzulegen, innerhalb eines Betriebes offenzulegen, was wer verdient – anonymisiert natürlich, aber dann weiß frau wenigs­tens, woran sie ist, und sie weiß auch, was sie wert wäre. – Das ist die zweite Sache

Die dritte Sache ist eine äußerst wichtige: Da geht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Da sind wir auch im EU-Bericht, was die Kinderbetreuung anbelangt, nicht gut aufgestellt, aber schon besser, als wir waren. Und ich sage das nicht, weil sie hier sitzt, und ich will jetzt wirklich nicht sagen, dass da nichts weitergegangen ist, aber ge­rade die jetzige Infrastrukturministerin hat es geschafft, dass wir in der letzten Legisla­turperiode das Kindergeld, das nur ein einzementiertes Modell war, flexibler gestaltet haben. Ich bekenne mich dazu, dass wir sagen, das ist eine Familienleistung, wir ha­ben die Versicherungsleistung abgelöst. Ja, aber es war zu unflexibel.

Es ist gelungen, dass man jetzt zumindest drei Varianten hat, und wir wollen weiter­denken. Christine Marek und ich wollen und werden demnächst mit den Verhandlun­gen beginnen, um ein einkommensabhängiges Kindergeld zu schaffen und damit auch mehr Väter zu motivieren. Väter wollen gerne beim Kind bleiben – glauben Sie mir


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das! –, aber es ist manchmal oder meistens so, dass sie sagen: Das können wir uns nicht leisten, und deswegen kann ich nicht zu Hause bleiben.

Aber mit einer einkommensabhängigen Variante ist es für die drei Monate, die wir an­denken, schon ein Schritt in die richtige Richtung, glaube ich, sodass auch mehr Väter in Karenz gehen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Es geht auch darum, dass wir kreativ über das Potenzial der Frauen nachdenken. Auch das wurde heute schon einige Male angesprochen: Es gibt mehr Maturantinnen als Maturanten, mehr Studienabgängerinnen als -abgänger – aber noch immer keine einzige Rektorin in Österreich! Auch Margarethe Hochleitner hat es nicht geschafft, gestern Rektorin der Uni Innsbruck zu werden, was meiner Ansicht nach schändlich ist. Unter allen Rektoren keine einzige Frau zu haben, obwohl wir gute Bildungsabschlüs­se haben, obwohl wir wertvolle Arbeit leisten, ist eigentlich dieser wissenschaftlichen Landschaft nicht würdig, meine ich.

Daher ist es auch wichtig, im Bund, im öffentlichen Dienst, für den ich in verantwortlich zeichne, voranzutreiben, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen. Ja, in den letzten zehn Jahren ist diesbezüglich einiges weitergegangen und der Prozentsatz von Frauen im Führungspositionen ist von 18,7 Prozent auf fast 27 Prozent gestiegen; aber das sind eben nicht 40 Prozent. Wir haben eine 40-Prozent-Quote im Bundesdienst im Gleichbehandlungsgesetz festgehalten – und das gibt es seit dem Jahr 1993; das sind also auch schon wieder einige Jährchen her. Aber bisher ist es leider noch immer nicht gelungen, 40 Prozent an gut ausgebildeten Frauen im öffentlichen Dienst in Führungs­positionen zu bringen – geschweige denn in der Privatwirtschaft, wo man nur 9 Prozent Frauen in Aufsichtsräten beziehungsweise nur 4,6 Prozent Frauen in Geschäftsführun­gen findet.

Daher bekenne ich mich nach wie vor dazu: Quoten sind zwar nicht elegant, aber wirk­sam! Und gemeinsam sollten wir darüber nachdenken, wie wir dieses Potential der Frauen auch auf diese Ebene heben können, denn Männer im „Doppelpack“ – statt ge­mischten Teams – bringen, wie ich meine, nicht immer das, was die Wirtschaft braucht; die Wirtschaft sagt das ja mittlerweile selbst. Keinesfalls soll es aber so sein, dass nur deshalb, weil der Wirtschaftsfaktor Frau gebraucht wird, die Wirtschaft daher mehr Frauen auf Arbeitsplätzen haben will, denn zwischen „Arbeitsplätzchen“ und Arbeits­plätzen gibt es schon einen großen Unterschied.

Ein Grund für die auseinanderklaffende Einkommensschere zwischen Frauen und Männern ist, dass 41 Prozent aller Frauen in Österreich teilzeitbeschäftigt sind: mag sein freiwillig, zu einem Teil sicherlich aber auch unfreiwillig, weil ja oft auch ein Wech­sel zwischen Teil- und Vollarbeitszeit nicht gelingt, wenn Frauen zum Beispiel sagen: So, jetzt würde ich gerne wieder Vollzeit arbeiten, denn die Kinder sind in einer Be­treuungseinrichtung gut versorgt. Was die Betreuung von Kindern unter drei Jahren be­trifft, da sind wir schlecht dran; das müssen wir ändern – und das werden wir auch tun.

In diesem Zusammenhang erinnere ich nur an die sogenannte Anstoßfinanzierung des Bundes; weiters daran, dass es viele Anstrengungen dazu gibt, in allen Bundesländern Gratiskindergärtenplätze nicht nur im letzten Kindergartenjahr zur Verfügung zu stellen, sondern überhaupt, sodass eben auch dieser eine Grund für das Auseinanderklaffen der Einkommensschere zwischen Frauen und Männern beseitigt wird.

Gespräche darüber gibt es mit dem Wirtschafts- und dem Sozialminister, wie mehr Frauen – ich weiß, das Wort „Quote“ mögen Sie hier nicht – in Führungspositionen kommen können, damit das gesamtwirtschaftlich gesehen nicht nur für Arbeits­plätzchen und -plätze für die Wirtschaft interessant ist, sondern auch für das Führen in großen, kleinen oder mittleren Unternehmen.


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Im Großen und Ganzen und abschließend gesagt: Wir brauchen nicht unbedingt sehr stolz darauf zu sein, was in Sachen Gleichstellung im Moment Sache ist, können je­doch sehr wohl stolz darauf sein, was auf diesem Gebiete in den vergangenen 40 oder 50 Jahren geschehen ist, so beispielsweise im gleichstellungspolitischen Bereich, und zwar allein in Bezug auf legistische Umsetzungen von Mitte der siebziger Jahre an bis jetzt.

Jetzt müssen wir danach trachten, dass in den nächsten Berichten diese Aufgaben als erfüllt abgehakt werden können. Ich bin der Meinung, eine Gleichstellung zwischen den Geschlechtern kann es nur dann geben, wenn es solidarische Männer und Frauen gibt, die Frauenförderung gemeinsam betreiben. Frauen können für Frauen arbeiten, netz­werken, auch vieles weiterbringen, aber ich glaube, entscheiden müssen wir schon ge­meinsam – und da sind alle Politikerinnen und Politiker aufgefordert, dass beispiels­weise Frauen, wenn sie ein Ja zum Kind sagen, keine Hindernisse in den Weg gelegt werden und sie entscheiden sollen/müssen, ob sie das eine oder das andere haben wollen, denn ein auch mir sehr, sehr wichtiges demokratisches Prinzip ist eben die Wahlfreiheit. Und das gilt für beide Geschlechter, nicht nur für die Angehörigen des einen.

Wir müssen uns diesem Ideal der Demokratie nähern, eben dass eine Wahlfreiheit gegeben ist, und zwar was den Zugang zur Bildung betrifft, zum Wohnen, zur Sicher­heit, zur Arbeit, zur Erwerbstätigkeit – und solange das für Frauen ungleicher ist als für Männer, so lange müssen wir uns eingestehen, dass wir diesem Ideal der Demokratie nicht sehr nahe sind, was wir aber haben wollen.

In diesem Sinn bitte ich Sie alle, mit mir gemeinsam endlich den Weg in Richtung Gleichstellung zu gehen – diesem Thema habe ich jetzt mehr Redezeit gewidmet; ver­zeihen Sie mir, aber es ist mir das ein Herzensanliegen – und uns gemeinsam auf den Weg zu machen, sodass wir das bei den nächsten Berichten österreichrelevant als Er­folg präsentieren können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Bericht des Bundeskanz­lers und der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst an das Par­lament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2008 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2007/2008.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2009 und zum 18-Monats­programm des Rates für 2008/2009.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


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10.55.454. Punkt

Jahresvorschau des BMG 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission für 2009 und des 18-Monate Programms des Ra-
tes (französische, tschechische und schwedische Präsidentschaft) (III-369-BR/2009 d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


10.56.10

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In Europa verfü­gen wir über sehr hohe Standards punkto Lebensqualität, ebenso über hohe Standards im Gesundheitswesen und in der Daseinsvorsorge.

Diese Jahresvorschau und das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für das Jahr 2009 hat zum Ziel, diese Standards zu erhalten, weiterzuentwickeln und zum Nutzen der PatientInnen und der Bevölkerung in Europa zu sichern.

In diesem Arbeitsprogramm geht es auch um die Erhaltung und Förderung der Grund­rechte, ebenso um die Klarheit der Kosten. Weiters geht es darum, wer Ansprüche auf Leistungen hat; es geht auch um die Umsetzung gemeinsamer Werte und Prinzipien in Europa in diesem sehr, sehr sensiblen Bereich der Gesundheitsvorsorge, der Daseins­vorsorge und des Gesundheitswesens insgesamt.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass Europa schützen und nützen soll. Und wenn die EU eine Berechtigung hat, dann soll für die Bürger ein Nutzeffekt und ein Schutzeffekt damit verbunden sein, etwas, das man gerade im Bereich der Gesundheit und der Da­seinsvorsorge ganz besonders unter Beweis stellen kann.

Daher bin ich etwas anderer Meinung als Herr Kollege Schennach – er ist jetzt gerade leider nicht im Saal –, der gesagt hat, vor der Europawahl sollte man das nicht in den Wahlkampf hineinziehen. – Ich bin der Meinung, über Europa müssen wir immer re­den, und da müssen wir auch immer Ansprüche stellen und nie müde werden, dieses Konzept für die Bürgerinnen und Bürger Europas zu optimieren und zu verbessern.

Bei diesem Programm geht es zum Beispiel um so sensible Bereiche wie um die Arz­neimittelsicherheit, sodass die Bürgerinnen und Bürger Europas Anspruch auf sorten­reine, auf qualitätsvolle Medikamente haben. Wer anders als die EU soll denn das be­wirken gegenüber diesbezüglichen Giganten wie etwa China oder Indien?! Wir wissen, dass jetzt minderwertige Medikamente aus Indien, aus Asien, aus China unsere Märkte überschwemmen. Wer soll denn dagegen arbeiten? Wer wird denn ernst genommen bei einer solchen Diskussion? Ein kleines Land wird da sicherlich nicht ernst genom­men; das kann nur die Europäische Union leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa findet statt – egal, ob mit oder ohne uns. Mir ist es jedenfalls lieber, dass wir da mitten drinnen sind, dass wir dabei sind, dass wir mit dazu beitragen können, dass die Standards für unsere Bürgerinnen und Bürger besser werden: im Bereich der Daseinsvorsorge, im Bereich des Gesundheits­wesens, im Bereich der Arzneimittelsicherheit, um da nur einige Kategorien zu nennen.

Gerade in Zeiten der Krise, in der wir uns jetzt befinden, ist das umso wichtiger und bedeutsamer. Deshalb begrüße ich es und halte es nicht für eine fade Übung, dass die Ministerien ihre Jahresvorschauen vorlegen, denn das gibt uns die Chance, immer


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wieder über Europa zu reden, über Europa zu diskutieren, wieder an der Schraube zu drehen für bessere Standards, für noch bessere Qualität für unsere Bürgerinnen und Bürger nach dem Motto „Europa soll schützen und nützen“.

Dieses Programm, das sehr engagiert angelegt ist, ist wieder ein kleiner Beitrag, um dieses Ziel für Europa und für unserer Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Das ge­lingt uns wesentlich besser im gemeinsamen Europa, als wenn wir das isoliert anstre­ben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

11.01.185. Punkt

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die 2007 durch den Bund bei den ÖBB und den Privatbahnen bestellten gemein­wirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht) (III-355-BR/2008 d.B. sowie 8103/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Erlitz.

 


11.01.48

Berichterstatter Mag. Wolfgang Erlitz: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin Bures! Der Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Tech­nologie über die 2007 durch den Bund bei den ÖBB und den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen soll vor allem einen umfassenden Überblick über die im Jahr 2007 durch den Bund bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen bei den ÖBB und den Privatbahnen liefern.

Der Bericht gliedert sich in folgende Abschnitte:

Mehrjährige Bestellrahmen für gemeinschaftliche Leistungen

Inhaltliche Regelungen der gemeinschaftlichen Leistungen

Exkurs: Leistungsbestellung im Kombinierten Verkehr

Zusammenfassung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Bundes in Euro.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 15. April 2009 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Verkehr, In­novation und Technologie über die 2007 durch den Bund bei den ÖBB und den Pri­vatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leis­tungsbericht) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


11.02.53

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesbahnstrukturgesetz 2003


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beinhaltet im § 49, dass der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie dem Nationalrat jährlich einen Bericht über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen und die eingetretenen Veränderungen vorzulegen hat.

Diesem gesetzlichen Auftrag ist Bundesminister Werner Faymann in seiner Funkti-
on als Verkehrsminister nachgekommen; er hat Mitte 2008 einen Bericht für das Jahr 2007 vorgelegt.

Weder im ÖBB-Gesetz noch im Privatbahngesetz gibt es einen Hinweis darauf, wie der Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht abzuführen ist. Lediglich über die eingetrete­nen Veränderungen ist zu berichten. Daher ist es verwunderlich, dass wir für die Jah­re 2002, 2004, 2005 und 2006 keine Berichte erhalten haben. Und, Frau Mühlwerth, auch wenn Sie Ihre Ministerriege immer wieder lobend erwähnen – nicht einmal ein Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht ist damals abgegeben worden! Ich glaube, das spricht Bände. (Bundesrat Mag. Klug: Oje!)

Der vorliegende Bericht ist, wie schon erwähnt, eigentlich deswegen so gestaltet, um Informationen weiterzugeben. Der Bund wird ermächtigt, gemeinwirtschaftliche Leis­tungen bei den Eisenbahnen zu bestellen. In den §§ 48 und 49 wird auch festgehalten, dass die Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen nach der EU-Verordnung 1191 von 1969 in der Fassung 1893 von 1991 zu geschehen hat. Das heißt, es sollen inhalt­liche Vorgaben gemacht werden.

Es soll im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen eine mehrjährige Be­stellung gemacht werden; das heißt, in der Regel werden fünf Jahre voraus bestellt. Im dritten Punkt heiß es, wie schon angesprochen, der Bundesminister möge diesen Be­richt jährlich an den Nationalrat abführen.

Um den ganzen Bericht nicht zu verwirrend zu gestalten, erlaube ich mir, auf einige Punkte einzugehen. Worum geht es darin? – In erster Linie um den Ökobonus sowie um den Verlagerungs- und Qualitätsbonus. Es geht weiters um den Kombinierten Ver­kehr und um gefährliche Güter.

Was ist der Ökobonus? – Der Ökobonus regelt die Gewährung von Sozialtarifen im Personenverkehr, das heißt, die Rabattierungen der Normaltarife für Zeitkarten auf ein sozial verträgliches, bundeseinheitliches Niveau.

Was fällt unter diese Zeitkarten? – Das sind die Wochen-, Monats- und Jahreskarten, Schüler- und Lehrlingsfreikarten, nur der Förderungsanteil des Verkehrsressorts. Wei­ters die Jugendgruppenförderungen, die verschiedenen Umwelttickets, Halbpreispässe für Senioren, Lehrlinge, Hochschüler, Familien, Schwerkriegsbeschädigte, Zivilblinde und Behinderte.

Der Verlagerungs- und Qualitätsbonus regelt die Bestellung des Bundes für die Füh­rung von Schienenpersonenverkehr in Form eines bundeseinheitlichen Verlagerungs- und Qualitätsbonus. Der Verlagerungsbonus sieht die Bonuszahlung vor, wenn in den Abrechnungsjahren eine Mindestleistung von Zugkilometern erbracht wird. Bei den ÖBB sind es mindestens 59 Millionen. Werden weniger Zugkilometer geleistet, wird der Betrag um das prozentuelle Ausmaß der Minderleistung reduziert.

Der Qualitätsbonus ist vom Grad der Erreichung bestimmter Qualitätsstandards abhän­gig, zum Beispiel vom Einsatz von Doppelstockwagen, Wendezuggarnituren und Aus­scheiden aller Wagen mit einem Baujahr vor 1966.

Behinderten- und kindergerechte Verbesserungen der Einstiegsbereiche der Waggons, eine Verbesserung der Fahrgastinformation im und am Zug, die Bestellung von Schie­nenpersonenverkehr in quantitativer Hinsicht, eine Mindestkilometerleistung sowie qua­litativ bestimmte, genauer definierte Qualitätsstandards sind vorgesehen.


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Ein wesentlicher Bereich ist der Bereich gefährliche Güter. Als Verlagerungsanreiz werden die Tarife bestimmter Arten gefährlicher Transportgüter im Rahmen des Vertra­ges über gemeinwirtschaftliche Leistungen in einer genau definierten Höhe bundesein­heitlich ermäßigt; die Liste umfasst RID-Güter, bestimmte Altstoffe, Rückstände und Recyclingprodukte sowie wassergefährdende Stoffe. Auch hier wird versucht, auf die Schiene zu verlagern.

Ich möchte Sie hier natürlich nicht mit umwerfenden Zahlen informieren. Eine abgerun­dete Zahl dazu: Zum Beispiel wurde für das Jahr 2007 1 Milliarde € für gemeinwirt­schaftliche Leistungen vom Bund aufgewendet. Für das Jahr 2008 werden wir voraus­sichtlich 1,1 Milliarden € aufwenden.

Sehr geschätzte Damen und Herren, so viel zu diesem Bericht, der sehr umfangreich ist; wenn man alle Zahlen vorbringen würde, wäre das doch etwas verwirrend. Aber wir haben ja schon im Ausschuss gehört, dass die Berechnung vieler Zahlen gar nicht möglich ist, da im Verbund viele Kassen berücksichtigt werden müssen und dass man­che Zahlen sogar verspätet eintreffen.

Ich möchte mich sehr herzlich für diesen Bericht bedanken. Ich freue mich auf den nächsten Bericht von unserer Frau Bundesministerin. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

11.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Junker zu Wort. – Bitte.

 


11.09.57

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Gemeinschaftliche Leis­tungsbericht des Verkehrsministers gibt – wie wir ja schon gehört haben – Auskunft über jene gemeinwirtschaftlichen Leistungen auf Basis eines Bestellvertrages zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie auf der einen Seite und den Österreichischen Bundesbahnen sowie den Privatbahnen auf der anderen Seite, die von den österreichischen Schienenbahnen im Jahr 2007 erbracht und vom Bund bezahlt wurden.

Der Bund gab 2007 insgesamt 653,82 Milliarden € für gemeinwirtschaftliche Leistun­gen aus, die von Schülerfreifahrten über den Kombinierten Verkehr auf der Schiene bis zur Errichtung von Anschlussbahnen reichen. Der Betrag hat sich für das Jahr 2008 auf 736,62 Milliarden € erhöht.

Uns in Tirol brennt aber ein ganz anderes Projekt unter den Nägeln, denn wir glauben, dass die Arbeit des Ministeriums kontinuierlich weitergeht. Und darum gehe ich jetzt auf unser Projekt ein, das für Tirol, aber auch für Europa ganz besonders wichtig ist.

Wir in Tirol setzen schon seit Jahren auf den Brenner-Basistunnel. Das ist für uns das wichtigste Projekt und hat sicher die höchste Priorität. Ich denke zurück: Im Jahr 2004, als ich noch im Landtag war, hat die Tiroler Wirtschaftskammer eine Expertenstudien­reise in die Schweiz unternommen, um Alternativen zum Nachtfahrverbot aufzuzeigen, denn die Wirtschaft kann von Verboten nicht leben, sie braucht Alternativen, um arbei­ten zu können. Auf dieser Studienreise haben wir erfahren, dass die Schweiz schon vor – jetzt – 25 Jahren auf die Schiene gesetzt und den Ausbau der Straße hintange­stellt hat. Österreich war damals in der Schweiz durch Verkehrsminister Klima vertre­ten. Österreich, Deutschland und Italien haben aber bei dieser Konferenz weiter auf die Straße gesetzt. Für die Schweiz stand schon damals fest, auch wenn es ein Schwim­men gegen den Strom war, dass der alpenquerende Verkehr nur über die Schiene zu


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bewältigen ist. Die Schiene muss als Garant für Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit mehr als eine Alternative für die Transportwirtschaft werden.

Seit dem Jahr 2004 arbeitet Tirol an seinen Hausaufgaben. Es wurde das sektorale Fahrverbot eingeführt, im Moment gilt es von Langkampfen bis Ampass, ab dem Jah­re 2011 wird es von Ampass bis Zirl weitergeführt.

Seit dem 2. Mai 2008 werden Abfälle, Steine und Aushub, seit dem 1. Jänner 2009 Rundholz und Kork, Kraftfahrzeuge und Anhänger und ab dem 1. Juli 2009 Stahl – ausgenommen die Baustellenzulieferungen –, Marmor und Fliesen von der Straße ver­bannt und auf die Schiene gebracht.

Die Rollende Landstraße hat letztes Jahr eine Rekordbilanz erreicht. Es sind 206 000 Lkw auf die Schiene gebracht worden, wobei aber die Schweiz in ihren Stu­dien und in ihrer Arbeit jetzt schon nicht mehr auf Rollende Landstraße setzt, da die Rollende Landstraße einfach zu viel Gewicht hat, sondern auf den Container-Verkehr. Das wäre auch die Zukunft für Österreich, für die Europäische Union, wenn der Bren­ner-Basistunnel fertig gestellt sein wird. Die Steigerung gegenüber 2007 betrug auf der Rollenden Landstraße 30 Prozent, im ersten Quartal 2009 gab es wiederum eine Steigerung von 10 Prozent; also die Auslastung ist jetzt über 80 Prozent und innerhalb von 24 Stunden werden 58 Züge abgefertigt.

Die Unterinntal-Bahntrasse ist komplett auf Schiene, mit der geplanten Fertigstellung in dreieinhalb Jahren ist Teil eins der Zulaufstrecke Nord für den Brenner-Basistunnel vollendet.

Der Brenner-Basistunnel ist für das Wipptal die einzige Lösung für die Zukunft. Wer das Wipptal kennt, der weiß, wie eng es dort ist. Auf halber Höhe verläuft die Auto­bahn, in Matrei gibt es nur eine Straße, links und rechts eine Häuserzeile, dann kommt die Sill und dann wieder der Berg, zudem auch noch die Bahntrasse. Da kann man dann nicht verlangen, dass alle Züge durch Matrei durchrattern und die Häuser nur so wackeln, denn Lebensqualität ist somit wirklich nicht mehr gegeben.

Die Tiroler Landesregierung steht zu 150 Prozent hinter dem Brenner-Basistunnel. Er ist auch die infrastrukturelle Voraussetzung für die Verlagerung des Güterverkehrs. Dies dient dem Schutz und der Gesundheit der Bevölkerung. Der Brenner-Basistunnel ist ein Umweltprojekt ersten Ranges. Das Land Tirol hat bereits 70 Millionen € in die Planung des Tunnels investiert. Insgesamt werden die Baukosten für den Basistunnel mit 8 Milliarden € beziffert.

Aber Tirol kann niemals die 10 Prozent der österreichischen Finanzierungskosten von 3,5 Milliarden € übernehmen. Die Querfinanzierung über die Mauteinnahmen muss dem Anteil Tirols sicher angerechnet werden. Der Brenner-Basistunnel ist kein regio­nales Projekt, sondern ein europäisches Projekt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.16


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.16.29

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch kurz zur Frau Kollegin Junker. – Schön wäre es, wenn das ÖV-System in der Schweiz und in Österreich irgendwie vergleichbar wäre. Ich kann mich daran erinnern, ich bin mir ziemlich sicher, bereits in meiner Teenagerzeit vom Brenner-Basistunnel gehört zu haben. Ich glaube, dass es da einiges aufzuholen gibt, damit wir


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Schweizer Standards und Systeme übernehmen können. (Bundesrätin Junker: Habe ich ja gesagt! ...!) Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Ich möchte mich aber jetzt auf den vorliegenden Bericht konzentrieren, auf den Ge­meinwirtschaftlichen Leistungsbericht für die ÖBB und Privatbahnen, den wir Grünen leider ablehnen müssen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund (Bundesrat Mag. Klug: Na geh!): Er ist in Wirklichkeit relativ schleißig, um es freundlich auszudrü­cken. Es sind acht Seiten; auf diesen acht Seiten stehen zwar ein paar Zahlen, aber es gibt kaum eine nähere Erklärung zu diesen Zahlen.

Es gibt gleichzeitig den Bericht der Schienen-Control GmbH, die lustigerweise für die gleichen Dinge andere Zahlen anführt, wobei ja beide Berichte über das BMVIT zu uns gelangt sind. Da gibt es schon massive Abweichungen – gerade beim Ökobonus und bei anderen Leistungen sind das in etwa 10 Prozent, wo Unterschiede und Differenzen allein hinsichtlich der Zahlen auftauchen. Auf diesen acht Seiten steht in Wirklichkeit kaum etwas anderes als ein paar Zahlen. (Bundesrat Mag. Klug: Aber informativ!)

Leider wurde in diesem Bericht auch keinerlei Rücksicht auf den Bericht des Rech­nungshofes aus dem Jahr 2005 genommen, in dem die diesbezügliche Berichterstat­tung schon massiv kritisiert wurde. Es hat sich tatsächlich nichts geändert. Der Rech­nungshof hat 2005 festgestellt, dass der beim BMVIT vorgefundene Kenntnisstand über die österreichweiten Aufwendungen für den ÖPNV nicht ausreicht, um die ver­kehrspolitische Wirksamkeit des öffentlichen Mitteleinsatzes zu beurteilen.

Wir haben im Ausschuss vernommen, wie das mit dem Wissensstand und den Zahlen so ist, und wir haben im Ausschuss auch noch vernommen, dass gerade dieser Öko­bonus und viele weitere Zahlen schon sehr Pi mal Daumen geschätzt werden und nicht wirklich nach irgendwelchen zugrundeliegenden Faktoren berechnet werden können, weil einfach die Daten nicht vorliegen, wie viele Zeitkarten es gibt und weil die Daten nicht vorliegen, welche Strecken wann wo mit welchen Zeitkarten befahren werden. Das gibt es einfach alles nicht. Der Ökobonus nennt sich zwar so und es steht auch dabei, dass er berechnet wird, aber in Wirklichkeit ist das ein Betrag, der zugeschos­sen wird, der Pi mal Daumen dem entspricht, was zugeschossen werden sollte, der aber nicht wirklich irgendeine Grundlage hat, um von einer Berechnung sprechen zu können.

Der Rechnungshof hat weiters kritisiert, dass das BMVIT in seiner Vertragsgestaltung im Zusammenhang mit der Bestellung schienengebundener Verkehrsdienstleistungen marktwirtschaftliche, insbesondere nachfrageorientierte Elemente weitgehend vernach­lässigt und Anreize zur Kostensenkung sowie Effizienzsteigerung vermissen ließ.

Ebenso wird bemängelt, dass die Vertragsunterzeichnung zumeist erst im Nachhinein erfolgt.

Wir haben jetzt 2009. Wir reden jetzt von diesem Leistungsbericht aus 2007. Wo ist der Bericht 2008? – Wir haben gestern gehört, es gibt Zahlen für 2008, aber das ist noch nicht ganz sicher. Die Zahlen für 2008 wären ja erfreulich, weil es da endlich einmal eine gröbere Steigerung auch für den Nahverkehr gibt. Aber den Bericht gibt es noch nicht, sodass man sagen könnte, im Vorhinein beschließen wir, was uns der öffentliche Verkehr wert ist, was eigentlich Sinn und Zweck der Sache wäre. Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Aktuell wäre schön, ist er aber nicht, der vorliegende Bericht.

Der Rechnungshof kritisiert weiterhin, dass entsprechende Kontrollen bezüglich Erfül­lung und Nichterfüllung bestimmter Leistungen nur punktuell stattfinden. Darauf ist im Bericht in Wirklichkeit auch in keiner Weise eingegangen worden.

Es gibt des Weiteren auch noch einen Beschluss aus dem September 2008, auf den ich hinweisen möchte, nämlich einen Nationalratsbeschluss bezüglich der Bundesmit-


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 50

finanzierung von Öffi-Infrastrukturen in Ballungsräumen. Was aus diesem Beschluss geworden ist, weiß man nicht. Diesbezüglich kann man klarerweise aus diesem Be­richt 2007 nichts herauslesen, aber es wäre schön, auch einen Vorblick auf 2008 oder 2009 zu gewährleisten. Also auch das ist noch nicht nachvollziehbar, was aus diesem Beschluss geworden ist.

Aus dem Bericht geht auch nichts hervor – aber gestern haben wir es im Ausschuss gehört, und es war ja auch schon in den Medien ein Thema –, was das Österreich-Ticket betrifft oder wie auch immer man es nennen möchte. Es geht hier um ein Ticket, mit dem man mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln ganz Österreich befahren kann. Dieses Thema ist offensichtlich abgeschlossen, weil gescheitert. Es war uns das immer ein großes Anliegen, haben wir seit Jahren eingefordert. Dieses Österreich-Ticket ist jetzt gestorben, was auch nicht unbedingt eine erfreuliche Nachricht ist, obwohl es in einer finanziellen Größenordnung von geschätzten 30 bis 50 Millionen liegen würde, was im Budget nicht einmal wirklich auffallen würde.

Es gibt sehr viele Fragen, die dieser Bericht offen lässt. Ich möchte schon auch noch betonen, weil heute schon einige Zahlen genannt worden sind, etwa die 1 Milliarde jetzt vom Kollegen Boden, die der Bund für die Bahn ausgibt, dass ich das im Bericht nicht ganz nachvollziehen kann. Auffällig ist jedenfalls, dass es laut dem Bericht der Schienen-Control GmbH, der nämlich im Gegensatz zu dem Bericht, den wir heute be­handeln, eine Zeit spiegelt, seit 1997 eigentlich kaum Steigerungen bei der Finanzie­rung durch den Bund gegeben hat. Der Ökobonus ist immer gleichbleibend so um die 350 Millionen gewesen. Beim Nahverkehr, beim Kombinierten Verkehr waren es unge­fähr immer so um die 110 Millionen. Die Zahlen bleiben also seit Jahren in etwa gleich. Es ist nicht wirklich ein Fortschritt abzulesen. Die Zeitreihe fehlt mir auch in dem Be­richt, von dem wir heute reden.

Wie der Herr Kollege Boden auf die 1 Milliarde gekommen ist, ist mir, wie gesagt, nach wie vor nicht ganz klar. Selbst wenn man den Anteil des KLI.EN mit berücksichtigt, der ja überraschenderweise jetzt auch zur Finanzierung der ÖBB herangezogen worden ist, kommt man nicht auf diese Zahl, wobei zu sagen ist, dass wir im Ausschuss ver­nommen haben, es gab mehrere Projekte, die sonst nicht hätten verwirklicht werden können. Prinzipiell war es meines Wissens nicht Absicht des KLI.EN, dass damit Lö­cher in anderen Ressorts gestopft werden. So erfreulich es ist, wenn mehr Schienen­anschlüsse gebaut werden, ist es an und für sich nicht Aufgabe des KLI.EN, hier ein­zuspringen, sondern das hätte mehr oder weniger aus dem normalen Budget finanziert werden müssen.

Ich möchte auch noch kurz etwas zum Land Niederösterreich sagen, denn Verkehrs­dienstleistungen werden ja nicht nur vom Bund finanziert, sondern auch von den Län­dern. Von der Landesfinanzierung ist natürlich im vorliegenden Bericht nicht die Rede, aber ich möchte trotzdem noch kurz darauf eingehen. Das Land Niederösterreich glänzt nämlich leider nicht besonders bei der Nahverkehrsförderung. Im Vergleich zum Land Oberösterreich haben wir in absoluten Zahlen rund ein Drittel weniger Nahver­kehrsförderung. (Bundesrat Hensler: Wer sagt denn das?) – Den habt ihr auch schon bekommen. (Die Rednerin hält einen Bericht in die Höhe.) Wie gesagt, das ist fast das­selbe wie der vorliegende Bericht. Nur ist der Bericht der Schienen-Control GmbH zum Glück einigermaßen lesbar. (Bundesrat Hensler: Man muss die Problematik der Größe des Bundeslandes auch sehen, Frau Kollegin!)

Also die Verkehrsdienste-Verträge mit den ÖBB im Personennahverkehr sind in Ober­österreich ungefähr um ein Drittel höher – in Millionen Euro – als in Niederösterreich. Da frage ich mich schon, wie das jetzt mit der Finanzierung ist, weil mir noch gar nicht aufgefallen wäre, dass in Oberösterreich um so viel mehr ÖBB-Nahverkehr bedient wird als in Niederösterreich. Also ich denke, der Gesamtüberblick Bund/Länder ist an


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und für sich eine Sache, die nach wie vor bei der Schienenfinanzierung ein Problem ist. Dieser Überblick ist überhaupt nicht gegeben, und es ist nicht nachvollziehbar, weder beim Bund noch bei den Ländern, warum bezahlt wer wie viel für den öffentlichen Ver­kehr auf der Schiene. Das kann man aus dem vorliegenden Bericht nicht herauslesen. Wenn man sich den Vergleich der Zahlen von Niederösterreich und Oberösterreich an­schaut, so sind diese auch bei den Bundesländern absolut nicht nachvollziehbar.

Es gehört endlich einmal eine Reform her, mit der man transparent und nachvollzieh­bar macht, wie man den öffentlichen Verkehr finanziert, wie man den Ausbau dessel­ben bewältigen will, wenn man wirklich die Absicht hat, ihn auszubauen, und wo nicht jedes Jahr Pi mal Daumen irgendwelche Bonusse gerechnet werden, die in Wirklichkeit jeglichen Inhalt vermissen lassen. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

11.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


11.26.33

Bundesrat Wolfgang Schimböck, MSc (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist ja schon viel zum Bericht gesagt worden, und ich darf jetzt dort ein wenig ansetzen, wo die Vorrednerin aufgehört hat, denn die Analyse der Situation des öffentlichen Nah­verkehrs in Oberösterreich gibt zumindest punktuell sehr viel für eine optimistische Be­trachtungsweise her. Man muss natürlich in Erinnerung rufen, dass die Struktur, die hier geschaffen wurde – ich denke da an die große Nahverkehrsdrehscheibe in Linz –, eigentlich noch das Werk eines sozialdemokratischen Amtsvorgängers der Frau Bun­desminister war. Und ich glaube, da ist auch anzusetzen.

Es sind Infrastruktureinrichtungen zu schaffen, die auch von den Fahrgästen angenom­men werden. Wenn ich mir die Nahverkehrsdrehscheibe Linz ansehe, dann sind in Teilbereichen der regionalen Verkehrsversorgung dort Zuwächse in den letzten fünf Jahren zwischen 30 und 50 Prozent zu verzeichnen. Und das hängt ganz einfach damit zusammen, dass eben das Angebot passt.

Natürlich gibt es dabei einen Wermutstropfen. Das kommt zwar im Bericht nicht in die­ser Breite zum Ausdruck, aber ich denke hier an die Post-/Bahndienste. Es war früher so, dass diese Postautobusdienste mit der Bahn kombiniert wurden. Etwa ein Drittel der Strecken in Oberösterreich war wirklich defizitär, ein Drittel konnte ausgeglichen bi­lanzieren. Mit den Gewinn machenden Buslinien wurde quasi das Defizit abgedeckt. Also das Ganze war ein Nullsummenspiel und hat relativ gut auch die etwas entfernte­ren Regionen in Oberösterreich – Kollege Stadler wüsste das besser – wie das Innvier­tel, das weit weg ist von der Landeshauptstadt, aber auch von anderen Einrichtungen, versorgt. Diese Dienste sind jetzt zum Teil ausgelagert worden. Das wurde unter der früheren Regierung wirklich etwas ausgehöhlt, und wir sehen uns heute in manchen Bezirken in Oberösterreich nicht entsprechend versorgt.

Ich glaube, das hat auch einen sehr sozialen Anspruch. Kollege Kneifel ist jetzt gerade nicht da. Ich denke, so etwas würde ich wirklich auch europäisch betrachten, denn das soll ein großes Projekt der Regionen sein, und eine entsprechende soziale Infrastruktur wird nur dann möglich sein, wenn es auch älteren Menschen zum Beispiel möglich ist, die Bezirkshauptstadt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel so zu erreichen, dass am selben Tag auch noch eine Rückfahrt möglich ist.

Wir werden entsprechende Listen in Oberösterreich noch zusammenstellen, und da, Frau Bundesministerin, rechnen wir auch mit Ihrer Unterstützung. Es ist nämlich drin­gend notwendig, diese weißen Flecken, die sich unter der Vorregierung angesammelt


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haben, entsprechend zu schließen. Das ist ganz wichtig, denn Lebensqualität heißt, die Menschen auch mit einer Mobilität auszustatten und diese zu gewährleisten.

In diesem Sinne wird unsere Fraktion diesem Bericht insgesamt zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Bures das Wort.

 


11.30.01

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich bin sehr froh, dass wir erstmalig über einen sehr transparenten Bericht diskutieren können, in dem es immerhin darum geht, dass öffentliche Mittel dafür aufgewendet werden, dass ein ökologisches Verkehrsnetz angeboten wird.

Frau Bundesrätin, da Sie angeschnitten haben, dass es seitens des Rechnungshofes oft Kritik gibt dahin gehend, dass die ökonomischen Aspekte womöglich zu wenig be­rücksichtigt werden: Es ist für mich ganz wesentlich, dass es bei der Infrastrukturein­richtung Bahn zwei Bereiche gibt: Auf der einen Seite ist es ein Wirtschaftsunterneh­men, das ganz normal im Wettbewerb steht wie jedes andere Unternehmen auch, vor allem im Bereich des Güterverkehrs, und auf der anderen Seite – und dafür gibt es auch diese gemeinwirtschaftlichen Leistungen – ist es auch eine Infrastruktureinrich­tung, die den Menschen als Transportmittel, nämlich als ökologisches Transportmittel, zur Verfügung gestellt wird. Und zwar so, dass sie sich dieses Verkehrsmittel auch leis­ten können. Es ist für die Menschen, für die Pendler, für die Schülerinnen und Schüler, die dieses Verkehrsmittel benutzen, notwendig, dass es leistbar ist, und es ist auch für den Wirtschaftsstandort wichtig.

Deshalb gibt es auch die gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Es gibt nämlich Aufgaben der Bahn, die nicht gewinnbringend zu erfüllen und zu organisieren sind; dafür müssten wir die Pendlertarife verzehnfachen. Und ich hoffe, es gibt niemanden, der sich das wünscht oder das als eine sinnvolle Maßnahme ansieht. Es geht darum, dass wir die Schiene attraktiv gestalten wollen, dass wir sie zu einem Preis anbieten wollen, der für die Menschen auch leistbar ist. Unsere Zielsetzung bezieht sich ja nicht nur auf ökono­mische Aspekte bei der Bahn, was zu überprüfen zu Recht Aufgabe des Rechnungs­hofes ist, sondern wir sagen, das ist eine Infrastruktur, die uns etwas wert ist, und daher gibt es – und darüber gibt der Bericht meines Vorgängers, des jetzigen Bundes­kanzlers Werner Faymann, Auskunft – auch Zuschüsse des Bundes. Das ist für mich ganz wesentlich, weil es eben auch regionale, soziale und ökologische Aufgaben des Unternehmens ÖBB gibt.

In dem Bericht ist, glaube ich, die Milliarde leicht nachzuvollziehen. Ich habe es mir jetzt, während Sie gesprochen haben, kurz herausgeschrieben. Es sind Leistungen und Investitionen, die ich für ganz wesentlich halte: Es sind 377 Millionen € für den be­rühmten Ökobonus. Aber wovon reden wir da eigentlich? Da geht es um Zuschüsse für Sozialtarife, da geht es um Wochenkarten, um Netzkarten, um Pendlertarife, die mit diesem Geld gestützt werden. (Bundesrätin Kerschbaum: Wo Sie aber nicht wissen, wie sie berechnet werden! Darum geht es ja!) – Sie können die Zahlen weiter mit­schreiben, dann werden Sie sehen, wir kommen auf die Milliarde.

Weiters gibt es 364 Millionen € an Refundierungen vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend. Hier geht es um die Schüler- und Lehrlingsfrei­fahrt, zu der wir uns voll und ganz bekennen und die diese Zuschüsse erfordert.

Da sind weiters 119 Millionen € für das Grundangebot, 43 Millionen € für den Kombi­verkehr, 68 Millionen € für gefährliche Güter und für Anschlussbahnen, die ich für ganz


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wesentlich halte und weil ich es auch als Teilaufgabe eines Klimafonds sehe; 17 Millio­nen € also auch daraus.

Damit sind wir bei dieser Milliarde Euro gemeinwirtschaftlicher Leistungen, die dieser Bericht auch widerspiegelt.

Ich bin ganz bei jenen, die sagen, es geht, wenn man einen Bericht legt, auch darum, wie denn die Perspektiven ausschauen. Aber die Zahlen und damit Perspektiven liegen natürlich erst dann am Tisch, wenn der Nationalrat und in Folge Sie das Budget auch beschließen. Dann werden wir nämlich sehen, wie viel der Bund im Jahr 2009 an ge­meinwirtschaftlichen Leistungen zur Verfügung stellen wird.

Ich kann Ihnen aber für 2008 schon berichten, es waren um 10 Prozent mehr. Wir lie­gen also nun bei 1,1 Milliarden € an gemeinwirtschaftlichen Leistungen, um die Bahn noch attraktiver und leistbarer zu gestalten. Wir haben also bereits 2008 eine beacht­liche Steigerung, weil wir bisher das Problem hatten, wie das auch erwähnt wurde, dass die Zahlen in den Vorjahren leider stagniert haben.

Das heißt, diese Zahlen spiegeln ein Programm wider, und dieses Programm heißt: Wir investieren in ein ökologisches Verkehrsmittel, wir unternehmen alle Anstrengun­gen, damit wir den Verkehr, den Personenverkehr und den Güterverkehr, von der Stra­ße auf die Schiene verlagern.

Und wir tun das im Besonderen nicht nur mit den gemeinwirtschaftlichen Leistungen, sondern mit einem Investitionsprogramm für die Schiene und die Bahn, wie wir das
in der Zweiten Republik noch nicht hatten: Wir werden in den nächsten fünf Jahren 13,9 Milliarden € in den Ausbau der Schiene investieren. Das ist gut investiertes Geld, denn es schafft auf der einen Seite gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten Beschäfti­gung, aber auf der anderen Seite schafft es auch Werte – eine moderne Infrastruktur und eine moderne Bahn –, von denen unsere Kinder und Enkelkinder noch profitieren werden. Und das heißt, das ist nicht Geld, das verpufft, sondern wir machen aus einer Infrastruktur, die teilweise noch aus Geleisen der Monarchie besteht, eine wirklich mo­derne Infrastruktur des 21. Jahrhunderts.

Zum Thema Verlagerung vor allem des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene passt natürlich der Brenner-Basistunnel, ein ganz wesentliches Projekt. Ich teile Ihre Einschätzung, Frau Bundesrätin, dass es sich da um ein gesamteuropäisches Ver­kehrsprojekt handelt. Daher ist die Finanzierung auch gemeinschaftlich zu leisten, auch durch Mittel der Europäischen Union, geht es doch um ein Netz, das von Berlin bis Palermo reichen soll, und der Brenner-Basistunnel wird da ein ganz wesentliches Ele­ment sein. Gemeinsam finanzieren heißt also Mittel der Europäischen Union, Mittel des Bundes, die wir mit einer Sonderfinanzierung für den Brenner-Basistunnel zur Verfü­gung stellen, und natürlich auch Mittel der Länder, weil ich glaube, so ein Großprojekt kann nur gemeinsam geleistet werden.

Sie haben recht, es geht da auch um Hausaufgaben. Ich denke schon, dass es mög­lich wäre, und da spricht nichts dagegen, dass wir nicht nur Lkw-Maut beim Brenner-Basistunnel einheben, sondern überall dort, wo es EU-rechtlich möglich ist, um dieses Geld in die Schiene zu investieren. Das wäre eine der möglichen Hausaufgaben, die zu erfüllen sind.

Bei Vergleichen mit anderen Ländern schlägt jedem Bahnfan immer das Herz höher, wenn man von der Schweiz spricht. Aber erwähnen möchte ich vielleicht einen Aspekt, der mir schon wesentlich erscheint, weil ich auf europäischer Ebene für die Wege­kostenrichtlinie, für das Verursacherprinzip, für Kostenwahrheit zwischen Straße und Schiene kämpfe: Wie Sie wissen, haben wir auch ein bisschen Umweg-Lkw-Verkehr aufgrund von Mauteinhebungen, wo die Schweiz nämlich aus europarechtlichen Grün-


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den andere Möglichkeiten hat. Ich glaube, unser Weg, den wir beschreiten, ist der ein­zig richtige, nämlich im Zuge der Wegekostenrichtlinie die Möglichkeit zu schaffen, ex­terne Kosten, Umweltschäden, Staukosten, in die Mautkosten einfließen zu lassen und damit auch die Schiene zu finanzieren.

Zum Brenner-Basistunnel ganz konkret: Bevor ich hierhergekommen bin, habe ich so­zusagen die Baugenehmigung erteilt. Das heißt, wir sind in der Frage Brenner-Basis­tunnel so weit wie noch nie. Das Verfahren ist abgeschlossen. Die Baugenehmigung wurde erteilt.

Wir werden am 18. Mai gemeinsam mit dem italienischen Verkehrsminister Matteoli und mit dem deutschen Verkehrsminister Tiefensee, der Europäischen Kommission, dem EU-Koordinator Van Miert eine gemeinsame Vereinbarung treffen, was die Finan­zierung betrifft. Das ist ein sehr großes Projekt, es kostet 8 Milliarden €, und deshalb haben wir die Verpflichtung, dieses Projekt gemeinsam zu unterstützen und sorgsam umzusetzen. Es wird der längste Eisenbahntunnel der Welt sein, der hier errichtet wird. Das ist ein ganz zentrales Projekt und trägt auch ganz entscheidend dazu bei, dass wir jetzt massiv in die Infrastruktur investieren, dass wir Hochleistungsnetze ausbauen, dass wir die Schiene attraktiv gestalten, was Geschwindigkeit, aber auch was die Kos­ten betrifft. Aber für die Menschen ist dieses ökologische Verkehrsmittel oft nur dann leistbar, wenn wir diese gemeinwirtschaftlichen Leistungen zuschießen, und ich glau­be, das kommt in dem Bericht ganz deutlich zum Ausdruck. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer zweiten Wortmeldung erteile ich Frau Bundes­rätin Kerschbaum das Wort. (Bundesrat Dr. Kühnel: Eine tatsächliche Berichtigung! – Bundesrätin Kerschbaum – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein, eine Wortmel­dung!)

 


11.39.14

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, in dem Bericht steht aber drin­nen: Bundesministerium für Jugend: 2 780 Millionen; Sie haben gerade von 300 Millio­nen geredet. – Es geht jetzt nicht um die Zahlen. (Bundesministerin Bures: O ja!)

Worum es mir geht, ist, dass Ökologie und Ökonomie zusammenspielen sollten. Ich unterstütze es massiv, wenn ökologische Maßnahmen gesetzt werden und der Nahver­kehr gefördert wird, und ich freue mich auch, wenn für 2008 dann wirklich mehr drinnen steht – Hände hoch und große Freude! –, aber bis jetzt, in den letzten zehn Jahren, ist immer das Gleiche drinnen gestanden beziehungsweise hat es die Berichte gar nicht gegeben. (Bundesrat Gruber: Darum hat es nicht drinnen stehen können!)

Einen solchen Bericht hat es nicht gegeben, und das Geld wurde immer in gleicher Höhe ausgegeben. Insofern kann man nicht sagen, dass wir, wenn wir diesen Bericht ablehnen, die Förderung der ökologischen Form des Nahverkehrs ablehnen – ganz im Gegenteil!

Auf jeden Fall sollte nachvollziehbar sein, woher die finanziellen Mittel kommen, wie viel Mittel man auszugeben plant und aufgrund welcher Tatsachen sie zum Einsatz kommen. Die Berechnung, wie sie jetzt durchgeführt wird, ist eigentlich eine Pi-mal-Daumen-Berechnung – das ist leider eine Tatsache –, weil zwar beim Öko-Bonus in der Beschreibung drinnen steht, man berechnet die Zeitkarten und die 45 Prozent, die man sich damit erspart, aber in Wirklichkeit wissen wir gar nicht, welche Zeitkarten und


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 55

wie viele Fahrten wir damit haben. Es gibt einen Deckel, und deshalb ist es kein Zufall, dass der Öko-Bonus und auch alle anderen Leistungen immer die gleiche Höhe haben.

Wenn im nächsten Bericht höhere Zahlen drinnen stehen, dann begrüßen wir die Poli­tik, aber die Art der Berichterstattung ist unserer Meinung nach – dabei bleibe ich – schleißig. (Beifall des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Gruber: Nein, nein! Falsch gelesen!)

11.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, diesen Be­richt zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

11.41.426. Punkt

Kulturbericht 2007 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-357-BR/2009 d.B. sowie 8102/BR d.B.)

7. Punkt

Strategische Jahresplanung 2009 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kom­mission sowie des 18-Monatsprogramms der französischen, tschechischen und schwedischen Präsidentschaften (III-358-BR/2009 d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu Punkt 6 ist Frau Bundesrätin Blatnik.

 


11.42.21

Berichterstatterin Ana Blatnik: Herr Präsident! Gospod president! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Kulturbericht 2007 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deswegen komme ich sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 2009 den Antrag, den Kulturbericht 2007 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Bevor wir in die Debatte eingehen, berichte ich über die mir zugekommene Information, dass Frau Bundesministerin Schmied im Hause ist, aber noch an einer Ausschusssit­zung im Rahmen des Nationalrates teilnehmen muss und so rasch wie möglich hierher kommen wird.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 56

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.43.24

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben leider nicht zum ersten Mal, dass es immer wieder Parallelitäten zwischen Bundesrat und Nationalrat gibt und wir hier im Bundesrat dann immer ins Hintertreffen geraten. Dies sei einmal mehr kri­tisch angemerkt.

Der vorliegende Kulturbericht ist nicht ganz neu, denn er betrifft das Jahr 2007. Eigent­lich sollten wir schon den Kulturbericht 2008 diskutieren.

Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten soll Kultur für alle Menschen verfügbar sein. – So lautet ein Satz aus dem Vorwort von Frau Ministerin Schmied zum Kulturbericht. Dieser Satz ist absolut zu unterstreichen.

Leider ist der Zugang zu Kunst und Kultur immer noch nicht für alle Menschen leistbar. Menschen mit sehr geringem Einkommen oder Familien mit mehreren Kindern haben es nach wie vor schwer, sich den Zugang zur Kultur leisten zu können.

Dem Bereich Museen ist im Kulturbericht ziemlich breiter Raum gewidmet. Leider ha­ben die Museen in den letzten fünf Jahren keine Valorisierung erfahren, das heißt, sie haben nicht mehr Mittel bekommen. Umso erfreulicher ist es, dass trotzdem die Besu­cherzahlen gestiegen sind, und zwar gegenüber dem Jahr 2006 um immerhin 10 Pro­zent.

