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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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770. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Freitag, 8. Mai 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

770. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 8. Mai 2009

Dauer der Sitzung

Freitag, 8. Mai 2009: 9.01 – 14.51 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl von Vizepräsidenten/innen sowie Wahl eines/einer 1. Schriftführers/in für den Rest des 1. Halbjahres 2009

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geän­dert wird

4. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsge­richtshofes für das Jahr 2007

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 – BSFG, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2007, geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz geändert wird

7. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Ludwig Bie­ringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Adipositas-Prävention und ‑Intervention für Kinder und Jugendliche [176/A(E)-BR/2009]

8. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat .............................................................................................................. 7

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Mandatsver­zicht des Bundesrates Jürgen Weiss .................................................................................................................. 8


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 2

Angelobung der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, Manfred Gruber, Mag. Su­sanne Neuwirth, Josef Saller und Franz Wenger ................................................................................................ 8

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Nominierung von Frau Dr. Maria Berger für das Amt einer Richterin am EuGH gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz                    22

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss des Ver­trages zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Auslieferung durch den Herrn Bundes­präsidenten                         23

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Vereinbarung zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Gabun über den vorübergehenden Aufenthalt österreichischer Truppen in der Republik Gabun zum Zwecke der Ausbildung durch den Herrn Bundespräsiden­ten ............................................................................. 25

1. Punkt: Wahl von Vizepräsidenten/innen sowie Wahl eines/einer 1. Schriftfüh­rers/in für den Rest des 1. Halbjahres 2009 .......................................................................................................... 27

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 7

Fragestunde (141.)

Gesundheit ..................................................................................................................... 9

Christa Vladyka (1671/M-BR/09); Friedrich Hensler, Elisabeth Kerschbaum

Franz Perhab (1667/M-BR/09); Elisabeth Grimling, Johann Ertl

Peter Mitterer (1670/M-BR/09); Josef Saller, Werner Stadler, Stefan Schennach

Juliane Lugsteiner (1672/M-BR/09); Martina Diesner-Wais, Stefan Schennach

Georg Keuschnigg (1668/M-BR/09); Ing. Hans-Peter Bock

Elisabeth Kerschbaum (1674/M-BR/09); Manfred Gruber, Kurt Strohmayer-Dangl, Mag. Walter Ebner

Waltraut Hladny (1673/M-BR/09); Edgar Mayer, Monika Mühlwerth

Karl Petritz (1669/M-BR/09); Reinhard Winterauer, Peter Mitterer

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 27

Wahlen in Institutionen

8. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmit­glieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948                          99


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 3

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 27

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (105 d.B. und 169 d.B. sowie 8105/BR d.B.)                   28

Berichterstatterin: Ana Blatnik ...................................................................................... 29

Redner/Rednerinnen:

Mag. Walter Ebner .................................................................................................. ..... 29

Mag. Wolfgang Erlitz .............................................................................................. ..... 32

Monika Mühlwerth ................................................................................................  34, 61

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 37

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 40

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 43

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 46

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ..... 47

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 50

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 53

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 55

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 62

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (516/A und 165 d.B. sowie 8106/BR d.B.)                          62

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 62

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ...................................................................................................... ..... 62

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 63

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 63

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 65

4. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichtshofes für das Jahr 2007 (III-372-BR/2009 d.B. sowie 8107/BR d.B.) ................................................... 65

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 65

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 66

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 68

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 71

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 72

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-372-BR/09 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 76

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 – BSFG, zuletzt


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 4

geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2007, geändert wird (529/A und 173 d.B. sowie 8108/BR d.B.) .............................................. 76

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 76

Redner/Rednerinnen:

Günther Kaltenbacher ............................................................................................ ..... 76

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 78

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 79

Reinhard Winterauer .............................................................................................. ..... 80

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 81

Mag. Walter Ebner .................................................................................................. ..... 82

Bundesminister Mag. Norbert Darabos ............................................................... ..... 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 85

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz geändert wird (156 d.B. und 162 d.B. sowie 8109/BR d.B.) ...... 85

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher ...................................................................... 85

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 85

Friedrich Hensler .................................................................................................... ..... 87

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 88

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 90

Stefan Zangerl ......................................................................................................... ..... 91

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 93

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ..... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 95

7. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Adipositas-Prävention und ‑Inter­vention für Kinder und Jugendliche (176/A(E)-BR/2009 sowie 8110/BR d.B.) ...................................................................................................... 96

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 96

Redner/Rednerinnen:

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 96

Mag. Wolfgang Erlitz .............................................................................................. ..... 97

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, die dem schriftlichen Ausschuss­bericht 8110 d.B. beigedruckte Entschließung betreffend Adipositas-Prävention und -Intervention für Kinder und Jugendliche anzunehmen (E 233-BR/09) .......................................................................................... 99

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Wolfgang Schimböck, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend angebliche Entschädigungszahlungen der börsenotierenden Immo­biliengesellschaft Meinl European Land an die Privatstiftung des Thomas Prinzhorn (2665/J-BR/09)


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 5

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft, Familie und Jugend betreffend Kleinwindkraftanlagen in Österreich (2666/J-BR/09)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Kleinwindkraftanlagen in Österreich (2667/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betref­fend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2668/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2669/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2670/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Investitionen in Oberösterreich (2671/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Leistungen des Ressorts für das Bundesland Oberöster­reich (2672/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Leistun­gen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2673/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sons­tige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2674/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Res­sorts für das Bundesland Oberösterreich (2675/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2676/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leis­tungen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2677/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leis­tungen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2678/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leis­tungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2679/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2680/J-BR/09)


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 6

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sons­tige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2681/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Investitionen in Vorarlberg (2682/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2683/J-BR/09)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Bundesbeitrages für die Fachhochschulförderung (2456/AB-BR/09 zu 2661/J-BR/09)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Johann Ertl, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Skylink (2457/AB-BR/09 zu 2659/J-BR/09)


09.01.16


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich eröffne die 770. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 769. Sitzung des Bundesrates vom 16. April 2009 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Efgani Dönmez.

Ich freue mich ganz besonders, in unserer Mitte den Landeshauptmann und Bürger­meister von Wien Dr. Michael Häupl begrüßen zu können. Recht herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.02.03Einlauf

 


Präsident Harald Reisenberger: Eingelangt sind Schreiben des Salzburger und des Vorarlberger Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:

„Land Salzburg

Landtag

PRÄSIDENT

DES SALZBURGER LANDTAGES

ÖkRat Simon Illmer

SALZBURG

feel the inspiration!

Herrn

Präsident des Bundesrates

Harald Reisenberger

Parlament

1017 Wien

ZAHL                                                     DATUM                                                            CHIEMSEEHOF

5/625-Ltg-2009                                  22. April 2009          POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

                                                                                                                               TEL (0662) 8042 -  2238

                                                                                                                               FAX (0662) 8042 -  2910

BETREFF

Bundesräte und Ersatzmitglieder

simon.illmer@salzburg.gv.at

Edt/Erl


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 8

Sehr geehrter Herr Präsident!

Hiermit beehre ich mich mitzuteilen, dass in der heutigen, ersten Sitzung des Salzbur­ger Landtages nach den Landtagswahlen vom 1. März 2009 (Beginn der 14. Gesetz­gebungsperiode), folgende Bundesräte und Ersatzmitglieder des Bundesrates gewählt wurden:

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ)

Ersatzmitglied: Cornelia Ecker (SPÖ)

Bundesrat OSR Josef Saller (ÖVP)

Ersatzmitglied: Bgm. aD Ing. Christian Struber MBA (ÖVP)

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ)

Ersatzmitglied: Andreas Wimmreuter (SPÖ)

Bundesrat Bgm. Franz Wenger (ÖVP)

Ersatzmitglied: LGF Mag. Anton Santner (ÖVP)

Um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung wird gebeten.

Mit besten Grüßen

Simon Illmer“

*****

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Mandatsverzicht:

„Gebhard Halder

Landtagspräsident

Zl. LTD-51.00                                                                                                   Bregenz, am 30.04.2009

Bundesrat

zH Frau Bundesratsdirektorin Dr. Susanne Bachmann

Parlament

1017 Wien

Betrifft: Mandatsverzicht Bundesrats-Vizepräsident Jürgen Weiss

Sehr geehrte Frau Bundesratsdirektorin,

der Vizepräsident des Bundesrates, Jürgen Weiss, hat den Präsidenten des Vorarlber­ger Landtages über seinen Mandatsverzicht mit Ablauf des 30.04.2009 in Kenntnis ge­setzt.

An seine Stelle wird das Ersatzmitglied Dr. Magnus Brunner (wohnhaft in 6900 Bre­genz, Am Tannenbach 41/B2, geb. 06.05.1972 in Höchst, Tel. 0676/3171919, E-Mail: magnus.brunner@oem-ag.at) in den Bundesrat nachrücken.

Mit freundlichen Grüßen

Gebhard Halder

Präsident des Vorarlberger Landtags“

*****

09.02.23Angelobung

 


Präsident Harald Reisenberger: Die neuen Mitglieder beziehungsweise die wiederge­wählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher so­gleich ihre Angelobung vornehmen.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 9

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.02.47

Schriftführerin Ana Blatnik: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Ana Blatnik leisten die Bundesräte Dr. Magnus Brunner (ÖVP, Vorarlberg), Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg), Mag. Su­sanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg), Franz Wenger (ÖVP, Salzburg) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe!“, Josef Saller (ÖVP, Salzburg) mit den Worten „Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe!“.

*****

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich begrüße die neuen Mitglieder und die wieder­gewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte und wünsche viel Erfolg bei der kommenden Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

09.04.56Fragestunde

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.04 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstre­cken werde.

Bundesministerium für Gesundheit

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bun­desminister für Gesundheit, den ich ebenfalls recht herzlich in unserer Mitte begrüße. Herr Bundesminister Stöger, recht herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Vladyka, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geschätzter Herr Bun­desminister, meine Frage lautet:

1671/M-BR/2009

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um die Bürgerinnen und Bürger im Falle des Aus­bruchs einer Pandemie zu schützen und entsprechend zu versorgen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Sehr geehrte Frau Bundes­rätin, laut WHO, EU und den führenden Influenzaexpertinnen und ‑experten ist die Ge­fahr einer Influenzapandemie sehr ernst zu nehmen. Das Ministerium hat im Jahr 2005 einen nationalen Influenzapandemieplan erstellt. Im Zuge dieses Influenzapandemie­planes haben wir uns damit beschäftigt, eine ausreichende Beschaffung von Neurami-


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 10

nidase-Hemmern sicherzustellen. Wir können damit die Arbeitsfähigkeit des Schlüssel­personals in Österreich garantieren. Das bedeutet, dass man auch im Falle einer Pan­demie mit einer funktionierenden Krankenversorgung und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in Österreich rechnen kann.

Die effektivste Schutzmaßnahme ist ein Impfstoff, welcher nach Isolierung eines Pan­demiestammes entwickelt wird. Die Zeit für die Entwicklung ist durch Produktionsmaß­nahmen auch in Österreich auf wenige Monate verkürzt. Man geht von zwölf Wochen aus. Und wir haben Bevorratung insoweit geschaffen, als eine Sicherstellung des Impf­stoffkontingentes für die gesamte Bevölkerung erreicht werden kann. Pandemie kennt keine Grenzen, daher arbeite ich nicht nur eng mit der WHO und der EU zusammen, sondern auch mit den Gesundheitsministerien der Nachbarländer. Wir haben dort über­regionale Aufgaben in Vorbereitung einer Pandemie diskutiert.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich): Wir haben jetzt gehört, was Österreich in diesem Fall schon alles gemacht hat. Wir haben auch gehört, dass die Zusammenarbeit über Österreich hinaus bereits weit gediehen ist. Welche europaweit akkordierten Maßnahmen sind geplant beziehungsweise werden in diesem Zusam­menhang umgesetzt?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Wir haben viele Aktivitäten gesetzt. Wir haben unter anderem international, europaweit im Herbst auch an einer Pandemieübung teilgenommen. Österreich konnte dabei gemeinsam mit der WHO und dem Europäischen Seuchenzentrum feststellen, dass wir, was unsere Arbeit und Zu­sammenarbeit betrifft, als sehr positives Beispiel genannt worden sind. Wir haben durch das Europäische Seuchenzentrum ECDC im November 2006 eine Vorortevalua­tion unserer Pandemievorbereitungen durchgeführt, und dort wurde uns bestätigt, dass wir eine Pandemievorbereitung auf hohem Niveau haben.

Es hat dann im November 2006 die nationale Pandemieübung VAN SWIETEN gege­ben, und wir haben auch eine Evaluierung der Pandemiepläne durchgeführt. Eingebun­den waren auch andere europäische Länder wie Liechtenstein und Bulgarien und auch das Europäische Seuchenzentrum.

Im Herbst des Jahres 2009 werden wir an einer weiteren EU-weiten Übung teilnehmen. Im Rahmen dieser Übung wird das Zusammenwirken von nationaler und internationa­ler Arbeit getestet werden.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Hens­ler.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister, Sie haben sehr treffend auf die Aktivitäten für den Fall einer Pandemie hinge­wiesen. Aber in der Bevölkerung gibt es große dahin gehende Befürchtungen und auch Ängste, aber gleichzeitig auch die Diskussion über den Impfstoff. Meine Frage geht in folgende Richtung: Welche Vorsorgen wurden diesbezüglich in der Vergangenheit ge­troffen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Wir haben in der Vergan­genheit entsprechende Impfstoffe angekauft und eingelagert – diese Impfstoffe stehen der Bevölkerung zur Verfügung, das habe ich bereits ausgeführt – und auch Vereinba­rungen mit maßgeblichen Firmen der Pharmaindustrie getroffen, die sicherstellen, dass


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 11

wir im Falle einer Erkrankung oder des Auftretens eines neuen Virus zu entsprechen­den Impfstoffen Zugang bekommen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Werter Herr Minister! Der österreichische Influenza-Pandemieplan sieht ja auch vor, dass zirka 8 Millionen Grippeschutzmasken, die um zirka 4,5 Millionen € angekauft wurden und jetzt um ungefähr 5 000 € pro Monat gelagert werden, ad hoc mobilisiert und an die Bevölkerung verteilt werden können. Nun ist es so, dass das Haltbarkeits­datum dieser Masken in Bälde überschritten sein wird. Und jetzt meine Frage: Werden Sie genauso vorgehen, werden Sie neue Masken anschaffen und lagern, und aus wel­chem Budget wird das beglichen werden?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Derzeit ist es so, dass wir prüfen, wie lange die Medikamente und auch die Masken haltbar sind. Diesbezüglich gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Erkenntnisse. Man hat festgestellt, dass die Haltbarkeit jedenfalls auch der Medikamente länger ist. Wir werden das sehr genau prüfen und dann entsprechende Vorsorge treffen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Perhab, um die Verlesung.

 


Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Situation einiger Gebietskrankenkassen in unserem Land ist bekannt. Meine Frage lau­tet daher:

1667/M-BR/2009

„Wie wollen Sie die Krankenkassen sanieren?“

Und: Welche Strukturmaßnahmen werden Sie dabei setzen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Neben dem bereits bekann­ten schrittweisen Abbau des negativen Reinvermögens, das jetzt auch Teil der Budget­begleitgesetze ist, geht es darum, auf mehreren Ebenen entsprechende Aktivitäten zu setzen. Die Ebene eins ist – und das hat schon stattgefunden – die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Medikamente, das hat entsprechende finanzielle Möglichkeiten geschaffen. Im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes wollen wir den Nutzen, den wir aus dieser Halbierung der Mehrwertsteuer gezogen haben, auch auf jene Kassen verteilen, die negatives Reinvermögen haben. Darüber hinaus hat der Hauptverband ein Phar­mapaket vereinbart, das auch eine Entlastung bei der Entwicklung, also der Steigerung der Kosten im Zusammenhang mit den Ausgaben für Medikamente bringen soll.

Mein Ziel ist es, Kostendämpfung dadurch zu erreichen, dass man eine Vertragspart­nerbeziehung dahin gehend entwickelt, dass auch die Vertragspartner in den Kassen Verantwortung für die Finanzierung tragen und insgesamt auch daran mitwirken, dass die Krankenversicherung im Interesse der Versicherten funktionstüchtig bleibt.

Die Krankenversicherungsträger wurden verpflichtet, bis zum 30.6. ein mit den System­partnern abgestimmtes Sanierungskonzept vorzulegen. Darüber hinaus wollen wir die Einnahmensituation der Gebietskrankenkassen insoweit verbessern, als wir einen Kas­senstrukturfonds vorerst für 2010 in der Höhe von 100 Millionen € errichten wollen.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 12

Innerhalb der Sozialversicherungsträger wurde auch auf Empfehlung des Rechnungs­hofes angeregt, eine Vertragspartneranalyse zu erstellen, mit dem Ziel, die Effizienzpo­tentiale zu heben. Insoweit hat der Hauptverband jetzt gemeinsam mit der Bundesärz­tekammer Arbeitsgruppen eingerichtet, die in mehrfacher Hinsicht Einsparungspoten­tial, Qualitätsverbesserungspotential finden und somit das Sozialversicherungssystem weiterentwickeln sollen.

Darüber hinaus geht es auch darum, sich mit der Frage von Geldverschiebungen zwi­schen intramuralem und extramuralem Sektor zu beschäftigen. Wir haben daher die sektorenübergreifende Finanzierung zum Thema einer Arbeitsgruppe gemacht, die in­nerhalb des Ministeriums darlegen soll, wie man zu einer verbesserten Gesamtverant­wortung für die Finanzierung zwischen intramuralem und extramuralem Bereich kom­men könnte.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Wir wissen auch, dass zurzeit kurzfristig 1 Milliarde € im System der Krankenkassen fehlt. Es wird langfristig ohne eingreifende Strukturmaßnahmen wahrscheinlich nicht gehen. Welche Strukturmaßnahmen stellen Sie sich da vor?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Strukturmaßnahmen wer­den sein, Instrumente für die Vertragspartner zur Verfügung zu stellen. Wir haben in der letzten Sitzung der Bundesgesundheitskommission vereinbart, gerade im Bereich der e-Medikation Schritte zu setzen, um die Ausgabendynamik zu verbessern. Wir wer­den, ich habe es schon angesprochen, zusätzlich über Steuern auch Beiträge zur Ent­schuldung der Gebietskrankenkassen leisten. Es wird nicht mehr alles beitragsfinan­ziert gehen.

Insgesamt, denke ich, ist es notwendig, die Vertragspartnerbeziehung so zu gestalten, dass es eine Verantwortung der Vertragspartner auch für die Gesamtfinanzierung und die Folgekostenentwicklung in den Kassen gibt.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Grimling gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Werter Herr Bundesminister! Teilen Sie die Bedenken einzelner Länder, dass die Aufteilung der Mittel des Katastrophen­fonds verfassungswidrig wäre?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich teile diese Auffassung nicht, wenn man das Gesamtkonzept, das im Budgetbegleitgesetz festgelegt wird, be­trachtet.

Es ist klar, dass einzelne Länder etwas höhere Beiträge bekommen oder mehr unter­stützt werden als andere Länder. Das ist insofern richtig, als ja der grundsätzliche Zu­gang ist, Kassen mit negativem Eigenkapital zu unterstützen. Kassen, die kein nega­tives Eigenkapital haben, können aus diesem Titel natürlich keine Mittel bekommen. Insofern ist die Aufteilung nicht linear. Aber es ist eine Gesamtentlastung des Gesamt­systems. Die Entlastung des Gesamtsystems ist auch für jene Kassen von Vorteil, die eine positive Finanzstruktur haben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ertl, bitte.

 


Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Minister! Ich habe es nicht richtig herausgehört: Ist auch für die Wiener Kran-


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kenkassen ausreichend gesorgt, die ja angeblich am höchsten von allen verschuldet sind?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die Wiener Gebietskran­kenkasse hat tatsächlich in Summe das höchste negative Eigenkapital; gemessen an der Zahl der zu versorgenden Personen ist es nicht das höchste negative Eigenkapital.

Wir werden, nachdem die Vorlagen dem Nationalrat zugewiesen worden sind, die Auf­teilung nach negativem Eigenkapital vornehmen. Insofern wird die Wiener Gebietskran­kenkasse eine bedeutende Entlastung erfahren. Die Senkung der Mehrwertsteuer wird für die Wiener Gebietskrankenkasse eine Entlastung von rund 50 Millionen € bringen, die Überführung der Stundung des Katastrophenfonds in eine Zahlung wird 33 Millio­nen € ausmachen, und die Wiener Gebietskrankenkasse wird auch noch aus anderen Bereichen Geld bekommen. Die 45 Millionen €, die für 2009 vorgesehen sind, werden auch in hohem Ausmaß der Wiener Gebietskrankenkasse zur Verfügung gestellt wer­den.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mitterer, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Unser Gesundheitssystem wurde vom Rechnungshof einer großen Prüfung unterzogen. Es wurden dann einige Schlussfolgerungen daraus gezogen; zu einer davon jetzt meine Frage:

1670/M-BR/2009

„Wann werden Sie die vom Rechnungshof geforderte Finanzierung aus einer Hand im Gesundheitssystem umsetzen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die Finanzierung aus einer Hand scheitert natürlich auch an verfassungsrechtlichen Vorgaben in dieser Republik. Ich freue mich, wenn man hier – ich sage es so – mehr Möglichkeiten schafft, gemein­same Linien zu führen.

Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen für die Jahre 2008 bis 2013 kamen Bund und Länder überein, den Aufbau einer sektorenübergreifenden Finanzierung zu stärken. Wir haben viele Elemente gesetzt, die die Verantwortung für Planung, Steue­rung und Finanzierung als gemeinsame Verantwortung in den Landesgesundheitsplatt­formen sehen. Dieses Instrument muss freiwillig verstärkt und ausgebaut werden, es bietet aber die Chance, in den Feldern, in denen die Länder entscheiden – auch mit ihren Partnern –, Erfahrungen zu sammeln, um sektorenübergreifende Abrechnungs­modelle zu schaffen.

Die Chance dafür besteht, dieses System muss sich entwickeln. Möglicherweise sind wir bei einer der nächsten Artikel-15a-Vereinbarungen in der Lage, hier verstärkt Schritte in diese Richtung zu setzen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Bundesminis­ter, Sie werden sicherlich weitere Einsparungspotenziale suchen. Ein Steckenpferd der FPÖ und später des BZÖ war immer die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträ-


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 14

ger. Wann werden Sie eine Zusammenlegung aller Sozialversicherungsträger anstre­ben?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Gar nicht (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), um es sehr deutlich zu sagen.

Ich halte sehr viel davon, dass man sehr nahe am Versicherten, an den Personen arbeitet. Es gibt keinen Nutzen aus der Zusammenführung der Sozialversicherungsträ­ger, es gibt aber großen Nutzen aufgrund von Kooperation. Die Sozialversicherungs­träger kooperieren auf vielen Ebenen. Es gibt gemeinsame Ärzteverträge – Koopera­tion findet statt, daraus kann man Nutzen ziehen –, man arbeitet im Bereich der EDV zusammen.

Wenn man ein gutes Gesundheitssystem haben möchte, ist es wichtig, dass man vor Ort in der Lage ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen und nahe am Patienten die richtige Versorgungsqualität entwickelt. Da nützt eine Zusammenlegung auf einen Trä­ger wenig.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister, wie werden Sie die Finanzierung aus einer Hand umsetzen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich habe schon angespro­chen, dass die Finanzierung aus einer Hand auch an verfassungsrechtlichen Grund­lagen scheitert.

Ich halte – noch einmal – die Zusammenführung und auch die gemeinsame Verant­wortung der Sozialversicherung der Länder und der Partner in den Landesgesund­heitsplattformen für einzelne Teilaspekte, da gemeinsame Planungen und gemeinsame Finanzverantwortung zu schaffen, für wichtig. Das Ziel ist, im Rahmen einer Artikel-15a-Vereinbarung weitere Schritte zu setzen.

Wir haben jetzt schon viele Modelle zustande gebracht. Zum Beispiel im Zusammen­hang mit Dialysen, CT- und MR-Leistungen gibt es Kooperationen zwischen Ländern und Sozialversicherung und eine gemeinsame Verantwortung.

Ich erinnere daran, dass wir in vielen Reformpoolprojekten im Rahmen des Koopera­tionsbereiches viele Pilotprojekte geschaffen haben, die zur sektorenübergreifenden Finanzierung beitragen und auch positive Erfahrungen bewirkt haben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Stad­ler.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister, unter wel­chen Bedingungen ist die Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand in dem föderalistischen System Österreichs überhaupt möglich?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich sage schon, wenn man diese Strukturen so belässt, ist es nur möglich, indem man die Gesamtverantwortung in den Bundesländern im Bereich der Gesundheitsplattform erhöht, indem die Sozial­versicherung auch im Bereich der Krankenanstalten mit entscheiden und mitgestalten kann, dann aber auch die Finanzierungsverantwortung hat, indem es eine integrierte Gesamtplanung, eine integrierte Gesamtsteuerung auch an der Schnittstelle zum Sozi­alwesen gibt. – Und in diese Richtung wollen wir gehen.

 



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 15

Präsident Harald Reisenberger: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Bundesmi­nister, Sie haben beim Stellen der Hauptfrage durch Kollegen Mitterer gelächelt und gesagt, dass es verfassungsmäßige Gründe sind. Der Rechnungshof ist ja durchaus nicht verfassungsunkundig, aber auch er macht diese Vorschläge, und die Präsidenten des Rechnungshofes geben ja immer wieder Kommentare zu einer Gesamtänderung der Verfassung ab.

Meine Frage an Sie: Der Rechnungshof sagt, gemeinsame Strategie, gemeinsame Finanzierung, gemeinsame Planung und so weiter sind günstiger und schaffen echte Voraussetzungen für eine Finanzierung des Gesundheitssystems. Wer sind dann tat­sächlich die Player, die das verhindern? Sie sind ja in der Regierung – und an Kärnten kann es diesmal wie bei der Mindestsicherung nicht scheitern –, die sich auch in den Bundesländern widerspiegelt, sodass Sie diese Verfassungsänderungen doch durch­setzen könnten.

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Sie kennen die Organe die­ser Republik. Der Österreich-Konvent hat da auch keine entscheidenden Schritte ge­setzt.

Ich denke, es ist eine andere Frage zu stellen. Der Weg geht in die Richtung, in den Ländern durch Kooperation mehr Felder der gemeinsamen Steuerung, Planung und Finanzierung zu entdecken. Das ist der Weg, der aus meiner Sicht mittelfristig wirksam sein wird. Die Frage einer grundsätzlichen Änderung ist aus dem Gesundheitsressort nicht zu bewältigen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Lugsteiner, um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minis­ter, meine Frage lautet:

1672/M-BR/2009

„Wie sichern Sie die finanzielle Leistungsfähigkeit der Krankenkassen und damit die Gesundheitsversorgung in Österreich?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Sehr geehrte Frau Bundes­rätin! Der Bund leistet in diesem Jahr, und zwar am 1. Juli 2009, so das Budget be­schlossen wird, einen Beitrag von 45 Millionen €. Das ist ein einmaliger Beitrag, um im Jahr 2009 den Druck auf die soziale Krankenversicherung zu reduzieren. Wir lösen eine gebundene Rücklage auf, wodurch weitere 42 Millionen auf die Gebietskranken­kassen verteilt werden.

Wir haben auch vor, durch das Krankenkassen-Strukturfondsgesetz im Jahr 2010 zu­sätzliche 100 Millionen € zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus arbeitet der Haupt­verband – ich habe es schon angekündigt – an einem ausgabenseitigen Konzept, unter Einbindung der Vertragspartner die richtigen Krankenversorgungsstrukturen aufzubau­en.

Wir haben auch sichergestellt, dass die Überdeckung der Mehrwertsteuer, die durch die Senkung der Mehrwertsteuer zustande gekommen ist, jenen Kassen zugute


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 16

kommt, die überschuldet sind, sodass sie eine entsprechende Unterstützung bekom­men.

Darüber hinaus ist ja vorgesehen, dass es eine Entlastung von dreimal 150 Millionen € beginnend ab 2010 geben wird, und zwar werden am 31.1.2010 150 Millionen € zur Entlastung an die betreffenden Kassen gegeben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Minister, nach wel­chen Kriterien sollen die Mittel aus dem Kassenstrukturfonds verteilt werden?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Es ist vorgesehen, dass der Bundesminister für Gesundheit jährlich bis zum 30. September im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen eine Richtlinie für die Mittelverwendung in Form von Zuschüssen festzulegen hat. Das hängt natürlich vom Sanierungskonzept ab, das jetzt im Hauptverband erarbeitet wird. Als mögliche Kriterien sind integrierte Versorgung, Qualitätssicherung, Auswirkungen von Maßnahmen auf die Folgekosten und natürlich das sektorenübergreifende Nahtstellenmanagement denkbar.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Diesner-Wais.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Welche Anreize zur Sparsamkeit und Effizienzsteigerung sehen Sie vor?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die Anreize zur Effizienz­steigerung sind, dass die Verantwortlichen in den Kassen in der Lage sein müssen, zu­sätzliche Leistungen für die Versicherten zustande zu bringen. Durch das Vertragspart­ner-Controlling wird der Druck erhöht, oder es wird sichtbar gemacht, wo vielleicht nicht so effizient gearbeitet wird. Wir gehen davon aus, dass das öffentliche Bekanntwerden von Unterschieden auch dazu führen wird, dass entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Vertragspartner-Controlling führt dazu, die Effizienz zu erhöhen und die Quali­tät zu verbessern.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Bundesmi­nister, Sie haben bei der vorangegangenen Frage gesagt, wie schwierig oder wie be­harrlich hier auch die Länder sind. Als Wiener Bundesrat bin ich natürlich froh, dass Wien mit 33 Millionen den Löwenanteil bekommt. Es bleiben noch 9,5 Millionen für acht Gebietskrankenkassen übrig. Nach welchem Schlüssel werden die verteilt?

Erinnern Sie sich daran: Oberösterreich und Vorarlberg haben ja schon in der Vergan­genheit zu solidarischen Verteilungsaktionen nicht gerade applaudiert.

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Zur Verteidigung von Ober­österreich und Vorarlberg muss ich sagen: Für solidarische Verteilungsaktionen war man immer.

 


Zur Frage, wie die anderen Mittel verteilt werden: Die restlichen Millionen werden im Verhältnis zur Einzahlung in den Fonds im Jahr 2008 verteilt.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 17

Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Keuschnigg, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1668/M-BR/2009

„Welche Sanierungsmöglichkeiten im Gesundheitssystem wollen Sie mit den Ländern verhandeln?“

 



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 18

Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich habe schon gemeinsa­me, integrierte und sektorenübergreifende Planung und Steuerung im Gesundheitswe­sen angesprochen – da ist aus meiner Sicht großes Potenzial vorhanden –, die Erhö­hung der Verbindlichkeit der Gesundheitsplanung auf Länderebene durch abgestimmte Planungen und auch Einhaltung dieser Planungen.

Es geht auch darum, sektorenübergreifende Finanzierung von ambulanten Leistungen zu schaffen.

Wir haben den ersten Schritt gesetzt, um den elektronischen Gesundheitsakt zum Le­ben zu bringen, nämlich mit der Vereinbarung, die e-Medikation im Einvernehmen mit der Ärzteschaft, den Apothekern, den Krankenanstalten – also den Ländern – und der Sozialversicherung zustande zu bringen.

Und natürlich geht es auch darum, die Kostendämpfungspotenziale auf allen Ebenen der Versorgung zu nutzen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sind aus Ihrer Sicht dafür im laufenden Finanzausgleich Nachbesserungen oder Änderungen notwendig?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Das Programm sieht nicht vor, die derzeitigen Artikel-15a-Vereinbarungen neuerlich zu diskutieren.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Bock.

 


Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister, werden Sie mehr Mitspracherechte der Sozialversicherung in Fragen der Spitalsvorsorge fordern?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich habe schon angespro­chen, dass ich die gemeinsame Planung, Steuerung und Finanzverantwortung für wichtig halte. Das wird ein Thema in den nächsten Artikel-15a-Vereinbarungen sein.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Kerschbaum, um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, meine Frage lautet:

1674/M-BR/2009

 


„Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit in Österreich Grenzwerte für die Radonbelastung in den Innenräumen und Uran in Trink- und Mineralwässern festgelegt werden, die sich an den Empfehlungen der WHO ausrichten?“

Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Radon ist ein natürlich vor­kommendes radioaktives Edelgas. Es ist nicht gesund, es ist auch vorhanden, und es besteht – dosisabhängig – durchaus ein Gesundheitsrisiko. Das Gesundheitsrisiko ent­steht durch Inhalation von Radon.

Die Weltgesundheitsorganisation legt keinen allgemeinen Grenzwert vor, empfiehlt aber, bei Gebäuden mit Radonfolgeprodukt-Konzentrationen von mehr als 100 Becquerel pro Kubikmeter Maßnahmen zu setzen.

Das Gesundheitsressort initiierte – und zum Großteil wurde das auch von uns finan­ziert – ein nationales Radonprojekt, innerhalb dessen wir uns mit der Radonproblema­tik beschäftigt haben. Es wurde ermittelt, wie die Strahlenexposition durch Radon in den Innenräumen tatsächlich ist.

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts haben wir uns sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt.

Die österreichische Strahlenschutzkommission hat auf Basis von Vorschlägen der in­ternationalen Kommission für Strahlenschutz eine Empfehlung betreffend die Richt­werte für die Radonkonzentration in Innenräumen beschlossen. Für bereits bestehende Gebäude werden Maßnahmen zur Verringerung der Radonkonzentration auf 400 Bec­querel pro Kubikmeter empfohlen. Für Neubauten sollen entsprechende Vorkehrungen schon in der Planungsphase getroffen werden, wenn Radonwerte über 200 Becquerel pro Kubikmeter zu erwarten sind. Damit kommt Österreich den WHO-Empfehlungen nach.

 


Präsident Harald Reisenberger: Frau Bundesrätin, ich nehme an, Sie wollen eine Zusatzfrage stellen. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Richtig geraten! – Herr Minister, zu Uran in Trinkwasser haben Sie jetzt nichts gesagt, aber ich mache trotzdem die Zusatzfrage am Trinkwasser fest.

Können Sie sich vorstellen, zum Schutz des Trinkwassers – ähnlich wie es bei den Oberflächengewässern und beim Grundwasser ist – einen bundesweiten Kataster zu erstellen, damit man vergleichen kann, welche Trinkwasserqualität in den verschiede­nen Regionen und bei den verschiedenen Quellen vorzufinden ist, damit man vor allem auch im Zeitverlauf vergleichen kann, um Tendenzen ablesen und bessere Maßnah­men setzen zu können?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Es geht hier auch darum, Uran im Trinkwasser zu reduzieren und das auch entsprechend zu verfolgen. Wir ha­ben daher auch unsere Einrichtungen der Lebensmittelkontrolle dafür verwendet, da entsprechende Beobachtungen durchzuführen, und haben auch dafür gesorgt oder regen auch an, dass entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, und zwar bei den Wasserproduzenten, die Wasser für größere Gruppen der Bevölkerung zur Verfügung stellen. Insbesondere haben wir einen Wert von fünf Mikrogramm pro Liter vorgeschla­gen. Das wird von den Lebensmittelbehörden auch entsprechend kontrolliert.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Gruber.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister, ich hätte in etwa dieselbe Frage als Zusatzfrage gestellt. Für mich ist sie an und für sich beantwortet.

Ich möchte aber nur zu dem Vorangegangen, zum Edelgas Radon, noch etwas sagen, weil es immer als gefährlich hingestellt wird. Im Gasteinertal, im Gasteiner Heilstollen


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 19

und in Bad Gastein ist das Edelgas Radon ein Kur- und Heilmittel. Wie Paracelsus schon gesagt hat, kommt es immer auf die Dosis an, und ich würde bitten, bei Äuße­rungen in diese Richtung sehr vorsichtig zu sein. Wir im Gasteinertal leiden immer wieder darunter, dass das Edelgas Radon mit Radioaktivität, mit Krebs und mit ande­ren Sachen in Zusammenhang gebracht wird. – Danke.

 


Präsident Harald Reisenberger: Das war eine Feststellung und keine Frage.

Ich nehme an, zu einer tatsächlichen weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Meine Zusatzfrage hat sich erübrigt. – Danke.

 


Präsident Harald Reisenberger: Es gibt noch eine weitere Zusatzfrage, und zwar von Herrn Bundesrat Mag. Ebner.

 


Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung schon darauf hingewie­sen, dass entsprechende Beobachtungen durchgeführt werden, dass entsprechende Kontrollen ebenfalls durchgeführt werden.

Nunmehr meine Frage. Für das Jahr 2008 sieht der Proben- und Revisionsplan die Ziehung von 573 amtlichen Proben als Planproben – 60 Prozent der gesamten Proben für Trinkwasser und abgefüllte Wässer – vor. Wie viele amtliche Proben als Planproben für Trinkwasser und abgefüllte Wässer sieht der Proben- und Revisionsplan im Jahr 2009 vor?

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die konkrete Zahl werde ich nachreichen. Die kann ich nicht sagen. Ich teile sie Ihnen mit.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen somit zur 7. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Hladny, um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1673/M-BR/2009

„Welche Maßnahmen treffen Sie im Bereich Frauengesundheit, damit in der Medizin auf die speziellen und von Männern teilweise sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Anforderungen von Frauen besser eingegangen wird?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Wir sehen den Bereich der Frauengesundheit als einen Schwerpunkt in der Arbeit des Ministeriums. Ich habe in den ersten Tagen meiner Amtstätigkeit auch Kontakt mit der Frauenministerin aufge­nommen, um hier entsprechend gemeinsam vorzugehen. Ich möchte ganz besonders Frauengesundheitsprojekte fördern, weil diese Sicht auf den Zugang zur Medizin aus­geweitet werden soll.

Wir haben die Erstellung einer Broschüre für Frauen vor und nach gynäkologischen Operationen im Bereich der Frauengesundheit geplant. Wir wollen insbesondere bei Unterleibsoperationen eine gut verständliche Hilfeleistung anbieten.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 20

Wir wollen auch eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Vor- und Nachteile der Hor­monersatztherapie durchführen, dort über den aktuellen Stand der Hormonersatzthera­pie informieren und Behandlungsalternativen bearbeiten.

Diese geschlechtsspezifischen Fragestellungen werden von den vom Gesundheitsmi­nisterium geförderten Frauengesundheitszentren wahrgenommen. Wir fördern diese Frauengesundheitszentren und sehen sie als einen wichtigen Beitrag zu Maßnahmen im Bereich der Frauengesundheit.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein? Danke schön.

Eine Zusatzfrage kommt aber von Herrn Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben bereits ausgeführt, welche Projekte es im Bereich der Frauengesundheit gibt. Ich denke, diese Zusatzfrage ist bereits beantwortet. – Ich danke.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, eines der Diskussionsthemen der letzten Jahre, kann man fast sagen, war auch die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs.

Im österreichischen Impfplan für 2009 ist für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren eine solche Impfung vorgesehen, und Experten sagen, um die Infektions­kette zu unterbrechen, sollte das auch bei Buben vorgenommen werden. Jetzt ist diese dreiteilige Impfung aber eine sehr teure, sie kostet etwa 650 €. Österreich ist neben Finnland das einzige europäische Land, das keinerlei Kosten rückerstattet.

Daher die Frage: Wann wird hier wenigstens ein Großteil der Kosten rückerstattet wer­den?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Zur Frage dieser Impfung habe ich immer eine sehr klare Position eingenommen. Hier muss man der Pharma­industrie laut und deutlich sagen, der Preis stimmt noch nicht, und insofern muss man auch entsprechend mit Zuzahlungen warten, denn man könnte ansonsten die gesam­ten Impfkosten für nur ganz wenige Gruppen nutzen.

Es ist auch die Frage dieser Impfung unter den Experten sehr strittig, und es ist derzeit nicht absehbar, wann der öffentliche Gesundheitsdienst entsprechende Finanzierun­gen zustande bringen wird, insbesondere bei dieser Budgetlage.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Petritz um deren Verlesung.

 


Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1669/M-BR/2009

„Wie wollen Sie durchsetzen, dass das wichtige Projekt zur Sanierung des Gesund­heitsbereiches, die Umwidmung von Akut- in Geriatriebetten, verwirklicht wird?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die Umwidmung von Akut- in Geriatriebetten ist alleinige Kompetenz der Bundesländer. Es ist Aufgabe der


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 21

Bundesländer, die Ausstattung der im Land geführten Krankenanstalten sicherzustel­len.

