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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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783. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Freitag, 9. April 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

783. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 9. April 2010

Dauer der Sitzung

Freitag, 9. April 2010: 9.03 – 13.44 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Protokoll von 2005 zum Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlun­gen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden

2. Punkt: Protokoll von 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt

3. Punkt: Änderungsprotokoll mit Änderungen am Übereinkommen zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage und am Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorher­sage

4. Punkt: Bericht über die im Jahr 2008 durch den Bund bei den ÖBB sowie bei den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leis­tungsbericht)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr erlassen wird und mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz geändert werden

6. Punkt: Änderung des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im inter­nationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspek­tion (VAIG 1994) geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Austro Control Gesell­schaft mit beschränkter Haftung geändert wird

10. Punkt: Änderungsurkunden der Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und des Vertrages der Internationalen Fernmeldeunion, Genf 1992, geändert durch die Kon­ferenz der Regierungsbevollmächtigten (Kyoto 1994), durch die Konferenz der Regie­rungsbevollmächtigten (Minneapolis 1998) sowie durch die Konferenz der Regierungs­bevollmächtigten (Marrakesch 2002), samt Erklärungen und Vorbehalten

11. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Ver­


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meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls

12. Punkt: Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktord­nungs-Überleitungsgesetz geändert werden

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Nominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ........................................................................................................ 28

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Ver­tiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwie­gender Straftaten durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 29

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Aktuelle Stunde (1.)

Thema: „Aktuelle Perspektiven zum Thema Zugangsbeschränkungen“ .............. 7

Redner/Rednerinnen:

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ....... 7

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 10

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 12

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ............................................................  15, 25

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 19

Mag. Michael Hammer ................................................................................................. 20

Mag. Wolfgang Erlitz .................................................................................................... 22

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 24

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 28

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 32

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 32


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Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Protokoll von 2005 zum Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden (582 d.B. und 614 d.B. sowie 8289/BR d.B.) ......................... 33

Berichterstatterin: Notburga Astleitner ........................................................................ 33

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Protokoll von 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen ge­gen die Sicherheit der Seeschifffahrt (583 d.B. und 615 d.B. sowie 8290/BR d.B.)                                                                                   33

Berichterstatterin: Notburga Astleitner ........................................................................ 33

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderungs­protokoll mit Änderungen am Übereinkommen zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage und am Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (602 d.B. und 616 d.B. sowie 8287/BR d.B. und 8291/BR d.B.) ................................... 33

Berichterstatterin: Notburga Astleitner ........................................................................ 33

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 33

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 35

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 36

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 37

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 37

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 37

4. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über die im Jahr 2008 durch den Bund bei den ÖBB sowie bei den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leistungs­bericht) (III-386-BR/2010 d.B. sowie 8292/BR d.B.)                   37

Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 37

Redner/Rednerinnen:

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 38

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 39

Mag. Michael Hammer ........................................................................................... ..... 40

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 41

Stefan Zangerl ......................................................................................................... ..... 43

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-386-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 46

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über


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die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr erlassen wird und mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Schieneninfrastrukturfinanzie­rungsgesetz geändert werden (576 d.B. und 642 d.B. sowie 8288/BR d.B. und 8293/BR d.B.) ................................................................................................................. 46

Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 47

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 47

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 48

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 50

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 54

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderung des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Stra­ßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) (366 d.B. und 631 d.B. sowie 8294/BR d.B.) ................................................................. 54

Berichterstatter: Erwin Preiner ..................................................................................... 55

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (VAIG 1994) geändert wird (495 d.B. und 632 d.B. sowie 8295/BR d.B.) ................................................................................................................. 54

Berichterstatter: Erwin Preiner ..................................................................................... 55

Redner/Rednerinnen:

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 55

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 56

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 59

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (577 d.B. und 633 d.B. sowie 8296/BR d.B.)               60

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 60

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 60

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 62

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 63

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 65

Kurt Strohmayer-Dangl ......................................................................................... ..... 67

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 68

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert wird (496 d.B. und 637 d.B. sowie 8297/BR d.B.)                                                                                                               68


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Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 69

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 69

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 70

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 72

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 74

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Ände­rungsurkunden der Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und des Vertra­ges der Internationalen Fernmeldeunion, Genf 1992, geändert durch die Konfe­renz der Regierungsbevollmächtigten (Kyoto 1994), durch die Konferenz der Re­gierungsbevollmächtigten (Minneapolis 1998) sowie durch die Konferenz der Re­gierungsbevollmächtigten (Marrakesch 2002), samt Erklärungen und Vorbehalten (457 d.B. und 645 d.B. sowie 8298/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 74

Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 75

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fas­sung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls (584 d.B. und 619 d.B. sowie 8300/BR d.B.) ................................................................................................................. 75

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 75

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (585 d.B. und 620 d.B. sowie 8301/BR d.B.) ........................................................................................ 75

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 75

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................... 76

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................... 76

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Über­leitungsgesetz geändert werden (610 d.B. und 626 d.B. sowie 8299/BR d.B.) ........................................................................................ 76

Berichterstatter: Reinhard Jany .................................................................................... 76


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 6

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 77

Martin Preineder ....................................................................................................  78, 82

Stefan Schennach ........................................................................................................ 80

Maria Mosbacher .......................................................................................................... 81

Friedrich Hensler .......................................................................................................... 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 83

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Georg Keuschnigg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Kennzeichnung heimischer Lebensmittel (2747/J-BR/2010)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Prozess gegen TierschützerInnen (2748/J-BR/2010)

MMag. Barbara Eibinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend die Einführung eines lebenslangen Gesundheitspasses (2749/J-BR/2010)


09.02.36


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Peter Mitterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich eröffne die 783. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 782. Sitzung des Bundesrates vom 11. März 2010 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind für die heutige Sitzung die Mitglieder des Bundesrates Manfred Gruber, Günther Kaltenbacher, Gottfried Kneifel und Peter Zwanziger.

09.03.08Aktuelle Stunde

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun erstmals in der Geschichte des Bundesra­tes zur Aktuellen Stunde, und zwar betreffend

„Aktuelle Perspektiven zum Thema Zugangsbeschränkungen“

Ich darf dazu Frau Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Beatrix Karl hier im Hause herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Über den Ablauf der Aktuellen Stunde wurde Einvernehmen in der Präsidialkonferenz erzielt: Zunächst kommt je ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von jeweils 10 Mi­nuten zu Wort. Das gilt für die Fraktionen, die auch die notwendige Stärke als Fraktio­nen haben.

Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll.

Sodann folgt ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner der Fraktionen mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Anschließend kommt wieder ein Red­ner der Bundesräte ohne Fraktion mit 5 Minuten zu Wort.

Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfol­gen, die nach Möglichkeit auch 5 Minuten nicht überschreiten sollte.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dr. Schnider. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


9.04.23

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möch­te einleitend sagen, ich freue mich sehr, dass es die Aktuelle Stunde jetzt auch bei uns im Bundesrat gibt, weil es in dieser, wie es in unserer Geschäftsordnung heißt, ja darum gehen sollte, aktuelle Themen mit einem Regierungsmitglied zu besprechen – auch wenn ich ehrlich sagen muss, dass ich etwas verwundert bin, dass dieses Thema nur auf einen Bereich eingeschränkt ist; denn das steht eigentlich nirgends in der Ge­schäftsordnung, dass es nur um einen Bereich geht, sondern es heißt, dass es um aktuelle Themen geht. Aber das möchte ich nur am Anfang, weil es das erste Mal ist, hier anmerken. Vielleicht können wir das das nächste Mal etwas anders handhaben.

Nun zu unserem Thema: Ich glaube, dass das eben auch nicht in einigen Worten zu behandeln ist, und schon allein der Titel ist aus meiner Sicht etwas einseitig. Er hat eine Schlagseite, denn wenn man von Plänen und Überlegungen, die in Richtung Zu­gangsbeschränkungen gehen, spricht, dann müsste uns eigentlich gleich auf den ers­ten Blick auffallen, dass das Wort „Zugangsbeschränkungen“ negativ besetzt ist. Das


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 8

heißt, wir bringen sofort etwas, das im heutigen Bildungssystem einen positiven Grund­klang haben müsste – ich werde dann erklären, warum ich das jetzt sage –, in einen Zusammenhang damit, dass irgendjemand beschränkt wird. Wenn wir zum Beispiel von „Zugangsregelungen“, von „Vereinbarungen“, von „Zugangsmöglichkeiten“ reden wür­den, dann wäre das schon etwas ganz anderes.