Auch beim MuseumsQuartier, in Bezug auf welches wir, wie Sie alle wissen, seinerzeit, als es gebaut wurde, Kritik haben laut werden lassen ob der Art und Weise, wie es ent­standen ist – an unserer Kritik hat sich zwar nichts geändert, aber es steht nun einmal und soll jetzt natürlich in seiner Form auch besucht werden – hat sich die Zahl der Be­sucher erhöht, und zwar um 1 800. Das Leopold Museum, das MUMOK und die Kunst­halle ziehen die meisten Besucher an, und zwar nicht nur Einheimische, sondern vor allem auch Touristen.

Die Nationalbibliothek erfreut sich gleichfalls eines stetig wachsenden Besucherstroms, wiewohl es nur 1 Prozent mehr waren, aber auch 1 Prozent ist eine Steigerung.

Desgleichen ist die Zahl der Besucher des Lesesaals angestiegen, und zwar auf 264 000 Personen, das macht ein Plus von 10 Prozent aus. Ich werte es als ein Posi­tivum, wenn der Lesesaal der Nationalbibliothek vermehrt genützt wird.

Es gibt auch im Bereich der Volkskultur immer wieder Basisförderungen, und zwar
im Bereich der österreichischen Trachten- und Heimatvereine, des österreichischen Volkstanzes, der Arbeitssänger, der Laienspielgruppen und des Volksliedwerks. Aber genau hier setzt unsere Kritik an. Es ist zwar positiv zu vermerken, dass es dafür nach wie vor eine Basisförderung gibt, dennoch meinen wir, dass unsere eigene Identität zu wenig gefördert wird. Dafür müsste wirklich mehr getan werden.

Wir leben in einer globalisierten Welt, in der die eigene Identität immer mehr unter Druck gerät. Sie ist auch unter Druck geraten durch eine verstärkte Zuwanderung, und zwar vor allem aus kulturfremden Räumen. Daher kann man unserer Auffassung nach gar nicht genug für die eigene Kultur, für die eigenen Sitten und Gebräuche, für die eigenen Traditionen und vor allem für die eigene Sprache tun. Das ist aber leider in den letzten Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, wirklich sehr vernachlässigt wor­den.

Wir erleben eine Entwicklung, wo – beginnend mit Marx über die Frankfurter Schule und die 68er-Generation bis heute – Werte wie Liebe, Vaterland, Muttersprache zu


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sinnlosen Wörtern degradiert werden sollten. Das ist Gott sei Dank nicht ganz gelun­gen, aber trotzdem hat da ein Einbruch stattgefunden. Aber gerade die Jugend ist es, die sich wieder nach solchen Werten sehnt. Der Zustrom der Jugend zur FPÖ kommt nicht von ungefähr. Die Jugend will wieder eine Wertediskussion, die Jugend will Sinn im Leben haben, die Jugend will, dass man sich auf Wertinhalte verlassen kann, dass es Werte gibt und man nicht sagt, Werte brauchen wir eigentlich nicht. Sie will diese Werte, weil sie identitätsstiftend sind, weil sie ein Geborgenheitsgefühl geben und auch einen Heimatbezug herstellen.

Da setze ich ganz bewusst bei der Sprache an. Die Sprache ist ein wesentliches kultu­relles und identitätsstiftendes Merkmal, das auch unsere geistige Heimat ist. Dazu ge­hört die Musik, dazu gehört das Lied, dazu gehören Dichter und Denker und dazu ge­hören auch Märchen und Gedichte. Jahrelang war es in den Schulen verpönt, Gedichte auswendig lernen zu müssen, obwohl man in jedem Buch betreffend Gehirntraining lesen kann, dass Auswendiglernen ein sehr gutes Training fürs Gehirn ist. Aber das hat man leider nahezu abgeschafft, es war absolut unmodern. Das gehört alles dazu.

Es gibt Staaten, die ihre Sprache wirklich schützen, wie zum Beispiel Frankreich. Da kann man allerdings schon sagen, dass sie da ein bisschen übertreiben, aber sie tun etwas für ihre Sprache, sie trachten danach, sie zu schützen.

Ich gehöre nicht zu jenen, die sagen, dass jeder fremde Ausdruck in unserer Sprache ausgemerzt werden muss. Und ich gehöre auch nicht zu jenen, die versuchen, alles einzudeutschen, zumal mir auch bewusst ist, dass in der deutschen Sprache viele Fremdwörter eine Selbstverständlichkeit sind, Wörter, die uns heute deutsch erschei­nen, wie zum Beispiel das Wort „Fenster“, das aus dem Lateinischen kommt. Kein Mensch denkt darüber nach, wo das Wort „Fenster“ herkommt, weil es für uns heute eigentlich ein deutsches Wort ist. Natürlich gibt es in der deutschen Sprache eine Viel­zahl solcher Wörter!

Ich bediene mich auch in der Computersprache der herkömmlichen oder der gebräuch­lichen Ausdrücke. Ich muss zur Homepage nicht „Heimseite“ sagen, das ist nicht meine Intention, aber ich glaube trotzdem, dass es viele Anglizismen gibt, die zu benützen vermieden werden sollte. Ich muss im ORF nicht von der „Primetime“ sprechen, und ich muss nicht den Ausdruck „ZiB Flash“ haben. Da könnte man wirklich mehr darauf Bedacht nehmen, die eigene Sprache zu fördern, sie anzuwenden und sich nicht auf andere Ausdrücke, in diesem Fall auf englische, zurückziehen, weil es so modern ist und weil man sich dabei chic vorkommt.

Ich meine, dass gerade in Hinblick auf Kultur im sprachlichen Bereich, im identitätsstif­tenden Bereich zu wenig gemacht wird. Das kommt auch im vorliegenden Kulturbericht zum Ausdruck.

Weil wir – und ich habe es heute schon in meiner ersten Rede gesagt – mit dessen In­halt nicht einverstanden sind, bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen Bericht nicht zur Kenntnis zu nehmen. (Bundesrat Konecny: Zur Kenntnis haben Sie ihn genom­men, denn Sie haben ihn gelesen!) Das heißt nicht, dass ich ihn zur Kenntnis nehme. Ich habe ihn gelesen, aber ich nehme seinen Inhalt nicht zur Kenntnis. Das wollte ich auch hier zum Ausdruck bringen. (Beifall der Bundesräte Mitterer und Ebner.)

11.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Ko­necny. – Bitte.

 


11.51.01

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich nehme den vorliegenden Bericht zur Kenntnis, ich habe ihn auch gele-


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 58

sen; aber wie man etwas liest, ohne es zur Kenntnis zu nehmen, ist für mich vorläufig unbegreiflich, aber vielleicht können wir das noch klären. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Sie müssen ihm ja nicht zustimmen. Das ist ja schon okay. (Bundesrat Mitterer: Für die Wähler ist das schon ein Begriff!) Gut. – Kehren wir zur Kultur zurück, Herr Kollege!

Wir lesen und studieren und orientieren uns seit vielen Jahren in diesem Bereich an Berichten des zuständigen Bundesministeriums, und diese geben ein umfassendes und dieses Mal ein noch ein bisschen umfassender gewordenes Bild der kulturpoliti­schen, sammlungspolitischen musealen Landschaft dieses Landes und damit eine je­weils jährliche Zwischenbilanz eines Faktors in unserem Land, der in vielfacher Hin­sicht Bedeutung hat. Ja, Kulturvermittlung an die Menschen unseres Landes, ihnen, vor allem jenen, die da eine gewisse Hemmschwelle überwinden müssen, den Zugang zu Werten zu vermitteln, zu Schätzen, die in Jahrhunderten angesammelt wurden, ist eine ganz zentrale Aufgabe.

Es ist keine Frage, dass sich dieses Land auch und gerade durch seine Kultur defi­niert – im Übrigen, auch wenn Sie das nicht gerne hören, eine Kultur, die im Wesentli­chen eine multikulturelle Kultur ist, denn sie wurde primär geprägt in jenen Zeiten, als dieses Land in seinen damaligen Grenzen und als diese Stadt als Hauptstadt eines höchst multinationalen Gebildes die Talente aus dem Bereich dieses Landes angeso­gen hat und, weil es eine Kulturmetropole war, weit darüber hinaus.

Ich würde ungern die niederländischen Mitbringsel des ehemaligen Generalgouver­neurs der Habsburgischen Niederlande in den österreichischen Museen vermissen, das wäre ein substanzieller Verlust. Ich hoffe, Sie haben nichts gegen die Werke der Niederländer, nichts gegen die Werke der Italiener, die da an der Wand hängen. Das gehört zu unserem Kulturerbe jenseits aller nationaler Festschreibungen.

Aber das Zweite, das neben dem Element der Identität so wichtig ist – und man soll das problemlos zugeben, auch wenn es nicht hehr und nicht hochtrabend ist –, ist Fol­gendes: Dieses Kulturerbe und dieses Image eines Landes als Kulturland ist natürlich ein substanzieller Faktor eines wichtigen Wirtschaftszweiges dieses Landes. Wir ha­ben, glaube ich, heute auch noch den Tourismusbericht zu behandeln. Vielleicht hätten wir diese beiden Berichte unter einem debattieren sollen.

Vor allem der Städtetourismus – nichts gegen Österreichs wunderschöne Berge und wunderschöne Seen, die haben ihr Publikum – ist im Wesentlichen von der kulturellen Anziehungskraft der Städte geprägt. Insofern ist unser Kulturerbe auch ein Kapital, das wir gezielt – zu Recht gezielt – einsetzen, wenn wir für unser Land und vor allem für seine Städte und seine Kulturlandschaften werben, weil es darum geht, uns zu präsen­tieren, und das ist nicht gerade zum ökonomischen Nachteil unseres Landes. Ganz im Gegenteil! Es ist ein wichtiger Faktor. Ich habe kein Problem, das mitzuberücksichtigen und zu sagen: Wir haben hier Kapital, und die Verzinsung schadet uns auch nicht!

Der vorliegende Bericht soll nicht in seiner ganzen umfassenden Gesamtheit erläutert werden, ich will nur einige Themenbereiche herausgreifen. Ich glaube, dass es meiner Kenntnisnahme dieses Berichts nicht widerspricht, wenn die Überlegungen, die ich da­bei anstellen will, ein bisschen über das Lob hinausgehen.

Da gibt es zunächst einmal die – sehr stark auf Wien konzentrierte, das räume ich ger­ne ein – Museumslandschaft. Da haben wir die großen Highlights: das Kunsthistori­sche Museum in seiner ganzen Vielfalt (Bundesrat Schennach: Pracht!) – Pracht; gut, ich greife diesen Ausdruck gerne auf, also: in seiner ganzen Pracht! – und die Alber­tina. Aber es ist natürlich so, dass selbst dort hausgehalten werden muss.


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Dieser Bericht informiert ja über das erste Jahr, in dem das Kunsthistorische Museum auch einen Finanzdirektor bekommen hat, was dem Haus sehr, sehr gut getan hat, denn die Pracht allein macht es nicht aus, man muss diese auch gezielt administrieren und man muss von allzu optimistisch angesetzten Vorhaben des ehemaligen Gene­raldirektors unter ökonomischen Gesichtspunkten wieder Abschied nehmen können. Stichwort: Lipizzaner Museum.

Gleichzeitig muss man sich aber – und das ist etwas, was ich in diesem Bericht ein bisschen vermisse, wobei man sagen muss, dass die entsprechenden Kapitel natürlich von den jeweiligen Institutionen beigestellt wurden – die Frage stellen, ob die Bestän­de, die ausgestellt sind, jeweils im richtigen Rahmen ausgestellt sind und ob es nicht Bestände gäbe, die man sehr wirkungsvoll, attraktiv und anziehend ausstellen könnte.

Dazu in Bezug auf das Kunsthistorische Museum nur zwei kurze Bemerkungen: Zu den wertvollen, aber doch sehr speziellen Beständen gehört die riesige Münzsamm­lung, die im sogenannten Münzkabinett dargeboten wird. Ich nehme an, dass diejeni­gen, die diesen Ausdruck ausgesucht haben, das nicht zufällig getan haben, denn es ist wirklich ein Münzkabinett, ein Kämmerchen im Obergeschoß.

Ich gebe zu bedenken, ob diejenigen, die sich die großen prachtvollen Gemälde in der Beletage anschauen wollen, wirklich dieselben Besucher sind, die dann zwei Stiegen hinaufgehen und in das im wahrsten Sinne des Wortes Kabinett Münzen anschauen gehen. Dazu kommt noch, dass diese Kabinettgröße der Ausstellungsräume von den wunderbaren Beständen nur minimale Teile aufnehmen kann. Ich würde einmal zu überlegen geben – und das gehört zu dem Thema Museumslandschaft –, ob nicht eine gesonderte Darbietung dieser Sammlung für ein daran interessiertes Publikum die rich­tigere Maßnahme wäre, als das Verstecken im Obergeschoß.

Die Österreichische Nationalbibliothek hat mutig und, wie man an den Besucherzahlen erkennen kann, keineswegs erfolglos für einen Bestand in der Wiener Herrengasse ein neues Museum geschaffen, und zwar schon vor dem Berichtsjahr 2007, nämlich jenes Haus, das sich im Wesentlichen um das Globenmuseum herum gebildet hat. Es ist auch das Esperantomuseum dorthin übersiedelt.

Die Globen sind in der Vergangenheit sehr unscheinbar nahe dem Mittelgang des Prunksaals der Nationalbibliothek herumgestanden; mehr kann man dazu nicht sagen. Sie haben im Palais Mollard-Clary, aus dem das Niederösterreichische Landesmuse­um vor einigen Jahren ausgezogen ist, eine neue Heimat gefunden, wo sie museal in eindrucksvollster Weise präsentiert werden. Für ein so spezielles Thema 10 000 Besu­cher mobilisieren zu können, ist eine wirkliche Erfolgsgeschichte. – 10 000 Menschen würden sich die Münzen in einer entsprechend attraktiveren Präsentation wohl auch anschauen.

Ich habe Kollegem Schennach versprochen, dass ich ihm das Thema Völkerkunde­museum lasse. Es ist ergiebig, aber ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Nein, nicht Montezuma, dass dort überhaupt wieder etwas ist. Das war meine einzige Bemerkung – Stefan, entschuldige bitte!

Als Zweites gilt es in diesem Zusammenhang anzumerken, dass es Bestände gibt, die nicht ausgestellt sind, bezüglich derer ich aber persönlich überzeugt bin, dass sie gera­de im Tourismus große Aufmerksamkeit finden würden.

Zu den Beständen des Kunsthistorischen Museums – und auch da ist der Name schon verräterisch – gehört das sogenannte Monturdepot: Es ist im Keller. Es gab vor eini­gen Jahren, als das Palais Harrach noch als Dependance des Kunsthistorischen Muse­ums angemietet war, eine einmalige Ausstellung mit einem wunderschönen Katalog dieser Bestände. Ich bin überzeugt davon, dass bei entsprechender Werbung nicht nur


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die Wiener und Österreicher, sondern insbesondere auch die Touristen eine Daueraus­stellung dieser Art geradezu stürmen würden, denn die Ausstellung all jener prunkvol­len Gewänder – und darum geht es im Monturdepot – , die der österreichische Hof sei­nen Pagen, Obersthofmeistern, Heizern dritter Klasse und Sonstigen angezogen hat, ist wirklich ein eindrucksvolles Zeitdokument in einem im Übrigen hervorragenden Er­haltungszustand – keine Motten! Dieser Bestand würde eine permanente Ausstellung nicht nur rechtfertigen, sondern das könnte ein weiterer Publikumsmagnet werden. (Vi­zepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich mir anschaue – das ist nur zum Teil in diesem Bericht abgedeckt –, was die imperialen Reste dieses Landes – die Schatzkammer, die diversesten Appartements, die man besichtigen kann, die Hofsilber- und Tafelkammer und so weiter – an Besu­chermassen anziehen, wird sich doch ein größeres Winkerl in der Hofburg finden, wo man auch die Monturen dieses Hofes ausstellen und damit einen weiteren Attraktions­punkt schaffen könnte.

Ein vorletzter nicht Themenkomplex aber eine Fußnote – ich habe das gestern im Aus­schuss gemacht und ich möchte diese wenigen zarten Sätze hier wiederholen – betrifft das zwar nicht unter der Verwaltung des Bundes stehende Volkskundemuseum, aber das muss einfach gesagt werden.

Das ist eine merkwürdige Konstruktion: Die Stadt Wien stellt in der Laudongasse ein Haus zur Verfügung und ein Verein unterhält dort das Museum. In einem ehemaligen Luftschutzbunker – quer durch den Park – ist das Depot, und es gibt kein Geld. Das Haus verfällt. Das ist ein wirklich interessantes Denkmal, an dem man den stufenwei­sen Verfall eines Palais aus dem Spätbarock beobachten kann. Der Verein schafft es nicht mehr!

Wir haben gestern im Ausschuss gehört, dass angesichts einer gefährlichen Drohung trotz absoluter Unzuständigkeit das Ministerium dankenswerterweise versucht, an einer Lösung mitzuwirken. Die gefährliche Drohung besteht darin, dass der Verein sich auflö­sen und das Museum zusperren könnte, womit der Bund die Exponate erbt und dann irgendetwas damit machen müsste – also könnte man vorher ein gescheites Museum machen. Diesen Bemühungen viel Erfolg zu wünschen, ist ebenfalls ein Inhalt meiner heutigen Rede.

Der letzte Komplex, zu dem ich, wie schon mehrfach getan, ein paar Worte sagen möchte, ist die endlose Geschichte des Denkmalschutzes. Wir haben bescheidene Mittel – 12 Millionen € im Berichtsjahr –, deren Höhe in Wirklichkeit seit Jahrzehnten gleich geblieben ist, sie sind nur weniger wert und reichen natürlich nicht annähernd aus, um das, was an Förderungsbedarf und in Wirklichkeit -anspruch besteht, zu be­friedigen.

Es gibt immerhin Sponsorenmittel in ungefähr der halben Höhe – 6 Millionen € –, die ebenfalls in diesem Topf zur Verfügung stehen, aber es ist trotzdem ein Tropfen auf einem heißen Stein.

Auch das Bundesdenkmalamt arbeitet, obwohl es eine gewaltige Arbeitslast abzutra­gen hat, auf Sparstufe mit bescheidenem Personal. Gehen Sie einmal in der Hofburg in den Seitengängen spazieren, nachdem Sie sich dort irgendwie Einlass verschafft ha­ben! Die Bestände des Bundesdenkmalamts – schöne Metallkästen aus vier verschie­denen Jahrhunderten, die am Gang stehen und in denen die Unterlagen unversperrt auf Karteikarten zu besichtigen sind –, vergönne ich jedem, wenn man wissen will, wie ein ordentliches „Bureau“ – mit „eau“ am Schluss geschrieben – im frühen 19. Jahrhun­dert ausgeschaut hat. Aber sie haben schon Computer, das muss man dazusagen.


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Die Arbeitslast besteht darin, dass es das Bundesdenkmalamt als Sonderaufgabe übernommen hat, ehemals in öffentlichem Besitz stehende Gebäude, die durch ihre Übertragung an die BIG sozusagen privat geworden sind, in einem Eilverfahren auf ihre tatsächliche Denkmalwürdigkeit zu überprüfen. Davor galt nach dem alten Denk­malschutzgesetz die Rechtsvermutung: Quasi alles, was dem Staat gehört, steht ein­mal a priori unter Denkmalschutz, und wenn man dort etwas umbauen will, ist das im Einzelfall anzuschauen.

Da ist notwendigerweise im Zuge dieser Übertragung eine Unterscheidung zu treffen: Jedes dieser ehemals bundeseigenen Objekte ist auf seine Denkmalwürdigkeit anzu­schauen, ist also entweder sozusagen freizugeben oder eben spezifisch unter Denk­malschutz zu stellen. Angesichts der Größe des Besitzes der Republik ist das eine Jahrzehntaufgabe – hoffentlich keine Jahrhundertaufgabe! –, die noch nicht abge­schlossen ist, und alles andere muss ja trotzdem erledigt werden.

Da das mit diesem Personalstand und diesen Mitteln nur sehr schwer und mit sehr viel persönlichem Einsatz der Mitarbeiter möglich ist, verdient es Dank, aber es verdient keine Fortsetzung. – Hier ist zweifellos etwas zu tun, auch in kritischen Zeiten.

Die Grundideologie des österreichischen Denkmalschutzes macht das noch ein biss­chen schwieriger. Während die Engländer von „Grade A“ bis „Grade C“ abstufen, was – unter Anführungszeichen – „ein Objekt wert ist“, wie intensiv der Denkmalschutz sein muss, ob er wirklich jede Schraube in der Wand oder ob er beispielsweise das äußere Erscheinungsbild umfasst, gibt es in Deutschland und Österreich den soge­nannten einheitlichen Denkmalbegriff, also: Was unter Schutz steht, steht unter Schutz!

Das bedeutet aber, dass auch – ich möchte das Wort minderwertig nicht verwenden – bei nicht so wertvollen Gebäuden dasselbe Verfahren ablaufen muss wie bei irgend­einem kostbaren mittelalterlichen Burgobjekt, wenn man dort ein Bad einbauen will, wodurch der ganze Apparat ins Rollen gebracht wird. Damit wird jeder Schritt auch bei dem nicht so bedeutenden Objekt amtlich befundet, was man sich ersparen könnte, wenn man vorsichtig und nach Abschluss der anderen Arbeiten, denn das Gradieren wäre wiederum eine Riesenarbeit, verschiedene Stufen des Denkmalschutzes schaffen würde, um einerseits zu sagen: Hier geht, ohne dass wir jeden Nagel, der eingeschla­gen wird, kontrollieren, gar nichts!, und im anderen Fall zu sagen: Was du drinnen machst, ist uns eigentlich gleichgültig, es geht um das äußere Erscheinungsbild auf einem Stadtplatz, der von vielen gleichartigen Häusern gekennzeichnet ist. Aber ob du eine Sauna im mittelalterlichen Keller einbaust, interessiert uns nicht so wahnsinnig.

Ich würde ernsthaft zu überlegen geben, ob wir hier von einem 150 Jahre lang gepfleg­ten, aber zunehmend obsolet werdenden Grundsatz nicht bei einer Novelle des Geset­zes abgehen sollten.

Abschließend: Ich glaube und ich hoffe, dass die neue Leitung des Bundesdenkmal­amtes – die Frau Ministerin ist ja für ihre überraschenden und wie sich bisher gezeigt hat sehr Erfolg versprechenden Neubesetzungen inzwischen ein bisschen berühmt ge­worden, von der Staatsoper über das Kunsthistorische Museum bis zum Bundesdenk­malamt – erfolgreich arbeiten wird.

Wir haben 1999 in der letzten Novelle zum Denkmalschutzgesetz einen Denkmalfonds geschaffen. In diesem befinden sich genau null Euro, nachdem sich zuvor genau null Schilling darin befunden haben.

Ich habe die vorige Frau Bundesministerin mehrmals nach dem Fortgang der Befüllung dieses Fonds befragt; die Antwort war immer dieselbe – sie hätte sie fotokopieren kön­nen –: Es sind keine Strafgelder eingegangen, etwas anderes ist uns nicht eingefallen, daher ist da kein Geld drinnen.


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Ich glaube nicht, dass man einen gesetzlich festgelegten Fonds braucht, in dem sich nichts befindet. Ideen zu finden, was man in diesen Fonds hineintun könnte, wie über­haupt die Mobilisierung der Öffentlichkeit für die Mittelaufbringung auch in Zeiten der Krise, ist eine Aufgabe, über die ich jetzt nicht im Detail reden will, aber es geht darum, neue Ideen zu haben. Es hat einmal, in der Ära Gehrer, eine Serie Rubbellose für den Denkmalschutz gegeben. Sie dürften kein Erfolg gewesen sein, denn sie haben sich im Denkmalfonds nicht wirklich ausgewirkt, oder die Österreichischen Lotterien haben dann nicht überwiesen – ich weiß das nicht.

Aber dass hier auch ein Beitrag von jenen, die es sich leisten können, durchaus wün­schenswert wäre, das würde ich unterstreichen und das würde ich hoffen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Schnider.)

12.11


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Kühnel zu Wort. – Bitte.

 


12.11.56

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Ich möchte schon mit etwas Bedauern feststellen, dass die Frau Bundesministerin immer noch nicht hier ist. Aber dass, so weit ich auch herumschaue, sich keine der Beamtinnen und keiner der Beamten zu uns hereintraut, ist zumindest etwas komisch. (Bundesrat Konecny: Wir haben sie im Ausschuss gehabt, aber ...!) – Das Ministerium ist so groß, dass sicher eine Zuteilung des einen oder anderen Beamten zumindest für die Sitzung möglich wäre.

Der Herr Professor hat den inländischen Bereich fast zur Gänze abgedeckt (Bundesrat Konecny: Tut mir leid!), mit Ausnahme des Völkerkundemuseums, das er für Kollegen Schennach aufgehoben hat. Auch ich werde mich nicht mit dem Völkerkundemuseum beschäftigen, sondern ich werde mich mit der Strategischen Jahresplanung 2009 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur im Zusammenhang mit der Euro­päischen Kommission und der französischen, tschechischen und schwedischen Präsi­dentschaft auseinandersetzen.

Dieses Programm, das uns übermittelt wurde, muss man betreffend Inhalt und Gliede­rung als sehr positiv ansehen – der Inhalt ist sehr gut dargestellt und die Gliederung ist übersichtlich –, denn schließlich haben wir jetzt schon mehrere dieser Programme in den letzten Sitzungen gehabt, und da kann man schon Qualitätsunterschiede feststel­len.

Der Dank an die Mitarbeiter an diesem Programm ist etwas in den Wind gesprochen, aber es ist bei der Kultur vielleicht öfter so, dass vieles in den Wind gesprochen wer­den muss, vielleicht wird es dann doch irgendwann gehört.

Was die Pläne Europas in diesem Zusammenhang betrifft, möchte ich erwähnen, dass es da ein interessantes Programm von 2011 bis 2013 geben wird, das sogenannte MEDIA-MUNDUS-Programm. Für dieses Programm steht für sieben Jahre immerhin der stolze Betrag von 750 Millionen € zur Verfügung. Wenn man das durch sieben di­vidiert, kommt man auf etwa 110 Millionen € pro Jahr – also das ist schon „eine or­dentliche Stange Geld“, um es etwas vulgär auszudrücken. Ich hoffe, dass ich vor Frau Kollegin Mühlwerth bestehen kann und keine Kritik meiner Sprache erfahre, aber ich habe es trotzdem gesagt. (Bundesrätin Mühlwerth: Schauen wir einmal! – Bundesrat Schennach: Das ist ja nicht ... gewesen!)

Daraus ergibt sich, dass diesbezüglich seitens der Europäischen Union sehr viel getan wird, was die kleinen Länder – und Österreich gehört zumindest zu den mittleren Län­dern – nicht machen können.


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Einer dieser Punkte ist die Förderung des Informationsaustausches zwischen Fachleu­ten, vor allem durch Ausbildungsmaßnahmen und Stipendien, die die Vernetzung zwi­schen Fachkräften des audiovisuellen Sektors aus Europa und aus Drittländern erleich­tern. Dies dient dem einfacheren Zugang zu fremden Märkten und dem Aufbau von Vertrauen und von langfristigen Geschäftsbeziehungen. Man kann also, wie Sie (in Richtung des Bundesrates Konecny) das ja auch erwähnt haben, mit der Kultur ge­legentlich durchaus in gewissem Maße ein Geschäft machen, und der österreichische Tourismus – wir diskutieren das dann später – würde ohne die kulturelle Potenz, die in Österreich vorhanden ist, sicher nicht so gut laufen.

Es geht um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und den grenzüberschreiten­den Vertrieb audiovisueller Werke in aller Welt, damit internationale Co-Produktionen erleichtert werden, denn internationale Kontakte sind gerade im kulturellen Bereich immer sehr, sehr befruchtend.

Weiters möchte man die weltweite Verbreitung und Aufführung audiovisueller Werke verbessern und die Nachfrage der Öffentlichkeit steigern, vor allem beim jungen Publi­kum. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig! Wenn man heute zu gewissen kultu­rellen Veranstaltungen kommt, dann ist der Altersschnitt über (in Richtung des Bundes­rates Konecny) unser beider Alter liegend (Bundesrat Gruber: Aber knapp! Aber knapp!), das heißt also, es sind nicht unbedingt die Jüngsten unterwegs. – Herr Kol­lege Gruber, Sie sind natürlich unter unserem Schnitt, aber das macht nichts. (Bundes­rat Konecny: Aber den Durchschnitt reißt er nicht herunter!)

Man muss überlegen, wie das in 10, in 15 Jahren ausschaut. Daher ist es sehr wichtig, dass man das junge Publikum gewinnt und versucht, vielfältige kulturelle audiovisuelle Inhalte zu vermitteln.

Ich halte es für ein ganz grandioses Projekt in Europa, dass es jedes Jahr zwei euro­päische Kulturhauptstädte gibt. Derzeit ist es zum Beispiel Linz, vor ein paar Jahren war es Graz, und das hat den beiden Städten bisher sehr, sehr gut getan. (In Richtung der Bundesräte Konecny und Schennach, die nach oben schauen.) Was ist so interes­sant am Himmel? – Bitte, sei es wie es sei! (Zwischenruf des Bundesrates Schenn­ach.) – Aha, der Löwe schaut uns an, das macht auch nichts. Solange er nicht herun­terspringt, ist alles in Ordnung. (Bundesrat Konecny: Das wissen wir eben nicht!)

Für 2012 sind Guimarães und Maribor als Kulturhauptstädte vorgesehen. Jede Stadt verwendet das, um sich einerseits herauszuputzen, andererseits aber auch, um die kulturelle Vielfalt Europas darzustellen. Also auch das – das ist in Richtung Frau Kolle­gin Mühlwerth gesprochen, da sie der EU immer mit hohem Skeptizismus bis hin zum Austrittsgedanken gegenübersteht – ist sehr positiv, nämlich dass wir im Zusammen­hang mit den Kulturhauptstädten Europas auch deren Vielfalt kennenlernen.

2013 ist eine Kulturhauptstadt Marseille – Marseille wird ein „Brush-up“ in jede Rich­tung wie auch Renovierungsarbeiten sicher guttun (Bundesrat Schennach: Vorsicht, „Brush-up“!) – und die zweite Kulturhauptstadt ist Košice. (Bundesrat Konecny: Über­setzen Sie es für die Frau Kollegin, sagen Sie ...! – Bundesministerin Dr. Schmied nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Die Frau Ministerin ist mittlerweile eingetrof­fen. Frau Kollegin, Sie könnten einen Sonderapplaus spenden – aber bitte, wie Sie wollen!

Um jetzt wieder zu den Kulturhauptstädten zurückzukehren: Wir haben also 2012 und 2013 zwei Kulturhauptstädte in unmittelbarer Nähe Österreichs, einerseits in Mar­burg/Maribor, andererseits in Kaschau/Košice. Man kann diese Orte auch leicht besu­chen und sieht – was Sie schon angedeutet haben –, dass die Wurzeln in der K.-u.-k.-Monarchie und deren Auswirkungen einfach nicht wegzuleugnen sind.


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Ich war vor Kurzem zum ersten Mal in Laibach, ich habe geglaubt, ich bin in einem ös­terreichischen Klein-Graz. Ich sagte bewusst „KIein-Graz“, weil es nicht sehr viel gibt, aber der Kern ist so habsburgisch, dass man nur staunen kann.

Eine weitere Aufgabe des Programms ist, dass die Medienkompetenz gesteigert wer­den soll. Und da ist eine intensive Zusammenarbeit einerseits zwischen den einzelnen Ebenen in Europa – der kommunalen Ebene, der regionalen Ebene und mit Brüssel – vorgesehen, also, wenn man so will, eine vertikale Bündelung der Kräfte, aber auch eine Zusammenarbeit mit dem Europarat, denn auch dieser bemüht sich mit seiner Preisgestaltung und so weiter – mit Preisgestaltung meine ich die Ausschreibungen für bestimmte Projekte, die dann prämiert werden –, dass die Zusammenarbeit intensiviert wird.

Was von Ihnen, Frau Kollegin Mühlwerth, bezüglich EU immer wieder behauptet wird – Stichwort: Einheitsbrei –, kann ich da nicht herauslesen. Es ist wirklich eines der Ziele, den Regionen in Europa ein kulturelles Eigenleben zu lassen und keine Amerikanisie­rung der Kultur durchzuführen.

Ich darf noch erwähnen, dass auch verschiedene Maßnahmen für die Künstlerinnen und Künstler geplant sind, nämlich: die Mobilität dieser Leute zu fördern – das kann man mit Stipendien oder mit Aufträgen für bestimmte Werke erreichen –, die Förderung des Zugangs zur Kultur durch Förderung von kulturellem Erbe, Vielsprachigkeit, Digi­talisierung, Kulturtourismus, weiters die Mobilität von Kunstsammlungen.

Ich war neulich in Berlin und hatte die Möglichkeit, dort die Ausstellung zu besuchen „Le Maître de Flémalle“, um es auf Französisch zu sagen – ich hoffe, Sie entschuldigen das – „und Rogier de la Pasture“. Diese Ausstellung war wirklich gut besucht und bes­tens dargestellt, und man hat gesehen, wie viele europäische Museen ihre Schätze zu­sammengetragen haben, um diese beiden Meister in der Ausstellung darzustellen.

Aber auch in Österreich im Kunsthistorischen Museum und in der Albertina sehen Sie, dass nicht nur aus Europa, sondern auch aus anderen Ländern phantastische Kunst­werke für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt werden. Und diese Mobilität bei den Kunstsammlungen möchte ich, ehrlich gesagt, nicht missen.

Da die Zeit schon weit fortgeschritten ist, darf ich nur noch kurz darauf eingehen, dass das „Kulturforum für Europa“, das alle zwei Jahre stattfindet, eine wirklich gelungene Einrichtung ist.

Zuletzt möchte ich, da jetzt die Frau Bundesministerin hier ist, noch ein paar Sachen erwähnen, die sich auf Österreich beziehen.

Ich würde mir wünschen, dass in Wien in der Ausstellungspolitik eine gewisse Koordi­nation stattfindet. (Bundesrat Schennach: Seit Jahren versprochen!) Man muss einmal davon ausgehen, welchen Auftrag ein bestimmtes Museum, eine bestimmte Einrich­tung hat. Dass teilweise Ausstellungen quer durch den Gemüsegarten stattfinden, soll­te sich ändern, da sollte eine Besserung eintreten.

Das Zweite ist – ich bin ein großer Anhänger des Theaters und muss feststellen, dass diesbezüglich ein klärendes und initiatives Wort von Ihnen, Frau Minister, notwendig wäre –, dass unsere Schauspielerinnen und Schauspieler wieder lernen müssen, or­dentlich zu reden. Außerdem sollten Regisseure verpflichtet werden, die zum Beispiel dafür sorgen, dass die Akteure nicht in die den Zuschauern entgegengesetzte Richtung sprechen, sondern dass die Schauspielerin, der Schauspieler, wie das früher üblich war, zum Publikum spricht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Einen weiteren Punkt möchte ich anführen: Früher hat man, wenn man zum Beispiel ins Burgtheater gegangen ist, gewusst, dass dort in der Regel Klassiker gespielt wer-


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den, im Akademietheater 20./21. Jahrhundert. Heute ist eine Mischkulanz bei den Büh­nen gegeben, und da frage ich mich, ob das gut ist.

Wenn jemand ein Abonnement zurücklegt, dann ist bei der Staatsoper, das ist mir be­richtet worden, das Marketing bemüht, den Abonnenten zu halten. Beim Burgtheater und beim Akademietheater, das habe ich selbst erfahren, ist einem das völlig egal – dort liegt schon das Formular auf. Es kann sein, dass man zum Beispiel nach einer Saison Akademietheater sagt: Von den fünf Stücken, die ich im Abo habe, sind vier nicht anzuschauen!, zumindest nach meinem Geschmack, und in der Pause gehen die Leute nach Hause. Wie man dann zu der höheren Auslastung kommt, weiß ich nicht, wahrscheinlich zählt man nur, wie viele bis zur Pause dort sind, nicht am Ende. (Bun­desrat Konecny: Sicher, gezahlt ist gezahlt!) Man müsste sich also einerseits bemü­hen, Abonnenten zu halten, und sich andererseits doch Gedanken über den Spielplan machen.

Es ist sehr schön, dass Sie, Frau Minister, hier sind, denn so konnte ich das noch per­sönlich anbringen.

Zuletzt möchte ich noch einmal sagen, weil Sie zuerst nicht hier waren, dass das 18-Monatsprogramm, das uns von Ihrem Ressort vorgelegt worden ist, hervorragend ist. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


12.23.50

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Wenn mir zwei Vorredner ein Thema übrig lassen, dann muss ich natürlich dazu sprechen. – Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Eine Vorbemerkung in ganz anderer Sache: Kollege Kneifel – er ist gerade nicht im Saal – hat in seiner Rede gemeint, ich hätte gemeint, man solle vor der EU-Wahl nicht über Europa reden. – Ich muss das tatsächlich berichtigen. Hätte ich das gesagt, hätte ich nicht von der ÖVP Applaus bekommen für meine Worte.

Ich habe eine Kritik an der Kollegin Mühlwerth angebracht und gesagt, wir können doch jetzt nicht aus wahlkampftaktischen Überlegungen bis zur EU-Wahl alle EU-Mate­rien einfach ablehnen – so wichtig sie sind. Das waren meine Worte und nicht, dass man hier, wie Kollege Kneifel das verstanden hat, nicht mehr über die EU sprechen soll. Ich möchte das hiermit tatsächlich berichtigen, denn sonst wäre auch der Applaus der ÖVP für diese Worte wahrscheinlich nicht richtig gewesen – aber ich habe mich über ihn gefreut.

Zur vorliegenden Materie: Ich vertrete die Opposition, nicht die Regierung, aber, Kolle­ge Kühnel, ich muss jetzt schon sagen, dass einerseits die Frau Bundesministerin nicht für die Regie zuständig ist (ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny), anderer­seits möchte ich auch nicht, dass es in Österreich eine Verordnung gibt, wie Regie künftig auszusehen hat, dass Schauspielerinnen und Schauspieler nicht mehr von den Zuschauern und Zuschauerinnen abgewandt Dialoge sprechen dürfen. Und noch weni­ger ist die Frau Bundesministerin für den Inhalt, das Programm zuständig – das würde ich mir auch gar nicht wünschen.

Als selbst Kulturschaffender musste ich einmal in Spanien erleben, dass die Farbe einer Stadt wechselte. Der Bürgermeister – man stelle sich das einmal in Wien vor! – ließ sich das Programm des Opernhauses geben und sagte: Das hat alles noch mein Vorgänger unterschrieben, ich streiche das alles und sperre das Opernhaus zu, bis es ein neues Programm gibt! Die Künstler und das Orchester – in diesem Fall eine Mar-


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seiller Tanzgruppe – befanden sich bereits in der Stadt und erfuhren im Hotel, dass der neu gewählte Bürgermeister mit dem Programm nicht einverstanden war und das Haus zugesperrt wurde, bis es ein neues Programm gab. Das Haus war dann für zwei Jahre zugesperrt.

Das bedeutet politische Intervention im Kultur- und Kunstschaffen. Das wünsche ich mir nicht, und das soll auch die Frau Bundesministerin nicht machen. Die Frau Bundes­ministerin soll die Möglichkeit schaffen – dazu sind die Kultur- und Kunstpolitik des Landes herausgefordert –, und sie muss sich auch mit den sozialen Gegebenheiten auseinandersetzen, denn die Gruppe der Künstlerinnen und Künstler in Österreich – auch wenn wir heute stolz sind, darf man das nicht übersehen; alle bisherigen Redner haben ja den Kulturbericht 2007 und auch die Leistungen unseres Landes gewürdigt – hat ein Durchschnittseinkommen – laut Sozialbericht Ihres eigenen Ministeriums – von 700 € beziehungsweise 900 €. Das heißt, Künstlerinnen und Künstler sind in unserem Land extrem armutsgefährdet. Was das für die Absicherung im Alter bedeutet, das muss ich Ihnen hier nicht extra erklären.

Meine Vorredner und Vorrednerinnen haben immer wieder auf die Zahlen zurückgegrif­fen – aber das ist so eine Sache, wenn man über Kultur und Kunst spricht. Das ist nicht immer quantitativ messbar. Man kann nicht nur sagen: Dieses Museum hat mehr, des­halb ist es gut, und jene Initiative hat weniger, deshalb ist sie schlecht. Wir können nur davor warnen, Kunst und Kultur immer quantitativ zu bewerten.

Natürlich freut es einen, wenn man zum Beispiel sieht, dass das MUMOK eine große Annahme, eine hohe Akzeptanz, ein enormes Besucherplus hat. Das ist schön, aber jetzt ausschließlich quantitative Messungen zu machen, das halte ich für falsch.

Ich habe, Frau Bundesministerin, diesen Bericht mehrfach gelesen und mir geht etwas ab: der schlichte Hinweis auf eine der wichtigsten Initiativen – das sage ich auch als Mediensprecher –, einen der wichtigsten Motoren, die Lange Nacht der Museen. Es nimmt nach diesem Bericht kein einziges Haus darauf Bezug – das gibt es überhaupt nicht, weder das Kunsthistorische Museum noch irgendein anderes.

Ich bin immer wieder fasziniert und erlebe meine Hauptstadt immer wieder neu, weil ich immer die für mich seltsamsten Museen aussuche, weil man dorthin normalerweise nicht geht, dort aber interessante Dinge erlebt – selbst das Schokolademuseum war ganz interessant, aber auch das Kriminalmuseum im 2. Bezirk, das Feuerwehrmuse­um. Man sagt ja nicht explizit, dass man jetzt in genau dieses Museum geht, sondern im Rausch einer solchen Nacht, wenn sich so viele Menschen bewegen und etwas an­schauen, gelangt man dorthin.

Ich halte die Lange Nacht der Museen für eine der ganz wichtigen Initiativen, und gera­de diese kommt in dem Bericht nicht vor. Sie bringt Menschen in Museen, die norma­lerweise nicht in Museen gehen. Das ist eine erste Form von Kulturvermittlung. Und wenn wir von lebenslangem Lernen sprechen, muss ich sagen, auch kulturell sollte man lebenslang lernen. Man sollte das auch lernen, wenn man es als junger Mensch nicht gemacht hat, und man mit solch einem Event konfrontiert wird. Das sollte, wie ich meine, löblich erwähnt werden.

Kollegem Kühnel muss ich darin zustimmen, dass in Wien eine Museumskoordination vermisst wird. (Bundesrat Konecny: Kühnel wird gelobt!) – Herr Kollege Kühnel, ich lobe Sie gerade! Sehen Sie, jetzt machen Sie den Fehler des Regietheaters: Ich spre­che zu Ihnen, und Sie wenden sich von der Sprachstimme ab! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Genau das aber kritisieren Sie! Weder die Frau Ministerin noch die Frau Präsidentin kann jedoch hier per Verordnung bestimmen, dass Zuhörende zum Redner gewandt die Debatte verfolgen müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) –


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Ist schon okay. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kollege Kalina, in Sachen Kultur brauchen wir, glaube ich, eine extra Lektion auf deiner Seite.

Ich nehme das – noch einmal – positiv auf, Kollege Kühnel, und sage: Ja, wir brauchen eine Koordination hinsichtlich des Ausstellungswesens, des Museumswesens in Wien! Es kann ja nicht sein, dass eine bestimmte Ausstellung nur aufgrund der Konkurrenz hinsichtlich der Auslastung der Häuser wo stattfindet, wohin sie nicht gehört. Wir ken­nen das. Man hat uns eine Koordination versprochen. Ich weiß nicht, wie es hier über­haupt mit der Rahmenzielvereinbarung ausschaut.

Frau Bundesministerin Schmied, Sie haben 2007 – das steht auch drinnen – eine be­merkenswerte, mutige personelle Entscheidung getroffen mit Dominique Meyer. Sie haben diese Entscheidungen fortgesetzt, dafür ein uneingeschränktes Kompliment. Was mir aber in jedem Kulturbericht fehlt – und das hängt wieder mit dem Punkt zu­sammen, den ich am Anfang angesprochen habe, nämlich dass es auch darum geht, dass die Künstlerinnen und Künstler in unserem Land, das sich als Kulturnation ver­steht, wenig verdienen –, ist ein Hinweis auf die Schwierigkeit der Balance. Auf der einen Seite haben wir die vom Staat geförderten großen Häuser, großen Initiativen, auf der anderen Seite aber gibt es in diesem Land Tausende kleine Initiativen, die in der Regel mit dem Rücken zur Wand stehen oder mit einem halben Fuß – durch Verschul­dung – im Kriminal stehen. Dass man auf diese grundsätzliche Problematik in einem Kulturbericht hinweist und auch jene würdigt, die versuchen, mehr recht als schlecht zu überleben, fände ich für diese vielen, vielen Künstler und Künstlerinnen, die nicht im staatlichen System drinnen sind, sehr wichtig. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Einmal mehr zeigt sich gerade in einer Zeit der Wirtschaftskrise, der Finanzkrise, dass in Österreich nicht wie in anderen Ländern gesagt wurde: Die Kunst und die Kultur, die sollen sich bei den Firmen anstellen, die sollen sich ihre Mäzene suchen! – Erst ges­tern habe ich mit einem Bankdirektor gesprochen, und derzeit ist es so, dass Kunst-, Kulturförderung, Sponsoring fast nicht stattfinden – nicht von Versicherungen, Banken und so weiter. Nur noch die ganz wenigen namensträchtigen – Salzburg zum Bei­spiel – können nach wie vor Geld lukrieren, aber jene, die bisher hier 4 000 €, dort 5 000€, 10 000 € zur Verfügung gestellt haben, streichen das jetzt in der Krise. Und so passiert es genau jetzt, im Jahre 2009, in dem wir mitten in einer Finanzkrise stecken, dass viele, Hunderte Initiativen in Österreich kein Sponsoring und keine Unterstützung mehr bekommen, um zum Beispiel eine Platte aufzunehmen oder ein Gemälde oder etwas anderes zu machen. Da zeigt sich, wie wichtig der Grundsatz ist, dass der Staat und die Gesellschaft sich der Verantwortung für Kunst und Kultur niemals entziehen dürfen und diese niemals nur Privaten überlassen sollen.

Nun komme ich zu jenem Punkt, den die geschätzten Herren Konecny und Kühnel immer mit dem Hinweis, Schennach werde dazu sprechen, genannt haben – es ist ja nett, wenn die Regierungsparteien der Opposition das sagen. Liebe Frau Bundesminis­terin, Kollege Konecny hat das schon gesagt, Sie sind nicht ressortzuständig: Volks­kundemuseum in Wien: Dramatik pur – das wissen wir. Wir wissen auch, dass das Ihrem Haus bewusst ist – dazu sage ich jetzt nichts. Ich möchte nur, dass Sie, falls Sie antworten, wissen, dass Ihr Fraktionskollege Konecny das schon angesprochen hat, aber ich bitte Sie um Folgendes: Liebe Frau Bundesministerin, beim Völkerkundemu­seum muss etwas geschehen! Niemand weiß, wann es aufsperrt, wann es zusperrt, wo man hineinkommt, wo man hineinklettert, wenn man hinein möchte. Das ist eine Lieblo­sigkeit sondergleichen.

Man sagt – auch meine Vorredner haben das gesagt –, die, die nach Wien kommen, sagen, dass in Wien die Museen platziert, positioniert sind, Marken, Identitäten haben, aber dieses wichtige Museum, auch im Verständnis von Kulturen und Völkern, das ja


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auch ein Grundelement der Kulturpolitik darstellen soll, das Völkerkundemuseum, ist ja nicht einmal mehr in einem Dornröschenschlaf, sondern ist ein Schmuddelkind der Wiener Museumslandschaft. So kann es nicht sein.

Das zeigt ja auch die große Pharaonen-Ausstellung, die ja nicht das Museum allein ge­macht hat, sondern an der auch Private stark beteiligt waren. Diese Ausstellung hatte einen enormen Zulauf. Die wunderbare, phantastische Ausstellung – und da muss ich leider Ihrem Mitarbeiter aus dem Ressort widersprechen, der gemeint hat, es lag an dem Museum –„Benin – Könige und Rituale“ jedoch hatte einen sehr geringen Besu­cherinnen- und Besucheranteil. Das hängt mit der nicht erfolgten Platzierung eines Museums und der Nicht-Marke in der Landschaft zusammen. Daher kann ich Sie, Frau Bundesministerin, nur dringend ersuchen, sich dieses wirklich wichtigen Themas, was die Ordnung in der Museumslandschaft betrifft, anzunehmen.

Ich komme zum Schluss – ich habe das auch im Ausschuss angesprochen –: Der Denkmalschutz liegt mir am Herzen, er liegt – und ich muss ehrlich sagen, seit ich Mit­glied des Bundesrates bin, merke ich das – eigentlich uns allen, fraktionsübergreifend, sehr am Herzen; das zeigt auch die kommunalpolitische oder landespolitische Veran­kerung, aus der wir kommen.

Liebe Frau Bundesministerin, ich spreche etwas an, was ich auch schon im Ausschuss angesprochen habe: In Wien gibt es die Höhenstraße. Es ist uns irgendwann einmal gelungen – ich habe nachgeschaut, es ist über zehn Jahre her –, dass sie als Denkmal genannt wurde. Das ist relativ wichtig, denn wir und Sie kennen Kommunalpolitiker und -politikerinnen – und das ist das, was Kollege Konecny gesagt hat, nämlich dass die 12 Millionen für den Denkmalschutz praktisch nichts sind –, die sagen: Der Bund kann gerne sagen, das ist ein Denkmal, aber wer zahlt, schafft an! Auch wenn der Bund zwar sagt, dass das ein Denkmal ist, schmeiße ich auf das Kopfsteinpflaster Asphalt, weil dieser billiger ist, denn ich zahle, also schaffe ich an! Wenn der Bund anderes möchte, dann soll er das zahlen! – So geht das nicht!

Es geht um ein prinzipielles Verständnis von Denkmalschutz, das wir auch in Richtung Kommunen und Länder kommunizieren müssen. Es muss aber auch eine höhere Do­tierung für den Denkmalschutz vorhanden sein.

Ich ersuche Sie ganz dringend, Frau Bundesministerin – es gibt vieles, ich weiß es, aber diese Höhenstraße ist eines der wenigen denkmalgeschützten Objekte, die man nicht nur anschauen kann, sondern auch mit vier oder zwei Reifen befährt, und das ist schon etwas Seltsames für ein Denkmal: Ein Denkmal wird von Autos befahren.

Dafür braucht man natürlich Richtlinien, oder man muss es irgendwie definieren, und noch gibt es dazu die Chance. Im Augenblick ist die Höhenstraße in einer katastropha­len Situation, und es wird durch die Stadt Wien noch etwas schwieriger, weil diese Straße jetzt auch noch dezentralisiert ist. Das kann sich also keiner mehr leisten, die Bezirke Hernals und Döbling mit Sicherheit nicht; bei den Kosten wäre ihr ganzes Budget nur für diese Straße weg. Es geht aber darum, dass man dieses Bewusstsein schafft. Das war nicht nur eine Arbeitsplatzbeschaffung in der Zwischenkriegszeit, son­dern – und das haben ja Historiker gesagt – es ist das herausragendste Denkmal für den Glauben an die grenzenlose Automobilisation.