Im Akutbereich der Krankenanstalten werden seit 1999 schrittweise Betten für Akut­geriatrie und Remobilisation umgewidmet. Es gibt auch eine zweite Versorgungsstufe, die Remobilisation und Nachsorge erreichen möchte.

Unter Geriatriebetten könnten auch Pflegebetten mit multiprofessioneller medizinischer Zuwendung verstanden werden. Das ist auch ein Schwerpunkt, der dann im Sozialbe­reich stattfindet. Der Krankenanstaltenplan geht in diese Richtung und wird auch in der Bundesgesundheitskommission unterstützt, diese Betten verstärkt in Standardkranken­häusern einzurichten.

Ich erinnere daran, dass jetzt gerade ein Palliativkongress in Österreich stattfindet – gestern war die Eröffnung –, bei dem man sich auch mit diesen Fragen auseinander­setzt, ältere Menschen, Menschen vor dem Sterben in den entsprechenden Einrichtun­gen gut zu betreuen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Herr Bundesminister, dieses Vorhaben ist ja schon ein Langzeitprojekt, das in allen Regierungsübereinkommen in den letzten Jah­ren festgeschrieben worden ist.

Wann wird das endlich zur Realität werden?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ja, das sollte zur Realität werden. Wir haben im Bereich Akutgeriatrie 2 100 Betten geplant, tatsächlich haben wir derzeit 1 266 Betten in 40 Abteilungen und Departments. Zusätzlich gibt es 75 ta­gesklinische Plätze.

Ich habe schon angekündigt, ich denke, dass viele Veränderungen im Krankenanstal­tenbereich in die Richtung gehen, diese Betten verstärkt dazu zu verwenden, um in anderen Abteilungen zu einem Bettenabbau zu kommen und nah am Patienten ent­sprechende Versorgung in den regionalen Krankenhäusern zur Verfügung zu stellen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Winterauer.

 


Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister, welche Maßnahmen werden bereits im Rahmen der geltenden Artikel-15a-Vereinbarungen über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens ge­setzt? Gibt es gerade bei der Umwandlung von Akut- in Geriatriebetten, wenn ich deine Ausführungen jetzt gehört habe, bundesweit dieselben Erfahrungen wie bei uns in Oberösterreich nach dem Stöger-Plan?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ja, es gibt in vielen Bundes­ländern die Erfahrungen, dass es schwierig ist, Veränderungen in den Strukturen von Krankenhäusern vorzunehmen. Wir kennen die Diskussion, die gerade in der Steier­mark stattfindet, darüber, Veränderungen zustande zu bringen. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir in diesem Feld bestehenden Standardkrankenhäusern die Chance geben, Remobilisation, Nachsorge, Übergangspflege anzubieten und auch die Schnitt­stelle zum Sozialbereich maßgeblich zu verbessern. Es gibt einige Reformpoolprojekte, die sich mit diesem Thema beschäftigen und auch positive Erfahrungen sammeln.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitte­rer.

 



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 22

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wenn man den EU-Schnitt mit Österreich vergleicht, dann sieht man, dass die Zahl der Spitalsbetten in Österreich wesentlich zu hoch ist. Es muss also wahrscheinlich zu einer teilweisen Verlagerung von Akutbetten in Pflege­heime kommen.

Wissen Sie, wie viele Akutbetten in den Jahren 2007 und 2008 abgebaut wurden?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Also die konkrete Anzahl der Betten, die abgebaut worden sind, habe ich jetzt nicht präsent. Ich werde sie nach­reichen, denn ich will keine Schätzung abgeben. Tatsache ist, dass wir in manchen Be­reichen Überkapazitäten haben, dass wir in anderen Bereichen aber auch Mangel ha­ben.

Es geht darum, in den Ländern vor Ort die richtigen Einrichtungen sicherzustellen und die Schnittstelle gerade zum Sozialbereich aufrechtzuerhalten. Wir haben gerade bei der Frage, wie man in Alten- und Pflegeheimen, in Seniorenheimen mit kranken Men­schen umgeht, also an dieser Schnittstelle zum Krankenhaus, aus meiner Sicht ein hohes Effizienzsteigerungspotenzial. Und es gibt entsprechende Reformpoolprojekte, die uns hier weitere Erfahrungen bringen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Die Fragestunde ist beendet.

09.54.01Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Harald Reisenberger: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2456/AB bis 2457/AB und des Schreibens des Bun­deskanzlers gemäß § 23 Abs. 5 B-VG sowie des Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss des Vertrages zwischen der Regie­rung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Auslieferung beziehungsweise die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlun­gen über eine Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Gabun über den vorübergehenden Aufenthalt österreichischer Truppen in der Republik Gabun zum Zweck der Ausbildung verweise ich auf die im Sit­zungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bun­desrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

WERNER FAYMANN

BUNDESKANZLER

An Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Harald REISENBERGER

Dr. Karl Renner Ring 3

1010 WIEN


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 23

GZ. 405.828/0004-IV/5/2009                                                                      Wien, am 21. April 2009

Betrifft: Nominierung von Frau Dr. Maria Berger für das Amt einer Richterin am EuGH; Beschluss der Bundesregierung vom 21. April 2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Dir mitteilen, dass die Bundesregierung nach durchgeführter öffentlicher Interessentensuche im Amtsblatt der Wiener Zeitung und entsprechend den diesbezüglich stattgefundenen informellen Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien, in seiner Sitzung am 21. April 2009 beschlossen hat, die Herstellung des Einvernehmens mit dem Haupt­ausschuss des Nationalrates gemäß Art. 23c Abs. 2 B-VG vorausgesetzt, Frau Dr. Maria Berger als Nachfolgerin für Herrn Kammerpräsidenten Dr. Peter Jann, der mit Wirkung vom 6. Oktober 2009 seine Funktion als Richter des EuGH zurückgelegt hat, für die verbleibende Funktionsperiode bis zum 5. Oktober 2012 zu nominieren. Ich ersuche Dich um Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Beilage: Beschlussprotokoll des Ministerrates vom 21. April 2009 und *) Lebenslauf von FBM a. D. Dr. Maria Berger.

*) wird nicht veröffentlicht

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Abschrift

BUNDESKANZLERAMT-BUNDESKANZLER

351.000/0014-1/4/09

Pkt. 25 des Beschl.Prot. 15

15. Sitzung des Ministerrates am 21. April 2009

25. Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für europäi­sche und internationale Angelegenheiten, ZI. 405.828/0003-IV/5/09, betr. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften; Rücktritt des österreichischen Richters mit Wirkung vom 6. Oktober 2009; Nominierung einer österreichischen Kandidatin für die restliche Funktionsperiode bis 5. Oktober 2012.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

Wien, 21. April 2009

Mag. LEITNER“

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Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 24

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Harald Reisenberger

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                              14. April 2009

                                                                                                  GZ: BMeiA-BR.8.33.02/0001-I.2a/2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 17. März 2009 (Pkt. 10 des Beschl.Prot. Nr. 12) der Herr Bundespräsident am 31. März 2009 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss des Vertra­ges zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderati­ven Republik Brasilien über die Auslieferung erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhand­lungen wird ehest möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage

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BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-BR.4.36.05/0001-IV.1/2009

Vertrag zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Föderativen

Republik Brasilien über die Auslieferung;

Verhandlungen

Vortrag

an den

Ministerrat

Mit der Föderativen Republik Brasilien besteht bislang kein Auslieferungsvertrag. Den­noch findet eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden Öster­reichs und Brasiliens im Bereich der Rechtshilfe und Auslieferung in Strafsachen in Einzelfällen statt. Eine Auslieferung ist auf der Grundlage der Gegenseitigkeit nach § 3 Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, BGBl. Nr. 529/1979 idgF, prinzipiell möglich und wird auch von brasilianischer Seite gewährt, jedoch gestaltet sich die Abwicklung der Auslieferungsverfahren mangels eines völkerrechtlich verbindlichen Vertrags über die Auslieferung zwischen den beiden Staaten bisweilen schwierig und sehr langwierig. Der Vorschlag der brasilianischen Seite zum Abschluss eines bilateralen Abkommens über die Auslieferung wird daher im Interesse der Schaffung einer tragfähigen Rechts­grundlage zur wesentlichen Vereinfachung und Beschleunigung der Durchführung von Auslieferungsfällen ausdrücklich begrüßt.

Mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bereits einen bilateralen Aus­lieferungsvertrag mit Brasilien geschlossen oder sind gerade dabei, in Verhandlungen zu diesem Gegenstand zu treten.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 25

Die Regierung Brasiliens hat einen Entwurf für einen bilateralen Auslieferungsvertrag übermittelt, der als Grundlage für die Aufnahme von Verhandlungen angesehen werden kann, weil er sich in weiten Teilen an den Bestimmungen des multilateralen Europäi­schen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957, BGBl. Nr. 320/1969, orientiert. Es wird Aufgabe der Verhandlungen sein, die im zitierten Übereinkommen enthaltenen Standards im Licht späterer maßgeblicher multilateraler Vertragswerke, insbesondere des Europarates, zu vertiefen und eine moderne Rechtsgrundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten im Bereich der Auslie­ferung durch Aufnahme spezifischer Regelungen zur Erleichterung der Abwicklung von Auslieferungsersuchen zu schaffen. Mit dem Vertrag soll den Justizbehörden beider Staaten ein wirksames Werkzeug zur Bekämpfung der Kriminalität durch Minderung der Möglichkeiten für Straftäter, sich durch Flucht ihrer strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen, gegeben werden.

Bislang stehen im Verhältnis zu lateinamerikanischen Staaten keine bilateralen, die Auslieferung und Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten regelnden Verträge in Geltung. Der in Aussicht genommene Auslieferungsvertrag mit Brasilien, mit dem Ös­terreich erstmals die strafrechtliche Zusammenarbeit im Bereich der Auslieferung mit einem lateinamerikanischen Land in umfassender Weise auf eine völkerrechtlich fun­dierte Grundlage stellt, könnte daher für Verträge mit weiteren lateinamerikanischen Staaten oder aber auch für andere europäische Staaten, die nunmehr ebenfalls mit lateinamerikanischen Staaten in vergleichbare Vertragsverhandlungen eintreten, Bei­spielwirkung entfalten.

Der Vertrag wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandten Dr. Gerhard Deiss, im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Anton Kozusnik und im Falle dessen Verhinderung Gesandten Dr. Helmut Koller, zur Leitung der Verhand­lungen über den Abschluss des Vertrages zwischen der Regierung der Republik Öster­reich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Auslieferung zu bevollmächtigen.

Wien, am 17. März 2009

SPINDELEGGER m.p.“

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„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Harald Reisenberger

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                              23. April 2009


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 26

                                                                                                  GZ: BMeiA-GA.8.33.02/0001-I.2a/2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 14. Ap­ril 2009 (Pkt. 12 des Beschl.Prot. Nr. 14) der Herr Bundespräsident am 16. April 2009 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Gabun über den vorübergehenden Aufenthalt österreichischer Truppen in der Republik Gabun zum Zwecke der Ausbildung erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest­möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage

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BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-GA.8.19.03/0005-I.2/2009

Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Republik Gabun über den

vorübergehenden Aufenthalt österreichischer Truppen in

der Republik Gabun zum Zwecke der Ausbildung;

Verhandlungen

Vortrag

an den

Ministerrat

Im Interesse einer optimalen Vorbereitung der Teilnahme des österreichischen Bun­desheeres an Einsätzen im Rahmen des internationalen Krisenmanagements der Ver­einten Nationen und der Europäischen Union nehmen Angehörige des Bundesheeres zunehmend an internationalen Ausbildungs- und Übungsaktivitäten teil. Aufgrund des derzeitigen geographischen Schwergewichts des internationalen Krisenmanagements in der Region Afrika sind insbesondere Ausbildungen und Übungen in den Klimazonen Dschungel und Wüste notwendig.

Unter Berücksichtigung der bestehenden Kooperation mit dem Verteidigungsministe­rium Frankreichs und den vorhandenen französischen Stützpunkten in Afrika wird durch das österreichische Bundesheer angestrebt, Ausbildungen und Übungen für die Klimazone Dschungel in Gabun durchzuführen. Zur Regelung der Rechtsstellung der österreichischen Soldaten in Gabun und der sonstigen Modalitäten des Aufenthalts ist hierbei der Abschluss einer gesonderten Vereinbarung erforderlich.

Es sollen nun Verhandlungen mit Gabun über eine derartige Vereinbarung aufgenom­men werden, für die von österreichischer Seite der Österreichische Botschafter in Abuja, Dr. Peter Christian Fellner, in Aussicht genommen wird.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 27

§ 5 des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Ent­sendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBI. I Nr. 38/1997 idgF, kann nicht als Rechtsgrundlage für den Abschluss dieser Vereinba­rung herangezogen werden, da es sich nicht um die Durchführung einer konkreten Ent­sendung, sondern um eine auf Dauer angelegte generelle Vereinbarung handeln soll. Diese ist somit in Form eines Staatsvertrages nach Art. 50 B-VG abzuschließen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport stelle ich daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Peter Christian Fellner zu Verhandlungen über eine Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Gabun über den vorübergehenden Aufenthalt österreichischer Truppen in der Republik Gabun zum Zwecke der Ausbildung zu bevollmächtigen.

Wien, am 8. April 2009

SPINDELEGGER m.p.“

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Präsident Harald Reisenberger: Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zuge­wiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes sowie jener Entschließungsantrag 176/A(E) der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände beziehungsweise die Wahl von Vizepräsidenten/innen sowie die Wahl eines/einer Schriftführers/in für den Rest des 1. Halbjahres 2009 und die Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates § 9 F-VG 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

09.56.021. Punkt

Wahl von Vizepräsidenten/innen sowie Wahl eines/einer 1. Schriftführers/in für den Rest des 1. Halbjahres 2009

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Salzburger Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat beziehungsweise durch den Mandatsverzicht eines Mit­gliedes des Bundesrates notwendig geworden.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 28

Wahl von Vizepräsidenten/innen für den Rest des 1. Halbjahres 2009

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten/in­nen durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der/des ersten zu wählenden Vizepräsidentin/en des Bundesrates für den Rest des 1. Halbjahres 2009.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


9.57.24

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich bedanke mich und nehme die Wahl an.

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich gratuliere sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl des/der Zweiten Vizepräsidenten/in des Bundesrates für den Rest des 1. Halbjahres 2009.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist angenommen.

Die Frau Vizepräsidentin hat mir mitgeteilt, dass ich Ihnen in ihrem Namen mitteilen kann, dass sie sich für das Vertrauen bedankt und die Wahl gerne annimmt.

Wahl eines/einer 1. Schriftführers/in für den Rest des 1. Halbjahres 2009

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur Wahl des/der 1. Schriftfüh­rers/in für den Rest des 1. Halbjahres 2009.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Josef Saller lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt. Ist er nicht anwesend? (Bundesrat Mag. Himmer: Er nimmt die Wahl an!) Danke schön.

09.59.012. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (105 d.B. und 169 d.B. so­wie 8105/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 29

Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Blatnik.

Bevor ich sie um den Bericht bitte, begrüße ich Frau Bundesministerin Dr. Schmied herzlich in unserer Mitte. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Bitte um den Bericht.

 


9.59.29

Berichterstatterin Ana Blatnik: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schul­organisationsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme deshalb gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Mai 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Ebner. Ich erteile ihm dieses.

 


10.00.09

Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ho­hes Haus! Es besteht wohl selten die Möglichkeit, dass innerhalb einer Diskussion im Bundesrat – auch wenn es meine erste Wortmeldung hier in diesem Hohen Hause ist – auf Ereignisse in den letzten Wochen besonders Bezug genommen werden kann, ins­besondere wenn wir hier von einer Novellierung des § 7a Schulorganisationsgesetz sprechen, der vor wenigen Monaten oder knapp einem Jahr bereits novelliert wurde.

Die Diskussion über diesen § 7a heute lässt es aber auch zu, dass wir Bilanz ziehen können, was vor der nunmehr notwendigen Novellierung tatsächlich im Bildungsbe­reich passiert ist. Sie als Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, aber darüber hin­aus viele Eltern, Schülerinnen und Schüler haben die laufende Diskussion mitbekom­men, eine laufende Diskussion, die bei vielen, die sich an der Diskussion beteiligt haben, Verärgerung bis Frustration hervorgerufen hat.

Daher darf ich am Beginn dieser meiner Ausführungen Sie, Frau Bundesminister, zitie­ren. Sie haben am 21. April 2009 im Nationalrat festgestellt:

„Mein Vorschlag (...) war ein anderer als der, der gestern als Regierungslinie letztlich fixiert wurde, auch weil die Gewerkschaft sehr massiv dagegen war und natürlich auch die Linie innerhalb der Bundesregierung durchaus, ich sage es jetzt einmal so, eine Zeitlang indifferent war.“

Sehr geehrte Frau Minister! Kärnten hat Ihnen für Ihren Weg, die Schule zu reformie­ren – mit der Novellierung des § 7a und dem Einführen einer Neuen Mittelschule –, von Anfang an entsprechende Unterstützung zugesichert. Das war vor allem deswegen der Fall, weil auch am Standort der Pädagogischen Hochschule in Klagenfurt eine Diskus­sion im Fluss war, diesen Versuch, den Sie in die Regierungserklärung aufgenommen haben, tatsächlich schon umzusetzen, und daher entsprechende Vorbereitungsarbei­ten getätigt worden sind.

Die Novellierung des § 7a war im Hinblick auf Schulreformen notwendig. Wir glauben aber – und die Diskussion hat festgestellt –, dass hier eine Dynamik entstehen wird, die aufgrund dieses Vorschlages die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern, aber auch die


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 30

Schülerinnen und Schüler hier zu einer Dynamik führen wird, die in weiten Bereichen in der Schuldiskussion, in der Bildungsdiskussion, in der schulorganisatorischen Diskus­sion in den grauen, dunkelgrauen, ja schwarzen Vorzeiten nicht geführt wurde, nicht geführt werden wollte, ja sogar da und dort untersagt wurde. Daher war es eine beson­dere Genugtuung und auch Freude, hier in die Reform einzusteigen. Die Neue Mittel­schule sollte tatsächlich auch im organisatorischen Bereich neue Wege aufzeigen.

Die Erfolge haben dazu geführt, dass die Bundesländer Kärnten, Steiermark und Bur­genland standortbezogen als Erste eingestiegen sind. Es war eine besondere, neue Facette, dass ein Bundesland fast flächendeckend in die Neue Mittelschule eingestie­gen ist: Das war das Bundesland Vorarlberg. Diese neue Facette ... (Bundesrat Mayer: Sehr gut!) – Herr Kollege, dieses „Sehr gut“ darf ich dann aufgreifen und im Laufe mei­nes Diskussionsbeitrages mit verwenden, und ich hoffe, dass Sie auch zum Schluss etwas bedauern werden und nicht mehr „sehr gut“ sagen werden.

Ich glaube aber, dass der Weg von Vorarlberg dazu geführt hat, dass nunmehr dieser § 7a zu novellieren ist, denn die 10-Prozent-Grenze der Bundesländer musste nun­mehr – und wird heute – auf das gesamte Bundesgebiet übertragen werden. Bereits im Ausschuss haben wir festgestellt, dass das, was nunmehr auf die Bundesländer zu­kommen wird – und hier sitzen wir als Bundesländervertreter! –, doch auch in der Ent­wicklung zu Problemen führen wird. Wir vonseiten des BZÖ haben es im Nationalrat angesprochen, die Diskussion im Ausschuss hat es ebenfalls gezeigt. Es ist ein beson­deres Phänomen, dass gerade dieses Bundesland, dessen Fraktionskollegen in ande­ren Bereichen sich vehement gegen die Neue Mittelschule ausgesprochen haben, flä­chendeckend die Neue Mittelschule eingeführt hat und die 10-Prozent-Grenze nun­mehr für den bundesweiten Fall zur Diskussion gestellt hat.

Es stellt sich die Frage, Frau Bundesminister: Was werden Sie machen, wenn nun­mehr neben dem Bundesland Vorarlberg das Bundesland Tirol, das Bundesland Ober­österreich oder das Bundesland Niederösterreich die Neue Mittelschule am Standort der Hauptschulen flächendeckend einführen wollen? Da sind wir flächendeckend, wie Vorarlberg es gemacht hat! Da sind wir bei Weitem bei der Überschreitung der 10-Pro­zent-Klausel, der 10-Prozent-Hürde, dieser 10 Prozent, die nunmehr in der Novellie­rung wieder enthalten sind.

Ich meine, auch hier gehört die Diskussion geführt – wir haben es im Ausschuss ange­sprochen, im Nationalrat wurde es angesprochen –: Was wird die Bildungspolitik Öster­reichs machen, um der Dynamik, die von den Schulen ausgeht, der Dynamik, die von den Fachhochschulen ausgeht, zu entsprechen? Ich spreche etwa die Fachhochschul­diskussion der Pädagogischen Hochschule in Klagenfurt an. Unter Führung der Rekto­rin konnten sowohl die Direktorin der Praxishauptschule Mag. Elisabeth Herzele und ich von der AHS entsprechende Entwicklungsarbeit unter Begleitung des emeritierten Univ.-Prof. Dr. Thonhauser von Salzburg durchführen.

Das ist die entscheidende Diskussion. Daher hat auch der Verfassungsdienst des Bun­deslandes Kärnten darauf hingewiesen, dass mit der Beibehaltung der 10-Prozent-Grenze die Frage für die Bundesländer auftaucht: Was werden diese machen, wenn sie nicht mehr zum Zuge kommen? Ihre zuständigen Fachbeamten haben zwar ein­zelne Kriterien angesprochen, wir glauben aber, dass diese Kriterien das Problem nicht lösen werden.

Daher sollte man auf der politischen Ebene über eine Grundsatzentscheidung diskutie­ren. Da werden Sie aber die Fragen an den Koalitionspartner zu stellen haben! Und ich denke, nicht nur an den Koalitionspartner, denn ich habe bei der letzten oder meiner ersten Bundesratssitzung Herrn Dr. Schnider gehört und war sehr angetan, Herr Kolle­ge aus der Steiermark, neben der Politik die Pädagogik gleich mitzuhören. Herr Kolle-


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 31

ge, Sie haben aber vergessen, dass im Alphabet vor dem P das O und das N sind! Und wenn man diese zwei aneinanderfügt, dann ergibt das „no“ oder nein. Vielleicht ist es eine Zufälligkeit, dass N mit Neugebauer auch in Verbindung zu bringen ist, denn neu wird hier nicht gebaut, wenn nein gesagt wird.

Wir meinen daher, Frau Minister, dass in der Diskussion die Fragen: Was passiert 2009/2010 oder was passiert 2011/2012?, zu beantworten sein werden.

Ich höre vom Kollegen aus Vorarlberg nichts mehr! Er hat den Schritt hier gesetzt, und deswegen wäre ich sehr froh, wenn er hier bei manchen Äußerungen seiner Fraktions­kollegen nein gesagt hätte, denn die Schulentwicklung im Bereich der Neuen Mittel­schule zeigt eindeutig, dass der neue pädagogische Ansatz, der neue zusammenfüh­rende Ansatz richtig ist. Wir erwarten uns von unserer Fraktion, dass die Gewerkschaft sich mit dem Dienstrecht auseinandersetzt und nicht nur sagt, sie werde es tun, mit den Lehrverpflichtungen auseinandersetzt und nicht nur sagt, sie werde es tun, denn wenn im Berufsschulbereich Lehrverpflichtungen in der Größenordnung von 23 bis 24 Wochenstunden bestehen, im Volksschulbereich von 22, im Bereiche der Haupt­schulen von 21, 22, im AHS Bereich 19 bis 22, dann hat die Gewerkschaft viel zu tun.

Ich meine, dass die Reform, die Novellierung des § 7a unter Beibehaltung der 10-Pro­zent-Hürde für die Bundesländer keine Lösung ist, denn: Was werden die Bundeslän­der machen, die diese Grenze jetzt noch nicht erreicht haben, da mit der Klausel bun­desweit kaum mehr Möglichkeiten bestehen, weil ja die Voranträge bereits da sind und die Deckelung mit etwa 3 800 Klassen, wie wir es gehört haben, bereits fast erreicht ist? Allein in Kärnten kommen nächstes Jahr 30 Standorte dazu. Wir wissen es von den Bundesländern Tirol, Salzburg und darüber hinaus, dass der Bedarf da ist.

Daher ist das ein Problem, dem wir uns wahrscheinlich in diesem Hohen Haus inner­halb von wenigen Monaten wieder stellen werden. Wie es der Ausschuss zeigt, ist nach der heutigen Beschlussfassung der § 7a bald wieder zu novellieren.

Denn: Österreichweit ist auch etwas Neues eingeführt worden, das BIFIE. Das ist et­was, was es bisher in den Schulversuchen nicht gegeben hat. Die Evaluierung sollte an den Standorten erfolgen. Nunmehr gibt es eine österreichweite Organisation, das BIFIE. Wir sind zuversichtlich, dass das, was an den Standorten an Evaluierungser­fahrung da ist, vom BIFIE begleitet und getragen wird, sodass wir auch bezüglich des neuen pädagogischen Ansatzes der Neuen Mittelschule zuversichtlich sind. Dazu werden sich sicherlich noch einige andere Redner zu Wort melden.

Obwohl Sie mir glauben können, dass ich Ihnen einiges darüber sagen könnte, auch über die Entwicklung, werde ich mich kurz fassen und sagen: Auch damit wird ein Ansatz in richtiger Art und Weise gesetzt. Die Unterstützung ist da. Bedauerlicherweise ist in Ihrem Antrag die Begrenzung von 10 Prozent österreichweit flächendeckend noch enthalten. Wir hätten uns gefreut, wenn diese 10-Prozent-Klausel und -Hürde – sie ist eine Hürde! – schon bei der jetzigen Novellierung gefallen wäre.

Daher von unserer Seite: In den inhaltlichen Bereichen – das haben Kollegin Haubner und andere Ihnen schon zugesichert – werden wir Ihnen selbstverständlich weiterhin zur Seite stehen. Wir bedauern nur – mehr sage ich dazu nicht –, dass die Diskussion über die Budgetierungen, Budgetvorschläge und Veränderungsvorschläge in den letz­ten Monaten eigentlich zu nicht zufriedenstellenden Erfolgen geführt hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall des Bundesrates Mitterer sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

10.12


Präsident Harald Reisenberger: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Erlitz. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 32

10.12.29

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der Kollege hat mir zum Teil aus dem Herzen ge­sprochen. Da gibt es weitestgehende Übereinstimmung. (Bundesrat Dr. Kühnel: Aha! – Bundesrat Dr. Schnider: ... Koalition!)  In dem Fall gibt es tatsächlich sehr viele Gemeinsamkeiten!

Es geht um die Lockerung der 10-Prozent-Klausel, mit der ich auch keine große Freu­de habe. Die Steiermark hat dann letztlich zugestimmt. Es geht um eine Lex Vorarl­berg. Ich muss sagen, natürlich ist die Neue Mittelschule – wie ich meine – die größte reformpädagogische Maßnahme seit den siebziger Jahren, seit den Versuchen zur Integrierten Gesamtschule. Das ist überhaupt keine Frage. Auslöser dieser Novellie­rung war, wie gesagt, das Bundesland Vorarlberg, dem es offensichtlich um eine rein quantitative Weiterentwicklung ihres Modells geht.

Die Steiermark erweitert moderat von 30 auf 35 Standorte. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Es ist so! – Uns geht es dabei um Arrondierungen der bestehenden Modell­region: Das ist Graz, das jetzt vollzählig dabei ist – im Pflichtschulbereich natürlich –, die Region Voitsberg ist im Bereich der Pflichtschule vollzählig dabei, im Bereich der AHS noch nicht, und die Region Murau. (Bundesrat Mag. Klug: Bravo, Murau!)

Wir legen in der Steiermark Wert auf eine inhaltliche und qualitative Weiterentwicklung dieses Modells, das sich von anderen Modellen ja wesentlich unterscheidet. Wir inves­tieren ja zwölf Stunden pro Woche und Klasse – also sechs Stunden im Bundeslehrer­einsatz und sechs Stunden im Landeslehrereinsatz –, und damit bleibt eben auch die Forderung nach individualisiertem Unterricht kein leeres Schlagwort, sondern wird wirk­lich umgesetzt. Wir können durch die Vielfalt an abwechslungsreichen Lernangeboten tatsächlich die unterschiedlichen Begabungen und Interessen fördern.

Und – darauf weise ich auch hin! – wir halten uns strikt an die vom Bundesministerium vorgegebenen Richtlinien und Prinzipien zur Entwicklungsarbeit hinsichtlich der Neuen Mittelschule. Das heißt gemischter und/oder gemeinsamer Einsatz von Lehrern und Lehrerinnen im AHS- und Hauptschulbereich. Das heißt eine klare Absage an die Leis­tungsgruppen. Das hat sich bis in den äußersten Westen oder auch in andere Bundes­länder noch nicht durchgesprochen. Das heißt, es gibt Prinzipien und es gibt ganz klare Vorgaben, an die man sich zu halten hat, was offensichtlich von gewissen Bun­desländern nicht respektiert wird.

Deswegen bitte ich dich, Frau Bundesministerin, wirklich noch einmal nicht nur klare Richtlinien und Zielsetzungen herauszugeben, sondern auch die Umsetzung und die Befolgung einzufordern, damit alle wissen, wohin denn dieses Flaggschiff „Neue Mittelschule“ segeln soll. Es ist sicher lobenswert, wenn alle Bundesländer ins Boot ge­holt wurden – das ist überhaupt keine Frage –, es hilft uns aber wenig, wenn einige Bundesländer irgendwohin rudern. Dann bleibt das Schiff wieder irgendwo am Stand stehen. Das heißt, ich würde dich als starke Steuerfrau, Frau Ministerin, bitten, zu sa­gen, wohin wir rudern sollen! Und ich würde dich als starke, als zielstrebige Steuerfrau bitten, den Kurs anzugeben, denn das Ziel kann nicht die Dreisäuligkeit sein; in der Steiermark haben wir dann die Viersäuligkeit: AHS, Hauptschule, Realschule und Neue Mittelschule – das kann es ja nicht sein!

Wir müssen wissen, wohin wir wollen, um es vielleicht wirklich einmal flächendeckend einzurichten. Und darüber hinaus – auch das ist in der Novelle vorgesehen –: Wenn es keine klaren Zielrichtungen gibt, ist es auch für das BIFIE schwierig, das wissenschaft­lich zu begleiten und zu evaluieren. Die Neue Mittelschule ist sicherlich ein hervorra­gendes Vehikel, wenn man es entsprechend nutzt, unser Schulsystem im Bereich der Sekundarstufe 1 entsprechend weiterzuentwickeln.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 33

In völliger Übereinstimmung mit der Frau Bundesministerin meine ich auch, dass ein Bündel von weiteren Reformmaßnahmen in Angriff zu nehmen ist, wenn Österreich nicht gänzlich den Anschluss an internationale Standards verlieren will. Ich denke an das Dienst- und Besoldungsrecht im Hinblick auf die Schule der Zukunft. Ich denke auch an die gemeinsame Lehrerbildung: Sie ist unverzichtbar. Das ist eine Schlüssel­frage des gesamten Bildungssystems. Qualität von Unterricht hängt ja nicht nur primär mit bestimmten Institutionen zusammen, sondern vielmehr mit der Qualität, mit der Qualifikation von Personen, die im Schulwesen tätig sind. Ich denke auch an die Ver­waltungsreform im Bildungswesen, wobei ich auch glaube, dass nicht diese Einspa­rungsmaßnahmen möglich sind, von denen gesprochen wird: 1 Milliarde €, die da von gewissen Bildungsexperten oder vermeintlichen Bildungsexperten oder selbst ernann­ten Bildungsexperten – da haben wir auch sehr viele in Österreich – genannt wird. Die­se großen Volumina sind sicherlich nicht zu erreichen.

Tatsächlich befinden wir uns in einem enorm dynamischen weltweiten Bildungsprozess in einer globalisierten Welt. Bildung wird immer mehr zur Grundlage für Wohlstand, für Wertschöpfung, für Wettbewerbsfähigkeit, ist aber auch für die soziale Kohäsion ent­scheidend. Die Vermittlung von Spezialwissen, von Fachwissen gewinnt weniger an Bedeutung. Das heißt, neben einem festen Wissensschatz gilt es heute vielmehr Schlüsselqualifikationen zu vermitteln, dynamische Fähigkeiten, soziale Kompetenz, emotionale Kompetenz, eigenverantwortliches Lernen, Teamfähigkeit, vernetztes Den­ken und so weiter, um diesen künftigen Anforderungen und Aufgaben gewachsen zu sein.

Das heißt, erzieherische und persönlichkeitsbildende Aufgaben gewinnen immer mehr über die fachqualifizierende Funktion der Schule an Bedeutung. Dieses anspruchsvol­lere Lernen – es ist ein anspruchsvolleres Lernen! – braucht ein Mehr an Zeit, braucht ein Mehr an Lerngelegenheiten, ein Mehr an Erfahrungsmöglichkeiten, andere Erfah­rungsräume, die gerade im Mittelstufenbereich momentan nicht zur Verfügung stehen. Die Vermittlung von Lehrinhalten erfolgt derzeit unter Zeitdruck, in diesen berühmten 50-Minuten-Einheiten, die irgendwo aus der Maria-Theresianischen Zeit herrühren.

Der Lernerfolg hängt, wie wir aus vielen Studien immer wieder lesen können, nicht un­wesentlich vom Bildungsstand der Eltern, vom sozialen Status der Eltern, vom sozio­ökonomischen Hintergrund der Schüler ab. Wenn wir Chancengerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler ernst nehmen und es wirklich in die Tat umsetzen wollen, dann muss meines Erachtens die Schule der Zukunft eine ganztägige Schulform sein und – meinem Geschmack nach – eine gemeinsame ganztägige Schulform sein, mit einer völlig neuen Rhythmisierung des Tagesablaufes von Unterricht, von Freizeit und Förderung. Und es muss eine Schule sein, wo alle Begabungen und Potentiale gleich geschätzt und gleich gefördert werden. Ob das handwerkliche sind, sportliche sind, kreative sind, intellektuelle sind, es müssen alle gleich geschätzt und gefördert werden.

Mit der Neuen Mittelschule sind wir sicher auf gutem Weg, dieses Ziel zu erreichen, wenn es dazu, Herr Kollege, einen gesellschaftlichen Konsens gibt. Aber den sehe ich noch nicht. In der Steiermark sehe ich ihn, aber sonst sehe ich ihn nicht. Und des­wegen brauchen wir für diese neue Schule der Zukunft mit diesen anderen Anforderun­gen ein neues Dienstrecht, ein neues Besoldungsrecht. Es wird eines ganz klar sein: Der Lehrer wird in Zukunft mehr Zeit beim Schüler und mit dem Schüler verbringen müssen (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Ebner), wenn wir In­dividualisierung umsetzen wollen. Daran wird kein Weg vorbeigehen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Es geht nicht nur um ein neues Dienst- und Besoldungsrecht und einen gesellschaftli­chen Konsens, Herr Kollege, sondern auch darum, dass das nötige Geld vorhanden ist! Man kann nicht mehr Qualität im Bildungssystem verlangen, aber die finanziellen


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Mittel nicht zur Verfügung stellen! Das wird auch der Herr Finanzminister einmal zur Kenntnis zu nehmen haben. Man kann nicht sagen: Eine Bildungsreform gibt es dann, wenn die Lehrer auf ihr Gehalt verzichten. Das kann es wohl nicht sein! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Mag. Ebner und Mühlwerth.)

Mehr Qualität im Bildungssystem kann es nur geben, wenn man auch Geld in die Hand nimmt. Im Konsumbereich ist es klar: Wenn man sich keinen VW, sondern einen Mercedes kauft und der Mercedes mehr kostet, sagt man, das ist klar, er kann auch mehr, hat mehr Qualität. Aber wenn mehr Qualität im Bildungswesen verlangt wird, dann darf es nichts kosten. (Bundesrat Mag. Klug: Ja!) Da muss es kostenneutral sein. Das wird es nicht geben. Mehr Qualität kostet mehr Geld. Wir haben da entsprechende Möglichkeiten: Wir geben 5,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Im OECD-Schnitt werden 6,2 Prozent ausgegeben. Wir waren schon einmal bei 6,1 Prozent. Das heißt, da gibt es noch Spielräume. Qualität ist mit Geld verbunden – das muss der Herr Finanzminister auch zur Kenntnis nehmen!

Ein Anliegen habe ich noch: Um diese angestrebte Schulqualität zu erreichen und auf die vermehrten Herausforderungen flexibel reagieren zu können, ist auch die Entwick­lung der einzelnen Schule wichtig. Da ja systemische eh nicht viel weiterkommen, ist die Einzelschule als Schlüsselgröße zur Veränderung ganz wesentlich. Das heißt, die Entwicklung der einzelnen Schule ist unabdingbar notwendig. Die Beschäftigung mit Schulentwicklung ist ganz entscheidend für die Funktionstüchtigkeit der Schule, aber auch für das Arbeitsklima. Das heißt, man muss die Lehrer verpflichten, sich mit Schul­entwicklung zu beschäftigen. Frau Bundesministerin, zwei Tage von diesen fünf auto­nomen Tagen sollten dazu bitte herangezogen werden!

Es ist eine langjährige Forderung der Schulaufsicht, nicht nur der steirischen, glaube ich, den Lehrern verpflichtend vorzugeben – verpflichtend, bitte! –, sich zwei Tage mit Schulentwicklung der eigenen Schule zu beschäftigen. Die Kinder haben dann natür­lich frei, aber die Lehrer müssen sich verpflichtend mit Schulentwicklung beschäftigen. Das ist ein ganz, ganz wesentliches Qualitätsmerkmal der Schule, das ist einfach von­nöten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Schennach und Mitterer.)

Ich komme zum Schluss – das Licht leuchtet schon –: Vieles wäre noch anzusprechen, Frau Ministerin, aber ich gehe davon aus, dass es ohnehin bald eine Präsidentenkon­ferenz geben wird, wo wir wirklich ausgiebig und ausführlich über diese Themen dis­kutieren werden. Grundsätzlich erkennt man die Qualität einer Gesellschaft – sage ich immer – sehr gut auch daran, wie sie ihr Schul- und Bildungssystem organisiert, denn darin spiegeln sich einerseits die Erwartungen an künftige Generationen, andererseits auch deren Chancen und Möglichkeiten wider. Wir wollen, glaube ich, unseren Kindern und unseren Schülern die bestmöglichen Chancen und Möglichkeiten mitgeben, um die Welt einmal besser verstehen und, wie ich hoffe, auch gestalten zu können. In diesem Sinne bedanke ich mich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Kerschbaum und Schennach.)

10.23


Präsident Harald Reisenberger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 


10.23.10

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt haben wir eben erst diese Neue Mittelschule beschlossen und sind auch schon wieder bei der ersten Änderung angelangt, weil sich die Flexibilität als nicht ausreichend für die regionalen Bedürfnisse herausgestellt hat. Es wurde schon von den Kollegen ange­sprochen, im Unterrichtsausschuss des Bundesrates gab es aber durchaus Meinun-


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gen, dass auch diese 10 Prozent nicht ausreichen werden. Wäre ich jetzt eine Befür­worterin der Neuen Mittelschule, müsste ich sagen: Ja, es ist fürs Erste durchaus ein­mal zu befürworten, dass es diese 10 Prozent Flexibilität gibt. Schuld daran, dass man das jetzt ändern muss, ist Vorarlberg. Vorarlberg hat das vollkommen richtig erkannt und gemeint, darin liegt unsere Chance. (Bundesrat Mayer: Das war sehr gescheit!) – Kollege Mayer wird mir vielleicht noch widersprechen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Vorarlberg hat gesagt: Super, wir bekommen mehr Ressourcen, wir bekommen sechs Werteinheiten mehr, wir tauschen die Türschilder aus, wir nennen die Hauptschule „Neue Mittelschule“ und können jetzt wesentlich mehr tun, als wir bisher getan ha­ben! – Das kann man Vorarlberg eigentlich nicht zum Vorwurf machen, dass es da so fix reagiert hat.

Alles, was an pädagogischen Konzepten des Forderns und des Förderns bis jetzt vor­gebracht worden ist, kann man – zumindest nach dem Dafürhalten der FPÖ – auch im bestehenden Schulsystem machen. Es ist für uns nach wie vor nicht nachvollziehbar, warum das jetzt unbedingt im Bereich der Neuen Mittelschule, die eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen sein soll, erfolgen soll.