Aber was meine ich damit? – Ich glaube, dass ein modernes Bildungskonzept eines ist, wo es um lebenslanges Lernen und Bilden geht. Und da müssen wir als diejenigen, die für Bildung hier verantwortlich sind, auch einmal selbst einen Bewusstseinswandel mit­machen, nämlich dass es nicht mehr ein Bildungskonzept ist, das eine Linearität auf­weist, sondern so wie heute ein Bildungsweg, wie wir früher gesagt haben, wo es ein­zelne Gabelungen gibt. Und mit Gabelungen verbindet man natürlich sehr schnell: Aha, ich entscheide mich für das eine und kann mich für das andere nicht mehr entschei­den, also bin ich für das andere irgendwie beschränkt oder begrenzt worden.

Ich glaube, wir müssen heute von einem Bildungsnetzwerk reden, mit unterschiedli­chen Knoten und mit verschiedenen Richtungen, die mir ermöglicht werden. Schauen Sie, wir können das anhand eines guten Beispiels bringen. Früher war es immer von unten nach oben, dass man gesagt hat: Kindergarten, Volksschule, Hauptschule, AHS. Aber da muss man sich dann schon entscheiden. Das ist ja auch ein großes Diskus­sionsthema, auch bei uns: Gehe ich in die AHS, gehe ich in die Hauptschule? Und dann war ich auf diesem Weg. Dann ist der eine zur Matura gegangen und der andere zur Lehre.

Wenn wir uns aber anschauen, was wir in den letzten Monaten und Jahren hier be­schlossen haben, dann sehen wir, dass wir plötzlich eine größere Durchlässigkeit ent­wickelt haben, sodass jeder, der will, auch zur Matura kommt. Das ist das eine. Das heißt, wir haben unterschiedliche Wege, aber diese sind eher mit Verknüpfungen gleich­zusetzen.

Zweiter Punkt: Wenn dem so ist, dann haben wir in den letzten Jahren entwickelt, dass an wichtigen Schnittpunkten, an bestimmten Knotenpunkten immer so etwas wie eine Selbst- und eine Fremdevaluierung stattfindet. Und das sind nicht nur die großen inter­nationalen Testungen, ob das jetzt PIRLS, TIMMS oder PISA ist. Das heißt, die jungen Leute sind vom Kindergarten an gewohnt – wenn man etwa an die Frühsprachförde­rung denkt –, dass sie auch ein Stück getestet werden, wo ihre Eignungen, wo ihre Talente liegen. Und ich glaube, das ist gerade bei einem innendifferenzierten System etwas ganz, ganz Wichtiges. Und da ist es doch nicht verwunderlich, dass es, wie vom Kindergarten in den Primärbereich, vom Primärbereich in den Sekundarbereich, auch vom Sekundarbereich in den Tertiärbereich, nicht darum geht, jemandem einen Zugang nicht zu ermöglichen – deshalb bin ich gegen dieses Wort „Beschränkung“ –, sondern zu schauen: Wer hat wo die größten Talente und Fähigkeiten und wer ist wo bereit, sich voll und ganz einzulassen? – Das heißt, es geht darum, ein Stück zu schauen: Wer hat welche Eignung?

Jetzt haben wir – das ist der dritte Punkt – in Österreich in den letzten 20 Jahren eine große Typenvielfalt entwickelt, was Hochschulbereiche betrifft: Wir haben die Fachhoch­schule, wir haben die klassische Universität, wir haben die Pädagogische Hochschule. Und da denke ich mir, da müsste man doch auch schauen: Wie spielen die zusam­men?

Was nun die Pädagogischen Hochschulen betrifft, so sind, glaube ich, alle einer Mei­nung – und das sehen wir jetzt gerade an dem Papier, das herausgekommen ist, dem Schlusspapier der Expertengruppe, die immerhin von Hahn und Schmied eingesetzt worden ist und jetzt von Karl und Schmied in Finalisierung gebracht worden ist, wo das eindeutig drinnen steht –, dass es ohne eine bestimmte Eignung auch schwer möglich


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 9

sein wird, einen pädagogischen Weg einzuschlagen. Und bei den Fachhochschulen wissen wir das sowieso, dass es bei jedem Studiengang im Prinzip vorher auf eine ge­wisse Eignungsüberprüfung ankommt.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir im gesamten Hochschulbereich diese Möglich­keiten schaffen, sodass hier – wie eben beim Fachhochschul- und beim pädagogi­schen Hochschulbereich von einer Berufseignung gesprochen wird – die Fachbe­reichseignung hervorgestrichen wird. Und man sollte da auch nicht gleich die Be­fürchtung äußern, dass die jungen Leute dadurch irgendwo „eingegrenzt“ würden. Ich glaube, dass dadurch – ganz im Gegenteil also – etwas ganz anderes bewirkt wird, nämlich eine klare und eindeutige Orientierungshilfe.