Ich habe einmal den Vorschlag gemacht, den Riesen-Parkplatz zu renaturieren. Da ha­ben mich die Historiker fast filetiert (Heiterkeit des Bundesrates Konecny), weil sie gesagt haben: Das ist ein Denkmal, das man verstehen muss. – Ich habe seither viel gelernt und habe das verstanden. (Bundesrat Konecny: Bist auch für den großen Parkplatz!) Nur bitte ich Sie, mit der Stadt Wien in Kontakt zu treten, denn ich finde, hierfür ist es wirklich höchste Zeit.


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Zusammenfassend sei noch einmal gesagt: Der Kulturbericht zeigt die enormen Leis­tungen unseres Landes, er zeigt auch die Leistungen Ihres Ressorts. Einige Dinge, die ich schon angeführt habe, fehlen jedoch. Die soziale Lage der Künstler und Künstlerin­nen – das möchte ich abschließend noch einmal hervorheben – ist gerade 2009/2010 sehr, sehr dramatisch, und ich hoffe sehr, dass die Politik, die Sie in diesem Jahr ma­chen werden, auch auf diesen Aspekt Rücksicht nimmt. – Ich danke. (Beifall bei Bun­desräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

12.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Dr. Schnider. – Bitte.

 


12.42.12

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin ja manchmal – und Sie wahrscheinlich auch – hier in dieser Kammer davon überrascht, welche Dokumente, welche Berichte und andere Papiere in einem Punkt abgehandelt werden. In Vorbereitung auf diesen Punkt war ich sehr damit beschäftigt, mir zu überlegen, was auf der einen Seite die Strategische Jahresplanung mit dem Kulturbericht zu tun hat. Da möchte ich es einfach einmal mit einem Frage­zeichen versehen, ob denn das sinnvoll ist, und möchte das gerade bei diesem Punkt sagen, weil ich auch bei meinen Vorrednern festgestellt habe, dass dies interessante und wichtige Punkte sind, dass wir uns hier wirklich kulturpolitisch auseinandersetzen und nicht im wahrsten Sinne des Wortes Kirschen mit Zwetschken oder Birnen mit Äpfeln irgendwie zusammenmanschen sollten, und jeder von uns äußert eben ein paar Gedanken dazu.

Aber ich denke, es hat die Konstellation von heute auch etwas sehr Aktuelles und Tagespolitisches für sich. Denn wenn man sich die Strategische Jahresplanung 2009 und dazu den Kulturbericht näher anschaut, dann erkennt man klare Schwerpunkte, die in Europa von höchster Wichtigkeit sind. Ich habe es bei meinen Vorrednern heute schon ein Stück herausgehört und erlaube mir – Frau Mühlwerth ist jetzt nicht da –, keine Flashes, sondern einfach ein paar Blitzlichter darauf zu werfen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Erstens wird in der Strategischen Jahresplanung deutlich gemacht, dass es gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten darum geht, darum bemüht zu sein, offene, effiziente und qualitätsvolle Bildungssysteme einzuführen. Was heißt das für uns? – Das heißt für uns, dass, wenn ich Effizienz, Offenheit und Qualität einfordere, Dinge nicht nur mit­einander vernetzt, sondern auch vergleichbar sein müssen. Dann müssen Dinge mit­einander auch transparent korrelieren können. Ich glaube, dass das Bemühen darum gerade jetzt sehr wohl gegeben ist. Wir müssen, glaube ich, insbesondere als Bil­dungs- und Kulturpolitikerinnen und -politiker jetzt sehr darauf achtgeben, dass nicht manche Dinge wie auf einem lockeren Haufen zertrennt werden und nicht mehr zu­sammenbleiben.

Ich bringe ein Beispiel: Es ist schade, dass wir in der derzeit aktuellen Diskussion nicht wirklich darüber reden, wie ein qualitätsvolles Bildungssystem aussieht. Denn es ist, bitte, de facto richtig, dass es in unserem Bildungssystem unterschiedliche Gruppen gibt – ja! – und dass es unterschiedliche Schultypen gibt – ja! Aber es ist de facto auch richtig, dass, wenn man heute über ein Bildungssystem spricht, wir nicht umhinkom­men, auch darüber zu reden, wie es denn mit Zeit und Zeiten ausschaut, wie es mit Zeiten ausschaut, die man sich irgendwo einteilt. Wir kommen nicht umhin, wenn wir ein neues und anderes Bildungssystem wollen, auch darüber nachzudenken, wie wir als Lehrende und als Lernende – ich sage das bewusst –, als Studierende und Profes-


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soren, als Schülerinnen/Schüler und als Lehrer darüber nachdenken, wie wir miteinan­der Zeit verbringen. Das ist das eigentliche Thema!

Jetzt wird jeder fragen: Und was hat das mit der Kultur zu tun? – Ja, sehr viel! Denn der Umgang mit der Zeit, die Frage nach der Zeit, auch nach der Arbeitszeit ist ein we­sentliches Thema, das mit Kultur zu tun hat. Ich glaube, wenn wir heute effizienter wer­den wollen, dann müssen wir auf diesem Thema ein Stück draufbleiben und uns fra­gen, wie wir, auch was unser Bildungssystem betrifft, europaweit nicht nur vernetzter sind, nicht nur Partnerschaften haben, sondern auch miteinander vergleichbarer sind. Da ist, wenn man das europaweit vergleicht, de facto klar, dass hier Arbeitszeiten und Schulzeiten ein Stück anders ausschauen.

Da sage ich immer – ohne irgendjemandem einen Vorwurf zu machen –, es muss uns einfach klar sein, dass wir in einer gewissen begrifflichen Welt leben, in dieser auch sehr stark verhaftet sind und oft leider Gottes alles, was mit Schule zu tun hat, immer nur stark in „Schule, Schule, Schule!“ sehen, mit Noten, mit Zeugnissen und, und, und, und viel zu wenig als eigentliches Kulturerfordernis! Die Frau Bundesminister hat in ihrem Vorwort zum Kulturbericht geschrieben, dass wir nicht nur die Kultur, sondern auch die Schule als Teil der Kultur, als wesentlichen Kulturteil ansehen, als „Lebens­mittel“ ansehen. Wenn wir das für uns innerlich einmal begreifen, dann werden wir mit manchen Themen, die wir meines Erachtens viel zu oberflächlich anschauen, anders umgehen.

Einen zweiten Punkt, der für mich tagesaktuell ganz wichtig ist, möchte ich hier anspre­chen. Wenn ich effizient sein will, wenn ich Qualität haben will, dann muss ich mich auch evaluieren, und dann muss ich mich von außen – nicht von innen, sondern von außen! – evaluieren lassen. Da gibt es gewisse Standards, und ich glaube, dass die PISA-Studie ein geeignetes Instrument ist. Ich habe mich in meinen eigenen pädagogi­schen und religionspädagogischen Arbeiten – vor meiner politischen Zeit, möchte ich dazusagen – selbst lange damit beschäftigt, und ich muss ehrlich sagen: Das ist ein sehr vernünftiger, guter Weg, den man hier geht!

Ich bitte wirklich alle Beteiligten, dies nicht zur Seite zu schieben (Bundesrat Konecny: Und nicht zu boykottieren!), sondern sich zu überlegen, dass eine Effizienz – richtig, eine Effizienz, du sagst es – nur zustande kommen kann, wenn ich bereit bin, mich einer Evaluation auszusetzen. Ich glaube, man trifft hier das falsche Instrument, wenn man an gewissen Dingen Kritik üben will. – Das ist der eine Punkt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Der zweite Punkt ist heute auch schon angesprochen worden. Es wird sehr viel – und darüber bin ich sehr froh – von Benchmarks gesprochen. Wenn man sich diese Strate­gische Jahresplanung genauer anschaut, dann wird auch einiges gesagt, was hier in dem Land auch schon gut läuft. Vorschulbildung – bitte, was haben wir die letzten Male hier besprochen, worüber haben wir lange philosophiert: Was wird von der derzeitigen Regierung gemacht? – Ja, bitte, warum, glauben Sie, gibt es denn eine Milliarde mehr fürs Bildungsbudget? Weil hier doch einige Maßnahmen ganz klar gesetzt werden! Warum ist auch die Vorschulbildung wichtig? – Es ist heute angesprochen worden: wegen der Sprachbildung.

Dann steht in diesem Strategischen Papier ganz interessant drinnen: Die Herausforde­rung ist gerade diesbezüglich für Schulen dort groß, wo sprachliche und kulturelle Un­terschiede groß sind. – Das wissen wir alle, nicht nur die, die in Wien sind, sondern auch wir, die wir in Graz sind: Im urbanen Gebiet ist es so, dass wir dort schon multi­kulti, multireligiös sind. Ich sage jetzt wirklich: Gott sei Dank, ich bin froh darüber!

Ich glaube, es liegt an uns Politikerinnen und Politikern, die nötigen Rahmenbedingun­gen dafür zu schaffen, dass dieses interkulturelle und interreligiöse Leben stattfinden


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kann. Da haben wir noch einige Hausaufgaben zu machen, und ich kann nur darum bitten hinsichtlich dieser Punkte, die ja in einem Strategischen Jahresplanungspapier drinstehen und von denen ich mir denke, dass ich sie ernst nehme, so wie sie da ste­hen, und nicht sage, dass das nur etwas für die Papierhalde ist, dass wir, glaube ich, diesen Weg fortsetzen sollten, nämlich nicht nur 2008 auf Interkulturalität und interkul­turellen Dialog zu setzen – da hat es tolle Veranstaltungen und Projekte gegeben –, sondern das jetzt auch fortzusetzen. Denn mir kommt es manchmal so vor, dass man in einer strategischen Planung einmal ein paar Projekte hat, diese werden abgeschlos­sen und abgearbeitet, werden abgefeiert und abzelebriert, dann sind wir damit fertig und machen das nächste. Ich glaube, die Dinge müssen sukzessiv weiter fortgesetzt werden.

Wenn wir uns das zum Beispiel als einen Punkt anschauen, dann werden wir drauf­kommen, dass aufgrund der Interkulturalität und der Interreligiosität – wenn ich das jetzt auch als Theologe so sagen darf – ein Schulsystem von morgen anders als ein Schulsystem von heute ausschauen muss. Denn wenn unterschiedliche Gruppen aus unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen Sprachgruppen zusammen lernen, dann können sie nur zusammen lernen, wenn auch ihr Tag, ihr Schulalltag anders aus­sieht! (Bundesrat Schennach: So ist es!)

Das Schulsystem, das wir heute haben, beruht auf anderen Annahmen, die für damals großartig waren, die großartige Errungenschaften waren. Deshalb bitte ich alle in die­sem Land, dass wir uns auf eine Diskussion einlassen, die die wesentlichen Punkte aufgreift, nämlich genau die Punkte, um die es uns als Pädagoginnen und Pädagogen, als – mit P fängt auch die Politik an – Politikerinnen und Politikern gehen muss.

Ich kann nur an alle appellieren – und deshalb freue ich mich darüber, dass einige Stu­dierende, Schülerinnen und Schüler hier sind –, ich möchte wirklich gerade in diese Richtung appellieren und sagen: Setzen wir uns mit diesen Punkten auseinander, die fürs Erste oft sehr sperrig wirken, die aber, glaube ich, ein Stück tiefer liegen und die – da komme ich wieder auf den Kulturbericht zurück – vielfach in unseren musealen Umfeldern zur Schau gestellt werden. Das ist gut und schön, denn das ist wesentliches Know-how von Ländern und einer Nation, das sie in solchen Museen darstellt.

Ich denke auch an das, was diese Regierung bei der Ressortaufteilung gemacht hat, darüber bin ich sehr froh. Das habe ich hier schon öfter gesagt, aber manche Botschaf­ten soll man drei, vier, zehn oder hundert Mal wiederholen, deshalb sage ich es noch einmal. Ich bin sehr froh darüber, dass dieses Ministerium „Unterricht, Kunst und Kul­tur“ heißt und dass es dazwischen keine Trennung gibt! Das hat jetzt überhaupt nichts mit Fraktionen, mit Parteiform und Personen zu tun, sondern es hat für mich damit zu tun, dass es eine Grundentscheidung ist, ob ich als Politiker sage: Unterricht, Bildung hat etwas mit Kunst und Kultur zu tun.

Denken wir zum Beispiel an manche Aktivitäten im Rahmen des Theaters. Das hat auch viel damit zu tun, das findet Eingang in die Schule, aber nicht so, dass man sagt, ein Lehrer soll jetzt auch noch ein bisschen Theater spielen – Entschuldigung, das sage ich jetzt sehr locker –, sondern so, dass Theaterschaffende – wir haben gerade vorhin etwas von Regie gehört – Eingang in die Schule finden. Das halte ich für das Spannende, oder dass Lehrerinnen und Lehrer eine Zusatzausbildung bekommen. Ich kenne einige Lehrer, die selbst viele Jahre im Theater tätig gewesen sind. Das halte ich für eine großartige Geschichte.

Ich glaube, man könnte es, was die Museumsgestaltung betrifft, auch noch verstärken, genau in dieser vernetzten Art. Kollege Schennach, du hast es angesprochen, und auch mir ist das abgegangen, dass man so etwas wie die „Nacht der Museen“ aus­spart, was ja wesentlich zur Schau stellt, dass nur eine Vernetzung einen Sinn hat. Ich


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höre von vielen jungen Freundinnen und Freunden, dass sie gerade das interessiert hat, sich die Museen wirklich einmal hintereinander ein Stück näher anzuschauen und zu schauen: Was gibt es dort, wo kann ich vom Museum auch ein Stück riechen und fühlen? – Da ist dieses MUMOK eine großartige Geschichte.

Aber gerade was die Museumspädagogik betrifft, könnten wir in Österreich, glaube ich, noch ein bisschen mutiger sein. Ich nenne nur ein Museum, das ich mir letzte Woche angesehen habe: das Jüdische Museum in Berlin. Großartig, wirklich großartig! Das ist es sicherlich auch deshalb – Stefan hat das angesprochen, und ich möchte es nur un­terstützen –, weil dort etwas geschafft worden ist, was hier im MUMOK auch passiert: Privates und Staatliches arbeitet in einer wunderbaren Weise zusammen.

Deshalb bitte ich alle – ich glaube, das gilt es noch ein Stück mehr zu fördern –, auch Folgendes zu fragen: Wie treiben wir das von den Rahmenbedingungen her, ob es steuerlich oder wie auch immer ist, ein Stück in die Richtung, dass es einen Anreiz schafft? – Denn das, was Stefan Schennach angesprochen hat, habe ich erst gestern von einem Banker gehört. Er hat gesagt, es ist nicht so, dass sie das Geld nicht haben, sondern sie können das zurzeit nicht unterstützen, weil es für sie einen Negativimage-Schaden bedeuten würde. Warum? – Weil es sonst heißt: Unser Geld habt ihr nicht, aber ein Geld, das ihr da überall hineinsteckt, habt ihr!

Jetzt gibt es aber eine Lösung, und diese besteht für mich im Thema der Stiftungen. Ich halte das für eine tolle Geschichte, weil eine Stiftung eine längere Bindung eines Wirtschaftsbetriebes an ein Kultur- oder Kunstprojekt ist. Gerade das MUMOK besteht ja zum Großteil aus solchen Stiftungen mit Kuratorien, und diese haben dadurch auch eine höchstmögliche Unabhängigkeit von ihren Geldgebern.

Das sieht man in diesem Bericht ganz wunderbar, wenn man sich die Eigentümer und die Kuratorien anschaut. Es ist selten der Fall – beim einen oder anderen, ich könnte sie jetzt auch namentlich nennen –, dass da einer sitzt, der Geschäftsführer und gleich­zeitig auch in seinem eigenen Kuratorium ist; das mag an der Geschichte und auch an der Sammlung an sich liegen. Aber an und für sich halte ich es für wichtig, das zu tren­nen, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun haben soll, da sonst das eine das andere beeinflusst. Deshalb kann das MUMOK, glaube ich, auch mit Recht sagen: 18 Prozent mehr Besucher.

Auch die Lösung beim Belvedere – Unteres/Oberes Belvedere, die spannenden, auch sehr modern orientierten Ausstellungen im Unteren Belvedere und die gut zusammen­gehaltene Sammlung im Oberen Belvedere, auch mit den eigenen Nischenausstellun­gen aus der Großsammlung – ist eine großartige Lösung. Ich glaube, auf diesem Weg müssen wir weitergehen.

Schließlich und endlich – und das gerade vor unserer europäischen Wahl – müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern klarmachen, dass bis in die Kunst und Kultur hinein das Geld, das wir in Europa investieren, auch zum guten Teil – und sogar noch mehr – zurückfließt. Wenn wir uns anschauen, was in die unterschiedlichen Projekte investiert worden ist, Europa für Bürgerinnen und Bürger, dass quasi bis zu 196 Prozent dessen, was wir dort an Budget einsetzen, wieder an Projekten zurückkommt, dann sehe ich hier auch – wenngleich ich bei Kunst und Kultur ungern mit Zahlenspielereien und Quantitäten vorgehe, da stimme ich Stefan zu, dem kann ich viel abgewinnen –, wir sollten schon manchen Bürgerinnen und Bürgern klarmachen, dass das Geld, das wir dort investieren, oft doppelt oder manchmal eben zu 77 Prozent – da gibt es in einem anderen Zusammenhang auch so eine Zahl – wieder zurückkommt und genau unse­rem Kulturgut zugute kommt, nämlich den Anliegen, die ich am Anfang genannt habe: Kultur hat etwas mit Bildung und Schule zu tun, und Kultur hat etwas mit Interkulturali­tät und Interreligiosität zu tun.


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Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg. Aber ich bitte, dass wir diese Themen gerade heute in dieser tagespolitischen Diskussion stärker aufgreifen und über manche Dinge zuerst nachdenken, bevor wir sie ganz locker über unsere Lippen hinausschie­ßen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


12.58.18

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Zunächst möchte ich mich für mein Zuspätkommen entschuldigen; ich war im Kulturausschuss, also im Par­lament, beim Souverän. – Ich möchte zu den beiden Themen Stellung nehmen und freue mich sehr über die wertschätzende Aufnahme des Kulturberichts auf der einen Seite, aber vor allem auch über die engagierte Diskussion zum Bildungsthema.

Der Kulturbericht 2007 – wenn ich ihn nur ganz kurz streifen darf – unterscheidet sich ein bisschen von den Vorgängerberichten. Wir haben versucht, im Layout etwas zu verbessern, und es hat sich auch inhaltlich etwas verbessert. Aber ich darf hier und an dieser Stelle dazusagen, wir arbeiten weiter an der Qualität. Es ist da und dort, und zwar auch redaktionell, durchaus noch einiges verbesserbar und gestaltbar.

Herr Bundesrat Schennach, ich nehme auch sehr gerne Ihre Anregung zum Stichwort „Lange Nacht der Museen“ auf. Das ist einfach, glaube ich, ein gemeinsamer Entwick­lungsprozess. Letztlich soll der Kulturbericht ein Leistungsbericht sein, er soll aber auch gut Auskunft darüber geben, was in diesen Bereichen passiert – ich bin Ihnen dankbar für den Hinweis, weil wir das vorhin auch im Kulturausschuss diskutiert ha­ben –, dass es uns bei all den auch aus meiner Sicht erfreulichen Entwicklungen ge­lungen ist, Stipendienprogramme auszubauen, oder dass wir im Bereich der zeitgenös­sischen Kunst und Kultur doch Akzente setzen konnten.

Wir müssen einfach auch die Balance oder eben die Nicht-Balance sehen, die im Bun­des-Kunst- und Kulturbudget – ich darf das jetzt erweitern – gegeben ist, was auf der einen Seite traditionelle Kunst- und Kultureinrichtungen und auf der anderen Seite das zeitgenössische Kunstschaffen betrifft, das wieder unmittelbar – Sie haben es ange­sprochen – mit dem Einkommen von Künstlern und Künstlerinnen, auch mit ihrer sozia­len Situation und mit ihrer Lebenssituation im Zusammenhang steht.

Bei der Gewichtung, die da ist, werden wir eine Balance so schnell nicht schaffen. Sie kennen die Größenordnungen: Bundesmuseen, Bundestheater, Österreichische Natio­nalbibliothek – ganz, ganz wichtige Einrichtungen. Ich kann hier und jetzt schon sagen, ohne dass wir heute schon über Budgetzahlen sprechen: Wir werden auch gefordert sein, uns im Bereich der etablierten Häuser auch finanziell weiter anzustrengen. Denn eines ist ganz klar – das kann ich jetzt, nach eingehender Analyse der Bilanzen, der Gewinn- und Verlustrechnungen der ausgegliederten Institutionen sagen –: die Rück­lagen sind weitgehend aufgebraucht.

Wir haben auch in diesen Institutionen sehr, sehr hohe Personalausgaben, Personal­tangenten. Und natürlich brauchen wir auch eine entsprechende finanzielle Ausstat­tung, um auch das Bestehende weiter in die Zukunft zu führen.

Mein großes Interesse – und da freue ich mich, Herr Abgeordneter Schnider, dass Sie das auch ähnlich leidenschaftlich und emotional sehen wie ich – gilt der Verbindung aus Kunst, Kultur, Bildung und Unterricht. Was uns, glaube ich, gemeinsam noch bes­ser gelingen kann, ist der Bereich der Kunstvermittlung, nämlich das Zusammenbrin-


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gen der – vor allem – Österreicherinnen und Österreicher mit den Schätzen der Ver­gangenheit.

Ich glaube, dass wir gerade im Bereich der Kunst- und Kulturvermittlung sehr, sehr viel tun können, um zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern Arbeitsbedingungen, Chancen, Aufträge und damit auch wieder Einkommen und Lebensgrundlage zu er­möglichen.

Ich darf an dieser Stelle, da ich dort vor kurzem war, die Jubiläumsfeier des Techni­schen Museums erwähnen, wo gleichzeitig junge Künstlerinnen und Künstler beauf­tragt wurden, zur Geschichte des Hauses, des Technischen Museums mit ihren Instal­lationen, Projekten und Arbeiten Stellung zu beziehen. Das sind für mich ideale Wege.

Oder wenn ich an die Salzburger Festspiele denke, nämlich an das Young Directors Project oder an das Young Singers Project, wo es um den Sängernachwuchs geht, so können wir, glaube ich, eine Themenstellung, die ich oft sehr intensiv mit Herrn Ab­geordnetem Zinggl führe, ein bisschen auflösen – nämlich von einem Entweder-oder, Traditionelles und Etabliertes versus Zeitgenössisches –, und das durchaus auch viel stärker zusammen mit Zeitgenössischem und Bewährtem sehen.

Dann kommt das dritte Element dazu, nämlich die Schule – das sind die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler. Wenn es uns gelingt, diesen Brückenschlag noch viel, viel intensiver erlebbar und darstellbar zu machen – vielleicht ein bisschen anders, als ich es erleben durfte, als ich mit einer engagierten Deutschprofessorin beim Elternabend „Die schlimmen Buben in der Schule“ aufführen durfte –, nämlich dass wirklich Dramaturgen, Schauspieler, Tänzer und Regisseure an die Schulen kommen und mit den Lehrern, mit den Schülerinnen und Schülern intensiv arbeiten, dann tut das, glaube ich, Künstlerinnen und Künstlern gut. Es tut aber auch der Schule, dem Arbeitsraum und dem Lebensraum Schule gut, wenn auch andere Berufsgruppen an die Schule kommen und dort gemeinsam an Projekten arbeiten.

Herr Bundesrat Kühnel hat auch das Beispiel Kulturhauptstadt Linz erwähnt. Was jetzt in Linz realisiert wird, ist für mich nahezu ein Idealbeispiel, nämlich „I like to move it move it“: 2 000 Schülerinnen und Schüler in Oberösterreich arbeiten jetzt mit Drama­turgen und Tänzern und realisieren die Projekte. Es gibt eine Kooperation mit der Schule in Istanbul sowie eine Kooperation mit der österreichischen Schule in Guate­mala. Das ist lebendig, damit ist auch positive Energie verbunden!

Zu Ihrer Frage, Herr Bundesrat Schennach, Stichwort: Bundesmuseen, wie geht es hier weiter? – Wir haben den Reformdialog gestartet. Was mir besonders wichtig ist – das eignet sich nicht für Presseaussendungen beziehungsweise große An- oder Ver­kündigungen –, ist die Zusammenarbeit der Museen sowie der Direktorinnen und Di­rektoren untereinander. Auch das hat etwas mit Kultur zu tun! Das kann man nicht wirklich verordnen oder anordnen. Man kann aber, ähnlich wie Sie es geschildert ha­ben, versuchen, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass dieser Dialog möglich wird.

Ich bin sehr froh und glaube, dass uns da schon ein Stück gelungen ist, nämlich durch regelmäßige Konferenzen der Museumsdirektoren – es finden parallel dazu auch re­gelmäßige Konferenzen der kaufmännischen Leiter der Museen statt –, sodass in die­sem Bereich ein Sich-Annähern und ein Sich-Abstimmen wahrgenommen wird. Es wird zunehmend die Kooperation gelebt, man richtet sich die Dinge nicht über die Medien aus und gerät nicht in ein Konkurrenzverhalten oder in eine Quotenjagd. Das halte ich für ganz wichtig.

Ich möchte die Direktorinnen und Direktoren – das sage ich ihnen immer wieder auch persönlich – nicht nur in ihrer Verantwortung als Geschäftsführer, als Leitung eines be-


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stimmten Museums oder einer Museengruppe fordern, sondern sie sind für mich auch Teil der Bundesmuseen insgesamt. Deshalb sind sie für mich auch gefordert, sich bei der Gesamtstrategie der Museumspolitik aktiv mit einzubringen und in diesem Sinn vielleicht da oder dort die Betrachtung auf das einzelne Haus zu überwinden und das Gesamte mitzudenken.

Das braucht ein Stück. Nach meiner Einschätzung sind wir da auf einem guten Weg. Ich habe mir vorgenommen, dass wir bis zum Sommer sowohl das Kapitel Museums­ordnungen als auch die darauf aufbauenden Rahmenzielvereinbarungen entsprechend abschließen und dass sie dann auch mit Leben erfüllt werden.

Beim Denkmalschutz möchte ich Sie auf einen Punkt noch gerne hinweisen, weil ich weiß, dass es auch Ihnen ein großes Anliegen ist. Es ist zwar nicht so viel, aber immer­hin doch: Wir konnten die Förderung im Jahr 2007 erhöhen, nämlich von 12,42 Millio­nen € auf etwa 14,7 Millionen €.

Ich freue mich sehr, dass wir mit der neuen Präsidentin, Dr. Barbara Neubauer, eine sehr engagierte Frau an der Spitze haben und jetzt gemeinsam daran arbeiten, den Auftritt des Bundesdenkmalamtes, die Haltung und die Orientierung ein Stück weiter zu entwickeln. Denn irgendwann sollte es uns gelingen, stolz zu sein sowie zu erreichen, dass sich die Menschen nicht zu sehr fürchten, wenn ihr Eigentum unter Denkmal­schutz gestellt wird, sondern das auch positiv konnotiert wird. Da müssten wir aber – das ist ein Budgetthema – ganz sicher auch monetär einiges in die Wege leiten, um das umsetzbar zu machen; wahrscheinlich wären hier auch steuerliche Maßnahmen sehr, sehr zielführend.

Abschließend möchte ich noch ein paar Punkte zum Bereich Kunstvermittlung sagen, weil mir dieser Aspekt besonders wichtig ist. Wir haben hier spezielle Vermittlungspro­gramme eingerichtet, und zwar mit dem Schwerpunkt vor allem im Filmbereich. Ich glaube, dass es nicht nur darum geht – das ist vielleicht wieder ein kulturpolitisches Thema, das wir auch gemeinsam diskutieren sollten –, die Produktion zu fördern, wenn ich es in der Industriesprache ausdrücken darf, sondern entlang der Wertschöp­fungskette auch die Vermittlung beachten.

Wenn ich in Ihrem Kreis einen Wunsch äußern darf: Ich werde mich auch auf Regie­rungsebene dafür einsetzen, aber Sie werden in dieser Frage dann ganz zentral und wichtig sein; ich nenne jetzt das Stichwort ORF/neues ORF-Gesetz. Es erscheint mir ganz wichtig und wesentlich, gerade wenn ich an die Filmförderung denke, an das Film/Fernsehabkommen mit dem ORF, dass wir diese Elemente auch gesetzlich bei einer Novellierung des ORF-Gesetzes entsprechend absichern. Das sage ich jetzt vor allem als Kunst- und Kulturministerin. Denn eines fällt mir in dieser Debatte auf: Wenn es um Strukturreformen, um Einsparungen geht, sind Kunst- und Kulturbereiche sehr rasch relativ oben auf der Agenda, Stichwort: Aufträge an die österreichische Filmwirt­schaft, oder ich erwähne jetzt das Orchester. Wenn es dann um die Umsetzung geht, werden diese Dinge sehr rasch in Frage gestellt, wenn es aber um das Argumentieren einer Gebührenerhöhung geht, sind diese Themen wieder sehr oben auf der Agenda.

Ich halte es für wichtig, das doch auch rechtlich zu fixieren. Denn eines kann ich hier sagen – und Sie kennen mein Kunst- und Kulturbudget, jedenfalls das für 2008 –: Ich kann nicht auffangen, was der ORF aufgrund von Einsparungen unter Umständen ab­bauen muss.

Zum Schluss möchte ich die Gelegenheit auch dazu nutzen, mich bei meinen Mitarbei­tern und Mitarbeiterinnen, aber auch bei Ihnen sehr, sehr herzlich für die gute Zusam­menarbeit im Kontext Kunst und Kultur zu bedanken.


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Jetzt möchte ich noch ein paar Sätze zu den Strategischen Jahresplanungen und zur EU-Ebene sagen.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich jeden Termin, den ich im Rahmen der Europäischen Union wahrnehmen kann, sehr schätze. Es gilt in beiden Bereichen, im Bildungs- wie auch im Kunst- und Kulturbereich, die Methode der offenen Koordinierung; das heißt, wir sehen Beispiele, wie andere Länder mit Themenstellungen umgehen. Das ist groß­artig. Es heißt nicht, dass etwas, was in Frankreich ein Erfolg ist, auch in Österreich unbedingt ein Erfolg sein muss, aber man sieht, wie andere Länder mit anderen Struk­turen umgehen.

Zum Bildungsbereich: Wenn die Zielsetzungen auf europäischer Ebene darin be­stehen, lebenslanges Lernen und Mobilität zu ermöglichen; wenn das Ziel lautet: Qua­lität – aber bitte auch Effizienz – der Bildungssysteme erhöhen, wenn die Themenstel­lung lautet: Chancengerechtigkeit, sozialen Zusammenhalt und aktive Bürgerschaft stärken, und wenn das vierte Ziel lautet: Kreativität, Innovation und Unternehmergeist auf allen Ebenen stärken, dann sieht man, auf welchen Grundlagen die Diskussionen da wahrgenommen werden.

Ich möchte Ihnen die Berichte sehr empfehlen, wie auch die Studien, sowohl die der Europäischen Union als auch die der OECD. Es sind gerade auch Vertreter der OECD hier, die einen Detailbericht über das österreichische Bildungssystem verfassen. Diese internationalen Bewertungen, diese internationalen Studien sind ganz entscheidend und wichtig, um auch unsere Zukunft in diesem Bereich gut zu gestalten und hoffent­lich das eine oder andere doch massivere Hindernis zu überwinden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und für die Aufnahme in Ihrem Kreis! (Allgemeiner Beifall.)

13.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Kulturbericht 2007 der Bundesminis­terin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über die strategische Jahresplanung 2009 des Bun­desministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der französi­schen, tschechischen und schwedischen Präsidentschaften.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.14.118. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2007) (III-360-BR/2009 d.B. sowie 8098/BR d.B.)

 



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Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl. Ich bitte um den Bericht.

 


13.14.16

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, kurz Sicherheitsbericht 2007.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 2009 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, kurz Sicherheitsbericht 2007, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


13.15.11

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einleitend möchte ich mich bei den Exe­kutivbeamten bedanken, die diese hohe Anzahl an Straftaten bearbeitet haben. Be­denkt man, dass noch Hunderttausende Verwaltungsakte nach dem Verwaltungsstraf­recht hinzukommen, so ist das eine beachtliche Leistung unserer Exekutive.

Der Sicherheitsbericht 2007, der sicher nicht so schlecht ist, wie der für 2008 sein wird, ist trotzdem eine Schönfärberei. Tatsache ist auch, dass immer weniger Polizisten der immer größeren Zahl von Kriminellen einfach nicht mehr Herr werden. Das Innenminis­terium versucht sich mit einer angeblich sinkenden Kriminalstatistik zu brüsten; ver­schiedene Zeitungen haben aber aufgezeigt, mit welchen Tricks an den Zahlen der Kri­minalstatistik herumgefeilt wird.

Ich fordere daher angesichts der bereits 2007 festgestellten Zahlen, das Sicherheits­defizit durch sofortige Aufstockung der Polizei hintanzuhalten. Dazu darf ich Ihnen einige Zahlen aufzeigen. Die Aufklärungsquote allgemein beträgt in Niederösterreich 42,4 Prozent, in Wien 28,8 Prozent und im Burgenland 52,5 Prozent. Nur an diesem Beispiel ist schon erkennbar, wie es im gesamten Bundesgebiet und insbesondere in den Ballungsgebieten aussieht. Je mehr Zeit und Personal fehlt, desto weniger Aufklä­rung erfolgt – geschweige denn, dass präventive Handlungen gesetzt werden können.

Das Burgenland hat mit seiner geringen Einwohnerzahl eine Aufklärungsquote von 52,5 Prozent. Am schlechtesten ist die Situation in Wien mit nur 28,8 Prozent Aufklä­rung.

Zur Überalterung der Polizeibeamten: Nur in Schwechat beträgt der Altersdurchschnitt 56 Jahre. Die Überlastung der Arbeitsbereiche und Arbeitsmethoden von Polizisten führt zu einem Sinken der Aufklärungsquote sowie zum Einsetzen von Polizeibeamten für unterschiedliche verwaltungstechnische Arbeiten.

Auffallend im Sicherheitsbericht ist, dass mehr Jugendliche gewalttätige Verbrechen gegen Leib und Leben begehen, wobei immer öfter ältere Straftäter – in Anführungs­zeichen – „nur“ Vergehen gegen Leib und Leben begehen. Den älteren Straftätern dürften die Folgen bei Straftaten gegen Leib und Leben besser bekannt sein.


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Insgesamt auffallend ist auch die stetig ansteigende Zahl von Gewaltdelikten gegen Leib und Leben. Ebenso auffallend ist, dass gegen fremdes Vermögen die Straftaten, die durch jugendliche Täter begangen werden, stark im Steigen sind. Ohne Personal und Ausrüstung kann der Kampf gegen die Kriminalität nicht gewonnen werden.

Mit der Polizeireform, vor der die Polizei immer gewarnt hat, wurde das Gendarmerie­system über das Polizeisystem gestülpt. Enderfolg: steigende Kriminalität und sinken­de Aufklärung. Den Gaunern ist bekannt geworden, dass die Verfolgung durch die Poli­zei für die Polizei selbst zu einem Problem geworden ist – und die Gauner nützen die­se Probleme zu 100 Prozent aus.

Ebenso führt der durch die Reform 2005 notwendige Verwaltungsaufwand zu einer Be­hinderung des gesamten Sicherheitssystems. Dass wir heute mit der geringsten Auf­klärungsrate seit zehn Jahren zu kämpfen haben, liegt nicht zuletzt am permanenten Abbau von Planstellen und Überstunden bei der Exekutive, der ein desaströses Ergeb­nis mit sich bringt.

Natürlich liegt die Schuld an diesem Zustand nicht im alleinigen Verantwortungsbereich des Innenministeriums. Auch das Justizministerium muss hier in die Pflicht genommen werden. Verfolgungshandlungen, die aus finanziellen Gründen nicht gesetzt werden, führen zu einem für den Verbrecher nicht ernst zu nehmenden Instrument der Strafver­folgung.

Ich darf Ihnen hiezu ein Beispiel nennen – den Unterschied zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht:

Ich parke mein Auto beispielsweise in einem Halteverbot und kann Ihnen tausend Gründe nennen, warum ich das absichtlich mache. Werde ich dabei betreten, bezahle ich die 21 € Mindeststrafe. Wenn ich nicht bezahlen kann, wird diese Strafe exekutiert. Läuft auch die Exekution ins Leere, weil von mir keine finanziellen Mittel pfändbar sind, sitze ich 72 Stunden lang eine Verwaltungsstrafe ab. Das passiert nach dem Verwal­tungsstrafrecht.

Auf der anderen Seite die Vorgangsweise nach dem Strafrecht: Keinen Grund kann ich Ihnen nennen, warum ich eine vorsätzliche Übertretung nach dem Strafrecht begehe. Als Beispiel: Ich fahre mit meinem Auto mit Anhänger nachts in eine Schottergrube, entwende dort zwei Kubikmeter Rollschotter und werde beim Abtransport durch die Polizei betreten. Von der Polizei wird weiters festgestellt, dass mein Anhänger über­laden ist. Für die Verwaltungsübertretung Überladen des Anhängers bekomme ich eine unbedingte Strafe. Für den Diebstahl von Rollschotter bekomme ich – falls über­haupt! – eine Eintragung in das Strafregister, muss aber nicht einmal die Kosten des Strafverfahrens bei Gericht bezahlen.

Genau diesen Unterschied kennen unsere fremden Freunde und Asylwerber und nüt­zen das auch aus. Lieber einen Diebstahl begehen als einmal falsch parken! Da be­kommt man keine Strafe, noch dazu, wenn man ein Nichtösterreicher ist. Was bringt eine Eintragung ins Strafregister für einen Fremden? Präventiv nichts.

Eine Strafverfolgung ins Ausland wird wegen Geringfügigkeit auf jeden Fall eingestellt. Nicht so bei Verwaltungsstrafen. Diese werden erst jetzt auf 70 € Mindeststrafe erhöht, damit eine Verfolgung ins Ausland möglich ist und sich auch rechnet. Damit wird aber auch der Inländer höher bestraft.

Daher fordere ich: Wie es bei Verwaltungsstrafen eine Mindeststrafe gibt, muss es auch im gerichtlichen Strafverfahren eine Mindeststrafe geben. Eine Mindeststrafe von 500 € für jedes begangene gerichtlich strafbare Vorsatzdelikt muss eingeführt werden. Diese Mindeststrafe muss dann im Inland ... (Ruf bei der ÖVP: Alle einsperren!) – Nach dem Verwaltungsrecht werden sie auch alle eingesperrt! – Diese Mindeststrafe muss


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dann im Inland genauso exekutiert werden, wie es im Verwaltungsrecht jetzt schon durchgeführt wird.

Mit einer derartigen Mindeststrafe für jedes Vorsatzdelikt werden die Diebstähle radikal zurückgehen. Es wird einen radikalen Rückgang bei Ladendiebstählen, Schotterdieb­stählen, gewöhnlichen Diebstählen nach sich ziehen. Die Verfolgung dieser Delikte muss daher rigoros sein, genauso wie im Verwaltungsrecht.

Der Sicherheitsbericht 2007 zeigt auch auf, dass Umweltdelikte im unteren Bereich lie­gen. Das hängt damit zusammen, dass es fast kein Personal zur Verfolgung von Um­weltdelikten gibt. Ebenso gibt es zur Bekämpfung der Schlepperei fast kein Personal. Medial wird alles groß angekündigt, tatsächlich gibt es zur Bekämpfung dieser Delikte kein Personal.

Für eine nicht erstattete Anzeige gibt es auch keine Eintragung in der Kriminalstatistik. Hier sei nur ein Beispiel angeführt: die Bekämpfung von Ladendiebstählen. Bei der Bekämpfung des Ladendiebstahles gibt es die höchste Aufklärungsquote überhaupt, nämlich 78,1 Prozent. Das hängt aber damit zusammen, dass die Kaufhausketten und Supermärkte Privatdetektive zur Bekämpfung des Ladendiebstahles einsetzen. Die Be­tretung erfolgt daher durch einen Detektiv, der dann die Anzeige erstattet. Deswegen ergibt sich die hohe Aufklärungsquote. Das zeigt aber wieder: Bei Einsetzung von ge­nügend Personal kann auch effizient gegen Straftäter vorgegangen werden.

Der Sicherheitsbericht zeigt auch eindeutig, dass bei geringen Übertretungen, bei klei­nen vorsätzlich begangenen strafbaren Handlungen die Aufklärungsquote höher ist als bei schwereren Tatbeständen. Das bedeutet, dass bei kleineren Delikten der Arbeits­aufwand der Polizei geringer ist und leichter bewältigt werden kann als bei schweren Delikten. Bei schweren Delikten setzt die Verfolgungshandlung umfangreiche Erhebun­gen voraus, die sich über Jahre ziehen können. Dafür fehlen den uniformierten Polizis­ten einfach die Zeit und das Personal. Der Kriminalbeamtenapparat wurde durch die Polizeireform 2005 abgeschafft und besteht nur mehr in Teilbereichen. (Bundesrat Kainz: Wo hast du denn das her?) Ein vernichteter Apparat wird auch keine Erfolge bringen.

An dieser Stelle darf ich der ÖVP zu ihrem EU-Spitzenkandidaten Ernst Strasser gratu­lieren. Ich frage mich: Was wollt ihr in der EU ruinieren?, weil ihr diesen Mann als Spit­zenkandidaten genommen habt. Vermutlich wird damit das Versprechen: Du, lieber Ernst, machst die Polizeireform, trittst dann zurück, und wir setzen dich später als EU-Spitzenkandidaten ein!, eingelöst. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die ÖVP hat damit sicher richtig gehandelt, denn einen Innenminister, der sich nach der Umsetzung dieser Polizeireform lange im Sattel halten wird, wird es auch in Zu­kunft nicht geben.

Ein weiteres Beispiel darf ich Ihnen anführen – das ist erst vor Kurzem, dieser Tage geschehen –: Ein 21-jähriger Straftäter, der im Mai 2008 eine Körperverletzung und Sachbeschädigung begangen hat und dann im Verlaufe der Amtshandlung eine Poli­zistin gewürgt hat und damit den Tatbestand der schweren Körperverletzung und des Widerstands gegen die Staatsgewalt gesetzt hat, wird seitens des zuständigen Staats­anwalts das völlig unverständliche Angebot gemacht, sich im Zuge der Diversion von weiteren Verfahren freizukaufen. Besonders unfassbar ist dabei das Angebot der Staatsanwaltschaft, dass mit der Bezahlung eines Geldbetrages von lediglich 100 € an alle beteiligten geschädigten Personen ein weiteres Strafverfahren unterbleiben wird.

Offenbar ist nunmehr in ÖVP-Kreisen angesagt, die Wiener Polizei nicht nur generell durch entbehrliche Aussagen von unserer Innenministerin Fekter zu verunglimpfen,


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sondern auch die ohnedies mühevolle Arbeit der Polizistinnen und Polizisten mit frag­würdigen und absolut entbehrlichen Entscheidungen durch die Justiz zu untergraben.

Im Zuge einer Besprechung hat Frau Innenministerin Fekter ersucht, dass jene Polizis­ten, die als Abgeordnete im Hohen Haus sitzen, das Innenministerium nicht madig ma­chen sollen. (Bundesministerin Dr. Fekter: Ja!)

Dazu kann ich nur sagen: Wir Polizisten machen das Innenministerium nicht madig. (Bundesrat Dr. Kühnel: Aufklärungsquote, Herr Kollege!) Aber durch Aussagen unse­rer Chefin über die Wiener Polizei wird ein ganzes Polizeikorps in Aufruhr versetzt.

Einige auffallende Punkte im Sicherheitsbericht habe ich schon angeführt. Weiters ist ersichtlich, dass der Anstieg der weiblichen Straftäter erschreckend stark ist, ebenso der Anstieg der jugendlichen Straftäter.

Im Sicherheitsbericht nicht ausgewiesen sind unmündige Straftäter; das sind junge Leute unter 14 Jahren. Aus den Medien ist bekannt, dass auch diese Zahl erschre­ckend hoch ist. Die Verarmung in Österreich schreitet immer weiter voran. Die leidtra­genden Eltern können ihren Kindern nichts mehr bieten, und diese gleiten daher in die Kriminalität ab.

Auch wenn der Sicherheitsbericht noch so geschönt ist, kann herausgelesen werden, dass es bei Einbruch in Einfamilienhäuser eine Steigerung um 18,3 Prozent gibt, bei Einbruch in Geldinstitute um 16,9 Prozent, bei Einbruch in Vereinshäuser um 15,6 Pro­zent und bei Raub eine Veränderung in Prozenten, die gigantisch ist: bei Raub in Trafi­ken um 67,1 Prozent, bei Raub in geschlossenen Räumen um 43,9 Prozent, bei Raub auf Geld- und Werttransporte um 36,2 Prozent. – Und das ist erst der Bericht aus 2007! (Bundesrat Kainz: Gibt es da effektive Zahlen auch?) – Brauchst nur nachzule­sen! Im Sicherheitsbericht stehen die gleich am Anfang.

Aus dieser Statistik kann eindeutig herausgelesen werden, dass es in weniger dicht be­siedelten Gebieten eine höhere Aufklärung gibt. Nicht herausgelesen habe ich, dass bei weniger Delikten die Aufklärungsquote steigt. Genau das Gegenteil ist der Fall: Je weniger Delikte anfallen, umso schlechter ist die Aufklärung. Genau das Gegenteil müsste aber der Fall sein. In Deutschland, in Hessen, gibt die Polizei voller Stolz be­kannt, dass die Straftaten zurückgegangen sind und dadurch die Polizei mehr Zeit zur Bearbeitung der Straffälle hat und daher auch die Aufklärung steigt. In Österreich ist das genau umgekehrt.

Aber nicht die Aufklärung soll das Um und Auf der Kriminalitätsbekämpfung sein. Es soll die Prävention sein. Jede verhinderte Straftat hebt das Sicherheitsgefühl der Be­völkerung. Nur ein rigoroses Aufklären der Bevölkerung und ein rigoroses Verfolgen von Straftätern führen zu einem Sinken der strafbaren Handlungen.

Justizanstalten, wie es sie in Leoben gibt, führen zu keiner Abschreckung von Straf­taten. Hier tritt ebenfalls genau das Gegenteil ein: Straftäter werden durch solche Luxusanstalten angezogen, geht es doch den Fremden in Haft besser als zuhause in Freiheit. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Es muss über ein Modell zur Verbüßung der Strafen im Heimatland nachgedacht wer­den. Versuche gab es bereits, doch sind diese Modelle gescheitert. Die Überfremdung in Österreich führt auch zu den enorm hohen Straftaten im Bundesgebiet. (Vizepräsi­dent Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ein Asylwerber oder ein Fremder mit Aufenthaltsberechtigung muss seinen Status ver­lieren, wenn dieser sich nicht an unsere Gesetze hält. Asyl ja für wirklich Verfolgte, nein für Wirtschaftsflüchtlinge.


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Subsidiäre Unterstützung soll nur für unsere Bürger sein. Ebenso soll unser Sozialsys­tem nur für unsere Bürger sein. Jeder Nicht-Österreicher hat die Möglichkeit, sich seine Staatsbürgerschaft zu verdienen. Diese kann aber nicht erworben werden durch Absit­zen vieler Jahre in einem österreichischen Gefängnis.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, da sind wir einer Meinung: An­stelle von Kriminalitätsexplosion, Asylmissbrauch, Islamisierung und Massenzuwan­derung möchte ich für meine Heimat ein sicheres Österreich. (Beifall der Bundes­rätin Mühlwerth.)

13.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


13.31.56

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Unruhe im Saal. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Etwas mehr Ruhe, meine Herren! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dem Kollegen Ertl zugehört und muss sa­gen, er hat sehr lange gesprochen. Die Länge hat aber nichts mit der Stichhaltigkeit von verschiedenen Sachen zu tun. Jedenfalls war die Rede sehr ausführlich. Einen Ausdruck möchte ich aber mit aller Schärfe zurückweisen: Den Sicherheitsbericht 2007 als Schönfärberei darzustellen, ist ein Skandal! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bun­desräte Dönmez und Zangerl.) Vielleicht haben Sie ihn nicht gelesen – ich habe ihn nicht gesehen auf dem Pult. Ich habe ihn mit. (Der Redner zeigt das genannte Schrift­stück. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber überhaupt kein Beweis, dass Sie ihn mit­haben!) Sie haben das heruntergelesen. Ich weiß nicht, wer das zusammengestellt hat, jedenfalls nicht jemand, der den Sicherheitsbericht gelesen hat. – Erstens.

Zweitens: Wenn Sie alles miesmachen im Sicherheitsbereich, tragen Sie massiv zur Verunsicherung des Personals des Bundesministeriums für Inneres bei. Und da sollten Sie sich schon überlegen, ob das vernünftig ist, denn wichtig ist, dass man Vertrauen in die Exekutive im weitesten Sinne hat. (Bundesrat Ertl: 100 € ... wenn die Polizei an­gegriffen wird!) Und ich habe das, weil ich selbst jetzt in Wien feststellen kann – nach den Bemerkungen der Frau Bundesminister vor einigen Tagen und der Tatsache glücklicherweise, dass der Präsident Pürstl vorhanden ist und auch der Polizei-Kom­mandant Mahrer endlich installiert worden ist –, dass in Wien im 1. Bezirk und auch in anderen Bezirken die Polizeipräsenz sichtbar geworden ist. Sie fahren jetzt weniger mit dem Auto. Sie gehen mehr zu Fuß. Man sieht auch gelegentlich Einzelstreifen. Das muss man positiv feststellen. Und da muss ich sagen: Hier sieht man eben die entspre­chende Ressortführung.

Das Dritte, was ich Ihnen noch sagen möchte, Herr Kollege Ertl, ist Folgendes: Es
ist wissenschaftlich zumindest ausgesprochen unscharf, wenn Sie den Sicherheitsbe­richt 2007 mit den Zahlen von 2009 „vermanschen“. Also, das sollte man nicht tun! Die Frau Ministerin wird sicher auf das noch im Detail eingehen.

Ich möchte aber jetzt zum Sicherheitsbericht 2007 etwas sagen. Das Erste ist der Dank an die leitenden Beamten und die vielen dienstbaren und hilfsbereiten Menschen im Bereich des Bundesministeriums für Inneres und im Bereich des Bundesministeriums für Justiz, die diesen Bericht erstellt haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Das Zweite, was ich ganz besonders positiv erwähnen möchte, ist: Innenministerium und Justizministerium sind ja irgendwie kommunizierende Gefäße, nicht ganz, um es physikalisch präzise zu sagen, aber sie müssen intensiv zusammenarbeiten. Und dass


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ein Bericht von zwei Ressorts gemeinsam erstellt wird, ist sehr positiv zu sehen, ist ja schon gewissermaßen auch eine Tradition, die fortgeführt wird.

Das Einzige, was ich vielleicht an dem Sicherheitsbericht etwas kritisiere – aber das ist nicht in Richtung des Direktors des Bundeskriminalamtes, sondern vielleicht allgemein an das Bundesministerium gerichtet –: Wäre es nicht möglich, im Sicherheitsbericht in Zukunft Grundsatzreden der Frau Ministerin aufzunehmen, Reden, die eine strategi­sche Ausrichtung haben, wo man auf zwei, drei Seiten erläutert, was die Ministerin für diese oder jene Zeit plant, wo Verbesserungen zu machen sind und so weiter?

Das Zweite, was ich anregen möchte, ist Folgendes: Es gibt ja auch die Sicherheits­tage in Leogang. Da wurde das letzte Mal das Thema Korruption behandelt. Da wur­den auch sehr gute Vorträge gehalten, die sicher nicht in voller Länge wiedergegeben werden müssen, aber er wäre wünschenswert, dass man ein gewisses Material in die­sen Sicherheitsbericht einarbeitet. Das ist aber nur eine Anregung, die eine Ergänzung bedeuten würde und für jene, die im Sicherheitsbereich tätig sind, eine angenehme Un­terstützung für ihre Arbeit auf diesem Gebiet wäre.