Es ist wirklich schön, dass das BIFIE gegründet worden ist und diesen Schulversuch auch evaluieren wird, nur: Diese Evaluation ist einfach ungerecht! Was wollen Sie denn eigentlich genau evaluieren? Sie haben auf der einen Seite die Neue Mittelschule, die mehr Ressourcen hat und sich deshalb auch wesentlich besser bewegen kann, mehr tun kann bei all den Punkten, bei denen wir uns in den Forderungen im Grunde einig sind. Jetzt geht’s nur um die äußere Organisation. Auf der anderen Seite haben wir als Vergleich die Hauptschulen – oder die Kooperativen Mittelschulen, wie ja Wien noch eine Zwischenstufe eingezogen hat –, die nicht diese Ressourcen haben. Daher finde ich, dass dieser Vergleich einfach hinkt, weil hier quasi Äpfel mit Birnen verglichen wer­den.

Es zeigt sich bei der Anmeldung zur Neuen Mittelschule jetzt auch, dass natürlich die Hauptschulen aus genannten Gründen voll Begeisterung mitmachen. Die AHS hält sich hier sehr vornehm zurück und tut eigentlich nur sehr wenig mit. Es wird sich zeigen, ob es gelingen wird, dass man die AHS dazu bringt, hier auch mitzutun. Man darf nie ver­gessen, dass der Unterschied zwischen den Hauptschulen ein sehr großer ist. Wir haben die Hauptschulen auf dem Land, die bis jetzt hervorragend funktioniert haben. 70 Prozent der Maturanten kommen aus dem Bereich der Hauptschulen. Wo wir Pro­bleme haben, das ist in den Ballungszentren und hier in ganz besonderem Maße Wien.

Als Argumentationsgrundlage für die Neue Mittelschule muss immer Finnland herhal­ten, worauf man wirklich mit großen Augen schaut und meint, das funktioniert dort so gut. Man muss aber schon auch anmerken, dass etwas, was in einem Land funktio­niert, nicht zwangsweise in einem anderen Land gleichermaßen gut funktionieren muss. Wenn wir uns die Grundlagen oder die Ausgangsdaten anschauen, dann stellen wir fest: Finnland hat einen Ausländeranteil von 1,8 Prozent. Schweden hat übrigens ein ähnliches Modell wie Finnland, aber einen wesentlich höheren Ausländeranteil und liegt in den PISA-Rankings nicht sehr viel besser als Österreich. Also stellt sich schon die Frage, warum man unbedingt ein Modell nehmen muss, das woanders gut funktio­niert, wo aber die Ausgangslage völlig anders ist. (Bundesrat Ing. Einwallner: Diese Milchmädchenrechnung, unglaublich!)

Kollege Einwallner, ich lade Sie gerne einmal in einige Wiener Hauptschulen ein – schauen Sie sich’s doch an! –, wo es 100 Prozent Ausländer oder nur einen Österrei­cher gibt. Da dürfen Sie sich nicht mehr wundern, wenn die österreichischen Eltern sagen, das Gefühl zu haben, dass ihr Kind neben 19, 20 anderen Schülern, die nicht


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ausreichend oder gar nicht Deutsch können, nichts mehr lernt, und es deshalb in eine AHS geben – was übrigens die Zuwanderer zum Teil auch schon tun, nämlich jene, die nicht so bildungsfern und daran interessiert sind, dass ihre Kinder auch tatsächlich so etwas wie Bildung bekommen. Die schauen auch, dass sie in die AHS abwandern.

Das heißt, wir haben hier zwei unterschiedliche Ausgangslagen, und es wird wirklich die Frage sein – und das bezweifle ich eben –, ob es Ihnen und uns allen letzten En­des gelingen wird, dass wir all jene bildungsfernen und sozial benachteiligten Schich­ten, über die wir hier jetzt sprechen, in einer Neuen Mittelschule wirklich abfangen, dass dann auch diese plötzlich zu einer Art Erleuchtung kommen.

Ich glaube, es wäre wesentlich wichtiger gewesen, Einsparungen in anderen Bereichen vorzunehmen. Frau Ministerin, Sie haben ja jetzt schon Budgetschwierigkeiten. Zur Neuen Mittelschule gibt es unterschiedliche Zahlen, die ich von allen möglichen Seiten höre; das geht so nach dem Motto „Nichts Genaues weiß man nicht“. Sie haben gera­de eben erst erfahren, wie schwierig es ist, wenn man budgetäre Nöte hat, wenn man von den Gewerkschaftern im Stich gelassen wird, weil man – in dem Fall wirklich – einer ÖVP-Lehrergewerkschafts-Betoniererfraktion gegenübersteht. – Wobei ich das der Gewerkschaft jetzt nicht als solches zum Vorwurf mache, denn die Gewerkschaft hat die Lehrerinteressen zu vertreten. Das ist ihre ureigenste Aufgabe. Trotzdem ha­ben wir gesehen, wer die ÖVP-Politik bestimmt, nämlich die Lehrergewerkschaft, weil Herr Pröll da mehr oder weniger versucht hat, sich aus dem Streit herauszuhalten und Ihnen ausgerichtet hat, Sie seien so quasi Ihr eigener Finanzminister und hätten mit diesem Budget auszukommen.

Neugebauer hat sich ganz gemütlich hingesetzt, hat in der Art eines sowjetischen Polit­kommissars „Njet“ gesagt – und dann hat sich nichts bewegt. Erst Ihr Bundeskanzler hat sich Ihnen in allerletzter Sekunde zur Seite gestellt, indem er gedroht hat, das Bud­get platzen zu lassen. Dann hat sich plötzlich etwas bewegt. Zu wessen Gunsten hat sich etwas bewegt? – Auf jeden Fall zuungunsten des Steuerzahlers und auf jeden Fall zuungunsten der Schüler, die auf schulautonome Tage verzichten müssen; und ja, zu­gegebenermaßen, auch den Lehrern wurden einige Zulagen gestrichen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ihr nächstes Feld, habe ich heute schon gelesen, ist die Zentralmatura. Dazu muss ich als Kennerin von Wien sagen: Wenn wir die Zentralmatura nicht auf dem allerniedrigs­ten Niveau ansiedeln, sondern sie wirklich auf einem guten Niveau halten, dann bin ich eine Bekennerin zu einer Zentralmatura, und zwar aus einem einfachen Grund: weil ich in Wien die Unterschiede in den einzelnen Gymnasien kenne. Man weiß in Wien ge­nau, wo man die Matura leichter bestehen kann, man weiß, wo sie schwieriger ist, wo mehr verlangt wird. Um diese Unterschiede auszugleichen, kann ich mir eine Zentral­matura ganz gut vorstellen. Man wird sich allerdings noch genau anschauen müssen, wie man die Unterschiede zwischen AHS und BHS ausgleichen kann. Das ist noch eine harte Nuss, die Sie zu knacken haben werden.

Ein ganz wesentliches Anliegen im Schulbereich – und Sie haben das auch schon öf­ters genannt, denn es gibt da wirklich gute Ansätze –: das Fördern und das Fordern. – Ja, aber ich bleibe dabei: Das kann man jetzt auch! Mit mehr Ressourcen ist auch Teamteaching möglich.

Wichtig wäre eine Entpolitisierung des Schulsystems. Nicht das Parteibuch ist die erste Qualifikation, sondern die Qualifikation eines zukünftigen Direktors.

Die Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung, die uns manchmal auch psychisch, aber vor allem finanziell belasten, gehören abgeschafft.


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Ja zu einer gemeinsamen Ausbildung aller PädagogInnen; Kindergartenpädagogen gehören meiner Meinung nach auch dazu.

Das Dienstrecht wird auch noch zu heftigen Diskussionen führen, denn ein geändertes Dienstrecht mit einer flacheren Gehaltskurve wird mehr kosten. Wir werden sehen, wo Ihnen der Finanzminister entsprechend unter die Arme greift.

Auch ein neues Besoldungsrecht, das mit dem Dienstrecht einhergeht, ist notwendig. Dieses muss unbedingt berücksichtigen, dass diejenigen Lehrer, die mehr leisten, auch mehr bezahlt bekommen müssen. Es gibt heute sehr viele frustrierte Lehrer, die we­sentlich mehr machen, die sich wirklich vorbereiten, während andere Kollegen seit 20 Jahren den gleichen Unterricht machen und sich keine einzige Stunde lang vorbe­reiten. Diese gibt es, und es sind nicht so wenige, wie man glauben möchte. Sie be­kommen aber das gleiche Gehalt. – Wieso kann man für eine Mehrleistung nicht auch mehr Geld bekommen?

Es wird weiters darüber nachzudenken sein, wie man Lehrer in einer Hierarchie aufrü­cken lässt, damit sie nicht nur entweder Lehrer oder Direktor sein können, denn dazwi­schen gibt es eigentlich nichts.

Es gehört auch darüber nachgedacht, wie man jene Lehrer an anderen Dienststellen beschäftigen kann, bei denen sich nachweislich gezeigt hat, dass sie für den Lehrberuf ungeeignet sind.

Auch das gehört zur Lehrerausbildung, denn nicht jeder, der Lehrer werden will, muss auch Lehrer werden können: Man muss wirklich schon vor Beginn des Studiums eine gewisse Selektion in Form von Tests vornehmen und sie dann möglichst rasch in die Praxis schicken, damit jene Studierenden, die feststellen, dass dies doch nicht der Idealberuf für sie ist, auch umsteigen können. Jetzt geschieht das für das AHS-Lehr­amt erst im vierten Semester, und zu diesem Zeitpunkt ist das halbe Studium schon vorbei, da wechselt niemand mehr.

Ich denke, es hätte auch im bestehenden Schulsystem wirklich genügend Möglichkei­ten gegeben, Änderungen zugunsten der Schüler herbeizuführen, damit wir auch wirk­lich von einer guten Bildung der Schüler sprechen können. Ich sage bewusst Bildung, denn ich meine damit nicht Ausbildung, wie das auch immer wieder als Wunsch heran­getragen wird. Bildung ist für mich etwas Allumfassendes, den ganzen Menschen Er­fassendes, auch mit musischen und kreativen Fächern, und nicht nur das Aneignen so einer Art Wissenslexikon.

Wir können uns für die Neue Mittelschule nach wie vor nicht erwärmen und daher na­türlich auch dieser Novelle nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Ertl.)

10.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


10.34.57

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Im Reigen der designierten, amtierenden und ehema­ligen Landesschulrats- beziehungsweise Stadtschulratspräsidenten darf ich mich als einfacher Hauptschullehrer aus Bad Aussee zu Wort melden. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Die Latte bei den Titeln liegt sehr hoch.

Halten wir grundsätzlich einmal fest, was die Fakten der heutigen Debatte sind. Es geht um die Änderung der sogenannten 10-Prozent-Regel, was das Schulorganisa­tionsgesetz, ausgelöst durch § 7a, betrifft. Es wird künftig möglich sein, in einzelnen Bundesländern über diese berühmte 10-Prozent-Marke zu gehen, wenn es in Summe


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gesehen im Bundesgebiet bei den 10 Prozent bleibt. Das heißt, das ist ein Mehr, das für die Neue Mittelschule möglich ist. Deshalb war ich auch verwundert, wieso sich Kol­lege Ebner dagegen ausgesprochen hat – bei all den guten Argumenten, die Sie dafür eingebracht haben. Das ist aber für Sie als Leiter einer Schule, die sehr erfolgreich mit der Neuen Mittelschule arbeitet, verständlich, aber darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Waren es im Schuljahr 2008/2009 67 Schulen in Österreich, die mit der Neuen Mittel­schule gestartet sind, so werden es im Jahr 2009/2010, also im kommenden Schuljahr, nochmals 139 Schulen sein, die dazukommen. Wir haben im Ausschuss in der Diskus­sion gehört, dass es im Schuljahr 2010/2011 noch Platz für zirka 85 Standorte gibt, be­vorzugt jene mit ganztägigen Formen beziehungsweise auch AHS-Standorte, und es – abgeschlossen – im Jahr 2011/2012 nochmals 50 Standorte sein werden. Im Vollaus­bau, wenn man davon sprechen darf, werden bundesweit rund 3 700 Klassen bei die­sem Schulversuch „Neue Mittelschule“ integriert beziehungsweise erprobt werden.

Wir haben auch schon von der Änderung des Schulorganisationsgesetzes gehört, und diese scheint mir auch wichtig zu sein, denn wenn man einen Versuch startet, dann muss man auch evaluieren, und – da bin ich bei meinem Chef landesweit, da bin ich bei dir, Herr Präsident Erlitz – dazu muss man festlegen, was man evaluieren kann. Ohne Regeln kann man nicht evaluieren. (Rufe bei der ÖVP in Richtung des Bundes­rates Mag. Erlitz.) – Formell ist er der Präsident, ich werde ihm aber heute auch noch widersprechen in der Argumentation, das muss zulässig sein. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir haben gehört, dass dieser Bericht im Drei-Jahres-Takt dem Nationalrat vorgelegt wird, und ich gehe davon aus, dass er auch der zweiten Kammer, nämlich dem Bun­desrat, vorgelegt werden wird.

Die wesentlichsten Ansprüche eines modernen Schulsystems müssen für mich persön­lich erhalten bleiben: Dazu gehören die Förderung und Forderung eines jeden Einzel­nen nach Neigung und Begabung – ein ganz, ganz wesentlicher Punkt –, die Wahlfrei­heit für Eltern und Schülerinnen und Schüler – welchen Schultyp auch immer sie sich aussuchen – und die Evaluierung neuer Schulversuche. Es muss aber klargelegt wer­den – und somit komme ich zu dem, was heute angesprochen wurde –, wie die Neue Mittelschule in der Praxis aussehen soll. Ich bin niemandem böse, auch nicht dem Kol­legen aus dem Ländle – der Edgar ist jetzt nicht da –, aber was in der Praxis unter Neuer Mittelschule läuft, sieht letzten Endes so aus, dass sich Standorte ein Mehr an Stundenkontingenten gesichert haben. Wir wissen, dass es heute noch Standorte gibt, wo in Leistungsgruppen unterrichtet wird. Wenn man einen neuen Weg geht, dann muss man sich auch dazu bekennen, bei den pädagogischen Inhalten, eben bei die­sem Teamteaching, anzusetzen, und da ist die Steiermark sicherlich federführend.

Also: Wenn es um die Neue Mittelschule gegangen ist, waren viele dabei, weil sie sich ein Mehr an Stunden versprochen haben; wenn es um die Inhalte gegangen ist, hat sich die Spreu vom Weizen auch schon getrennt.

Ich glaube trotzdem – das hat Kollegin Mühlwerth angesprochen, der ich auch bei­pflichten muss als einer, der seit rund 25 Jahren in einer „Landhauptschule“ unterrich­tet, dass hier sehr gute Arbeit geleistet wird, dass der sogenannte Output an die weiter­führenden Schulen und an die Berufswelt auch stimmt –, dass es diese Wahlfreiheit geben muss und nicht nur die ganztägigen Schulformen – da muss ich dir einfach wi­dersprechen, lieber Kollege Erlitz – das Allheilbringende sein werden.

Mir geht es auch darum, dass wir in der Sekundarstufe nicht nur von „Kindern“ spre­chen. Ich habe selbst zwei Töchter, die eine zweite und eine dritte Klasse besuchen, und ich sehe, mit welcher Freude – weil sie dort Möglichkeiten haben – sie auch ihre Freizeit am Nachmittag am Land verbringen. Diese Freiheit muss es auch in Zukunft


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geben. Es muss aber – da bin ich bei dir – für jene, die es brauchen und die es not­wendig haben, auch ein Angebot für eine gute Betreuung geben. Es muss also einfach diese Möglichkeit für beide Seiten geben.

Es ist doch bezeichnend, dass sich in der Diskussion drei – unter Anführungszeichen – „hohe“ oder im pädagogischen Beruf tätige Lehrer als Erstes zu Wort gemeldet haben. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir die Schule schon als Ganzes sehen, und es spielen dort Interessen – noch einmal! nicht nur der Schulpartner, der Eltern und der Kinder, sondern auch der gesamten Gesellschaft und der Wirtschaft eine Rolle, denn letztend­lich ist das ja auch etwas, was bezahlt werden muss.

Wir wissen – und das ist auch Tatsache –, dass ja die Ausgaben Österreichs für das Bildungssystem im europäischen oder im internationalen Vergleich in den letzten Jah­ren nicht unter dem Durchschnitt gelegen sind, sondern eher über dem Durchschnitt. Wir wissen, dass die Ausgaben auch gestiegen sind. Ich könnte das jetzt mit Zahlen belegen, die zeigen, dass letzten Endes die Ausgaben pro Schüler von 3 895 € im Jah­re 2001 auf 4 600 € im Jahr 2007 gestiegen sind.

Wir wissen aber, dass der sogenannte Output, das, was herauskommt, für viele nicht zufriedenstellend ist, obwohl wir mehr an Geld investieren. Das heißt, nicht nur die Diskussion, dass wir ein Mehr an Geld dafür brauchen – und wir bekommen ja auch 400 Millionen € mehr für den Bildungsbereich –, ist letzten Endes ausschlaggebend, sondern es muss auch zu Änderungen im inhaltlichen Teil kommen.

Ich bin sehr glücklich darüber, wie die Debatte hier und heute abgeführt wird – in einem Gremium, das dafür auch zuständig ist. Zur Debatte der letzten Wochen und Monate möchte ich nur festhalten: Da wurden alle beschädigt, und es haben auch alle andere geschädigt – beginnend von der Gewerkschaft bis – und ich sage es auch zu Ihnen, Frau Ministerin – zu den Schülervertretern, den Lehrervertretern und den Elternvertre­tern.

Wenn man eine so ernsthafte Debatte führen möchte, dann muss man sie fernab der Boulevardblätter führen, dann muss man sie mit Experten führen – und es gibt Exper­ten, nicht nur selbsternannte, sondern auch solche, die sich wirklich über das Bildungs­system in Österreich Gedanken machen –, dann muss man das entkrampft sehen, da­mit wirklich unterm Strich etwas herauskommt. Sonst wird es ein Verteidigen bekannter Positionen sein. Wer jetzt wo die Betonierer sind, das ist dann immer eine Frage des Standpunktes.

Mir geht es um eine ehrliche und offene Diskussion. Neues zuzulassen ist notwendig und muss möglich sein, es darf aber auch nicht so sein, dass alles, was bisher geleis­tet wurde, übersehen wird. – Ich betone noch einmal, dass zum überwiegenden Teil, zum allergrößten Teil von den Pädagoginnen und Pädagogen im Land sehr, sehr gute Arbeit geleistet wird, auch das soll einmal in den Vordergrund gestellt werden. Man muss aber auch möglichst viele mit an Bord nehmen – wenn wir heute schon vom be­rühmten Boot gesprochen haben –, wenn der Kurs entschieden wird.

Diese Debatte um das neue Dienst- und Besoldungsrecht, das ja bis 2010 abgeschlos­sen sein soll, lässt einiges zu. Ich weiß schon, es mag in diesen Zeiten opportun gewe­sen sein, die Lehrer ein bisschen an den Pranger zu stellen. Wir wissen – und das ist Tatsache –, dass es ein Berufsstand ist, der wesentlich überaltert ist. Bis 2015 werden rund 15 000 Lehrerinnen und Lehrer in Pension gehen, und in den nächsten 15 Jahren sind es 35 000. Über die Ausbildungsschiene kommen wesentlich weniger nach, das heißt, es wird irgendwann in der nächsten Zeit auch einen Lehrermangel geben, und da wird ein Mehr an Stunden einfach notwendig und aus der Sache gegeben sein.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 40

Lassen Sie mich das aus der Praxis sagen: Diese zwei Stunden, diese fünf Tage, was auch immer, das ist nicht das Problem des österreichischen Bildungssystems. Es geht um Inhalte, die wir neu festlegen sollten. Dazu sind wir auch bereit, dazu muss man sich  ich sage es noch einmal – ohne mediale Unterstützung mit aller Sachlichkeit und ernsthaft der Dinge annehmen. Die heutige Novelle ist ein kleiner Schritt in eine Richtung, in die wir gemeinsam gehen wollen. Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


10.44.47

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kollegin­nen! Herr Kollege Köberl, ich teile mit Ihnen Ihre Einschätzung, dass das heute eine sehr, sehr interessante Debatte ist. In einem Punkt – das möchte ich gleich einmal vor­wegnehmen – möchte ich allerdings etwas hinzufügen: Sie haben gesagt, wer wo die Betonierer sind, sei eine Frage des Standortes. Also ich denke, wo der Beton ange­mischt wird – wenige Zimmer weiter hier in diesem Haus –, das ist eindeutig und in den letzten acht Wochen mehr als deutlich zur Geltung gekommen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Bereich Schule berührt ja einen enormen Teil unserer Gesellschaft – nicht nur unsere Kinder, nicht nur die Eltern, sondern auch die Lehrer und Lehrerinnen oder die Großeltern, die ihre Enkel oft mitbetreuen, wäh­rend diese zur Schule gehen. Trotzdem – und das ist mir einfach nicht verständlich – ist es jener Bereich in Österreich, in dem eine Geschwindigkeit herrscht, die der einer Schnecke im Vergleich zu jener eines Geparden gleicht: Es bewegt sich und bewegt sich nichts.

Offensichtlich sind wir die Einzigen der Opposition, die heute zustimmen werden. Die unterschiedlichen Redebeiträge lassen aber alle den Schmerz erkennen: den Schmerz von Kollegen Köberl, den Schmerz von Kollegen Erlitz, den Schmerz, den auch Kol­lege Ebner genannt hat – und es tut sich nichts!

Okay, die Frau Ministerin hat bei ihrer Amtsübernahme eine Bildungspolitik, eine Schulpolitik vorgefunden, die nahezu zehn Jahre im Morast verschwunden und ver­sickert ist, und einen Karren aus einem Moor wieder herauszuziehen, ist wahrlich schwer. Die letzten acht Wochen haben nicht unbedingt gezeigt, dass der Karren aus dem Moor schon heraußen ist.

Die Kritik, die hier geäußert wurde, darf, so meine ich, an zwei Herrschaften nicht vor­übergehen, denn Folgendes muss ich schon sagen, Frau Bundesministerin: Ich hätte an Ihrer Stelle kein gutes Gefühl, so im Ministerrat zu sitzen und zu sagen, Kanzler und Vizekanzler haben mich eigentlich acht Wochen im Regen stehen gelassen, und zwar von jeder Seite: der Vizekanzler als Finanzminister, aber auch der Kanzler hat gesagt, da gibt es jemanden, der ein Ressort führt, und hat das eigentlich in der ersten Reihe fußfrei beobachtet. – So kann eine gemeinsame Anstrengung für unsere Kinder, aber auch für das gesamte Schul- und Bildungssystem nicht gelingen.

Ich bin jetzt angeregt vom Kollegen Köberl, der von Betonmischern gesprochen hat. (Bundesrat Köberl: Wiederholt! Es ist bereits zitiert worden!) Ja, ja, es ist okay, ich habe diesen Ausdruck früher auch schon einmal, auch aus Zorn heraus, verwendet.

Die Lehrer und Lehrerinnen leisten im Durchschnitt wirklich großartige Arbeit und schauen nicht auf ihre Uhr, aber das Problem sind nicht die Lehrer und Lehrerinnen, sondern es ist der Schaft, der so unbeweglich ist, wenn man dieses Wort verlängert:


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Die Lehrerschaft, ihre Vertretung, die zu den restaurativsten Kräften in dieser Republik zählt, sodass im Vergleich sogar die Kirche ein liberaler Verein ist – die katholische Kir­che meine ich in diesem Fall, denn die protestantische ist schon wesentlich liberaler. (Bundesrat Dr. Schnider: Welche Einsicht!) – Das sagt jetzt der ehemalige Religions­lehrer! (Bundesrat Dr. Schnider: Was heißt „ehemalige“?!) – Noch immer, Entschuldi­gung, nicht ehemalig.

Die restaurative Kraft dieser Lehrerschaft, wenn sie sozusagen als Interessenvertre­tung auftritt, ist etwas komplett anderes, als wenn ich heute in Schulen gehe und se­he – ich habe erst unlängst wieder an Schuldiskussionen teilgenommen –, was die Lehrer und Lehrerinnen in der Freizeit alles für die Schüler und Schülerinnen tun. Des­halb auch meine tiefe Hochachtung vor all diesen Lehrern und Lehrerinnen, die sich so viele Gedanken machen. Was der Kollege Erlitz heute bezüglich der zwei schulauto­nomen Tage gefordert hat, finde ich übrigens einen hervorragenden Vorschlag, aber Schulentwicklung findet so in einer Schule nicht statt.

Ich habe mir Gott sei Dank erlaubt, mit meinem Sohn ein bisschen einen anderen Weg zu gehen. Dort habe ich erlebt, wie die Lehrer und Lehrerinnen an der eigenen Pro­grammentwicklung zwei Wochen gearbeitet haben, nämlich bevor die Schule begon­nen hat – das war schon Mitte August –, weil sie diesen Anspruch hatten.

Bei meinem Sohn ist einmal ein Satz gefallen, den ich nur so by the way mitbekommen habe. Eine Lehrerin hat meinen Sohn mit 15 Jahren gefragt: Wie gehst du eigentlich mit der Schulangst um?, und mein Sohn – mit 15! – kannte dieses Wort nicht und sagte: Was hat Schule mit Angst zu tun?

Eigentlich sollte eine richtige Schule gar nichts mit Angst zu tun haben, sondern mit der individuellen Förderung aller kreativen Potentiale. Und da, Kollege Köberl, nutzt dieser Appell nach der Wahlfreiheit gar nichts. Die frühe Segmentierung von Kindern im Alter von 10 Jahren – Frau Kollegin Mühlwerth, das sagt man nicht nur in Finnland, sondern in ganz Europa – in diese und jene Richtung – mittlerweile haben wir ja schon ver­schiedenste Richtungen – ist der falsche Weg; und das sagen alle! (Beifall der Bundes­rätin Kerschbaum und bei der SPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Das sagen ganz konservative, das sagen ganz liberale Pädagoginnen und Pädagogen, das sagen solche aus dem katholischen Bereich und solche aus dem evangelischen Bereich. – Wo Sie hinkommen, die großen Pädagoginnen und Pädagogen sagen: Das ist Unfug, ihr verspielt damit die Chancen und die Zukunft der Kinder!

Es ist richtig – auch ich bin ein Kind einer ländlichen Hauptschule, weil es bei uns im Bezirk nichts anderes gegeben hat –, dass die ländlichen Hauptschulen super sind. Auch ein Willi Molterer ist Vizekanzler dieser Republik geworden und war ein Kind einer solchen Hauptschule. Und er ist Direktor  (Bundesrat Köberl: Nur eine Zwi­schenfrage: Ist das ein klares Bekenntnis zu keiner Wahlfreiheit für eine ganztägige Schulform? Das habe ich nämlich angesprochen!) – Es kann zu einer ganztägigen Schulform meiner Meinung nach durchaus Wahlmöglichkeiten geben (Beifall bei Bun­desräten der ÖVP), aber es geht darum, nicht die prinzipiellen Weichenstellungen des Schulsystems immer unter dem Aspekt der Wahlfreiheit zu behandeln.

Wir haben derzeit hervorragende Hauptschulen am Land, und jetzt, Frau Kollegin Mühlwerth – ja, es ist bedauerlich, und daran sind nicht die Ausländer schuld; wir kön­nen ihnen nicht immer und für alles die Schuld geben –, haben wir in den Ballungszen­tren Restschulen bekommen, in die wir die unterschiedlichsten Probleme ... (Bundes­rätin Mühlwerth: Aber es hängt damit zusammen!) – Nein, Frau Kollegin Mühlwerth! (Bundesrätin Mühlwerth: Auch wenn Sie es noch so oft sagen!) – Frau Kollegin Mühl­werth, jetzt möchte ich in aller oppositionellen Freundschaft einmal ein paar ganz offe­ne Worte sagen: Wenn wir feststellen, dass Kinder von Migranten, die hier geboren


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sind, die hier leben, sich in einer Überzahl in sogenannten Restschulen – sprich, Hauptschulen in Ballungszentren – oder in Sonderschulen befinden, dann sollte man nicht sagen, dass die Ausländer uns diese Schulen herunterwirtschaften, sondern fra­gen: Was macht denn unser Schulsystem falsch?

Warum ist es so, dass wir Facharbeiter gerufen haben, und aus den Kindern der Fach­arbeiter  (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind ja nicht nur Facharbeiter, die wir gerufen haben, das stimmt ja nicht!) Hören Sie mir einmal zu, Sie müssen mir nur einmal zu­hören! Sie können nachher immer wieder  (Bundesrätin Mühlwerth: Ich höre Ihnen zu!)

Aus den Kindern dieser Facharbeiter hat unser Schulsystem Hilfsarbeiter gemacht, und derzeit sind wir dabei, in der dritten Ebene aus den Kindern dieser Hilfsarbeiter – und das hat wieder etwas mit unserem Schulsystem zu tun – Arbeiter in prekären und pre­kärsten Arbeitsverhältnissen zu schaffen, denn es ist für diese Migrantenkinder kein Vorteil, hier in diesem Land geboren und eingeschult worden zu sein.

Aber wenn sie in einer Schule in Istanbul, Ankara oder Belgrad gewesen sind, dann haben sie einen Vorteil. Da muss ich mir doch als Staat überlegen, was da falsch läuft! Frau Kollegin Mühlwerth, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, Migran­ten leisten für das Bruttosozialprodukt und unsere Wirtschaft mehr, als sie herausneh­men. Deshalb ist es unsere verdammte Pflicht, uns ein Schulsystem zu überlegen, das die Muttersprache dieser Kinder fördert, und sie in ein Schulsystem zu bringen, in dem sie mithalten können. Dann sitzen sie in der Neuen Mittelschule, die tatsächlich einer der größten Reformschritte ist, auch wenn – die Kritik von Herrn Köberl in Richtung Vorarlberg teile ich – der Anlassfall ein bedauerlicher ist, denn da geht es ja tatsächlich nur um die quantitative Erweiterung.

Aber hier in der Länderkammer sage ich: Ja, es macht keinen Sinn, eine zehnprozen­tige Bundeslandbeschränkung zu haben; und hier, Herr Kollege Ebner, gehe ich davon aus: Der stete Tropfen höhlt den Stein! Das sage ich irgendwie schon ein bisschen mit dem Langmut eines jetzt 50-Jährigen ausgestattet, der weiß, dass es nicht von heute auf morgen geht. Ich bin ganz Ihrer Meinung, wir werden das bald neuerlich novellieren müssen, auch bundesweit.

Diese 10-Prozent-Marke ist ja nur unter schwierigsten Koalitionen erstritten worden, und da sind wiederum die Betonmischer und andere am Werk gewesen. Jetzt mer-
ken wir, was die raffinierten Vorarlberger machen. Die wissen: Wir sind zwar qualitativ nicht der Meinung, und pädagogisch wollen wir das auch nicht, aber nach der Me­thode: Schaffe, schaffe, Häusle baue!, können wir uns da gleich ein „Schülele“ bauen. Und so werden wir auch diese bundesweite 10-Prozent-Marke bald, oder eigentlich sehr bald, erreicht haben, und deshalb bin ich froh über diese Diskussion. (Beifall der Bundesrätin Grimling.)

Mir ist klar, warum der Kanzler und der Vizekanzler froh waren, dass die Frau Bundes­minister da im Regen gestanden ist und dass der Schleier über dieses Konjunkturpaket und seine tatsächliche Umsetzung gelegt wurde, wenn alleine die BIG sagt, dass sie 800 Millionen € aus dem Konjunkturpaket gar nicht umsetzen kann. Das wurde irgend­wo hineingepackt und wird dann zur Budgetbehübschung wieder hinzugezogen wer­den.

Die Frau Bundesministerin hätte von diesem Geld nur einen Teil gebraucht. Jetzt hat es ein Mascherl und wurde eingepackt, und zum Schluss sagt der Finanzminister: Mein Budget ist besser, als ich mir erwartet habe. Gleichzeitig sagt man den Leuten aber, dass man ihre Häuser renovieren wird, und, und, und.


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Frau Bundesministerin, Sie werden das jetzt nicht zugeben können, aber Sie haben für Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung in diesen acht Wochen schon eine Funktion erfüllt, indem die Debatte auf die Schulpolitik konzentriert und von man­chen anderen Dingen abgelenkt wurde.

Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, diese Novellierung nun in dieser Form zu machen. Und ich hoffe, dass solche Diskussionen wie heute dieser Schnecke ein bisschen Salz unter den Fuß streuen, dass wir da ein bisschen weiterkommen. Ich freue mich jetzt schon auf die Rede des Kollegen aus der Steiermark, der sicherlich einiges aufgreifen wird und einen noch größeren Wurf machen könnte. Danke schön. (Beifall der Bun­desrätin Kerschbaum, bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP sowie des Bundes­rates Mag. Ebner.)

10.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


10.59.00

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Im Herbst 2007 hätte ich nicht erwartet, dass wir heute die Novelle über die Ausweitung der Modellversuche Neue Mittelschule besprechen. Es wurde von Herrn Bundesrat Schennach ja schon ange­sprochen: Dieses Projekt war nicht ganz so leicht in die Welt zu bringen, wenn ich das so formulieren darf. In diesem Sinne bin ich sehr froh, dass ich Ihnen berichten darf, dass wir im September 2009 an 244 Standorten in ganz Österreich 808 Klassen haben werden; nach letzter Berechnung werden es also etwa 20 000 Kinder sein, die in die Neue Mittelschule gehen.

Ganz zentral und wichtig ist, dass sowohl die Kinder als auch die Eltern, aber auch die Lehrer mit dieser Neuen Mittelschule zufrieden sind. Das muss eigentlich das Ziel sein, denn ich glaube, so wie ich persönlich jetzt Bildungspolitik erlebe, wir brauchen hier auch die Kraft der Gesellschaft, wir brauchen hier auch den Zuspruch der Eltern. Und wenn es jetzt einzelne Standorte gibt – und ich darf hier das Burgenland als Beispiel nehmen, Mattersburg –, wo die Eltern ihre Kinder, wie mir berichtet wird, jetzt schon viel lieber in der Neuen Mittelschule anmelden als in der AHS, die ein paar Gassen weiter weg ist, dann zeigt das, dass die Eltern das sehr wohl annehmen, wenn Schule ein Stück besser gelingt.

So, glaube ich, ist es bei dem Projekt Neue Mittelschule ja nicht nur eine spätere Frage dann auch der Entscheidung, wie wir die Sekundarstufe 1 anlegen, sondern es ist ein österreichweiter Entwicklungsprozess im Bereich der Schulentwicklung. Es sind nicht einzelne, isoliert ablaufende Schulversuche, sondern diese Standorte sind vernetzt. Sie werden begleitet von Professor Schratz und Professor Schley in dem Netzwerk innova­tiver Schulen. Es gibt eine hervorragende Kooperation mit der Pädagogischen Hoch­schule in Klagenfurt, Vorreiter auf dem Gebiet der Schulentwicklung und auch der kom­petenzmäßigen Begleitung der Schulstandorte, sodass ich mir hier eine entsprechende Welle und auch einen entsprechenden Zuspruch für die Zukunft erwarte.

Klar ist aber – und insofern glaube ich nicht, dass wir allzu rasch eine weitere Novelle zustande bringen werden –, dass diese Modellversuche jetzt einmal befristet ablaufen. Es gibt einen Rechtsanspruch für die Eltern. Wir werden im Herbst 2012 die ersten Er­gebnisse vorliegen haben, wenn der erste Jahrgang abgeschlossen ist, wenn die erste Evaluierung vorliegt, und dann werden wir wissen: Schaffen es mehr Kinder zu einer höheren Bildung?, und wir werden auch wissen, wie die Zufriedenheit, das Schulklima und die Entwicklung am Schulstandort sind. Über die Bildungsstandards werden wir die erreichten Kompetenzen abbilden und mit anderen Standorten vergleichen können.


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Dann – aber da spreche ich schon für eine nächste Bundesregierung – wird es wohl eine Grundsatzentscheidung brauchen, denn ich glaube nicht, dass wir, bei allem Be­kenntnis zur Vielfalt, in der Sekundarstufe 1 in drei verschiedenen Variationen fahren werden. (Bundesrat Schennach: Bis zu vier!) Hier braucht es eine Grundsatzentschei­dung.

In einem Punkt möchte ich das ein bisschen differenzierter sehen, nämlich was die Frage der ganztägigen Angebote angeht. Ich glaube, das sollte man jetzt nicht immer mischen: gemeinsame Schule, ganztägige Schule. Auch hier scheint es mir sinnvoll, auch eine Angebotsvariante vorzuschlagen, also die ganztägige Form für die Eltern, die diese in Anspruch nehmen wollen. Das muss es dann aber auch tatsächlich geben. Wie ich jetzt von sehr, sehr vielen Eltern höre, kommt an vielen Standorten die Nach­mittagsbetreuung nicht zustande, und da müssen wir eben entsprechende Maßnah­men setzen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Vernetzung, dass also die Lehrer und Lehre­rinnen hier auch miteinander arbeiten. Ich freue mich sehr – und ich habe ja auch mit Bedauern beobachtet, wie sehr auch mein Verhältnis zu den Lehrern und Lehrerinnen in Mitleidenschaft gezogen wurde –, dass hier – wir hatten letzte Woche das Koordina­torentreffen Neue Mittelschule – mit Engagement, mit Ehrgeiz weitergearbeitet wird.

Ich hatte diese Woche auch schon ein Treffen mit sehr, sehr vielen Lehrern im Rah­men des „Teacher’s Award“ im Rahmen der Industriellenvereinigung. Ich bin zuver­sichtlich, dass nach diesem Konflikt – und es war ein Konflikt zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer, und ich glaube, das muss man immer wieder unterstreichen; diese acht Wochen waren eine Auseinandersetzung zwischen Dienstgeber und Dienstneh­mer, diese acht Wochen waren kein intellektueller Diskurs über die bildungspolitische Zukunft unseres Landes; das wäre auch nicht machbar gewesen in diesem Setting; das klar herauszustreichen ist mir ganz wichtig – in positiver Weise weitergearbeitet wird.

Was sind die drei großen Themen der Zukunft oder Themen, die ich für unmittelbar vordringlich als nächste Schritte erachte? – Es wurden einige schon angesprochen, aber ganz klar sind es die Themen neues Dienst- und Besoldungsrecht, attrakti­vere Einstiegsgehälter, flexiblerer Lehrereinsatz.

Ich glaube, wir sollten hier auch viel mehr die Entscheidung, wie viel unterrichtet wird, wie viel in der Schulentwicklung geleistet wird, wie viel in der Nachmittagsbetreuung, wie viel für Förderunterricht, wie viel für Individualisierung, wie viel für Team-Teaching, an die einzelnen Schulstandorte übertragen. Das muss ein Schulleiter, der, so denke ich, in Zukunft auch entsprechende Personalverantwortung haben sollte, entscheiden können. Hier brauchen wir den Standort, und hier brauchen wir auch die Initiative am Standort.

Die ersten Gesprächsrunden zu diesem Thema lassen mich erahnen, dass auch das wieder ein sehr schwieriges Unterfangen wird – nicht nur, was die Lehrergewerkschaft betrifft, sondern auch – und ich sage das bewusst hier im Bundesrat –, was die Interes­sen einzelner Länder betrifft. Denn ich höre hier – und ich darf Niederösterreich zitie­ren –, da gibt es Vorstellungen wie jene, dass jedes Bundesland sein eigenes Lehrer­dienstrecht ausarbeitet. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) Da kann ich in Zeiten der Globalisierung nur sagen: Das kann es ja wohl nicht sein! Das muss österreich­weit einheitlich sein, hier muss es Mobilität geben. Das ist ganz entscheidend.

Zweiter wichtiger Punkt: die gemeinsame Ausbildung. Auch das ist ein zentrales The­ma. Ich bin voll bei Ihnen: natürlich auch der Bereich der KindergartenpädagogInnen. Dieser Bereich muss hier auch mit angesprochen sein. Ich bin gespannt, inwieweit es uns tatsächlich gelingt, zu einer gemeinsamen Ausbildung zu kommen, denn ich


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glaube, Ihnen allen, die sich mit Bildungspolitik beschäftigen, ist das Standesdenken so mancher AHS-Lehrer und -Lehrerinnen bewusst, die sehr wohl hier auf Differenzierung pochen. Also, ich bin gespannt. Das Ziel ist klar; die Umsetzung, denke ich, wird etwas schwierig.