Deshalb ist es meiner Auffassung nach auch sehr wichtig, dass da schon in der Schule angesetzt wird: Berufsorientierung und so weiter und so fort. In den letzten Jahren, ja Jahrzehnten wurde ohnehin immer stärker darauf angelegt, dass das sozusagen nicht linear ausgerichtet wird – du machst das, denn sozial bist du dort, und das muss daher so und so laufen! –, sondern dass eben zahlreiche Informationen über die verschie­densten Berufsmöglichkeiten gegeben werden.

Allerdings muss man schon sagen, dass mit einer Orientierung auch eine Eignung zu­sammenhängen muss, sodass eben jemand tatsächlich die Möglichkeit hat, einen ganz bestimmten Weg zu gehen. Deshalb treten wir auch keinesfalls für Begrenzungen, son­dern für die Eröffnung von Eignungsmöglichkeiten ein. Und bei Kunsthochschulen et­wa ist es ja bereits seit Jahrzehnten üblich, dass nicht jeder in einer Meisterklasse lan­det, sondern dass sich dort sogar einzelne Professoren die Studierenden selbst aus­wählen.

Mich wundert allerdings, dass dort manche Rektoren sagen, dass das keine Zugangs­regelung sei. – Na was ist denn das dann bitte, wenn gesagt wird: Ich habe 20 Plätze in der Meisterklasse und schaue daher, wer in diese aufgenommen wird. – Da bin ich schon etwas verwundert, dass im dortigen Audimax die Studierenden gesagt haben: Wir sind für den freien Hochschulzugang!

Ja, selbstverständlich sind wir auch dafür, aber es muss so sein, dass junge Leute ihre Bildungsmöglichkeiten ausloten und letztlich dort hinkommen, wo sie wirklich am bes­ten hinpassen.

Letzter Punkt, den ich auch hier sagen möchte: Ich glaube, dass Beschränkungen auch ein bisschen etwas mit unserem Gesamtbildungssystem zu tun haben. In diesem Sys­tem wird ja nicht überprüft, wo die Stärken des Einzelnen liegen, sondern es gibt da so­zusagen nach wie vor die sogenannte Schwächegesellschaft, denn es wird nur ge­schaut, wo jemand Schwächen hat. Auch in der Schule ist das so, denn wenn jemand einen „Fleck“ bekommt, dann hat der Betreffende etwas nicht gut gekonnt. Und genau das wird immer und in erster Linie herausgebracht, anstatt zu sagen, wo die Stärken liegen.

Beschränkung hat immer etwas mit Schwächen zu tun: Da kann einer etwas nicht, und deshalb darf er dort nicht hin! Wenn man aber sagt: Da hat einer Stärken!, dann heißt das ja auch, er hat eine Eignung, ein Talent, Fähigkeiten und so weiter.

Daher: Schauen wir, dass es da zu einem Bewusstseinswandel kommt und gehen wir diesen Weg!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir werden sicherlich noch alle feststellen, dass Zugangsregelungen ein guter Weg sind, ein Weg, der in ein Gesamtbildungskon­zept mündet, ein Konzept, das innendifferenziert ist, das schon im Kindergarten, im Vorschulbereich beginnen und ein Leben lang andauern sollte, da dies ein guter und sinnvoller Weg ist. (Beifall bei der ÖVP.)

9.13



BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 10

Präsident Peter Mitterer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Duzdar zu Wort. – Bitte.

 


9.13.22

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Frau Ministerin! Um ein bisschen auf das zu replizieren, was Kollege Schnider gesagt hat: Natürlich ist mir bewusst, dass der Begriff „Zugangsbeschränkungen“ nicht so schön ist und man natürlich ver­sucht, da ein bisschen zu kaschieren. Aber ich möchte Sie schon darauf hinweisen, dass auch Frau Ministerin Karl immer nur von den sogenannten Zugangsbeschränkun­gen spricht. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Schnider: Nein, von Zugangs­regelungen spricht sie!)