Aus dem Sicherheitsbericht will ich also jetzt nicht wieder die Kriminalstatistik in irgend­einer Form herunterbeten und weitere Zahlen nennen. Das lasse ich!

Was möchte ich besonders erwähnen? – Auch wenn es sehr kurz ist: das Kapitel über die Terrorbekämpfung. Es ist in Österreich in der letzten Zeit nichts passiert, aber es ist besonders wichtig, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbe­kämpfung und die Landesämter aufmerksam sind, dass in Österreich weiter nichts pas­siert.

In diesem Zusammenhang ist auch die internationale Zusammenarbeit, aber auch die Zusammenarbeit in der EU von ganz, ganz besonderer Wichtigkeit. Glücklicherweise haben wir heute bereits Einrichtungen in der EU, wo unterstützend mitgewirkt wird. Das ist Europol, das ist Eurojust und das ist FRONTEX. Diese Einrichtungen müssen aber meiner Ansicht nach weiter ausgebaut werden.

Das Zweite ist die Einrichtung des Büros für interne Angelegenheiten. Ich weiß, das ist im Bereich des Innenministeriums nicht immer so ganz geschätzt, aber wenn wir uns da in diesem Bericht einiges vor Augen führen – und hier darf ich mir erlauben, ein paar Zahlen anzuschneiden –, dann kommt man doch darauf, dass es betreffend Miss­brauch der Amtsgewalt gemäß § 302 Strafgesetzbuch immerhin 329 Vorgänge im Res­sort gibt. Aber auch die Verletzung des Amtsgeheimnisses – immerhin 41 – wird ange­führt. Das wird da schön zusammengetragen.

Es soll nicht versucht werden, diese Einrichtung madig zu machen, sondern wir müs­sen schauen, dass das Büro für interne Angelegenheiten, das international eine ganz besondere Reputation hat, weiterhin besteht. Sicher kann man da mit dem Bundes­ministerium für Justiz zusammenarbeiten und das entsprechend koordinieren, das ist schon möglich. Es muss aber erhalten bleiben, dass unsere Exekutive in Österreich weiß, es gibt jemanden über uns, der sicherstellt, dass es zu keinen Zuständen kommt, wie sie zum Beispiel in manchen Balkanländern der Fall sind, aber auch in anderen Ländern, dass zum Beispiel, wenn jemand mit einer kleinen Gebühr gestraft werden soll, die Strafe nicht stattfindet. Daher ist das besonders wichtig.

Das Dritte, was ich erwähnen möchte, ist die Sicherheitsakademie. Die Sicherheitsaka­demie ist eine Investition in die Zukunft. Dort werden einerseits unsere Polizisten wei­tergebildet, aber auch Beamte aus dem Innenministerium geschult, und international versucht man zum Beispiel, viele Leute auch aus anderen Ländern dazu zu bewegen, dass sie dort Kurse besuchen, um gewisse Standards kennenzulernen. Diese Einrich­tung hat auch internationales Ansehen. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir Einrich-


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tungen wie zum Beispiel die Sicherheitsakademie und das Büro für interne Angelegen­heiten haben.

In diesem Sinne möchte ich abschließend noch einmal sagen: Ich bin mit dem Sicher­heitsbericht 2007, was den Inhalt betrifft, wirklich in jeder Richtung einverstanden. Von Schönfärberei kann keine Rede sein, sondern da ist alles offengelegt. Schönfärberei, Herr Kollege Ertl – weil Sie mich so streng anschauen, sage ich Ihnen das –, wäre, wenn ich 100 Raubüberfälle auf Banken in Österreich hätte, aber nur 70 zählte und 30 unter den Tisch fallen ließe. Das verstehe ich unter Schönfärberei, aber das tut dort niemand.

In diesem Sinne noch einmal Dank an die Frau Bundesministerin, und an alle, die dar­an mitgewirkt haben, dass dieser Bericht zustande gekommen ist. Und ich würde Sie, Kollege Ertl, ersuchen, in Hinkunft dieses Werk etwas intensiver zu inhalieren. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Kalina. – Bitte.

 


13.41.08

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Frau Minister! Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Zwei Anmerkungen zu den Ausführungen meiner Vorredner: Kollege Ertl war heute meiner Meinung nach für die Verhältnisse seiner Partei eigent­lich überraschend sachlich. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sagt ausgerechnet Kollege Kalina!)

Zu Ihrer Anmerkung betreffend überausgestattete Justizanstalten, dass das ein Grund für ausländische Straftäter sein sollte, hier herzukommen, muss ich sagen: Das ist ja lustig! Gerade dass Sie nicht gesagt haben, die stellen etwas an, dann stellen sie sich freiwillig, damit man sie schnell in Leoben in den Häfen sperren kann. Darüber sollten Sie ein bisschen nachdenken, das kann ja nur ein Scherz sein. (Zwischenruf des Bun­desrates Ertl.) Aber gut, vielleicht eine neue Form, wir werden es sehen, vielleicht kommt das noch.

Zu den Ausführungen des Kollegen Kühnel möchte ich sagen – auch nur eine scherz­hafte Anmerkung –: Ich habe den Sicherheitsbericht natürlich auch angeschaut. Ich habe ihn aus Rücksicht auf meine Wirbelsäule nicht mit. Ich rate davon ab, alle Grund­satzreden der Frau Bundesministerin in diesen Bericht aufzunehmen. Er ist jetzt schon dick genug. Ich denke mir, diese sind ohnehin in der APA oder in der Parlamentskor­respondenz nachzulesen. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.)

Zur Sache selbst. Ich möchte mich da dem Dank des Kollegen Kühnel an die Mitarbei­ter des Ministeriums für die Erstellung des Berichtes anschließen, der jedes Jahr eine, wenn auch relativ späte, aber sehr umfassende Aufarbeitung der Sicherheitslage unse­res Landes darstellt und ein Bild von dieser gibt. Das brauchen wir, wie ich meine, und das muss auch diskutiert werden.

Schade ist, dass der Zeitraum zwischen Bericht und Diskussion so lange ist. Aber das Entscheidende, glaube ich, für das Parlament, für uns Parlamentarier ist, dass wir aus diesen Berichten vom vorigen Jahr, vom vorvorigen Jahr die richtigen Schlüsse ziehen, dass wir sehen, was im Bereich der inneren Sicherheit, der Exekutive gut gelaufen ist und wo man mit Verbesserungen ansetzen kann.

Es ist aber tatsächlich so, wie es Kollege Ertl gesagt hat: Man muss leider erwarten, dass wir nächstes Jahr und übernächstes Jahr Berichte diskutieren werden, die deut­lich schlechter ausfallen werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich, um eben nicht nur retrospektiv zu diskutieren, sondern auch im Hinblick darauf, was wir für die Zukunft daraus lernen, auf die aus meiner Sicht jedenfalls äußerst alarmierenden Zahlen im


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ersten Quartal 2009 hinweisen, Frau Minister, die gestern bekannt geworden sind und die wirklich für uns alle Anlass sein sollten, darüber nachzudenken, was man tun kann, um einer weiteren Verschlechterung möglichst schnell entgegenzuwirken.

Ich möchte Sie daran erinnern: Die Zahlen aus dem ersten Quartal 2009 weisen einen Anstieg bei den gesamten Straftaten in Österreich von 4,7 Prozent aus – gegenüber 2008, wohlgemerkt! Das ist an sich schon nicht erfreulich. Vor allem im Ostraum, in Niederösterreich, speziell in der Stadt Wien – ich bin ja für das Land Wien im Bundes­rat – ist der Anstieg der Zahl der Straftaten gegenüber dem Vorjahr und gegenüber dem vorvorigen Jahr wirklich alarmierend und muss meiner Meinung nach Anlass zu einem Sofortprogramm und einer Stärkung der Exekutive geben.

Wir haben in Wien einen Anstieg der Zahl der Straftaten im ersten Quartal von 8,1 Pro­zent und in Niederösterreich einen solchen von 9,6 Prozent. Und dazu kommt – für mich als Wiener auch alarmierend –: Es sind rund 150 000 Straftaten in diesem ersten Quartal ausgewiesen, exakt sind es laut Zahlen des Bundesministeriums für Inneres 143 253, davon fast ein Drittel aus der Stadt Wien. Das Ganze ist verbunden damit, dass die Aufklärungsrate zum Beispiel bei Einbruchsdelikten in einem dramatischen Ausmaß gesunken ist. Und da erwarte ich mir, sehr geehrte Frau Bundesminister, dass Ihr Haus und Sie selbst sich diesem Thema widmen, denn das liegt weniger beim Ge­setzgeber – manchmal schon auch –, sondern vor allem bei der Vollziehung und hängt von den Mitteln ab, die die Polizei zur Verfügung hat.

Ein Viertel aller Anzeigen, die in Österreich zum Beispiel hinsichtlich Wohnungsein­bruch erstattet wurden, wurden in Wien erstattet. In Wien ist eine Steigerung der Zahl der Wohnungseinbrüche jetzt in diesem ersten Quartal um fast 26 Prozent zu verzeich­nen. Das ist etwas, was den Leuten in Wien wirklich größte Sorgen macht und wo man neben der Prävention und der Aufklärung, die von der Exekutive betrieben werden – auch von der Stadt; dazu komme ich noch –, glaube ich, unbedingt daran arbeiten muss, auf Grund des Anstiegs der Zahl der Wohnungseinbrüche und des gleichzeiti­gen Sinkens der Aufklärungsrate den Verfolgungsdruck zu erhöhen, um nicht völlig falsche Signale in Richtung potenzieller Täter zu senden.

Es sind drei Punkte, die mir in diesem Zusammenhang wesentlich erscheinen, wenn man über Kriminalität, deren Vermeidung und dann über Aufklärung und Bestrafung diskutiert.

Der wichtigste Punkt scheint mir zu sein – und ich glaube, das muss man in Zeiten wie diesen auch sagen –, dass in Österreich und im übrigen Europa Maßnahmen zur Erhö­hung der sozialen Sicherheit ergriffen werden. Ich möchte keine Straftat rechtfertigen, das liegt mir völlig fern, aber klar ist, dass mangelnde soziale Sicherheit und die Situa­tion auf dem Arbeitsmarkt mit Kriminalität zu tun haben, in Österreich genauso wie im übrigen Europa. Daher sollte an der Spitze aller Überlegungen stehen: soziale Sicher­heit ausbauen und nicht abbauen.

Der zweite Punkt scheint mir auch im Hinblick auf die alarmierenden Zahlen jetzt zu sein: Es ist wichtig, die gemeinsamen Anstrengungen in Europa weiter zu verstärken und Kriminalitätstourismus zu bekämpfen. Wir haben das letzte Mal auch über die ge­meinsamen Tätigkeiten im Schengen-Raum diskutiert. Das ist in ersten Ansätzen er­folgreich, aber ich denke, das muss unbedingt ausgebaut werden.

Der dritte Punkt, der jetzt der wesentlichste zu sein scheint, ist, mehr und besser aus­gebildete Polizisten in Österreich, vor allem im Ostraum, in der Stadt Wien zur Verfü­gung zu stellen. Und da hilft niemandem Polemik, und es helfen keine Ausreden und auch kein Blick in die Vergangenheit, sondern notwendig ist eine wirklich offene Ana­lyse dessen, was passiert ist und was man in Zukunft besser machen kann.


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Es ist nun einmal so, dass in Wien – wie gesagt, ohne jede Polemik – unter Ihren AmtsvorgängerInnnen jedenfalls viele Polizisten abgezogen wurden, die Zahl der Pos­ten reduziert wurde und nach wie vor nach den Zahlen der führenden Leute der Polizei rund 1 000 Beamtinnen und Beamte in Wien zur Bekämpfung der Kriminalität fehlen.

Einerseits hat der Gesetzgeber, hat der Nationalrat, haben wir hier richtig reagiert, so meine ich, indem für diese Legislaturperiode in Summe 1 000 Polizisten, pro Jahr da­her 200, zusätzlich zum Abgang, also die Zahl erhöhend, fixiert wurden. Das ist einmal eine richtige Maßnahme. Aber wie die Beamten eingesetzt werden, welche Tätigkeiten sie zu erledigen haben und wo sie eingesetzt werden, das ist eben eine Frage der Voll­ziehung Ihres Hauses. Und da erwarte ich mir als Wiener, dass Sie dem Brennpunkt Wien/Niederösterreich mehr Aufmerksamkeit schenken.

Auch da zeigt Ihnen ein Blick auf die Zahlen, dass es ein gewisses schiefes Verhältnis gibt: 50 Prozent aller in Österreich angezeigten Delikte wurden im Raum Wien und Umgebung verübt, aber nur 20 Prozent des Polizeipersonals sind in diesem Raum sta­tioniert. Und ich denke, da ist ein gewisses schiefes Verhältnis festzustellen, weswe­gen ich mir von Ihnen, Frau Minister, erwarte, dass Sie sich dem widmen und Maßnah­men vorschlagen, wie man das verbessern kann.

Es ist an der Zeit, zu erkennen, dass die Sparmaßnahmen und die Reformen der letz­ten Jahre jedenfalls keine Verbesserung gebracht haben, wenn nicht sogar zu einer Verschlechterung geführt haben für die Menschen, besonders für die Polizistinnen und Polizisten.

Ich habe das unlängst erst gesehen: Die gehen unter in Schreibarbeiten. Wegen jeder Vollkaskoversicherungsgeschichte muss man auf die Polizei gehen, und die sind dort mit Tippen beschäftigt und mit ihrer Situation selbst ganz unzufrieden.

Daher ist es an der Zeit, dass man eben in diesem Raum das Personal aufstockt, dass man eben in diesem Raum die Ausrüstung verbessert, um den Verfolgungsdruck und die Aufklärungsrate zu erhöhen.

Da gestatten Sie mir schon eine persönliche Bemerkung, Frau Minister, zu Ihren Aus­sagen zur Situation in Wien, zum Schlechtreden der Polizei. Von den Kleinen verlangt man, dass sie es unterlassen. Das sollte auch ganz oben passieren. Der Wiener Bür­germeister hat es ja schon selber gemacht, er hat gemeint, Ihre Aussagen seien eine echte Chuzpe, wobei diese Formulierung noch liebevoll sei. Ich glaube es ihm in der Tat, denn Sie haben aus meiner Sicht die Wiener Polizei wirklich von oben herab in einem schlechten Licht dargestellt und ungerecht beurteilt, weil es ja jedenfalls Ihre Vorgänger waren, die diesen Zustand herbeigeführt haben.

Insgesamt rate ich in diesem Zusammenhang zu vorsichtigeren Aussagen, auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Justiz, die Kollege Kühnel vorhin gelobt hat, das stimmt. Aber zumindest innerhalb der eigenen Fraktion sollten Sie sich mit der Jus­tizministerin abstimmen. Ich erinnere an Ihre Aussagen zum sogenannten Identitätsbe­trug, die Kollegin Bandion-Ortner und auch die Richter erbost zurückgewiesen haben. Also ich denke mir, gerade in diesem sensiblen Bereich sollte man top-down bei den Aussagen sehr, sehr vorsichtig sein.

Zum Schluss kommend möchte ich noch erwähnen, dass alle zusammenarbeiten müs­sen. Das Land Wien tut das. Wien entlastet die Polizei von unnötigen Aufgaben, wo es nur geht. Das Passwesen wurde von der Stadt übernommen. Das Meldewesen wurde von der Stadt übernommen. Das Fundwesen wurde von der Stadt übernommen. Der Großteil ... (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Wunderbar, ist gut so.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 86

Der allergrößte Teil der Überwachung des ruhenden Verkehrs – das ist halt in Wien einfach ein bisserl mehr Arbeit als sonst wo – wurde von der Stadt übernommen. Das geht noch weiter.

Noch kurz zum Bereich Prävention. Wien fördert auch den Einbau von Sicherheitstü­ren. Es wurden seit 2005 über 5 Millionen € dafür ausgegeben.

Aber klar ist, Frau Minister – und da würde ich mir von Ihnen einen kurzen Hinweis an Ihre Wiener ÖVP-Kollegen erbitten –, dass die Kriminalitätsbekämpfung im Sinne des staatlichen Gewaltmonopols eine Kernaufgabe der Polizei ist und bleibt und dass wir nicht den Weg gehen sollten, in neun Bundesländern neun verschiedene Hilfspolizei­maßnahmen zu setzen oder -truppen zusammenzustellen.

Da gibt es die Aufgaben der kommunalen Ordnung. Die werden von der Stadt wahr­genommen. Weiters nimmt die Stadt der Polizei viel – ich nenne es jetzt einmal – Schreibarbeit ab. Aber die Kriminalitätsbekämpfung ist und bleibt aus guten Gründen eine Aufgabe der Polizei. Sie sollten das vielleicht in der Bundesregierung dem Kolle­gen Hahn einmal erklären, dass er das seinen Leuten auch mitteilt.

Mein Resümee, von 2007 aus betrachtet, lautet: Manches geht in die richtige Richtung, vor allem, dass wir das Personal aufstocken. Ich habe heute am Vormittag Polizeischü­ler aus Niederösterreich da gehabt, die das einerseits begrüßen, aber andererseits ein bisschen Zweifel haben, ob man so viele Leute in so kurzer Zeit auch qualitätvoll aus­bilden kann. Das ist eine wichtige Aufgabe für die Herren in Ihrem Ressort, zu verhin­dern, dass die, die man da jetzt zusätzlich hereinholt, nicht sozusagen – das wird nicht sein – Schnellsiederkurse bekommen, sondern das muss weiter qualitätvoll sein. Ich glaube, das geht in die richtige Richtung. Es liegt aber natürlich an Ihnen und an Ihrem Haus, in der Vollziehung dafür zu sorgen, dass das auch in Form von mehr Sicherheit bei den Bürgern ankommt.

Am Schluss möchte ich mich bei den Polizistinnen und Polizisten bedanken, die in Voll­ziehung einer schwierigen Aufgabe im Rahmen ihres schwierigen Berufes oft den Kopf hinhalten müssen. Sie sollen sicher sein, dass wir auf ihrer Seite stehen, dass wir hier gemeinsam alles tun werden, um ihnen die Arbeit zu erleichtern. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.54.14

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhö­rer! Ich bin zwar nicht der Schutzpatron der Frau Innenministerin, aber eines muss ich da schon unterstreichen, wo sie absolut recht hat: Es kann nicht sein, dass Polizisten, die in diesem Hohen Haus tätig sind, die Arbeit der Polizisten draußen madig reden! (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie sich, Kollege Ertl, hier herausstellen und von – ich zitiere – Tricks bei der Kri­minalitätsstatistik, bei der Eingabe, um die Zahlen niedrig zu halten, sprechen ... (Bun­desrat Ertl: Verschiedene Zeitungen haben berichtet ...! So habe ich das gesagt!) Sie haben gesagt, dass mit Tricks in der Kriminalitätsstatistik die Zahlen bewusst niedrig gehalten werden.

Wissen Sie, was Sie damit behaupten, Kollege Ertl? – Das ist eine Unterstellung, dass die Polizistinnen und Polizisten bei der Erhebung der Daten irgendetwas eingeben und ihre Arbeit nicht richtig machen. Die Beamten und Beamtinnen, die tagtäglich draußen sind, leisten hervorragende Arbeit. Sie sind mehrfachem Druck ausgesetzt. Das be-


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 87

komme ich auch mit, weil ich auf Grund meiner beruflichen Tätigkeit teilweise sehr eng mit der Polizei kooperiere.

Wissen Sie, wie lange die Aufnahme einer Vermisstenanzeige dauert? – Eineinhalb Stunden, weil der Beamte gewissenhaft jede Frage, die zu beantworten ist, stellen muss, anklicken muss, von der Haarfarbe bis zur Augenfarbe alles eingeben muss. Und dass das natürlich sehr viele Ressourcen bindet und Zeit bedeutet in der Verwal­tung, die woanders abgeht, ist auch klar. Und das ist halt dann ein Widerspruch. Einer­seits brauchen wir die Zahlen, Daten und Fakten, um einen guten Bericht zu erar­beiten, andererseits geht die Zeit aber in der tagtäglichen Arbeit der Polizistinnen und Polizisten ab. – Dies zum Einen.

Zum Zweiten möchte ich auch noch eines sagen, Kollege Ertl: Ich verstehe das, Sie müssen wahrscheinlich aus einem gewissen Drang aus Ihrer Partei immer in die glei­che Kerbe schlagen, aber um die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen, muss man gewisse Voraussetzungen erfüllen. Und eine davon ist, dass man straffrei ist, dass man unbescholten ist. Darum stellen Sie sich, bitte, nicht da heraus und ver­zapfen Sie nicht da herinnen Unwahrheiten! Das können Sie draußen im Bierzelt ma­chen. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Aber nun zum Inhalt des Sicherheitsberichtes. Bei der Kategorie Aufklärungsquoten würden wir uns halt wünschen oder darum ersuchen, dass die Freisprüche und die Ein­stellungen abgezogen werden, da ja bei der polizeilichen Statistik nur die Anzeigen an die Justiz aus dem Blickwinkel der Polizei erfasst werden. Wie viele Freisprüche es an­teilig gegeben hat, wird im Sicherheitsbericht leider nicht aufgeschlüsselt. Das könnte man, wenn es möglich ist, in Zukunft mit erfassen.

Zum Punkt Menschenrechtsbeirat, der ja auch angeführt wurde: Es stimmt mich ein bisschen nachdenklich, wenn die Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates, die An­regungen, um es vorsichtig zu formulieren, kleingeredet und, wenn ich zynisch wäre, würde ich sagen, systemisch ignoriert werden. Da würde ich mir wünschen und darum ersuchen, dass, wenn wir schon so einen wichtigen Beirat haben, auch die Empfehlun­gen mit einfließen.

Bei der Waffenverwendung gibt es ja die Diskussion mit der Waffenlobby, wie viele Schusswaffen denn legal oder illegal als Tatwaffe zum Einsatz kommen. Da würden wir uns wünschen und darum ersuchen, dass im zukünftigen Bericht erfasst wird, ob die Taten mit einer legalen oder illegalen Schusswaffe begangen worden sind.

Im Bereich Fremdenkriminalität – dieser Teil ist auch sehr ausführlich – werden Per­sonen mit einer bestimmten Nationalität erfasst, aber nicht die Zahl der Tatverdächti­gen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, da gibt es sozusagen keine Vergleichs­möglichkeit. Im Ausschuss haben wir auch mit dem Kollegen Einwallner darüber disku­tiert, ich sehe es heute dennoch noch anders, aber wir können vielleicht nachher noch einmal darüber diskutieren. Ich würde mir wünschen, dass eine detaillierte Erfassung dahingehend erfolgt, ob die Fremden, die Taten begehen, in Österreich gemeldet oder sozusagen Kriminaltouristen sind. Das würde ich mir für den zukünftigen Bericht wün­schen.

Ich möchte noch einen Punkt herausgreifen, und zwar die Misshandlungsvorwürfe ge­gen Polizisten und Polizistinnen.

Bei 1 119 Verdachtsfällen, die von den Staatsanwälten bearbeitet wurden, kam es zu 992 Einstellungen, davon 765 ohne Vorverfahren. Fünf Anklagen, fünf Freisprüche und einen Schuldspruch hat es gegeben. Begründet wird dieses Verhältnis damit, dass auch zahlreiche geringfügige Verletzungen, beispielsweise durch das Anlegen von Handschellen oder durch den Einsatz von Pfefferspray, als Vorwurf geltend gemacht


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 88

werden. Interessant wäre, in wie vielen Fällen denn ein Misshandlungsvorwurf erhoben worden ist und warum es zu so vielen Einstellungen kommt.

Das waren nur einige wenige Punkte, die ich herausgegriffen habe. Mein Dank gilt den Verfassern/Verfasserinnen, die diese zahlreichen Daten und Fakten zusammengestellt haben – das ist eine Mordsarbeit –, aber mein noch größerer Dank gilt den Beam­ten/Beamtinnen, die tagtäglich in den Wachstuben ihren Dienst verrichten und diese Zahlen zusammentragen, aufbereiten, damit wir hier in diesem Hohen Haus überhaupt darüber diskutieren können.

Danke für die Aufmerksamkeit, und ich hoffe, dass die Fragen, die ich jetzt kurz aufge­worfen habe, im nächstfolgenden Bericht beantwortet werden. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


14.01.31

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man liest ja so einiges heraus aus diesem Sicherheitsbe­richt, zumindest die Wortspenden sind entsprechend angelegt. Schön, wenn sich Kollege Efgani Dönmez auch als Schutzengel für unsere Frau Ministerin (Bundesrat Dönmez: Schutzpatron!), als Schutzpatron zur Verfügung stellt; du bist heute auch so gekleidet wie ein wunderbarer Patron, Herr Kollege Dönmez.

Frau Minister, es ist dies ein imposanter Sicherheitsbericht, der Bericht 2007. Ich darf aber zu Beginn auch zum Kollegen Ertl etwas sagen. Lieber Kollege, du bist ja schon abgemahnt worden – um es im Polizeijargon zu sagen – von Kollegem Kühnel und auch von Kollegem Dönmez für deinen Ausdruck „Schönfärberei“. Dein betretenes Ge­sicht sagt mir, dass dir dieser Ausdruck bis ins tiefste Herz hinein leidtut, weil er ein­fach nicht stimmt. Dieser Bericht ist nämlich eine tatsächliche Auflistung von Daten und Fakten. Das ist es einfach.

Jetzt auch noch eine kleine Nachhilfeeinheit: Frau Minister Fekter ist für diesen Bericht, was das Berichtsjahr anlangt, nicht verantwortlich, weil sie damals noch nicht Innen­ministerin war. Dafür ist sie heute in ihrer gesamten Pracht bei uns, und das freut uns natürlich ganz besonders. (Bundesrat Gruber: Wie ist das jetzt zu verstehen?) – Das kann man durchaus einfließen lassen.

Auch mein Dank, der Dank der Fraktion gilt natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern; man kann ja niemanden zu Tode loben. So viel Lob und Dank, wie man heute gehört hat, ist, denke ich, etwas Besonderes, und ich darf mich also anschließen. Ich möchte auch die Exekutivbeamten mit einbeziehen, da sind wir, Herr Kollege Ertl, aus­nahmsweise gleicher Meinung. Es zeugt auch von besonderer Qualität, dass die bei­den Ministerien, nämlich das BM für Inneres und das BM für Justiz, diesen Bericht vor­legen und sozusagen dokumentieren, was Sicherheit in Österreich bedeutet, welchen Stellenwert Sicherheit in Österreich hat.

Die Kernaussage – und das ist, glaube ich, auch unbestritten – ist: Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt! – Und das ist auch die Problematik, Herr Kollege Ertl, in deiner Rede, denn du hast das in deinen Ausführungen schlechtgeredet, und das ist die Hauptproblematik. Es gibt Statistiken, wonach Österreich eines der sichersten Län­der der Welt ist, und das lassen wir uns nicht schlechtreden, denn es wird sehr viel da­für gearbeitet. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben einen hohen Standard in Österreich, und das erfordert natürlich auch einen entsprechenden Einsatz der Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Justiz und des Innenministeriums. Gerade im Bereich der Sicherheit ist auch die internationale Zu-


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 89

sammenarbeit ein wesentlicher Faktor und von größter Bedeutung, denn insbesondere bei grenzübergreifender Kriminalität, bei Zuwanderung, Bandenbildung, Schlepperun­wesen und so weiter ist auch der Kontakt mit unseren Nachbarn ein ganz wesentlicher.

Es spielt auch immer wieder die Problematik Asyl mit hinein, wobei viele nach wie vor nicht zwischen Asyl und Zuwanderung unterscheiden können, und das führt natürlich auch zu Problemen bei uns hier im Hohen Haus. Es ist ein zentraler Schwerpunkt un­serer Behörden, den Kampf gegen illegale Migration und Schlepperunwesen im bishe­rigen Umfang weiterzuführen. Ich komme später noch einmal mit ein paar Zahlen dar­auf zu sprechen.

Dieser Bericht hat imposante 555 Seiten und dokumentiert in eindrucksvoller Weise eine großartige Leistungsbilanz. Es ist schon gesprochen worden von der „Überstül­pung“ – das war ja eine besondere Wortschöpfung –, von der „Überstülpung“ der Gen­darmerie auf die Polizei, davon, dass dann die Zahl der Straftaten angestiegen und die Aufklärungsquote gesunken ist. Also das ist nicht nur, Äpfel und Birnen miteinander zu vergleichen, sondern das kann man überhaupt vergessen, Herr Kollege Ertl. Direktor Lang, der heutige BKA-Chef, hat ja auch das Seine dazu beigetragen, dass dies in bester Harmonie geschehen ist; das muss man auch sagen. Umgesetzt wurde das Vorhaben dann nicht von Herrn Ex-Minister Strasser, sondern von Frau Ex-Ministerin Prokop. Das sei hier auch erwähnt, um das auch noch als kleinen Geschichtsunterricht anzufügen. (Bundesrat Ertl: Strasser hat es genehmigt ...!) Ja, aber umgesetzt wurde es von Frau Ex-Ministerin Prokop, und das ist entscheidend. Genau so war es!

Man kann hier nicht von Schönfärberei reden, denn es ist ganz klar im Programm der Regierung festgehalten, dass noch mehr Beamte zusätzlich auf die Straße kommen, noch mehr Beamte zusätzlich eingestellt werden; 1 000 zusätzliche Beamte für Öster­reich. Kollege Kühnel hat schon gesagt, man merke inzwischen doch die vermehrte Präsenz von Exekutivbeamten auf der Straße. Das sind Fakten, und das kann man einfach immer nur wiederholen.

Sicher werden wir, wenn wir diesen Sicherheitsbericht 2007 auf die Jahre 2008 und 2009 hinaufrechnen, andere Zahlen haben, natürlich wird auch die Quote eine höhere sein, aber wir diskutieren heute eben den Bericht 2007, der auf die entsprechenden Zahlen und Daten und Fakten aufgebaut ist; das muss man immer wiederholen.

Es wurden insgesamt, und das möchte ich ausführen, um jetzt auch noch einige Zah­len zu nennen, 559 473 Delikte zur Anzeige gebracht, wobei 2007 – man höre und staune, Herr Kollege Ertl – die Kriminalitätsrate in der Steiermark, im Burgenland und insbesondere in Wien gesunken ist. Die Bezeichnung, Schmelztiegel der Kriminalität sei Wien, kann also für dieses Berichtsjahr nicht gelten.

Bezüglich der Aufklärungsquote, Herr Kollege Kalina, ist doch eine Vermischung der Jahre 2007 und 2009 erfolgt. Man kann schon auch über aktuelle Zahlen berichten, da gebe ich dir vollkommen recht – das ist wichtig und auch gut so –, aber dabei kann man natürlich nicht nur sagen, dass alles negativ ist. Es gibt auch im Berichtszeit­raum 2007 gegenüber 2009 Zahlen, auf die man durchaus stolz sein kann, weil eben zum Beispiel ein Rückgang bei der Kriminalität zu verzeichnen war, insbesondere
bei der Kinder- und Jugendkriminalität. Bei den Zehn- bis Unter-14-Jährigen gab es einen Rückgang um 16,5 Prozent und bei den 14- bis 18-Jährigen einen Rückgang von 8,2 Prozent. Ich denke, das ist ebenfalls eine Besonderheit und dass man auch in diesen Bereich sehr gut mit eingewirkt hat.

Zurück zu 2007. – Die Aufklärungsquote lag insgesamt bei 39,4 Prozent. Spitzenreiter bei der Aufklärung war, so wie im Jahre 2006 – und das sage ich als Vorarlberger na­türlich doch mit einigem Stolz –, das Land Vorarlberg mit 54,9 Prozent. Ich darf an dieser Stelle das besondere Engagement der Vorarlberger Exekutive hervorheben. Zu-


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gegeben, diese Statistik bestätigt natürlich klar, dass die Kriminalität im städtischen Bereich höher liegt als im ländlichen, sprich auch im kleinstädtischen Bereich – die Verbrecher haben es in der sprichwörtlichen Anonymität der Großstadt wahrscheinlich um einiges leichter –, aber die Aufklärungsquote in Höhe von 28,2 Prozent in Wien ist sicher verbesserungsfähig. Das kann man in aller Deutlichkeit anmerken.

Wie man von Herrn Direktor Lang im Ausschuss – der übrigens qualitativ hochwertig war, das darf ich erwähnen – gehört hat, gibt es in weiterer Folge bis zu zirka 500 Be­amte mehr für Wien, um auf diese Problematik einwirken zu können. Und ich denke schon, Herr Kollege Kalina, dass das eine direkte Maßnahme des Ministeriums und der Ministerin ist, vor allem um der negativen Entwicklung rasch entgegenwirken zu kön­nen. (Bundesrat Kalina: Aber wir liegen in Wien schon unter 5 Prozent Aufklärungs­quote beim Einbruch!) Das ist ein Spezifikum, zugegeben, aber man wird wahrschein­lich genau auf diese Problematik reagieren müssen, noch mehr auf diese Situation ein­gehen müssen.

Nun zu einem Bereich, der auch in Österreich zu heftigen Diskussionen führt: zur Aus­länderkriminalität. Von insgesamt 43 158 gerichtlichen Verurteilungen im Jahr 2007 entfielen 30 322 auf Österreicher und zirka 12 800 auf ausländische Staatsangehörige. Daraus ergibt sich in etwa ein Ausländeranteil von 29,7 Prozent, der somit im Vergleich zum Vorjahr quasi gleich geblieben ist.

Auch im Bereich der Suchtgiftkriminalität gab es gegenüber 2006 und vor allem 2005 einen leichten Rückgang. Von 5 437 Verurteilungen waren 1 634 Ausländer, das sind 30,21 Prozent; ein Rückgang gegenüber 2005 um 9,1 Prozent und gegenüber 2006 ein Rückgang um 0,5 Prozent. Das ist trotz allem eine sehr hohe Quote, die nach wie vor einen massiven Einsatz der Polizei erfordert.

Herr Kollege Ertl, jetzt noch, sozusagen zum Drüberstreuen, weil wir doch einiges an Kritik am Bericht, an der Exekutive, am Ministerium und überhaupt gehört haben, ein paar Zahlen aus dem Kapitel Rechtsextremismus. Es hat im Jahr 2007 ein Ansteigen der Delikte von 240 auf 371 gegeben, und aus dem Bereich des Verbotsgesetzes hat es eine Steigerung von 419 Delikten im Jahr 2006 auf 752 Delikte im Jahr 2007 gege­ben. Das ist ein Anstieg um 79,5 Prozent im Bereich Rechtsextremismus. Das ist un­glaublich, nicht wahr? (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Das ist genau dieser ver­harmloste Bereich, wo des Öfteren auch so derart verharmloste Spielchen wie zum Beispiel Paintball stattfinden; die deutsche Bezeichnung bitte unbedingt noch nachlie­fern.

Einen wesentlichen Punkt möchte ich noch erwähnen, nämlich wie stark sich die mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Änderungen des Fremdenpolizei- und Asylgesetzes im Sicherheitsbericht auswirken; wir haben das auch im Ausschuss gehört. Wurden im Jahr 2006 noch insgesamt 17 334 Personen bei rechtswidrigem Grenzübertritt ange­halten, so waren es im Jahr 2007 nur noch 9 572 Fälle; ein Rückgang von 44,7 Pro­zent. Es ist also allgemein mit einem Rückgang der illegalen Migration zu rechnen, was in diesem Bericht auch dokumentiert ist, obwohl in Österreich – zugegeben – nach wie vor eine hohe Anerkennungsquote von Asylwerbern gegeben ist.

Mit meinem nochmaligen Dank an die Frau Ministerin, an die Beamtinnen und Beam­ten des Ministeriums und an die Exekutivbeamtinnen und -beamten darf ich schließen und mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum und Zangerl.)

14.12


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner, wieder aus Vorarlberg: Herr Bundes­rat Ing. Einwallner. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 91

14.12.52

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Es gibt tatsächlich wieder ein Vorarlberger Paket.

Meine Damen und Herren, ich finde den vorliegenden Sicherheitsbericht für das Jahr 2007 auch sehr umfassend. Er beinhaltet auf der einen Seite ein sehr detailliertes, gutes Zahlenmaterial. Wie meine Vorredner möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums recht herzlich dafür bedanken. Der Bericht zeigt aber auf der anderen Seite, welches Arbeitspensum die Polizistinnen und Polizisten tagtäglich leisten. Meines Erachtens hat daher der größte Dank jenen Menschen zu gelten, die tagtäglich für die Sicherheit in Österreich sorgen, die Großes für die Sicher­heit in Österreich leisten.

Der Bericht zeigt auch Unterschiede bei den Aufklärungsquoten auf. Mit den Aufklä­rungsquoten in Vorarlberg, die ich natürlich auch sehr begrüße, sind wir tatsächlich Spitzenreiter, und ich hoffe, dass das auch im nächsten Jahr wieder so sein wird. Man darf nicht vergessen, dass es wirklich Unterschiede gibt – das ist auch im Ausschuss dokumentiert worden –, wenn es sich zum einen um den Großstadtbereich, zum an­deren um den ländlichen Bereich handelt. Klar muss uns sein, dass einerseits die Mittel der Verbrecher immer besser werden, die Mobilität der Verbrecher immer höher wird und wir andererseits darauf achten müssen, dass unsere Exekutive moderne, professionelle Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, um wirklich optimal Verbrechens­bekämpfungsmaßnahmen setzen zu können.

Klar ist in diesem Zusammenhang – wir haben das bei der Diskussion rund um das Si­cherheitspolizeigesetz im letzten Jahr gesehen –, dass das natürlich immer eine Grat­wanderung ist zwischen Datenschutz, Bürgerrechten und der Frage, welche Mittel man der Exekutive in die Hand gibt. Ich glaube, dass wir uns in Zukunft dieser Herausforde­rung werden stellen müssen.

Mit den Zahlen habe ich ein bisschen ein Problem. Natürlich kann man aus dem Si­cherheitsbericht 2007 die Zahlen runterbeten und noch einmal aufzeigen – tatsächlich werden wir von der Tagespolitik eingeholt. Wir kennen aus den Medien natürlich die aktuellen Zahlen des ersten Quartals dieses Jahres, und es zeigt sich auch schon die Problematik, dass die Kriminalität weiterhin ansteigt, in ganz spezifischen Bereichen sehr stark ansteigt. Ich wünsche mir von Ihnen, Frau Minister, so etwas wie einen Aus­blick: Wie sind die Maßnahmen, die wir in diesen Bereichen noch setzen werden, die Sie setzen wollen, dass es besser vorwärtsgeht und wir auch wieder zu besseren Auf­klärungsquoten kommen?

Kollege Ertl ist schon sehr gescholten worden, und ich kann mich da bei dem einen oder anderen Punkt anschließen, sage aber auch, man darf ... (Bundesrat Ertl: Ich ver­trage es schon!) – Ich mache jetzt ein bisschen den Schutzengel für dich, weil es drei Punkte gegeben hat, bei denen ich zustimmen muss.

Das eine ist: Jawohl, wir brauchen mehr Personal! Die Frage ist nur: Wie viele sind es effektiv, wenn es 1 000 neue Polizisten gibt? Abzüglich natürlicher Abgänge, wie viele Leute sind dann tatsächlich da? Wir brauchen zweitens mehr Mittel, und wir brauchen drittens eine gute Infrastruktur für unsere Exekutivbeamten. Wir brauchen auch kein Hehl daraus zu machen, dass die Sozialdemokratie die Polizeireform immer sehr kri­tisch gesehen hat, dass ich die Reform, die durchgeführt wurde, sehr kritisch sehe, die zur Folge hatte, dass in manchen Bereichen wirklich auch Beamte abgezogen worden sind.

Zum Zahlenmaterial – Kollege Dönmez ist nicht mehr da, aber ich kann ihm sagen, wir haben diese Diskussion schon im Ausschuss gehabt. Die Frage, die sich stellt, ist: noch detaillierter, noch mehr Einzelheiten in den Statistiken, noch eine Tabelle mehr


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 92

und noch eine Aufschlüsselung nach Nationalität oder in Österreich gemeldet oder nicht gemeldet, und, und, und?; denn das könnte meines Erachtens einerseits die Ge­fahr in sich bergen, dann noch leichter eine einzelne Zahl herausziehen zu können, die überhaupt nicht mehr repräsentativ ist und somit auch eine Diskussion im Bereich der inneren Sicherheit verzerren kann. Da gibt es dann natürlich eine große Spielwiese für Verzerrungen.

Das Zweite ist, und das muss man in diesem Zusammenhang auch bedenken: Irgend­jemand muss diese statistischen Daten erheben! – Das sind die Exekutivbeamten vor Ort, und da muss ich ganz klar sagen, mir ist lieber, die Exekutivbeamten sind auf der Straße und sorgen sich dort um die Sicherheit, als dass sie fast ausschließlich damit beschäftigt sind, Statistiken auszufüllen.

Im Großen und Ganzen, muss ich sagen, stehen wir in diesem Bereich sicherlich vor einer Herausforderung. Ich bin gespannt, welche Maßnahmen oder welche Visionen Sie, Frau Innenminister, uns vielleicht als Abschluss der Debatte noch mitteilen wer­den.

Einen ganz persönlichen Punkt muss ich noch anführen – und ich gebe zu, dieser streift den Sicherheitsbericht nur ein bisschen –, einen Themenbereich, der – und jetzt kommt wieder ein Vorarlberger Aspekt – mich persönlich sehr bedrückt, weil es da mei­nes Erachtens nach wie vor Handlungsbedarf gibt. Es geht – und ich habe das schon einmal oder zweimal in diesem Haus vorgebracht – um die Möglichkeit von Schutz­zonen vor Abtreibungskliniken. Nach wie vor fordere ich die Möglichkeit, dass man vor Ort diese Schutzzonen errichten kann, um den Frauen in dieser sehr, sehr schwierigen Situation den notwendigen Schutz vor teilweise sehr aggressiven Abtreibungsgegnern gewähren zu können. Es geht mir da ganz und gar nicht – das wird immer wieder un­terstellt – um ein Beschneiden des Demonstrationsrechts, nein, sondern es geht mir dabei einzig und allein um den Demonstrationsort.

Ihr Amtsvorgänger, Frau Minister, hat mir einmal zugesichert, er werde das Ganze eva­luieren lassen, wie hoch die Problematik ist. Ich habe vor einigen Monaten versucht, mittels einer schriftlichen Anfrage von Ihnen zu erfahren, wie diese Evaluierung abge­laufen ist, wie evaluiert wurde. Ich bin nämlich der Meinung, dass man gerade dieses Thema sehr, sehr schlecht evaluieren kann, dass man auch noch so viele Evaluierun­gen ankündigen kann. Die Anfragebeantwortung war dann auch so, wie ich befürchtet habe: Es hat keine konkrete Antwort auf die Situation zum Beispiel in Bregenz gege­ben, wie dort evaluiert wurde, wie die Situation für die Frauen in Bregenz ist.

Ich wünsche mir ein Ende der Evaluierungen, ein Ende des Aufschiebens des Pro­blems, und ich wünsche mir von Ihnen, Frau Minister, ganz konkret, dass Sie handeln und Maßnahmen treffen, dass wir diesen betroffenen Frauen den entsprechenden Schutz geben können. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.20


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Vladyka zu Wort. – Bitte.

 


14.20.17

Bundesrätin Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich): Frau Ministerin! Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ohne Sicherheit keine Freiheit. – Das hat schon Freiherr von Humboldt seinerzeit gesagt.

Mit diesem Zitat möchte ich meine Betrachtungen zum Sicherheitsbericht 2007 begin­nen. Auch ich bin wirklich sehr, sehr stolz darauf, in Österreich geboren zu sein und hier leben zu können, denn Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. Aber


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die Sicherheit und die Freiheit der Menschen müssen wir auch für die Zukunft gewähr­leisten, und das ist sicher eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.

Die Menschen haben ein Recht darauf, und um dies gewährleisten zu können, müssen jene, die hiefür Sorge zu tragen haben, auch über das nötige Rüstzeug – nämlich Aus­bildung und Ausstattung – verfügen. Ein weiterer wichtiger Bereich in diesem Zusam­menhang ist ja die Zusammenarbeit der Exekutive mit den Nachbarländern. Steigende Kriminalität, illegale Migration und Schlepperwesen müssen verstärkt bekämpft wer­den, Zuwanderung und Integration muss auf den Arbeitsmarkt abgestimmt sein, und Asylverfahren müssen natürlich optimiert werden.

Besonderes Augenmerk und besondere Aufmerksamkeit muss aber auch der Gewalt gegen Frauen, Kinder und alte Menschen zukommen. Es ist schon wirklich sehr viel getan worden, aber leider fühlen sich die Menschen noch immer nicht sicher genug. Gerade in Zeiten wie diesen führen Arbeitsplatzverlust oder Krankheit häufig zu Angst und oft, nicht zuletzt aus Verzweiflung, zu Alkoholproblemen bis hin zu tätlichen Hand­lungen. Auch das zeigen die Zahlen. Spezielle Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind gerade in diesem heiklen Bereich unumgänglich.

Nun zu ein paar Zahlen. Ich bin ja eine Vertreterin aus Niederösterreich. Erlauben Sie mir daher, das auch ein bisschen aus der Sicht von Niederösterreich und natürlich spe­ziell des Bezirkes Bruck an der Leitha zu sehen. Für Niederösterreich wurden – bei allen Delikten – im Jahr 2007 7 585 Fälle angezeigt, und davon konnten 2 866 geklärt werden. 2008 waren es 5 918 Fälle – hier ist also ein Rückgang zu verzeichnen; etwas Positives –, und 2 410 Fälle konnten geklärt werden.

Für Bruck an der Leitha waren es 182 angezeigte und davon 79 geklärte Fälle; 2008 waren es 187 angezeigte Fälle – ein leichter Anstieg –, und nur 85 wurden geklärt. Bei den Einbruchsdelikten waren es in Niederösterreich 2007 1 765 Fälle, und nur 174 konnten geklärt werden. 2008 waren es 1 307 Fälle, davon wurden 95 geklärt. Das heißt, das ist ein Minus von 45 Prozent bei den geklärten Fällen. In Bruck an der Leitha waren es im Vergleichszeitraum 2007 49 angezeigte Delikte, davon konnten 16 geklärt werden. 2009 sind es bis jetzt im Vergleichszeitraum 39 Fälle, und alle ohne Klärung.

Im Vergleichszeitraum Jänner ist die Kriminalität in Bruck von 2008 auf 2009 sogar um 20 Prozent gestiegen, und niederösterreichweit um 16,7 Prozent. Das Land Niederös­terreich hat damit eine traurige Spitzenposition erreicht. Mit diesem Anstieg der Krimi­nalität um 16,7 Prozent allein in den Monaten Jänner und Februar weist Niederöster­reich die höchste Kriminalitätssteigerung aller Bundesländer auf. 11 615 angezeigten Fällen im Jänner und Februar 2008 stehen nun heuer bereits 13 556 gegenüber, also eine Zunahme um rund 2 000 angezeigte Fälle.

Beinahe täglich werden in Niederösterreich neue und spektakuläre Einbrüche und Überfälle gemeldet. Leider gibt es auch keinen Bezirk in Niederösterreich, dessen Dienststellen nicht über akute Personalnot klagen.

In den letzten Jahren wurden ja Dutzende Wachzimmer zugesperrt. Vor allem in den ländlichen Regionen gibt es viel zu wenige Polizeiposten und damit auch viel zu we­nige Polizeistreifen. In den verbliebenen Dienststellen sind viele Planstellen gar nicht besetzt, und der normale Dienstbetrieb kann kaum aufrechterhalten werden. Die stei­gende Kriminalität kann man nur mit mehr Polizistinnen und Polizisten bekämpfen. Ich freue mich, dass es da auch die Zusage gibt, für mehr Personal zu sorgen. Allein Nie­derösterreich braucht 500 BeamtInnen mehr, und das wirklich so rasch wie möglich. Grundsätzlich kann aber festgestellt werden, dass die Exekutivbeamten wirklich alle hervorragende Arbeit leisten. Es gibt aber noch immer kein positives Sicherheitsgefühl bei den Menschen in diesem Land.


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Der Personalfehlstand bringt natürlich eine Mehrbelastung nicht nur für die Beamten. Es ist ja oft auch so, dass in den Dienststellen ein einzelner Beamter seinen Dienst tut, und Beamte der kleineren Dienststellen müssen auch vermehrt auf der Bezirksstelle eingesetzt werden und fehlen daher wiederum im eigenen Bereich. Die gemischten Streifen – in meinem Bezirk zum Beispiel ein slowakischer und ein österreichischer Be­amter – werden zur Nachtzeit nicht mit Journaldiensten verbunden. Das bedeutet einen durchgehenden Nachdienst, oft ohne Erholungsphasen. – Lkw-Lenkern wird in solchen Fällen sogar die Weiterfahrt untersagt.

Aus Sicherheitsgründen sollte daher die Anwendung des Dienstzeitmanagements auf allen Streifen – auch auf gemischten Streifen – forciert werden. Wenn ich vielleicht am Beispiel des Bezirks Bruck an der Leitha die Probleme beim Personal kurz aufzeigen darf: Wir haben insgesamt 184 systemisierte Posten, tatsächlich aber nur 127 – das heißt ein Minus von 30 Prozent –, und dienstbar sind überhaupt nur 110 – das heißt ein Minus von 74 BeamtInnen. (Bundesrat Perhab: Warum? Bundesrat Hensler: Chris­ta, wir sind aber in Niederösterreich der beste Bezirk bei der Aufklärung!) – Ja, aber nicht in jedem Bereich, wenn du dir die Zahlen angesehen hast. (Bundesrat Hensler: Christa!)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist Frau Kollegin Vladyka!

 


Bundesrätin Christa Vladyka (fortsetzend): Im Bezirk Bruck an der Leitha besteht da­her ein Fehlstand von 74 BeamtInnen zum systemisierten Stand und daher ein Minus von 40 Prozent. Ich bitte daher eindringlich darum, dass wir den erforderlichen Perso­nalstand erreichen können. Wenn immer wieder gesagt wird, dass man nicht alles schlechtreden soll und dass man auch Vorschläge bringen soll, dann darf ich vielleicht auch gleich einen Vorschlag einbringen:

Eine mögliche Variante ist ja die Errichtung einer Ausgleichsmaßnahmendienststelle beim GÜP Hainburg an der Donau, wo ein systemisierter Personalstand von 50 Beam­ten notwendig ist. Die sind sowieso nötig, um auch die erforderliche Grenzraumsiche­rung mit vier Doppelstreifen und die Stellung einer Bootsbesatzung für den Donau­dienst zu gewährleisten.

Man könnte die GREKO Berg, wo ohnehin keine Grenzkontrollen stattfinden, auflö-
sen und dieses Personal an den GÜP Hainburg in die AGM-Dienststelle überstellen. Eine Kosteneinsparung bei der Gebäudemiete und bei den Betriebskosten für die GREKO Berg könnten dadurch ebenfalls erzielt werden. Wichtig ist die Installierung am GÜP Hainburg auch deshalb, weil die Kriminellen verstärkt aus Richtung Osten und nicht aus dem Norden kommen. Das ist auch eine Erkenntnis der letzten Schwerpunkt­aktion. Gezeigt hat sich bei dieser Schwerpunktaktion, im Zuge derer 3 000 Kontrollen durchgeführt wurden, auch, dass immer mehr Kriminelle auf das nachrangige Straßen­netz ausweichen. Auch dieser Umstand unterstreicht einen Standort und die Aufsto­ckung um zumindest 50 Personen am GÜP Hainburg.