Der dritte und entscheidende Punkt ist für mich die Verantwortung am Schulstandort – ich habe es schon kurz angesprochen. Das beginnt bei der Qualifikation der Schullei­ter. Und ich formuliere das jetzt auch hier einmal ganz salopp: Der längst dienende Lehrer, die längst dienende Lehrerin, das engagierteste Gewerkschaftsmitglied und die Frage des Parteibuches sollten nicht die Qualifikationskriterien sein – keine Ausschlie­ßungsgründe, aber nicht die Qualifikationskriterien! (Allgemeiner Beifall.)

Wenn wir uns – und die Weichenstellung haben wir mit den Bildungsstandards vorge­nommen – zu einer Qualität der öffentlichen Schulen bekennen, und das müssen wir, denke ich, wenn wir hier einen starken öffentlichen Sektor haben wollen, wenn wir also diese Qualität am Schulstandort sichern wollen – Bildungsstandards, Feedback-Gespräche –, dann braucht der Schulleiter Personalverantwortung. Es kann ja nicht sein, dass ein Schulleiter sich sein Lehrerteam nicht aussuchen kann. Und es kann ja auch nicht so sein, wie ich das immer wieder aus der Praxis höre – weil das Thema Schulentwicklung angesprochen wurde –: Die schulautonomen Tage sind ja auch heute nicht Urlaubstage für die Lehrerinnen und Lehrer, aber ich höre von Direktoren, dass, wenn sie zum Beispiel zu einer Sitzung einladen, kein Lehrer, keine Lehrerin kommt.

Wenn man hier nicht auch – und ich sage das ganz bewusst – Mittel der Disziplin, der Verantwortung, der Leitung hat, dann kann es nicht gelingen. Im unternehmerischen Bereich führt das früher oder später zur Insolvenz; im öffentlichen Bereich führt das – ich bedauere, das so sagen zu müssen – zu Verwahrlosungszuständen. Und das wi­derspricht klar den Qualitätsanforderungen, die wir an Schule stellen müssen – im Interesse der Kinder. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Ein weiterer Punkt – ich habe ihn schon angesprochen; er hängt auch mit Leitung zu­sammen, Leitung, Verantwortung – ist die Frage der Flexibilität hinsichtlich Ressour­ceneinsatz, aber auch hinsichtlich Budget. Hier müssen wir den Schulen Verantwor­tung und entsprechende Spielräume geben. Das heißt ja nicht, dass es an jeder Schu­le eine Personalabteilung geben muss oder an jeder Schule eine Bauabteilung geben muss – dafür gibt es ja Landesschulräte, später vielleicht einmal Bildungsdirektionen, wo Kompetenzen gebündelt sind –, aber die Verantwortung, die Leitung muss klarge­legt werden.

Ich glaube auch, dass es sinnvoll ist – ähnlich wie wir das im Leitungsbereich im öffent­lichen Dienst ja schon machen –, dass Schulleiter einmal auf fünf Jahre bestellt wer­den, dass man sich natürlich wieder bewerben kann, aber dass Leitungsfunktionen eben auf Zeit vergeben werden. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Vierter Punkt: Thema Verwaltungsreform. – Es gibt ein gutes Grundlagenpapier, vom Präsidenten des Rechnungshofes, von Wirtschaftsforschern ausgearbeitet. Wenn ich ganz ehrlich bin: Den großen Wurf erwarte ich hier nicht. Ich glaube, es gibt natürlich viele sachlogische Argumente, es gibt schon viele fertige Konzepte, wie Schulmanage­ment, Schulverwaltung ideal ausschauen kann. Wir sollten hier – und wir werden es spüren, denke ich, im Verlauf der Diskussion – nicht unterschätzen, wie hier auch machtpolitisch gedacht und letztlich entschieden wird. Das heißt – ganz offen gespro­chen –, von der Verfassungs- und Verwaltungsreform erwarte ich mir in nächster Zeit nicht die großen Reformschritte.


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Was ist daher mein Zugang? – Ich halte es hier ein bisschen mit dem von mir sehr geschätzten Claus Otto Scharmer, der jetzt im Übrigen ein Buch publiziert hat, das sich sehr stark auch mit der zentralen Frage: Wie kommt das Neue ins System?, also mit Innovationsprozessen auseinandersetzt. Da, denke ich, wird mein Weg in der abseh­baren Zukunft sein, im Sinne des Prototyping diejenigen massiv zu unterstützen, die sich auf den Weg machen, den Schulstandorten, die sich engagieren, Kraft, Energie und auch Zuspruch zu geben in dem Sinn, dass es mehr werden und dass letztlich auch erkannt wird, dass Bildungspolitik natürlich mit Standesinteressen zu tun hat, aber dass Bildungspolitik in erster Linie Gesellschaftspolitik ist und natürlich auch – wir leben in einer Wettbewerbsgesellschaft – sehr viel mit Wirtschaftspolitik zu tun hat.

Ich möchte mich hier herzlich bedanken. Ich verfolge hier immer sehr, sehr anregende Diskussionen und Debatten und höre auch sehr, sehr viele Beiträge, die mich unter­stützen. Und dafür sage ich einfach danke, denn das braucht eine Ministerin auch zwi­schendurch. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Frakti­onszugehörigkeit.)

11.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grim­ling. – Bitte.

 


11.12.52

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Seit September 2008 wird mit der Neuen Mittelschule eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen als mögliche Alternative zu den Hauptschulen und den Unterstufen der AHS entwickelt und erprobt. Wie wir schon gehört haben: Mit dem Schuljahr 2009/2010 wird diese neue Schulform bereits an über 244 Standorten bundesweit angeboten. Bis zum Schuljahr 2011/2012 können weitere Schulen in die Entwicklungsarbeit zur Neuen Mittelschule einsteigen.

Die anfängliche bildungspolitische Vision ist somit als Erfolgsmodell zur Realität gewor­den. Die gesetzliche Verankerung der Modellversuche im Schulorganisationsgesetz garantiert, dass Schülerinnen und Schüler ihre einmal begonnene Schullaufbahn auch beenden können.

Wegen des großen Interesses der Schulen, der Lehrpersonen, der Eltern und der Schüler befassen wir uns heute auch mit der Novellierung des § 7a dieses Gesetzes, der den Umfang dieses Modellversuches zur Neuen Mittelschule regelt. Die bisherige Obergrenze soll dahin gehend flexibilisiert werden, dass das 10 Prozent-Limit für den Bereich des gesamten Bundesgebietes und nicht für einzelne Bundesländer gilt. Die Praxis hat ergeben, dass das Burgenland und Vorarlberg – es wird immer nur von Vorarlberg gesprochen, das gilt aber auch für das Burgendland – wegen der großen Teilnahme bereits an das bisherige Limit gelangt sind.

Des Weiteren soll das durch das BIFIE-Gesetz 2008 gegründete Bundesinstitut für Bil­dungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens mit der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuches betraut werden.

Die pädagogische und organisatorische Neugestaltung des gemeinsamen Lernens der 10- bis 14-Jährigen ist das grundsätzliche Ziel der Entwicklung und Umsetzung der Neuen Mittelschule. Zentrale Eckpfeiler dieser Entwicklungsarbeit sind die Vermeidung einer zu frühen Trennung der Kinder mit neuneinhalb Jahren – zehn Jahre kann nicht stimmen, denn mit zehn Jahren muss ich schon eine Entscheidung getroffen haben; also für mich sind das neuneinhalb Jahre – und damit verbunden die Förderung aller Kinder, unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen und sprachlichen Herkunft oder der Ausgangslage ihres individuellen Leistungsstandes am Ende der vierten Schulstufe.


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Die Verlagerung der Entscheidung über weitere Bildungskarrieren von Jugendlichen an das Ende der Sekundarstufe 1, in Niederösterreich an das Ende der sechsten Schul­stufe, ermöglicht auch eine verbesserte Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem För­derbedarf gleichermaßen.

Qualität und Leistung können durch eine neue Lernkultur verwirklicht werden. Indivi­dualisierung und innere Differenzierung gewährleisten, dass alle Schülerinnen und Schüler in den Modellversuchen Neue Mittelschule in ihren Begabungen und Talenten bestmöglich gefördert und gefordert werden.

Die wesentlichen Säulen einer neuen Lernkultur, in deren Zentrum das einzelne Kind mit seinen individuellen Möglichkeiten steht, sind untrennbar verbunden mit einer neu­en Qualität des Lernens in offenen Lernformen, mit selbständigem, forschendem Ler­nen, Lernen in und an Projekten sowie Kompetenzlernen und einer verstärkten Ver­mittlung von Schlüsselkompetenzen, denen eine besondere Bedeutung zukommt, wie Eigenständigkeit, Verantwortung, Kreativität, Flexibilität, Kommunikations-, Konflikt- und Teamfähigkeit.

Durch gezielte Maßnahmen in den Bereichen Kunst- und Kulturvermittlung, E-Learning und Sport soll eine verstärkte Öffnung der Schulen nach außen unterstützt werden.

Weitere pädagogische Konzepte und Schwerpunkte sind die Förderung von Mädchen und Burschen ohne geschlechtsspezifische Einschränkungen und Zuschreibungen, so­ziales Lernen als Grundlage für die aktive und selbstbestimmte Teilnahme am de­mokratischen Leben, intensivierte Berufs- und Schullaufbahnorientierung sowie eine Fortsetzung der schulischen Förderung am Nachmittag durch vermehrte Angebote von Ganztagsformen.

Grundlage des Unterrichts in den Modellversuchen Neue Mittelschule ist der Lehrplan der AHS-Unterstufe unter Einbeziehung der vorhandenen Bildungsstandards. Lehrper­sonen mit Lehramtszeugnissen der Hauptschule und Lehrerinnen und Lehrer mit Lehr­berechtigungen für allgemein- oder berufsbildende höhere Schulen unterrichten ge­meinsam in Teams. Der erfolgreiche Abschluss der Neuen Mittelschule berechtigt die Schülerinnen und Schüler zum Besuch einer mittleren oder allgemein- beziehungswei­se berufsbildenden höheren Schule und eröffnet ihnen damit das gesamte Spektrum der weiteren Bildungsmöglichkeiten.

Um den Leistungscharakter der Modellversuche Neue Mittelschule zu dokumentieren, wird die Entwicklungsarbeit in den Modellversuchen vom Bundesinstitut für Bildungs­forschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens, kurz genannt BIFIE, wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Die prozessbegleitende Evaluierung wird beginnend ab dem Jahresende 2009 jährlich Zwischenberichte und Ergebnisse präsentieren, die dann in späterer Folge eine fakten­basierte bildungspolitische Entscheidung hinsichtlich einer Übernahme in das Regel­schulwesen ermöglichen.

Ich meine daher, der Bundesrat möge dieser vorliegenden Novellierung seine Zustim­mung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


11.21.04

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zu Beginn ein Outing oder


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eine Selbstbeschreibung. Es spricht zu Ihnen jetzt keine Lehrerin, auch keine Lehrer­vertreterin, auch keine Mutter und somit auch keine Elternvertreterin. Ich gebe zu – das ist jetzt das Outing –, ich bin ein Lehrerkind, auch ein Direktorenkind (Heiterkeit) und umso mehr, glauben Sie es mir, gestählt und von Herzen Vertreterin der Anliegen jun­ger Menschen, der Schülerinnen und Schüler in dieser Diskussion. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Da gehen ja unsere Herzen auf!) – Ja? Ich bin gespannt.

Dem vorliegenden Antrag werde ich gemeinsam mit meiner Fraktion zustimmen, denn wenn es vor Ort, in den einzelnen Schulen, den einzelnen Bundesländern Wünsche gibt, wie hier eben den vermehrten Wunsch, die Modelle der Neuen Mittelschule umzu­setzen und daran teilzunehmen, dann gehe ich davon aus, dass vor Ort die Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen und partnerschaftlich entschieden haben, dass das gescheit ist, und dass man vor Ort am besten weiß, was notwendig ist. Und dann sollten wir, glaube ich, hier auch nicht verhindern, dass diese Flexibilität möglich wird. Also wir stimmen und ich stimme heute zu und lade auch alle anderen dazu ein.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle aber auch ein paar grundsätzliche Gedanken zur Bil­dungspolitik, die gerade zu diesem Thema, zum heutigen Beschluss und gerade auch in diese Zeit passen.

Der Versuch Neue Mittelschule kostet ja Geld, das haben wir heute schon mehrmals gehört. Und ich sage im Interesse der Schülerinnen und Schüler ja zu Investitionen im Bildungsbereich, aber ich glaube, wir müssen nicht nur Geld investieren, sondern vor allem auch Hirn und Engagement. Was meine ich damit? Worin genau sollten wir Hirn investieren und warum?

Junge Menschen, Schülerinnen und Schüler – ich glaube, wir erleben das alle – sind frustriert, und ich sage, sie sind verständlicherweise frustriert, frustriert darüber, dass in der Bildungspolitik, zumindest hörbar und sichtbar, hauptsächlich diskutiert wird über Standorte, über Bauvorhaben, über Personalpolitik, über Schulbezeichnungen, wohlge­merkt: in dem Fall nur über die Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen, und über das Budget. Darüber wird geredet. Das sind zweifellos alles wichtige Fragen, aber es ent­steht dabei für mich und für viele Schülerinnen und Schüler doch ein bisschen der Ein­druck, als würde da der fünfte Schritt vor dem ersten diskutiert – nicht nur diskutiert, sondern in vielen Fällen auch gemacht. Das erscheint doch nicht sinnvoll, und das Ergebnis wird aus meiner Sicht dadurch auch nicht besser.

Jetzt sage ich, was aus meiner Sicht der erste Schritt wäre. Ich meine, wir müssen dar­über reden, was sich die Schülerinnen und Schüler, die Menschen, die jetzt verunsi­chert sind über den Wert ihrer Bildung im Berufsleben, von der Schule, von der Bildung erwarten können. Wir müssen darüber reden, was Schule leisten muss.

Ich meine auch, dass Schule auf das Leben vorbereiten muss, beruflich wie privat. Um Einwänden da gleich vorzubeugen: Ich meine nicht, dass Schule erziehen soll. Schule soll auf das Leben vorbereiten. Und ich meine auch, wenn wir über die Aufgabe der Schule reden, darüber, was in der Schule passieren soll, dann sollten wir nicht über Lehrplanentrümpelung reden. Das ist auch ein Wort, das uns schon seit, ich glaube, Jahrzehnten begleitet. So lange kann ich aufgrund meines Alters nicht zurückschauen, aber ich lese das nach.

Es geht nicht um Lehrplanentrümpelung. Aus meiner Sicht geht es darum, Tabula rasa zu machen, nicht vom Bestehenden auszugehen, was man daran vielleicht noch dre­hen kann, sondern von dem, was sein soll. Darum ist grundsätzlich zu überlegen, was dazu gehört, wenn Schule auf das Leben vorbereiten soll. Das heißt vielleicht heute nicht, dass man ein Integral berechnen kann, was auch immer das ist, sondern dass man sich in Wikipedia zurechtfindet. (Bundesrätin Mühlwerth: Es schadet aber auch nicht, wenn man es kann!)


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 49

Das heißt vielleicht aber auch nicht, dass man Käfer klassifizieren kann oder das Peri­odensystem der Elemente auswendig kann, das man im Übrigen ohnehin überall nach­lesen kann, sondern dass man sich mit bewusster Ernährung auseinandersetzen kann. Wir werden heute dazu unter anderem noch einen Antrag hören.

Und das heißt vielleicht heute nicht, dass man – ich habe das gelernt – einen Jambus von einem Trochäus unterscheiden kann, sondern das heißt, dass man eine aussage­kräftige Bewerbung nicht nur schreiben kann, sondern vor Ort im Gespräch auch be­stehen kann.

An die Lehrerinnen und Lehrer unter uns und alle, die das gelernt haben: Bitte, neh­men Sie diese Vorschläge nicht persönlich, aber ich denke, wir müssen zuerst überle­gen, was die Schule leisten muss, und dann vielleicht, was sie sonst auch noch könnte. Denn erst, wenn wir überlegt haben, was Schule leisten muss, was gelehrt werden soll, was wirklich auf das Leben vorbereitet, erst dann stellt sich für mich die Frage: Welche Fächer soll es geben, welche Lehrpläne sollen diese Fächer konkret haben? In wel­chen Schultypen soll es welche Fächer geben? Mit welchen Methoden wird unterrich­tet, welche Lehrer brauchen wir dafür, und wie müssen wir die ausbilden? Und in wel­chem System findet das statt? – Das ist aus meiner Sicht die richtige Reihenfolge.

So viele Einzelmaßnahmen sind in der letzten Zeit besprochen worden, Maßnahmen wie die Zentralmatura, der Schulversuch Neue Mittelschule oder die Bildungsstan­dards. Ich glaube, man kann da nicht sagen, ob die grundsätzlich gut oder schlecht sind. Diesen Maßstab, ob man diese Maßnahmen für richtig hält, gibt ein gemeinsa­mes Ziel ab: Was wollen wir erreichen? Was soll die Schule leisten?

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Schulpartner, auf jeden Fall die Schülerinnen und Schüler, bei jeder Reform umso eher an Bord sind, wenn so ein gemeinsam erar­beitetes Ziel vorhanden ist. Und ich bin auch überzeugt davon – und ich habe in den letzten Tagen und Wochen sehr viele Gespräche geführt –: Will man die Schülerinnen und Schüler an Bord haben, dann kann es nicht um ideologisch motivierte Ziele gehen, ganz egal, woher die auch kommen, sondern da muss es um eine pragmatische Ant­wort und pragmatische Lösung gehen für unsere pragmatische Generation, darum eben, was Schule leisten muss, damit junge Menschen ihr Leben erfolgreich meistern können, beruflich wie privat.

Wir müssen also in Bildung investieren, und zwar Hirn, Engagement und Geld. Das Geld-Investieren kommt aus meiner Sicht zum Schluss, dann, wenn man weiß, wo es gut aufgehoben ist, und das Hirn-Investieren – darüber habe ich auch gesprochen – richtet sich darauf, worüber wir nachdenken sollen.

Ich glaube, wir brauchen aber auch viel Engagement, und das Engagement betrifft alle Stakeholder im Bildungssystem. Das sind nicht nur die Schulpartner und das ist nicht nur die Wirtschaft, sondern das ist die gesamte Gesellschaft, und wir als Politikerinnen und Politiker, als Gestalterinnen und Gestalter sind da besonders gefordert.

Engagement bedeutet in der Bildungspolitik vor allem ein Sich-Einlassen auf eine grundsätzliche Diskussion. Das bedeutet ein offenes Zugehen auf alle Beteiligten, auf wirklich alle, das möchte ich betonen – nicht nur auf die Erwachsenen, die vielleicht leichter erreichbar sind oder sich leichter Gehör verschaffen können –; ein Zugehen auf alle Schulpartner, nicht nur auf Ebene der einzelnen Schulen – da wird das sehr oft be­trieben und ist sehr einfach –, sondern auch auf der Ebene der Bundesvertretungen, der Dachverbände.

Heute ist schon öfters angesprochen worden, dass die Konflikte in der letzten Zeit das Zugehen und das offene Diskutieren nicht unbedingt leichter gemacht haben. Das weiß ich. Was aber auch nicht passieren darf, und das weiß ich auch, ist, dass mit dem Bud-


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getbeschluss im Nationalrat die sogenannte Bildungsdebatte vorläufig wieder beendet wird.

Ich meine, Frau Bundesminister und liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bildungsde­batte fängt jetzt erst richtig an. Und ich appelliere an alle Beteiligten – an Einzelne in unterschiedlichem Ausmaß, jeder und jede fühlt sich da sicher entsprechend angespro­chen –, jetzt nicht die Köpfe in den Sand zu stecken oder nicht mehr aus den Schmoll­winkeln herauszukommen und die eine oder andere scheinbar unverrückbare Position noch einmal zu überdenken – im Sinne dessen, was wir alle wollen: eine Bildung, eine Schule, die junge Menschen in Österreich wirklich auf das Leben vorbereitet.

Bis dahin hoffen wir und hoffe ich, dass unter anderem mit dem heutigen Beschluss dank mehr Geld, neuer Methoden und vor allem viel Engagements vor Ort Schülerin­nen und Schülern eine gute, eine bestmögliche Ausbildung ermöglicht wird. – Herzli­chen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 


11.29.12

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Würde ich mich jetzt persönlich outen, wäre ich zum einen zu spät dran, zum anderen habe ich es be­reits getan. Ich bin der Meinung, dass Schule mit vielen Aspekten zu tun hat, was die Gesellschaft betrifft, geht es doch darum, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern sehr wohl auch entsprechende Werte zu vermitteln. Klarerweise darf man die Schülerinnen und Schüler dabei nicht außer Acht lassen, sie stehen im Mittelpunkt des Geschehens.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns heute mit der Novellierung des Schulorganisa­tionsgesetzes – wir haben es vorhin schon vom Kollegen Ebner gehört –, mit dem § 7a beschäftigen. Im Vergleich zu den bildungspolitischen Auseinandersetzungen und Dis­kussionen der letzten Wochen und Monate ist der Anlass dazu ein erfreulicherer.

Ich möchte auch die letzte Enquete des Bundesrates vom 20. April dieses Jahres kurz ansprechen – sie wurde von unserem Herrn Präsidenten einberufen –, bei der es um die Sozialpartnerschaft im 21. Jahrhundert ging. Ich möchte für die zukünftigen bil­dungspolitischen Diskussionen, Auseinandersetzungen, wie Sie bereits gesagt haben, Frau Minister, zwischen Dienstgeber und Dienstnehmern den Wunsch äußern, dass diese auf entsprechender sozialpartnerschaftlicher Ebene geführt werden, sodass das gemeinsame Ziel, für unsere Bildungspolitik Positives zu bewirken, auch entsprechend Früchte trägt.

Der Modellversuch der Neuen Mittelschule schafft meiner Meinung nach ein erweiter­tes, breites Angebot – vor allem für die 10- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schüler – und durchbricht endlich den bildungspolitischen Stillstand der Jahre 2000 bis 2006, den ich natürlich auch persönlich erfahren habe. Was gibt es daher Schöneres, als dass die Nachfrage nach der Neuen Mittelschule bei allen Beteiligten im Sinne des pädagogi­schen Dreiecks Eltern, Lehrer und Schüler so groß ist, dass die 10-Prozent-Klausel der Beschränkung in manchen Bundesländern ein Hemmnis für die Ausweitung dieses Schulversuches der Neuen Mittelschule darstellt!? Es wurde bereits angesprochen, in Vorarlberg und natürlich im Burgenland liegen wir jetzt schon um einiges darüber.

Durch die Novellierung des Schulorganisationsgesetzes wird eine Ausweitung des Schulversuches auf über 10 Prozent pro Bundesland ermöglicht, unter der Berücksich­tigung, dass die 10-Prozent-Klausel bundesweit bestehen bleibt. Ich muss sagen, dass das einen Wermutstropfen für mich, aber auch für das Burgenland darstellt und wir doch der Hoffnung Ausdruck verleihen wollen, dass in Zukunft bundesweit bei größerer


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Nachfrage nach der Neuen Mittelschule noch eine Ausweitung möglich ist. Sie haben es bereits angesprochen. Ich hoffe, dass in nächster Zeit vielleicht die Diskussion auch in diese Richtung wieder gestartet werden kann.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt, was die Novellierung des bestehenden Gesetzes betrifft, ist die verpflichtende begleitende Evaluierung des Modellversuchs der Neuen Mittelschule durch das BIFIE. Das ist meiner Meinung nach ein entscheidender, we­sentlicher Punkt. Daher bin ich auch überzeugt davon, dass wir bundesweit einheitliche Standards benötigen, die in periodischen Abständen evaluiert werden müssen, nicht nur vor Ort an den einzelnen Schulstandorten, in den einzelnen Bundesländern, über die Bezirks- beziehungsweise Landesschulräte, sondern eben auch über das bifie, und die entsprechende Rückmeldung, das richtige Feedback bis zu den Lehrerteams an den Schulen gelangen muss, damit weiterhin eine Qualitätsverbesserung an den Schulen stattfindet.

Was bietet nun die Neue Mittelschule? – Ich bin nicht der Meinung von Frau Kollegin Mühlwerth, dass es hier nur einen Austausch von Türschildern gibt, sondern das schaut ganz anders aus, wenn man sich etwas vertiefend mit den Inhalten auseinan­dersetzt.

Teamteaching – nicht nur ein Schlagwort, sondern das wird in der Neuen Mittelschule in der Praxis umgesetzt und erprobt. Hier gibt es auch sehr positive Feedbacks seitens der Kollegenschaft, aber auch seitens der Schüler – das sind ja die Ersten, die in den positiven Genuss des Teamteachings kommen – und auch der Eltern.

Verstärkte individuelle Förderung der Schüler wurde bereits angesprochen, das ist ein weiterer zentraler, wesentlicher thematischer Inhalt der Neuen Mittelschule.

Weitere Punkte sind: vertiefende Projektarbeit, selbstverständlich auch standortbezo­gene Schwerpunktsetzung, Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten, auch ein we­sentlicher Bereich der Neuen Mittelschule.

Ich möchte hier auf etwas zu sprechen kommen, was sich bei uns im Burgenland direkt an der ungarischen Grenze abspielen wird. Vor 20 Jahren ist, wie wir wissen, der Eiserne Vorhang gefallen, wobei das Burgenland federführend daran beteiligt war. Am 19. Juni dieses Jahres gibt es daher gemeinsam mit Ungarn eine bilaterale Veranstal­tung, von der NMS Andau mitorganisiert, um dieses historischen, weltweit bedeuten­den Ereignisses zu gedenken. Die Auseinandersetzung mit der jüngsten Zeitgeschich­te ist auch ein Schwerpunkt der Bereichsarbeit der Neuen Mittelschule Andau. Damit möchte ich zugleich sehr herzlich eine Einladung zu diesem feierlichen Ereignis, Frau Ministerin, aussprechen.

Ein weiterer wesentlicher Bereich, was die pädagogischen Konzepte der Neuen Mittel­schule betrifft, ist die praktische Umsetzung der neuen Lernkultur, auch der Lehrkultur mit neuen Methoden und Kommunikationstrainings, die die Kolleginnen und Kollegen auf die Neue Mittelschule vorbereiten – wesentlich ist da natürlich auch die Arbeit des bifie –, um diese neu erlernten Methoden und Kommunikationsmöglichkeiten im Un­terrichtsgeschehen, in der Klasse, in den Gruppen entsprechend umsetzen zu können.

Es gibt auch eine Fülle von neuen Unterrichtsmaterialien und -mitteln, die in den letz­ten Jahren und Monaten entstanden sind, wie ich sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht kannte. Und ich war kein Fauler, der sich nicht weitergebildet hätte, sondern gera­de das Gegenteil ist der Fall.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch erwähnen, dass wir im Burgenland eine ver­pflichtende Lehrerfortbildung von in Summe 15 Wochenstunden haben. Sehr viele Kol­legen kommen aber auch auf mehr Stunden. Und diese verpflichtende Fortbildung fin­det nicht während des Unterrichts statt, also nicht in Stunden, in denen man in der


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Schule zu unterrichten hätte und ein anderer Kollege einen vertreten müsste, sondern sehr wohl auch am Nachmittag, sehr wohl auch in der Ferienzeit, entweder in der ers­ten oder in der letzten Ferienwoche. Natürlich werden auch entsprechende Konzepte im Lehrerteam erstellt, wenn es darum geht, Schwerpunkte im Rahmen der Schulauto­nomie zu setzen. Die sogenannte schulinterne Lehrerfortbildung, unter dem eigenarti­gen Namen SCHILF vielleicht bekannter, lebt sehr wohl bei uns im Burgenland.

Kolleginnen und Kollegen, von der Frau Ministerin wurde es bereits angesprochen: 244 Standorte, zirka 20 000 Schüler ab September 2009 in der Neuen Mittelschule. Ich möchte hier den Aspekt des Burgenlandes noch einbringen. Ab Herbst dieses Jahres werden wir 1 130 Schülerinnen und Schüler allein in der ersten Klasse haben, zusätz­lich noch 400 Schüler in der zweiten Klasse. Das heißt, zirka 1 500 Schülerinnen und Schüler werden die Neue Mittelschule ab September 2009 im Burgenland besuchen; allein in meinem Heimatbezirk sind es zirka 220.

Wie ich aus Gesprächen nicht nur mit Eltern, betroffenen Schülern, sondern auch mit Kollegen weiß, ist die Kollegenschaft sehr motiviert, bereitet sich bereits jetzt engagiert auf die Neue Mittelschule vor beziehungsweise unterrichtet bereits in einer. Wir haben ja das erste Probejahr der Neuen Mittelschule fast schon beendet. Die Neue Mittel­schule kommt rundum, auch bei der Bevölkerung, in den Gemeinden sehr positiv an. Die diesbezüglichen Abstimmungen im Lehrerkollegium, aber auch bei den Eltern sind mit über 90 Prozent für die Erprobung der Neuen Mittelschule ausgegangen.

Ich darf abschließend auch noch erwähnen, dass die Kooperation mit den Partnerschu­len im Burgenland hervorragend funktioniert, nicht nur mit HAK oder HASCH, wie das, glaube ich, fast üblich ist, sondern auch mit dem Gymnasium. Wir haben im Burgen­land insgesamt fünf Kooperationen der Neuen Mittelschule mit Gymnasien bei insge­samt nur elf Gymnasialstandorten.

Die Neue Mittelschule, denke ich, ist aber auch die Schule der Zukunft. Gerne nimmt man hier Herausforderungen an, hat auch das pädagogische Ziel, den jungen Men­schen ganzheitlich zu bilden und ihn auf das Leben, auch auf das Berufsleben vorzu­bereiten.

Die Bildungsreform im Allgemeinen umfasst darüber hinaus aber noch weitere Schwer­punkte, wie zum Beispiel die sprachliche Frühförderung, das verpflichtende letzte Kin­dergartenjahr, das Projekt „Lehre mit Matura“, den notwendigen Ausbau der Berufs­orientierung – ein wesentlicher Bestandteil nicht nur im alten, sondern auch im neuen Lehrplan der siebenten und achten Schulstufe. Es war ein dorniger Weg, als wir vor 15 Jahren in einer kleinen Gruppe begonnen haben, Curricula für die Berufsorientie­rung zu entwickeln, da das kein separater Unterrichtsgegenstand ist. Gott sei Dank ist das immer wieder modifiziert und ausgebaut worden.

Vor allem ist es bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage wichtig, dass die Schüler auch über das entsprechende Rüstzeug verfügen, nach Beendigung der Schule die richtige Berufswahl zu treffen. Das Burgenland investiert daher zirka 9 Millionen €, wenn es darum geht, den Jugendlichen Jobs, Lehrstellen bereitzustellen.

Noch ein Aspekt, was das Burgenland betrifft: Wir setzen bereits ab September 2009 flächendeckend den Gratiskindergarten um, weil wir meinen, dass alle Eltern die Mög­lichkeit haben sollen, ihre Kinder in den Kindergarten zu geben. Das Burgenland zahlt hier sozusagen den Finanzbeitrag für die Eltern, und zwar insgesamt 45 € pro Monat und pro Kind. Damit wird es allen Eltern ermöglicht, auch jenen, die finanziell nicht so betucht sind, oder auch jenen, die von Kurzarbeit betroffen sind, ihre Kinder bereits frühzeitig, ab dem Alter von zweieinhalb Lebensjahren, in eine Bildungseinrichtung zu schicken.


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Um die Schule fit für die Zukunft zu machen, um unserer Jugend die besten Chancen zu ermöglichen, bedarf es meiner Meinung nach weiterer Reformen, wie zum Beispiel einer gemeinsamen Ausbildung aller Lehrerinnen und Lehrer, aber auch eines entspre­chend modifizierten neuen Dienst- und Besoldungsrechtes; das wurde heute ebenfalls schon mehrmals angesprochen. Weniger Bürokratie, bessere Lehrerarbeitsplätze vor Ort, mehr Schulautonomie sind, denke ich, ebenfalls wesentliche Fragen in der aktuel­len Bildungsdiskussion.

Der Schulversuch der Neuen Mittelschule entspricht modernen wissenschaftlichen Er­kenntnissen, die Evaluierung durch das BIFIE ist nicht nur zeitgemäß, sondern eine Notwendigkeit.

Ich glaube daher, die heutige Gesetzesnovellierung ist ein Schritt in die richtige Rich­tung. Ich hoffe, wie gesagt, dass die Neue Mittelschule in Bälde flächendeckend einge­führt wird und daher auch die 10-Prozent-Klausel bald fallen möge. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zwischenzeitlich darf ich Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer sehr herzlich bei uns begrüßen.

Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei allen, die sich an die freiwillige Redezeitbe­schränkung halten. (Bundesrat Dr. Kühnel: Es sind nicht alle!)

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.42.09

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Lieber Kollege Schnider, ich habe mich jetzt extra als Kontra-Rednerin zu Wort gemeldet, um vor dir an der Reihe zu sein, denn ich denke, du wirst die perfekte Abschlussrede für diese Debatte halten (Bundesrat Dr. Schnider schüttelt den Kopf und schlägt die Hände zu­sammen) – und ich komme jetzt eigentlich nur mit dem niederösterreichischen Schul­modell. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich mache es kurz.

Es gibt da ein bisschen ein Kontra in meiner Rede. Sie haben es vorhin ja schon ange­sprochen: In Niederösterreich wird dieses Schulmodell ganz anders gehandhabt als anderswo. Bei uns gibt es nur zwei Klassen Neue Mittelschule, Gesamtschule – wie auch immer man es benennen möchte –, und dann können sich die Kinder noch ein zusätzliches Mal entscheiden. Womit das in Wirklichkeit so richtig begründet wird, ist nicht hundertprozentig klar. Was mich beim niederösterreichischen Schulmodell irritiert und worauf ich Sie auch hinweisen möchte, ist, dass in den Präsentationen des nieder­österreichischen Landesschulrates steht, dass die AHS in ihrer Form erhalten bleiben sollen. – Das ist eigentlich im kompletten Widerspruch zu dem, was Sie sagen und was wir alle oder die meisten von uns hier wollen, nämlich dass sich auch die AHS an die­sem neuen Mittelschulmodell beteiligen, um von beiden Seiten mehr oder weniger die Vernetzung voranzubringen.

Es ist im Ausschuss schon einiges darüber geredet worden, und auch heute wieder ist das Land Vorarlberg einige Male genannt worden (Bundesrat Schennach: Kritisch er­wähnt worden!), kritisch erwähnt worden – genau! –, nämlich wegen dieser Geschichte mit den Leistungsgruppen, die ja in Vorarlberg offenbar – ich weiß nicht, ob flächende­ckend, aber großteils zumindest – auch in der Neuen Mittelschule erhalten bleiben. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Ich traue mich dann ohnehin nicht hinaus, ich werde mich noch eine Weile im Schutz dieser Halle befinden.

Diese Leistungsgruppen sind für viele Eltern nicht das, was sie für ihre Kinder wollen – und ich spreche hier auch als Mutter meiner Kinder, die ihre Kinder in die AHS ge-


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schickt hat, nämlich in erster Linie deshalb, um sie nicht diesem Leistungsgruppen­zwang auszusetzen. Und diese Leistungsgruppen jetzt in der Neuen Mittelschule mehr oder weniger weiterzutragen, das wird, denke ich, das System insgesamt, das beab­sichtigt wird, nicht in die richtige Richtung führen.

Frau Bundesministerin, deshalb meine Bitte an Sie: Wir haben im Ausschuss gehört, dass zwar das Ministerium in solchen Fällen besonders heftig intervenieren wird; es ist aber wirklich wichtig, dass Sie verstärktes Augenmaß darauf legen, dass die Richt­linien, die Sie für die Neue Mittelschule vorgegeben haben, auch wirklich eingehalten werden, damit es eben nicht so ist, dass nur die Taferln ausgewechselt werden und ein bisschen mehr Geld für die einzelne Schule vorhanden ist, aber sich im Prinzip am Projekt – also an der Art und Weise, wie gelehrt wird – nichts ändert.

Ein Punkt, den ich noch anhängen muss an die Ausführungen von Frau Mühlwerth zum Thema Ausländeranteil: Natürlich sind Sprachprobleme von MigrantInnenkindern auch ein Problem bei der Schulbildung, und deshalb gibt es auch relativ wenige, die dann weiter in die AHS gehen können. Ich denke, in Wirklichkeit müsste sich das Schulsystem oder der Staat selbst an der Nase nehmen und einmal überlegen, wie er diesen Kindern rechtzeitig die Deutschkenntnisse näherbringen kann.

Ich kann in diesem Zusammenhang auch nur wieder auf Niederösterreich verweisen: In Niederösterreich haben wir einen ziemlich unsäglichen Zustand, nämlich dass gera­de die Hortförderung für Volksschulkinder von der Staatsbürgerschaft abhängig ist. Das heißt, genau jene Kinder, die Migrantenkinder sind, die Sprachprobleme haben und vielleicht noch am Nachmittag zusätzliche Betreuung im Hort brauchen könnten, damit sie die deutsche Sprache aus ihrer Umgebung besser „auffangen“ können, ... (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Als Babys können sie nicht Deutsch ler­nen, egal woher sie kommen! Als Babys lernen auch andere nicht Deutsch! (Neuerli­cher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Aber es ist schon hilfreich, wenn man in der Schule dann in seinen Deutschkenntnissen noch gestärkt wird. Aber genau das wird in Niederösterreich mit dieser Maßnahme verhindert, indem man sagt, die Hortför­derung bekommen nur Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft.

Darauf wollte ich nur hinweisen, denn ich denke mir, dafür ist das System schon auch zuständig, nämlich dafür zu sorgen, dass diese Deutsch-Sprachkenntnisse auch ir­gendwo vermittelt werden. Denn: Von den Migranten selbst kann man es nicht erwar­ten, weil sie die Sprache selbst nicht so besonders gut können. Und es ist klarerweise so: Sie werden Ihrem Kind wahrscheinlich auch nicht so gut Russisch beibringen kön­nen wie ein Russe. Es ist wohl logisch, dass man Deutschkenntnisse am besten durch Personen vermittelt, die auch als Muttersprache Deutsch sprechen.

Ein Punkt, den ich noch anführen möchte als Mutter meiner Kinder, die vor zwei Wo­chen an dieser Demonstration teilgenommen haben. (Bundesrat Konecny: Oh!) Ja! (Bundesrat Schennach: Oh! ... „Missbrauch“!) – Ich denke, dass sie durch die Teilnah­me an dieser Demonstration schon sehr viel gelernt haben über Demokratie an sich, nämlich auch darüber, dass man das Recht hat, wenn man mit etwas unzufrieden ist, auf die Straße zu gehen und zu streiken. (Bundesrätin Mühlwerth: ... aber auch miss­brauchen kann!)

Es ist immer wieder gesagt worden: Die wissen ja gar nicht, warum sie auf die Straße gehen! – Abgesehen davon, dass es viele Demonstrationen erwachsener Menschen gibt, bei denen die Erwachsenen auch nicht immer wissen, warum genau sie auf die Straße gehen, haben meine Kinder aber gewusst, warum sie streiken: Meine Kinder haben gewusst, sie streiken deshalb, weil sie als Schüler nicht in den Dialog einbezo­gen werden. Sie hören zwar von allen Seiten, die Lehrer streiten mit der Gewerkschaft, die Gewerkschaft streitet mit der Ministerin, alle streiten miteinander – aber was die


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Schüler selbst denken und wollen, das hat sich niemand angehört, und es gibt auch nicht dieses offizielle Sprachrohr der Schüler.

Mir hat deshalb sehr gut gefallen, was Kollegin Rausch gesagt hat. Ich denke, es sollte und muss eine Möglichkeit gefunden werden, wie man Schülerinnen und Schüler wirk­lich in diesen Dialog mit einbezieht, denn wenn über ihren Kopf hinweg entschieden wird, werden sie vielleicht dieses System nicht so gerne unterstützen.

Meine Kinder gehen in verschiedene Schulen – sie gehen beziehungsweise gingen beide in die AHS, einer geht inzwischen weiter. In der einen Schule wurde dieser Streik mehr oder weniger unterstützt – keine Frage –, in der anderen Schule hat es geheißen: Wenn ihr dorthin geht, dann braucht ihr keine Entschuldigung zu bringen, das sind so­wieso Fehlstunden! – Man gab also zu verstehen: Das ist etwas ganz Böses und das dürft ihr gar nicht!