Frau Bundesministerin, Sie haben gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit mit Ihren politischen Statements aufhorchen lassen. Und das Erste, was ich von Ihnen vernommen habe, war, dass Sie für Studiengebühren sind. Und in den letzten Wochen haben Sie sich für die Zulassung von flächendeckenden Zugangsbeschränkungen starkgemacht. Daher möchte ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen festhalten, Frau Ministerin, dass Sie immer auf unsere Unterstützung zählen können, wenn es um den Ausbau und die Ver­besserung des österreichischen Hochschulwesens geht, dass Sie allerdings auf hefti­gen Widerstand stoßen werden, wenn Sie den freien Hochschulzugang in Österreich in Frage stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wie ich bereits in Ihren letzten Interviews lesen konnte, sind Sie mittlerweile von Ihrer Forderung etwas abgerückt, was ich auch sehr vernünftig finde, denn, liebe Kolle­ginnen und Kollegen, wir wissen: Studiengebühren bedeuten soziale Ungleichheit, Stu­diengebühren benachteiligen Menschen aus bildungsfernen Schichten. Und die Ver­erbung der Bildungschancen in Österreich ist statistisch nachgewiesen: Laut einer OECD-Studie gehört Österreich zu jenen Ländern, wo die Wahrscheinlichkeit, dass je­mand ein Hochschulstudium beginnt, zweieinhalb Mal größer ist, wenn der Vater ein Hochschulstudium abgeschlossen hat.

Gerade in diesem Zusammenhang erscheint es mir aber auch interessant, dass selbst bei Schulabgängern mittlerweile nachgewiesen wurde, dass der Abbruch der Bildungs­laufbahn mit sozialen Hintergrundfaktoren verbunden ist. Vor allem Kinder von Eltern mit niedriger Qualifikation fallen aus unserem Bildungssystem heraus. Ich möchte dazu nur zwei Zahlen erwähnen: Bei Kindern von Eltern mit einer niedrigen Schulbildung be­trägt der Anteil an Schulabbrechern fast 19 Prozent, bei Eltern mit einem höheren Bil­dungsabschluss sind es nur 4 Prozent.

Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt eindeutig, dass sich die soziale Ausgren­zung und die soziale Auslese durch das österreichische Bildungssystem wie ein roter Faden durchziehen, was eigentlich nicht sein sollte, denn Bildung sollte ja die Möglich­keit zu sozialem Aufstieg bieten, sollte die Möglichkeit zu gesellschaftlicher Teilhabe bieten. Es gibt kein besseres Mittel zur Bekämpfung von Armut und keinen geeignete­ren Schutz gegen Arbeitslosigkeit als Bildung! – Leider Gottes ist das in Österreich nicht der Fall. Man hat eher den Eindruck, dass bestehende gesellschaftliche Struktu­ren einzementiert werden, dass soziale Ungleichheiten vertieft werden. Vor diesem Hintergrund sind natürlich Studiengebühren fatal, weil sie die soziale Auslese fördern. Die Aufgabe der Politik muss es aber immer sein, Ungleichheiten zu beseitigen und Privilegien im Bildungssystem aufzuheben.

Was die Zugangsbeschränkungen anlangt, so stoßen diese angesichts der Situation an österreichischen Universitäten auf Unverständnis. Erstens einmal weist Österreich eine der niedrigsten AkademikerInnenquoten auf. Im OECD-Vergleich liegt Österreich unter dem OECD-Durchschnitt, nämlich bei 22,1 Prozent – 38,7 Prozent sind der OECD-


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Durchschnitt. Permanent ist die Rede von der sogenannten Wissensgesellschaft, die ja dauernd gepriesen wird. In allen Berichten der Industriellenvereinigung ist nachzule­sen, wie wichtig es für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes ist, dass es einen hohen Bildungsstand der Bevölkerung gibt. In allen EU-Ländern ist mittlerweile auch nachge­wiesen, dass die Nachfrage nach höher qualifizierten, ausgebildeten Fachkräften in den letzten Jahren immer mehr gestiegen ist, dass die Nachfrage nach gering qualifizierten Menschen eben permanent sinkt. Selbst die OECD-Direktorin für Bildung hat im Hin­blick auf Österreich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bedarf der Wirtschaft an hoch qualifizierten Arbeitskräften in Österreich durch das Bildungssystem noch im­mer nicht gedeckt ist, und sie hat Österreich empfohlen: Wenn Österreich aus der Wirt­schaftskrise gestärkt hervorgehen möchte, dann muss Österreich auch in Bildung in­vestieren.