Da in den letzten Wochen wieder ein starkes Ansteigen der Eigentumskriminalität merkbar ist, ist ja ohnehin die Schaffung eines Personalpools für Ersatz bei Karenz- und Sonderverwendungen und Langzeitzuteilungen – das sind Beamte mit zeitaufwen­diger Sonderverwendung, die aber nur über dem systemisierten Personalstand einer Dienststelle versetzt werden sollten – notwendig und erforderlich.

Ich habe auch noch die Bitte, dass der Dienstgeber den Bediensteten für den Grenz­dienst endlich die Klarheit, die sie brauchen, darüber gibt, wie es mit dem Grenzdienst weitergeht, und dass nicht – wie mit dem Jahreswechsel geschehen – auf eine neu eingerichtete Kommission mit Ergebnissen in einigen Jahren verwiesen wird.


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Abschließend erlauben Sie mir noch folgende Feststellung: Spezialisierte Sonderein­heiten und Schwerpunktaktionen sind eine wirklich sehr gute und sinnvolle Sache. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass dazu bisher keine zusätzlichen Be­amtinnen und Beamten eingestellt wurden. Trotz der vereinbarten Ausbildung von 1 000 zusätzlichen Polizistinnen und Polizisten bleibt noch immer ein Minus von rund 2 000 Beamtinnen und Beamten bestehen. Bundesweit wurden ja rund 3 000 Planpos­ten abgebaut.

Für eine verstärkte Streifentätigkeit und mehr Polizeipräsenz in Städten und Gemein­den brauchen wir wirklich rasch genügend Personal, eine gute und zeitgemäße Aus­rüstung und entsprechend gut ausgestattete Dienststellen.

Ich ersuche daher nochmals eindringlich darum, im Sinne unserer Bevölkerung hiefür Sorge zu tragen, denn, wie heißt es so schön, die Sicherheit und die persönliche Frei­heit sind die einzigen Dinge, die ein Einzelwesen nicht selbst gewährleisten kann.

In diesem Sinne möchte ich allen, die tagtäglich für unsere Sicherheit Sorge tragen – wie zum Beispiel die Polizistinnen und Polizisten, aber auch das Bundesheer, das bei uns in Niederösterreich auch noch Sicherheitsdienst leistet, um nur einige zu nennen –, meinen ganz persönlichen Dank aussprechen. Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

14.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Fekter das Wort. – Bitte.

 


14.31.48

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ganz zu Beginn möchte auch ich mich bei der Beamtenschaft für diesen umfangreichen Sicherheitsbericht bedanken.

Es ist bedauerlich, dass wir den Sicherheitsbericht 2007 erst jetzt hier debattieren. Das hängt ein bisschen mit der Wahl im Vorjahr zusammen, und auch mit der Statis­tik Austria, weil die Justiz einige Daten von der Statistik Austria gebraucht hat. Dadurch ist diese Verzögerung entstanden. Wir peilen derzeit an, den Sicherheitsbericht 2008 bis zum Sommer ins Parlament zu bringen. Wir sind bereits relativ weit, aber wir müs­sen das natürlich auch mit der Justiz akkordieren, und ich stehe da im Einvernehmen mit meiner Kollegin Bandion-Ortner.

Lassen Sie mich nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf die einzelnen Bei­träge der Herren und Damen Bundesräte eingehen! Ich hoffe, dass ich ein bisschen etwas zur Aufklärung von Missverständnissen beitragen kann.

Ganz zu Beginn möchte ich dem Herrn Kollegen Ertl sagen: Der Sicherheitsbericht be­steht aus zwei Teilen: aus diesem dicken Buch und aus diesem dünneren. (Die Redne­rin hält die genannten Bände in die Höhe.) Dieser dünnere Teil dürfte Ihnen zur Gänze entgangen sein, weil Sie nämlich in Ihrer Rede gemeint haben, dass sich im Bericht die Täter unter 14 Jahren nicht fänden.

Es stimmt, im Sicherheitsbericht selber ist nur von Jugendlichen – 14 aufwärts – die Rede. Aber auf jeder gelben Seite (die Rednerin hält den dünneren Band in die Höhe) stehen auch Daten zu den Unter-Zehnjährigen, zu den Zehn- bis 14-Jährigen und zu den 14- bis 18-Jährigen.

Ich schenke Ihnen das, dann können Sie das nachlesen, und dann wissen Sie, wie das geht. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Es ist so, dass die Zahlen erfreulich sind, weil sie 2007 im Vergleich zu 2006 rückläufig sind. Auch im Sicherheitsbericht 2008 wird es nach wie vor so sein, dass die Zahlen


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rückläufig sind, weil auch von 2007 auf 2008 wieder ein Rückgang in der Kriminalität zu verzeichnen war.

Wir haben aber erkannt, dass es bereits beginnend mit Herbst über die Wintermonate doch zu einem erheblichen Anstieg der Kriminalität gekommen ist. Das heißt, wir konn­ten im ersten Quartal keine rückläufigen Zahlen mehr verkünden, sondern nur mehr Anstiege. Speziell bei den Einbrüchen, bei den Wohnungseinbrüchen ist die Irritation in der Bevölkerung schon erheblich, daher hat es auch Schwerpunktarbeiten diesbezüg­lich gegeben. Dazu komme ich jedoch noch.

Kollege Dönmez hat angeregt, dass die Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates in diesen Sicherheitsbericht aufgenommen werden sollen. Herr Kollege Dönmez! Der Menschenrechtsbeirat gibt jährlich einen eigenen Bericht heraus, nämlich den soge­nannten Menschenrechtsbericht. Der ist relativ umfangreich und befasst sich im Detail mit den Empfehlungen, deren Umsetzung und der Aufarbeitung der einzelnen Fälle.

Ich hielte es für ein Überborden des Gesamtsystems, wenn man die Einzelberichte, die andere institutionelle Einrichtungen herausgeben, dann da hineinformuliert. Daher macht es, so glaube ich, keinen Sinn, in den Sicherheitsbericht auch noch den Men­schenrechtsbericht hineinzuschreiben, weil die Empfehlungen im Menschenrechtsbe­richt relativ genau und detailliert aufgenommen werden.

Ich halte es auch im Hinblick auf die mediale Aufmerksamkeit und hinsichtlich dessen, wie man etwas öffentlich wahrnimmt, für besser, wenn diese Daten im Menschen­rechtsbericht bleiben, denn der ist aktueller im Hinblick auf den Zeitablauf, und man konzentriert sich dort nur auf die Empfehlungen und menschenrechtlichen Untersu­chungen der Kommissionen, darauf, was gemacht worden ist, auf die begleitende Kon­trolle und dann darauf, was der Menschenrechtsbeirat sagt.

Wenn sich das hier im Gesamtbericht – unter Anführungszeichen – „auch“ findet, dann, so glaube ich, kommt dem Menschenrechtsbericht nicht die verdiente Aufmerksamkeit zu, die ihm eigentlich zusteht.

Daher kann ich Ihre Anregung nicht ganz positiv sehen, wo es doch einen eigenen Be­richt dafür gibt, denn selbst wenn man vielleicht ein kleineres Kapitel mit hineinnimmt, kommt voraussichtlich die Kritik, warum wir nicht mehr geschrieben haben.

Zum Kollegen Kalina. Lieber Herr Kollege! (Heiterkeit bei der SPÖ. Bundesrat Todt: Das ist ja wie in der Schule! Bundesrat Dönmez: Abgehakt, der Nächste!) Ich bedan­ke mich einmal herzlich für Ihren wohlmeinenden Tipp, ich solle ein bisschen vorsichti­ger und zurückhaltender agieren. Inwieweit das meiner Art entspricht, weiß ich noch nicht. (Allgemeine Heiterkeit. Bundesrat Gruber: Eigentlich gar nicht!) Ich werde aber die Dinge, die ich für notwendig erachte, auch in Zukunft dezidiert ansprechen.

Ich möchte Ihnen auch erläutern, warum ich der Auffassung bin, dass wir einen neuen Gesamttatbestand Identitätsbetrug brauchen. Das war mit Ministerin Bandion-Ortner akkordiert. Bedauerlicherweise hat ihre Pressesprecherin nicht die Meinung der Minis­terin von sich gegeben. Es ist in den Medien auch nur die Pressesprecherin zitiert wor­den, nicht die Frau Minister.

Ich empfehle jedem, die „Salzburger Nachrichten“ vom vergangenen Wochenende zu lesen. „Asylbetrug mit falschem Pass. Ertappt. Asylbewerber bezog Grundversorgung und arbeitete unter falscher Identität. In der Asylunterkunft wohnte eine Bekannte.“ Das ist alles strafbar.

Ich will ja nicht neue Strafen einführen, sondern es gibt das Phänomen – und das steht auch in den „Salzburger Nachrichten“, die haben das recherchiert –, dass die Identi­tätsverschleierung, der Identitätsbetrug zu Urkundendelikten, zu falschen Beweisaus-


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sagen vor den Behörden, zu Sozialmissbrauch und zu Erschleichung von Aufenthalts­titeln führt. Es gibt also etliche Einzelelement-Tatbestände: Zuerst sagt er einmal, er weiß überhaupt nicht, wer er ist, dann heiratet er eine Österreicherin, hat aber plötzlich einen Pass, dann besorgt er sich einen Führerschein oder meldet ein Auto an, unter ganz einem anderen Namen.

Unter Umständen lässt er sich auch noch in einem Krankenhaus mit einer e-card, die nicht ihm gehört, behandeln. Das ist ein Phänomen, das uns im Asylbereich zuhauf be­gegnet, um den Behörden die Arbeit möglichst schwer zu machen.

Wir haben bereits jetzt in den unterschiedlichen Gesetzen Tatbestände drinnen: Die Verwendung einer gefälschten e-card ist selbstverständlich im Sozialversicherungs­recht ein Delikt, und die Erschleichung eines Aufenthaltstitels ist natürlich strafbar. Aber wir haben die einzelnen Strafbarkeiten zersplittert in einer Fülle von Gesetzen und nicht als einen Tatbestand mit unterschiedlichen Merkmalen, mit unterschiedli­chen Strafqualifikationen, je nach Schadenshöhe, die man verursacht, im Strafgesetz­buch. Weil sich jetzt der Urkundenmissbrauch, der Betrug als solcher, die Erschlei­chung des Aufenthaltstitels, die Verwendung von falschen Ausweisen, alles eher zer­splittert in den unterschiedlichen Materiengesetzen findet, kommt es auch zu keinen Anzeigen. Weil die Ärzte sagen: Na gut, die Krankenkasse zahlt das eh, wem die e‑card jetzt wirklich gehört, ist uns eigentlich egal!, oder die Kfz-Behörde sagt: Na ja, der hat einen Ausweis vorgelegt, und auf den Namen melde ich das Auto jetzt an; auf wen es angemeldet ist, ist ja dann wurst!, wird eben auch keine Anzeige erstattet.

Eine Ärztin in Vöcklabruck hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass sich jemand mit der e-card behandeln ließ, der laut dieser ein Dialysepatient mit nur einer Niere war. Gekommen ist aber einer, der, was seine Nieren angeht, pumperlg’sund war – er wollte sich den Meniskus operieren lassen! Diese Ärztin sagte: Tut doch etwas, diese Schwindlereien sind gang und gäbe. – Ich bin dann zur Behörde gegangen, und dort hat man mir gesagt: Ja, den kennen wir schon! Der wird bei uns unter Aliasnamen A, B, C, D geführt, je nach Behörde.

Aus Datenschutzgründen ist ein Behördenaustausch bezüglich der Daten sehr schwie­rig. Daher habe ich vorgeschlagen, all diese Straftatbestände, die sich jetzt schon in Nebengesetzen oder im Materienrecht befinden, aber unter dem Phänomen „Identitäts­betrug“ subsumierbar sind, zu einem einheitlichen Straftatbestand zusammenzufas­sen und ins Strafgesetzbuch zu geben, damit ein Unrechtsbewusstsein darüber ent­steht, denn derzeit haben die Menschen kein Unrechtsbewusstsein dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Dass sich die Richterschaft und die Experten aus dem Justizressort sofort kritisch zu Wort gemeldet haben, das bin ich, die ich 14 Jahre lang Justizsprecherin war, ge­wohnt. Das haben sie uns nämlich beispielsweise auch bei der Genitalverstümmelung erzählt. Auch bei der Genitalverstümmelung waren wir der Auffassung, wir brauchen einen eigenen Tatbestand, damit Unrechtsbewusstsein dafür entsteht. Die Experten haben gesagt: Na, ist eh Körperverletzung, da brauchen wir nichts Neues! – Wir haben es gebraucht, und ich halte das auch für richtig, um ein Unrechtsbewusstsein zu schaf­fen, denn man soll den österreichischen Behörden durch Identitätsbetrug nicht auf der Nase herumtanzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es müssen sich auch diejenigen, die zu uns kommen und bei uns bleiben wollen, an unsere Rechtsordnung halten, und das heißt eben nun einmal: Man muss sagen, wer man ist, und nicht mehrere Identitäten bei den Behörden unterschiedlicher Art ange­ben, und man muss mit den Behörden kooperieren, wenn es um Ermittlungsverfahren geht, und nicht permanent verschleiern und – sage ich jetzt einmal – die Dinge mög­lichst so darstellen, dass die Behörde nicht effizient arbeiten kann.


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Das wollte ich wirklich einmal aufklären, dass wir hier sehr wohl Handlungsbedarf ha­ben. Ich will keine neuen Strafen einführen, ich will keine höheren Strafen einführen, ich will nur die bestehenden Tatbestände zusammenfassen und ins Strafgesetzbuch schreiben, damit ein besseres Unrechtsbewusstsein auch bei der sogenannten Bera­tungsinfrastruktur entsteht, damit klargestellt ist, dass das deliktisches Verhalten ist. (Zwischenruf des Bundesrates Kalina.) – Das war vielleicht nicht vorsichtig genug, Herr Kalina, aber hoffentlich verständlich. (Heiterkeit.)

Herr Einwallner hat um einen Ausblick gebeten, was geschieht, da ja bekannt ist, dass die Kriminalität seit Spätherbst im Steigen ist. Wir sind zuversichtlich, dass wir bereits seit Herbst die richtigen Schritte zu setzen begonnen haben. Es hat ein Sofortpro­gramm gegeben; im Ausschuss konnte Herr General Lang dieses ja detailliert erläu­tern. Es ist sowohl die strategische Ausrichtung als auch die operative Ausrichtung mit ganz neuen Elementen versehen. Die Schwerpunktaktionen konzentrieren sich haupt­sächlich auf das Ziel, die Täter zu fassen, die Strukturen, die dahinterstehen, zu erken­nen, also: Wie gehen die vor? Was haben sie für eine Logistik? Was haben sie für einen Modus Operandi? Wer spioniert? Wer kommt mit welchem Werkzeug? Wie brin­gen sie die Ware wohin – in mehreren Etappen, in einzelnen Etappen, zerstreut, zen­tral, et cetera?

Dadurch signalisieren wir der Bevölkerung, wir unternehmen etwas gegen dieses Phä­nomen, das wir ja erkennen, und vor allem stören wir damit auch die Kreise dieser kriminellen Energie massiv, damit à la longue Österreich oder der Wiener Raum von diesen Leuten nicht mehr in dem Ausmaß als interessant empfunden wird.

Diesbezüglich steht bereits im Koalitionsübereinkommen, dass wir ein abschrecken­deres Instrumentarium für diese Täter brauchen. Wir müssen ihnen verstärkt die Res­sourcen entziehen. Wir kennen ja derzeit im Verwaltungsstrafrecht – bei Kraftfahrzeu­gen beispielsweise – die Verhängung einer Sicherheitsleistung. Das heißt, wenn die Betreffenden mit dem Lkw unterwegs sind, der überladen ist oder was immer, kann ihnen die Behörde eine Sicherheitsleistung in Höhe von mehreren tausend Euro abver­langen. Wenn man als Chauffeur das Geld nicht mithat, wird der Lkw beschlagnahmt. Wenn man diesen Lkw nicht auslöst und damit die Sicherheitsleistung erlegt, wird der Lkw innerhalb von 72 Stunden versteigert, und das Geld ist dann die Sicherheitsleis­tung.

Das kennen wir nur im Verwaltungsstrafrecht. Das heißt, bei Verkehrsdelikten sind wir effizient, aber bei krimineller Energie sind wir nicht in diesem Ausmaß effizient. Daher habe ich vorgeschlagen, auch bei den Straftätern eine ähnliche Sicherheitsleistung zu verlangen, um nämlich das Verfahren sicherzustellen auch für den Fall, dass der Täter nicht mehr da ist. Ich kann ihm, wenn er „abtschapiert“, um dieses Geld, das die Si­cherheitsleistung ausmacht, einen Verfahrenshilfekurator zur Verfügung stellen und das Verfahren in Abwesenheit rechtsstaatlich abwickeln. Ich habe die Strafe dann gleich eingehoben, ich kann die Opfer entschädigen, ich kann einen Schadenersatz leisten, und gleichzeitig wirkt es, wenn ich den Tätern den Lkw oder den Pkw konfis­ziere und ihnen damit die Ressourcen entziehe, allemal abschreckender als Anzeige auf freiem Fuß.

Wir sind derzeit im Gespräch mit dem Justizressort, diese Sicherheitsleistung für die gerichtlichen Straftaten rechtsstaatlich aufzusetzen – in einer nicht sehr bürokratisie­renden Form, denn die derzeitigen Beschlagnahmebestimmungen sind untauglich. Wenn ich nämlich den Lkw beschlagnahme und irgendwo abstelle, rostet der vor sich hin, bis womöglich in drei, vier Jahren das Verfahren abgeschlossen ist, und dann klagt mich unter Umständen der Täter, weil der Lkw verrostet ist.


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Das ist also kein geeignetes Instrument. Ich will den Lkw in Geldwertesummen umwan­deln können, und das Geld ist die Sicherheitsleistung und wird treuhändisch verwaltet. Wenn es zu einem Freispruch kommt, bekommt der Betreffende das Geld samt Zinsen zurück.

Wir müssen einfach abschreckendere Instrumente haben, denn auf freiem Fuß anzei­gen stört einen Moldawier oder einen Georgier oder einen Serben überhaupt nicht, wenn sie bei uns auf Beutezug gehen.

Weiters haben wir derzeit größere Programme im Präventionsbereich laufen. Das heißt, es gibt in allen Bezirken in Wien spezielle Veranstaltungen, wie man sich besser schützt. Dadurch, dass wir ja ein sehr sicheres Land sind, ist natürlich bei uns doch auch – ich gebe das zu; es hat mich ja selbst erwischt mit meiner Handtasche (Heiter­keit) – eine gewisse Unaufmerksamkeit in der Bevölkerung vorhanden, und die Präven­tionsmaßnahmen dienen dazu, die Aufmerksamkeit im Sinne des Eigenschutzes zu verstärken.

Es gibt vermehrte Streifentätigkeit der Polizei, uniformiert und zivil. Sogenannte Grätzel­streifen kümmern sich um die Hot Spots, um jene Straßenzüge und jene Bereiche, in denen Kriminalität verstärkt auftritt.

Wir haben eigene Tatortarbeiten in der Strategie aufgesetzt. Das heißt, wir schauen uns den Modus Operandi der Täter wesentlich genauer an als in früheren Jahren, denn dieses Massenphänomen der Einbrüche ist ja etwas, was nicht nur eine einzelne Tä­tergruppe betrifft, sondern ganze – unter Anführungszeichen – „Horden“, die in einer sehr unangenehmen Professionalität sehr clever vorgehen. Daher sind wir hier in der Täterarbeit intensiv tätig. Das heißt, wir nehmen mehr DNA-Spuren, wir schauen uns speziell an, wie sie am Tatort vorgegangen sind.

Dazu sind 450 Tatortbeamte eigens ausgebildet worden, die dann auch mit dem betrof­fenen Opfer intensiveren Kontakt suchen, also nicht nur durch die Polizei einmal Kon­takt aufnehmen, sondern intensiveren Kontakt suchen, um hier auch noch Hintergrün­de der Tatortszene zu erfahren. Wir hoffen, dadurch die Logistik dieser Täter etwas mehr stören zu können.

Im Rahmen des Sofortprogramms für Wohnungseinbrüche gibt es eigene Operationen dafür. Wir haben das regional besonders verstärkt, und wir haben Personal diesbezüg­lich aufgerüstet. Wir machen bezüglich der Wohnungseinbrüche eigene Präventions­schwerpunktprogramme sowie eine Nachbearbeitung für die Opfer.

Bedauerlicherweise ist die Aufklärungsquote noch sehr gering. Es konnte die Reform für das Kriminalamt erst im Herbst des vorigen Jahres abgeschlossen werden, also sie sind erst ein paar Monate operativ wieder in vollem Einsatz. Ich glaube, dass wir mit der jetzigen Strategie auch in guter Kooperation mit den einzelnen Dienststellen hier Erfolge erzielen werden.

Der Einbruchsdiebstahl und die Jugendkriminalität sind meine Hauptschwerpunkte, weil das die Bevölkerung am meisten irritiert.

Zum Bezirk Bruck an der Leitha, Frau Bundesrätin Vladyka: Wir haben mit den Grenz­bezirken, sowohl in Niederösterreich als auch im Burgenland, als auch in der Steier­mark, keine großen Probleme, außer dass wir dort die Überkapazitäten haben. Das heißt – alle wissen es –, dass die ehemalige Grenzpolizei, die Grenzpolizeidienststel­len, die Zollwachen, dringender in den Ballungszentren oder entlang der Hauptver­kehrsrouten gebraucht werden. Zu Ballungszentren gehören natürlich auch die Um­landbezirke in Wien, die auch zu Niederösterreich gehören, und zu Ballungszentren und Hauptverkehrsrouten gehören natürlich auch die von Ihnen angesprochenen AGM-


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Maßnahmen entlang der Autobahnen und der Schnellstraßen und der Ausfallsstraßen vom Zentrum.

Wir sind gerade dabei, hier die Strukturen neu aufzubauen. Die Schengen-I-Reform ist ja bereits umgesetzt. Wir sind derzeit im Rahmen von Schengen-II auf freiwilliger Basis unterwegs. Das heißt, dort, wo wir Ausgleichsmaßnahmen gesetzt haben, können sich die Polizistinnen und Polizisten aus den Grenzbereichen bewerben, näher zu oder in Ballungszentren zu kommen. Das können sie freiwillig entscheiden, ob das für sie in ihrer Lebensplanung eine geeignete Dienststelle im Hinblick auf die Pendeldistanz sein könnte. Das wird unterschiedlich sein, aber wir haben derzeit keine Zwangsversetzun­gen vor, sondern appellieren an die Vernunft der Beamtinnen und Beamten, die ja alle wissen, à la longue werden wir an den Grenzen diese Mannschaftsstärke nicht auf­rechterhalten können.

Damit wir hier aber objektiv vorgehen, steht im Koalitionsübereinkommen, dass wir uns das anhand der eigentlichen Belastungszahlen konkret anschauen. Das ist ein mittel­fristiges Projekt. Das heißt, wir werden die Belastungskennzahlen für alle Regionen und Bereiche im Detail ermitteln und dann eine neue Systemisierung vornehmen. An­hand dieser Belastungskennzahlen werden wir dann die Mannschaft dort zum Einsatz bringen, wo wir sie auch tatsächlich brauchen.

Ich sage Ihnen ehrlich, mir ist es schon ein Anliegen, dass wir hier objektiv vorgehen, weil ich als Politikerin natürlich weiß, jeder Bürgermeister, jeder Mandatar muss, ob ge­rechtfertigt oder nicht gerechtfertigt, nach mehr rufen. Dafür habe ich grundsätzlich Verständnis. Wenn man dann aber entscheidet, muss man dies anhand objektiver Kri­terien tun. Die Belastungskennzahlen werden ein Mix sein aus Kriminalitätsanfallszah­len, aus Bevölkerungsdichte, aus Infrastruktureinrichtungen, also all dem, was für Poli­zeiarbeit ausschlaggebend ist, und anhand dieser Zahlen schauen wir uns dann an, wie wir sozusagen die Mannschaft zum Einsatz bringen.

Der „Flexipool“ für die Karenzvertretungen ist mir persönlich ein riesiges Anliegen. Es soll nicht ein Kommandant einer Polizeiinspektion gleich einen Schock kriegen, weil zwei seiner „Mädels“ schwanger werden. Ganz im Gegenteil: Er soll eine Garantie da­für haben, dass er, wenn sie in Karenz gehen, selbstverständlich sofort Nachbesetzung bekommt. Der Karenzpool wird sich aus den Polizeischülern speisen. Das sind 1 000 Ausbildungsplätze pro Jahr. Tausend Babys im Jahr werden wir aber nicht haben, das ist nicht zu erwarten. (Heiterkeit.) Hier werden wir im Karenzpool noch Kapazitäten für zusätzliche Zuteilungen haben.

Es ist mir persönlich ein Anliegen, Ihnen auch noch zu sagen, dass die Maßnahmen, die im Rahmen des Planquadrats vorige Woche gesetzt worden sind, ein voller Erfolg waren. Ein herzliches Dankeschön an die Exekutive von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, die hier hervorragend zusammengearbeitet haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir haben diesbezüglich auch wirklich schöne Fahnungserfolge erzielt, und ich bedan­ke mich bei den Planern dieser Aktion und bei den Beamtinnen und Beamten, die das enorm motiviert durchgeführt haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­ten der SPÖ.)

14.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer zweiten Wortmeldung erteile ich Herrn Bun­desrat Dönmez das Wort. – Bitte.

 


15.00.02

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 101

Fekter, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört und auch die Berichterstattung in der Presse mitverfolgt, daher möchte ich an dieser Stelle deponieren: Sie haben recht und es stimmt, Frau Ministerin, in diesem Bereich gibt es ein Problem in Bezug auf die Identitätsfeststellung. Das ist Faktum; die Analyse ist richtig.

Aber ich verstehe die Lösungsvorschläge nicht, die Sie daraus ableiten, denn automa­tisch, immer reflexartig nach schärferen Gesetzen ... (Bundesrat Kneifel: Efgani, sprich ins Mikrophon! Man hört dich nicht!) – Ach so, ihr hört mich nicht? Ich dachte, ich habe eh so ein lautes Organ. Entschuldigung! Danke. – Also daraus immer gleich sozusagen eine Verschärfung der Gesetze zu verlangen, wo meines Erachtens die Beamten/die Beamtinnen in ihrer Tätigkeit unterstützt gehören – vom Erstaufnahmezentrum über die Bundesasylämter bis hin zu den Polizeistuben –, das wäre wichtig und richtig. (Vize­präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Missstände gibt es und die möchte ich gar nicht in Abrede stellen, aber ich verstehe nicht, dass Sie da alle in einen Topf werfen, denn wenn man nach Österreich zuziehen will, eben über die legale Schiene Migration, dann wissen Sie und wir alle, dass man dafür gewisse Voraussetzungen erfüllen muss: Man muss Haftungserklärungen, man muss einen Reisepass vorlegen, aus dem die Identität ersichtlich wird – und das alles wird dann überprüft.

Ich glaube daher auch nicht, dass Sie diese Zuwanderinnen und Zuwanderer meinen, sondern jene Menschen, die via Asylverfahren nach Österreich kommen. Da wäre doch allen Beteiligten eher geholfen, wenn wir die Behörden, die tagtäglich mit diesen Leuten arbeiten, dahin gehend unterstützen, dass Asylverfahren qualitativ und quanti­tativ beschleunigt werden können.

Asylwerber, die in der Grundversorgung sind, haben einen Anspruch auf medizinische Versorgung – und deshalb verstehe ich auch nicht die „Argumentation“, dass sich die­se Leistungen „erschwindeln“ würden. – Das können doch nur jene wenigen sein, die sozusagen aus der Grundversorgung herausfallen – aus welchen Gründen auch im­mer.

Was das Thema Beantragung von Führerscheinen durch Asylwerber betrifft: Ich kenne das und weiß, wovon ich rede, denn ich bin seit zehn Jahren in diesem Bereich tätig – und ich weiß, was Sie meinen. Ja, es stimmt, es gibt solche Leute. Aber: Wenn die NGO oder die Behörde erfährt, dass die betreffenden Personen ein Fahrzeug haben, so führt das aus der Entlassung aus der Grundversorgung.

Noch einmal und zusammenfassend: Die Problemanalyse stimmt, aber was Lösungs­vorschläge anlangt, wäre es meines Erachtens viel effizienter, Erstaufnahmezentrum, Bundesasylämter und Polizeistuben mit den notwendigen Ressourcen auszustatten, als Gesetze zu verschärfen oder zu bündeln, Gesetze, die ja dann sowieso, und zwar wieder aufgrund fehlender Ressourcen, nur schwer vollzogen werden können. Das wollte ich noch anmerken. – Danke. (Bundesministerin Dr. Fekter: Es war schon wohl­tuend, dass Sie mir recht gegeben haben in der Analyse!)

15.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 102

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.04.079. Punkt

Grüner Bericht 2008 der Bundesregierung (III-352-BR/2008 d.B. sowie 8100/BR d.B.)

10. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2009 gemäß § 9 LWG 1992 (III-353-BR/2008 d.B. sowie 8101/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 9 und 10 ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um die Berichte.

 


15.04.28

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich bringe die beiden Berichte: den Grünen Bericht 2008 der Bundesregierung sowie den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jah­re 2009.

Die Berichte liegen in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstel­lung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 2009 den Antrag, den Grünen Bericht 2008 der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters: Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 2009 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2009 gemäß § 9 LWG zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. Ich erteile ihm dieses.

 


15.05.27

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben den Grünen Bericht sowie den Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft auf unserer heutigen Tagesordnung.

Erlauben Sie mir vorerst, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine klare Feststel­lung: Bauer zu sein ist ein schöner Beruf – und ich weiß, wovon ich spreche. Öster­reich ist ein wunderbares Land, und wenn man mit offenen Augen vom Bodensee zum Neusiedlersee fährt, kann man mit Fug und Recht sagen: Wir leben hier in wunderba­ren Regionen, und wir können daher auch unser Heimatgefühl voll ausleben.

Ich möchte auch sagen, dass das alles nur deshalb möglich ist, weil wir in unserem Lande fleißige Menschen haben, Menschen, die Tag für Tag aktiv zum Landschaftser­halt beitragen. Auf der einen Seite sind die Konsumenten zu erwähnen, auf der ande­ren Seite die Bauern, die das Land bearbeiten.


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Bauer zu sein, das bedeutet nicht nur, Lebensmittel zu erzeugen und so Tag für Tag den Tisch der Österreicherinnen und Österreicher zu decken, sondern bedeutet mehr, nämlich da zu sein für die Erhaltung der Umwelt und für Lebensqualität zu sorgen – und ebenso anzuführen sind im Zusammenhang mit diesem Beruf die Bereiche Frem­denverkehr, Erholung, Kulturlandschaft. Eine breite Palette, die heute die Landwirte Österreichs abzudecken haben – und sie tun das gerne. Und das alles zusammen ist unsere Heimat. Das gehört uns, und wir sind stolz darauf.

Unter dieser Grundvoraussetzung sollte man überhaupt, wie ich meine, die Entwick­lung der Landwirtschaft sehen. Die wahren Werte liegen nicht in materiellen Aspekten, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern darin, was man geben kann und geben will. Die Landwirtschaft will den Konsumentinnen und Konsumenten auch eine intakte Umwelt bieten.

Dazu bedarf es aber auch – und das möchte ich besonders hervorstreichen – bestimm­ter Rahmenbedingungen. Und dazu bedarf es auch bestimmter Akzente und Impulse. Rahmenbedingungen bedeuten aber auch, die Grundvoraussetzung, das Instrument zur Verfügung zu haben, um gewisse Voraussetzungen schaffen zu können. Und Rah­menbedingungen werden in sehr vielen Bereichen von der Politik gesetzt.

Zu ganz wichtigen Rahmenbedingungen zählt der Grüne Pakt, und das bedeutet: bis zum Jahre 2013 volle Sicherheit für unsere Bauern. Wichtig ist, dass dieser Grüne Pakt existiert, aber ebenso wichtig ist das Umweltprogramm. 75 Prozent der Bauern mit na­hezu 90 Prozent der Flächen nehmen daran teil. Wir Österreicher sind da in Europa in einer Vorreiterrolle.

Noch etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zwar auch in Richtung un­seres geschätzten Herrn Bundesministers Berlakovich: Sie alle, meine Damen und Herren, kennen die Problematik rund um das Thema Genmais, und Sie wissen auch, dass es unser geschätzter Herr Bundesminister durchgesetzt hat, dass in Österreich kein Genmais angebaut werden darf; das ist ganz, ganz wichtig. Und was mich per­sönlich sehr freut, ist, dass Deutschland da jetzt mit uns geht und sagt: Der Weg, den Österreich eingeschlagen hat, der Weg, den du, geschätzter Herr Bundesminister Berlakovich, eingeschlagen hast, ist vorbildhaft für uns!

Und ich darf sagen: Als österreichischer Bauer bin ich stolz darauf, dass dir, Herr Bun­desminister, die Durchsetzung des Genmais-Verbotes in Österreich gelungen ist. Recht herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Erwähnen möchte ich hier auch noch das Bergbauernprogramm und die Investitions­offensive; da geht es seitens der EU um 3,7 Milliarden €. Ein großer Betrag, aber es bedarf da sicherlich auch einer Co-Finanzierung – und da möchte ich auf der einen Seite das Land Niederösterreich nennen, auf der anderen Seite den Bund. Diese Co-Finanzierung zu sichern bedeutet eine vernünftige Agrarpolitik, und zwar sowohl für die Konsumenten als auch für die Bauern. Diesen Spagat zu machen, das ist uns wichtig. Und zweifelsohne kann man das als bedeutenden Baustein für die österreichische Landwirtschaft bezeichnen.

Selbstverständlich machen sich auch die Bauern Gedanken darüber, wie sie ihre Exis­tenz sichern können, um dieses Heimatgefühl auch weiterhin aufrechtzuerhalten, wie ich das ja bereits angeschnitten habe. Wie können wir Bauern das erreichen? – Indem wir versuchen, unsere Kräfte zu bündeln. Meine Damen und Herren, Sie kennen mich und wissen wahrscheinlich, dass ich die Verantwortung für die Maschinenringe in Ös­terreich trage und daher sagen kann: 90 000 Bauern arbeiten überbetrieblich zusam­men; allein 15 500 in Niederösterreich. Die Kräfte werden also gebündelt, und der Grundgedanke – das möchte ich auch hier nicht verhehlen – liegt natürlich auch darin,


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Kosten zu reduzieren, kostengünstig zu produzieren, aber gleichzeitig auch darin, Ar­beitsplätze zu sichern.

Dazu, was es heißt, Arbeitsplätze zu sichern: Ich war gestern bei einer großen Veran­staltung im Waldviertel. Bei dieser Veranstaltung ist ein Bauer aufgestanden und hat zu mir gesagt: Jawohl, in Österreich haben wir Probleme in wirtschaftlicher Hinsicht, und wir haben Probleme in sehr vielen Sparten; auch in der Landwirtschaft! Und dieser Bauer hat dann noch etwas gesagt, was mich bewegt hat, nämlich: Aber wir Bauern haben unseren Arbeitsplatz! Einen Arbeitsplatz zu haben, das ist ein hohes Gut, etwas, das jede Österreicherin und jeder Österreicher braucht.

Wichtig ist daher, zu sagen, dass ein Arbeitsplatz eines Bauern auf der einen Seite auch andere Existenzen gewährleistet, gleichzeitig aber auch aktive Impulse für die Zu­kunft gesetzt werden.

Der Konsument ist derjenige, der, und zwar zielführend und zweckmäßig, mit uns Landwirten sozusagen in einem Boot sitzt. Die Konsumentinnen und Konsumenten vertrauen den Landwirten. Nicht umsonst ergab eine diesbezügliche Umfrage, dass 90 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten sagen, dass sie Vertrauen in Ös­terreichs Bauern haben. Es ist wirklich wichtig, dass dieses Vertrauen da ist – und für dieses Vertrauen möchte ich als Bauer mich bei den Konsumentinnen und Konsumen­ten in Österreich auch bedanken und sagen: Wir Bauern werden auch in Zukunft, und zwar durch konsequente und zielführende Arbeit, dafür sorgen, dass dieses wichtige „Bündnis“ Konsument/Bauer bestehen bleibt.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Der gegenständliche Bericht ist wirklich ganz hervorragend gemacht, und ich möchte mich für dessen Erstellung bei den Beamtinnen und Beamten des Ressorts recht herzlich dafür bedanken. Es ist das ein Bericht, der die breite Palette der Landwirtschaft aufzeigt und gleichzeitig einen Überblick und einen Ausblick über eine aktive Agrarpolitik gibt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Berlakovich: Die Österreicherinnen und Österrei­cher, die Bauern vertrauen dir! – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kalina. – Bitte. (Bundesrätin Kerschbaum: Bist du ein Bauer? – Bundesrat Kalina – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich habe einen Balkon, um das aufzuklären! Balkonpflanzen, das ist meine einzige Landwirtschaft!)

 


15.14.23

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich habe das mit den Balkonpflanzen jetzt aufgeklärt. (Bundesrätin Kerschbaum: War nur wegen der Vertrauensfrage!) – Leider, Pflanzen habe ich nur am Balkon; was soll ich tun? (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Das heißt aber nicht, dass das Thema, dem wir uns heute widmen, nicht wichtig oder nicht interessant wäre. Auch mich per­sönlich interessiert und bewegt das alles immer wieder, geht es doch dabei um wirklich sehr viel: um den ländlichen Raum in Summe sowie um einen wichtigen Teil der Iden­tität unseres Landes. Gerade in solchen Berichten wie eben dem Grünen Bericht zeigt sich eine gute Abbildung dessen, wie die Lage der Landwirtschaft in Österreich ist, womit aber auch eine Schlussfolgerung über die Lage im ländlichen Raum möglich ist.

Dieser Bericht 2009 spiegelt zweifelsohne eine recht ordentliche Entwicklung wider, mit der in Summe die Landwirte und damit auch jene, die in diesem Bereich arbeiten, aber auch die Leute im ländlichen Raum insgesamt zufrieden sein können.


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Bei näherer Betrachtung und vor allem bei einem Ausblick in die Zukunft – wir behan­deln das ja heute hier in einem – sieht man jedoch schon viele offene Punkte, und zwar sowohl für die Bauern als auch für den gesamten ländlichen Raum.

Kurz zu einer der Zahlen, die sich in diesem Bericht finden: Rund 80 Prozent des Ein­kommens eines österreichischen Durchschnittsbauern bestehen aus Förderungen – und daran erkennt man, wie wichtig für diesen Bereich Zuschüsse aus Österreich, Zu­schüsse aus der Europäischen Union geworden sind.

Das zeigt aber auch, wie wichtig und richtig es ist, dass im Arbeitsübereinkommen die­ser Bundesregierung zwei Punkte zu diesem Bereich festgehalten wurden: erstens mehr finanzielle Mittel für den ländlichen Raum; zweitens mehr Verteilungsgerechtig­keit. Zitat aus dem Zwischentitel dieses Arbeitsübereinkommen:

„Bäuerliche Einkommensverhältnisse sollen sozial, gerecht und fair gestaltet werden.“

Das ist das Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung aus SPÖ und ÖVP zu diesem Bereich.

Das ist der Punkt, bei dem ich ansetzen möchte, denn ich glaube, genau in diesem Be­reich – gerecht, fair, sozial – gibt es noch enorm viel zu tun.

Ich habe das ein bisschen vergrößert (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) – Sie kennen das ohnehin; es ist das daher keinesfalls polemisch gemeint, denn ich habe das aus Ihrem Bericht herausgenommen, Herr Minister Berlakovich –, und ich empfehle sehr, sich das anzuschauen, denn daraus kann man erkennen, wie viel da an Gerechtigkeit noch herzustellen ist – und dass da noch viele andere Ansatzpunkte gegeben sind. (Der Redner erläutert in der Folge seine Ausführungen anhand eines Säulendiagramms, dessen Abbildung er in die Höhe hält.)

Was Sie hier sehen, ist folgende Verteilung: 1,4 Prozent der Betriebe – also ganz we­nige Betriebe; viele davon kennt man namentlich, weil sie sehr bekannte Adelige oder sonstige Firmen sind – bekommen 10 Prozent aller Förderungen, weitere 14 Prozent der Betriebe 36 Prozent. Und diese Betriebe haben zusammen äußerst erkleckliche durchschnittliche Förderhöhen pro Betrieb – während die große Mehrzahl von fast 40 Prozent aller Betriebe nur 7 Prozent aller Förderungen bekommt; im Durchschnitt sind das lediglich 2 116 € pro Betrieb.

Ja, das sind Zahlen, Daten, Fakten, aber ich meine, das ist auch ein Arbeitsauftrag, dass man genau in diesem Bereich – nach Veränderungen, die schon geschehen sind – trotzdem auch weiterhin einiges verändern kann, um die Mittel für den ländlichen Raum, natürlich auch für die Bauern, gerechter zu verteilen, als dies bisher der Fall ist.

Man muss auch sagen, aus diesem Bericht sehen wir, dass sich zum Beispiel die Ein­kommensschere zu Ungunsten der Bergbauern nicht geschlossen hat, sondern leider noch weiter aufgegangen ist. Das sollte ein Arbeitsauftrag für Sie sein, Herr Bundes­minister, das zu ändern.

Bei all diesen Förderungen sollten wir, wie ich meine – da geht es um Geld der Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler für den ländlichen Raum, für den Schutz und zur Pflege der Landschaft, für den Tourismus und so weiter –, darauf achten, dass bei Förderun­gen auf den Arbeitseinsatz in diesem Bereich Bedacht genommen wird – nicht aber sozusagen auf den größten Maschinenpark. Das ist etwas, das wir ändern sollten.

Weiters habe ich mir vorgenommen – es geht ja in diesem Zusammenhang auch um einen Ausblick –, bei dieser Gelegenheit kurz zu einigen Detailbereichen Stellung zu nehmen.


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Zunächst zum Thema Milch. Da erwartet Sie in den nächsten Tagen – wenn ich richtig informiert bin, am 29. April – wieder eine Sternfahrt der IG Milch nach Wien zu Ihnen, Herr Bundesminister, auch zu uns hier, wobei da die Anliegen der Milchbauern darge­legt werden. Da habe ich persönlich aber ein bisschen ein schlechtes Gefühl, und ich hoffe, Sie können das beseitigen, denn: Für mich – wir haben das auch schon gestern im Ausschuss diskutiert – sind die Bauern natürlich auch Unternehmer, und dass die daher einen möglichst ordentlichen Preis für ihre Produkte haben wollen, ist klar, aber ich habe da jedenfalls das Gefühl, dass große Agrarbetriebe und Agrarinstitutionen, die Ihnen politisch nahe stehen, Herr Bundesminister, ein bisschen nachtragend sind in Richtung jener Bauern, die mehr Geld für ihre Produkte haben wollen, und ich habe auch das Gefühl, dass da zumindest ein bisschen ein „Exempel“ statuiert werden soll oder diese Bauern im Regen stehen gelassen werden sollen, was ich für nicht gut hal­ten würde.

Ich denke, auch diese Bauern haben – genauso wie andere Unternehmer – ein Recht darauf, für ihr Produkt den besten Preis zu bekommen.

Was aber die Milch betrifft, ist meine Sorge eine andere, nämlich was die Zukunft an­geht. Die Entwicklung – das steht auch im Bericht – müssen wir zur Kenntnis nehmen, die ist so, aber die Frage ist, Herr Minister: Was haben Sie für einen Plan B für diese Leute, wenn die Entwicklung so weitergeht, wenn die weiter keine Abnehmer finden? Was sollen die dann machen? Was passiert mit den Leuten? Was passiert mit den Ar­beitskräften? Was passiert mit der Landschaft dort? Wo ist der Plan B? Und ich denke, da sollte man heute schon vorausdenken, dass man für diese Leute eine Antwort hat. Ich bin gespannt, was Sie am 29. April den Leuten von der IG-Milch sagen werden.

Der zweite Punkt, zu dem ich etwas sagen möchte, ist der Bereich Fleisch. Und da möchte ich auch sehr unterstützen, was mein Vorredner Hensler gesagt hat. Dieses Verhältnis Konsument – Bauer ist, wie ich glaube, gerade in Österreich so innig wie kaum woanders, sodass die Österreicher sehr gerne und bevorzugt österreichische Produkte kaufen, aber dabei ist auch ganz wichtig das Vertrauen, dass das alles stimmt, was angegeben wird.

Dazu möchte ich Ihnen auch etwas zitieren, was nicht ganz so aktuell ist, aber relativ aktuell, nämlich vom 8. April. Die IG-Fleisch ortet hier – nicht mein Zitat – einen „klaren Fall von Konsumentenbetrug“. Und zwar wird hier von den Produzenten von Fleisch, von der IG-Fleisch unterstellt – sie haben ja keine Mitglieder, aber die Mitglieder dieser großen Interessenvertretungen –, dass zum Beispiel „Tiroler Speck“, der mit rot-weiß-roter Fahne vermarktet wird und sogar noch mit einer geographisch geschützten An­gabe gekennzeichnet wird – der müsste theoretisch direkt von Tiroler Schweinderln, Gamsen, Hirschen oder was auch immer kommen –, von ausländischen Tieren stammt, die nur durch den Umstand, dass sie hier in Österreich getötet wurden, sozu­sagen zu tierischen österreichischen Staatsbürgern wurden. (Heiterkeit. – Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Okay, da muss man aufpassen, ja, da muss ich ein biss­chen vorsichtig sein, stimmt. Also zu Bürgern vielleicht nicht, aber jedenfalls zu öster­reichischen Produkten.

Aber das ist ein ernstes Thema, denn wenn das so ist, wie die IG-Fleisch hier sagt, dann ist nämlich genau dieses Vertrauen der Konsumenten in die Herkunftswahrheit unter Umständen getäuscht, und das kann dann auch für alle anderen dieser Dinge zu schlechten Entwicklungen führen. Ich denke mir, die österreichischen Konsumenten wollen österreichische Produkte, sie wollen rückstandsfreie Produkte, und sie wollen qualitätsvolle Produkte. Und deswegen, glaube ich, sollten Sie, Herr Minister, bei die­sem Ausblick für das Jahr 2009 und die folgenden Jahre daran denken, dass man sol­chen Dingen, wenn sie passieren, wirklich einen Riegel vorschiebt. Wenn auf der Ver­packung „Tiroler Speck“ draufsteht, dann sollte er zumindest von einem österreichi-


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schen Schweinderl stammen. Es wird schwer kontrollierbar sein, ob es sich aus Salz­burg vielleicht über die Grenze geschlichen hat. Aber jedenfalls sollte es ein österrei­chisches Schweinderl sein und nicht im Tiertransporter hierhergeführt werden, hier geschlachtet und so zum Österreicher werden. Ich glaube, die Konsumenten haben ein Recht darauf, dass das so ist.

Einen dritten Punkt noch kurz: Zukunftschancen. Vor zwei Wochen ist aus Brüssel die durchaus erfreuliche Nachricht gekommen, wenn ich richtig informiert bin, dass aus nicht verbrauchten Förderungen für Österreich wieder rund 40 Millionen € frei werden, über die Sie für verschiedene Zwecke verfügen können. Unter anderem wäre es auch eine Möglichkeit, im ländlichen Raum in eine Breitbandoffensive zu investieren. Ich hielte das für eine ausgezeichnete Idee. Ich hoffe, dass Sie sich dieser Variante an­schließen, Herr Minister. Ich glaube, dass das ein wesentlicher Beitrag zu mehr Chan­cengerechtigkeit für den ländlichen Raum wäre, denn genau das ist ja auch einer der Unterschiede zu den städtischen Bereichen. Man sieht es, wenn man dort mit dem Mobiltelefon unterwegs ist: In manchen Gegenden funktioniert kein UMTS. Es ist schwieriger in diesen Gebieten, all diese heute so wichtigen Dinge zur Verfügung zu haben.

Also wenn es möglich ist, diese Mittel in den Ausbau des Breitbandes im ländlichen Raum zu investieren, glaube ich, tun wir für die Bauern etwas Gutes, aber auch für die gesamte Bevölkerung im ländlichen Raum, denn das schafft Arbeitsplätze, das sichert die Zukunft, das bringt Technologie aufs Land. Das kann man also nur unterstützen.

Ein allerletzter Punkt, Herr Minister, weil er aktuell ist, wo ich einen Appell des Kollegen Gaßner aus dem Nationalrat an Sie nur wiederholen kann, betrifft das Bergbauern­institut. Das Bergbauerninstitut ist eine in Österreich und über Österreich hinaus sehr anerkannte Institution. Die Bundesanstalt für Bergbauernfragen genießt überall, bei den Experten, aber auch bei den Bergbauern, bei den Landwirten, einen ausgezeich­neten Ruf und hat sich unter anderem mit den neuen Fördermodellen, mit gerechteren Modellen, bis hin zum Betriebsprämienmodell einen Namen gemacht.

Nun ist es so, dass in dieser Bundesanstalt für Bergbauernfragen der langjährige, sehr unumstrittene und sehr akzeptierte Leiter Dr. Krammer in Pension ging und man vieler­orts – nicht nur ich, sondern alle Parteien außer der ÖVP, viele Experten aus dem agrarischen Bereich – der Meinung ist, dass bei der Nachbesetzung eine krasse Fehl­entscheidung mit, so wird unterstellt, parteipolitischem Hintergrund stattgefunden ha­ben soll. Herr Minister, wenn das so ist, dann wurden Sie von denen, die das gemacht haben, schlecht beraten.

Mein Appell an Sie wäre: Setzen Sie in diesem Zusammenhang vielleicht eine unab­hängige Expertenkommission ein, lassen Sie das noch einmal prüfen! Die sollen sich die Kandidaten noch einmal – ohne Parteibrille – anschauen, denn die Bergbauern, die österreichischen Experten, wissen, wir brauchen weiterhin ein unabhängiges und ex­zellentes Bergbauerninstitut.

Ganz zum Schluss mein Resümee: Vieles – man sieht das anhand des Berichtes 2009 – hat in Zeiten der Hochkonjunktur für die Bauern und den ländlichen Raum gut geklappt, aber es bleibt noch vieles zu tun. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr dieses.

 


15.26.32

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolle-


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ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich oute mich auch gleich, ich bin auch keine Bäuerin, aber ich glaube, wenn man es bevölkerungsanteilsmäßig in etwa auf den Bundesrat umlegt, würde es auch reichen, wenn wir einen Bauern da herinnen sitzen hätten. Und der hat ja heute schon gesprochen.

Ich möchte den Grünen Bericht eher aus der Warte der Konsumentin betrachten. Zu­allererst einmal ein Lob: Der Grüne Bericht ist wie jedes Jahr sehr umfassend: viele Daten, viele Auswertungen, brauchbare Auswertungen. Im Prinzip kann man aus die­sen Auswertungen auch viel herauslesen, nämlich was die Ergebnisse von politischen Maßnahmen oder die Auswirkungen von politischen Maßnahmen auf die Landwirt­schaft in Österreich betrifft. Also wir werden dem Grünen Bericht natürlich zustimmen.