Sie sind beide trotzdem hingegangen, sie haben beide dadurch gelernt. Ich würde mir wünschen, dass bundesweit eine Regelung gefunden wird, damit die Eltern nicht in die Zwickmühle kommen und sich fragen: Schreibe ich dem Kind jetzt eine Entschuldi­gung, dass es krank oder beim Arzt war, das heißt, lüge ich, oder schreibe ich einfach hinein, es war demonstrieren, oder riskiere ich, dass es Fehlstunden und eine Betra­gensnote bekommt? – Ich denke, es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn man zumin­dest im Nachhinein noch sagen würde, dass dieser Streik auch ein Entschuldigungs­grund und als solcher anzuerkennen ist. (Bundesrat Gruber: Um das schlechte Gewis­sen der Mütter zu beruhigen!)

Nein, das hat nichts mit schlechtem Gewissen der Mütter zu tun, sondern das hat mit Vorbildwirkung der Mütter zu tun. (Bundesrat Schennach – auf Bundesrat Gruber wei­send –: Das ist negative Vorbildwirkung von zu Hause!) Und ich versuche, meinen Kin­dern beizubringen, dass man Ausreden zwar hin und wieder gebrauchen kann, aber in Wirklichkeit nicht lügen sollte. Das versuche ich ihnen beizubringen.

Ein weiteres Anliegen von mir ist daher: Bitte nicht zu vergessen auf diesen Dialog mit den Schülern! Und versuchen Sie, diesen Dialog mit den Schülern auf einer möglichst breiten Ebene zu führen, denn es gibt nicht nur zwei oder drei Schülervertreter, son­dern die Kinder denken schon sehr gut mit und haben auch eine Meinung zu dieser ganzen Geschichte, die man sich anhören sollte.

Die Aufteilung nach dem jetzigen Beschluss, dass wir die Mehrgelder für dieses Schul­projekt jetzt bundesweit aufteilen können und nicht mehr in die einzelnen Länder, hat natürlich Vorteile insofern, als diejenigen, die sich engagieren, stärker davon profitieren können. Ich würde mir nur wirklich wünschen, Frau Ministerin, dass Sie auf die Aufla­gen achten und dass es eben nicht möglich wird, dass man ohne Engagement und nur mit Aufzeigen auch zu viel Geld kommt und in Wirklichkeit damit nichts weiterbringt. (Beifall der Bundesräte Schennach und Dr. Schnider.)

11.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte.

 


11.50.51

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Mitglieder des födera­len und bundesweiten „Bildungsrates“! Ich möchte das hier heute mit großer Überzeu­gung sagen, weil ich einfach auch heute wieder den Eindruck habe, dass wir – und das tut, glaube ich, dem Parlamentarismus in Österreich sehr gut – hier ein Stück weg­gehen von diesem nur fraktionellen und ideologisch internen Denken, sondern dass wir hier – und das ist schon interessant, das war hier auch in den letzten eineinhalb, zwei


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Stunden sehr deutlich – sehr stark die Interessen unserer Länder mit hereinbringen, und weil ich auch den Eindruck habe, dass hier viele Kolleginnen und Kollegen sitzen, die wirklich wissen, wie die Uhren draußen schlagen und ticken, und wir uns hier keine heilen Welten erzeugen und meinen, wir wissen alles viel, viel besser und wir wissen alles so gut.

Das Zweite ist: Ich habe auch festgestellt, dass wir hier im Bundesrat eigentlich in allen Fraktionen Mitglieder haben, die wirklich für diesen Bereich so viel zu sagen haben. Und ich denke mir heute auch, obwohl das sichtlich jetzt nicht ganz einstimmig wird – was ich zwar nicht ganz verstehe und dann noch einmal kurz ansprechen möchte, ge­rade in diese Richtung, ... (Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrätin Mühl­werth und Bundesrat Mag. Ebner weisend –: Da rüber schauen!) Jawohl, Stefan. Nein, nein, ich weiß schon, wo ich hinschaue. Ich weiß das sehr wohl. So weit bin ich schon vorbereitet, dass ich ungefähr annehme, auch aufgrund unseres Ausschusses, wer da nicht mitgeht beziehungsweise wer bis jetzt nicht vorhatte, mitzugehen. Aber wer weiß? – Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Ich bin sehr glücklich, dass ich aus einem Bundesland komme, wo un­ser Landesrat Seitinger, der für den Wohnbau zuständig ist, eben nicht Betonbauten unterstützt, sondern die Holzbauten. Denn wir wissen ganz genau, das Großartige an der Steiermark ist ja schon einmal, dass wir das grüne Herz Österreichs sind, und das sind wir deshalb, weil wir vor allem ein Holzland sind. Und alle wissen, dort, wo Holz wächst, muss man ja zulassen, dass etwas wächst. Dort, wo man alles niederbetoniert, darf man sich nachher nicht wundern, wenn kein Holz und kein Wald mehr wachsen kann. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Frakti­onszugehörigkeit. – Bundesrat Mag. Erlitz: Das heißt aber nicht, dass wir hölzerne Menschen sind!)

Das sei einmal gleich eingangs so gesagt, und ich freue mich, dass es mehrere Bun­desländer hier gibt, wo der Waldwuchs und die Forstwirtschaft sehr wesentlich sind. Vertreter von einigen waren ja hier schon am Wort.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Da lese ich und rechne mir aus: 93 Prozent! – Und wir re­den hier über 10 Prozent. – Eigentlich großartig, muss ich sagen. Da können wir jetzt diskutieren und neidisch schauen Richtung Westen und sagen: Ein Wahnsinn! Da muss irgendetwas faul sein an der Geschichte! – Dann schauen wir Richtung Osten, Richtung Burgenland: Da kann auch irgendetwas nicht ganz passen, die sind auch schon knapp dran! – Irgendetwas werden wir finden, meine Damen und Herren. Wir werden etwas finden, damit wir irgendwo ein Haar in der Suppe finden! Und wir wissen, ein Haar auf dem Kopf ist zu wenig, aber ein Haar in der Suppe ist zu viel. (Heiterkeit.)

Deshalb sage ich aber eher Ersteres: Suchen wir doch die vielen Haare auf dem Kopf! Suchen wir doch dort, wo sich wirklich etwas abspielt! Und freuen wir uns doch, und schauen wir jetzt Richtung Westen: Was ist in Vorarlberg passiert? – Man hat nicht ge­sagt: Freunde, Burschen, geben wir uns halt damit zufrieden! Tut das, was bundesweit erlaubt ist, und die Geschichte ist erledigt! – Nein, man hat sich politisch, und das ist schon interessant, zusammengetan und hat einen politischen Willen geäußert. Das ist nämlich schon interessant: Natürlich war die Basis und waren auch alle Schulstandorte dabei, aber wesentlich war, dass letztlich die Politik dort das getragen hat und dass die Politik von Vorarlberg im Ministerium – wenn ich das richtig weiß, und ich glaube, ich plaudere hier nicht aus dem Beichtstuhl – vorstellig geworden ist und das erreicht hat. Und das ist großartig, dass das kleine Ländle das erreicht hat, dass – entschuldi­gen Sie bitte, wenn ich jetzt diesen Ausdruck gebrauche – die kleine Maus den Berg doch bewegt hat, nämlich den Berg Bund, den Berg Österreich. Das ist schon span­nend.


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Nur – und jetzt komme ich zu meinem Punkt mit dem „nur“; ich muss einerseits sagen: Gratuliere!, ich sage jetzt aber auch ganz offen Folgendes –: Wenn jetzt Wolfgang Erlitz und andere sagen: Na ja, wie ist denn das jetzt da?, Haben die da nur ihr Schild gewechselt?, dann sage ich ganz offen – und da bin ich froh, dass wir das heute ja auch alles mitbeschließen –: Da gibt es ein BIFIE. Das wird evaluiert. Jeder stellt seine Evaluierung aus. – Ich sage aber auch dazu, dass zum Beispiel gerade in Vorarlberg auch damals, als es um die Pädagogischen Hochschulen gegangen ist, wichtige Impul­se gekommen sind. Also, da gibt es schon gewisse „Bildungsanwandlungen“, die nicht nur so „Sternminuten“ sind, sondern da gibt es schon Leute, die etwas davon verste­hen. Und darüber freuen wir uns ganz besonders.

Aber irgendwie habe ich trotzdem heute ein schlechtes Gefühl. Ich habe ein schlechtes Gefühl aus einem ganz einfachen Grund, nämlich weil mir das heute ein bisschen so vorkommt wie: Manchen ist das Wenige schon zu viel – und manchen ist das Wenige viel zu wenig. Also was machen wir da jetzt in der Politik? Wie tun wir da, damit alle zufrieden sind? – Irgendwie muss der Zehner erhalten bleiben. Machen wir es galant, wie wir es immer machen: ein Stückchen da, ein Stückchen dort. Tun wir niemandem wirklich weh! – Das ist einmal das Erste.

Das haben einige heute schon sehr gut angesprochen: Tun wir niemandem wirklich weh! Lassen wir den Zehner, dann sind alle hier zufrieden – das ganze Haus ist zu­frieden, wir, Nationalrat, Regierung, und alle sind glücklich –, und machen wir den klei­nen österreichischen Trick, den wir ja so schätzen, gerade oft auch in der Bildungspo­litik: Rechnen wir! Und sagen wir: Na ja, so wie es immer ist in einem großen Betrieb – ich habe gerade vorhin mit dem Kollegen Kühnel darüber geredet –, es wird immer 10 Prozent geben, die muss man auf seine Seite bringen; das sind so die Stürmer, und die wollen zum Gipfel und die rennen dahin. Dann hat man 60, 70 Prozent in einem Betrieb, die musst du gewinnen; dann rennen sie dir nach, und dann hast du es ge­schafft. Und dann gibt es immer 20 Prozent, die nicht so recht wollen. Mein Gott, da muss man sich auch etwas einfallen lassen. (Bundesrat Schennach: Seilbahn!) Ob ein Kaffeetscherl zu Mittag vielleicht etwas bewirkt? (Bundesrat Schennach: Seilbahn!)

Nur: Ich habe manchmal den Eindruck, wegen dieser 20 Prozent machen wir riesige Diskussionen – erstens – und – zweitens – denken wir manchmal nicht an manche Konsequenzen, die wir hier dann verabschieden. Da muss ich nämlich dem Kollegen Ebner, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sehr wohl recht geben. Trotzdem, muss ich sagen, verstehe ich dann aber, wenn ich es richtig verstanden habe, nicht ganz, warum er dann nicht zustimmt, denn: Ihre Aussage hier, Kollege Ebner, ist für mich viel differenzierter als die Ihrer Kollegen im Nationalrat. Das möchte ich hier klar und deut­lich sagen. (Bundesrat Konecny: Das stimmt, ja! Das sollte die Nationalratsfraktion hören!) Man merkt, Sie reden von etwas, wovon Sie etwas verstehen. Ganz einfach! Und das sage ich Ihnen hier von diesem Rednerpult aus.

Zweitens sage ich auch, Sie gehören als AHS-Direktor zu denen – das muss man auch sagen! –, die aus dem Umfeld kommen und hier mittun. Das ist auch eine Seltenheit, eine Rarität in diesem Land. Man kann bei Ihnen also nicht bestreiten, dass Sie wirklich wissen, worum es geht.

Aber was will ich damit sagen? – Ich möchte damit sagen, dass ich glaube, dass wir sehr rasch an die Grenzen stoßen werden und dass wir heute schon eine Novellierung machen, die letztlich – entschuldigen Sie den Ausdruck; ich setze ihn unter Anfüh­rungszeichen – ein „Bremsklotz“ ist, weil sie es denen, die vorangehen, die einen politi­schen Willen äußern – und das sieht man jetzt in Vorarlberg, oder nehmen wir auch Burgendland her, und, und, und –, ermöglicht, den ganzen Bereich, also den ganzen Kuchen für ganz Österreich aufzufuttern – entschuldigen Sie, wenn ich das so sage –, und die Restlichen dürfen nicht mehr.


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Dann frage ich mich aber als gewachsener Steirer, Herr Präsident Erlitz: Was werden wir beide dann tun? – Wir werden weiterhin hier im Bundesrat für die große neue Re­form sprechen, aber wir werden dann vor Ort wenig tun können. Jetzt frage ich mich ganz ehrlich, um das auch einmal hier klarzustellen: Müssten wir nicht wirklich alle Energien investieren, damit das, was hier auch gesagt worden ist, umgesetzt werden kann? Wenn diese Autonomie des Standortes, Frau Ministerin, hier ganz deutlich als Ihr Programm dargelegt wurde, dann kann es doch nicht sein, dass wir letztlich ein Ge­setz beschließen, durch das das gar nicht möglich ist! Bitte, das setzen wir damit ja jetzt schon außer Kraft!

Wenn heute Frau Ministerin Schmied hier im Bundesrat sagt, sie ist dafür, morgen aber etwas anderes sagt, und wenn alle Direktorinnen und Direktoren mit ihren Lehrerinnen und Lehrern aufstehen und sagen: Das wollen wir, wir entscheiden uns dafür!, und dann aber gesagt wird, nein, das geht nicht, weil diese 10 Prozent haben bereits Vor­arlberg, Burgenland und auch die Steiermark für sich konsumiert – das schaue ich mir an, denn dann wird es – und ich widerspreche ungern, aber das muss ich sagen – rasch eine Novellierung Nummer zwei geben, weil wir damit eben nicht zu Rande kom­men. (Präsident Reisenberger übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage jetzt ganz offen etwas, das sage ich jetzt auch in Ihre Richtung, Herr Kollege Ebner, aber das ist für mich – und das ist auch typisch für uns, das ist halt in der De­mokratie so – ein kleiner erster Schritt, ein Schritt auf alle Fälle, den wir setzen müs­sen. Wir dürfen nämlich in diesem Land jenen nicht ein Hindernis sein, die anders vor­gehen wollen. Wenn wir hier und heute – egal, wer auch immer in der Runde – jedoch sagen, wir sind dagegen, dann nimmt man Vorarlberg, dem Burgenland und vielen anderen die Chance, Herr Direktor (in Richtung des Bundesrates Mag. Ebner), das sage ich jetzt ganz offen. Deshalb trage ich das mit.

Ich sage hier aber sehr differenziert, ich halte die Methode, ein Stückerl da, ein Stü­ckerl dort, dann rechnen wir ein bisschen, damit die Zahlen irgendwie stimmen, für nicht gut. Das ist schon etwas, wo wir in der Bildungspolitik in Zukunft aufhören müs­sen; da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Ich habe ein bisschen mitgekriegt, was da in zweiter und dritter Reihe diskutiert worden ist. Gehen wir doch endlich einmal her und tun etwas! Ich darf das ja sagen, Rausch und Mühlwerth haben sich darüber unterhal­ten. Und ich möchte das hier einmal klar sagen, nämlich wirklich sagen ... (Heiter­keit.) – Das gehört ja zum Thema, das war ja kein Seitengespräch. Ich wäre da als Lehrer viel großzügiger. Beim Schwätzen muss man unterscheiden, worüber die Schü­ler schwätzen. Wenn es zum Thema gehört, passt es ja. Und sie haben sich unterhal­ten ... (Bundesrat Schennach: Sachlich!) – Sachlich! Wir müssen bei der Sache bleiben.

Und sachlich muss man ja fragen: Was verstehen wir unter Bildung? Hören wir doch endlich einmal auf! Einer versteht das, einer versteht jenes, einer meint ein bisschen von dem oder ein bisschen von jenem. Reden wir hier und trauen wir uns als „Bil­dungsrat“, wie ich uns hier jetzt nenne, etwas zu tun. Ich kann ja niemanden ernennen, ich kann ja nur nennen. Ich meine, dass wir diese Aufgabe, gerade als die föderale Kammer, in Zukunft in einer differenzierten Weise übernehmen müssen. Sonst stehen wir an. Und das sehe ich immer mehr kommen.

Ich sage ganz offen, so, wie wir es heute machen – einfach durchwacheln, Sache ist erledigt –, soll man es nicht machen, denn im Grunde ist das Selbstbetrug. Es ist ein Selbstbetrug an dem, was wir eigentlich tun wollen. Wir wollen doch eine Bildungs­reform in diesem Land. Und ich sage ganz offen: Wir müssen uns überlegen, wie das ausschaut. Jetzt haben wir mit dem Kindergarten angefangen. – Großartig! Wir über­legen uns auch etwas für den tertiären Bereich. Wie schaut es aber dazwischen aus? Reden wir doch bitte wirklich darüber, wie ein wirkliches Bildungswerk ausschaut,


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wenn man sagt, das fängt beim Kindergarten an, das fängt schon davor an und zieht sich bis in den tertiären Bereich!

Wann nehmen wir uns dieser wichtigen Fragen an, wann geben wir uns nicht einfach damit zufrieden und sagen, jetzt haben wir da ein bisschen gedreht und dort ein biss­chen gedreht? Wir wissen – die alten Uhrmacher wissen das, wenn man ein Rad zu viel dreht und eines zu wenig, ist das schlecht –, dann geht überhaupt nichts mehr, ja es wäre besser gewesen, man hätte die Uhr falsch ticken lassen. Ich halte es leider Gottes auch so, wie wir es eben in guter österreichischer Politik hier immer tun, dass wir sagen, seien wir mit dem, was ist, auch einmal zufrieden.

Ein letzter Punkt, den ich schon noch ansprechen will und ansprechen muss. Wenn wir jetzt neue Standorte zulassen, müssen auch Bedingungen erfüllt sein. Wir haben das im Ausschuss auch angesprochen, das hat uns dort der Vertreter des Ministeriums, Mi­nisterialrat Dr. Bachmann, sehr klar und deutlich gesagt. Ich möchte überhaupt darauf verweisen, dass man unter www.neuemittelschule.at alles nachlesen kann, auch vieles, was heute hier angesprochen worden ist. Dort wurden drei Merkmale zitiert, auf die es in Zukunft ankommen wird, dass es überhaupt so weit kommen kann.

Erstens: Ganztagesbetreuung, zweitens: AHS-Standort bevorzugt, drittens: pädagogi­sches Konzept. Jetzt muss ich ganz ehrlich sagen, alles gut und schön, aber bei man­cher Begrifflichkeit möchte ich schon über etwas nachdenken. Es hat ja hier auch schon eine Diskussion über diese Ganztagsbetreuung gegeben. Seien wir doch dies­bezüglich auch offen im Denken! Überlegen wir uns einmal: Müsste nicht so ein Tag, der Tag des neuen Lernens und Lehrens, anders aussehen?! Gestehen wir uns doch endlich hier ein, dass wir schon lange keine Halbtagsschule mehr haben. Seien wir doch ehrlich und sagen, dass unsere Volksschulkinder deswegen, weil der Samstag frei ist und so weiter, schon längst bis halb eins oder ein Uhr in der Schule sitzen. Das ist für uns schon keine Mittagszeit mehr, sondern Nachmittagszeit. Seien wir doch ein­mal ehrlich und reden wir über neue Zeiten!

Denken wir auch darüber nach – weil ich von Zeit spreche –, dass in Zukunft für Leh­rerinnen und Lehrer selbstverständlich die Zeit neu aufgeteilt wird! Und da geht es noch nicht um die „Kohle“ – Entschuldigung, wenn ich das hier offen sage –, sondern es geht darum, dass halt Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit mit den Schülerinnen und Schülern verbringen. Also ich muss ehrlich sagen, als Hochschullehrer bin ich froh dar­über und lege wesentlich darauf Wert, dass ich mit meinen Studentinnen und Studen­ten viel mehr ins Gespräch komme, als dass ich mir einbilde, ich bin der große Fronta­list und nachher prüfe ich fleißig. Die Prüfungen sind mir mittlerweile schon ziemlich Wurscht. Entschuldigung, ich sage das hier ganz offen. Was mir aber nicht Wurscht ist, ist die ständige Präsenz, nämlich auch geistige Präsenz der Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter – und ich sage jetzt bewusst nicht Studierende, ich sage Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – in einem Lern- und Lehrprozess.

Ich fordere dazu auf, dass man da mittut. Und Studierende, die sich einbringen, haben es bei mir bei einer Prüfung ziemlich einfach, sage ich ganz offen, nämlich im alten Schema.

Das Zweite ist, wenn wir hier nach neuen zeitlichen Modellen Ausschau halten und jetzt diese Diskussion führen, die ja wirklich letztlich nur darum gegangen ist, wer sich wo ein Stückerl zum Schluss herausholt, dann stimme ich allen, die vorhin gesprochen haben, zu, denn das kann es an Bildungsdiskussion nicht gewesen sein. Nur leider habe ich momentan den Eindruck, es wird wieder vieles sozusagen heruntergestoppt. Ich glaube, wir müssen das offen andiskutieren und fragen: Wie schaut die Zeit des Lehrenden und Lernenden aus? Das hat übrigens auch schon ein Pestalozzi und ein


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Comenius gesagt, das ist alles nichts Neues. Wie schaut diese Zeit aus? Und darüber müssen wir uns offen unterhalten: Wie schaut die Schulzeit heute und in Zukunft aus?

Lassen wir endlich dieses komische Zeiteinteilung! Wir tun so, als ob es das Mittag­essen gibt, und dann Schnitt, und dann ist die Schule aus und bumm, dann fängt das große Leben an. Warum kann das Leben nicht schon in der Früh beim Aufstehen an­fangen und es über die ganze Nacht hin sein – mein Leben? Hoffentlich lebe ich auch über 24 Stunden lang.

Ich glaube – und deshalb sage ich es hier herinnen –, dass dieser „Bildungsrat“ hier herinnen – ich weiß schon, dass er nach wie vor Bundesrat heißt –, dass diese födera­le Kammer die Einzige ist, die es wirklich schafft, über diese Dinge so zu reden. Und ich glaube, diese Dinge müssen wir uns vornehmen. Da sollten wir in den nächsten Monaten einige Schritte tun.

Ich meine – und das ist mein letztes Wort hier –, die Neue Mittelschule ist ein tolles Projekt. Wir sollten es weitergehen, wir müssen es auch weitergeben. Und ich meine, es ist für uns ein Halm – ich sage es ganz bewusst –, ein Strohhalm, an dem wir uns festhalten dürfen und müssen. Ob wir ihn vorzeitig zerbrechen und knicken, liegt letzt­lich auch an den politisch Verantwortlichen, denn Vorarlberg hat es uns vorgemacht. Wenn sich die Politik, die politischen Vertreterinnen und Vertreter in den Ländern auf die Beine stellen, kann man etwas bewegen. Und das zeigen wir in der Steiermark auch, denn das ist ja nichts Neues. Die Schule Klusemannstraße gibt es bei uns in Graz seit 1993/94, sie ist im Prinzip der Prototyp für all das gewesen, was nachher ein Stück weit gekommen ist. Also wir Steirer brauchen uns nicht zu verstecken – wir als Land des Waldes und des Holzes. (Ruf bei der ÖVP: Und der Bildung!) – Und selbst­verständlich der Bildung! Du kennst mein Symbol, das ich am Anfang eingebracht ha­be, und den Grund, warum ich das jetzt hier so betone.

Manche wollen die Neue Mittelschule nicht so recht. Da gebe ich meinem lieben Freund und wirklichem Bildungsmann Bernd Schilcher recht, wenn er sagt: Sie zer­schlagen den Spiegel, der die Falten im Gesicht untrüglich ihnen vor Augen führt. – Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

Nehmen wir diesbezüglich auch manch neue OECD-Berichte, die sichtlich noch ganz vertraulich sind, aber den Redaktionen bereits vorliegen; nur für uns ist alles vertrau­lich. Aber deshalb gibt es ja diese Zeitschriften. (Der Redner hält eine Ausgabe der Zeitschrift „profil“ in die Höhe.) Damit möchte ich hier schließen, denn ich freue ich mich, dass im Prinzip unser Land nicht so schlecht dasteht. In diesem Artikel wird klar und deutlich gesagt:

„Ohne Anstrengungen in Bereichen wie (...) Bildungsreform und Integrationsmaßnah­men droht das Land mittelfristig den Anschluss an vergleichbare Mitgliedsstaaten zu verlieren.“ 

Weiter unten steht:

„Doch es sind Reizwörter – und deren Umsetzung scheitert teils seit Jahren an politi­scher Mutlosigkeit, parteipolitischer Verbohrtheit und mächtigen Interessengruppen.“

Und hier steht:

„Jüngst gesetzte Maßnahmen wie das verpflichtende Kindergartenjahr, kleinere Klas­sengrößen und die neue Mittelschule werden von der OECD ausdrücklich als ,ambitio­niert‘ und zielführend anerkannt.“

In diesem Sinne sollten wir so weitermachen, aber immer im Hinterkopf haben: Manch­mal tun wir gerne ein bisschen hier, ein bisschen dort, Hauptsache nach außen schaut es ähnlich aus, wie es vor der Novellierung war. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.09



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 61

Präsident Harald Reisenberger: Danke für diese intensive Wortmeldung, in der die Vermittlung der Bildungspolitik wirklich, auch von der Zeit her, sehr ausführlich war, und der Bildungsrat – Verzeihung! –, Bundesrat, wie du gesagt hast, hat das auch dementsprechend zur Kenntnis genommen.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


12.10.23

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Es tut mir leid, Herr Kollege Schnider, dass ich jetzt dein an sich gutes Schlusswort so zerstören muss. (Bundesrat Gruber: Uns auch!)

Ja, es stimmt, wir haben uns darüber unterhalten. Das möchte ich vorausschicken. Kol­legin Rausch hat mich durch ihren Redebeitrag auf die Idee gebracht, weil sie es auch angesprochen hat: Was verstehen wir eigentlich unter „Bildung“? Ich merke es immer wieder, jeder versteht etwas anderes darunter. Der eine sagt, für mich ist die humanis­tische Bildung das Ziel, der andere sagt, mir ist es wichtiger, dass meine Kinder aus­gebildet werden. Es wäre interessant, weil ja gerade der Bundesrat in der Bildungs­debatte federführend ist und schon die eine oder andere Enquete abgehalten hat, zu schauen und mit Expertinnen und Experten darüber zu diskutieren, ob es hier einen gesellschaftlichen Konsens gibt, was unter Bildung zu verstehen ist. Dies sei als An­regung gedacht – mal schauen, ob wir da was machen.

Eigentlicher Grund war – bei aller oppositioneller Freundschaft – der Redebeitrag des Kollegen von den Grünen. (Bundesrat Schennach: Oh! Sie greifen meine Worte auf!) – Ja, Herr Kollege Schennach, in einem sind wir uns einig: Es ist wichtig, dass die Zuwandererkinder gut ausgebildet werden. Es kann niemand von uns Interesse daran haben, dass jene, vor allem die, die Staatsbürgerschaft haben, schlecht ausgebildet sind, in nichtqualifizierte Jobs kommen und dann über die Sozialhilfe der Allgemeinheit auf der Tasche liegen.

Nein, Herr Kollege Schennach, es stimmt nicht, dass die Zuwanderer mehr einzahlen, als sie herausbekommen, das hat Herr Fassmann schon widerlegt. (Bundesrat Schennach: Universität Linz-Studie!) – Nein, Herr Kollege Schennach, es stimmt nicht, dass wir nur Facharbeiter geholt haben, denn damals gab es die Probleme noch nicht. Die echten Probleme haben mit der Familienzusammenführung begonnen.

Es stimmt auch nicht, dass nur das Schulsystem, oder das falsche Schulsystem aus Ihrer Sicht, daran schuld ist, dass diese Kinder zu Problemkindern geworden sind. Die Lehrerinnen und Lehrer bemühen sich wirklich redlich. Und man muss immer wieder sagen, hier ist Wien das ganz große Problem. In Wien haben wir die meisten Proble­me. Die Lehrer bemühen sich wirklich redlich, scheitern aber oft an dem mangelnden Willen der Schüler und auch deren Eltern. (Bundesrat Schennach: Das stimmt!) Es ist leider kein Einzelfall, dass ein Vater, vor allem ein islamischer Vater, da ja die Lehrer­schaft meistens weiblich ist, zur Lehrerin sagt: Mit Ihnen rede ich nicht, denn Sie sind eine Frau. – Das machen die Schüler auch, weil sie es ja von zu Hause so hören. (Bundesrat Schennach: Da haben Sie recht!)

Daher möchte ich Ihnen auf den Weg mitgeben: Es nützt nichts, die Augen vor Proble­men zu verschließen, und es ist nicht so, dass es diese Probleme nicht gibt, nur weil Sie die Augen zumachen. Es wäre klüger, sehenden Auges dort hinzuschauen und die Dinge auch zu ändern. (Beifall des Bundesrates Ertl.)

12.13



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 62

Präsident Harald Reisenberger: Nun liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.13.483. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (516/A und 165 d.B. sowie 8106/BR d.B.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Nun kommen wir zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Preineder. Bitte um den Bericht.

 


12.14.06

Berichterstatter Martin Preineder: Geschätzter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Mai 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm dieses.

 


12.14.42

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt sind Frau Mühlwerth und Herr Kollege Schennach nicht mehr da, aber ich habe heute dazugelernt. Ich weiß mittler­weile, was „bei aller oppositioneller Freundschaft“ bedeutet. Ich werde mich einmal da­mit auseinandersetzen, was das dann in der Praxis bedeutet. Aber auch solche Sa­chen gibt es im Bundesrat. Ich finde es an und für sich sehr begrüßenswert, dass es „bei aller oppositioneller Freundschaft“ trotzdem solche Gegensätze noch geben kann.

Meine Damen und Herren, die Materie ist eine andere. Wer schon etwas länger in der Politik oder auch hier im Bundesrat tätig ist, weiß, dass immer wieder Forderungen nach Verwaltungsreformen, Verwaltungsvereinfachung oder besserer Nutzung vorhan­dener Ressourcen gestellt werden. Wie dem auch sei, zurzeit stehen große Würfe diesbezüglich nicht an.

Aber wir haben heute die Gelegenheit, in einem zwar kleinen Bereich einen Schritt in die richtige Richtung zu machen. Im Justizbereich bietet sich jetzt die Möglichkeit an, Rechtspfleger, nicht nur in Zivilrechtssachen, sondern auch in Strafrechtssachen einzu­setzen.

Da der bisherige Einsatz von Rechtspflegern und ihre Tätigkeit problemlos funktioniert haben, ist es meiner Meinung nach nur logisch und sinnvoll, Richter und Staatsanwälte


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von Tätigkeiten zu entlasten, bei denen es nicht um Rechtsprechung geht. Geäußerte Ängste, Rechtspfleger könnten durch Überweisungen von Richtern in erstinstanzlichen Bereichen eingesetzt werden, bewahrheiten sich nicht. Das widerspricht dem Unmittel­barkeitsgrundsatz – das ist ein fürchterliches Wort – des Artikels 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das heißt auch, dass es in Zukunft nicht möglich sein wird, dass Rechtspfleger in erstinstanzlichen Verfahren eingesetzt werden können, sondern in Bereichen wie zum Beispiel bei Gebührenbeschlüssen, Verfügungen über Geldstrafen, Aufschub von Zahlungen und Ratenbewilligungen, Standblattbereinigun­gen, aber auch für Ansuchen anderer Staaten bei der Übernahme von Strafvollstre­ckungen tätig werden.

Wir Sozialdemokraten werden daher dem gegenständlichen Beschluss des National­rates, besonders ausgebildete, nichtrichterliche Bundesbedienstete als Rechtspfleger nicht nur in Zivilrechtssachen, sondern auch in Strafrechtssachen einzusetzen, unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.17


Präsident Harald Reisenberger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm dieses.

 


12.17.46

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Kampf der Wagen und Gesänge im Zusammenhang mit dem Schulorganisations­gesetz kann man sagen, dass es hier jetzt etwas ruhiger geworden ist und auch viele nach diesen Anstrengungen andere Orte des Parlaments aufgesucht haben, um sich für weitere Diskussionen zu stärken.

Kollege Gruber hat bereits das Wesentliche gesagt. Ich möchte nur kurz erwähnen, dass wir für diese Maßnahme eine Verfassungsänderung brauchen, nämlich dass der Artikel 87a abgeändert und ergänzt werden muss, damit die Rechtspfleger, die bisher im Zivilrechtsbereich tätig waren, nun auch im Strafrechtsbereich eingesetzt werden können.

Eines muss aber dann noch sein: Es wird eine einfachgesetzliche Regelung notwendig sein, die wir dann auch wieder diskutieren werden. Da werden wir ja sehen, in welchen Bereichen des Strafrechtes dann der Rechtspfleger verwendet werden soll.

Daher erübrigt sich jetzt eine weitere Diskussion, denn diese werden wir sicher dann auch zu führen haben. Ich kann jetzt bereits versichern, dass meine Fraktion hier kei­nen Einspruch erheben wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Gruber und Zangerl.)

12.19


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. Ich erteile ihm dieses.

 


12.19.17

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besonders ausgebildete nicht­richterliche Bundesbedienstete, sogenannte Rechtspfleger sollen künftig nicht nur in Zivilrechtsangelegenheiten, sondern auch in Strafsachen eingesetzt werden.

Die Debatte im Nationalrat – vielleicht hat sie jemand von Ihnen gehört – war, mit Ver­laub gesagt, ein wenig seltsam:

Eine Partei unterstützt die Ausweitung der Tätigkeit auf Strafsachen grundsätzlich, möchte aber eine Einschränkung, wonach Rechtspfleger in Strafsachen nur für unter-


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geordnete Tätigkeiten eingesetzt werden können, nicht aber in der Rechtsprechung selbst.

Eine weitere Partei befürchtet wiederum, dass der Rechtspfleger im gesamten Bereich der Justiz eingesetzt werden kann, und begründet das mit dem Argument, wer könne garantieren, dass der Rechtspfleger, der nicht entsprechend ausgebildet ist, nicht auch auf der Richterbank sitzt.

Ich meine, dass diejenigen, die diese Argumente ins Treffen geführt haben, sich mit dem Gesetz nicht sehr intensiv auseinandergesetzt haben, weil da eigentlich schon einige Regelungen vorweggenommen werden.

Schauen wir uns einmal den Beruf beziehungsweise den Stand des Rechtspflegers an! – Es werden jetzt schon ungefähr 80 Prozent der Entscheidungen am Bezirksge­richt von Rechtspflegern getroffen. Es gibt in den österreichischen Bezirksgerichten rund 700 Rechtspfleger.

Was ist der Rechtspfleger eigentlich, und wie wird er ausgebildet? – Wenn man sich das genauer anschaut, dann braucht man solche Aussagen, wie sie im Nationalrat ge­macht wurden, nicht weiter zu kommentieren.

Neben den Richtern erfüllen Rechtspfleger, also speziell ausgebildete Gerichtsbeamte, genau definierte Tätigkeiten. Die Institution des Rechtspflegers wurde geschaffen, um die Richterschaft zu entlasten und um sicherzustellen, dass auch Verfahren im Zivil­recht in einem absehbaren Zeitraum abgearbeitet werden können.

Bereits im Jahr 1962 wurde der Beruf des Rechtspflegers in der Bundesverfassung verankert. Im Artikel 87a Bundes-Verfassungsgesetz wurden die Rahmenbedingungen für die Rechtspfleger geregelt. Einer der wichtigsten Punkte ist der, dass der Rechts­pfleger an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters ge­bunden ist. Dieser Richter kann sich jederzeit die Erledigung von Fällen vorbehalten oder diese Angelegenheiten an sich ziehen.

Die Rechtspfleger üben verschiedene Tätigkeiten aus. 40 Prozent ihrer Tätigkeit entfal­len auf Grundbuchangelegenheiten, 5 Prozent auf Firmenbuchangelegenheiten, 26 Pro­zent auf Außerstreitangelegenheiten und 35 Prozent auf Exekutionsangelegenheiten. Man möge sich einmal vorstellen, wie lange die Erledigung eines Falles dauern würde, wenn die Richter dies alles selbst machen müssten!

Ungefähr 80 Prozent der Geschäftsfälle in Rechtsangelegenheiten in den Bezirksge­richten werden bereits von Rechtspflegern und nur 20 Prozent von Richtern erledigt.

Wer meint, dass die Rechtspfleger nicht ordentlich oder rechtmäßig entscheiden könn­ten, der sollte sich einmal die Ausbildung eines Rechtspflegers genauer anschauen.

Ein Rechtspfleger muss eine Matura beziehungsweise eine Beamtenaufstiegsprüfung bestanden haben. Nach einer erfolgreich abgelegten Beamtenaufstiegsprüfung ist ein mindestens achtjähriges Beamten-Dienstverhältnis notwendig. Ein Anwärter für den Rechtspflegerberuf muss zuerst einmal einen Eignungstest machen. Erst dann, wenn dieser Eignungstest erfolgreich bestanden wurde, wird er zur Ausbildung zugelassen. Dann beginnt eine insgesamt vier Jahre dauernde Ausbildung. Ich betone: Vier Jahre wird man zum Rechtspfleger ausgebildet! Der Rechtspfleger wird in den Sparten Zivil­recht, Strafrecht, Exekutionsrecht und Außerstreitrecht eingesetzt und erlernt dort sein Handwerk. Wir haben beim Rechtspfleger schon jetzt auch eine Ausbildung im Straf­recht, allerdings wird er derzeit noch nicht zu Tätigkeiten in diesem Rechtsbereich her­angezogen.

Der Rechtspflegeranwärter absolviert Lehrgänge, und zwar insgesamt drei, er hat kom­missionelle Prüfungen abzulegen, und zwar nicht eine, sondern mehrere, die immer


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vor zwei Richtern und Rechtspflegern stattfinden, und den Abschluss bildet dann eine schriftliche und kommissionelle Prüfung, ebenfalls vor zwei Richtern und dem zuständi­gen Spartenpfleger. Besteht der Anwärter diese Prüfung nicht, kann er nach neuerli­cher Teilnahme am Lehrgang diese Prüfung wiederholen. Eine zweite Wiederholung ist nicht zulässig.

Nach der bestandenen Prüfung erhält der Rechtspflegeranwärter ein Diplom und wird dann nach mindestens drei Praxisjahren – und wenn man all die Jahre bis zum Ab­schluss zusammenrechnet, dann kommt man auf sieben Jahre – eigenverantwortlich tätig, also insgesamt nach sieben Jahren. Meiner Meinung nach werden daher die Aus­sagen, dass man das genau prüfen müsse, und die geäußerten Befürchtungen, dass es da zu Schwierigkeiten kommen könnte, ad absurdum geführt.

Es gibt selbstverständlich die Möglichkeit, die Entscheidungen von Rechtspflegern zu korrigieren. Dafür gibt es Rechtsmittel, und diese sind vornehmlich die Vorstellung und der Rekurs. Ich will das jetzt hier nicht näher ausführen, denn das würde eindeutig zu weit führen.

Der Rechtspfleger hat von sich aus die Möglichkeit, Ansinnen oder Geschäftsfälle ab­zulehnen. Und der Richter kann sich nach wie vor die Erledigung einzelner Geschäfts­stücke vorbehalten und die Erledigung an sich ziehen. Der Rechtspfleger ist in be­stimmten Fällen sogar verpflichtet, Geschäftsstücke dem Richter vorzulegen. Und als bestes Mittel, meine ich, besitzt der Richter nach wie vor ein Weisungsrecht gegenüber dem Rechtspfleger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Meinung, dass durch die besonders gute Ausbildung und die bestehenden Kontrollmechanismen in Verfahrensangelegenheiten die geforderte Qualität garantiert wird und wir somit unserem Ziel, die Richter zu ent­lasten, wieder ein Stück näher gekommen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundes­räten der ÖVP.)

12.27


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.28.154. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für das Jahr 2007 (III-372-BR/2009 d.B. sowie 8107/BR d.B.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Preineder. Ich bitte um den Bericht.

 


12.28.31

Berichterstatter Martin Preineder: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Ver­fassung und Föderalismus über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2007 (III-372-BR/2009 d.B.).


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Mai 2009 den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2007 (III-372-BR/2009 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm die­ses.

 


12.29.05

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Das ist natürlich eine Routinedebatte über einen Bericht, der uns alljährlich erreicht, aber wie bei jeder solchen Debatte geht es nicht nur dar­um – was ausdrücklich auch geschehen soll –, dass wir uns für die sehr intensive Ar­beit dieser beiden Gerichtshöfe bedanken, sondern insbesondere auch darum, dass wir über Entwicklungslinien, Verbesserungen und neue Modelle des Arbeitens diskutie­ren sollten, also weit über den schriftlichen Bericht hinaus.