Gleichzeitig möchten aber Sie, Frau Ministerin, flächendeckend Zugangsbeschränkun­gen erlauben und mit dem Notfallparagraphen für das Studium der Publizistik und der Architektur und an der Wirtschaftsuniversität Zulassungsbeschränkungen schaffen.

Ich möchte Sie im Hinblick auf den Notfallparagraphen nur daran erinnern, dass dieser damals geschaffen wurde, weil der Gesetzgeber dies in Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2006 als notwendig erachtet hat. Mit diesem Urteil wurden ja die damaligen Zugangsregelungen für ausländische Studierende gekippt. In­sofern war dieser Notfallparagraph nur eine Möglichkeit, ein Mittel, um aus dieser ver­zwickten Lage herauszuhelfen. Aber, wie schon der Name sagt, ein Notfallparagraph ist für Ausnahmesituationen gedacht, und es kann nicht sein, dass damit über das Hin­tertürchen allgemeine Hochschulpolitik gemacht wird. Das heißt, der Notfallparagraph kann kein Modell für eine langfristige Hochschulplanung sein! (Beifall bei der SPÖ so­wie des Bundesrates Dönmez.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch das belgische Beispiel erwähnen, wo ja zurzeit ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig ist, bei dem darüber entschieden wird – das Urteil ist in einer Woche zu erwarten –, ob Quoten für ausländi­sche Studierende gemeinschaftsrechtswidrig sind oder nicht.

Das erwähne ich nur deshalb, weil ich den Schlussantrag der Generalanwältin sehr in­teressant gefunden habe, die meint, dass Zugangsbeschränkungen ein Grund für die Gemeinschaftswidrigkeit von Quotenregelungen sein können. Sie argumentiert das da­mit: Wenn Belgien meint, dass Quoten für Ausländer deshalb wichtig sind, weil man ja sicherstellen will, dass es genug inländische Fachkräfte gibt, so stellt sie die berechtig­te Frage, warum es dann überhaupt Zugangsbeschränkungen gibt, wenn es darum geht, dass es sehr viele ausreichend ausgebildete inländische Ärzte, Fachkräfte geben soll. – Deshalb ist zu befürchten, dass eine derartige Zugangsbeschränkung unter Um­ständen auch die Quotenregelung für Ausländer kippen könnte.

Bisher waren die Argumente für die Zugangsbeschränkungen in Österreich erstens einmal, dass unsere österreichischen Universitäten von deutschen Studierenden über­laufen sind, und zweitens, dass die Studienbedingungen so miserabel sind.

Zum einen möchte ich nur sagen – etwas, was bisher noch nie gesagt wurde –, dass die Zahlen der deutschen Studierenden in den letzten Jahren zurückgegangen sind, und das Zweite ist, dass man eben in Deutschland sieht, dass es zurzeit ein Umden­ken gibt und mittlerweile auch andiskutiert wird, in Deutschland den Numerus clausus im Bereich der Medizin zu entschärfen, abzuschaffen.

Wenn das bisherige Problem für unsere Universitäten die deutschen Studierenden waren, so müsste ja jetzt, da in Deutschland eben darüber nachgedacht wird, den Numerus clausus im Bereich der Medizin zu entschärfen, die logische Konsequenz sein, dass man zum Beispiel im Bereich der Medizin diese Zugangsbeschränkungen


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auch wieder abschaffen könnte. Ich finde, dass uns das Beispiel Deutschland zeigen sollte, dass wir daraus die Lehren ziehen müssen und nicht in die falschen Fußstapfen treten dürfen.

Das zeigt aber auch ein weiteres Problem auf, nämlich wohin Zugangsbeschränkungen in bestimmten Ländern führen. Es gibt einen Dominoeffekt, der daraus folgt: Die Zu­gangsbeschränkungen in Deutschland und Frankreich führen nämlich dazu, dass die Studierenden in andere Länder abwandern, und dies hat dann wieder die Konsequenz, dass die Universitäten dort den Zugang zu ihren Einrichtungen auch beschränken. Am Ende des Tages werden wir in Europa bald überhaupt keine Universitäten mit freiem Zugang haben, denn überall werden Zugangsbeschränkungen geschaffen worden sein und wir werden dann nur mehr Universitäten für Eliten haben. – Genau deswegen brauchen wir in Europa eine Verankerung des freien Hochschulzugangs!