Ich möchte aber trotzdem ein paar Punkte aus diesem Grünen Bericht hervorheben, die für mich interessant und teilweise leider auch bedenklich sind. Es gibt da eine Ta­belle über den Selbstversorgungsgrad mit ausgewählten Agrarprodukten in Österreich. Da gibt es von zwölf ausgewählten Produkten genau drei, wo wir über 100 Prozent lie­gen, das sind Rind und Kalb, Konsummilch und Schwein. Darunter liegen dann Käse, Getreide, Zucker und so weiter, also alles Bereiche, wo wir eigentlich importabhängig sind. Bei Obst mit 66 Prozent, bei Gemüse mit 59 Prozent und bei pflanzlichen Ölen mit 31 Prozent ist das, denke ich, doch schon eine sehr massive Abhängigkeit.

Eine zweite Tabelle, die ich auch noch sehr interessant finde – meiner Meinung nach sollte man die auch einmal mit dem Gesundheitsministerium besprechen –, bezieht sich auf den Pro-Kopf-Verbrauch ausgewählter Lebensmittel in Österreich 2006 und 2007. Interessant ist einerseits, dass das Bier an allererster Stelle steht: 108 Liter Bier gegenüber 106 Kilogramm Gemüse, das ist gesundheitspolitisch vielleicht doch ein bisschen bedenklich. Bedenklich finde ich auch, dass Fleisch eindeutig vor Erdäpfeln liegt. Das hätte ich mir so nicht erwartet, ehrlich gestanden. Mit 65,6 Kilogramm Fleisch pro Person im Durchschnitt sind wir weit entfernt von der Zwangsvegetarisierung in Ös­terreich. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Ich bin selbst keine Vegetarierin, das habe ich auch im Ausschuss schon erwähnt, aber wenn ich mir 65,6 Kilogramm pro Person vorstelle, und da sind ja auch ältere Men­schen und Babys mit eingerechnet, also pro Kopf, dann sind das 20 Dekagramm am Tag, und das ist viel. Und das ist meiner Meinung nach gesundheitspolitisch nicht er­strebenswert, dass Fleisch in dieser Rangordnung so weit oben steht. (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Für die Landwirtschaft, weiß ich nicht, aber dazu komme ich noch. Ich spreche jetzt aus der Warte der Konsumentin.

Was ich sehr positiv finde in diesem Grünen Bericht, ist, dass die Kaufmotive der Kon­sumenten sich geändert haben. Konsumentinnen gibt es übrigens auch, die kommen da drinnen leider nicht vor. 2005 war noch der niedrige Preis das wichtigste Kaufmotiv, 2007 ist es die österreichische Herkunft, gefolgt von Qualität, Regionalität und Frische. Wenn es so ist, ist das sicher ein großer Erfolg, das freut mich sehr.

Problematisch ist – und da rede ich jetzt wieder als Konsumentin –, dass man im ös­terreichischen Handel sehr häufig diese österreichischen Qualitätsprodukte nicht mehr kriegt. Gerade bei Obst und Gemüse ist es in sehr vielen großen Handelsketten ein­fach nicht mehr möglich, österreichische Qualität zu kaufen, beziehungsweise – das ist auch im Ausschuss besprochen worden – ist auch die Herkunftsbezeichnung auf man­chen Verpackungen nicht so einfach auszuloten. Es gibt schon vieles aus der Euro­päischen Union, und dass man als Konsumentin studieren muss, um herauszufinden, woher welches Produkt wirklich kommt, ist leider auch Tatsache.

Wir haben deshalb im Ausschuss eigentlich relativ lang diskutiert über das AMA-Güte­siegel, das als die Hoffnung und die Lösung für die Auszeichnung unserer Produkte gilt. Das AMA-Gütesiegel garantiert zwar nicht ganz 100 Prozent, aber doch einen gro-


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ßen Teil österreichischer Wertschöpfung in einem Produkt. (Bundesrat Hensler: Her­kunft, nicht nur Wertschöpfung!) Herkunft und Wertschöpfung, beides, aber nicht zu 100 Prozent. Solche Kleinigkeiten muss man jetzt nicht so betonen, aber was sicher den KonsumentInnen in Österreich nicht so bekannt ist, ist, dass, wenn man ein Pro­dukt mit dem AMA-Gütesiegel kauft, ein Fleisch- oder Milchprodukt, das nicht garan­tiert, dass das Tier, das dieses Produkt dann irgendwann einmal erzeugt, GVO-frei ge­füttert wurde.

Ich denke, es wäre wirklich notwendig und sinnvoll, hier einmal umzudenken und auch die GVO-Freiheit zu verankern, weil ich glaube, dass die Österreicherinnen und Ös­terreicher wirklich sehr viel Wert auf gentechnikfreie Ernährung legen, und seien es auch nur die Futtermittel der Tiere, die ich dann als Fleisch verzehre. Ich bin mir sicher, ja garantiere Ihnen, wenn Sie eine Umfrage zum AMA-Gütesiegel machen, dass die Mehrheit der ÖsterreicherInnen glaubt, dass dieses Gütesiegel auch GVO-Freiheit bedeutet. Das ist ein Punkt, der das AMA-Gütesiegel nicht unbedingt mit Lorbeeren schmückt.

Ein zweites Problem, das ich auch im Ausschuss schon angesprochen habe, mit dem AMA-Gütesiegel, das ich persönlich, aber sicher nicht nur ich habe, ist die Werbung dieser Agrarmarkt Austria. Das, was an Werbung öffentlich sichtbar ist, im Fernsehen und auf Plakaten, ist massiv auf Fleisch ausgerichtet. Natürlich, für die Bauern, die Fleisch verkaufen, ist das gut und schön, wir exportieren ja auch viel Fleisch, aber wir könnten auch andere Dinge produzieren, so ist es ja nicht. (Zwischenruf des Bundes­rates Hensler.) Nein, Orangen wachsen bei uns nicht, aber versuch einmal, lieber Herr Kollege, einen österreichischen Knoblauch beim BILLA zu kaufen! Wenn du mir den bringst, dann sage ich nichts mehr. (Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.) Ja, wo gibt es den noch? (Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) Der Handel, das ist jetzt eine andere Geschichte, aber österreichischen Knoblauch in Österreich zu kaufen ist eine Kunst.

Ich will jetzt nicht jedem Bauern nahelegen, dass er Knoblauch anbauen soll, aber es gibt schon sehr viele Dinge, Ölsaaten et cetera, wo die Produktion rückläufig ist. Also so ist es nicht, dass wir nur Fleisch produzieren können, wenn wir ohnehin schon so viel exportieren. Für mich ist diese Fleischlastigkeit des AMA-Gütesiegels schon sehr negativ, weil ich das auch als Konsumentin betrachte, und vom gesundheitlichen Standpunkt aus ist zu sagen: Es ist einfach nicht gesund, Fleisch so sehr zu forcieren. Das ist für mich nicht der richtige Weg.

Ein weiterer für mich bedenklicher Punkt ist, dass die Import- und Exportorientierung der Landwirtschaft in Österreich nach wie vor im Steigen begriffen ist: Die Einfuhren sind um 15 Prozent gestiegen, die Ausfuhren um 10 Prozent. Und was noch unange­nehmer ist, abgesehen von Umweltbelastung und allem Drum und Dran, was mit Glo­balisierung und solchen Dingen zu tun hat, was ich auch sehr schlimm finde, ist die massive Zunahme bei Lebendtierexporten und -importen. Man kann es jetzt kritisieren oder nicht, aber ich finde, es ist das eine sehr negative Aussage des Berichts.

Eine weitere bedenkliche Aussage ist eine doch nicht geringe Zunahme bei Düngemit­teln und „Pflanzenschutzmitteln“ – unter Anführungszeichen –, Herbiziden oder wie auch immer man es benennen mag. Da geht es sowohl um die Anzahl der zugelas­senen Produkte als auch um die Mengen, die aufgebracht werden. Insofern wollte ich den Herrn Kollegen Hensl – ist er jetzt noch da? – ... (Bundesrat Hensler: Hensler! Ich bin da!) Hensler, entschuldige! Ich weiß nicht, ich habe vielleicht irgendwas überlesen in diesem dicken Bericht, aber woraus du die Vorreiterrolle der österreichischen Land­wirtschaft beim Umweltschutz herausliest ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Hensler.– Ja, du fühlst es! Ich weiß, die anwesenden Bauern sind wahrscheinlich alle grün, die Bauern sind immer grün, genauso wie Jäger grün sind und Bundesheerleute


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grün sind, aber aus dem Bericht hätte ich jetzt diese massive Vorreiterrolle nicht her­ausgelesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was ich aber aus dem Bericht herausgelesen habe, ist, dass die Anzahl der richtigen Biobetriebe zurückgeht, während die Flächen zum Glück ein bisschen mehr werden. Im Bericht steht, dass die ÖPUL-Betriebe im letzten Jahr zahlenmäßig zurückgegan­gen sind, auch flächenmäßig zurückgegangen sind. (Bundesrat Hensler: Bei 90 Pro­zent der Flächen sind wir bald!) Was aber noch bedenklicher ist bei den ÖPUL-Betrie­ben, ist der massive Rückgang der Förderungen um 20 Prozent. Wenn man das um­rechnet, ist zu befürchten, dass aufgrund zurückgehender Förderungen beim ÖPUL möglicherweise sich künftig noch weniger Betriebe am ÖPUL-Programm beteiligen werden, was sicher nicht erstrebenswert ist und auch nicht notwendig wäre, weil die EU-Mittel in dem Bereich nicht zu 100 Prozent ausgeschöpft wurden.

Es ist schön für dich, wenn du es so empfindest, dass wir Vorreiter sind, ich glaube nur, es steht nicht wirklich im Bericht. Woher du den Beleg dafür hast, weiß ich nicht. (Bundesrat Hensler: Ich bin praktizierender Bauer, ich weiß das!)

Was ich aus diesem Bericht herausgelesen habe, waren die Ergebnisse, die aus den politischen Maßnahmen, die gesetzt worden sind, entstanden sind. Ich denke, man sollte über diese Ergebnisse nachdenken. Man sollte darüber nachdenken, was man will: Will man eine gewisse Selbstversorgung, will man sich auf Export konzentrieren, so wie wir es offensichtlich momentan tun, will man eine Unterstützung des Bioland­baus, will man in diese Richtung weitergehen, oder akzeptiert man, dass die Zahlen in diesem Bereich rückläufig sind? Diese Entscheidungen stehen ja nicht im Bericht drin­nen, darum können wir dem Bericht auch gerne zustimmen.

Ein bisschen schwerer mit der Zustimmung tue ich mir bei den Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für 2009, beziehungsweise tue ich mir nicht schwer, sondern wir stimmen einfach nicht zu. Es gibt ein paar Gründe, warum wir diesem Maßnahmen­katalog, der ja nicht wirklich dick ist, nicht zustimmen. (Bundesrat Hensler – einen Be­richt in die Höhe haltend –: Wenn man das alles weiß! Wenn du das alles studierst, Frau Kollegin!) – Ich muss es ja nicht auswendig vorbeten, ich darf es ja ohnehin lesen.

Wenn ich bedenke, welche Probleme oder welche Tendenzen es in der Landwirtschaft gibt, dann muss ich sagen, ich finde in diesem Katalog leider nichts, wie man denen entgegenwirken will. Hinsichtlich der Probleme, die ich aufgezeigt habe – Kurzfassung: erstens Exportlastigkeit, zweitens Fleischlastigkeit, drittens Rückgang der Förderungen bei den Umweltprogrammen –, finde ich da drinnen keine großartigen Maßnahmen, die dem entgegenwirken könnten.

Es steht zwar eine Maßnahme drinnen, die habe ich auch im Ausschuss hinterfragt, und zwar die Konzentration der Forschung im Ressortbereich. Ich habe deshalb ge­fragt, weil es zur Gentechnik einen Entschließungsantrag im Nationalrat gegeben hat, den die Grünen gestellt haben, der aber einstimmig beschlossen wurde. Da geht es darum, Gentechnikanbauverbote vehement zu verteidigen, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wegen des Vorsorgeprinzips mehr oder weniger auf die Fin­ger zu klopfen, auf der EU-Ebene gegen die Zulassung weiterhin zu kämpfen. Stimmt, das haben Sie gemacht, gratuliere, dass Sie gewonnen haben, aber es haben zum Glück ein paar andere auch noch mitgekämpft, alleine wäre es nicht gegangen.

Aber ein Punkt in diesem Entschließungsantrag ist, eine unabhängige und dem Versor­gungsprinzip verpflichtete Risikoforschung im Bereich der Agrogentechnik in Österreich zu fördern. Das ist, wie gesagt, meines Wissens einstimmig im Parlament beschlossen worden. Ich habe dann nachgefragt, ob für diese Forschungen, die jetzt im Ministerium konzentriert werden sollen, Geld vorgesehen ist, und habe die Auskunft bekommen, wirklich dezidiert kann nicht gesagt werden, wie viel es ist, aber besonders viel kann es


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nicht sein. Ich meine aber, es gibt einen Beschluss und dieser sollte auch umgesetzt werden.

Risikoforschung in diesem Bereich ist deshalb so enorm wichtig, weil wir begründen müssen, warum wir Gentechnik ablehnen. Und so lange Forschungsergebnisse in Zweifel gezogen werden können, tun wir uns da schwer, und desto wichtiger ist es, dass wir gute Forschungsergebnisse haben und nachweisen können, warum wir Gen­technik ablehnen.

Ein weiteres Problem, das auch im vorliegenden Bericht angesprochen wird, ist die Milchquoten-Erhöhung, wobei im Bericht steht, dass Sie auch dieser nicht zugestimmt haben. Es steht allerdings nicht drinnen, wie sehr Sie sich bemüht haben, um das ab­zuwenden.

Letztendlich ist es so: Die Milchquoten sind erhöht worden, und dadurch wird es zu Problemen kommen. Das wurde auch im Ausschuss gesagt, denn es ist klar: Wenn die produzierte Menge steigt, wird der Preis wieder fallen.

Im Ausschuss wurde gesagt, es sei eine Milchkuh-Prämie oder Ähnliches angedacht, doch das ist meiner Meinung nach der komplett falsche Weg, denn damit unterstützt man ja wieder die Überproduktion. Der EU wird schon seit langem vorgehalten, dass solche Sachen forciert werden. Die sind ja wirklich nicht zielführend. Ich meine, das ist der falsche Weg. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Es ist nicht der Weg, den unser Minister beschritten hat. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Es ist aber so, dass die Milchquote jetzt um 2,5 Prozent erhöht worden ist und dass diese 2,5 Prozent Erhöhung offensichtlich nicht notwendig sind.

Wie gesagt, der Herr Minister hat auch dagegen gestimmt, das ist sehr gut und sehr schön, aber ich würde mir wünschen, dass er, nachdem die Milchquote trotzdem er­höht worden ist, überlegt, welche Maßnahmen wir in Österreich jetzt setzen müssen, um zu verhindern, dass die Preise wieder fallen und wir wieder jene Probleme bekom­men, die damit verbunden sind.

Es gibt in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag des Abgeordneten Pirklhuber. Ich nehme an, dass Sie ihn schon gelesen haben, und erspare mir daher, ihn hier vorzulesen. Da geht es darum, dass es nicht der richtige Weg ist, Landwirte dadurch zu unterstützen, dass man Förderungen für Milchkühe auszahlt, wie es offen­sichtlich angedacht ist, sondern dass es wichtig ist, den Markt so weit zu regeln, dass das produziert wird, was man braucht, und nicht das, wo es dann zu Überschüssen kommt.

Weil die geplanten Maßnahmen zu wenig sind, lehnen wir die Maßnahmen für 2009 ab. Dem Grünen Bericht 2008 stimmen wir zu. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

15.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile ihm dieses.

 


15.43.11

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Wir diskutieren hier nun den Grünen Be­richt 2008. Ich darf eingangs den Mitarbeitern des Ministeriums für dessen Erstellung danken. Dieser Bericht enthält sehr gute Zahlen betreffend die Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2007. Aber ich möchte auch jenen 2 231 Betrieben danken, die freiwillig Buch führen und damit ermöglichen, dass wir wirklich konkrete und ver­lässliche Zahlen über die Entwicklung der Landwirtschaft in Österreich haben.


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Die Landwirtschaft ist in Österreich von großer gesellschaftlicher Bedeutung, und da­her ist es auch wichtig, das öffentliche Interesse darauf zu lenken. Es konnten die Zah­len des Grünen Berichts ein sehr gutes Ergebnis bescheinigen: eine Erhöhung des Produktionswertes, eine Erhöhung des Einkommens und, was vielleicht auch nicht uninteressant ist, eine Erhöhung der Fremdarbeitskräfte im Bereich der Landwirtschaft, und das in einer Zeit, wo wir über die Schaffung von Arbeitsplätzen sehr intensiv dis­kutieren.

Die Erwartungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft sind sehr vielfältig und sehr hoch. Die Entwicklung im Jahr 2008 war zwar eine gute, doch heute ist das leider nicht mehr der Fall, weil sich vieles verändert hat, und dadurch sind auch viele Maßnahmen notwendig geworden. Ich möchte nun auf die Maßnahmen eingehen, die für 2009 vor­gesehen sind und die wir im Bereich der Landwirtschaft brauchen.

Es ist im Grünen Bericht ein steter Rückgang bei der Tierhaltung in Österreich nach­zulesen. Aber die Tierhaltung dient dazu, dass Gebiete, vor allem Berggebiete, ent­sprechend bewirtschaftet werden und dass die Landschaft, die für den Tourismus und für eine gute Lebensqualität notwendig ist, erhalten wird. Es gilt also, dem Rückgang bei der Tierhaltung entgegenzuwirken, Frau Kollegin Kerschbaum, auch wenn das Ihrer Meinung nach für den Fleischkonsum nicht optimal wäre. (Zwischenruf der Bun­desrätin Kerschbaum.)

Ich meine, gerade aus Sicht der Erhaltung der flächendeckenden Landwirtschaft ist die Aufrechterhaltung einer produktionsfähigen Tierhaltung von Bedeutung, und da ins­besondere im Bereich des Milchmarkts, von dem wir wissen, dass er ein sehr ange­spannter ist, und zwar aufgrund der Wirtschaftslage und wegen sinkender Nachfrage, weil sehr oft zu billigeren Segmenten, die nicht aus der Milchproduktion, sondern aus der pflanzlichen Produktion kommen, gegriffen wird. Und das führt dazu, dass die Milchbauern Probleme haben, ihre Produkte zu vermarkten; Kollege Kalina hat schon darauf hingewiesen.

Diese Probleme sind auch dadurch entstanden, dass die Verarbeitung in Österreich zum Großteil auf genossenschaftlicher Basis organisiert ist, dass aber Betriebe in der Hochpreisphase dieses genossenschaftliche System verlassen haben, weil sie den höchsten Preis gesucht haben, und nun wieder die Rückführung in diese Genossen­schaften suchen. Es sind nun die Mitglieder der Genossenschaften davon zu überzeu­gen – nicht die Politik!, wir wollen hier einen entsprechenden Weg gehen –, in einer Zeit der Überproduktion neue Produzenten in die Genossenschaft wieder aufzuneh­men.

Es ist auch notwendig, immer an der Verbesserung der Qualität und der Standards der österreichischen Agrarprodukte mitzuarbeiten. Studien, wie sie die Arbeiterkammer durchgeführt hat, besagen, dass landwirtschaftliche Produkte, Lebensmittel, vor allem Milchprodukte in Deutschland billiger sind als in Österreich. Das ist ein unzulässiger Vergleich, denn es gilt neben dem Preis auch die Leistung, es geht auch darum, den Wert des Produkts zu messen. So stammen österreichische Agrarprodukte nicht aus Großbetrieben, sondern aus kleinbäuerlichen Betrieben. Außerdem werden österreichi­sche Agrarprodukte in Berggebieten, in benachteiligten Gebieten produziert. Und Ös­terreich hat darüber hinaus einen höheren Anteil an Biobetrieben als Deutschland, den höchsten in ganz Europa, und das schlägt sich auch auf den Durchschnittspreis nieder. Dazu kommt noch, dass wir in Österreich gentechnikfrei produzieren und damit die Lebensmittel einen höheren Wert für den Konsumenten haben. (Bundesrätin Kersch­baum: Was ist mit den Futtermitteln?) – Bei der Milch ist es durchgängig.

Eine Milchkuhprämie ist notwendig, um die Nachteile der Produktion auszugleichen. Ich darf dich, Herr Minister, bitten, die Milchkuhprämie rasch und unbürokratisch umzu-


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setzen. Sie führt nicht zu einer Überproduktion, Frau Kollegin Kerschbaum, sondern zu einem Ausgleich der Produktionsnachteile.

Es gibt viele Wünsche, die wir haben, zum Beispiel ein Importverbot von Eiern, die aus der Käfighaltung kommen. Laut österreichischem Bundestierschutzgesetz ist die Pro­duktion von Eiern aus Käfighaltung verboten, und es kann nicht sein, dass Produkte aus dem Ausland hereinkommen, wo eine für unsere Betriebe verbotene Produktions­weise erlaubt ist.

Ein wesentlicher Punkt, der allerdings im Maßnahmenkatalog nicht enthalten ist, ist, dass wir das verhindern, was wir im vergangenen Jahr erlebt haben, nämlich dass es zuweilen hohe Lebensmittelpreise gab, die Versorgungssicherheit in Frage gestellt war, dann wieder die Preise niedrig waren, also extreme Preisunterschiede bestanden. Wir müssen hier durch Sicherheitslager, durch Krisenlager, durch Preisausgleichslager Vorsorge treffen, um die Versorgungssicherheit aufrechterhalten zu können und um auch Preisstabilität gewährleisten zu können.

Der Biolandbau in Österreich, der in Europa führend ist, gehört dem Markt entspre­chend weiterentwickelt. Das Bio-Aktionsprogramm geht in die Richtung, 20 Prozent der Fläche biologisch zu bewirtschaften.

Eine Vorgabe dahin gehend, wie sich die Landwirtschaft in Österreich entwickeln soll und entwickeln muss, ist eine stärkere Marktorientierung, vor allem dann, wenn wir in Richtung Auslaufen der Marktordnungsprämien denken.

Wesentlich an Bedeutung gewonnen hat für den Konsumenten Regionalität, Gentech­nikfreiheit, Frische und Bioproduktion. Daher ist es wichtig, sich dafür einzusetzen, dass eine klare Kennzeichnung der Produktionsweise und der Herkunft der Produkte gewährleistet ist. Das AMA-Gütesiegel ist ein Beispiel dafür, weil damit klargestellt ist, dass auch das Grundprodukt – das Tier, die Milch – aus Österreich kommt und in Ös­terreich produziert wurde, und weil damit der Konsument auch Sicherheit in Bezug auf die Qualität der Produkte hat. Es gilt, dieses AMA-Gütesiegel auch entsprechend wei­terzuentwickeln. Ich bin froh – und es war heute in den Printmedien nachzulesen –, dass es auch auf Schweinefleisch ausgedehnt wird. Das ist er richtige Weg, weil es wichtig ist, durch eine klare Kennzeichnung der Produkte dem Konsumenten Sicherheit zu geben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Kalina.)

Zu erwähnen sind auch all die positiven Initiativen, die es in Bezug auf landwirtschaft­liche Produkte gibt, wie etwa jene der Österreichischen Hagelversicherung, die auf die Regionalität hinweist, indem für regionale österreichische Produkte geworben wird. Ich darf all jenen danken, die sich für diese Initiative einsetzen.

Eine Erfolgsgeschichte, die ich fortzusetzen bitten darf, ist jene der Genussregionen. Wir haben Österreich in Genussregionen eingeteilt und hier die speziellen Produkte aus der jeweiligen Region in den Vordergrund gestellt. Ich darf bitten, diese Initiative fortzuführen und entsprechend auszubauen.

Es gilt natürlich auch, den Bereich erneuerbare Energie zu entwickeln, weil es ein we­sentliches Standbein für die österreichische Landwirtschaft in Zukunft sein wird.

Es wird auch darum gehen, in Zukunft – und auch das ist in den Vorschlägen der §-7-Kommission nachzulesen – die Partnerschaft innerhalb der Landwirtschaft, innerhalb des ländlichen Raumes zwischen Mann und Frau neu zu definieren, die Partnerschaft zwischen den Generationen zu pflegen und auch die Partnerschaft zwischen Bauer und Konsument zu entwickeln und hochzuhalten.

Wir Bauern sind ein unverzichtbarer Teil der Gesellschaft und wollen auch ein verläss­licher Partner für die Konsumenten sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.52



BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 114

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bock. Ich erteile ihm dieses.

 


15.52.54

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Damen und Herren! Ich bin ein Nicht-Landwirt, aber im Sommer habe ich in der Funktion als Bürgermeister immerhin vier Almen in der Gemeinde zu verwal­ten. Ich habe also einen Bezug zur Landwirtschaft, und, wie man mir ansieht, bin ich auch Konsument für die fleischproduzierenden Bauern. (Heiterkeit.)

Eingangs darf ich mich zuerst bei den Erstellerinnen und Erstellern des Grünen Be­richts 2008 für die sehr übersichtliche und auf 322 Seiten geschriebene Zusammen­stellung recht herzlich bedanken. Das ist die erste, die ich in dieser Form in Bezug auf die Landwirtschaft vorgelegt erhalten habe. Der Aufwand war sicherlich groß, und ich befürchte, dass sich diesen Bericht keine allzu große Leserschar zu Gemüte führen wird, was eigentlich schade ist. Was ist noch befürchte, das ist, dass die Wirtschafts­krise den nächsten Grünen Bericht nicht mehr so positiv ausfallen lassen wird wie die­sen. Ich hoffe das zwar nicht, aber ich befürchte es, nachdem die Wirtschaftskrise auch die Land- und Forstwirtschaft zumindest in Teilbereichen bereits erreicht hat.

Wie aus diesem Bericht zu entnehmen ist, hat sich das Einkommen in der Land- und Forstwirtschaft im Berichtszeitraum immerhin um 14 Prozent verbessert. Wie bei vielen anderen Wirtschaftszweigen zeichnet sich in der Land- und Forstwirtschaft der Weg zur industriellen Produktion und zur Konzentration ab. Die Zahl der Betriebe hat zwar nicht mehr so stark abgenommen wie in den vergangenen Jahren, ist aber dennoch im Sinken begriffen. Die Konzentration zu größeren Betrieben im Bereich der Land- und Forstwirtschaft ist sehr stark festzustellen.

Die besten Betriebsergebnisse – so steht es zumindest im Bericht – erzielten die Pro­duzenten von Getreide und Futtermitteln, die Gemüse-, Obst- und vor allem die Wein­bauern. Trotz hoher Milchpreise im vergangenen Jahr haben die kleineren Milchbauern nur recht mäßig abgeschnitten. Absolut schlechte Betriebsergebnisse weisen die Rind- und Schweinefleischproduzenten auf. Auffallend für mich als Nicht-Bauer ist, dass die kleinen Betriebe noch immer nicht die vorhandenen Vermarktungsinstrumente nutzen. Diese sind auch nicht in der Lage, preislich mit den großen industriellen Produzenten mitzuhalten.

Dem Grünen Bericht 2008 habe ich entnommen, dass die Produktionskosten für Dün­ger und für Futtermittel besonders zugenommen haben. Bei manchen Produkten stelle ich mir die Sinnfrage, warum die Produktionssteigerung noch weiter gefördert wird, obwohl bereits zu viel von diesem Produkt auf dem Markt ist. Dies gilt speziell für die Milchwirtschaft. Während vor 30 Jahren eine Kuh im Durchschnitt zirka 3 000 kg produ­zierte, so beträgt die Jahresmilchleistung einer Kuh zurzeit mehr als Doppelte.

Die Vorschriften für Tierhaltung, Tiertransporte, Tiergesundheit und Hygiene sind trotz hoher Förderung der Lebensmittelproduktion der Grund für die zunehmende Zahl an Betriebsschließungen, dies vor allem bei Kleinbetrieben. Betriebsneugründungen scheitern oft an den in dem jeweiligen Bundesland anderslautenden und sehr restrikti­ven Grundverkehrsgesetzen.

Der Aufwand für den Betrieb einer Landwirtschaft im Berggebiet, die meist sehr klein­flächig betrieben wird, ist meist nur durch das Einkommen aus dem Hauptberuf mög­lich. Die Weichen für eine einfachere Bewirtschaftung sind gestellt. Der aufwändigere kleinräumigere Ackerbau ist in den letzten Jahren gerade in den Berggebieten stark zu­gunsten der Grünlandbewirtschaftung zurückgegangen. Die einfachere Mutterkuhhal-


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tung wird zwar die gewünschte Reduktion bei der Milchproduktion unterstützen, aller­dings wird dadurch die bereits jetzt mehr oder weniger unwirtschaftliche Fleischproduk­tion erhöht werden.

Sorgen mache ich mir in Zukunft um die Almwirtschaft. Trotz größerer Förderungen durch die EU sind die vielen Almen nur mehr mit großen zusätzlichen Unterstützungen durch die Gemeinden in der Seilbahnwirtschaft betriebswirtschaftlich ausgeglichen zu führen. Sinkende Produktionspreise und die in Österreich so vorbildlich umgesetzten Hygienevorschriften, die Trennung zwischen den Biobetrieben und den anderen erhö­hen den Aufwand und somit die Produktionskosten.

Ich habe größten Respekt vor den Bäuerinnen und Bauern. Ich finde es sehr schade, dass es noch immer nicht gelungen ist, den Wert des erzeugten Produkts durch besse­re Erzeugungspreise zu würdigen. Trotz hoher Förderungen durch die EU, den Bund, die Länder und die Gemeinden, die Seilbahnen und die Agrargemeinschaften und trotz Einkommenszuwächsen im vergangenen Jahr von über 14 Prozent ist es sehr schwie­rig, den Anteil der österreichischen Wertschöpfung durch die Land- und Forstwirtschaft zu halten.

Ich denke, dass die Forstwirtschaft recht gute Zukunftschancen hat. Die Biomasse trägt in den nächsten Jahren sehr viel dazu bei, dass Österreich in der Energieversor­gung wesentlich autarker wird.

Die Produktion von Getreide, Wein, Obst und Gemüse wird für unsere Selbstversor­gung im Lande sicherlich von Erfolg gekrönt sein.

Die größten Sorgen bereiten mir die Bergbauern. Sollten die Unterstützungen durch die EU, den Bund und das Land wesentlich geringer werden und die Gemeinden vor allem durch sinkende Ertragsanteile die Förderungen für die Viehversicherung, für die Ka­daverentsorgung, für die Tiergesundheit, für Impfmaßnahmen und für die Beweidung nicht mehr bereitstellen können, so wird die derzeit sehr bunte Bewirtschaftung der Natur- und Kulturflächen sehr bald einer Monowaldkultur weichen.

Ich wünsche den Verantwortlichen im Bund und in den Ländern und in den Gemeinden alles Gute bei der Umsetzung und hoffe, dass die Landwirtschaft auch in Zukunft die notwendige Unterstützung und Wertschätzung erhält. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich erteile ihm dieses.

 


15.59.34

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Eine kurze Bemerkung zu meinem Vor­redner: Mein Vorredner, Bundesrat Hans-Peter Bock, ist der Bürgermeister einer der in extremsten Lagen gelegenen Bergbauerngemeinden Tirols und damit Österreichs.

Auf seinem Gebiet hat er die größte Dichte an höchstgelegenen und steilsten Betrie­ben, die es in Österreich gibt, also Hans-Peter weiß, wovon er spricht, wenn er sagt, es braucht eine flächendeckende Landwirtschaft. (Bundesrat Gruber: Die Hennen haben dort Steigeisen!) – Ja, so ungefähr.

Ich verstehe die Diskussionen hier im Hohen Haus als Dialog, ich werde daher einige Punkte aufgreifen, die meine Vorredner angesprochen haben. – Ich darf bei Frau Kerschbaum beginnen.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 116

Frau Kerschbaum, Sie haben das AMA-Gütesiegel selbst und das Vertrauen in das AMA-Gütesiegel in Frage gestellt. – Zunächst einmal muss man sagen, dass das AMA-Gütesiegel, wenn wir im tierischen Bereich bleiben, jedes Produkt von der Geburt bis zum Teller verfolgt. (Bundesrätin Kerschbaum: ... die Futtermittel!) Was glauben Sie, warum so viele Bäuerinnen und Bauern unter der sogenannten Bürokratieflut stöh­nen? – Weil sie jede Veränderung jedes Tieres – die Geburt, den Almauftrieb, den Almabtrieb – und jeden Verkauf melden müssen! Das ist ein durchgehender Reise­pass, der letztlich bis zum Teller des Konsumenten reicht. (Bundesrätin Kerschbaum: ... Kühe in Österreich wohnen auf der Alm?!)

Frau Kerschbaum, jede Ortsveränderung – egal, wohin – wird dokumentiert, und aus diesem Grund war bei jedem Krisenfall in den letzten Jahren sofort die Identität und die Herkunft jedes Tieres nachgewiesenermaßen immer wieder verfolgbar: Innerhalb eines Tages war die Herkunft jedes Tieres feststellbar, das ist eine ungeheure Leistung! (Bundesrätin Kerschbaum: Aber das Futtermittel nicht!)

Wir sind, und das war auch bei Herrn Kollegem Kalina ein Thema, bei der Weiterent­wicklung der Herkunftskennzeichnungen selbstverständlich Partner! Wir sind bei jeder Verbesserung, die man sieht und die machbar ist, sehr, sehr gerne dabei, man muss aber andererseits auch Folgendes sagen: Man kann nicht jeden Import von Lebensmit­teln und auch nicht das Marketing und die Werbung dieser Firmen, die das legaler­weise bewerben, die aber gelegentlich auch daran interessiert sind, dass nicht alles an Argumenten so ganz genau „rüberkommt“, verbieten, allerdings können wir schauen, dass es eine pro-österreichische Lebensmittelkennzeichnung gibt, und das können wir mit allen Kräften, so gut es irgendwie gelingt, verstärken. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber die Richtlinien für die Gütesiegel-Verleihung kann die AMA sehr wohl beeinflus­sen!) – Natürlich, keine Frage! Das läuft auf einem hohen Niveau ab.

Zur Milchkuhprämie – ich glaube, da müssen wir vom System her etwas zurechtrü­cken –: Seit einigen Jahren läuft in der Europäischen Union die Entkoppelung von Pro­duktion und Einkommenssicherung. Eine Milchkuhprämie ist letztlich dazu da, das Ein­kommen der Bäuerin/des Bauern zu sichern, sie hat aber mit dem Mengenkorsett, das ein anderes Thema ist, eigentlich nichts zu tun. Das heißt, die Straffung der Mengen ist eine andere politische Linie als die Einkommenssicherung der Bäuerin/des Bauern, und aus diesem Grund würde eine solche Prämie in dem Sinne nicht mengensteigernd wirken, sondern es ist einfach die notwendige Stabilisierung der bäuerlichen Einkom­men.

Da liegen wir, wie man diesem Bericht entnehmen kann, nicht so überwältigend, wenn wir von einem Durchschnittseinkommen von 19 000 € pro Vollarbeitskraft reden, auch was die soziale Verzerrung, Herr Kollege Kalina, betrifft – man muss immer wissen, von welchem Niveau wir reden. In diesen 19 000 € sind sämtliche Unternehmerrisiken, sind sämtliche Witterungsrisiken enthalten, und in Wirklichkeit sind diese 19 000 € nicht das Einkommen einer Vollarbeitskraft, denn da arbeitet die Altbäuerin mit, da arbeitet der Altbauer mit, die statistisch da gar nicht aufscheinen, da arbeiten teilweise Kinder mit, wenn sie 13, 14, 15 Jahre alt sind, und auch andere Familienmitglieder.

Herr Kollege Kalina, um auch die Frage der sozialen Ausgewogenheit anzuspre-
chen: Wir haben, so glaube ich, einen sehr anerkannten Mix in der betroffenen Be­rufsgruppe. Die SPÖ spielt ein altes Spiel, das schon viele Jahre lang so dahingeht, indem man immer ein bisschen Groß gegen Klein ausspielt. Sie haben es heute sehr vornehm und sehr kameradschaftlich ausgedrückt, aber das Spiel ist nicht neu. (Bun­desrat Mag. Klug: Für uns ist das kein Spiel! Spiel ist das für uns keines!) – Für uns auch nicht. Okay, lassen wir das. Politisch ist es ein bisschen ein Spiel.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 117

Dieses System baut auf einen wirklich austarierten Mix aus Leistungsbezug und sozia­ler Ausgewogenheit auf. Es gibt in der Ausgleichszulage, das war ein wirklich schöner Fortschritt vor wenigen Jahren, einen Sockelbetrag pro Betrieb, mit dem man versucht, sozusagen die Degression der Kosten – wenn man einen größeren Betrieb hat, sind die Kosten pro Einheit geringer – auszutarieren.

Es gibt also zwei Aspekte: Einerseits ist dieses Förderungssystem wirklich – wie soll ich sagen? – fast strukturkonservierend, also den kleinen Betrieben sehr zugute kom­mend und auch in der Berufsgruppe sehr akzeptiert, das können Sie uns glauben. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber die Milchkuhprämie bekomme ich nur, wenn ich Milchkühe ...!) – Ohne Kinder können Sie auch keine Kinderbeihilfe bekommen! Ich weiß nicht, wovon wir da reden. Das ist jetzt wirklich ein bisschen ein Kasperltheater. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Ohne Schnapsbrennan­lage können Sie keinen Schnaps haben. Ich weiß nicht, wie das sonst gehen sollte! (Bundesrat Gruber: Ohne Bock kann ich keine Kinder haben!)

Ein Argument hätte ich noch gerne mit Ihnen diskutiert. Herr Kalina! Sie haben ange­sprochen und dabei sehr fair formuliert, dass 80 Prozent des Einkommens aus öffentli­chen Zahlungen bestehen. – Jetzt muss ich sagen, dass aus der Sicht der bäuerlichen Berufsgruppe nicht immer ganz einfach zu agieren ist. Man muss diese Zahlungen zu einem guten Teil auch als Stützung der Lebensmittelpreise in Österreich sehen.

Ich darf Ihnen ein Beispiel dafür bringen: Als es in den letzten Jahren – 2007, 2008 – eine Hochpreisphase in der Landwirtschaft gab, hat die Bundesarbeitskammer Tag für Tag, auch wider besseres Wissen, sage ich, die Landwirtschaft als Preistreiber darge­stellt.

Die Landwirtschaft ist aus sozialen Gründen, im Hinblick auf die gesamte Republik, auf alle Bevölkerungsschichten bei der Frage der Preissetzung in ein sehr enges Korsett eingebunden, und in diesem Korsett kann sie sich nicht nur unternehmerisch bewegen, wie diese letztjährige Diskussion eindeutig gezeigt hat. Das heißt also, ein guter Teil dessen, was an öffentlichen Mitteln in die Landwirtschaft fließt, ist einfach auch lebens­mittelpreisstützend! Das muss man, wie ich glaube, bei der Argumentation immer wie­der sagen, dass das ein Korsett ist, aus dem die Bäuerinnen und Bauern und die bäu­erlichen Produzenten nicht ohne Weiteres herauskommen.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch einmal ganz kurz anhand der Struktur des Grünen Berichts die Strategie der Agrarpolitik zusammenfassen. Ich glaube, die we­sentlichen Linien dieser Agrarpolitik sind sehr erfolgreich: Sie sind ausgerichtet auf die Effizienzsteigerung der bäuerlichen Betriebe, in den einzelnen Sektoren, mit der Quali­fizierung der bäuerlichen Unternehmer und Unternehmerinnen, der Betriebsleiter, von IT bis Hightech am Bauerhof, es geht um die Qualitätssteigerung der Produkte und die Optimierung der Vermarktungslinien.

Ein großer Schwerpunkt des Herrn Bundesministers in der Periode von 2007 bis 2013 ist die Frage der Förderung und Unterstützung der Investitionen im Hinblick auf die Zu­kunftssicherung der Betriebe, die Förderung der regionalen Vernetzung, der regionalen Verankerung der bäuerlichen Betriebe, des ganzen Sektors mit dem Tourismus und mit dem Gewerbe – Stichwort: Genussregionen –, aber auch andere Dinge.

Herr Kalina, herzlichen Dank für den Hinweis auf die Breitbandausstattung auch im ländlichen Raum – eine absolute Erfolgsstory seit 2003! Die Haushalte sind heute zu 98 Prozent mit Breitband ausgestattet, aber jetzt steht die Um- und Nachrüstung auf die schnellen Internetverbindungen wie Glasfaserleitungen an. Wir sind sehr gute Part­ner, wenn man da weiterkommen will.


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Weitere Themen sind die Förderung der Regionalität, die Förderung von Wertschöp­fungslinien, die Bioenergie, der Urlaub am Bauernhof – also der Agrartourismus –, Ne­bentätigkeiten, Dienstleistungen im ländlichen Raum und so weiter.

Ich glaube, dass diese Politik auch in einem hohen Maße erfolgreich ist. Noch ein letz­tes Argument: Im Jahr 1995, beim EU-Beitritt, hatten wir ein agrarisches Außenhan­delsbilanzdefizit mit einem Deckungsbeitrag von 54 Prozent, das heißt, wir haben mehr ein- als ausgeführt; heute ist die österreichische Landwirtschaft so weit, dass sie mit 93 Prozent praktisch ausgeglichen ist. Das heißt, die österreichische Landwirtschaft hat in den letzten zehn Jahren ihre Bewährungsprobe bestanden.

Die Politik, die man gemacht hat, war sehr erfolgreich, und dazu darf man den han­delnden Akteuren und vor allem dem Herrn Bundesminister sehr herzlich gratulieren. (Beifall bei der ÖVP.)

16.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


16.10.11

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen vorneweg recht herzlich für Ihre fundierte Ausein­andersetzung mit dem Grünen Bericht danken, der wohl aus dem Jahr 2008 datiert, dessen Zahlen aber aus dem Jahr 2007 sind, und ich nehme die anerkennenden Worte, die Sie durchwegs gefunden haben, als ein Dankeschön insbesondere an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, des Lebensministeriums, die diesen Bericht verfasst haben.

Er ist das umfangreichste Nachschlagewerk, das wir im Agrarbereich haben. Es ist so, dass er wahrscheinlich – Kollege Bock hat das gesagt – kein Bestseller wird und keine Gutenachtlektüre ist, aber das soll er ja auch nicht sein, sondern einfach ein umfassen­des Nachschlagewerk: Wenn jemand Informationen über den österreichischen land- und forstwirtschaftlichen Sektor haben möchte, dann bekommt er sie dort.

Im Übrigen möchte ich darauf verweisen, dass die Zahlen erfreulich sind, weil es einen Einkommenszuwachs gegeben hat, wir wissen aber auch, dass sich im zweiten Halb­jahr 2008 die Situation verschlechtert hat, und zwar durch ein enormes Ansteigen der Betriebsmittelpreise – bedingt durch den Ölpreis – im Bereich der Düngemittel und der Futtermittel: ein enormes Anziehen, das sozusagen die bessere Preissituation bei den Erzeugerpreisen beim Getreide und bei der Milch durch exorbitant gestiegene Dünge­mittelpreise negativ kompensiert hat. – Sie wissen, die Erzeugung hängt auch vom Erdöl, vom fossilen Produktionsmittel Öl ab, und damit gab es eine enorme Verteue­rung, unter der die Bauern auch jetzt noch zu leiden haben, wiewohl es einen Rück­gang des Ölpreises gegeben hat, aber die Düngemittelpreise tun das erst jetzt in einem Nachzieheffekt.

Tatsache ist, dass es nach wie vor noch einen Unterschied bei den durchschnittlichen Einkommen gibt, im Vergleich zu einem Industriearbeiter gibt es doch noch mehrere tausend Euro Differenz. Darauf soll verwiesen werden, weil es bei allen Erfolgen und Einkommenszuwächsen hier noch eine offene Schere gibt.

Im Übrigen ist es so, dass es je nach Witterung, je nach Lage, je nach Preissituation unterschiedliche Profiteure gibt. In diesem Bereich hat auch die Berglandwirtschaft pro­fitiert, das muss erwähnt werden, und das wäre nicht so, wenn es keine Ausgleichszu­lage gäbe. Ich betone das deswegen, weil in der letzten Zeit eine Diskussion betreffend


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die Zeit nach 2013 entstanden ist, also im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik und der Frage, inwieweit derartige Zahlungen gesichert sind.

Klar ist, dass wir insbesondere in Berg- und in benachteiligten Gebieten Ausgleichs­zahlungen brauchen, weil sich sonst eine Landwirtschaft im Berggebiet aufhört. Sie hat keine Überlebensfähigkeit, keine Überlebenschance! Ich bin kein Prophet und ich bin der Erste, der sich hohe Erzeugerpreise für die Bauern wünscht, nur realistischerweise wird es das nicht geben, daher braucht man ein Ausgleichssystem, um eine flächende­ckende Bewirtschaftung zu gewährleisten.

Bei den Biobetrieben ist es so, dass es im Beobachtungszeitraum zu einem Rückgang der Zahl der Betriebe gekommen ist, aber zu einem Vergrößerung der Fläche. Wir können ohne Übertreibung sagen, dass wir Bio-Europameister sind, denn die Fläche, die biologisch bewirtschaftet wird, ist entscheidend!

Wir bemühen uns auch darum, alle Möglichkeiten, die der Markt bietet, auszunutzen. – Es hat Ideen gegeben, alle Bauern zu Biobauern zu machen, was ich für nicht sinnvoll halte, denn entscheidend ist der Konsument, der der Marktregulator ist und der ent­scheidet, was unsere heimische Land- und Forstwirtschaft produziert. – Jetzt zu Ihren Redebeiträgen im Einzelnen.

Was Herr Bundesrat Hensler gesagt hat, ist richtig: Es geht in der Landwirtschaft auch um eine Wertedebatte, die in Zeiten einer krisenhaften Entwicklung an Bedeutung ge­winnt. Dinge wie Versorgungssicherheit im Lebensmittelbereich klingen antiquiert und erinnern an die Großelterngeneration, die den Krieg erlebt hat, gewinnen aber heute wieder an Bedeutung. Gott sei Dank habe auch ich eine derartige Zeit nicht erlebt, aber es hat schon Sinn, dass ein Nationalstaat selbst bei liberalisierten Märkten dafür sorgt, dass es eine Mindestversorgung mit Lebensmitteln gibt. Das ist auch Ziel meiner, unserer Politik, wofür den Bauern jetzt, in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation, durch den „Grünen Pakt“, eben durch die ländliche Entwicklung, durch die­ses Investitionsprogramm die Sicherheit gegeben wird, dass es, wenn man investieren will – Stichwort: Konjunkturpakete – ein Programm gibt, das das gewährleistet.

Die Gentechnik wurde erwähnt: Es ist tatsächlich so, dass in Deutschland eine gewal­tige Debatte losgebrochen ist! Der Mais, der jetzt in Deutschland mit einem Anbauver­bot belegt wurde, nämlich Mon810, ist jener Mais, der in Österreich schon mit einem Anbauverbot belegt war, was aber beim Umweltministerrat vor etwa eineinhalb Mona­ten zur Diskussion gestanden ist, und dort hat uns Deutschland unterstützt.

Allerdings sind die Meinungen in Deutschland diesbezüglich unterschiedlich – das geht quer durch. Es ist so, dass man in Norddeutschland eher pro Gentechnik, im bayeri­schen Raum gegen die Gentechnik im Anbau ist. Es war ein mutiger Schritt meiner deutschen Ressortkollegin, den Anbau von Mon810 zu verbieten. Sie dürfen nicht ver­gessen, dass Mon810 zwar ein Monsanto-Produkt ist, aber Bayer ist eine deutsche Firma, die ebenfalls auf Gentechnik setzt, auch im Bereich der Pflanzenzüchtung. Das ist kein einfaches Thema! – Mich freut es jedenfalls, weil Deutschland immer ein wich­tiger Partner in der Sicherung der Gentechnikfreiheit war.

Ich möchte aber Folgendes sagen: Auch wenn sich das die Mehrzahl der Österreiche­rinnen und Österreicher wünscht, entscheidend ist dann schon auch das Kaufverhalten der Bevölkerung. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber sie wissen es ja nicht, wenn es nicht ...!) – Denn es nützt nichts, Frau Kollegin, dass, wie mir viele Molkereien – Kärnt­nermilch, Tirol Milch – sagen, sie direkt auf der Milchpackung „gentechnikfrei produ­ziert“ stehen haben, wenn sie der Konsument nicht kauft.

Ich bin nicht jemand, der die Gentechnik forciert, im Gegenteil, nur es muss schon der Konsument/die Konsumentin der Partner und die Partnerin sein, der/die dann diese


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Produkte kauft, das honoriert und diesen minimalen Mehrpreis – ich weiß sehr wohl, dass es Menschen gibt, die sozial nicht so gut gestellt sind, sich Lebensmittel in Hülle und Fülle kaufen zu können – auch bezahlt, das ist wichtig! Mir geht es nicht darum, zu moralisieren, sondern mir geht es um die Achse zum Konsumenten und darum, diese auszubauen, und auch um die Verantwortung, die der Konsument hat.

Zu Herrn Kollegem Kalina. Dieses Thema mit dem Einkommen und der Verteilungsge­rechtigkeit ist von Kollegem Keuschnigg schon bestens erklärt worden. – Das ist ja ein alter Hut, ein altes Thema zwischen SPÖ und ÖVP, das ist klar, und darüber muss man natürlich auch reden. Dass hier viel Geld im Spiel ist, steht außer Streit, aber es geht darum, dass es wichtig ist.

Ich möchte dort fortfahren, wo Herr Bundesrat Keuschnigg geendet hat: Es ist so, dass jeder österreichische Bauer auf Prämien verzichten würde, wenn es der Marktpreis hergäbe und ein Einkommen sichern könnte, aber es ist leider Faktum, dass auch ein 1 000-Hektar-Betrieb in der Ackerbaugunstlage in Niederösterreich nicht vom Markt­preis leben kann. Das ist eine bittere Tatsache, die sich aufgrund der liberalisierten Märkte ergeben hat. Sie können sich sicher sein, dass ich mir das wünschen würde, denn dann würden wir uns budgetär einiges ersparen und müssten nicht ständig einen Kampf führen, um dieses Prämiensystem auch in die Zeit nach 2013 zu retten. Leider Gottes ist es aber so!

Natürlich gibt es ein Interesse, dass die Lebensmittelpreise für jedermann und jede Frau erschwinglich sind, wodurch man in dieser Situation einen Ausgleich braucht. Er­innern Sie sich an die Preissituation bei Milch und Getreide im Vorjahr, als in den Börsennotierungen nicht mehr von Stahl und von Kupfer die Rede war, sondern von Soft Commodities – man solle an den Börsen in Soja, in Weizen, in Mais investieren – und dann plötzlich die Erzeugerpreise genauso hinuntergerasselt sind wie die Aktien­preise insgesamt! Das heißt, auch der Agrarsektor ist Opfer der großen Spekulationen geworden, und da hat das Prämiensystem schon eine Absicherung gegenüber man­chen gegeben, die nur darauf abgezielt hätten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur den Mais erwähnen: Es waren die Zeitun­gen wochenlang voll mit dem Tortilla-Konflikt, der US-Versprittung von Mais, während die Mexikaner keine Tortillas bekommen. – Das hat dem steirischen und burgenländi­schen Maisbauer, der verstärkt produziert hat, gar nichts genützt, denn wir haben re­gional eine enorme Überproduktion an Mais. Der Maispreis ist am Boden! Er war noch nie so tief wie heute, weil in der Steiermark, im Burgenland, in Ungarn und so weiter sehr viel produziert wird. Das heißt, es nützt nichts, wenn es irgendwo in Übersee einen Mangel gibt, wenn es hier eine Überproduktion gibt. Das ist eine Tatsache.