Das ist im Ausschuss in einer sehr intensiven Form mit den beiden stellvertretenden Präsidenten, den Vizepräsidenten beider Gerichtshöfe, geschehen. Dabei haben wir wertvolle Einblicke in die sehr schwierige und auch belastende Arbeit dieser beiden Gerichtshöfe erhalten.

Der besondere Dank dieses Hauses sollte sicherlich den Richterinnen und Richtern, aber auch dem ebenso intensiv geforderten nichtrichterlichen Personal der beiden Ge­richtshöfe gelten.

Was sind nun die Herausforderungen, die diese beiden Gerichtshöfe in ihrer tagtägli­chen Arbeit zu bewältigen haben? – Gerade die uns vorliegenden Berichte zeigen, dass diese Herausforderungen insbesondere – am stärksten beim Verwaltungsge­richtshof – in der Dauer der einzelnen Verfahren liegen.

Jeder Rechtsuchende in Österreich hat neben allen innerstaatlichen Rechtsgarantien, die unsere Verfassung und unsere Gesetzgebung gewährleisten, auch die Garantien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, derzufolge unter anderem festge­legt wird, dass ein Verfahren rasch erledigt zu werden hat.

Niemand, der sein Recht sucht, hat etwas davon, wenn er viele Jahre nach dem An­lassfall vielleicht sogar Recht bekommt, und wenn er nicht Recht bekommt, ist der Rechtsschritt in eine allfällige Berufung – in dem gegenständlichen Verfahren wäre es das Verfahren vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof – nach vielen Jahren sehr viel weniger interessant, weil ja die Belastung des Rechtsuchenden in der Zwi­schenzeit weiterhin bestanden hat.

Mit Stand vom 31. Dezember 2007 waren beispielsweise beim Verwaltungsgerichtshof 377 Akte länger als drei Jahre anhängig. Und laut Aussagen im Ausschuss ist En­de 2008 – wir werden das im nächsten Bericht beurteilen können – diese Zahl mit Si­cherheit nicht zurückgegangen. Diese Grenze liegt eindeutig über jener, die der Euro­päische Menschenrechtsgerichtshof für die Dauer von Verfahren gelten lässt. Demzu­folge gibt es immer wieder Fälle, derentwegen Österreich in Straßburg verurteilt wird, weil das Verfahren zu lange gedauert hat.

Was kann man tun, um dieses schwierigen Problems Herr zu werden? – Es geht ja immer um die Arbeitsbelastung der Gerichtshöfe, aber damit auch um die intensive Be­ratung der Entscheidungen, und da kann man nicht einfach nur sagen: Ihr dürft nicht so


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lange brauchen!, denn das ginge zu Lasten der Qualität der Verfahren und die Qualität der Entscheidungen.

Sicher ist richtig, dass sich die Gerichte selbst noch besser organisieren müssen; da lässt sich immer etwas machen. Aber auf der anderen Seite ist es vor allem die Poli­tik – und das heißt, zu einem guten Teil auch das Budget –, die dafür zu sorgen hat, dass für die Gerichte optimale Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Im Regierungsübereinkommen ist die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor­gesehen, basierend auf den Vorarbeiten des Österreich-Konvents, der ja bekanntlich in diesem Saal hier getagt hat. Es gibt Signale – und ich hoffe, der Herr Staatssekretär kann das bestätigen –, dass noch in diesem Jahr eine Novelle zur Bundesverfassung in Begutachtung gehen kann, mit der die Unabhängigen Verwaltungssenate der Län­der, die ja bestehen, in Landesverwaltungsgerichte umgewandelt werden und mit der außerdem vor allem ein Bundesverwaltungsgerichtshof erster Instanz geschaffen wird. Mit dieser Neuordnung würden rechtsstaatliche Impulse gesetzt werden, aber vor allem würde damit dem Verwaltungsgerichtshof eine bessere Arbeitsbedingung gegeben werden.

Sobald diese Vorlage ins Parlament kommt, werden wir sicher mit Freude einen Be­schluss fassen. Aber ich lade alle Kolleginnen und Kollegen ein, schon im Vorfeld tätig zu werden und sich dafür einzusetzen, dass dieser wichtige Reformschritt ohne unnö­tige politische Verzögerung umgesetzt werden kann.

Der Verfassungsgerichtshof steht vor einem anderen Problem: Durch die Neugestal­tung des Asylverfahrens samt der Umwandlung des UBAS in den Asylgerichtshof hat die Politik zwar eine neue Richtung vorgegeben, aber die Verfahrensentlastung, die dadurch beim Verwaltungsgerichtshof stattgefunden hat, der ja seither im Asylverfah­ren nicht mehr angerufen werden kann, schlägt sich in neuen, zusätzlichen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nieder.

Im Rahmen des Budgets, das wir im Bundesrat ja nicht zu verhandeln haben, hat da die Politik doch ein deutliches Signal gesetzt: In einer Situation, in der Sparsamkeit in der Verwaltung mehr denn je ein wichtiges Gebot ist, wurden für den Verfassungsge­richtshof 16 weitere Planstellen für JuristInnen systematisiert. Das ist ein klares Signal dahingehend, dass wir rasche Erledigungen auch im Asylverfahren wollen.

Insgesamt – das ist an dieser Stelle anzumerken – kann man aber schon jetzt feststel­len, dass sich, was die rechtliche Seite anlangt, die durchaus sensible Reform im Asyl­wesen bewährt hat: Der Asylgerichtshof hat die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt – ja beinahe übererfüllt –, er hat neue Standards gesetzt, und er konnte den ihm umge­hängten Rucksack an offenen Verfahren doch sehr, sehr deutlich abarbeiten. Auch im Asylbereich geht es letztlich darum, dass Verfahren innerhalb einer zumutbaren Zeit abgeschlossen werden, denn für die Objekte dieses Verfahrens, die Beschwerdefüh­rer, geht es ja um eine Lebensperspektive, darum, ob sie in Österreich ihr Leben wei­terführen können oder nicht. Auch wenn das vom Bericht nicht umfasst ist, so ist an dieser Stelle doch ein Dank an die Richterinnen und Richter und deren Mitarbeiter im neu geschaffenen Asylgerichtshof in höchstem Maße angebracht.

Lassen Sie mich am Schluss meiner Ausführungen ein bisschen über die Arbeit der Gerichtshöfe hinausgehend, aber tief in die Verfassungsrechtssituation unseres Lan­des eintauchend, nachstehende grundsätzliche Anmerkung machen, die ich insbeson­dere an die rechte Seite dieses Hauses, auch wenn schwach besetzt, richten möchte, und zwar berufe ich mich dabei auf jene Worte, die der Herr Bundespräsident am 50. Österreichischen Juristentag am 6. Mai gesprochen hat.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 68

Unsere Bundesverfassung verfügt über keinen geschlossenen Grundrechtskatalog. Gerade aber die Grund- und Freiheitsrechte sind ein zentraler Baustein einer demokra­tischen Republik. Ihr Standard ist in Wirklichkeit die Messlatte für den Demokratiestan­dard eines Staates.

Es gibt seit Jahrzehnten – und Generationen von Verfassungsrechtlern sind in diesen Sitzungen grau und pensionsberechtigt geworden – Bemühungen, einen neuen, um­fassenden Grundrechtskatalog zu entwickeln. Diese Bemühungen, die bisher nicht zu einem Ergebnis geführt haben, sollten deshalb keineswegs aufgegeben werden, ganz im Gegenteil, sie sind noch intensiver fortzusetzen.

Österreich ist zwischenzeitlich – da hat uns die verfassungsrechtliche Entwicklung in anderen Staaten einfach überholt – zu einem der ganz, ganz wenigen Staaten in der Europäischen Union geworden, in denen es keine ausdrücklichen sozialen Grundrech­te im Verfassungsrang gibt, obwohl die sozialen Leistungen des Staates das Leben der einzelnen Bürger mindestens im gleichen Ausmaß prägen wie die von den klassischen Grundrechten geprägten und umfassten Vollzugsbereiche.

Diese Frage hat keine theoretische, sondern eine höchst praktische Bedeutung, und ich hoffe, dass die Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP mich jetzt nicht missverste­hen, wenn ich mich ausdrücklich an sie wende.

Es geht darum, auch unseren Regierungspartner dafür zu gewinnen, soziale Grund­rechte in den Grundrechtskatalog der österreichischen Verfassungsordnung einzubau­en – nicht nur, weil wir da gegenüber anderen Staaten hinterherhinken, sondern insbe­sondere deswegen, weil auch unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger einen verfassungs­rechtlichen Standard für die so wichtigen sozialen Rechte bekommen müssen.

Diese Grundrechte sind nichts Linkes und nichts Sozialistisches, sie sind eben auf dem europäischen Niveau in der Zwischenzeit Standard geworden. Es wäre in höchstem Maße bedauerlich, wenn Österreich, das in so vielen Bereichen an führender Stelle im Ranking der europäischen Staaten liegt, gerade in diesem zentralen Bereich zum Schlusslicht werden würde.

Das Gebäude unserer Verfassung ist niemals ganz fertig gebaut, aber dieser Bauteil ist von höchster Dringlichkeit. Ich lade Sie ein, Maurerkelle, Mörtel und Ziegelsteine in die Hand zu nehmen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszuge­hörigkeit.)

12.41


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Schennach: Ob jetzt der Maurer kommt?!)

 


12.41.19

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Professor Ko­necny, unsere Innungsmeister der Wirtschaftskammer werden Sie wahrscheinlich ent­sprechend freudig empfangen und ehren, von mir ist es vielleicht ein bisschen viel verlangt, dass ich hier jetzt mit Mörtel, Hammer und Kelle unterwegs sein soll. Das ist nicht unbedingt mein Metier. (Bundesrat Konecny: Ich bin auch mit Verfassungstexten zufrieden!) Aber wenn Sie schon einen sozialen Grundrechtskatalog oder Standards einfordern, dann sind wir gerne dabei, nur einen Vorschlag müsste man schon ma­chen, und ein betreffendes Papier brauchen wir auch. Dann kann man darüber reden. (Bundesrat Konecny: Okay, nicht Mörtel, sondern Papier!)

Das hat auch nichts damit zu tun, dass die rechte Seite nicht 100-prozentig vertreten ist. Man kann auch mit wenigen Leuten die Qualität hochhalten, Herr Professor. Schau-


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 69

en Sie einmal hinüber! (Beifall der Bundesrätin Junker.) – Ja, ja, wenn man will, kann man auch applaudieren; so ist das auch wieder nicht.

Sie haben natürlich einiges vorweggenommen, weil Sie die Ausschussarbeit von ges­tern beziehungsweise von vorgestern zitiert haben; diese war sehr vorbildlich. Diesbe­züglich gilt auch mein Dank der Vizepräsidentin Dr. Brigitte Bierlein und dem Vizeprä­sidenten Dr. Rudolf Thienel für die wirklich sehr kompetenten Antworten. Es war ein wirklich sehr informativer Ausschuss: So macht Ausschussarbeit auch Sinn und Spaß; das möchte ich hier in aller Deutlichkeit entsprechend erwähnen.

Sie haben schon einiges vorweggenommen, was die Problematik ... (Bundesrat Ko­necny: Ja, das Recht des ersten Redners!) – Das ist eben das Recht des ersten Wor­tes. Ich möchte trotzdem noch etwas zu einigen Bereichen ausführen, weil es, wie ich denke, doch sowohl im Bereich des Verwaltungsgerichtshofes als auch im Bereich des Verfassungsgerichtshofes größere Probleme gibt. Es geht da um wirklich gravierende Probleme, die eben die Folgen einer Überlastung sind, die wir in diesen Gerichtshöfen haben. Hier leiden der Rechtsschutz des Bürgers und natürlich auch das Funktionieren der Verwaltung.

Die überfälligen strukturellen Maßnahmen, die immer wieder angesprochen wurden, wurden zwar in Aussicht gestellt, aber eben nicht umgesetzt. Die Situation hat sich ge­genüber 2005 noch einmal zugespitzt – Sie haben auch schon ein paar Zahlen erwähnt, Herr Professor –: Gegenüber 2005 gab es noch einmal eine Ausweitung um 15 Pro­zent, bei den Anträgen mit aufschiebender Wirkung um 46 Prozent und auf 2007 einen weiteren Anstieg bei den Beschwerden um 33 Prozent auf insgesamt 9 924 und bei den Anträgen mit aufschiebender Wirkung um 43 Prozent auf 5 066.

Ich darf aus dem Bericht des Verwaltungsgerichtshofes zitieren.

„Unter diesen Umständen kann der Gerichtshof – auf allen Ebenen einschließlich jener des nichtrichterlichen Personals – die Arbeitslast nicht mehr bewältigen; erstmals seit vielen Jahren übersteigt die Zahl der unerledigten Beschwerden am Jahresende die Marke von 10.000 (11.286 offene Beschwerdefälle zum 31. Dezember 2007).“ – Zitat­ende.

Wie wir im Ausschuss gehört haben, hat sich die Zahl 2008 wiederum erhöht; der Be­richt ist zwar nicht fertig, aber das wurde von Herrn Vizepräsident Thienel entspre­chend so formuliert.

Ich zitiere weiter: „Vor diesem Hintergrund ist der Verwaltungsgerichtshof unverändert der Auffassung, dass das Grundkonzept des ,Regierungsprogramms für die XXIII. Ge­setzgebungsperiode‘, das u.a. die Einrichtung einer echten Verwaltungsgerichtsbar­keit“ – so wie von Ihnen angesprochen, Herr Professor – „erster Stufe in Aussicht stellt, weiter verfolgt und sehr rasch umgesetzt werden sollte.“ – Zitatende.

Hier schließt sich, wie bereits angeführt, auch für mich als Bundesrat die Frage an, in­wieweit diesbezüglich bei den legistischen Vorbereitungsarbeiten schon ein Konsens erzielt wurde. – Der Herr Staatssekretär wird vielleicht die Möglichkeit haben, diese Frage zu beantworten.

Zu anderen Themen und einigem aus den Bereichen der Länder, bei dem Bund und Länder vorhandene Ressourcen nicht nützen: Im Berichtsjahr 2007 verfügte der Ge­richtshof über insgesamt 25 Planstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter. Die Tätigkeit dieser wissenschaftlichen Mitarbeiter dient nicht nur der Unterstützung des Gerichtsbe­triebes, durch sie ergibt sich auch die Gelegenheit, Kenntnisse des öffentlichen Rechts zu vertiefen und die Entscheidungsabläufe eines Höchstgerichtes kennenzulernen – viele frühere wissenschaftliche Mitarbeiter sind heute mit großem Erfolg in verschiede­nen Bereichen der öffentlichen Verwaltung tätig –, und auch bei der Ausbildung könnte


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der Verwaltungsgerichtshof oder könnten Verwaltungsrichter entsprechende wertvolle Beiträge leisten.

Von der Möglichkeit der Dienstzuteilung dieser Juristen, die in den Dienststellen des Bundes und vor allem auch der Länder tätig sind, zum Verwaltungsgerichtshof wurde in den letzten Jahren nur sehr wenig Gebrauch gemacht. – Dazu stellt der Verwal­tungsgerichtshof richtigerweise fest, dass es zielführend wäre, die Kontakte zu den Bundesministerien und zu den Verwaltungen der Länder eben enger zu gestalten.

Zum sogenannten „Länderviertel“ noch eine Bemerkung, weil vom Verwaltungsge­richtshof erneut darauf hingewiesen wurde, und ich zitiere, dass – um „entsprechend geeignete Bewerber aus Berufsstellungen in den Ländern für eine Karriere beim Ver­waltungsgerichtshof zu gewinnen – für Mitglieder des Gerichtshofes, die ihren Haupt­wohnsitz in einem Bundesland außerhalb Wiens beibehalten, ein Ausgleich finanzieller Mehraufwendungen geschaffen werden sollte.“ – Klingt logisch, ist aber nicht so.

Ich zitiere weiter: „Die Landeshauptleutekonferenz hat sich am 29. Oktober 1999 dafür ausgesprochen, Richtern des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtsho­fes, die ihren Hauptwohnsitz in einer großen Entfernung von der Bundeshauptstadt Wien haben, zum Ausgleich für die ihnen dadurch entstehenden Nachteile die gleiche Reisekostenvergütung und Nächtigungsvergütung zu gewähren, die für die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes besteht.“ – Zitatende.

Diesbezüglich verweise ich auch noch auf einen Gesetzesantrag der Kollegen Bundes­rat Alfred Gerstl und Genossen vom 21. Dezember 1999, den man hier auch erwähnen darf, der gleichfalls nicht umgesetzt wurde.

Betreffend den Bereich des Verfassungsgerichtshofes haben Sie die Problematik er­wähnt: UBAS, die Erfolgsgeschichte des Asylgerichtshofes und natürlich auch, welche Probleme sich der Verfassungsgerichtshof damit eingeheimst hat. – Das brauche ich nicht weiter auszuführen, aber ich kann es entsprechend unterstützen, weil das auch ein wichtiger Einwand ist.

Deshalb zu zwei Themenbereichen aus dem Bericht des Verfassungsgerichtshofes, bei denen wieder Länderinteressen tangiert sind.

Beim ersten Punkt geht es um eine Anfechtungsfrist im Verfahren vor dem Verfas­sungsgerichtshof für landesgesetzlich geregelte direktdemokratische Instrumente. Anlassfall war eben eine landesgesetzlich geregelte Volksbefragung im Sinne des Art. 141 Abs. 3.

Hier – und ich zitiere – „weist der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass der Bundes­gesetzgeber nach wie vor keine Regelung betreffend die Anfechtungsfrist vor dem Ver­fassungsgerichtshof für landesgesetzlich geregelte direktdemokratische Instrumente getroffen hat. An den Bundesgesetzgeber ergeht die Anregung, diese Lücke zu schlie­ßen.“ – Zitatende.

Ich denke, diesem Begehren kann sich der Bundesrat hoffentlich fraktionsübergreifend inhaltlich anschließen.

Es gilt noch einen zweiten Punkt hier anzumerken, und zwar betreffend eine Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes ohne vorherige Befassung des Verfassungsge­richtshofes. – Das klingt auch unglaubwürdig, ist aber so.

Ich zitiere: „Im Zusammenhang mit der Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde (...) das Verfassungsgerichtshofsgesetz (VfGG) geändert, wobei die vorgenommenen Än­derungen zum allergrößten Teil inhaltlich nichts mit der Einrichtung des Asylgerichts­hofes zu tun haben (...). Den Änderungen des VfGG ist eine inhaltliche Befassung des Verfassungsgerichtshofes nicht vorausgegangen.“ – Zitatende.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 71

Der Verfassungsgerichtshof hat sich natürlich über diese Vorgangsweise entsprechend und berechtigterweise befremdet gezeigt. Das wäre, wie wenn man den Bundesrat ab­schaffte und niemand von uns sagte irgendetwas dazu. (Bundesrat Schennach: Was wir ja niemals hinnehmen würden, Herr Kollege!) Niemals würden wir das hinnehmen, Herr Kollege Schennach!

Ich zitiere weiter: „Es war bisher eine Selbstverständlichkeit, dass vorgeschlagene Än­derungen des VfGG im Zuge der Vorbereitungen mit dem Verfassungsgerichtshof be­sprochen werden. Das hat sich als sinnvoll erwiesen, weil es der Sachgerechtigkeit von Gesetzesänderungen dienlich war.“ – Zitatende.

Ein entsprechendes Schreiben ging an die Präsidentin des Nationalrates, die in ihrem Antwortschreiben der Hoffnung Ausdruck gegeben hat, dass sich diese Vorgangsweise nicht wiederholen werde. – Wir hoffen mit der Frau Nationalratspräsidentin.

Mein Dank gilt abschließend natürlich auch den Richterinnen und Richtern und allen Mitarbeitern sowohl des Verfassungs- als auch des Verwaltungsgerichtshofes für die hervorragende Arbeit im Sinne der Rechtspflege in Österreich, und ich darf anfügen, dass meine Fraktion der Kenntnisnahme dieses Berichts gerne die Zustimmung er­teilen wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum, Schennach und Zangerl.)

12.50


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


12.51.12

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Auch wir werden die beiden Berichte positiv zur Kenntnis nehmen, und auch von unse­rer Seite geht ein Dank an all jene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aller Ebenen in den beiden Höchstgerichten, die wahrlich nicht über Mangel an Arbeit zu klagen haben.

Kollege Konecny – lassen Sie mich darauf eingehen – hat den fehlenden Grundrechts­katalog eingemahnt. – Lieber Kollege Mayer, es war Bundeskanzler Josef Klaus (Ruf bei der ÖVP: Das ist schon länger her, ja!), der die erste Grundrechtskommission in Österreich eingerichtet hat, und bis jetzt gibt es kein Ergebnis. Daher – ich sage das hier ganz offen – rührt auch meine Leidenschaft für den Lissabon-Vertrag: weil wir so zumindest auf europäischer Ebene das bekommen, was wir national bis heute nicht geschafft haben, nämlich einen Grundrechtskatalog. (Beifall des Bundesrates Ko­necny.) Deshalb hoffe ich, dass wir diese Debatte und auch die mahnenden Worte des Bundespräsidenten zum Anlass nehmen, in Österreich endlich Grundrechte miteinan­der zu definieren und sie gemeinsam zu verabschieden.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber wir können es ja auch ausrechnen, Herr Kollege Mayer: 11 000 Fälle bis Ende 2007 beim Verwaltungs­gerichtshof nicht erledigt; und es gibt eine Hochrechung, Herr Kollege Mayer, dass mit Ende 2008 20 000 Fälle nicht erledigt sind. Ich betone: 20 000! Bei einer Abarbeitung von 2 500 Fällen pro Jahr wären das alleine sieben bis acht Jahre, ohne einen Neuan­fall von rund 2 000 Fällen zu berücksichtigen.

Aber, Herr Kollege Mayer, als die ÖVP gemeinsam – ich weiß jetzt nicht, wer damals aktuell der Koalitionspartner war – mit Blau oder Orange und der SPÖ aus der Opposi­tion den Asylgerichtshof beschlossen hat, bin ich hier gestanden und habe damals in meiner Rede gesagt – ich kann mich noch daran erinnern –: Leute, Ihr habt – da waren die Sozialdemokraten nicht schuld an dem, was bis dahin war – ein Höchstgericht


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 72

lahmgelegt, und jetzt legt Ihr ein zweites Höchstgericht lahm, nämlich den Verfas­sungsgerichtshof! – Und genau das tritt jetzt ein!

Es ist nicht so, Herr Kollege Konecny, dass jetzt, nach Einrichtung des Asylgerichts­hofes und dem Wechsel der Zuständigkeit vom Verwaltungsgerichtshof zum Verfas­sungsgerichtshof, dem Verwaltungsgerichtshof plötzlich eine Riesenlast hinunterfällt, nein, diese 20 000 Fälle sind aufzuarbeiten! (Bundesrat Konecny: Die werden auch aufgearbeitet!) Das heißt, beide Gerichte sind – und der Verfassungsgerichtshof rech­net mit einem Anfall von 4 000 Fällen – „zugeschüttet“.

Da muss man sich fragen, warum es zu einer solchen Masse an Fällen kommt, und es ist die Ursprungsfrage zu stellen: Wie gut sind unsere fremdenrechtlichen Bestimmun­gen, unsere asylgesetzlichen Bestimmungen, und warum produzieren diese dermaßen viele Rechtsfälle? – Da liegt einfach ein schlechtes Gesetzeswerk an Grundrechten vor, das zu diesem Anfall an Beschwerden an die Höchstgerichte geführt hat und wei­terhin führt.

Es ist ja auch interessant, dass seit 1997, also mit zehn Jahren Abstand, 2007 der höchste Zuwachs an neuen Fällen zu verzeichnen ist – das war ja schon etwas an­ders –, und seit der Jahrtausendwende war die Lücke zwischen Neuanfall und Erledi­gung noch nie so groß. Hier müssen wir handeln!

Liebe Freunde von der Regierungskoalition! Wir können dem Verfassungsgerichtshof tatsächlich eine große Erleichterung verschaffen, nämlich wenn wir endlich Verwal­tungsgerichte der ersten Instanz einführen, und zwar dort, wo es gegen Bescheide von Behörden keine Möglichkeit der Beschwerde mehr gibt, sodass diese dann nicht an den Verfassungsgerichtshof gehen. Das sind nämlich sehr, sehr viele, die verfassungs­rechtlich gar keine Begründung haben, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen.

Das ist eine riesige Frustration für diejenigen, die Beschwerde führen, und es ist eine – salopp gesagt – „Megahacken“ für den Verfassungsgerichtshof, weil er sie ja trotzdem bewerten und beurteilen muss, um den Beschwerdeführern mitzuteilen: Liebe Leute, hier liegt keine verfassungsrechtliche Grundlage vor!

Verschiedene solcher Elemente belasten unsere Höchstgerichte, und die Höchstge­richte – der Verfassungsgerichtshof als Hüter der Verfassung und hoffentlich auch ein­mal als Hüter der Grundrechte und der Verwaltungsgerichtshof – sind wesentliche Ele­mente unseres Rechtsstaates! Durch diesen zum Teil unnotwendigen Anfall an Tätig­keiten werden diese Gerichte einer Strapaze ausgesetzt, die jetzt einfach auch ein Mehr an Personal notwendig macht, denn eine Abarbeitung auf sieben, acht Jahre geht nicht an. Dann käme wieder die andere Seite, es käme die Volksanwaltschaft und sagte: Dieses Ansuchen wurde seit sieben, acht Jahren nicht behandelt! Die Menschen haben ein Recht, relativ bald zu wissen, wie sie dran sind und wo sie stehen!

Deshalb müssen wir einerseits die Verwaltungsgerichte erster Instanz installieren und zum Zweiten tatsächlich überprüfen, wo „der Hund“ in unseren Fremden- und Asylrech­ten „begraben liegt“, dass hier ein dermaßen lawinenhafter Anfall von Beschwerden notwendig ist. – Danke. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum, Zangerl und Ebner so­wie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.58


Präsident Harald Reisenberger: Als nächster Redner gelangt Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer zu Wort. – Bitte.

 


12.58.32

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 73

man die beiden Berichte zusammenfasst, kann man sie meiner Meinung nach auf drei Punkte reduzieren.

Der eine Punkt – er wurde schon von meinen Vorrednern angesprochen – ist der Vor­schlag beider Gerichtshöfe, eine Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz einzufüh­ren, die beiden anderen Punkte decken sich ebenfalls, wenn auch sozusagen in zeitli­cher Verschiebung, nämlich die Klage über den hohen Anteil an Beschwerden im Zu­sammenhang mit Asylverfahren.

Was wurde gemacht? – Einerseits wurden die Schlüsse aus der Entwicklung gezogen und man hat den Asylgerichtshof mit ungefähr 270 Beschäftigten geschaffen, ganz ge­nau sind es 272 Beschäftigte. Der Asylgerichtshof hat am 1. Juli 2008 seine Tätigkeit aufgenommen und – dafür ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch dem Präsidenten zu danken – er hat die Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, bisher er­füllt.

Von den 23 600 Beschwerdeverfahren, die er vom UBAS übernommen hat, wurden ungefähr 25 Prozent in der Zwischenzeit abgebaut. Wir halten jetzt, sozusagen vom Überhang her, bei 17 400; Kollege Konecny hat das ja schon erwähnt.

Der zweite Punkt: Von den 7 400 neu anhängig gewordenen Beschwerdeverfahren in diesem Zeitraum – der Zeitraum, den ich meine, erstreckt sich von Juli 2008 bis März 2009 – wurde ungefähr die Hälfte sofort erledigt. Die rund 2 100 Dublin-Verfah­ren – da geht es um Verfahrenszuständigkeiten eines anderen Staates – konnten in durchschnittlich 10 bis 14 Tagen abgehandelt werden.

Was also den einen Punkt betrifft, die vielen Beschwerdeverfahren in Asylrechtsange­legenheiten, wurde, glaube ich, mit dem Asylgerichtshof die richtige Antwort gegeben. Das zeigt auch die bisherige Statistik.

Zum Zweiten: Natürlich kommt es dadurch nicht sofort zu einer Entlastung des Verwal­tungsgerichtshofes. Die Verfahren, die beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sind, sind auch vom Verwaltungsgerichtshof abzuhandeln. Aber es ist dadurch sozusagen der Nachfluss an Asylverfahren klarerweise gestoppt.

Man hat aber trotzdem auch beim Verwaltungsgerichtshof reagiert; oder man ist dabei, zu reagieren, es ist dazu ja noch die Beschlussfassung im Zusammenhang mit dem Stellenplan und dem Budget notwendig. Wir stocken dort das Personal um zehn Perso­nen auf, konkret beim Verwaltungsgerichtshof.

Die Regelung, dass nicht mehr der Verwaltungsgerichtshof angerufen werden kann, sondern der Verfassungsgerichtshof, hat natürlich zu einem vermehrten Anfall beim Verfassungsgerichtshof geführt. Davor wurde ja gewarnt, und darauf wurde auch schon hingewiesen. Aber in einem rechtsstaatlichen Verfahren muss es irgendwo ein Gericht geben, wo es letztendlich landet.

Wir reagieren darauf insofern, als wir das Personal im Verfassungsgerichtshof um 19 Personen aufstocken. Der Verfassungsgerichtshof hat insofern reagiert, als er zu­sätzlich zu den vier Sessionen, die er jährlich hat, Zwischensessionen einschiebt, um den Neuanfall, der in Asylverfahren gegeben ist, abzuarbeiten.

Aber wichtig sind auch die Zahlen, die ich jetzt nenne, um zu zeigen, mit welcher Quali­tät der Asylgerichtshof arbeitet. Es wurden gegen 1 200 Entscheidungen Beschwerden erhoben. Mit Beginn des zweiten Halbjahrs 2008 hat der Asylgerichtshof mit der Arbeit begonnen, da hat er zu entscheiden begonnen, und gegen 1 200 Entscheidungen wur­de Beschwerde erhoben. 588 davon, also rund die Hälfte, wurden schon bis jetzt vom Verfassungsgerichtshof erledigt, und nur in vier Fällen wurde den Beschwerden statt­gegeben. Das heißt, in allen anderen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof die Ent-


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 74

scheidungen des Asylgerichtshofs bestätigt! Ich glaube, das ist wirklich ein eindrucks­voller Beweis für die hohe Qualität der Entscheidungen, die dort getroffen werden.

Ein ähnliches Bild zeigt sich im bisherigen Zeitraum des Jahres 2009. Da wurde von 1 000 Beschwerden, die eingereicht wurden, ungefähr zehn Beschwerden stattgege­ben. Das heißt, die Aufhebungsquote ist nicht 50 Prozent, 40 Prozent, 30 Prozent oder was auch immer, sondern diese ist ungefähr 1 Prozent; 99 Prozent der Entscheidun­gen des Asylgerichtshofs werden bestätigt! Insofern kann man sagen, die Einrichtung hat sich jedenfalls bis zum jetzigen Zeitpunkt bewährt, und ich oder wir haben keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass sie sich auch weiterhin bewähren wird.

Zu der anderen Anregung, die die beiden Gerichtshöfe gemacht haben, nämlich zur Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, kann ich Ihnen mitteilen, dass wir – wie es ja auch im Regierungsabkommen vorgesehen ist – intensiv daran ar­beiten, einerseits Landesverwaltungsgerichtshöfe zu schaffen, in denen die Unabhän­gigen Verwaltungssenate aufgehen sollen, und ein oder mehrere Bundesverwaltungs­gerichte erster Instanz zu schaffen.

Ich sage deshalb „ein oder mehrere“, weil es ein offener Punkt ist, ob es neben einem Bundesverwaltungsgericht erster Instanz auch ein Bundesfinanzgericht geben soll. Der Koalitionspartner ist momentan eher auf dieser Linie, dass es neben dem Bundesver­waltungsgericht erster Instanz auch ein Bundesfinanzgericht geben soll.

Alle derzeit bestehenden Sonderbehörden beziehungsweise Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag sollen dann in diesen Verwaltungsgerichten aufgehen. Diese sollen natürlich in der Sache selbst entscheiden. Eine Laienbeteiligung wird vorgese­hen sein, und zwar in Form von fachkundigen Experten.

Eine Frage ist noch offen, nämlich ob wir dann, wenn die Bundesverwaltungsgerichte erster Instanz geschaffen werden, gleich auch den Asylgerichtshof eingliedern sollen oder ob wir, ich sage jetzt, bis Ende 2010 oder bis 2011, jedenfalls den Asylgerichtshof eigenständig arbeiten lassen. Die Frage, die man dann eben diskutieren oder klären muss, ist: Wird dadurch der Schwung, den es jetzt gibt, eher gebremst oder ver­stärkt? – Aber dazu wird es mit den einzelnen Akteuren natürlich noch intensive Dis­kussionen geben.

Zum Zeitrahmen: Der Plan ist, dass wir im Herbst – wenn es geht, im September – so weit sind, dass es einen Gesetzentwurf gibt, dass wir dann mit diesem Gesetzentwurf in Begutachtung gehen und darauf achten, die Gespräche entsprechend intensiv zu führen, um möglichst rasch diese neue Form der Verwaltungsgerichtshöfe einerseits auf Länderebene, andererseits als Bundesverwaltungsgericht erster Instanz einrichten zu können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.06


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm dieses.

 


13.06.47

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Herr Professor Konecny hat eingefordert, dass die sozialen Grund­rechte in die Verfassung kommen sollen. Ich glaube – und Kollege Schennach hat dar­auf schon hingewiesen –, wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft treten sollte, nachdem der tschechische Senat am Mittwoch mit 54 : 20 zugestimmt hat (Bundesrat Schenn­ach: Aber noch nicht Herr Klaus!), während drei präsidiale Unterschriften noch fehlen, nämlich jene von Tschechien, Polen und Deutschland, und natürlich auch das irische Referendum erstens einmal stattfindet und zweitens positiv ausgeht, dann hätten wir,


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 75

da wir ja den Lissabon-Vertrag in den Verfassungsrang gehoben haben, diese Grund­rechte vielleicht mit Anfang 2010 auch in der österreichischen Verfassung.

Was die Teilreparaturen der österreichischen Verfassung betrifft, bin ich eher der Auf­fassung, dass man doch versuchen sollte, das Konventsergebnis und das, was dann im besonderen Ausschuss erarbeitet worden ist, umzusetzen, denn es wäre schon gut, wenn wir eine Verfassung aus einem Guss und nicht aus Stückwerk bekämen.

Damit bin ich bei dem Vorschlag von Professor Konecny, dass jetzt wir alle die Ziegel, den Mörtel und den Beton, nein, nicht den Beton, in die Hand nehmen sollen, um sozu­sagen ein neues Haus zu bauen – dann aber, bitte, ein wirklich neues Haus, komplett durchgeplant, und nicht einen zusätzlichen Erker, einen Dachgeschoßausbau oder Ähnliches! (Bundesrat Schennach: Eine Reanimation des Konventsergebnisses!)

Zuletzt möchte ich, da schon sehr vieles gesagt worden ist, auch kurz auf diese beiden Berichte betreffend Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof eingehen. Auch ich möchte meinen Dank an die Verfasser der Berichte aussprechen! Sie zeich­nen sich durch Prägnanz aus. Wir kennen andere Berichte, zum Beispiel den Digitali­sierungsbericht, da denke ich mir immer wieder, wenn wir ihn auf den Tisch bekom­men – er kommt übrigens, glaube ich, auch aus dem Bundeskanzleramt –, dass man sich hier vielleicht ein Beispiel nehmen sollte, wie man ihn etwas kürzer fassen könnte. (Bundesrat Schennach: Das ist aber sehr komplex!) Mag sein, aber es geht auch kür­zer; die Juristen zeigen jedenfalls, wie man das prägnant macht.

Das Zweite ist, dass ich auch dem neuen Vorsitzenden des Verfassungs- und Föde­ralismusausschusses meinen Dank aussprechen möchte, denn diese Sitzung war erstens auf einem unheimlich hohen Niveau, zweitens ist sehr in die Tiefe gegangen worden, und es war für mich eine der besten Ausschusssitzungen, die ich seit langem erlebt habe. Mein herzlicher Dank in Richtung Vorarlberg! Man sieht nämlich, in Vorarl­berg sind – nachdem das von Vizepräsident Weiss auf dich, Edgar, übergegangen ist – einerseits Verfassungsinteressierte und andererseits auch echte Föderalisten am Werk. Das ist besonders gut für den Bundesrat.

Professor Konecny hat erwähnt, dass wir Mitglied des Europarates sind, diverse Ver­pflichtungen haben; ich möchte jetzt nicht näher darauf eingehen. Aber eines ist in Österreich schon ein Problem, Herr Staatssekretär, nämlich die Verfahrensdauer beim Verwaltungsgerichtshof. Wenn wir da von 19 Monaten im Schnitt sprechen, dann gibt es eben, wie Sie erwähnt haben, soundso viele Verfahren, die schon länger als drei Jahre anhängig sind. Das ist, um es dezent zu sagen, ein Skandal!

Warum? – Wir haben uns in Österreich immer wieder darüber lustig gemacht, dass ita­lienische Verhältnisse in der Rechtsprechung in Österreich nicht Einzug halten dürfen. Da muss ich schon sagen, da zeichnet sich etwas ab! Der Asylgerichtshof hat viel­leicht, pessimistisch beurteilt, das Problem ein bisschen aufgeschoben; wir werden se­hen, wie das in zwei oder drei Jahren ausschaut. Hoffentlich gehen Ihre Prognosen in Erfüllung, dass nicht so viel beim Verfassungsgerichtshof landet, denn eines ist schon klar: Wenn man die obersten Gerichte zuschüttet, dann kommt es mit der Zeit zu einem Chaos, und das wollen wir nicht.

Wenn wir wieder zum Europarat kommen: Der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte (Bundesrat Konecny: Dieselbe Situation!) ist zugeschüttet, unter anderem auch durch die Maßnahme, dass Russland, die Russische Föderation, nicht bereit ist, das sogenannte Protokoll 14 zu ratifizieren, und die erwürgen sich, im wahrsten Sinne des Wortes, in Straßburg.

Daher ist es unbedingt notwendig, dass wir – Österreich will ja immer wieder als Mus­terstaat gelten – hier weiter daran arbeiten, ein Musterstaat zu bleiben, denn eines ist


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 76

schon sehr wichtig: Rechtstaatlichkeit, Kürze der Verfahren und rasche Entscheidun­gen sind auch ein Standortfaktor, der uns weiterhilft, dass wir unseren wirtschaftlichen Wohlstand und unseren Platz in der EU in Zukunft erhalten können.

In diesem Sinne danke ich noch einmal allen Verfassern und schließe meine Rede mit diesem Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.12


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die ge­genständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

13.12.355. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 – BSFG, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2007, geändert wird (529/A und 173 d.B. sowie 8108/BR d.B.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nunmehr zum 5. Punkt der Tagesord­nung.

Ich darf, bevor ich den Bericht erstatten lasse, unseren Herrn Bundesminister Norbert Darabos recht herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Berichterstatter zum 5. Punkt ist Herr Bundesrat Stadler. Bitte um die Berichterstattung.

 


13.13.02

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2007, geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Mai 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Harald Reisenberger: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kaltenbacher. Ich erteile ihm dieses.

 


13.13.51

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Sportminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute beschließen wir eine Ände­rung des Bundes-Sportförderungsgesetzes, welche zum Ziel hat, einerseits mehr Men­schen und Jugendliche für sportliche Betätigungen zu gewinnen, andererseits den Spit­zensport entsprechend fokussiert zu fördern.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 77

Es wird nun sichergestellt, dass die Dachverbände für ihre tägliche Arbeit die entspre­chenden finanziellen Mittel bekommen. Daraus resultierend bekommen die Fachver­bände rascher und unkomplizierter Fördergelder für die Unterstützung ihrer Arbeit – ein wichtiger Punkt in Zeiten der Krise, dass dann, wenn Subventionen zurückgehen, rela­tiv rasch für die SportlerInnen und Vereine agiert wird! Bis 2011, glaube ich, sollen in einem intensiven Dialog mit Dach- und Fachverbänden, Bundessportorganisationen und so weiter neue Richtlinien für eine strukturelle Verbesserung im österreichischen Sportförderwesen erarbeitet werden. Weniger Geld für Administration und mehr Geld für die Umsetzung innovativer Projekte und für die betreibenden SportlerInnen!

Unzählige Vereine mit ihren großteils ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionä­ren leisten hervorragende Arbeit in den unterschiedlichsten Sportarten. Auch ich und einige meiner Kolleginnen und Kollegen waren Obleute der unterschiedlichsten Vereine. Ich habe selbst über sechs Jahre einen Sportverein geführt, mit zwei Kampfmann­schaften und sechs Jugendmannschaften, eine davon war eine weibliche Jugend­mannschaft. Ich konnte dort erleben, mit welchem Einsatz und Engagement die Funk­tionäre arbeiten, aber auch die Schützlinge von den Eltern betreut werden.

Das ist natürlich mit viel Geld verbunden. Besonders aktive und gute Sportler sind ihren Weg in diversen Leistungsausbildungszentren weitergegangen, auch in den di­versen Fußballakademien in Salzburg, Wien oder Graz.

Ein Projekt, das mir besonders am Herzen liegt, möchte ich kurz aufzeigen, damit man sieht, wie die Verbindung zwischen Jugend, Leistungszentren und dem, was danach kommt, erfolgt. Das Nordische Sportstadion der Stadt Murau wurde anlässlich der Snowboard WM 2003 am Kreischberg für die Eröffnungsfeierlichkeiten umgebaut. Nachhaltig wurde damit auch eine Infrastruktur geschaffen, die eine Ausbildung im Nachwuchsbereich der Nordischen möglich machte – eine sinnvolle und gescheite Sache!

In den Disziplinen Biathlon, Langlauf, Nordische Kombination und Sprunglauf haben in sieben Saisonen, von Feber 2003 bis April 2009, 72 Veranstaltungen stattgefunden, mit zirka 5 400 Jugendlichen – also StarterInnen, muss ich sagen –, davon waren 80 Prozent Kinder und Jugendliche bis zu 14 Jahren. Die Betreuung dieser Kinder erfolgt durch engagierte Trainer und Trainerinnen, ehemalige Nationalmannschaftsteil­nehmer, und das – das ist ganz wichtig! – finanziell und auch subjektiv unterstützt durch die Eltern, die Gemeinden und das Land.

Weiters haben wir in Murau eine Skihauptschule. Dorthin kommen Jugendliche aus dem Bezirk, aber auch aus Salzburg, aus dem Bezirk Lungau. Wo liegt das Problem? – Wir haben dort drei Schanzen; zur Erklärung: eine K-20-Schanze für Kinder bis zu 10 Jahren, eine K-35-Schanze für Kinder bis zu 12 Jahren, und jetzt kommt eine K-60-Schanze für Kinder von 12 bis 14 Jahren hinzu.

Hier brauchen wir eine Kunststoffmattenbelegung. Warum? – Weil die Jugendlichen, die sich besonders dazu eignen, dann in diverse Ausbildungszentren wie Stams, Schladming, Saalfelden oder Eisenerz gehen. Das heißt, es muss hier von Winter- auf Sommerbetrieb umgestellt werden, damit wir das große Reservoir an geeigneten Ju­gendlichen halten können. Nur wenige schaffen es dann, in die entsprechenden Zen­tren zu gehen.

Derzeit haben wir das Problem, dass wir, Gemeinde und Land gemeinsam, die erfor­derlichen 250 000 € nicht aufbringen. Mit der Änderung dieses Bundes-Sportförde­rungsgesetzes hoffen wir, entsprechende Mittel zu bekommen. Der ÖSV unterstützt uns aktiv, auch die Gemeinden; nichtsdestoweniger brauchen wir das, damit einerseits die Skihauptschule mit Schwerpunkt Nordisch, aber auch dieses Jugendleistungszen-


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trum für Jugendliche von 8 bis 14 Jahren auf Sommerbetrieb umgestellt und somit nachhaltig betrieben werden kann.

Ich danke dir, Herr Bundesminister Darabos, für dein Engagement in Sachen Sport! Wir werden dich im Rahmen unserer Möglichkeiten immer unterstützen. Daher wird un­sere Fraktion dieser Änderung gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. Ich erteile ihr dieses.

 


13.20.01

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Der Sport hat in der Zwischenzeit sehr viel­fältige Aufgaben übernommen. Das gilt nicht nur in Bezug auf Bewegung, sondern er ist auch in Bezug auf Prävention, Gesundheit und Integration ein nicht zu unterschät­zender Faktor.

Das Thema Sport muss viel öfter in die Gesundheitsdiskussionen eingebracht werden, da viele Erkrankungen durch umfassenden Breitensport verhindert werden könnten. Wenn man 1 € in den Sport investiert, erspart man sich 3 € im Gesundheitswesen. Was die Zurverfügungstellung finanzieller Mittel anlangt, konnten wir in den vergange­nen neun Jahren eine gewaltige Steigerung erreichen. Standen im Jahre 2000 noch 32 Millionen € für Sportförderung zur Verfügung, so sind es jetzt 71 Millionen €. Die Mittel für Sportförderung wurden also mehr als verdoppelt. Es ist nun wichtig und richtig, dass diese Mittel zielorientiert eingesetzt werden.

Wir in Österreich – das haben wir ja schon gehört – sind in der glücklichen Lage und können uns glücklich schätzen, dass wir, und da brauchen wir nicht vor internationalen Vergleichen zurückzuschrecken, eine perfekte, qualitativ hochwertige Sportstruktur vorweisen können. In ganz Österreich gibt es ein Vereinsnetzwerk mit über 13 000 Vereinen, von den Fachverbänden bis zu den Dachverbänden, eine ausgezeichnete Organisationsstruktur mit x-tausenden ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionä­ren, die diese unterstützen. Diesen Funktionärinnen und Funktionären gehört auch un­ser Dank und unsere Wertschätzung für ihren unermüdlichen Einsatz im Dienste des Sports!

Wie schon gesagt: Unsere Erwartungen sind sehr hoch. Sport soll unsere Kinder weg von der Straße hin zu den Sportplätzen bringen, er soll Lust auf Bewegung und Leis­tung machen, er soll der Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen entgegenwirken und er soll den 60 Prozent, die sich noch nicht bewegen wollen, Lust auf Bewegung machen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, Sport ist vielschichtig und vielfältig. Daher ist es wichtig, dass dafür auch die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der Breitensport ist stark vom Spitzensport abhängig. Ohne Spitzensport würde es keinen Breitensport oder fast keinen Breitensport geben. Es würde der Anreiz fehlen.

Unsere Leistungsträger im Spitzensport – egal, um welche Sportart es sich handelt – sind die Vorbilder unserer Sportlerinnen und Sportler im Breitensport. Kinder und Ju­gendliche orientieren sich sehr stark an diesen Sportlern. Sie finden alles, was diese machen, toll und faszinierend. Mit einem Wort, es ist „cool“, was ein Spitzensportler macht. Diese Verantwortung muss den Spitzensportlern auch bewusst sein. Ihr Verhal­ten in allen Lebenslagen, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, wird nachgemacht.

Dies gilt auch dafür, wie Spitzensportler mit leistungssteigernden Substanzen umge­hen. Greift ein sogenanntes Idol zu solchen Mitteln, ist der Breitensportler leicht ver­führt, es ihm gleichzutun. Unser Ziel muss es sein, sauberen Sport zu unterstützen und


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zu fördern und uns um ein koordiniertes EU-weites Vorgehen in der Dopingfrage zu kümmern. Scheinheiligkeit darf keinen Platz finden.

Die Verbände leisten ausgezeichnete Arbeit, ganz gleich ob ASKÖ, ASVÖ oder Sport­union. Alle ziehen in der Bundessportorganisation an einem Strang. Es gilt, die Zusam­menarbeit zwischen dem Ministerium und den Organisationen des Sports auf eine ausgezeichnete Basis zu stellen, damit wir gemeinsam unsere Projekte im Sinne des Sports verwirklichen können.

Zusammenfassend kann man sagen: Sport muss uns allen ein Anliegen sein, vor allem auch die Förderung des Spitzensports, um eine positive Entwicklung im Breitensport zu erwirken. Stimmen wir alle der Änderung des Sportförderungsgesetzes zum Wohle unserer Kinder und Jugendlichen, der Breitensportlerinnen und Breitensportler zu und bedanken wir uns damit auch bei allen ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionä­ren für ihren unermüdlichen Einsatz im Dienste des Sports. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.25


Präsident Harald Reisenberger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr dieses.

 


13.25.40

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Zum Thema Sport und Gesundheit – Kollegin Junker hat es vorhin schon angesprochen –: Das Verhältnis 1 : 3 ist natürlich ein interessantes Verhältnis. Das ist sicher überlegenswert. Ich denke allerdings, das gilt vor allem für den Breitensport. Ob es für den Spitzensport auch in dem Ausmaß gilt ... (Bundesrätin Junker: Für den Breitensport!) Für den Breitensport, das haben Sie nicht dazugesagt.

Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den Sie jetzt auch erwähnt haben und der in den Unterlagen auch als Begründung für den heutigen Beschluss angeführt wird, näm­lich dass der Spitzensport mehr oder weniger die Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Leute sich für Breitensport interessieren. Es ist gang und gäbe, das zu behaupten. Ich persönlich erlebe das in Wirklichkeit ganz anders. Ich persönlich erlebe eine ge­sellschaftliche Entwicklung, in deren Gefolge sich immer mehr Menschen nicht mehr oft bewegen müssen. Sehr viel Bewegung fällt weg, und Breitensport übernimmt so ein bisschen die Rolle für diejenigen, die trotzdem in Form bleiben wollen, die Spaß daran finden, eben zu dieser Bewegung zu kommen. Ob jetzt der Skispringer, Skiflieger, Ski­fahrer oder sonst irgendwer hinunterfährt oder nicht, ist ganz sicher zweitrangig dafür, ob jemand Breitensport betreibt oder nicht. Das macht man üblicherweise doch in erster Linie, um sich fit zu halten und seine Bewegung und seinen Spaß zu haben.

Ich würde deshalb bitten, dass man, wenn man von Sportförderung redet und auch von Breitensportförderung, diesen Bewegungsverlust nicht außer Acht lässt. Je weniger sich Menschen von Haus aus bewegen müssen, weil man eben nicht mehr so oft zu Fuß geht, weil man von A nach B mit dem Auto fährt, weil viele sitzende Berufe haben, weil sehr viel in diesem Bereich wegfällt, kommt es vermehrt zum nächsten Schritt, nämlich Sport zu betreiben. Um Breitensport zu betreiben, muss man auch wieder extra animiert werden. Diesen Schritt müssen wir unterstützen. Das muss man mögli­cherweise auch bei der Sportförderung mit berücksichtigen.

Wir haben heute noch den Tagesordnungspunkt zur Adipositas-Prävention. Es geht wirklich sehr oft darum – Sie haben gesagt, die Kinder von der Straße wegzubekom­men –, die Kinder vom Computer wegzubekommen. Da bewegen sie sich nämlich gar nicht mehr. Es ist meiner Meinung nach wirklich sehr wichtig, sich überhaupt einmal in


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Bewegung zu setzen. Ich würde bitten, dass man das massiv mehr betont, als dies derzeit der Fall ist.

Im Übrigen werden wir der Vorlage natürlich zustimmen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.28


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winterauer. Ich erteile ihm dieses. (Bundesminister Mag. Darabos – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Winterauer –: Du willst keine Schanze von mir, oder?)

 


13.28.34

Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gehört, dass wir eine Gesetzesänderung vorgelegt bekommen haben, einen Initiativantrag von vier Parteien, dem letzten Endes dann fünf Parteien zugestimmt haben und der auf die aktuellen finanziellen Bedürfnisse unserer Sportverbände eingeht. Es sind die Dach- und Fachverbände, die unseren Breitensport und unseren Spitzensport organisieren. Das ist das Rückgrat unserer Sportinitiativen. Denen den Rücken zu stärken, ist ein Gebot der Stunde. Ich denke, dass wir, alle Kolleginnen und Kollegen, mit gutem Ge­wissen der Gesetzesvorlage zustimmen können.

Ich möchte an dieser Stelle einen kurzen Sidestep zur aktuellen Dopingdebatte ma­chen, um nicht zu sagen zur Dopingseuche, die sich vor allem im Spitzensport breit gemacht hat. Wir in Österreich haben damit in der Vergangenheit, und das ist durchaus eine Selbstkritik, einen gewissen saloppen Umgang gepflogen. Mir kommt das so ähn­lich vor, wie man in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren mit unserer Zeitge­schichte umgegangen ist. Da haben wir uns auch so ein wenig drübergeschwindelt und sind uns dabei clever vorgekommen. So ähnlich ist es in der Vergangenheit auch bei dieser Dopingseuche gewesen. Deshalb begrüße ich die Initiative unseres neuen Sportministers Norbert Darabos, diesen Dopingsumpf trockenzulegen. Es wird noch eine lange Reise werden, denke ich. Das heißt, es sind erst die ersten Schritte einer langen Reise in die richtige Richtung gesetzt worden. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich füge das jetzt ein, weil ich meine, dass wir beim Antidopinggesetz davon ausgegan­gen sind, dass es vor allen Dingen die Manager, die Agenturen und die Netzwerke im Hintergrund sind, die wir strafrechtlich verfolgen sollten. Wir wollten die aktiven Sportler strafrechtlich verschonen. Ich halte das nach den Erfahrungen der letzten Monate nicht mehr unbedingt für der Weisheit letzten Schluss.

Ich kann nur unterstützen, dass wir entweder auch die Aktiven strafrechtlich belangen oder es zumindest sportrechtlich international so regeln, dass sie lebenslang gesperrt werden. Dann hätten wir uns einen solchen Auftritt wie den Bernhard Kohls in den letz­ten Monaten erspart. Dieser hätte sich als Ikone des österreichischen Sports etablieren können, aber er ist völlig versumpft und verfallen. Angesichts einer zweijährigen Sper­re – ich bin ein bisschen Insider bei dem Thema – spekuliert jeder, dass er sich sozu­sagen mit Schweigen hinüberrettet. Er erweist damit aber dem Spitzensport und dem Breitensport in Wahrheit keinen guten Dienst.

Ich weiß, dass die Spitzensportler alle hart trainieren, aber dann nur wegen Sekunden­bruchteilen entweder am Stockerl stehen und damit in der strahlenden Sonne, im strahlenden Licht, zum Teil auch finanziell im strahlenden Licht – oder im tiefen Schat­ten des Mittelfelds. Es wird daher immer nach neuen Substanzen verlangt, um sozusa­gen diesen Kick aufs Stockerl zu schaffen. (Bundesrat Mayer: Bei der Gamsbart-


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Olympiade wird auch gedopt!) – Ja, da sowieso. Ohne das geht es nicht bei der Gams­bart-Olympiade.

Bleiben wir beim Thema Doping. Kollegin Junker hat dieses Verhältnis 1 : 3 erwähnt, und Kollegin Kerschbaum hat noch einmal darauf Bezug genommen. In diesem Zu­sammenhang ist es ganz wesentlich, dass wir damit noch einmal Vorbildwirkung erzeu­gen. Dopingmittel sind nicht nur unfair, sondern auch gesundheitsschädigend. Es ist also ein Gebot der Stunde, eine Änderung herbeizuführen. Ich appelliere im Interesse unserer Volksgesundheit an alle, die Initiative und das Engagement unseres Sportmi­nisters Norbert Darabos in dieser Angelegenheit zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Hensler.)

13.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


13.34.08

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich kann mich den Worten mei­nes Vorredners nur anschließen. (Bundesrat Hensler: Super!) Wir werden diesem Ge­setz auch unsere Zustimmung geben. Ziel der Sportpolitik muss es sein, die Bevölke­rung für sportliche Betätigung zu gewinnen. Dies soll über das in den vergangenen Jahrzehnten ausgebaute Netz an gemeinnützigen Sportvereinen und mit deren vielfälti­gen Sportangeboten erreicht werden.

Andererseits dienen spitzensportliche Leistungen von österreichischen Athletinnen und Athleten dazu, unser Land in der Weltöffentlichkeit positiv darzustellen. Die Darstellung der Spitzensportler wirkt sich auch auf die Einstellung von Jugendlichen und Kindern zum Sport aus.

Die Förderungen, die aus dem Glückspielmonopol in den Sport fließen, tragen unver­zichtbar zur positiven Entwicklung des Sports bei. Dazu darf ich bemerken, dass im Bundesland Wien im Gegensatz zum Bundesland Niederösterreich sehr hohe Steuern beim kleinen Automatenmünzgewinnspiel eingehoben werden. Gerade beim kleinen Münzgewinnspiel werden hohe Umsätze und Gewinne erzielt und gibt es fast keine Kontrollen. Der Markt zahlt weder eine Spielsuchtabgabe noch eine Abgabe zur Förde­rung des Breitensports. Es ist höchst an der Zeit, auch das Glückspielgesetz zu än­dern, die Automaten und das Glückspiel insgesamt mit einem zentralen Server im Fi­nanzministerium zu koppeln, damit endlich die Schwarzspielerei verhindert wird. Da­durch könnte dann auch die Sportförderung erhöht werden.

Die Sportförderung darf nicht dazu verwendet werden, dass nur bestimmte Sportver­eine eine auffallend hohe Förderung bekommen und kleine Vereine vom guten Willen der zuständigen Gemeinde abhängig bleiben. Ebenso darf es nicht sein, dass Spitzen­werbeträger Spitzensportlern vorgezogen werden. Ich empfinde die Sportförderung als eine unbedingte Notwendigkeit für einen Staat, um seine Kinder, Jugendlichen und Sportler über die Sporthilfe zu fördern und zu unterstützen. Die zur Verfügung stehen­den finanziellen Mittel der Sportförderung sichern Sportveranstaltungen. Damit ist auch der wichtige wirtschaftliche Aspekt angesprochen, womit auch zahlreiche Arbeitsplätze gesichert werden.

Durch die mit diesem Gesetz beschlossenen Maßnahmen entstehen keine Mehrbelas­tungen für den Staat. Wir stimmen diesem Gesetz daher zu. (Beifall der Bundesräte Mag. Ebner, Mitterer, Mühlwerth und Zangerl.)

13.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Ebner. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 82

13.37.30

Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wir sprechen heute mit der Änderung des § 11 und der Einfügung des § 11a eigentlich von einer finanztechnischen Angelegen­heit, und doch sind alle Wortmeldungen in Richtung Sport, Sportförderung, Breiten­sport, Leistungssport, Spitzensport gegangen, weil diese Dinge unabdingbar miteinan­der verknüpft sind.

Die Beschlussfassung heute ist ein weiterer Schritt in die Richtung, dass die soge­nannte Dezemberhektik aufhört, also einerseits Geldmittel verbraucht werden, weil sie im Budget vorhanden sind, andererseits aber Geldmittel, die dem Sport zur Verfügung stehen, weil sie nicht beansprucht werden, in den allgemeinen Steuertopf zurückflie­ßen. Daher ist es richtig, dass hier ein § 11a eingefügt wird, wenn es um die Mittel für die besondere Bundessportförderung geht.

Wir glauben aber auch, dass es notwendig ist, die Änderung und Reform der österrei­chischen Bundessportförderung insgesamt anzusprechen, denn wir sehen, dass hier Handlungsbedarf gegeben ist. Es ist dies bereits von mehreren Seiten angesprochen worden. Wir ersuchen Sie, Herr Minister, Verhandlungen in diese Richtung zügig zu führen. Wenn Budgetmittel zur Verfügung stehen, dann besteht immer wieder die Be­fürchtung, dass Eigeninteressen von Dachverbänden, Fachverbänden überproportional zum Tragen kommen.

Ein Kollege Ihrer Fraktion hat im Nationalrat die Formulierung gebraucht, ein eigenes „Königreich“ möge verhindert werden. – Damit ist wohl deutlich ausgedrückt, dass es in unser aller Sinne zu verhindern und hintanzuhalten ist, dass mit Eigeninteressen Kirch­turmpolitik betrieben wird, dass Doppelfinanzierungen und Parallelaktionen im Sportbe­reich passieren. Da gibt es die Möglichkeit, durch Änderungen des österreichischen Bundes-Sportförderungsgesetzes entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Daher ist das nicht nur eine finanztechnische Angelegenheit, sondern tatsächlich weit­aus mehr. Und glauben Sie mir: Mit meiner zehnjährigen Erfahrung als Leiter eines ORG für Leistungssport in Klagenfurt habe ich es kennengelernt, wie wesentlich und wichtig der Übergang zwischen den Bereichen Breitensport, Leistungssport und Spit­zensport ist – denn er ist ein fließender.

Nicht jedes Kind erkennt in sich selbst den geborenen Spitzensportler oder wird in sei­nem Umfeld als solcher erkannt, obwohl Neigungen und Talente schon sehr früh zu erkennen sind. Auch das ist ein Problem, heute kommen wir immer früher in diese Richtung, fast schon im Volksschulalter – und da meine ich nicht nur die TurnerInnen – werden in Richtung Spitzensport bestimmte Handlungen zu setzen sein, beziehungs­weise werden sie schon gesetzt.

Daher gehört es in den Verantwortungsbereich der Öffentlichkeit, hier Missbrauch hint­anzuhalten. Der Dopingbereich ist einer der Bereiche, es gibt aber auch andere, näm­lich – wenn ich hier die alten Erinnerungen noch einmal aufwärmen darf – wenn über den Sport Politik gemacht wird. Hier hat die öffentliche Hand Verantwortung!

Wir sprechen in diesem Zusammenhang also nicht nur von einer finanztechnischen Transaktion, die richtig, notwendig und vielleicht richtungsweisend für das eine oder andere in unserem Gesamtbudget ist, sondern wir sprechen hier von einer Verantwor­tung für die Jugend im Sinne des Breiten-, Leistungs- und Spitzensports und damit von einer Verantwortung, die im gesamtgesellschaftlichen Bereich angesiedelt ist. Wir wer­den von unserer Seite diesem Antrag die Zustimmung geben. (Beifall der Bundesräte Ertl, Mitterer, Mühlwerth, Zangerl und Junker.)

13.41



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 83

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesminister Mag. Darabos: Ja, schon längst!) – Der Herr Bundesminister? Das tut mir leid, ist mir nicht angezeigt worden. Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.41.51

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Da der Vorsitz gewechselt hat, nehme ich das jetzt nicht als Affront, sondern als kleinen Fehler zur Kenntnis. (Heiterkeit.)

Doch Spaß beiseite: Meine Damen und Herren, ich darf mich bedanken – und es ist wirklich auch für mich richtungsweisend –, dass alle im Haus vertretenen Parteien von einem Vierparteienantrag zu einer Fünfparteieneinigung in diesem Bereich kommen. Ich kann die Wortmeldungen nur unterstreichen. Es geht tatsächlich um mehr als um eine finanztechnische Sache, es geht um den Versuch, in Richtung eines neuen Sport­förderungsgesetzes 2011 eine Grundlage zu schaffen. Diese Änderung der Bundes-Sportförderung ist natürlich nur mit dem Hohen Haus, mit dem Nationalrat und dem Bundesrat zu erreichen. Mit dieser als Initiativantrag eingebrachten Regelung und mit Ihrer heutigen – das entnehme ich den Wortmeldungen – bestätigenden Vorgangs­weise zeigen wir, dass wir im Sport die Reform dieses Fördersystems ernst nehmen.

Worum geht es konkret? – Es geht um die Realisierung der akut vorliegenden Bedürf­nisse des organisierten Sports. Es geht im zweiten Punkt darum, die Förderung an die Arbeit und an die Bedürfnisse der erfolgreichen Verbände und Vereine sowie der er­folgreichen Sportlerinnen und Sportler anzupassen. Es geht auch darum – ich sage das auch offen –, dass wir gerade im Lichte einer Finanzkrise mit dem Abspringen von Sponsoren konfrontiert sind. Nun wird ein bisschen mehr Spielraum geschaffen, um etwas abfangen zu können.

Es geht um die Unterstützung von Spitzensportlerinnen und -sportlern, die für unser Land tatsächlich eine Visitkarte abgeben – nicht nur im Sport, sondern insgesamt. Und es geht auch darum – ich sage das an einem ganz einfachen Beispiel –, dass Ver­bände, die in den letzten Jahren explosionsartig Erfolge erzielen konnten, wie bei­spielsweise der Schwimmverband, mittlerweile nicht mehr hundertprozentig in der Lage sind, Sportlerinnen und Sportler zu Großveranstaltungen wie zur Weltmeisterschaft in Rom zu schicken. Mit diesem heutigen Beschluss machen Sie es möglich, dass der Spielraum etwas erweitert wird und dass wir in diesem Bereich nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip vorgehen müssen, sondern durchaus auch Prioritäten setzen kön­nen.

Ich habe den Debattenbeiträgen, auch aus meiner Fraktion, entnommen, dass es sehr viele Begehrlichkeiten geben wird (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug), was diese finanziellen Mittel angeht, die hier jetzt für diese Bereiche, die ich angesprochen habe, freigemacht wurden.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass man natürlich nicht allen Wünschen entgegen­kommen kann. Man muss auch offen sagen, dass die Sportförderung in Österreich bei den Ländern sehr gut aufgehoben ist und dass wir mit einem Budget von mittlerweile ungefähr 100 Millionen € sehr viel Geld zur Verfügung haben; andererseits – man kann immer sagen, das Glas ist halbvoll oder halbleer – würde ich mir natürlich noch mehr Geld dafür wünschen.

Wir werden Sie in parlamentarische Prozesse einbinden, das verspreche ich Ihnen, wie auch beim Kampf gegen Doping, der heute ja auch mehrfach angesprochen wurde – wenn es nämlich um die Umsetzung der Richtlinien geht. Wir haben mit allen Dach- und Fachverbänden Evaluierungsgespräche konzipiert, denn ohne sie ist der österrei­chische Sport nicht denkbar; wiewohl ich auch der Meinung bin, dass gewisse finan-


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 84

zielle Mittel direkt an die Sportler kommen und nicht in zu starken strukturbedingten Apparaten hängen bleiben sollen. Das sage ich jetzt durchaus selbstkritisch.

Es ist daher davon auszugehen, dass diese Evaluierungsgespräche auch dazu führen werden, dass nicht der Herr Minister oder die Sportsektion alleine, sondern auch die eingebundenen Organisationen diese Mittel vergeben werden. Es ist wichtig, dass hier Transparenz herrscht, denn es geht immerhin um eine Erhöhung dieses Budgets. Und es ist ja gerade jetzt, auch gesellschaftspolitisch ein interessanter Aspekt, dass wir in Zeiten einer Finanz- und Wirtschaftskrise die Sportförderung von 62 Millionen € auf 71 Millionen € erhöhen konnten. Warum? Weil die Menschen mehr spielen. Das ist ein interessanter Aspekt.

Wir bekommen ja, wie es schon mehrfach angesprochen wurde, 3 Prozent aus dem Glücksspielmonopol. Auch ich war überrascht darüber, dass das für dieses Jahr in diesem Ausmaß so gestiegen ist, aber das kommt natürlich dem österreichischen Sport zugute. Da könnte man natürlich auch unter dem moralischen Aspekt über die Verquickung von Glücksspiel und Sport reden, aber das ist heute nicht das Thema.

Ich möchte nur ganz kurz das Thema, das von der ÖVP und von den Grünen ange­schnitten wurde, nämlich das Verhältnis von Spitzensport zu Breitensport, ansprechen: Ich glaube, dass da kein Widerspruch herrscht. Natürlich gibt es in Österreich bei­spielsweise in den Laufbewerben sehr wenig Vorbilder, die international große Erfolge feiern, und trotzdem gibt es sehr viele Österreicherinnen und Österreicher, die ihre körperliche Ertüchtigung im Laufbereich, in der Bewegung sehen.

Auf der anderen Seite braucht man auch die Vorbildwirkung des Spitzensports. Ich möchte es an einem Beispiel festmachen: Zu einer Zeit, als Thomas Muster die Num­mer eins der Weltrangliste im Tennisbereich war, und auch in der nachfolgenden Pha­se gab es in Österreich einen Boom, was den Tennissport betrifft. Dieser Boom ist im Vergleich zu anderen Staaten mittlerweile abgeebbt. Daran sieht man, dass es durch­aus Sinn macht, auch den Spitzensport zu fördern, und dass Spitzensportler durchaus auch Vorbildwirkung für den Breitensport haben.

Es geht mir – um das noch einmal zusammenzufassen – um eine flexiblere und ziel­sichere Förderung; es geht um die direkte Unterstützung von Sportlerinnen und Sport­lern; es geht um schlankere Strukturen und es geht auch um mehr Controlling und Transparenz.

Ich bin dankbar dafür, dass hier heute auch die Anti-Dopingdebatte kurz angeschnitten wurde, ich bin da sehr offen. Wir haben einen Unterausschuss im Parlament einge­setzt, der sich bis in den Sommer hinein mit dieser Problematik auseinandersetzen muss. Nach dem Fall Kohl hat sich in diesem Bereich sehr viel geändert. Ich möchte den Beratungen hier nicht vorgreifen, aber es muss ganz klar sein, dass Österreich auf der Seite jener Sportlerinnen und Sportler steht, die für den sauberen Sport eintreten. (Bundesrat Mag. Klug: Bravo!) Insofern freue ich mich auf diese Diskussion in den nächsten Monaten.

Ich kann Ihnen nur versprechen, Herr Kollege, dass wir dieses neue Sportförderungs­gesetz zügig ausverhandeln werden. Wir brauchen es mit 1. Jänner 2011. Je früher wir im parlamentarischen Prozedere zu einer Einigung kommen, umso besser und um­so effizienter wird das neue Gesetz sein.

Abschließend noch einmal meinen Dank an alle Fraktionen in diesem Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

13.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ihre Wortmeldung ist selbstverständlich immer willkommen, Herr Bundesminister.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 85

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Zwischenzeitlich darf ich die Frau Staatssekretärin Marek sehr herzlich in unserer Run­de begrüßen.

13.50.046. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz geändert wird (156 d.B. und 162 d.B. sowie 8109/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum Tagesordnungspunkt 6.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. Ich bitte um den Bericht.

 


13.50.18

Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz geändert wird.

Der Antrag liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage vom 6. Mai 2009 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ertl. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.51.03

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Meine Damen und Herren, die Freiheitliche Partei ist grundsätzlich für die notwendige Änderung des Gaswirtschafts­gesetzes. Jedoch: Aufgrund der Tatsache, dass Mitteleuropa in den letzten Monaten die größte Gas- und Energieversorgungskrise erlebt hat und die Bundesregierung es verabsäumt hat, einen mittel- beziehungsweise langfristigen Energieversorgungssiche­rungsplan zu erstellen und umzusetzen, lehnen wir diese Vorlage ab.

Die vergangene Gaskrise hat gezeigt, dass die Abhängigkeit auch in der Realität fatale Auswirkungen auf private Haushalte und auf die heimische Wirtschaft hat – und auch weiterhin haben wird. Wir müssen uns daher auf die heimischen erneuerbaren Quellen wie Wasserkraft, Windkraft, Biomasse, Photovoltaik, Solarthermie und Geothermie konzentrieren. Das brauchen wir in Zukunft, das müssen wir stärker beachten – nicht weil wir Ökoromantiker sind und am süßlich duftenden Lagerfeuer in der Au unseren Träumen nachhängen, nein, sondern weil wir wissen, dass die Energieversorgung Ös­terreichs eine zentrale Frage für den Bestand unserer Heimat ist.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 86

Wir haben keine Freude damit, wenn zusätzliche Mittel in Projekte wie die Nabucco-Pipeline investiert werden. Wir glauben, dass dadurch eine Abhängigkeit entsteht, die Türkei an den sprichwörtlich langen Hebel gesetzt wird und dadurch ganz Europa und vor allem Österreich am Gängelband führen wird. Auch die Länder, aus denen das Gas kommen wird, sind nicht unbedingt seriöse Handelspartner.

Ich darf auf die Energiehauptstadt von Europa hinweisen – nicht nur von Österreich, sondern von ganz Europa! –, das ist die burgenländische Stadt Güssing. (Bundesrat Schennach: Genau!) Noch vor sieben Jahren gab es in Güssing keine Arbeitsplätze, und mittlerweile gibt es dort zirka 1 000 Arbeitsplätze.

Vor einigen Wochen wurde im Fernsehen eine Dokumentation über Güssing gezeigt. Die Verantwortlichen von Güssing, allen voran der Bürgermeister, sprachen davon, dass anstelle der Kosten für die Nabucco-Pipeline Gesamtösterreich auf erneuerbare Energie umgestellt werden könnte. Weiters wurde ausgeführt, dass damit für zirka 350 000 Personen Arbeitsplätze geschaffen werden könnten – nur durch die Umstel­lung auf erneuerbare Energie!

Wir brauchen daher das Rad nicht neu zu erfinden, es ist schon alles vorhanden. Ich frage mich: Warum geht man nicht in diese Richtung, nämlich in Richtung erneuerbare Energie? Das Einzige, das dazu fehlt, ist der politische Wille. Unser Wille, diesen Weg einzuschlagen, ist vorhanden.

Solange Österreich wirtschaftlich gut dasteht, wird sich ein großer Anteil der Österrei­cher Flugreisen, ausgiebige Autofahrten und ein energieintensives Wohnen leisten können; im Falle einer Wirtschaftskrise jedoch werden viele Menschen das Problem haben, sich ihre Energie weiterhin nicht mehr leisten zu können.

Aus diesen Beispielen und Gründen zeigt sich die Bedeutung einer sofortigen Energie­wende. Es wäre aber eine Illusion zu glauben, dass die Probleme der Gegenwart und der Zukunft mit dem Umstieg auf erneuerbare heimische Energie gelöst werden könn­ten.

Probleme, Katastrophen, Krisen, Seuchen und kriegerische Auseinandersetzungen hat es auch vor dem fossil-atomaren Zeitalter gegeben und wird es vermutlich auch da­nach geben. Faktum ist aber, dass nach dem Wegfall der Abhängigkeit von fossiler Energie ein ganz zentrales Motiv wegfällt, das für viele Probleme in den letzten Jahr­zehnten verantwortlich war. Fossile Energie steht für das von Konzernen beherrschte Wirtschaftssystem, während erneuerbare Energie, die möglichst nahe am Verbraucher hergestellt wird, für eine bürgernahe kleinräumige Regionalwirtschaft steht.

Sonnenstrahlen kann man den Bürgern nicht einfach wegnehmen. Diese entziehen sich der politischen Einflussnahme. Sie entziehen sich einer Weltwirtschaftskrise und den Entwicklungen auf den Kapitalmärkten. Wer die Energie kontrolliert, kann fremde Staaten kontrollieren. Darum fordern wir eine nachhaltige Energieautarkie durch erneu­erbare Energiequellen.

Abschließend darf ich noch auf Folgendes hinweisen: Während der Gaskrise vor eini­gen Monaten, als noch niemand wusste, wie lange die Russen das Gas noch abge­dreht lassen, mussten in Österreich die Gasreserven angegriffen werden. Obwohl nie­mand gewusst hat, wie lange das Gas abgedreht bleibt, haben die österreichischen Fir­men aus unseren Gasreserven Gas nach Serbien verkauft! Das sagt natürlich aus, dass der wirtschaftliche Gewinn der Gasfirmen hoch über dem wirtschaftlichen Nutzen der eigenen Bevölkerung steht. Die eigene Bevölkerung hätte frieren müssen, nur da­mit die Firmen einen wirtschaftlichen Vorteil nutzen können. Wir stimmen diesem Punkt daher nicht zu. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

13.57



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 87

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

 


13.57.25

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute das Gaswirtschaftsgesetz auf der Tagesordnung, ich möchte aber eingangs eine Bemer­kung an den Kollegen Ertl richten: Du hast erwähnt, bei aller Wertschätzung, dass Güssing hervorragend unterwegs ist. Wir haben so etwas auch in Niederösterreich, in Bruck an der Leitha. Ich weiß nicht, ob du davon schon etwas gehört hast, geschätzte Frau Bürgermeister. (Bundesrätin Vladyka: Ja!)

Hier sind wir Vorreiter bei alternativer Energie. Gerade in diesem Bereich bemühen wir uns, aktiv dabei zu sein. Ich möchte es dir sagen, damit du es weißt. (Bundesrätin Vladyka: Wir haben sogar den Europäischen Solarpreis bekommen! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Na gut, du weißt ja, ich lebe dort.

Jetzt konkret zu der heutigen Tagesordnung, zur Änderung des Gaswirtschaftsgeset­zes. Ich möchte den Grund generell erwähnen: Der Verfassungsgerichtshof hat dieses Gesetz aufgehoben. Es dreht sich um einen Paragraphen, nämlich um § 23b Abs. 2. Es geht ganz einfach um ein Wort, und das heißt „können“. Dieses Wort wird jetzt dezi­diert eingefügt, und man hat jetzt die Möglichkeit, die Netze in Netzwerke einzubinden, quer darüber. Ich glaube, dass das wichtig war.

Erlauben Sie mir aber, vorerst noch ein persönliches Wort zu sagen. Ich glaube, das war und ist in Zukunft ein Thema. Es geht nicht nur um den Preis, wobei auch dieser sicherlich ein Diskussionspunkt ist. Wesentlich wichtiger ist aber die Sicherheit der Ver­sorgung der Menschen, der Bürgerinnen und Bürger. Es geht aber gleichzeitig – das wurde heute schon kurz erörtert – auch um die Abhängigkeit vom Osten.

Es gab und gibt Spannungen in diesem Bereich. Diese Spannungen sind darauf zu­rückzuführen, dass eine Leitung von Russland über die Ukraine durchgeht und da­durch der Westen, und ganz besonders auch unser Heimatland Österreich, große Pro­bleme gehabt hat. Ich weiß zweifelsohne, dass wir in diesem Bereich einen sehr gerin­gen Spielraum haben. Jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, der mir persönlich sehr wichtig ist: Um diesen Spielraum politisch zu nützen, geschätzte Frau Staatsse­kretärin, sind in diesem Bereich die Rahmenbedingungen sehr wichtig. Die Politik ist dazu da, Rahmenbedingungen zu schaffen.

Ich bin wirklich sehr dankbar und möchte klar und deutlich sagen, dass diese Bundes­regierung durch Minister Mitterlehner und Landwirtschaftsminister Berlakovich versucht hat, hier aktiv dabei zu sein. Ich bitte, diesen Dank, den Respekt und die Hochachtung weiterzugeben. Wir befinden uns da auf einem guten Weg, aber es kann zweifelsohne nur der erste Schritt in diese Richtung sein. Ich sage bewusst: Die Weichen wurden gestellt, mehr nicht.

Ich weiß, gerade in den Bereichen Alternativenergie, Ökostrom und vielen anderen mehr müssen wir aktiv dabei sein. (Bundesrätin Kerschbaum: Kleinwasserkraft sowie­so!) Ich möchte nicht verhehlen, auch die Wasserkraft ist, geschätzte Frau Kollegin, ein Thema. Wir brauchen auch die Wasserkraft. Das ist ganz einfach so. Man kann sich nicht abschotten und sagen: Wir leben auf einer Insel der Seligen, wir brauchen keinen Atomstrom und das und jenes nicht. ‑ Wir brauchen auch die Wasserkraft und sicher auch die Windkraft. Wir, liebe Frau Kollegin Christa Vladyka, kommen ja aus einer Re­gion, wo wir wissen, was Windräder sind. In meinem Bezirk sind wir auch da Vorreiter.

Abschließend: Hoher Bundesrat, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden dieser Novelle gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrä­ten der SPÖ.)

14.02



BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 88

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile ihm dieses.

 


14.02.15

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorgeschlagene Änderung des Gaswirtschaftsgesetzes ist eine denkbar einfache. Kol­lege Ertl hat schon gesagt, dass in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes die­ses beanstandet wurde. Ich korrigiere dich ungern, Herr Kollege Ertl, es wird das Wort „können“ gestrichen, nicht eingefügt. (Bundesrat Schennach: Hensler heißt er! – Zwi­schenruf des Bundesrates Ertl.) – Entschuldigung.

Es wird dadurch der verfassungskonforme Zustand erreicht, dass die Netze unter­schiedlicher Netzbetreiber innerhalb desselben Bundeslandes für die Netzebenen 2 und 3 zu einem Netz zusammengefasst werden.

Durch diese Novellierung wird gewährleistet, dass vor allem strukturschwächere Regio­nen im ländlichen Raum – so wurde es uns zumindest im Ausschuss erklärt – tarif­mäßig die gleichen Voraussetzungen bekommen wie Regionen im städtischen bezie­hungsweise strukturstärkeren Raum.