Daher ist das Prämiensystem etwas, das absichert, und es ist eben keine Sozialleis­tung! Man darf dieses landwirtschaftliche Prämiensystem nicht mit einem Sozialpro­gramm verwechseln: Das ist ein Programm, das die Versorgung, aber auch einen öko­logischen Leistungslohn sichert, und dessen Ziel es ist, dass möglichst alle Betriebe mittun – natürlich auch die größeren Betriebe. Wenn ich einem größeren Betrieb ab einem gewissen Hektar keine Prämie mehr gebe, macht der nicht mehr mit und sagt: Ich produziere am freien Markt! Mich behindern die Auflagen dieses Prämiensystems, ich produziere auf Teufel komm raus. – Durch das Prämiensystem haben wir erreicht, dass wir eine nachhaltige Produktion, eine Extensivierung haben, und keine Auf-Teu­fel-komm-raus-Produktion, die niemand bei uns will.

Ich wehre mich auch – Kollege Bock ist nicht mehr da – gegen den Ausdruck „Indus­trialisierung unserer Landwirtschaft“. Wir haben keine industrialisierte Landwirtschaft! Wissen Sie, was das heißen würde? – Nicht 1 000 Schweine, sondern 50 000 Schwei­ne auf engstem Raum! Das ist industrialisierte Landwirtschaft! Das haben wir nicht bei


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uns und das wollen wir auch nicht, daher brauchen wir auf jeden Fall ein Prämiensys­tem, um das ausgleichen zu können.

Das Umweltprogramm wurde erwähnt, und es ist schon so, dass wir darauf stolz sein können. Wir haben deswegen erreicht, dass 70, 80 Prozent der Betriebe mit insgesamt 90 Prozent der Fläche mittun, weil auch die flächenstarken Betriebe einsteigen und sa­gen: Ja, wenn ich auf Produktionsankurbelung verzichte, bekomme ich einen ökologi­schen Leistungslohn, und daher mache ich mit! – Aber wenn die Auflagen zu groß werden, steigt er aus. – Das dazu.

Wir haben auch soziale Komponenten drinnen – dazu bekenne ich mich auch –, wir haben Größendegressionen, wonach die Beträge für größere Betriebe gekürzt werden, nicht aber für kleine Betriebe. Nach dem Health Check, der im Vorjahr beschlossen wurde, werden die Mittel für alle Betriebe gekürzt, die mehr als 5 000 € von der EU be­kommen. Es sind immerhin 65 Prozent der Betriebe, die keine Kürzung erfahren, da sie weniger als 5 000 € bekommen.

Wir versuchen hier also sehr wohl, soziale Komponenten einzuziehen, diesbezüglich bin ich ganz Ihrer Meinung, und wir sollten das nicht in eine ideologische Debatte münden lassen.

Was Ihre Informationen, Herr Kollege Kalina, von den diversen IG-Organisationen be­trifft: Ich möchte nicht sagen, dass Sie sich des Bauernbunds als Informationsquelle bedienen sollen (Bundesrat Kalina: Nein!), aber wir werden uns bemühen, objektive Informationen zu geben.

Spaß beiseite. Die IG-Fleisch hat die Debatte über ein anderes Kennzeichen angezo­gen, und zwar über diesen ovalen Stempel, und hat suggeriert, dass das eine Irrefüh­rung des Konsumenten ist. Tatsache ist, dass dieser ovale Stempel lediglich ein Ge­nusstauglichkeitskennzeichen ist, mit dem der Agrarsektor gar nichts zu tun hat. Das ist lediglich ein Stempel, der sagt, dass das Produkt genusstauglich ist, dass es in Verkehr gebracht werden kann. In der Öffentlichkeit wurde es von diversen IG-Vertre­tern jedoch so dargestellt, als wäre das ein Gütesiegel. – Ist es nicht! Das hat mit dem Agrarsektor nichts zu tun.

Da geht es schon auch darum, die Bevölkerung aufzuklären, worum es geht. Wir ha­ben ein agrarisches Gütesiegel, das absolute Sicherheit bietet, das AMA-Gütesiegel. Dieses gibt es nicht nur beim Fleisch.

Im Übrigen gibt es jetzt die Werbeaktion mit der Milch, um verstärkt auf den heimi­schen Milchkonsum hinzuweisen.

Das AMA-Gütesiegel garantiert österreichisches Tier: in Österreich aufgewachsen, ge­schlachtet, verarbeitet. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber kein österreichisches Futter­mittel!) Österreichisches Futtermittel? (Bundesrätin Kerschbaum: Kein gentechnik­freies!) – Sie sind auch gegen den Biosprit. Ein Aspekt der Biospritproduktion ist, mehr Eiweißfuttermittel zu bekommen, aus dem Presskuchen, der übrig bleibt.

Sie kritisieren oft die Biospritproduktion, ich meine, Sie müssen sich entscheiden, wofür Sie sind. Unser Ziel ist es, dass wir möglichst viel Eigenes machen. Tatsache ist, dass wir das Vertrauen des Konsumenten brauchen und auch suchen.

Zur gelegentlich angesprochenen Kritik der Arbeiterkammer, dass bei uns die Lebens­mittelpreise viel höher wären als in Deutschland – ohne Polemik –: Ich finde, dass es gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig wäre, dem Konsumenten zu sagen, dass er beim Kauf heimischer Lebensmittel einen Mehrwert bekommt, dass nicht nur der Bauer profitiert, sondern auch der Arbeiter in der Molkerei, in der Zuckerindustrie, bei den Bäckern, Fleischern und so weiter, dass die Wertschöpfung im Land bleibt.


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Mir ist das ein sehr ernstes Thema, denn wir haben im EU-Agrarministerrat auch über die wirtschaftliche Situation des Agrarsektors gesprochen. Länder wie Großbritannien, die für eine völlige Liberalisierung eintreten, sagen nun plötzlich, dass eine regionale Lebensmittelproduktion schon etwas für sich hat. – Hört, hört, welch neue Töne?!

Also ich meine, wir brauchen da – das ist wirklich ganz ernsthaft gemeint – einen – nennen wir es so – nationalen Schulterschluss aller Kräfte. Wir müssen bewusst ma­chen, dass der Konsument, der österreichische Lebensmittel kauft, dafür einen Mehr­wert bekommt, er kauft Landschaftserhaltung im wilden Alpenbereich, wo das wirklich sehr schwierig ist, mit, natürliche Lebensgrundlagen – und auch die Arbeiter haben einen Job. Das ist mir sehr wichtig.

Ich erinnere an die seinerzeitigen Demonstrationen des Bauernbundes mit der Ge­werkschaft, als es um die Zuckermarktordnung ging. Da die Rübenkontingente gekürzt wurden, sperrte letztendlich auch eine Zuckerfabrik zu. Es ist nicht in unserem Interes­se, dass Arbeiter ihren Job verlieren, denn sie sind Konsumenten, insbesondere auch im Lebensmittelsektor.

Zur Breitbandförderung: Ich muss das Geld von der EU – 45 Millionen € sollen es sein – kofinanzieren. Budgetverhandlungen – nicht einfach, mit dem Finanzminister schwierig, ein schwieriges Thema, trifft alle. (Bundesrat Kalina: Es wird gehen!) Das Ziel ist auf jeden Fall, es kozufinanzieren. (Bundesrat Kalina: Es wird klappen!) – Ich hoffe, ja, mit Ihrer Unterstützung. Das Thema Breitband ist jedenfalls wichtig.

Es ist ganz klar, dass da weit über den Agrarsektor hinaus der ländliche Raum er­schlossen werden kann; das ist von großer Bedeutung.

Im Zusammenhang mit dem Thema Personalbesetzung bei der Bundesanstalt für Bergbauernfragen möchte ich schon auf das Entschiedenste zurückweisen, dass ich da parteipolitisch tätig gewesen wäre oder dass die Bestellung parteipolitisch erfolgt wäre.

Ich möchte darauf verweisen, dass die Ausschreibung vor meiner Amtszeit stattgefun­den hat, auch das Ende der Bewerbungsfrist, und dass eine Kommission beurteilt und einen Mann und eine Frau als gleich qualifiziert dargestellt hat, wodurch ich gesetzlich dazu verpflichtet war, die Frau zu nehmen. Es geht dabei auch um die Ernsthaftigkeit einer Diskussion, die vor Wochen stattgefunden hat, nämlich Frauen in bessere Posi­tionen zu bringen, Frauen, wenn sie gleich qualifiziert sind, zu nehmen. Sie können von mir dann nicht erwarten, dass ich, wenn ein Mann und eine Frau gleich gereiht sind, nicht die Frau bestelle. Das wäre gegen das Gesetz. Ich bitte um Verständnis dafür.

Zur Importabhängigkeit. Frau Kollegin, wir propagieren saisonale Obstprodukte. Wir können beim Obst nicht Selbstversorger sein, weil wir klimabedingt im Hintertreffen sind. Wir haben aber zum Beispiel im Gemüsebereich vermehrt in Glashäuser inves­tiert, um damit die Saison, auch die Paradeiserproduktion, zu verlängern. Aber es gibt klimatische Grenzen, weshalb wir in diesem Bereich nicht Selbstversorger sein kön­nen.

Weil Sie immer gesagt haben, dass wir exportlastig sind, möchte ich betonen, dass wir das nicht sind. Wir haben ein leichtes Agrarhandelsbilanzdefizit, wir importieren also mehr, als wir exportieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Aber wir haben erreicht, dass unsere Agrarexporte, die vor dem EU-Beitritt sehr gering waren, im ver­gangenen Jahr 8 Milliarden € ausgemacht haben. (Bundesrätin Kerschbaum: Beides steigt!) – Beides steigt, ja.

Es ist noch ein Delta da, aber worauf ich verweisen möchte – das an alle, die die Selbstversorgung mit heimischen Lebensmitteln so propagieren –: Wie die Kollegen schon gesagt haben, ist der Agrarhandel keine Einbahnstraße. Wenn wir im Agrarbe-


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reich mit der österreichischen Qualität keinen Export hätten, hätten wir ein Fiasko in der Landwirtschaft. Wir brauchen den Export. Für 8 Milliarden € haben wir exportiert – und selbstverständlich kommen auch Nahrungsmittel herein.

Ich propagiere die Wahlfreiheit, und der Konsument soll sich bewusst sein, welche Ver­antwortung er hat, denn der Konsument stimmt täglich darüber ab, wie unsere Land­wirtschaft ausschaut. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Die Konsumentin auch, ja. Der Konsument und die Konsumentin über ihren Einkauf.

Genussregionen, das hat Kollege Preineder angesprochen, sind ein wichtiges Thema. Mit 18. April starten die FrühlingsGenussWochen. Das ist eine Initiative der Genussre­gionen mit sogenannten Genusswirten, die auch einen Mehrwert haben, weil sich der Konsument für das Thema interessiert. Im Vorjahr haben 300 Wirte daran teilgenom­men, jetzt sind es über 370 Wirte, die als Genusswirte spezielle Produkte aus den Ge­nussregionen verkochen. Ich möchte Sie einladen: Genießen Sie das! Heimische Qua­lität wird in der Gastronomie sehr stark forciert und kann auch zur Wertschöpfung bei­tragen.

Kollege Bock hat gesagt, dass oft die Vorschriften der Grund dafür sind, dass die Bau­ern aufhören. – Ganz genau. Nur, die Frage ist: Wer macht die Vorschriften? – Das sind, ich nehme mich da gar nicht aus, eigentlich wir alle, die wir vielleicht die Wünsche der Gesellschaft erfüllen wollen und sagen, der Bauer braucht die und die Vorschriften, muss das und das noch machen! Das zipft den Bauern an, er verzweifelt oft daran und sagt, dass er diese und jene Vorschriften erfüllen muss, der Konsument das aber nicht honoriert, dass der Konsument haben möchte, dass er diese und jene Auflagen erfüllt, aber nicht bereit ist, dafür auch zu zahlen.

Daher müssen wir da schon mit Augenmaß vorgehen – und dazu stehe ich –, wir müs­sen dem Konsumenten Produktsicherheit, Lebensmittelsicherheit geben, ganz klar, aber man muss die Vorschriften fairerweise schon auf ein vernünftiges Maß eingren­zen, das auch erträglich ist.

Das, was Kollege Keuschnigg zur Investitionsbereitschaft gesagt hat, ist richtig. Es ist wichtig, dass wir die Investitionsbereitschaft und Innovationskraft der bäuerlichen Be­triebe erhalten. Die internationale Diskussion im Vorjahr Lebensmittel versus Biosprit hat gezeigt, dass Staaten wie zum Beispiel Indien, die nur in Hightech investieren und nicht in die Landwirtschaft, ein Ernährungsproblem haben.

Es hat sich also gezeigt, dass wir sehr wohl in Industrie- und Dienstleistung, in alle an­deren Sektoren investieren müssen, aber auch in die Landwirtschaft, um sie wettbe­werbsfähig zu erhalten und damit auch Versorgungssicherheit zu garantieren.

Abschließend: Frau Kollegin Kerschbaum, es stimmt nicht, dass wir keine GVO-For­schung, -Risikoforschung haben. Ich weiß nicht, wo Sie nachgefragt haben. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Wir haben hier ein paar Forschungsprojekte, ich kann sie Ihnen zitieren: Untersuchung potenzieller ernährungsbedingter Risiken von gentechnisch verändertem Hybridmais, Biodiversität in österreichischen Ackerbauge­bieten im Hinblick auf die Freisetzung und den Anbau gentechnisch veränderter Kul­turpflanzen, und, und, und. Das sind kofinanzierte Projekte meines Lebensministeriums mit dem Gesundheitsministerium. Es gibt also eine Reihe von Forschungsprojekten, die wir ja auch durchführen müssen, um unsere Position in der EU zu untermauern, warum wir gentechnikfrei bleiben wollen. Die sagen das ja nicht aus Sympathie, son­dern wir versuchen, wissenschaftlich zu belegen, warum wir dagegen sind.

In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.29



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Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Grünen Bericht 2008 der Bundesre­gierung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2009 gemäß § 9 Landwirtschafts­gesetz 1992.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.30.3111. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2007 (III-354-BR/2008 d.B. sowie 8104/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zum 11. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sodl. – Ich bitte um den Bericht.

 


16.30.44

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staats­sekretärin! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Lage der Tou­rismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2007.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 2009 den An­trag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2007 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich erteile es ihr.

 


16.31.21

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Christine Marek! Geschätzte Damen und Herren! Wir Tirolerinnen und Tiroler sind sehr stolz auf unseren Tourismus. Allein die Tatsache, dass Tirol über höhere Nächtigungszahlen als ganz Griechenland verfügt, vermag doch, glaube ich, sehr zu beeindrucken.


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Deswegen freut es mich umso mehr, dass die wunderschöne, bekannte Gebirgskette Wilder Kaiser das Cover des Tourismusberichtes ziert (die Rednerin zeigt den Touris­musbericht), damit alle sehen, wie schön es bei uns ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl. – Bundesrat Boden: Nur keine Werbung!)

Gerade im ländlichen Raum ist der Tourismus neben Handel, Gewerbe und Industrie ein wichtiges Standbein der Wirtschaft und ein unverzichtbarer Arbeitgeber, um unter anderem vor allem der Abwanderung, die in diesem Gebiet ein großes Problem ist, entgegenzuwirken.

Frau Staatssekretärin Christine Marek geht in ihrer Einleitung zu diesem Bericht unter anderem auf dieses Thema ein und betont auch die Tatsache, dass im Tourismus fast doppelt so viele Frauen wie Männer tätig sind und der Anteil der Frauen in Führungs­positionen im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen mit einem Wert von 30 Prozent relativ hoch ist.

Wir stehen aber gerade aus diesem Grund vor großen Herausforderungen, was die Anpassungen dieses Sektors an die Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen betrifft, abge­sehen von unserer Forderung, über die wir heute schon oft gehört haben: gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Ich möchte im Zuge der Debatte über diesen Bericht meine höchste Wertschätzung für alle Frauen, die im Tourismus- und Freizeitbereich arbeiten, ausdrücken – für den ho­hen Anteil und diese vielen Familienbetriebe, die es in Tirol und im übrigen Österreich in diesem Sektor gibt –, die neben all den Anforderungen, die Dienstleistungen in die­sem Bereich zu bewältigen, die Betreuung der Kinder, der Familie, diese Doppelbelas­tung erst einmal meistern und aushalten müssen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Weiters erweist sich der Tourismus natürlich wieder im Zusammenhang mit Handel und Gewerbe in der jetzigen wirtschaftlichen Situation als wesentliche Stütze, die die Einbrüche der anderen Sektoren abfedert. Es ist daher wichtig, gezielt weiter in den Tourismus zu investieren und die Werbung entsprechend zu dotieren.

Aktuell zu berichten ist: Auch dieser Winter ist wieder auf Rekordkurs. Trotz der Feb­ruar-Rückgänge liegen die Daten für Tirol über dem Rekordwinter des letzten Jahres. Und wie im Tourismusbericht aufgezeigt, hält der Trend weiter an, dass die Vier- und Fünf-Sterne-Hotels sowie die Ferienwohnungen am meisten dazugewinnen. Das zeigt einmal mehr, dass die Richtung der letzten Jahre, speziell in die Qualität zu investie­ren, die richtige Entscheidung war.

Als Vertreterin eines Nationalparkanliegerbezirks, nämlich des Nationalparks Hohe Tauern, möchte ich noch ganz kurz auf die zunehmende Bedeutung der Nationalparks für den Tourismus in Österreich eingehen.

In Österreich gibt es sechs Nationalparks. Der Verzicht auf die wirtschaftliche Nutzung auf mindestens 75 Prozent der Fläche ist eine Zielsetzung der österreichischen Natio­nalparkpolitik und auch Voraussetzung für die weltweite Anerkennung als Nationalpark durch die Internationale Naturschutzunion, die IUCN, der alle sechs Nationalparks in Österreich angehören.

Wie ich es von unserem Nationalpark Hohe Tauern kenne, steht und stand ein großer Teil der Nationalparks sehr wohl im Spannungsfeld zwischen dem Naturschutz und den wirtschaftlichen Überlegungen, wie zum Beispiel der Wasserkraftnutzung oder Er­schließungsprojekten zum Beispiel für den Wintertourismus.

Ein Problem stellt auch die Tatsache dar, dass fast alle Nationalparkgemeinden in Ös­terreich unter Nächtigungsrückgängen leiden und der Nutzen für die betroffene Bevöl-


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kerung viel zu wenig spürbar und klar ist, aber die Akzeptanz der eigenen Bevölkerung unverzichtbar ist, um erfolgreich zu sein und daran weiterzuarbeiten.

Wichtig wäre es in dieser Hinsicht, die Ausgewogenheit zwischen Schützen und Nüt­zen zu finden. Das kann aber nur durch kooperatives Zusammenwirken von Umwelt­organisationen, der örtlichen Bevölkerung, den Tourismusexperten und den politischen Entscheidungsträgern gelingen.

Der Tiroler Abgeordnete zum Nationalrat und Tourismussprecher Franz Hörl hat sich mit uns gemeinsam auch aufgrund dieser Probleme im Nationalpark Hohe Tauern ve­hement für eine bessere touristische Vermarktung eingesetzt, indem man überlegt, wie man Doppelgleisigkeiten vermeiden kann und Strukturen bündelt, um die zur Verfü­gung stehenden Geldmittel effizienter einsetzen zu können.

Deshalb freut es mich umso mehr, dass, wie auch im Bericht nachzulesen ist, dem Tiroler Wunsch nach Errichtung einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe sehr wohl nachgegangen wurde. Diese Task Force, wie man sie nennt, hat bereits im Juni letzten Jahres getagt und hat zum Ziel, eine optimale einheitliche Strategie zu erarbeiten und neben Aspekten wie Umweltschutz, Landwirtschaft, Arten- und Naturschutz auch die tourismuswirtschaftlichen Möglichkeiten zu berücksichtigen. Möge dabei eine gute Zu­sammenarbeit und Zukunftsstrategie herauskommen!

Abschließend möchte ich mich bei allen Damen und Herren, die den Bericht verfasst haben, für die Zusammenstellung des umfassenden Daten- und Faktenmaterials be­danken. Ich bin überzeugt davon, dass die Entwicklung im Tourismus und in der Frei­zeitwirtschaft in Österreich weiterhin einen guten Verlauf nehmen wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.38


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Vizepräsidentin Mag. Neu­wirth. – Bitte.

 


16.38.19

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich gleich dem Dank meiner Vorrednerin anschließen, dieser Bericht ist wirklich sehr, sehr gut ge­macht. Die Zahlen, Daten und Fakten sind gut lesbar dargestellt, und viele Fragen, die im Zusammenhang mit dem Tourismus diskutiert werden, finden sich hier anschaulich wieder.

Schade ist natürlich, dass wir den Bericht erst jetzt diskutieren können – er behandelt ja das Jahr 2007. Umso wertvoller war es, dass im Ausschuss auch schon Zahlen für das Jahr 2008 genannt wurden und wir gesehen haben, dass nicht nur das Jahr 2007 einen äußerst positiven Abschluss in diesem Bereich gefunden hat, sondern sich die­ser Trend eigentlich wider Erwarten, muss man sagen, im Jahr 2008 durchaus fortge­setzt hat, sodass man wirklich sagen kann, die Tourismuswirtschaft ist trotz Wirt­schaftskrise noch mit einem blauen Auge davongekommen.

Mittlerweile schaut es ja so aus, als würde sich auch das Jahr 2009 ganz gut entwi­ckeln. Vor allem was die Skisaison, Wintersaison 2008/2009 betrifft, gibt es durchaus positive Zahlen. Ob es so weitergeht, traut sich, glaube ich, niemand zu sagen; man wird sehen. Momentan jedenfalls zeichnen sich nicht wirklich negative Trends ab.

Als Tourismussprecherin der SPÖ habe ich irgendwie darüber nachgedacht: was ist jetzt eigentlich das Thema?, denn es wird ja niemand von mir erwarten, dass ich die Zahlen über das Jahr 2007 aus diesem Bericht vorlese. Was ist das Thema, mit dem wir uns eigentlich beschäftigen sollten?


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Es gibt ja, wenn man über den Tourismus nachdenkt, zahlreiche Themen, die wichtig sind. Ich erinnere nur an die demographische Entwicklung: Wie schaut es mit Angebo­ten für Seniorinnen und Senioren aus? – Auf der anderen Seite darf man den Jugendli­chenmarkt nicht vergessen.

Wie schaut es in Zukunft mit der Menge an Freizeit aus, die Leuten zur Verfügung steht, und wie wirkt sich das aufs Tourismusverhalten aus? Oder wie steht es um die Menge an Geld, mit den oder auch ohne die momentanen Schwierigkeiten? – Hier gibt es verschiedene Ansätze, über die man diskutieren muss.

Im Jahr 2007 haben wir eine parlamentarische Enquete zum Thema Tourismus und Klimawandel durchgeführt, die sehr interessante Ergebnisse geliefert hat. Auch dar­über ließe sich lange und ausführlich reden. Ich denke, in dem Zusammenhang wird auch einiges zu tun sein, was noch nicht so sehr Einfluss gefunden hat, wie es meiner Meinung nach der Fall sein sollte.

Natürlich geht es auch um die Frage der Sicherheit: Wohin fahre ich, und wohin fahre ich nicht? – Es geht um wechselnde Konsumtrends, um Marketing, um Transport: Wie komme ich irgendwo hin? Wie sollen die Leute irgendwo hinkommen?

Alle diese Dinge wären interessant, aber meine Redezeit ist begrenzt! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Deshalb beschränke ich mich auf zwei Punkte, über diese möchte ich gerne etwas sagen. Zunächst referiere ich kurz einiges über die Situation in Salzburg, und dann gehe ich auf ein Thema ein, über das wir heute in einem anderen Zusammen­hang schon gesprochen haben, nämlich die Situation von Frauen speziell im Touris­mus, die mir auch ein besonderes Anliegen ist.

Bekanntlich ist Salzburg ein Tourismusland, und wie Sie alle wissen, lebt der Salzbur­ger Tourismus in der Hauptsache von der wunderschönen Landschaft. Wir haben im Land Salzburg auch im Jahr 2007 mit 2,4 Millionen Übernachtungen wieder ein Plus erreicht. Wir haben einen Anteil von insgesamt 804 Quadratkilometern am National­park, das ist eine Fläche, die sich durchaus sehen lassen kann. Immerhin steht ein Drittel des Landes unter Natur- und Landschaftsschutz.

Uns geht es jetzt darum, diese Voraussetzungen auch für die kommenden Generatio­nen zu erhalten, denn eines ist klar: Dass die Wirtschaftskrise Salzburg nicht in dem Maß betroffen hat, liegt auch daran, dass viele Menschen in der Tourismusbranche oder in anhängigen Branchen beschäftigt sind, die eben nicht in dem Maß von den Auswirkungen betroffen waren. Das ist mit Sicherheit eine gute Voraussetzung, die wir auch weiterhin so handhaben wollen.

Wir wollen natürlich – ausruhen kann sich in der Tourismusbranche niemand – nach dem Grundsatz „Gemeinsam sind wir stärker“ auch den globalen Trends im Tourismus entgegenwirken, weil Salzburg als doch relativ kleines Bundesland schon schauen muss, dass es auf dem Markt der Tourismusdestinationen sichtbar bleibt. Dazu gibt es einige Initiativen und auch Unterstützungen, die das Land Salzburg den Betrieben ge­währt, und dieser Weg wird mit Sicherheit fortgesetzt werden.

Klar ist, dass die Stadt Salzburg mit zahlreichen Angeboten wirklich das Zugpferd des Tourismus ist. Mit über 2,1 Millionen Nächtigungen im Jahr 2007 liegt die Stadt Salz­burg unter den österreichischen Städten an zweiter Stelle hinter Wien. Im selben Zeitraum gab es 5,5 Millionen Tagesgäste, die ungefähr 137 Millionen € ausgegeben haben. Damit wurden allein in der Stadt Salzburg 1 800 Vollarbeitsplätze und rund 4 500 Arbeitsplätze über indirekte Effekte gesichert. Man sieht daran, dass das Grö­ßenordnungen sind, die sich sehen lassen können.

Auch wenn nur 5,6 Prozent der Salzburgerinnen und Salzburger direkt im Tourismus­bereich arbeiten, sind natürlich viele andere Branchen betroffen, etwa der Dienstleis-


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tungssektor, die Gastronomie, Verkehrsanbieter, Kultureinrichtungen und so weiter und so fort. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Festspiele haben einen gesamtwirtschaft­lichen Nutzen von rund 153 Millionen € im Jahr, und damit ist auch ein Beschäftigungs­effekt von etwa 1 600 Arbeitsplätzen verbunden.

Natürlich setzen wir uns immer wieder und weiter für eine Verbesserung des Messe­wesens und des Kongresswesens ein, weil es auch in der Stadt Salzburg noch Zeiten gibt, die es zu füllen gilt, und zwar jenseits des Sommertourismus, in dem wir bereits voll ausgelastet sind. – So weit zur Situation in Salzburg.

Nun ein paar Anmerkungen zur Situation der Frauen im Tourismus: Es ist ja bekannt, dass die Tourismusbranche eigentlich eine Frauenbranche ist; fast zwei Drittel der dort Arbeitenden sind Frauen. Dennoch muss man sagen, dass der Tourismus nicht zu den Branchen gehört, die wirklich frauenfreundliche Arbeitsplätze anbieten. Karrieremög­lichkeiten gibt es selten, das muss man ehrlicherweise sagen, und Spitzenpositionen sind so gut wie immer mit Männern besetzt, außer die Frauen sind selbst die Unterneh­merinnen; das ist die einzige Ausnahme.

Themen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Wiedereinstieg und Fortbil­dungsmaßnahmen sind in dieser Branche eher ein Fremdwort, als dass sie Gegen­stand einer alltäglichen Beschäftigung damit wären, was man den Frauen oder den Fa­milien auch anbieten könnte. Das zeigt sich allein schon an der Kinderbetreuung: Viele Gastronomen machen sich zu Recht wirklich gute Gedanken darüber, wie sie die Gäs­tekinder betreuen, aber wie die Kinder ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreut werden, das gehört irgendwie unter „ferner liefen“ und ist jedes Menschen Privatange­legenheit.

Daher denke ich, es gibt da eine Reihe von Dingen, auf die man ganz sicher noch schauen muss. Wir müssen davon ausgehen, dass die Tourismusbranche, was die Ar­beitsplatzangebote betrifft, sich in den nächsten Jahren nicht wirklich wesentlich verän­dern wird. Es wird zwar aufgrund der höheren Qualitätsanforderungen oder der Quali­tätssteigerungen im Tourismus vielleicht noch ein paar Qualitätsarbeitsplätze mehr geben, aber im Grunde geht es eigentlich um Dinge, die sozusagen eher den Frauen zugeschrieben werden.

Es geht darum, die Gäste zu versorgen, das heißt, sie zu bekochen, sie freundlich zu begrüßen, den ganzen Tag zu betreuen und möglichst zufrieden zu entlassen. Das sind Dinge, die eher Frauen zugeschrieben werden. Insofern freut sich ja die Branche darüber, dass dort viele Frauen arbeiten, aber das hat natürlich zur Folge, dass sich an dieser Tatsache der stereotypen Zuschreibung nichts ändert. Außerdem sind es die Ar­beitsplätze, die am allerschlechtesten bezahlt werden. Da sollte man, denke ich, jenseits von Zahlen, Daten und Fakten, die das immer mehr aufzeigen, wirklich Ein­fluss nehmen, auch vonseiten der Politik. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

16.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.47.19

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Werte Zuhörer! Ich werde mich ganz kurz fassen. Der Bericht ist sehr gut und informativ, wir möchten uns dafür recht herzlich bedanken. (Zwischenruf des Bundes­rates Dr. Kühnel.) – Auch Kollege Kühnel bedankt sich mit einem Zwischenruf, das freut mich.

Dennoch wirft der Bericht einige Fragen auf – vielleicht könnten wir diese in den kom­menden Berichten beantwortet haben –, zum Beispiel eine Frage im Bereich der Ener-


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gieeffizienz, und zwar danach, welche Maßnahmen getroffen werden, um die Hoteliers bei ihren Investitionen zu unterstützen.

Weiters gibt es Bestimmungen bei der Alpenkonvention, die, wie soll ich sagen, gar nicht mehr angeführt worden sind.

Eine Frage stellt sich auch zur Nachhaltigkeit von Groß-Events, zum Beispiel der EURO 2008, oder auch zu Erfahrungen aus dem Kulturhauptstadt-Projekt Linz09. Wei­ters ist anzumerken: Was die Anreise betrifft, wird nicht erhoben, mit welchem Fahr­zeug die Menschen kommen, ob etwa mit dem Fahrrad oder mit dem Zug. Ich würde mir wünschen, dass man auch das erheben könnte.

Positiv herauszustreichen ist, dass der Klimawandel, die Bereiche der Architektur und Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit im Tourismus, Gartentourismus und auch Alpintouris­mus weiterhin ein Thema geblieben sind. Ich bitte, da auch künftig dranzubleiben.

Im Jahr 2005 ist eine Plattform „Sanfter Bergtourismus“ gegründet worden. Welche konkreten Aktivitäten diesbezüglich stattgefunden haben, geht aus dem Bericht meines Erachtens nicht hervor. (Bundesrat Dr. Kühnel: Studieren Sie ihn jetzt zum ersten Mal?) – Nein, nein, ich habe viel herumgestrichen, weil schon so viel gesagt worden ist. Darum halte ich mich auch ganz kurz. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber ich kann mich gerne wiederholen.

In aller Kürze: Auf jeden Fall ist der Bericht sehr umfassend, und er wirft einige Fragen auf. Ich hoffe, dass das, was ich jetzt ganz oberflächlich angeführt habe, in den nächs­ten Berichten behandelt wird. Ein Dank geht noch einmal an die Verfasser und Verfas­serinnen des Berichtes. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei der ÖVP.)

16.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


16.50.55

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Tourismusbe­richt 2007 ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte. Der Tourismus trägt wesentlich zum Wachstum der österreichischen Wirtschaft bei. Der Tourismus in Österreich ist eine Querschnittsmaterie, er umfasst die Bereiche Baukultur, Umweltschutz, Verkehrsinfra­struktur und vieles mehr. Ich denke, gerade aufgrund dieser hervorragenden Voraus­setzungen haben wir auch diese guten Zahlen zu verzeichnen.

Tourismus liegt im Interesse des Bundes, aber auch der Länder und der Gemeinden. So ist dieser Lagebericht umfassend und detailliert, er zeigt den erfolgreichen Weg auf, der sich zweifellos auch in den Daten niederschlägt. So konnten wir im Kalender­jahr 2007 eine Steigerung der Gästenächtigungen verzeichnen. Ich denke, dass auch die Bevölkerung stolz auf diese Tourismusentwicklung in unserem Heimatland Öster­reich ist, vor allem auch deshalb, weil wir ein hervorragendes Angebot haben. Vom Sport über die Kultur bis hin zur Kulinarik bietet Österreich wirklich jedem etwas, der sich in unserem schönen Land wohlfühlt. Das bestätigen auch die Zahlen der abgelau­fenen Wintersaison, in der wir eine Steigerung von 10 Prozent zu verzeichnen hatten.

Ich denke, dass auch viele andere positive Beispiele in diesem Bericht enthalten sind. Ich denke nur an die Nationalparks oder auch an die vier Modellregionen, die von einer Jury ausgewählt wurden.

Ich bin froh darüber und stolz darauf, dass wir auch in meinem Heimatland Nieder­österreich eine positive Entwicklung der Tourismuszahlen haben, nämlich ein Plus von 4,2 Prozent im Vergleich zu den Nächtigungen von 2007. Aber auch in meiner eigenen


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Region, nämlich im Wienerwald, haben wir eine Steigerung von plus 7 Prozent zu ver­zeichnen. Wir haben hier die Destination Wienerwald neu geschaffen. Auch in meiner Weinbaugemeinde Pfaffstätten, wo wir sehr viel in den Tagestourismus investieren, ist es zu einer Steigerung der Gästezahlen und der Nächtigungen gekommen.

Deswegen stimmen wir diesem Bericht sehr, sehr gerne zu. Ich denke, dass wir alle Botschafter sein sollten, um Österreich noch attraktiver zu machen und noch mehr zu bewerben. Deswegen sollten wir nicht zu lange hier am Rednerpult theoretisieren, son­dern als Botschafter des österreichischen Tourismus hinausgehen, um diesen positi­ven Trend Österreichs weiter voranzutreiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Ist das eine Kurzfassung?)

 


16.53.39

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Staatssekretärin! Eine Kurzfassung? – Nein, das ist schon der ganze Be­richt. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber keine Angst, ich lese ihn nicht vor.

Eingangs möchte ich sagen, dass es im Ausschuss wirklich eine sehr, sehr gute De­batte mit sehr aktuellen Informationen gegeben hat. Das macht wieder das ein biss­chen wett, was einer der Vorredner gesagt hat: Es ist schade, dass erst jetzt der Be­richt 2007 gekommen ist. Wir haben zwar einen 2007er-Bericht in der Hand, haben aber im Ausschuss ganz aktuelle Zahlen bekommen, was wieder sehr zu begrüßen ist.

Die Bedeutung des Tourismus wurde schon erwähnt, und ich möchte, weil es wichtig ist, nur noch einmal sagen, dass er für die österreichische Wirtschaft ein unumstrittener Faktor ist. Man muss bedenken, er umfasst 8,4 Prozent des BIP – das ist die Zahl vom Jahr 2008, die ich aus dem Ausschuss habe –, es gibt im Tourismus 170 000 Beschäf­tigte, und 15 000 Lehrlinge werden ausgebildet. Ich meine, diese Zahlen zeigen, dass es sich um einen wesentlichen Faktor für die Beschäftigung und für die Wirtschaft in unserem Land handelt.

Beim Blick auf die wirtschaftliche Situation der Tourismusbetriebe gibt es nach wie vor einen Wermutstropfen. Das ist die Eigenkapitalquote, die noch immer sehr, sehr schwach und negativ ist. Allerdings ist zum Bericht von 2007 positiv anzumerken, dass die Zahl der Insolvenzen geringer geworden ist. Wenigstens das ist ein positiver und ein ganz wesentlicher Schritt.

Ich komme selbst aus einer sehr schönen Tourismusregion. Es ist hier zwar ein schö­nes Tiroler Bild zu sehen, aber ich kann natürlich auch dazu einladen, einmal in den Bodenseeraum zu kommen, sich vielleicht bei den Bregenzer Festspielen zu vergnü­gen und diese Region anzuschauen, die eine Top-Tourismusregion in Österreich ist und auch davon profitiert – und jetzt bin ich wieder beim Bericht –, dass es das Projekt „Culture Tour Austria“ gibt, jetzt umbenannt in „Creative Tour Austria“, dass man wirk­lich nachhaltigen Kulturtourismus unterstützt und jetzt auch dementsprechend aktiviert.

Einer von zwei Punkten, die man bei der letzten Debatte zum Tourismusbericht hier im Haus noch in Frage gestellt hat, hat die Modellregionen betroffen. Ich finde es gut, dass es sie jetzt gibt, und sie entwickeln sich, glaube ich, auch gut. Vielleicht können Sie, Frau Staatssekretärin, ein oder zwei Worte zu dieser Idee der Modellregionen sa­gen. Der zweite Punkt, der sich positiv entwickelt, ist die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Man hat mir im Ausschuss berichtet, dass diese Tourismusplattfor­men auch sehr gut und positiv sind.

Ein weiterer Punkt ist wahrscheinlich ein Randaspekt, und ich möchte ihn nur erwäh­nen, dass er hier auch wirklich wieder seinen Niederschlag findet. Das ist das Projekt


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zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung im Tourismus. Ich habe schon fast auf den Bericht gewartet, weil mir schon das letzte Mal sehr positiv aufgefallen ist, dass wir hier eine wichtige Funktion übernommen haben.

Letztes Jahr, oder vor zwei Jahren – man muss da aufpassen –, 2006, glaube ich, war es der Posterwettbewerb, den man da initiiert hat, und jetzt geht es weiter. Wir sind eigentlich eine internationale Drehscheibe für Information und Aufklärung in diesem Bereich geworden. Gerade das halte ich für eine wichtige Verantwortung, wenn wir über Tourismus sprechen, dass man auch diese dunklen Seiten des Tourismus an­sprechen muss, auch wenn sie Gott sei Dank in unserem Land nicht passieren. Aber sie passieren weltweit, und wir haben auch eine gesamte Verantwortung, die wir hier sehr gut wahrnehmen. Das ist etwas, was mir sehr gut gefällt.

Grundsätzlich findet dieser Tourismusbericht natürlich unsere Zustimmung. Ich danke für die gute Zusammenstellung dieses Tourismusberichtes. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 


16.58.04

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Tourismus- und Freizeitbericht 2007 ist, denke ich, eine Erfolgsstory für den Tourismus in Öster­reich. Diesbezüglich richte ich auch ein herzliches Dankeschön an alle Beamten im Ministerium für die Erstellung dieses Berichtes. Ich hoffe, dass zumindest bei diesem Tagesordnungspunkt auch die Kollegen von der FPÖ ihre Zustimmung und Kenntnis­nahme zu diesem Erfolgsbericht geben werden.

Der Tourismus nimmt in Österreich einen hohen Stellenwert ein. Wir nehmen, interna­tional gesehen, im Ranking mit anderen Ländern den neunten Platz ein, wenn es darum geht, Einnahmen aus dem Tourismus zu lukrieren. Mehr als 5 Prozent der un­selbständig Beschäftigten sind im Tourismus tätig, und es wurde heute auch schon gesagt, dass mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer in der Tourismusbranche beschäftigt sind. – Daher müsste es nicht „der“ Tourismus heißen, sondern der Artikel vor dem Nomen „Tourismus“ müsste geändert werden; dies nur nebenbei bemerkt.

Was den Bericht 2007 betrifft, sind mir einige Zahlen aufgefallen, nämlich, dass es in der Sommersaison ein Umsatzplus von über 6 Prozent gegenüber 2006 gibt. Zwei Städte möchte ich explizit herausnehmen, Eisenstadt und Bregenz: Was die Übernach­tungen in der Sommersaison betrifft, gibt es in Eisenstadt ein Plus von über 15 Pro­zent, in Bregenz von über 18 Prozent.

Hier darf ich vielleicht vorlaut in den Mund nehmen, dass dieses Nächtigungsplus in der Landeshauptstadt des Burgenlandes unter Umständen darauf zurückzuführen ist, dass wir heuer, 2009, das Haydn-Jahr begehen und eben schon im Vorfeld viele Besu­cher zu uns gekommen sind. Wir können uns letzten Endes selbst von dem einen oder anderen Highlight, was das Haydn-Jahr 2009 betrifft, überzeugen.

Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass unsere Gäste aus Deutschland und Japan 2007 etwas weniger oft bei uns übernachtet haben. Im östlichen Österreich merkt man aber, dass es hier ein mehr als 15-prozentiges Plus an Nächtigungen von Gästen aus den neuen EU-Ländern gibt.

Die Schwerpunkte sind meiner Meinung nach in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich richtig gesetzt, die Packages sind ziel- und treffsicher. Langfristig ge­sehen, denke ich, ist aber vor allem die Vereinbarkeit des Wintertourismus mit dem Klimawandel und auch das Erreichen der CO2-Ziele eine der größten Herausforderun-


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gen im Tourismus – natürlich mit dem Ziel, Natur und Tourismus à la longue gesehen in Einklang zu bringen.

Die Ausbildung in den Tourismusschulen ist international gesehen top. Natürlich wis­sen wir auch, dass sehr viele Topmanager, die an unseren Schulen ausgebildet wur­den und werden, auch in international angesehenen Topbetrieben – in Hotellerie wie auch Gastronomie – tätig sind.

Kleine Wermutstropfen sind meiner Meinung nach die nach wie vor etwas niedrige Be­zahlung in der Tourismusbranche, der natürlich auch aufgrund der aktuellen wirtschaft­lichen Lage angespannte Arbeitsmarkt und die nach wie vor nicht unbedingt familien­freundlichen Arbeitszeiten. Ich denke daher, dass man das Image der Tourismusberufe etwas verbessern sollte.

Was kann getan werden, um auch in Krisenzeiten besser gewappnet zu sein? – Ent­sprechende Freizeittrends, glaube ich, müssen rechtzeitig erkannt werden. Weiters ist rasches Reagieren auf verändertes Freizeitverhalten wichtig; verstärkt zielgruppen­orientiertes Marketing zu betreiben, ist einfach ein Muss. Ich denke da ganz konkret an den Bereich des Jugendtourismus – denn wir wissen: Die Kinder und Jugendlichen von heute sind die Gäste von morgen.

Das Stichwort „vernetztes Marketing“ ist heute bereits gefallen, das ist ein wesentli­cher Bereich. Sehr wichtig ist des Weiteren die Förderung des Qualitätstourismus, auch was die Unterstützung und die diversen Fördermaßnahmen nicht nur seitens des Bundes, sondern auch der Länder, auch für die kleineren und mittleren Unternehmen betrifft, denn vor allem diese sind es, die in den urbanen Bereichen, in den ländlichen Regionen die Stütze des Tourismus darstellen.

Mit der Umsetzung der von mir vorhin genannten Punkte haben wir im Burgenland nach wie vor Erfolg im Tourismus, wenngleich man auch sagen muss, dass wir keinen Ganzjahrestourismus haben, sondern nur eine Sommersaison.

Was passiert bei uns konkret? Konkrete Investition in Tourismusbetriebe, kleinere und mittlere Betriebe, Förderung von mehr Qualität. Wir haben – Kollege Einwallner hat es, glaube ich, ebenfalls angesprochen – auch im Burgenland eine Modellregion. Ich mei­ne die Modellregion Neusiedler See, wo wir versuchen, im Sinne des Bottom-up-Prin­zips verbesserte Marketingmöglichkeiten zu schaffen, um die Nächtigungszahlen in dieser Region zu steigern. Parallel dazu wird natürlich ein auf die Region abgestimmter Managementplan erarbeitet. Man kann die Nächtigungszahlen nur dann steigern, wenn man auch entsprechende Leitbetriebe errichtet.

Zwei dieser Leitbetriebe möchte ich kurz erwähnen. Zum einen den Pannonia Tower. Das ist ein neues Vier-Sterne-Hotel mit 200 Betten, vor zehn Tagen eröffnet, in direkter Nähe der A4 gelegen. Wenn Sie dort Gast sind, können Sie einen herrlichen Panora­mablick über den Neusiedler See bis weit in die Ungarische Tiefebene genießen – Herr Kollege Jany, selbstverständlich bis zu deinem Heimatort.

Des Weiteren wird im Nordburgenland eine neue Therme errichtet, nämlich die St. Mar­tins Therme, die Ende dieses Jahres eröffnet wird. Wie in anderen Bundesländern gibt es auch im Burgenland Naturparke, die in der ARGE Naturparke vernetzt sind. Auch wir versuchen, einen entsprechenden Naturtourismus anzubieten.

Ich möchte noch kurz auf die aktuellen Tourismuszahlen im Land eingehen. Wir hatten 2007 ein Plus von 4,8 Prozent, im vorigen Jahr, 2008, ein Plus von 4,2 Prozent, und auch im Jänner und Februar 2009 ein Nächtigungsplus zu verzeichnen. Es gibt sogar eine kleine Gemeinde – das muss ich natürlich sagen, da ich selbst dort wohne –, wo die Nächtigungszahlen 2008 im Vergleich zu 2007 um mehr als 27 Prozent gestiegen sind.


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Gespräche mit Vertretern von KMUs haben gezeigt, dass sie optimistisch sind, was das Krisenjahr 2009 sowie das Jahr 2010 betrifft.

Abschließend möchte ich mich nochmals herzlich für die Erstellung des Tourismus- und Freizeitberichtes 2007 bedanken. Ich wünsche der Tourismus- und Freizeitwirt­schaft für heuer und das kommende Jahr auch weiterhin alles Gute, und dass die posi­tiven Zahlen der Gegenwart sich nicht in rückläufige Nächtigungszahlen umwandeln mögen! – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte.

 


17.05.51

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Dank für den Be­richt an alle, die daran mitgearbeitet haben, schließe ich mich gerne an. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Hauses und all jenen, die mitgearbeitet haben. Er ist eine ausgezeichnete Grundlage für all jene, die im Tourismus tätig und am Tourismus interessiert sind.

Es ist müßig, die Zahlen noch einmal zu wiederholen, sie sind bekannt. Auch die Zah­len des Jahres 2008 wurden im Ausschuss bereits berichtet. Derzeit werden die Zahlen von März und April dieses Jahres mit den Zahlen von März/April 2008 verglichen. Ich meine, dass wir auch hier sehr gut unterwegs sind.

Gerade jetzt ist es wichtig, dass der Tourismus ein starker Arbeitsplatzmotor ist, vor al­lem mit der Standortgarantie Österreich. Ich denke, es ist wichtig, dies zu betonen. Die Zahlen der Beschäftigten und der Lehrlinge wurden hier bereits mehrfach genannt. Wir haben derzeit im Tourismus auch eine nicht unbeträchtliche Zahl an offenen, verfügba­ren Lehrstellen – es sind nämlich über 1 300, die sofort ausgebildet werden können.

Auch unsere internationale Position und Wettbewerbsfähigkeit stärkt uns natürlich ge­rade jetzt, in der Krise. Auch der bekannte Forscher Professor Smeral vom WIFO sagt in seiner Prognose, dass der Wettbewerbsvorteil für Österreich ein guter ist und Öster­reich weniger starke Rückgänge zu verzeichnen haben wird, als es andere Länder zu befürchten haben. Ich glaube, das kann uns durchaus positiv stimmen.

Wir haben ja auch ein Maßnahmenpaket gegen die Krise gerade für den Tourismus geschnürt, und zwar mit zwei Aspekten. Der erste Aspekt besteht darin, im Inland Wer­bung für Urlaub in Österreich zu machen. Die Österreich Werbung hat hier 4 Millio­nen € mehr – 3 Millionen € vom Ministerium und 1 Million € von der Wirtschaftskam­mer – zur Verfügung. Der zweite Aspekt besteht darin, durch verschiedene Maßnah­men und Förderinstrumente die Betriebe, die hier tätig sind, zu stärken. Ich glaube, dass wir in dieser Hinsicht sehr, sehr gut aufgestellt sind.

Ganz kurz zum angesprochenen Thema Frauen im Tourismus: Wir haben uns auch diesem Thema gewidmet und eine Studie bei der Modul Research GmbH in Auftrag gegeben. Das Ergebnis dieser Studie wird etwa Mitte des Jahres vorliegen; wir werden natürlich auch im Parlament darüber berichten und diskutieren.

Auch bei den Modellregionen – Herr Abgeordneter Einwallner, Sie haben danach ge­fragt – haben wir vier Pilotprojekte aus 30 Regionen ausgewählt: Reutte, Montafon, Steirisches Thermenland und Wörthersee-Tourismus. Hier gibt es insgesamt drei Workshops, die dann im Endbericht des Projekts Anfang 2010 diskutiert werden und über die hier natürlich auch berichtet wird.

Auch was die sexuelle Ausbeutung von Kindern – eines meiner Herzblutthemen – be­trifft, sind wir derzeit auf europäischer Ebene bemüht, Partner und Verbündete zu fin­den. Ich glaube, dass das wichtig ist, da bin ich für jede Unterstützung dankbar.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 134

Im Sinne der Zeitökonomie – die Zeit ist weit vorgeschritten – sage ich noch einmal Danke für die konstruktive Diskussion zum Tourismus und Danke an alle, die hiezu ihren Beitrag leisten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

17.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

17.09.4112. Punkt

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend an das österrei­chische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2009 (III-361-BR/2009 d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


17.09.57

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht beschäftigt sich ja mit drei Themenbereichen, mit der Wirtschaft, der Jugend und der Familie. Wir haben über Wirtschaft – auch im europäischen Kontext – und auch über die Vereinbarkeit von Be­ruf und Familie heute schon an anderer Stelle gesprochen. Ich möchte ganz besonders auf das Kapitel Jugend – zweifellos ein kleines Kapitel im Bericht, aber umso wichti­ger – eingehen.

Über allen Bereichen im Bericht steht die Überschrift „Lissabon-Strategie“. Ziel der Lis­sabon-Strategie ist es, die EU zu einem wettbewerbfähigen, ja zum wettbewerbsfä­higsten Wirtschaftsraum, zu einem wissensbasierten und zu einem an nachhaltiger Entwicklung interessierten Wirtschaftsraum zu machen.

Wo, wenn nicht gerade in Maßnahmen für und mit jungen Menschen muss diese Stra­tegie also auch Niederschlag finden? Da freue ich mich, dass im EU-Arbeitspro­gramm 2009 als Ziel formuliert ist, dass die Jugendperspektive, so wird es genannt, in alle relevante Politikfelder zu integrieren ist. Das ist quasi so etwas wie ein Jugend­check auf alle gesetzlichen Vorhaben, wie wir das auch in Österreich als Jugendver­treterinnen und Jugendvertreter gefordert haben. Es freut mich, dass das auch auf EU-Ebene so gesehen wird.

Das EU-Arbeitsprogramm nennt als beispielhafte Vorhaben und Ziele die Reduktion von Jugendarbeitslosigkeit, die soziale Eingliederung junger Menschen und die Partizi­pation junger Menschen am demokratischen Leben in ganz Europa. Dabei sind natür­lich die Mitgliedstaaten gefordert, die an der Entstehung dieser Strategie mitgearbeitet haben. Warum gefordert? – Weil das Leben eines jungen Menschen sich vor Ort ab­spielt.