Kollege Ertl hat argumentiert, wobei ich die Argumente, warum ihr nicht für diese No­vellierung seid, nicht ganz verstanden habe. Dazu muss ich auch sagen – ich komme aus dem Bezirk Güssing –: Es ist nicht so, dass es vor sieben Jahren keinen einzigen Arbeitsplatz in Güssing gegeben hat. Also das stimmt nicht ganz. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.)

Wenn wir Versorgungssicherheit ernst nehmen, meine Damen und Herren, so ist das aber ohne den notwendigen Leitungsausbau beziehungsweise die notwendigen Lei­tungserweiterungen momentan undenkbar. Daher steht die Verbesserung der recht­lichen Rahmenbedingungen, um öffentlich übergeordneten Interessen entsprechen zu können, im Mittelpunkt auch für künftig angestrebte Gesetzesänderungen.

Ich bin der Meinung, wenn wir Versorgungssicherheit ernst nehmen, dann ist damit auch die soziale Frage in der Energiepolitik gestellt. Insbesondere müssen wir bei allen Entscheidungen darauf achten, dass Energie ein leistbarer Rohstoff und etwas Leistba­res für alle Menschen in der Gesellschaft bleibt. Das ist ein Kriterium, dem alle unsere Bemühungen und Maßnahmen gerecht werden müssen.

Gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Armut ist die soziale Frage im Energiebereich zu stellen und dementsprechend abzusichern.

Es ist unbestritten, dass der leistbare Zugang zu Energie eine der zentralen Zukunfts­fragen unserer Gesellschaft, und dies nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, ja weltweit ist.

In der innerösterreichischen Energiedebatte gibt es einen begrüßenswerten Grundkon­sens, dass wir von Atomenergie Abstand nehmen und den Anteil an erneuerbarer Energie bis zum Jahr 2020 um 34 Prozent erhöhen, dass Energiemaßnahmen geför­dert werden und dass moderne Umwelt- und Klimatechniken zur Steigerung der Ener­gieeffizienz eingesetzt werden.

Die Steigerung der Energieeffizienz und vor allem die Erhöhung des Anteils leistbarer erneuerbarer Energie sind für mich sehr wichtige und wesentliche Säulen zukunfts­orientierter Politik.

Für sehr wichtig und auch richtig finde ich es in diesem Zusammenhang, dass die Re­gierung gerade jetzt den Aktionsplan zur thermischen Sanierung umsetzt. In den Bun­desländern werden diese wichtigen Maßnahmen ebenfalls unterstützt und gefördert.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 89

Diese Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes gibt uns aber auch die Gelegenheit und den Anlass, wichtige strategische Entscheidungen in der Innenpolitik zu besprechen und auch zu diskutieren.

Im Regierungsprogramm gibt es das Bekenntnis, dass Versorgungssicherheit einen wesentlichen Pfeiler unserer Politik im Energiebereich darstellt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Ressourcen im eigenen Land verstärkt nutzen müssen. Wie schon gesagt, ich komme aus jenem Bezirk, den der Kollege schon an­gesprochen hat, aus dem Bezirk Güssing. Das Burgenland und dieser Bezirk sind im Bereich erneuerbare Energie sehr innovativ.

Das Burgenland hat sich in den letzten Jahren im Klimaschutz und bei der Nutzung er­neuerbarer Energieträger eine österreichweite Vorreiterrolle erarbeitet.

Der Energieversorger im Burgenland, die BEWAG und ihre Tochter Austrian Wind Power, ist schon jetzt der größte Ökostromproduzent Österreichs. An starken Tagen erzeugen wir im Land bereits mehr Ökoenergie als wir verbrauchen. Das Ziel des Lan­des ist es, bis 2013 über das ganze Jahr gesehen genauso viel Strom zu erzeugen, wie wir im Burgenland verbrauchen. Dazu wäre eine zweite Ausbaustufe zur Nutzung der Windenergie notwendig. Das Konzept ist bereits erarbeitet. Wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen – sprich: die Einspeistarife – stimmen, könnte sofort mit der Um­setzung dieses Konzepts begonnen werden.

Auch die Kraft der Sonne soll künftig noch mehr genutzt werden, wenn die gesetzli­chen Rahmenbedingungen entsprechen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.– Man darf ja trotzdem diese Kritik üben. Die Gewissheit, dass Energiedienstleister aus­schließlich alternative Energie fördern, ist natürlich ein Vorteil.

Die Gaskrise, die heute schon angesprochen wurde und von der wir zu Jahresbeginn nicht verschont geblieben sind, ist natürlich vom Import abhängig. Fast jeder dritte Haushalt, insgesamt rund eine Million von 3,51 Millionen Haushalten, heizt mit Erdgas.

Als der Streit zwischen Russland und der Ukraine eskalierte und sie den Gashahn zeit­weilig zudrehten, wurde es in manchen Wohnungen in unseren Nachbarstaaten – sprich: Ungarn und Slowakei – sehr schnell kalt.

Obwohl Österreich gute Lagerreserven hat, zeigt sich: Wir müssen unsere Energieab­hängigkeit von Öl und Gas und damit von Importen reduzieren. Dort, wo es machbar ist, müssen wir auf eigene erneuerbare Energiequellen setzen.

Die Erfolgsgeschichte der Windkraft im Burgenland zeigt, dass gerade in diesem Be­reich viel möglich ist. Rückenwind kommt in diesem Sinne auch vom Land Burgenland und von der Europäischen Union. Bis 2013 sollen 100 Prozent, wie gesagt, des heimi­schen Strombedarfs in unserem Bundesland aus der erneuerbaren Energie abgedeckt und damit das Land Burgenland stromautark werden.

Da wir im Burgenland keine Wasserkraft haben, liegen unsere Chancen in der Wind­energie, in der Photovoltaik, in der Biomasse, im Biogas, in der Geothermie und in der Solarthermie.

Die Voraussetzungen dafür sind im Burgenland sehr gut: Rund 60 Prozent des heimi­schen Strombedarfs werden schon jetzt aus erneuerbarer Energie abgedeckt, 50 Pro­zent davon aus Windkraft und 10 Prozent aus Biomasse.

Allein mit den derzeit mehr als 200 Windenergieanlagen, die in unserem Bundesland in Betrieb sind, werden jährlich rund 550 000 Tonnen CO2 eingespart. Bundesweit gibt es 618 Windräder. Diese Anlagen erzeugen zirka 2,1 Milliarden Kilowattstunden sauberen Strom; das ist Strom für rund 570 000 Haushalte. Insgesamt können mit Windkraftanla-


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 90

gen österreichweit 1,3 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen pro Jahr eingespart wer­den.

Der Burgenländische Landtag hat mit dem Entschluss hinsichtlich Stromautarkie aus erneuerbaren Energieträgern bis zum Jahre 2013 einen ambitionierten Weg einge­schlagen. Um diese Ziele zu erreichen, muss uns bewusst sein, dass wir bundesweit unbedingt bessere Rahmenbedingungen für Ökostromanlagen brauchen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es ist wichtig, dass das Gaswirtschaftsgesetz novelliert wird, um die richtigen Rahmenbedingungen in der Infrastruktur, in den Netz­ebenen zu schaffen. Priorität muss es aber trotzdem haben, auf jene Energieträger zu setzen und diese zu forcieren, die wir nicht importieren müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


14.12.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ob Bruck an der Leitha, Güssing oder Burgenland insgesamt, es gibt sehr viele tolle energieautarke Projekte in Österreich. Die meisten dieser energieautarken Projekte sind allerdings entstanden, bevor das Ökostromgesetz in den letzten Jahren sukzessive und regelmäßig gekappt, gekappt und gekappt wurde. Es ist daher hoffent­lich allen hier bewusst, wie es momentan ausschaut, nämlich dass in Österreich kaum neue Projekte entstehen, weil das Ökostromgesetz momentan sozusagen totgespart wird.

Herrn Kollegen Sodl würde ich bitten, das zu berücksichtigen, denn ich glaube, Sie von der SPÖ haben damals alle mitgestimmt, als diese sukzessiven Reduzierungen des Ökostromgesetzes beschlossen wurden, nämlich die Einspeisetarife der Windkraft, die schon unter dem Marktpreis gelegen sind, und so weiter und so fort. Das ist auch der Punkt, den ich im Zuge dieses meines Debattenbeitrages noch anbringen möchte.

Das Wirtschaftsministerium ist zuständig für die Leitungen, und zwar sowohl für die Gas- als auch für die Stromleitungen. Vielleicht wird es irgendwann einmal auch in Be­zug auf die Fernwärmeleitungen ein vernünftiges Unbundling geben. In diesem Bereich geschieht in Österreich sehr viel. Wenn es um die „Nabucco“-Leitung geht, wird bei uns laut geklatscht – wir tun das nicht, aber diese Bundesregierung tut das immer.

Es ist ja auch so, dass in Österreich in regelmäßigen Abständen Hochleistungsleitun­gen gebaut werden, Atomstromleitungen: sei es jetzt das neue Projekt Wien/Südost und Györ oder die Leitung Dürnrohr – Slavětice; Slavětice ist ja in der Nähe von Dukovany, sodass wir in Wirklichkeit nur Atomstrom importieren.

Also in Bezug auf diese Leitungsbauten, in Bezug auf diese Bereiche ist das Wirt­schaftsministerium immer vorne dabei. Auf der anderen Seite jedoch, nämlich in Bezug auf eine Selbstversorgung mit erneuerbarer Energie und bei deren Förderung, ist das Wirtschaftsministerium leider nicht so dabei. Ich würde mir daher wünschen, dass es endlich zu einem Vorstoß kommt, ein vernünftiges Ökostromgesetz zu erstellen. Die letzte Novelle hat ja nicht so ganz funktioniert; auch wenn Sie zugestimmt haben, so ist diese meines Wissens nicht in Kraft, die vorletzte Novelle jedoch schon – und die war schon schlimm genug. Ich würde mir wünschen, dass man nicht nur ins Regierungs­programm hinschreibt, erneuerbare Energien fördern zu wollen, sondern dass man das auch in den Einspeisetarifen und direkt vor Ort tatsächlich merkt.


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In Niederösterreich gibt es in der Zwischenzeit Förderungen für Fotovoltaikanlagen, es gibt kleine Anlagen über das ganze Bundesland, das Ganze läuft dann über die Wohn­bauförderung. Das war früher einmal im Ökostromgesetz. Ich sage das jetzt, weil zuvor ja auch von der Sonnenenergie gesprochen wurde. Ich glaube, Kollege Sodl war es. Es sind also schon sehr viele Förderungen sozusagen aus diesem Gesetz herausge­fallen.

Was die Wasserkraft betrifft, da bin ich dafür, dass Kleinwasserkraftwerke via Öko­stromgesetz gefördert werden sollen. – Kollege Hensler meinte ja offensichtlich zuvor, ausgerechnet mir mitteilen zu müssen, wie wichtig das ist. Ich betone daher nochmals: Kleinwasserkraftwerke auszubauen ist wichtig; das unterstützen wir. Wogegen wir jedoch sind, ist, dass über das Ökostromgesetz große Anlagen gefördert werden, wo­durch eben das Ganze „verwässert“ wird, und dass finanzielle Mittel, die eigentlich in Richtung ökologisch erneuerbare Energie eingesetzt werden sollten, in Richtung mittlere Wasserkraftwerke fließen, wobei das dann mit ökologischen Grundsätzen nicht mehr so ganz funktioniert, wie das eigentlich der Fall sein sollte.

Wie gesagt, wir werden dieser Gesetzesänderung zustimmen, aber ich würde bitten, dass Sie sich neben den Netzen an sich auch einmal um das kümmern, was durch die Netze fließt, sodass das tatsächlich als ökologisch und erneuerbar bezeichnet wer­den kann. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

14.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zangerl. – Bitte.

 


14.16.19

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich werde diesem Gesetzesbeschluss zustimmen – wohl wissend, dass es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein wird, und zwar auch im Hinblick auf die biologi­schen Ressourcen, die in unserem Lande vorhanden sind, genützt und ausgebaut wer­den sollten.

Darüber hinaus möchte ich auch sagen: Gerade wir hier sind ja die Vertreter unseres jeweiligen Landes, gerade wir müssen auf die Befindlichkeiten unserer Länder achten, und deshalb lege ich in meinen Ausführungen auch ein Hauptaugenmerk auf den Wes­ten unseres Bundesgebietes, also auf die Länder Tirol, Vorarlberg und Salzburg.

Festzustellen ist, dass es in Tirol – obwohl der Gasmarkt in Österreich schon seit län­gerem liberalisiert ist – de facto leider nur einen einzigen Anbieter für Erdgas gibt, nämlich die TIGAS. Die TIGAS ist eine hundertprozentige Tochter des Landesenergie­versorgers TIWAG, die ihrerseits, und zwar zur Gänze, im Eigentum des Landes Tirol steht. Damit, geschätzte Damen und Herren, ergibt sich zwangsläufig eine Monopol­stellung.

Der Hauptgrund für diese Monopolstellung liegt in der Tatsache begründet, dass Tirol nur eine Anbindung an das Gasnetz in Deutschland hat. Das gesamte Gas, das in Tirol verbraucht wird, bezieht die TIGAS aus Deutschland, und zwar via Kiefersfelden. Alter­native Gasanbieter, die nach Tirol liefern möchten, müssen ebenfalls über das Netz der deutschen Gasleitungsbetreiber durchleiten. Diese haben einerseits nur beschränkte Kapazitäten frei und andererseits wesentlich höhere Durchleitungskosten im Vergleich mit einem österreichischen Tarif. Somit ist es einem zusätzlichen Anbieter kaum möglich, zu günstigen Konditionen zu liefern.

Erschwert wird diese Situation durch einen weiteren Umstand, nämlich den, dass sich der Gaspreis für den Endkunden bekanntlich aus drei Komponenten zusammensetzt:


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 92

Das ist einmal der Energiepreis – sprich das Gas an sich –, Netz- und Transportkosten sowie Steuern und Abgaben.

Der eigentliche Energiepreis der TIGAS war in den letzten Jahren im – sagen wir es vorsichtig – Mittelfeld; gelegentlich durch bessere Einkaufskonditionen auf der günsti­geren Seite, aber leider vorzugsweise dann im Frühling, wenn die Heizperiode zu Ende war. Da hat man sich dann dazu aufgerafft, den Gaspreis wieder ein bisschen zu sen­ken. – Meiner Auffassung nach ist das reine Augenauswischerei!

Gleichzeitig ist jedoch das Gasnetz in Tirol eines der jüngsten in ganz Österreich. So­mit kann der Gasversorger derzeit auch einen wesentlich höheren Anteil der Investi­tionskosten an seine Kunden weitergeben, da die Abschreibung des Netzes noch nicht in dem Maße erfolgen konnte, wie das bei anderen Gesellschaften der Fall ist.

In Summe bedeutet dies, dass der Endkundenpreis für Gas in Tirol sehr hoch ist und kaum Möglichkeiten bestehen, zusätzliche Anbieter auf den Markt zu bringen.

Die staatliche Regulierungsbehörde E-Control kritisiert die Tiroler Situation seit Jahren recht heftig. Ein Grund für den hohen Gaspreis in Tirol sei die fehlende Anbindung an die Regelzone Ost, das ist Wien bis hinauf nach Salzburg, und der damit fehlende Wettbewerb in Tirol.

Obwohl sich in dieser Hinsicht seit Jahren mit der Arbeiterkammer, mit der Industriel­lenvereinigung, mit der Wirtschaftskammer eine breite Allianz für den Zusammen­schluss der Gasleitungen im Westen gebildet hat, werden nur zögerlich Schritte in diese Richtung gesetzt.

Für einen Zusammenschluss mit der Regelzone Ost fehlt ein zirka 16 Kilometer langes Teilstück in Salzburg zwischen Hochfilzen und Saalfelden, das grundsätzlich in den Zu­ständigkeitsbereich der Salzburger AG fallen würde. Diese wiederum sieht zu wenig Erlösmöglichkeiten für sich selbst und verlangt für den Bau eine Mitfinanzierung, was mir auch schlüssig erscheint. Die TIGAS ihrerseits beschränkt sich auf die Position, dass die Leitung kaufmännisch natürlich nicht sehr lukrativ ist, und schiebt die Investi­tion, sprich Beteiligung, hinaus, soweit es nur irgendwie geht.

Die Kosten werden von der TIGAS mit mindestens 9 Millionen € beziffert, aber seitens der Landespolitik finden wir 20 Millionen € wieder. Somit kann auf dieser Handlungs­ebene nur ein gewollter Stillstand konstatiert werden.

Etwas Bewegung könnte in näherer Zukunft durch die mögliche Errichtung der Tauern­gasleitung entstehen, da auf diesem Wege auch ein direkter Zusammenschluss mit Kärnten und dadurch mit dem Gebiet Slowenien und Friaul erfolgen könnte. Das könnte sowohl für die TIGAS als auch natürlich für die Salzburg AG ein zusätzlicher und lukrativer Ansatz sein.

Ebenfalls Entlastung für den Gasmarkt im Westen des Bundesgebietes könnte ein zweites Projekt bringen, die Interconnector Tirol, neben der Trans Austria Gasleitung und der Trans Europa Naturgas Pipeline. Eine dritte alpenüberquerende Hochdrucklei­tung, die von der TIGAS gemeinsam mit der Südtiroler SEL und mit der Bayerngas er­richtet wird, könnte – und ich betone: könnte – im Jahre 2011 fertiggestellt werden. Entscheidend dafür ist jedoch der Baufortschritt in Südtirol, und zwar zwischen Ster­zing und dem Brenner. Die Kosten für das 34,6 Kilometer lange Teilstück von Inns­bruck bis zum Brenner werden mit 22 Millionen € veranschlagt.

Durch diese Fernverbindung über den Brenner könnten nämlich die verbrauchsstarken Gebiete in Deutschland und Norditalien miteinander verbunden werden. Gleichzeitig bietet diese eine Anschlussmöglichkeit an den italienischen Markt, der sich von der


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Versorgungslage über die Liquefied Natural Gas mit der Anbindung via Schiff zum ara­bischen Raum als strategisch äußerst günstig darstellt.

Leider muss jedoch festgestellt werden, dass die Regulierungsbehörde keine Möglich­keit hat, jemanden zum Bau einer Hochdruckleitung zu zwingen oder auch nur zu bewegen. Laut staatlicher Regulierungsbehörde E-Control hat Tirol den höchsten Gas­preis in Österreich zu bezahlen. Als Grund dafür gibt sie den fehlenden Wettbewerb an. – Nona.

Mehr Anbieter – in Wien gibt es vier Anbieter – bringen natürlich einen niedrigeren Preis, etwas, was jedem gefällt. Derzeit ist es für alternative Gasanbieter nicht möglich, den Tiroler Markt zu erreichen, denn sie müssten, wie eingangs erwähnt, über das Netz der deutschen Gasbetreiber durchleiten.

Hätten alternative Gasanbieter die Möglichkeit, Gas in Tirol anzubieten, könnten sich die Tirolerinnen und Tiroler 10 bis 20 Prozent ersparen; nicht nur der Privatverbrau­cher, natürlich auch die Wirtschaft, die das bitter nötig hätte.

Auch der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Bodenseer vertritt nachhaltig die Meinung, dass die noch fehlenden Gasleitungen im Sinne einer gesunden Konkurrenz auf dem Gassektor errichtet werden sollten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich als Beamter der vormaligen Post- und Tele­graphenverwaltung, 42 Jahre im Personalamt, habe es am eigenen Leib schmerzlich erfahren, wie es ist, wenn Monopole aufgehoben werden, wie rücksichtslos, wie fahr­lässig, wie undifferenziert das bei uns von unserem postalischen Heuschreckenma­nagement drüben in der Postgasse durchgezogen wurde. Also ich bin da ein Experte in solchen Sachen. Deswegen habe ich auch kein Verständnis, wenn ein Bereich beden­kenlos geopfert wird, während andere sich davor drücken und es sich zu Lasten der Abnehmer recht kuschelig einrichten.

Ich halte es für richtig und wichtig, dass die öffentliche Hand auch in Bereichen der Wasserkraft, der Energie und der Abfallwirtschaft stark vertreten ist und bleibt. Aber ich bin auch überzeugt davon, dass dies zum Wohle der Menschen zu geschehen hat. Da­zu gehört eben einmal ein fairer Energiepreis. Und dafür, geschätzte Kollegen, sind wir eigentlich da. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ, ÖVP und ohne Fraktionszugehörigkeit.)

14.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


14.25.36

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Es vergeht kaum eine Sitzung dieses Hauses, wo wir uns nicht mit Energiefragen und mit der Energiezukunft unseres Landes beschäftigen, und das ist richtig, gibt aber auch zu denken im Hinblick darauf, wie wichtig diese Fragen für die Zukunft sein werden.

Wir wissen – das wird vor allem deutlich, wenn man im Ausland ist –, dass unser Kon­tinent Europa sich nur zu 45 Prozent selbst mit Energie versorgen kann. 55 Prozent, also mehr als die Hälfte unseres Bedarfs, müssen aus anderen Kontinenten importiert werden. Wie sensibel die Situation ist, haben wir erst zu Beginn dieses Jahres ge­merkt: Gasimporte aus Russland und so weiter.

Daher müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen – außer der Atomkraft, die, wie ich meine, außer Streit steht, das ist übereinstimmende Meinung der österreichischen Ver­antwortungsträger –, Wasser, Wind, thermische Isolierungen, Sparmöglichkeiten, Spar­potenziale und so weiter. Wir können ausführlich über soziale Fragen reden, darüber,


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 94

wie wichtig die soziale Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Daseinsleistungen und die Daseinsvorsorge sind. Wenn aber die Energieversorgung nicht in Ordnung ist, die Energieversorgung unserer Haushalte, unserer Betriebe nicht gewährleistet ist, dann ist diese wichtige Frage allerdings zweitrangig, und das sollte uns immer wieder, glaube ich, bewusst sein.

Da auch sehr viele Länderinteressen berührt sind und viele Bundesländer Energiever­sorgungsunternehmen betreiben, würde ich anregen, dass wir uns im Rahmen einer Enquete oder einer ähnlich gearteten Veranstaltung in diesem Hause auch einmal, wir haben das vor einigen Jahren schon einmal andiskutiert, mit der Energieversorgung in den einzelnen Bundesländern unserer Republik beschäftigen und dies ausführlich mit Experten auf politischer Ebene diskutieren.

Das würde, wie ich meine, nicht nur Effizienz bringen, sondern auch wieder einmal einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung leisten, in unserem Land mit Energie effizient und sparsam umzugehen und auch alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Energie zu ge­winnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörig­keit.)

14.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte.

 


14.29.04

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Ertl, ich habe gelernt, dass es in der Politik hilfreich ist, wenn man nicht nur den Vorgarten des eigenen Einfamilienhauses betrachtet, sondern das Ganze sieht.

Es ist auch hilfreich, die Realität zu sehen – und nicht das, was Fiktion ist, denn das ist es in Wirklichkeit, was Sie, Herr Bundesrat, hier suggeriert haben. Derzeit stammen 23 Prozent der Energie, die in Österreich verbraucht wird, aus erneuerbaren Energie­trägern.

Seitens der Bundesregierung wurde von Bundesminister Mitterlehner und Bundesmi­nister Berlakovich ein energiepolitischer Gesamtstrategieplan präsentiert, wo genau auch der Ausbau der erneuerbaren Energie mit dem Ziel, das jetzt noch nicht so nahe ist, 34 Prozent der gesamten Energieversorgung Österreichs aus erneuerbaren Ener­gieträgern zu gewinnen, schon einmal ein Meilenstein ist, der aber erarbeitet werden muss, Herr Bundesrat. Zu suggerieren, 100 Prozent seien einfach total leicht erreich­bar, das ist doch ein bisschen putzig, Herr Bundesrat.

Wir werden uns an der Realität orientieren – und genau das tun wir in diesem energie­politischen Gesamtplan.

In dieser Strategie setzen wir auf drei Säulen, auf drei große Punkte: einerseits auf die erneuerbare Energie, und da setzen wir natürlich auf Wasserkraft. Es hat ja auch schon unter Minister Bartenstein im letzten Jahr den Masterplan Wasserplan gegeben, wo es konkret darum geht, auch Kleinwasserkraftwerke entsprechend zu forcieren und zu fördern, Windenergie, Solarenergie, all das. Aber wir wissen natürlich alle, dass immer auch der Naturschutz und die Interessen von BürgerInnen entsprechend zu be­rücksichtigen sind und dass Windparks auch nicht einfach so in die Landschaft gestellt werden können, sondern dass auch immer noch andere Aspekte zählen, das wissen wir alle genauso. Gerade Sie, meine Damen und Herren, als Ländervertreterinnen und ‑vertreter spüren das natürlich in direktem Kontakt auch mit den Bürgerinnen und Bür­gern wie alle anderen Politiker auch.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 95

Ein Aspekt, eine zweite große Säule in unserem Gesamtplan ist die Energieeffizienz. Meine Damen und Herren, da haben wir uns alle natürlich auch selbst bei der Nase zu nehmen. Da geht es auch darum, zu überlegen, was denn wirklich sein muss und was man anders machen kann. Da können wir natürlich technisch viel machen, da ge­schieht auch sehr viel im Hinblick auf Entwicklungen, Weiterentwicklungen, aber es geht auch darum, dass sich jeder Einzelne persönlich überlegt, wie viel Energie er wirklich braucht und wo man etwas effizienter machen könnte. Thermische Sanierung wurde in einem Redebeitrag angesprochen. Da können wir natürlich wichtige Beiträge leisten, aber auch in der persönlichen Lebensgestaltung ist vieles zu tun. Da ist jeder selbst gefordert.

Ganz wichtig – das ist der dritte Faktor im Gesamtplan – ist die Versorgungssicherheit, und dazu gehört sehr wohl auch „Nabucco“. Und das einfach so zu verteufeln und zu sagen, das wollen wir alles nicht, weil Türkei und so weiter, ist auch, Herr Bundesrat, eine etwas merkwürdige Argumentation (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – der Leitungsbau gehört dazu, Frau Bundesrätin –, denn genau da geht es darum, dass wir die notwendige Versorgungssicherheit gewährleisten können – Herr Bundesrat Zangerl hat auch davon gesprochen –, und zwar zu für die Konsumentinnen und Kon­sumenten vernünftigen, leistbaren Tarifen.

Hier sind wir genau bei dem, worum es eigentlich bei der jetzigen Novelle geht, dass wir für die Konsumentinnen und Konsumenten eine entsprechend einfache Tarifgestal­tung und auch entsprechende Möglichkeiten sicherstellen.

Sie haben argumentiert, warum Sie dem nicht zustimmen können. Herr Bundesrat, Sie stimmen nicht zu, dass die Konsumentinnen und Konsumenten vernünftige Rahmen­bedingungen haben. Was würde es denn bedeuten, wenn diese Novellierung nicht käme? – Das würde bedeuten, dass wir ein völlig unübersichtliches System von unter­schiedlichsten Tarifgestaltungen hätten. Es kann ja wohl nicht die Intention Ihrer Frak­tion sein, dass die Konsumentinnen und Konsumenten eine Schlechterstellung erfah­ren, anstatt für sie eine Verbesserung zu erreichen.

Deswegen finde ich es sehr, sehr wichtig, dass wir diesen Weg der einheitlicheren Netzgestaltung, der Zusammenfassung im Sinne der Konsumentenfreundlichkeit wei­terführen, und ich bin froh darüber, dass diese Novelle mit dieser kleinen Änderung das sicherstellt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

14.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischenzeit­lich darf ich in Begleitung unseres mehrfachen Bundesratspräsidenten Jürgen Weiss den ehemaligen Ständeratspräsidenten der Schweiz René Rhinow herzlich in unserer Runde willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird ebenfalls kein Schlusswort gewünscht.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 96

14.34.587. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Ludwig Bierin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Adipositas-Prävention und ‑Interven­tion für Kinder und Jugendliche (176/A(E)-BR/2009 sowie 8110/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 7.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hladny. Bitte um den Bericht.

 


14.35.21

Berichterstatterin Waltraut Hladny: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschlie­ßungsantrag betreffend Adipositas-Prävention und ‑Intervention für Kinder und Jugend­liche bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf den Antrag be­schränken kann.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Bundesrat wolle die dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossene Entschlie­ßung annehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Diesner-Wais. – Bitte.

 


14.36.17

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Wenn wir heute über den Ent­schließungsantrag Adipositas-Prävention diskutieren, so ist das, glaube ich, eine sehr wichtige Sache für unsere Kinder, für das Wohlbefinden unserer Kinder, natürlich auch für deren Psyche und deren Gesundheit, aber nicht nur für unsere Kinder, sondern auch an Einsparung im zukünftigen Gesundheitssystem, denn damit einhergehende Risikofaktoren und Erkrankungsmöglichkeiten wirken sich natürlich in Form von ver­stärkten Kosten im Gesundheitssystem aus.

Wenn wir österreichweit bei Jugendlichen zwischen sechs und 14 Jahren 20 Prozent Burschen mit Übergewicht haben und davon 8 Prozent Adipositas-Betroffene und 17 Prozent Mädchen und da 7 Prozent Adipositas-Betroffene und diese Zahlen noch im Steigen begriffen sind, so sind das, glaube ich, alarmierende Zahlen. Da gilt es natürlich bei Kindern verstärkt auf Prävention zu setzen.

Wenn ich unser Bundesland Niederösterreich ansprechen darf, so haben wir da meh­rere Dinge, auf der einen Seite die Verhaltensprävention. Da haben wir in Niederöster­reich das Projekt „Gesunde Schule“ und „Gesunder Kindergarten“. Da ist es wichtig, dass die LehrerInnen und KindergärtnerInnen diese Dinge den Kindern vermitteln. Aber es ist, wie ich meine, ganz wichtig, dass bereits in der Familie angesetzt wird, denn die Familie muss Vorbild sein in Bezug auf Bewegung; Frau Kollegin Kersch­baum hat es auch schon angeschnitten. Es ist wichtig, dass der Schulweg von den Kindern gegangen wird, natürlich ist auch die Ernährung wichtig.

Wichtig ist auch die Verhältnisprävention, wo wir politisch gefordert sind. Es sollte nicht auf der einen Seite in den Schulen Prävention unterrichtet werden, während auf der anderen Seite in den Buffets den Kindern nur Cola und Wurstsemmeln angeboten wer­den. Das sollte natürlich nicht der Fall sein.

Wir diskutieren heute hier über die Sekundärprävention, wo eben das Gesundheits­ministerium federführend mit dem Sport- und Bildungsministerium erst einmal überprü­fen soll, welche Maßnahmen es bereits in den Ländern gibt, denn ich denke mir, wir


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sollen effizient an die Sache herangehen und nicht doppelt moppeln. So haben wir in Niederösterreich zum Beispiel für Kinder von sechs bis 16 Jahren, die an Adipositas leiden, ein einjähriges Programm, an dem in Zusammenarbeit mit den Landeskliniken eine Gruppe von Medizinern, Ernährungsberatern, Sportwissenschaftlern und Psycho­logen mitarbeitet, wo die Kinder samt ihren Eltern dort ein Jahr lang betreut werden. Für die 10- bis 16-Jährigen gibt es ein dreiwöchiges Camp und auch dann eine einjäh­rige Betreuung. Ich denke, das ist etwas ganz Wichtiges, denn eine psychologische Betreuung muss da unbedingt Eingang finden, denn Adipositas-Kinder, ‑Betroffene werden eben oft gehänselt und haben es dadurch schwerer.

Wichtig ist auch, dass die psychologische Betreuung mit dabei ist, denn es schwenkt sonst oft in Essstörungen um; Magersucht ist sowohl bei Mädchen als auch bei Bur­schen im Zunehmen.

Ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir wissenschaftliche Programme verwenden, denn man soll nicht auf Kosten unserer Kinder Versuche starten. Es ist aber auch wichtig, dass man das im internationalen Kontext betrachtet, denn in diesem Bereich ist schon viel geschehen, und man sollte Maßnahmen, die gegriffen haben, und an­dere, die nicht gegriffen haben und nur viel Geld kosten, vergleichen. Wir müssen nicht etwas ausprobieren, das anderswo kein Erfolg war.

Wir in Niederösterreich verlangen einen Beitrag von den Eltern für jedes Kind in Be­treuung. Dieser Beitrag ist sozial gestaffelt, für sozial Schwache ist es fast ein Nulltarif, aber es hat sich gezeigt, dass, wenn überhaupt nichts verlangt wird, die Eltern mit den Kindern kein ganzes Jahr durchhalten. Daher ist das schon zu befürworten.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Prävention im primären und im sekundären Bereich etwas besonders Wichtiges für übergewichtige und Adipositas-Kinder ist. Ich würde es begrüßen, wenn das Gesundheitsministerium eine Iststand-Erhebung ma­chen würde, damit weitere Vorgangsweisen festgelegt werden können: im Sinne der Gesundheit unserer Kinder. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

14.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Erlitz. – Bitte. (Unruhe im Saal. – Bundesrat Mag. Erlitz: Bin ich schon dran?) – Bitte, Herr Kol­lege. (Bundesrat Mag. Erlitz – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es ist so laut, man hört das hinten nicht!)

Das bringt mich zu der Bitte, meine Damen und Herren, etwas leiser zu sein!

 


14.41.43

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf es kurz machen, denn Frau Kollegin Diesner-Wais hat vieles bereits vorweggenommen. Ich bin heute eigentlich nur Ersatzredner, ich bin für Frau Vizepräsidentin Neuwirth, die Mit-Antragstellerin ist, kurzfristig eingesprungen und habe mich bereit erklärt, auch ein paar Worte zu diesem Entschließungsantrag beziehungsweise zu diesem Bericht des Gesundheitsausschusses zu sagen.

Es geht um eine Aufforderung, gerichtet an alle drei Ministerien – das ist eine Quer­schnittsmaterie –, an das Bundesministerium für Gesundheit, an das Bundesministe­rium für Landesverteidigung und Sport und an das Unterrichtsministerium, im primär- und sekundärpräventiven Bereich Initiativen zur Behandlung von Übergewichtigkeit bei Kindern, von Adipositas-Kindern zu setzen.

Übergewicht scheint heute tatsächlich eine chronische Erkrankung zu sein. Man sagt auch, dass die Zahl der weltweit übergewichtigen Kinder bereits die Zahl der hungern­den übertroffen hätte.


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Mit dem Übergewicht sind, wie gesagt, sehr viele Risikofaktoren verbunden. Der Haupt­risikofaktor ist – und damit ist wirklich nicht zu spaßen, denn das ist zurzeit eine der größten gesundheitspolitischen und medizinischen Herausforderungen – Diabetes Typ 2. Das ist der Diabetes, den man nicht in die Wiege gelegt bekommt, sondern den man zu einem großen Teil selbst bewirkt (Bundesrat Schennach: Anisst!), nämlich durch Bewegungsmangel, durch falsche Ernährung und durch Übergewicht. Das Pro­blem bei Diabetes Typ 2 ist, dass damit wieder weitere Erkrankungen verknüpft sind, etwa Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die immer noch die häufigste Todesursache in Österreich sind.

Es gilt ganz einfach – das ist meines Erachtens das Wichtigste in diesem Fall, die ef­fektivste Maßnahme –, primärpräventiv tätig zu sein. Und dafür bietet sich, jetzt bin ich wieder bei der Schule, das Setting Schule am besten an.

Ich weiß schon, dass man fragt: Was soll denn die Schule noch alles tun? Im gesund­heitsfördernden Bereich soll sie auch noch tätig sein?! Die Schule ist nicht der „Libero der Nation“, der für die Behebung aller Fehlentwicklungen zuständig ist, aber auf der anderen Seite hat die Schule, wenn man weiß, dass die Kinder bis zu 60 Prozent ihrer Zeit in der Schule verbringen, neben dem Bildungsauftrag auch einen Erziehungsauf­trag zu erfüllen. Dazu gehört auch Gesundheitsförderung, das Setzen von gesund­heitsfördernden Maßnahmen, das heißt, den Kindern Wissen und Kompetenzen mitzu­geben, damit sie lernen, selbstverantwortlich mit ihrem Gesundheitspotenzial umzuge­hen, und ihnen Empowerment zu vermitteln. Ich glaube, das wäre schon ein Auftrag der Schule. Das geschieht auch schon in vielen Schulen in vielen Bundesländern.

Die Steiermark, muss ich sagen, ist da auch sehr federführend unterwegs. Bei uns gibt es zum Beispiel die „Gesunde Schule“. Das ist ein Programm, bei dem wir Schulen zertifizieren, wenn sie einen gewissen Kriterienkatalog erfüllen. Da geht es um das Verhalten der Kinder, aber auch um die Verhältnisse, um das Umfeld – und dazu ge­hört auch die „gesunde Jause“. Wenn Schulen diese Kriterien erfüllen, dann bekom­men sie das Zertifikat „Gesunde Schule“ oder den Gesundheits-Award.

Ich glaube, da ist sehr viel zu tun, und wir bräuchten – mein ceterum censeo; ich sage das immer wieder – ein Pflichtfach Gesundheitsförderung, ein Lebensfach, kein Prü­fungsfach. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Bravo! Jawohl!)

Es sind in letzter Zeit sehr viele Stunden gestrichen worden, aber ein Pflichtfach Ge­sundheitsförderung in der Schule wäre sehr wichtig, um die Kinder in eine gesund­heitsfördernde Richtung zu führen. Da könnten auch, wie gesagt, Adipositas-Vorbeu­gung und so weiter behandelt werden.

Ziel der heutigen Entschließung ist es jedenfalls, eine flächendeckende und facetten­reiche, individuell abgestimmte Betreuung übergewichtiger Kinder und Jugendlicher in Österreich zu ermöglichen. Um dieses Ziel, eine bestmögliche Betreuung österreich­weit anzubieten, erreichen zu können, ist es notwendig, im Rahmen einer breit ange­legten, ministerienübergreifenden Konzepterstellung die bestehenden Therapien, Res­sourcen und Konzepte zu erfassen, zu evaluieren und ihre Weiterentwicklung zu unter­stützen – das geht nur im Zusammenspiel aller daran beteiligten Kräfte –, und da wirk­lich effektiv und effizient etwas zu tun.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. Es geht um unsere Kinder und um die Gesundheit unserer Kinder! – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ und Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

14.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Frau Berichterstatterin ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Entschließungsan­trag 176/A(E) der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Adipositas-Prävention und -Intervention für Kinder und Ju­gendliche in der Fassung des gegenständlichen Abänderungsantrages die Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Entschlie­ßungsantrag 176/A(E) in der Fassung des gegenständlichen Abänderungsantrages ist somit angenommen. (E 233-BR/09.)

14.47.468. Punkt

Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nunmehr zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Aufgrund der Ergebnisse der Kärntner und der Salzburger Landtagswahl beziehungs­weise des Mandatsverzichtes eines Vorarlberger Bundesrates sind insgesamt drei Mit­glieder und fünf Ersatzmitglieder ausgeschieden und daher zu wählen. Davon sind von der SPÖ zwei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder, von der ÖVP ein Mitglied und drei Ersatzmitglieder für eine entsprechende Wahl vorzuschlagen.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmitglie­der vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Entsprechende Wahlvorschläge der Fraktionen liegen mir vor. Diese lauten wie folgt:

Als Mitglieder:

von der SPÖ vorgeschlagen: Ana Blatnik aus Kärnten und Manfred Gruber aus Salz­burg;

von der ÖVP vorgeschlagen: Josef Saller aus Salzburg.

Als Ersatzmitglieder:

von der SPÖ vorgeschlagen: Juliane Lugsteiner aus Niederösterreich und Mag. Su­sanne Neuwirth aus Salzburg;

von der ÖVP vorgeschlagen: Dr. Magnus Brunner aus Vorarlberg, Mag. Michael Hammer aus Oberösterreich und Mag. Harald Himmer aus Wien.

Ich werde die Abstimmung über diese Wahlvorschläge, sofern sich kein Einwand er­hebt, unter einem vornehmen. – Es gibt keinen Einwand.

Da jeweils nur ein Wahlvorschlag vorliegt, machen wir das mit Handzeichen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den von mir bekannt gegebenen Wahlvorschlägen die Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stim­meneinhelligkeit gewählt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 100

14.49.49Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 19 Anfragen, 2665/J bis 2683/J, ein­gebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 5. Juni 2009, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs- bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, 3. Juni 2009, 13 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenende!

Die Sitzung ist geschlossen.

14.50.35Schluss der Sitzung: 14.51 Uhr

 

 

 

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