Da gibt es viel zu sagen. Was in Österreich passiert, ist nicht Gegenstand der Debatte, die wir jetzt führen. Was auf Ebene der Europäischen Union 2009 konkret passieren


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 135

soll, ist unter anderem die Evaluierung des Europäischen Kooperationsrahmens im Ju­gendbereich mit einer Vorschau auf 2010, wo – stärker als bisher – sowohl die Mit­gliedstaaten als auch Jugendorganisationen eingebunden sind. Passieren soll auch die weitere und stärkere Unterstützung der Mobilität junger Freiwilliger.

Das ist ganz besonders wichtig, weil es natürlich die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen und die Wettbewerbsfähigkeit der jungen Österreicherinnen und Österrei­cher im Europäischen Wirtschaftsraum unter anderem auch fördern wird.

Ganz besonders – die Umsetzung ist in Österreich dazu ja auch im Gange beziehungs­weise machen wir da auch eigene Vorhaben dazu – sollen besonders benachteiligte junge Menschen unterstützt werden. Danke der Frau Staatssekretärin, die in ihrem Be­reich auch immer das Nötige dazu tut!

Abschließend möchte ich noch eine Anmerkung anbringen. Frau Kollegin Mühlwerth ist jetzt leider hinausgegangen. Es ist mir wichtig, auch Folgendes zu sagen: Frau Kolle­gin Mühlwerth hat heute gesagt, junge Menschen brauchen oder wollen Werte. – Ja, das möchte ich unterstreichen. Und sagen Sie bitte nie „die Jugend“, denn „die Ju­gend“ gibt es nicht, es gibt nur einzelne individuelle junge Menschen; ich glaube, das ist in allen Altersgruppen so.

Ja, junge Menschen wollen Werte, aber gelebte Werte. Das heißt für mich, eine Gesellschaft, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Kolleginnen und Kollegen, Chefs und Chefinnen, Politikerinnen und Politiker und Medien – also eine Gesellschaft, die junge Menschen ernst nimmt und das auch ernst meint. Das heißt, dass man jungen Men­schen auch in ihren Lebenswelten begegnen muss.

Diese Lebenswelten – so ist das nun mal, das kann dem einen passen und dem an­deren nicht – beschränken sich nicht nur auf die Heimatgemeinde, das spielt sich nicht nur in Österreich ab und auch nicht nur auf Deutsch, egal, ob in der Schule, im Job, in der Freizeit, in der realen oder in virtuellen Welt.

Das ist für mich viel entscheidender als die Wahrung der deutschen Sprache – was heute bei der Diskussion um den Kulturbericht angesprochen wurde. Für viel entschei­dender halte ich es – aus Erfahrung, aus meinem Erleben und aus Überzeugung –, dass wir junge Menschen fit machen für Begegnungen mit Chancen, Risiken und Her­ausforderungen, ganz egal, ob im Europäischen Wirtschaftsraum oder zu Hause. Die jungen Menschen sollen dazu fit werden, die Chancen des Wirtschaftsraumes wahrzu­nehmen.

Damit das gelingt, braucht es viele Maßnahmen, Beschäftigungsinitiativen in Öster­reich, in den Bundesländern und in Europa. Dazu gehören – damit kehre ich zum Kern des Berichts zurück – Programme, die jungen Menschen dabei helfen, in Europa, zu leben und zu arbeiten und Europa selber kennenzulernen. So kann man sich selbst fortbilden und sich sein eigenes Bild machen – für private und berufliche Entscheidun­gen wie für künftige Wahlentscheidungen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bun­desrates Dönmez.)

17.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


17.14.21

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den politischen Reigen der heuti­gen Tagesordnung haben wir mit einer Fragestunde unseres Vizekanzlers und Finanz­ministers begonnen, und zwar mit einer sehr breiten wirtschaftspolitischen Debatte. Den politischen Reigen der heutigen Tagesordnung schließt letztlich eine wirtschafts­politische Debatte mit einem Ausblick auf das EU-Arbeitsprogramm 2009.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 136

Wenn ich die äußerst interessanten Ausführungen unseres Finanzministers aufgreife, dann war ein Aspekt durchaus beachtlich. Er hat heute in der Früh ausdrücklich dar­auf aufmerksam gemacht, dass wir mit unseren nationalen Konjunkturpaketen – erstes Konjunkturpaket, zweites Konjunkturpaket, Steuerreform oder Tarifssenkung, wie auch immer – in diesem Zusammenhang einen durchaus beachtlichen wirtschaftspoliti­schen, nationalen Handlungsanlauf machen.

Unser Finanzminister hat aber auch deutlich darauf hingewiesen, dass wir mit diesen sehr beachtlichen Paketen nur 40 Prozent der nationalen Wertschöpfung bewegen. In diesem Zusammenhang schließt sich der Kreis zum Wirtschaftsbericht zum Arbeitspro­gramm 2009, wie er jetzt vorliegt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns gemeinsam darüber Gedanken ma­chen, dass 60 Prozent der nationalen Wertschöpfung in den Export gehen. Daher bedeutet der nächste Schritt der Wirtschaftspolitik, Maßnahmen auf europäischer Ebene zu setzen. Sicherlich, ich möchte nicht verschweigen, dass uns sowohl das pri­märe als auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht gewisse Regeln und gewisse Gren­zen aufzeigen.

Aber wir haben einen Gestaltungsspielraum, es gibt einen Handlungsspielraum, den wir nutzen können. Insbesondere der Wirtschafts- und Stabilitätspakt muss ins Zen­trum höherer beschäftigungswirksamer Maßnahmen gestellt werden. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Nein, nicht aufregen! Der Punkt ist aber, dass die Grenzen ohnedies schwimmen. Da braucht es ein Aufbrechen aus Österreich nicht, die Grenzen schwimmen ohnedies.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der zentrale Punkt dabei bleibt die Stärkung der Bin­nennachfrage. Die Aktivitäten Österreichs im Bereich der nationalen Investitionspro­gramme sind, so glaube ich, durchaus von einem gemeinsamen politischen Konsens getragen. Aber koordinierte Investitionsprogramme im öffentlichen Bereich auf euro­päischer Ebene – im Bereich der Bildung, der Forschung und Entwicklung, der Ener­giepolitik, der Infrastruktur, aber auch im Bereich der Kinderbetreuung – müssen auch von uns aus eingefordert werden. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vor­sitz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich in diesem Zusammenhang den Wirtschafts- und Stabilitätspakt erwähne, dann meine ich auch, dass der Handlungsspielraum auf europäischer Ebene im Bereich der Budgetpolitik und der Geldpolitik, insbesondere der EZB in Zukunft anders genutzt werden muss. Das muss auch als gemeinsame Forde­rung von uns ausgehen. Jawohl, der geldpolitische Entscheidungsspielraum der EZB muss sich auch an den beschäftigungspolitischen Zielsetzungen von Lissabon orientie­ren. Jawohl, der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss, Kollege Kühnel, mehr budgetä­ren Spielraum bekommen!

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch nicht außer Acht lassen, dass neben der Binnennachfrage auch die Konsumnachfrage wichtig ist. Liebe Kolleginnen und Kolle­gen, wir haben mit der Kollegin Kemperle heute in der Früh darüber diskutiert, dass es in Österreich in den letzten Tagen gefährliche Stilblüten zur Konsumnachfrage gibt. Ich nenne in diesem Zusammenhang das Schlagwort „Lohnverzicht“.

Wenn wir gemeinsam die Meinung vertreten, dass auch die Konsumnachfrage zur Be­lebung der Wirtschaft beitrage, dann müssen wir aufpassen, wie wir mit der Forderung nach Lohnverzicht umgehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sich einer der führenden österreichischen Ma­nager hinstellt und sagt, ich verzichte auf 50 Prozent meines Gehalts – es wird kolpor­tiert, dass bei diesem Manager dann noch immer 4 Millionen € im Jahr an Einkommen


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übrig bleiben –, so ist es nicht dasselbe, wie wenn sich dieser Manager bei Magna in Graz vor die Angestellten hinstellt und sagt: Ich verlange von euch Lohnverzicht!

Wir müssen aufpassen, ob jene Maßnahmen, über die wir hier im Bundesrat, aber auch im Nationalrat einen gemeinsamen wirtschaftspolitischen Konsens erzielen, nicht durch andere Maßnahmen – ich nenne sie „gefährliche Stilblüten“ – wiederum torpe­diert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Länderkammer möchte ich die Gelegenheit kei­nesfalls vergehen lassen, wenn ich zum Thema: Eine neue europäische Wirtschafts­politik braucht das Land und braucht Europa! einen wunderbaren Beitrag aus einem schönen Bundesland lesen und sehen darf, ihn auch in die Bundesländerkammer, den Bundesrat hereinzutragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer bei meinen Ausführungen jetzt Lust bekommen hat, sich mit der europäischen Wirtschaftspolitik näher auseinanderzusetzen, den möchte ich sehr gerne auf das Konzept – unter der Patronanz unseres steirischen Lan­deshauptmannes entstanden – aufmerksam machen: „Neue Europäische Wirtschafts­politik“. (Der Redner hält das genannte Schriftstück in die Höhe. – Oh-Rufe bei der ÖVP. – Bundesrat Perhab: Hannes Androsch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ich mir keinesfalls, von wem auch immer,
den Vorwurf einhandeln lassen muss, ich bringe eine gewisse Stimmung vom Caf
é Landtmann des heutigen Vormittags in den Bundesrat, möchte ich abschließen, dass wir den Wirtschaftsbericht zum Arbeitsprogramm der Europäischen Union 2009 sehr gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum.)

17.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubvorsitzen­der Bundesrat Bieringer. – Bitte.

 


17.21.43

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretär! Liebe Frau Präsidentin Haselbach! Lieber Hans Ager! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ein bisschen aufgeregt bin ich, ein bisschen aufgeregter sogar als bei meiner ersten Sitzung, in der ich gesprochen habe. Das war immerhin bei der 450. Sitzung am 12. Juli 1984.

Heute halte ich meine letzte Rede im Bundesrat, und mit Genehmigung der Frau Präsi­dentin darf ich abweichend von der Tagesordnung ein paar Anmerkungen machen.

Als ich meine erste Rede gehalten habe, sprach vor mir einer, der schon fünf Jahre lang im Bundesrat gewesen war und der heute seine letzte Rede halten wird, nämlich der Herr Vizepräsident Jürgen Weiss.

Es waren 25 schöne Jahre, schöne, manchmal auch sehr, sehr harte Diskussionen, aber ich halte ausdrücklich fest, immer faire Diskussionen. Und immer, wenn wir den Sitzungssaal verlassen haben oder auch während der Sitzung, konnten wir uns die Hand geben und weiterarbeiten.

Ich habe in dieser Zeit viele Koalitionen erlebt, sehr viele: Angefangen habe ich bei der kleinen Koalition SPÖ/FPÖ. Dann hat es die SPÖ/ÖVP-Koalition gegeben, die ÖVP/FPÖ-Koalition, die ÖVP/BZÖ/FPÖ-Koalition und nunmehr wiederum die große Koalition – eine Koalition, die gebildet wurde, damit für Österreich etwas weiterge­bracht wird.

Meine Damen und Herren, ich hatte dreimal die Ehre, Präsident des Hauses zu sein. Es war eine Aufgabe, die sehr, sehr schön war, faszinierend war, manchmal ein biss-


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 138

chen hektisch, aber wir haben – so meine ich – immer wieder das Gemeinsame gese­hen.

Höhepunkt meiner Karriere war zweifelsohne der 12. November 1993, als ich den Vor­sitz bei der Festsitzung beider Häuser im Reichsratssitzungssaal anlässlich des 75-jäh­rigen Bestandsjubiläums der Republik Österreich führte.

Schöne Aufgaben habe ich für den Herrn Bundespräsidenten übernehmen dürfen. Ich war der Vertreter der Republik Österreich bei der Amtseinführung des Präsidenten Lula in Brasilien, bei der Kreierung von Seiner Eminenz Christoph Kardinal Schönborn im Vatikan oder bei der Festsitzung „300 Jahre Katholisch-Theologische Fakultät“ der Uni­versität Breslau oder bei der Gründung der Deutschsprachigen Universität in Budapest.

Knapp zwölf Jahre habe ich die Ehre und die Freude gehabt, Vorsitzender der ÖVP-Fraktion im Bundesrat zu sein.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich mich bei meinen Fraktionskolle­ginnen und -kollegen für die gute Zusammenarbeit bedanke. Es war nicht immer leicht, oder mir hat man es nicht immer leicht gemacht. Dennoch glaube ich, wir haben eine gute Arbeit geleistet.

Ich bedanke mich auch bei allen Mitgliedern des Hohen Hauses, gleich, welcher Frak­tion, über alle Parteigrenzen hinweg. Es war angenehm, mit euch zusammenzuarbei­ten.

Und ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesrats­dienstes und der Parlamentsdirektion. Stellvertretend für alle möchte ich mich bei den Direktoren Atzwanger, Labuda und Frau Dr. Susanne Bachmann bedanken.

Mein Dank gilt auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ÖVP-Parlamentsklubs, insbesondere dem langjährigen Klubdirektor Werner Zögernitz und jener Dame, die uns hier im Bundesrat immer betreut hat und immer für uns da gewesen ist, Frau Isolde Thornton.

Mein Dank gilt auch meinen Mitarbeiterinnen im Büro, die mir praktisch jeden Wunsch von den Augen abgelesen haben und immer da gewesen sind, wenn ich irgendetwas gebraucht habe. Herzlichen Dank, Evi Brenner und Inge Cseh.

Einem Mann habe ich auch zu danken, der die Frechheit gehabt hat, vor mir in Pension zu gehen, nämlich dem Generalstabschef des ÖVP-Parlamentsklubs, Franz Prinz. Auch seinem Nachfolger Alfred Obermüller, der sich auch sehr bemüht hat, für uns da zu sein, habe ich zu danken.

Ich danke der Präsidiale des Bundesrates, dem Herrn Präsidenten, der dienstlich im Ausland weilt, den beiden Vizepräsidentinnen Anna Elisabeth Haselbach – es freut mich besonders, liebe Anna Elisabeth, dass du heute hierher gekommen bist! – und meiner Landsmännin/Landsfrau Mag. Susanne Neuwirth.

Mein besonderer Dank gilt aber Jürgen Weiss. Er ist ein Vizepräsident, der für den Bundesrat immer da war, der – ich möchte ihm fast den Titel geben – der große Mann des Bundesrates gewesen ist. Wie ich Jürgen Weiss kenne, wird er es auch in Zukunft sein.

Lieber Jürgen, ich danke für deine jahrzehntelange Freundschaft, Kameradschaft und für alles, was du für den Bundesrat eingebracht hast.

Mein Dank gilt auch den Fraktionsvorsitzenden, insbesondere dir, Albrecht Konecny! Du warst ein ehrlicher Hackler. Wenn ich das so sage, dann meine ich das auch so, damit das klar ist. Mit dir hat man etwas ausmachen können. Und was wir zwei ausge­macht haben, das hat immer gehalten. Wir waren nicht immer im selben Boot, das ist


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leider oder Gott sei Dank in einer Demokratie so. Aber dennoch sage ich herzlichen Dank für deine stete, gute Zusammenarbeit.

In diesen Dank habe ich auch Stefan Schennach einzuschließen. Stefan Schennach war ja lange Mitglied der Präsidiale, als die Grünen noch eine Fraktion waren. Ich war in diesem Haus, da hat es nur zwei Fraktionen gegeben. Das war auch ganz schön, das möchte ich ausdrücklich betonen. (Allgemeine Heiterkeit.) Aber als die Grünen eine Fraktion wurden, war Stefan Schennach in der Präsidiale, und wir haben bestens mit ihm zusammengearbeitet.

In diesen Dank schließe ich auch dich, lieber Peter Mitterer, ein. Du warst Präsident, du warst der Vertreter des BZÖ hier herinnen. Herzlichen Dank für die gute Zusam­menarbeit!

Auch dir, Monika Mühlwerth, ein herzliches Dankeschön. Als die Freiheitlichen hier noch stark waren, warst du ja schon einmal herinnen, hast dich dann ein paar Häuser weiter als stellvertretende Stadtschulratspräsidentin von Wien ein bisschen versucht. Auch dir und deinen Kollegen ein herzliches Dankeschön.

So wünsche ich Ihnen, meine Damen und Herren, allen Mitgliedern des Hauses alles Gute für die Zukunft. Kämpfen Sie weiter für diesen Bundesrat! Es lohnt sich, für den Bundesrat zu kämpfen. Geben Sie den Besserwissern, die mit entbehrlichen Zwischen­rufen über Aufwertung und Abwertung des Bundesrates so gerne sprechen, eine klare Antwort! Es muss niemand aufgewertet werden, der nicht abgewertet ist. Es ist kein Grund vorhanden, dem Bundesrat irgendetwas zu tun, sondern man soll gemeinsam schauen, dass der Bundesrat jene Stärke bekommt, die ihm zustehen würde und die ihm auch zustehen soll, denn diese Republik Österreich braucht den Bundesrat. – Ein herzliches Glückauf dem Bundesrat von Österreich! (Anhaltender allgemeiner Beifall sowie Beifall von Staatssekretärin Marek.)

17.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Ludwig Bieringer, vor allen Dingen! 25 Jahre Bundesratstätigkeit, zwölf Jahre Klubvor­sitz, die prägen den Menschen. Aber der Mensch prägt auch das Amt. Wir haben dich kennengelernt – und ich kenne dich ja schon außerhalb dieses Bundesrates – als Poli­tiker von großer Willensstärke und Durchsetzungskraft. Deine Linie hast du immer bei­behalten, auch wenn sich manche manchmal etwas anderes gewünscht hätten. Wir waren nicht immer einer Meinung, aber deine Handschlagqualität haben wir immer geschätzt, und wir wissen, dass du sie immer gehabt hast. Dafür möchte ich mich ganz herzlich auch im Namen aller hier herinnen bedanken.

Wir werden dich in dieser Rolle im Bundesrat ganz sicher vermissen. lch wünsche dir im Namen aller alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubvorsitzender Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


17.34.04

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Lieber Freund Bieringer! Lieber Kollege Weiss! Ich habe einmal in eigener Sache geschrieben, wenn bei einem Abschied nicht auch Wehmut dabei ist, dann war das, wovon man Abschied nimmt, nichts wert. Lud­wig, wir haben es in vielen Jahren erlebt – wir haben es alle unterschiedlich lange er­lebt; ich sehr lange, die Anna Elisabeth lange, viele Kolleginnen und Kollegen nicht so lange –, dass du bei der Sache warst und dass das, wofür du im Bundesrat gearbeitet hast, dir etwas wert war. Daher steht es dir zu, mit Wehmut Abschied zu nehmen, denn der Bundesrat wird bei seinem nächsten Zusammentreten einfach nicht mehr derselbe sein, wenn zwei so profilierte Mitglieder aus ihm ausscheiden.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 140

Wir werden uns bemühen – ich hoffe, es gelingt uns –, in die Schuhe hineinzuwach­sen, die da verlassen werden, und die Rolle im Bundesrat zu übernehmen, die jetzt neu definiert werden muss, aber nach guten Vorbildern.

Der Herr Vizepräsident hat ja eine Vorgangsweise gewählt, da kann man nicht mehr zurückreden, daher muss ich auch zu ihm ein paar Worte sagen. (Heiterkeit bei der SPÖ sowie des Bundesrates Weiss.) Beide haben in Wirklichkeit ein halbes Leben im Bundesrat verbracht, ein halbes Erwachsenenleben – sagen wir es einmal so –, und haben in dieser Zeit hier Freunde gewonnen, solche, die noch unter uns sitzen, solche, die sich lange in die Pension zurückgezogen haben, manche, die nicht mehr leben. Sie haben jenes Klima mitgeprägt, das weit über duale Freundschaftsbeziehungen hinaus für den Bundesrat charakteristisch ist.

Oja, wir haben wunderbar gestritten, Ludwig! Du hast deinen berühmten roten Kopf be­kommen – und ich bin dir nichts schuldig geblieben. (Allgemeine Heiterkeit.)

Vielleicht hat das etwas mit der Kleinheit des Hauses, nämlich der geringen Zahl der Mitglieder zu tun und auch mit der sehr gedrängten Sitzordnung, die für Distanz nicht viel Raum lässt, im wahrsten Sinne des Wortes: Es gibt einfach bei uns ein anderes Klima, das durchaus mit den Landtagen vergleichbar ist – Ludwig hat dem Landtag an­gehört, Sie (in Richtung des Bundesrates Weiss) sind uns kurzfristig als Minister ab­handen gekommen! –, wo es eben jenseits der Konflikte, aber auch neben den Kon­flikten das Bemühen um das gemeinsame Ganze gibt, das Verständnis für das, was der andere einfach braucht.

Und Handschlagqualität, die ich gerne auch bescheinige, heißt, dass man nicht nur die eigenen Interessen im Hinterkopf gespeichert hat, sondern auch das Verständnis da­für, dass der andere eigene legitime Interessen hat. Daraus werden Lösungen, die jeder zu vertreten hat – was nicht immer ganz leicht ist –, die halten und die ein Ver­trauensklima aufbauen, in dem wir uns eigentlich alle sehr, sehr wohl fühlen und sehr, sehr wohlgefühlt haben.

Es gehört zu den schrecklichsten Dingen, die man bei solchen Gelegenheiten tun kann, den Betroffenen ihr Leben zu erzählen. Das wissen sie selbst sehr viel besser. Aber ich muss dich, lieber Ludwig, korrigieren oder ergänzen: Du hast vielen Menschen, die sich das alle verdient haben, gedankt, aber heute ist vor allem der Tag, an dem wir dir und Ihnen (in Richtung des Bundesrates Weiss) sehr herzlich für das zu danken ha­ben, was Sie nicht nur für den Bundesrat, sondern auch für die Republik, für die Men­schen in dieser Republik, für den Föderalismus und für ein politisches Klima, das ein Beispiel sein kann, geleistet haben.

Ich habe meine Rede schon ein bisschen mit einer Aussendung vorweggenommen, du kennst sie. Am Schluss möchte ich mich an dieses Manuskript ein wenig halten, ohne dass ich die beiden jetzt politisch für eine bestimmte Seite in Haft nehmen möchte. Ganz im Kreiskyschen Sinn: Wir sind ein gutes Stück Weges gemeinsam gegangen, einen Weg, der uns zu einem zweifellos besseren Österreich, als es vor 25 Jahren war, geführt hat, zu einer zweifellos lebendigeren Demokratie, als sie vor 25 Jahren be­standen hat, und auch zu einem – zumindest in seinen Rechten, vielleicht nicht ganz in der Realverfassung – gestärkten österreichischen Bundesrat geführt hat.

Dafür danke ich als Bundesrat, als Vorsitzender meiner Fraktion, aber einfach auch als Bürger dieses Landes sehr, sehr herzlich. Und ich würde mir von ganzem Herzen wün­schen, dass ihr beide nicht nur diese langen Jahre in guter Erinnerung bewahrt, son­dern euch noch lange Jahre an das erinnern könnt, was in diesem Saal geschehen ist. (Allgemeiner Beifall.)

17.39



BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 141

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


17.40.03

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Ludwig Bieringer! Lieber Jürgen Weiss! Ludwig, ich stehe heute hier vor dir als dein Stellvertreter, aber in erster Linie als dein Freund. Als ich in die Fraktion gekommen bin, war Ludwig der Ordner dieser Fraktion. Er hat das damals etwas anders als Kol­lege Kühnel angelegt. (Heiterkeit.) Es ist also immer auch die Person, die das Amt mit­prägt. Und der damalige Fraktionsobmann Professor Schambeck hat ihn immer würdig mit Herr Präsident angesprochen. Das war eine der ersten Sachen, die ich gelernt habe. Ich habe also gleich erkannt, dass Ludwig besonders wichtig ist. (Heiterkeit.)

Wir haben während der letzten zwölf Jahre, in denen du hier Fraktionsobmann gewe­sen bist, tatsächlich alles erlebt. Wir sind gemeinsam immer wieder hier draußen ge­standen, vor jeder Wahl. Genauso wie Kollege Konecny haben wir immer angekündigt, dass wir gewinnen werden. Nicht jedes Mal hat es gestimmt. Wir waren einmal Dritter, wir waren einmal Erster, wir sind jetzt wieder Zweiter. Das Einzige, was wir nicht erlebt haben, war die Opposition, aber das ist uns eigentlich, ehrlich gesagt, nicht abgegan­gen. (Neuerliche Heiterkeit.)

Wenn hier heute bereits von den Vorrednern gesagt worden ist, welche Handschlag­qualität du hast – ich glaube, die Susanne, die Frau Präsidentin hat das gesagt –, dann ist das tatsächlich etwas mehr als eine Plattitüde, die gesagt werden muss.

Ludwig Bieringer ist immer für Bürgernähe gestanden und steht für Bürgernähe, er ist ein super erfolgreicher Bürgermeister und hat Politikersein, Menschsein und Freund­sein in diesen Jahren hier im Bundesrat kombiniert. In den letzten Minuten hat er auch bewiesen, er ist aus Fleisch und Blut, was er nie verborgen hat. Er ist ein ganz groß­artiger, erfolgreicher Politiker und Mensch.

Ich möchte dir ganz herzlich Dank sagen für das, was du für uns und für den Bundesrat die letzten Jahre geleistet hast.

Ein zweiter großer Österreicher, Kollege, Freund verabschiedet sich heute, nämlich Jürgen Weiss. Diesen habe ich als JVP-Bundesobmann als Bundesminister kennen­gelernt. Also auch da habe ich gleich gewusst, wichtige Person. Es ist mir eine ausge­sprochene Ehre, hier als Vizepräsident deine Nachfolge antreten zu dürfen.

Ich vertrete die Auffassung, es gibt viele Föderalismusexperten hier in unserem Kreise. Was das Inhaltlich-Fachliche betrifft, kombiniert mit der praktischen Erfahrung, muss ich schlicht und einfach sagen, nach meinem Dafürhalten bist du immer der Beste von uns allen gewesen, unser bester Föderalismusexperte. Du hast Großartiges für diese Kammer geleistet, weil ja die Repräsentanten dieser Kammer auch eine Visitenkarte dieser Kammer sind.

Was ich von beiden Persönlichkeiten gelernt habe, ist, einen Standpunkt zu vertreten, ohne andere zu beleidigen. Da muss ich ganz ehrlich sagen, diese Möglichkeit war mir als Jungpolitiker nicht so bewusst. Dass das auch geht, dass man auch in einer harten Auseinandersetzung durchaus die Würde des anderen mit Geschmack berücksichtigen kann, das habe ich von beiden Persönlichkeiten gelernt. Und dafür danke ich euch sehr herzlich.

Jürgen, ich habe immer deine Trockenheit bewundert. Ich sage das deswegen jetzt an diesem Punkt, weil er zu mir gesagt hat: Harry, wenn du etwas sagst, mache es kurz, denn ich muss zum Flieger! (Heiterkeit.) Daher möchte ich auch das hier berücksichti­gen.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 142

Den Dank, den ich euch beiden im Namen der gesamten Fraktion ausspreche, sage ich dir, lieber Ludwig, besonders auch im Namen deines zweiten Stellvertreters, unse­res designierten neuen Fraktionsobmannes Gottfried Kneifel.

Am Schluss möchte ich noch einmal wiederholen, was bereits gesagt wurde: Eure Spuren, die ihr hier gezogen habt, sind schlicht und einfach unverwischbar. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

17.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


17.45.23

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Ludwig Bieringer! Lieber Jürgen Weiss! Harry Himmer, du bist nicht alleine. Dasselbe hat er zu mir auch gesagt: Wenn Sie etwas sagen, bitte kurz, ich muss zum Flieger!

Das, lieber Herr Präsident, muss ich Ihnen sagen, ist allerdings ein bisschen schwierig. Ich verspreche, es zu versuchen. Aber es ist schwierig, bei zwei Persönlichkeiten, wie ihr beide es seid, kompetent, sympathisch und liebenswürdig, die Ausführungen be­sonders kurz zu halten. Und dabei seid ihr doch so unterschiedliche Persönlichkeiten.

Ludwig Bieringer, haben wir schon gehört, ist eher ein temperamentvoller Mensch, der, wie man auf Wienerisch sagt, auch „in Saft gehen“ kann. Und ich habe ihn auch schon tobend erlebt, weil es halt manchmal in der Natur der Sache liegt, dass die Opposition eine Regierungspartei und einen Fraktionsvorsitzenden ein bisschen reizt, um nicht zu sagen, vielleicht auch manchmal zur Weißglut bringt.

Kollege Bieringer, da hast du auch manchmal ganz schön toben können, hast auch deiner Empörung freien Lauf gelassen. Ich habe allerdings den Verdacht, dass du der natürlichen Empörung manchmal mit einem gewissen schauspielerischen Talent noch einen letzten Schub gegeben hast. Aber wie du selber heute gesagt hast, ist an dir ein besonders schöner Wesenszug gewesen, dass das Gewitter, nachdem es sich entla­den hatte, dann auch vorbei war und du nach wie vor mit allen konntest, niemandem böse warst, verstanden hast, dass die Opposition sich vielleicht auch manchmal ver­galoppieren kann. Aber du hast immer das Politische vom Menschlichen getrennt. Und auch wenn du politisch nicht einverstanden warst, war menschlich dann doch alles wie­der in Ordnung. Dafür danke ich dir recht herzlich.

Jürgen Weiss, immer ein sehr fairer, alemannisch korrekter Vorsitzführender, was man gar nicht hoch genug schätzen kann. Das soll jetzt nicht so klingen, als ob das nichts Besonderes wäre. Ganz im Gegenteil, es war mir immer eine Freude, zu wissen, Sie sind jetzt am Vorsitz und es ist sicher, dass Sie schauen, ob wir dem Bericht oder dem Gesetz zustimmen oder nicht. Also es war nicht so, wie das manchmal schon pas­siert ist: Es wird da hin und dorthin geschaut und gesagt, einstimmig. Das habe ich sehr an Ihnen geschätzt.

Sie haben uns oder den einen oder anderen von uns auch manchmal gescholten. Aber Sie haben das mit einer sehr feinen Klinge gemacht, mit einer Ironie, die Ihnen zu eigen ist, die es dem Gescholtenen möglich machte, sein Gesicht zu wahren – was auch ein wesentlicher Punkt ist, dass man sein Gesicht wahren kann und nicht wie ein Schulbub oder ein Schulmädchen da sitzt und nur noch belämmert dreinschauen kann. Das ist ein sehr schöner Wesenszug von Ihnen, dass Sie, wenn Sie Kritik anbringen, dies so machen, dass der andere sich nicht „aufgeblattelt“ fühlt.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 143

Ja, zwei Kollegen gehen heute, die ich auch vermissen werde. Und menschlich seid ihr beide auch für mich, auch wenn wir politisch nicht immer einer Meinung waren, Vorbil­der und werdet es auch bleiben.

Ich wünsche den designierten Nachfolgern, dem Gottfried Kneifel und dem Harry Him­mer, alles Gute, freue mich auf eine gute Zusammenarbeit, von der ich hoffe, dass sie von ähnlicher Qualität sein wird, wie wir es bislang gewohnt waren, und wünsche dir, Ludwig, und Jürgen Weiss wirklich alles Gute für die Zukunft und freue mich schon, wenn ihr uns dann doch einmal besuchen kommt und wir einander sehen. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

17.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

Ich begrüße im Übrigen in unseren Reihen Frau Nationalratspräsidentin Mag. Pram­mer. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

 


17.50.01

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Bieringer, sehr geehrter Herr Kollege Weiss, ich bin heute ein bisschen überrascht worden, ehrlich gestanden, ich habe es erst heute mitgekriegt, dass uns dieses „Doppelpack“ nunmehr verlässt, und zwar gleich auf einmal – noch dazu jetzt, in einem Moment, in dem leider mein „Klubchef“ Stefan Schennach bereits auf einem Meeting ist und er daher seine sicher­lich passenden Worte hier nicht selbst übermitteln kann.

Kollege Schennach hat mir jedenfalls aufgetragen, ich möge – ganz, ganz wichtig – ausrichten, dass er sich herzlichst für die hervorragende Zusammenarbeit in der Prä­sidiale bedankt – das muss ich gleich am Anfang sagen, sonst vergesse ich es viel­leicht noch, und das wäre schlimm. In der Präsidiale war ich persönlich ja nie, und per­sönlich kennen gelernt habe ich die Kollegen Bieringer und Weiss nie so wirklich ge­nau.

Kollege Weiss, Kollege Bieringer, ich darf aber schon sagen, ich habe Sie beide immer geschätzt; auch Ihren Umgang mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fraktionen. Die Kollegen Weiss und Bieringer sind ja sehr verschiedene Charaktere – ich glaube, das ist heute ohnehin schon ein paar Mal hier herausgekommen –: Kollege Bieringer ist der etwas angriffigere politische Mitstreiter oder politische Gegner; ja, dieser Aus­druck würde es wahrscheinlich am besten treffen.

Kollege Bieringer ist jedenfalls derjenige, der, wenn es um die politische Argumenta­tion geht, eher die härteren Worte findet, wo man aber das Gefühl hat, das ist halt die politische Konfrontation – und wenn man dann wieder draußen ist, dann gibt es sehr wohl Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Und dass Sie, Kollege Bieringer, diese zwei Dinge immer trennen konnten, finde ich wirklich bewundernswert und möchte das daher ausdrücklich lobend erwähnen.

Kollege Weiss hingegen ist für mich immer der Präsident gewesen. Wie ich das dann künftig „handlen“ werde, weiß ich leider noch nicht. Diese Fußstapfen sind sehr groß – und ich hoffe, das wird auch so akzeptiert werden, dass es vielleicht am Anfang nicht so schnell geht, weil eben für mich Kollege Weiss einfach immer der Präsident war.

Mit dem Kollegen Weiss verbinde ich natürlich auch immer – nebst der Schokolade, die es oft in Unmengen gegeben hat; das war meist Schweizer Schokolade – außerordent­lich nette Geburtstagsgrüße, von denen ich jetzt auch schon einige bekommen habe. (Heiterkeit.)


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 144

Beim Kollegen Weiss hatte ich stets das Gefühl, dass er es immer dann, wenn er eine Rede geschwungen hat – was leider nicht so oft vorgekommen ist –, wieder einmal ge­schafft hat, gemeinsame Standpunkte beziehungsweise sonstige Gemeinsamkeiten zu finden; eigentlich fast als Mitstreiter.

Wie gesagt, die Charaktere der Kollegen Weiss und Bieringer, die uns beide heute hier im Bundesrat verlassen, sind eben ganz verschieden.

Übrigens, was den Kollegen Bieringer betrifft, noch Folgendes: Wals-Siezenheim wür­de mir wahrscheinlich nicht so viel sagen, wenn nicht Sie, Kollege Bieringer, der dor­tige Bürgermeister wären; sonst hätte ich von Wals-Siezenheim sicherlich noch nicht so oft in meinem Leben gehört. Ich glaube, ich bin erst einmal, sozusagen auf der Durchfahrt, dort stehen geblieben. Aber da ich selbst auch leidenschaftliche Stadtpoliti­kerin bin, weiß ich natürlich sehr wohl, dass man als Bürgermeister nur dann längere Zeit im Amt sein kann, wenn man Bürgernähe wirklich praktiziert, wenn man den Leu­ten zuhört, was sie auf der Straße und in der Amtsstube zu einem sagen.

Ein Leben als Bürgermeister hat eben sehr viel mit Bürgernähe zu tun. Und ich denke, Sie, Kollege Bieringer, sind schon sehr lange Bürgermeister – und das bleiben Sie sicherlich auch weiterhin. (Bundesrat Bieringer: Seit 27 Jahren!) 27 Jahre Bürgermeis­ter, das ist eine gewaltige Leistung, und ich denke daher, da muss man schon einiges an Bürgernähe – auch im privaten Bereich – zulassen können.

Bei der Angelobung des Kollegen Weiss war in Vorarlberg, glaube ich, noch Landes­hauptmann Herbert Keßler im Amt, und in Salzburg war es Wilfried Haslauer sen., und bei uns in Niederösterreich war das meines Wissens damals Siegfried Ludwig. Das ist also noch eine andere Ära gewesen.

Wenn Sie beide uns jetzt verlassen, Kollege Weiss, Kollege Bieringer, wird auch hier im Bundesrat eine Ära zu Ende gehen. Es wird, wie gesagt, eine gewisse Zeit dauern, bis wir uns daran gewöhnen; ich hoffe, die Nachfolger werden uns das verzeihen.

Ansonsten bleibt mir jetzt nur mehr, Ihnen beiden alles Gute zu wünschen, und ich hoffe, wir sehen einander dann – so wie die andere „Frau Präsidentin“, nämlich Kolle­gin Haselbach, die für uns immer die „Frau Präsidentin“ bleiben wird – doch noch öfter hier herinnen. (Allgemeiner Beifall.)

17.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitte­rer. – Bitte.

 


17.54.52

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Jürgen Weiss schaut schon auf die Uhr; ich weiß, die Zeit ist vorgeschritten; trotzdem sei mir jetzt noch eine Minute gegönnt.

Als einer, der gleich lang in der Politik ist, der ungefähr gleich alt ist wie Sie, Kollege Weiss, Kollege Bieringer, hatte ich das Glück, dreieinhalb Jahre gemeinsam mit Ihnen hier in diesem Hause zu verbringen. Leider nur dreieinhalb Jahre; ich hätte mir meh­rere solcher schönen Jahre gewünscht.

Als ich das Hohe Haus betreten habe – und ich war keinen einzigen Tag vorher Bun­desrat, sondern sofort der neue Präsident des Bundesrates –, wurde ich wirklich sehr, sehr gut in der Präsidiale aufgenommen; besonders von Frau Präsidentin Haselbach und vom Präsidenten Weiss, ebenso von den Klubobleuten Konecny, Bieringer, Schennach und Peter Böhm.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 145

Damals habe ich mir gedacht, alle werden – mit Ausnahme von Peter Böhm – sicher­lich nur so darauf warten, dass jetzt dieser Kärntner kommt, und sie werden sich den­ken: Dem helfen wir nicht, den lassen wir „ausrutschen“; so schnell kann der gar nicht schauen, liegt der im Parlament auf dem glatten Parkett! – Das war aber überhaupt nicht so, meine Damen und Herren, sondern das Gegenteil war der Fall. Deshalb möchte ich mich auch nochmals ganz, ganz herzlich bei Ihnen allen bedanken.

Bei zweien aus der damaligen Präsidiale habe ich mich schon bedankt: bei Frau Präsi­dentin Haselbach und bei Peter Böhm. Und bei zwei weiteren darf ich mich heute gleichfalls bedanken, und zwar für ihre Mithilfe, für ihre Handschlagsqualität. – So zum Beispiel haben uns ein paar Mal Unterschriften etwa für einen Antrag gefehlt – und es war auch da nie ein Problem, beim Herrn Präsidenten Weiss vorzusprechen.

Ein Dankeschön, liebe Kollegen Weiss und Bieringer, für die Freundschaft. Ich hoffe, dass wir uns das eine oder andere Mal hier im Parlament wieder sehen werden. Und: Sollten Sie irgendwann einmal in Kärnten sein: Mein Haus – Sie werden sicherlich wis­sen, wo das ist, nämlich am Ossiacher See – steht immer und gerne für Sie offen. Ich würde mich freuen, dann bei mir zu Hause mit Ihnen in alter Freundschaft ein gutes Glas Wein trinken zu dürfen.

Glück auf euch beiden für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

17.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte.

 


17.57.06

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Kollege Jürgen Weiss, ein, zwei Minuten muss ich mir jetzt noch „stehlen“ und möchte sagen: Ich bin stolz, dass ich jetzt dabei sein darf, denn auch jetzt zeigt sich – ich glaube, das werden alle hier im Saal bestätigen – ein großes Zei­chen der Wertschätzung euch, Kollege Weiss, Kollege Bieringer, gegenüber.

Ich selbst durfte im Jahre 2007 den Bundesrat kennen und schätzen lernen. Ihr beide hier seid immer wirkliche Persönlichkeiten gewesen, Persönlichkeiten, die in den Insti­tutionen sogar eine bestimmte Kultur prägen, eine Kultur, die, wie ich meine, auch nach außen den Parlamentarismus im positivsten Sinne darstellt.

In der Sache habt ihr immer hart verhandelt – SP-Fraktionsführer Konecny hat das ja auch in einer Aussendung so formuliert: Hart verhandeln, aber das Gesicht wahren! Frau Bundesrätin Mühlwerth, Sie haben das ja auch gesagt; ich wiederhole das jetzt: Das ist das, was gerade die jüngere Generation – ich glaube, ich kann hier für alle jün­geren Kolleginnen und Kollegen sprechen – von euch besonders lernen kann: den an­deren leben lassen und trotzdem in der Sache hart verhandeln.

Ich weiß, Kollege Ludwig Bieringer – gerade bei dir habe ich das ein paar Mal erlebt –: Du kannst beinhart verhandeln, aber mit wirklicher Wertschätzung. Und das ist etwas, was euch beide ausmacht. Ich kann mir den Bundesrat ohne die Kollegen Weiss und Bieringer einfach nicht vorstellen; vielen hier im Saal wird es sicherlich genauso gehen.

Jedenfalls möchte ich euch beiden danke sagen, denn wir haben unglaublich viel von euch gelernt, auch wenn ich nur ein kurzes Stück mit euch gehen durfte, da ich erst seit 2007 in diesem Amt bin. Aber im ÖVP-Klub seid ihr, Kollege Weiss, Kollege Bierin­ger, sozusagen omnipräsent, und zwar auch bei den Nationalräten. Daher nochmals danke für alles!

Ich denke, ihr beide habt vielen von uns, eben gerade auch jüngeren Kolleginnen und Kollegen, so viel mitgegeben, wie man es machen soll, damit auch in der Bevölkerung


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 146

das Parlament wieder einen besseren Stellenwert bekommt, ja überhaupt die Politik an sich. So wie ihr beiden es vorgelebt habt, sollte es sein – und das werden wir Jüngeren mitnehmen.

In diesem Sinne auch namens meiner Regierungskolleginnen und -kollegen ein herzli­ches Dankeschön. „Together strong!“, kann ich nur sagen. Regierung und Parlament gemeinsam haben Wichtiges zu tun.

Ich wünsche euch beiden alles Gute; aber ihr seid ja nicht weg. Ich bin überzeugt da­von, ihr werdet euch immer wieder melden. Ich freue mich auch über viele Begegnun­gen in der nächsten Zeit. Gerade du, Kollege Bieringer, als Bürgermeister, und ich wer­den viel miteinander zu tun haben.

Ich danke euch nochmals für alles, auch für das Feedback, auch wenn es manchmal harte Kritik war. Auch das ist wichtig, um gemeinsam voranzukommen.

Alles Gute für die nächsten hoffentlich vielen, vielen Jahre noch gemeinsam! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

17.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Lieber Jürgen Weiss, aus Rücksicht auf dein „Zeitkontingent“ sage ich persönlich nur noch danke, danke auch dafür, dass du mich persönlich so nett in die Präsidiale aufgenommen hast. Das hat mir das Leben um vieles leichter gemacht. Ich wünsche dir im Namen aller alles, alles Gute für die Zu­kunft. Wir werden dein Wissen vermissen. (Allgemeiner Beifall.)

18.00.26Abschiedsansprache des Vizepräsidenten Jürgen Weiss

18.00


Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Frau Nationalratspräsiden­tin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da das heute meine letzte Sitzung ist, bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass ich ein klein wenig mehr sage, als dass die 769. Sitzung geschlossen sei. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich tue das von dieser Stelle aus, weil damit gewährleistet ist, dass dann tatsächlich Schluss ist. Ich muss nämlich wirklich zum Flieger, weil ich für den Herrn Präsidenten an einem Erfahrungsaustausch über das Subsidiaritätsprüfungsverfahren teilnehme.

Ich danke gemeinsam mit Ludwig Bieringer für die ehrenden Worte. Ich halte es dabei mit dem Schweizer Jacob Burckhardt, der einmal gesagt hat: „Es hat auch der Ver­dienstvollste der Heimat mehr zu danken als diese ihm.“

Als ich am 22. November 1979 als Mitglied des Bundesrates angelobt wurde, zählten wir die 389. Sitzung. Zur Illustration, wie lange das schon her ist, sei nur erwähnt, dass damals zur Änderung des Richterdienstgesetzes noch Justizminister Dr. Christian Broda hier auf der Regierungsbank saß. Eine so lange Zugehörigkeit zum Bundesrat ist im Allgemeinen selten – für Vorarlberg aber keineswegs. Seit 1920 bin ich nämlich nach Landeshauptmann Dr. Ender, Landeshauptmann Ing. Winsauer, Landesrat Vögel und Staatssekretär Bürkle erst der fünfte Bundesrat in dieser Reihe. Die angeführten Funktionen machen auch deutlich, dass bei uns stets auf eine besonders enge Verbindung zur Landespolitik und zur Landesverwaltung Wert gelegt wird.

Nach so vielen Jahren war es nach meiner Überzeugung Zeit für einen Wechsel. Ähn­lich wie bei einem Staffellauf soll dieser dann erfolgen, wenn man noch schnell genug ist, eine gute Übergabe zu gewährleisten. Für die Vertretung der Länderinteressen in der Bundesgesetzgebung und in der EU sind in naher Zukunft große Herausforderun­gen absehbar, und daher schien es mir richtig zu sein, dass im Sinne notwendiger Kontinuität mein nachrückender Ersatzmann möglichst früh mitarbeiten kann.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 147

Dass der Bundesrat insgesamt gesehen seiner Aufgabe der Vertretung der Länderin­teressen in der Bundesgesetzgebung nicht immer befriedigend nachkommen kann, ist hinlänglich dokumentiert. Laut Schlussbericht des Österreich-Konvents liege das aber freilich nicht allein an den bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen. Daher bin ich bekanntermaßen nach wie vor etwas skeptisch, diesen Mangel nicht so sehr durch bessere Nutzung bestehender Rechte, sondern in erster Linie durch neue Möglichkei­ten beheben zu wollen. Ich nehme es als kleines Abschiedsgeschenk, dass in den letz­ten Sitzungen der Präsidialkonferenz hinsichtlich dieses Vorhabens wesentliche Wei­chenstellungen erfolgen konnten.

Wenn ich sagen soll, was für meine politische Arbeit wichtig war und was ich weiter­geben möchte, dann ist das zunächst neben dem in der Länderkammer wohl selbstver­ständlichen Leitgedanken bürgernaher Bundesstaatlichkeit die Bedeutung des Rechts­staates als Grundlage von Gerechtigkeit.

Zweitens ist das die Mahnung des französischen Philosophen Blaise Pascal, wonach nur der zum festen Eintreten für einen bestimmten Standpunkt – und der war mir im­mer wichtig – legitimiert sei, der gleichzeitig auch die Position des Gegners mitdenken könne.

Als Präsident war mir schließlich wichtig, was Äbten bei ihrer Weihe mit auf den Weg gegeben wird: Ihre Aufgabe sei es weniger, anderen vorzustehen, sondern vielmehr, vorzusehen, was ihnen hilfreich sei.

Bei diesem Bemühen habe ich vielfältige Unterstützung erfahren, für die ich sehr dank­bar bin. Da ist zunächst die eigene Familie zu nennen, deren notwendiger Rückhalt Ihnen allen ja aus eigener Erfahrung bekannt ist. Erst recht gilt das, wenn wegen der großen Distanz die Abwesenheit von zu Hause nicht in Stunden, sondern in Tagen zu bemessen ist. Ich freue mich, dass meine Tochter heute hier sein kann.

Weiters zu erwähnen ist die große Familie der Damen und Herren Bundesräte, die ich in großer Zahl kennenlernen konnte und die mir in guter Erinnerung bleiben werden. Besonders eng und gut war natürlich die Zusammenarbeit mit den Präsidenten, Vize­präsidenten, Schriftführern und Ordnern, wobei ich stellvertretend für alle den derzeiti­gen Präsidenten Harald Reisenberger, Frau Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth und die ehemalige Frau Vizepräsidentin Haselbach – danke, dass Sie gekommen sind – nennen möchte.

Meine dankbare und freundschaftliche Wertschätzung für den eigenen und gleichzeitig mit mir ausscheidenden Fraktionsvorsitzenden Ludwig Bieringer bedarf keiner beson­deren Betonung. Gleiches gilt für die eigene Fraktion, den Parlamentsklub meiner Partei und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter der Führung von Professor Dr. Werner Zögernitz für ihren wertvollen fachlichen und organisatorischen Rückhalt, zu dem auch Evi Brenner, Ingeborg Cseh und Franz Prinz vieles beigetragen haben.

Ich freue mich, dass auch der Klubobmann meiner Fraktion, mein Landsmann Karlheinz Kopf und Großneffe des vorhin erwähnten Landeshauptmannes Dr. Ender, anwesend ist. – Danke, Karlheinz.

Besonders unterstreichen möchte ich meine Wertschätzung für den Fraktionsvorsitzen­den der Sozialdemokraten, Professor Albrecht Konecny. Wir hatten da und dort einen etwas unterschiedlichen Zugang zu manchen Aspekten der Politik und auch des Bun­desrates, dies aber stets auf einem Niveau, auf dem Auseinandersetzung jedenfalls für mich geistige Bereicherung war. Herzlichen Dank dafür.

Ich danke aber auch jenen, die derzeit keine Fraktion bilden, und deren Mitarbeitern, stellvertretend Stefan Schennach, Monika Mühlwerth und Peter Mitterer, für die gute Zusammenarbeit und für das Verständnis, das sie der rechtlichen Begrenztheit meines


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Bemühens entgegengebracht haben, ihren Interessen immer Rechnung tragen zu kön­nen.

Dass die sehr gute Zusammenarbeit mit Frau Nationalratspräsidentin Mag. Barbara Prammer für mich besonders erfreulich war, ist eine sehr wertvolle Erinnerung, in die ich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion unter der Leitung von Parlamentsdirektor Dr. Georg Posch einschließe.

In einer Führungsfunktion hat man in der Regel die Möglichkeit, sich seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter aussuchen zu können. Das ist dem Bundesrat für Präsidenten im halbjährlichen Wechsel naturgemäß nicht möglich. Umso größer ist die Freude, am Ende der Tätigkeit sagen zu können, die Zusammenarbeit war so gut und auch menschlich so angenehm, als ob man die Damen und Herren selbst ausgewählt hätte.

Ich muss es an dieser Stelle leider damit bewenden lassen, namentlichen Dank stell­vertretend für alle derzeitigen und früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Frau Bundesratsdirektorin Dr. Susanne Bachmann, die mit Herrn Präsidenten Reisenberger zu einer Tagung nach Den Haag fliegen musste, auszusprechen.

Ihnen allen, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, wünsche ich ein erfolgrei­ches und auch persönlich freudvolles Wirken bei der Vertretung Ihrer Bundesländer und im Dienste unserer Republik. (Lang anhaltender allgemeiner, stehend dargebrach­ter Beifall.)

18.08

*****

Ich stelle fest, dass weitere Wortmeldungen zum Tagesordnungspunkt 12 nicht vorlie­gen. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.08.42Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung eine Anfrage, 2664/J-BR/2009, eingebracht wurde.

Weiters teile ich mit, dass die Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen den Selbständigen Antrag 176/A(E)-BR/2009 betreffend Adi­positas-Prävention und -Intervention für Kinder und Jugendliche eingebracht haben, der dem Gesundheitsausschuss zur weiteren Vorberatung zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin wird Freitag, 8. Mai 2009, 9 Uhr in Aussicht genommen.


BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 149

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, 6. Mai 2009, 13 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.09.32Schluss der Sitzung: 18.09 Uhr

 

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1017 Wien