Deshalb möchte ich Sie, Frau Ministerin, auch auffordern, zu versuchen, für eine euro­paweite Lösung einzutreten, um nämlich zu verhindern, dass es eine Abwärtsspirale gibt, und ich möchte Sie auch auffordern, sich dafür einzusetzen, dass alle Hürden und Beschränkungen auf europäischer Ebene abgeschafft werden, denn nur dann können wir sichergehen, dass wir den Notfallparagraphen auch in Österreich nicht mehr brau­chen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Zum zweiten Punkt, und damit komme ich auch schon zum Schluss: Natürlich ist es so, dass die Studienbedingungen an unseren Universitäten miserabel sind – ich kann aus eigener Erfahrung sprechen –, aber es kann nicht sein, dass die Probleme an den Uni­versitäten genutzt werden, um Universitäten für Eliten zu schaffen, um eben eine be­stimmte Hochschulpolitik durchzusetzen. Das ist für mich eben ein Missbrauch.

Wenn Ressourcen fehlen, dann kann die Antwort nur sein, dass Ressourcen freige­stellt und die Universitäten eben mit mehr ausgestattet werden müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Deshalb fordere ich Sie, Frau Ministerin, auch auf, dass Sie in den Verhandlungen mit dem Finanzminister schauen, dass ausreichend Budget für die Universitäten ausver­handelt wird. (Bundesrat Perhab: Ein „super“ Vorschlag!)

Zum Schluss nur noch: Frau Ministerin, wir stehen auf Ihrer Seite und unterstützen Sie, sofern es um die Verbesserung und um den Ausbau des österreichischen Hochschul­wesens geht. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

9.23


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich darf ihr das Wort erteilen und auf die Redezeit von 10 Minuten hinwei­sen.

 


9.24.13

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch von meiner Seite ein Wort zu den Ausführungen meiner Vorredner. Herr Kollege Schnider, wenn ich einen Begriff positiv formuliere, ändert das am Ende gar nichts. Unterm Strich bleibt über: Es darf nicht jeder studieren, der die Matura hat und das studieren möchte, was er will. Das ist das, was am Ende des Tages überbleibt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau! Schaumschläger! – Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das stimmt!)

Wir sprechen uns aber seit Jahren gegen eine Zugangsbeschränkung aus. Wir treten für einen offenen Hochschulzugang ein.

Wenn wir wo ansetzen müssen, dann müssen wir bei der AHS ansetzen, bei der Schul­bildung, die zur Matura führt, und da ist aus unserer Sicht einiges zu reformieren. Die


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Durchlässigkeit des Systems, möchte ich auch anmerken, war schon vor 40 Jahren ge­geben. Es war etwas schwieriger als heute, aber auch vor 40 Jahren – damals gab es in der Hauptschule noch den A- und den B-Zug – konnte man vom A-Zug in die AHS übertreten, wenn man dafür geeignet war.

Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin Kollegin Duzdar: Ich bin ja ein Zweifler be­züglich dieses Hinauflizitierens der Akademikerquote. Nicht alle Akademiker, die durch­aus gut gebildet sein sollen, sage ich jetzt einmal, finden einen Job. Das AMS nennt deutliche Zahlen, was die Akademikerarbeitslosenquote betrifft, weil natürlich auch da die Besten genommen werden und die, die nicht ganz so gut sind, auf der Strecke blei­ben. (Bundesrat Mag. Klug: Aber das war als Wissensgesellschaft gemeint!) Das The­ma ... – Ja! (Bundesrat Mag. Klug: Ja!) – Ja, natürlich! Die Frage ist nur, ob diese dann auch wirklich einen Job bekommen, weil die Ausbildung an der Universität ja auch nicht immer ganz gleich ist: Es gibt Bessere, es gibt weniger Gute, das wissen wir alle – so ähnlich wie bei den Schulen. Man spricht nicht gerne darüber, das weiß ich schon, aber das ist einfach eine Tatsache. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Neu­wirth.)

Der Grund dafür, dass wir heute über das Thema, das Herr Kollege Schnider als so einschränkend empfunden hat, Zugangsbeschränkungen – ich bleibe jetzt bei diesem Begriff – sprechen, ist, dass einige Universitäten Anträge gestellt haben, Zugangsbe­schränkungen einzuführen.

Ich finde es aber sehr interessant, dass das unter anderem auch die Wirtschaftsuniver­sität macht, die ihrerseits in Konkurrenz zum Juridicum getreten ist, indem sie ein neu­es Studienangebot gemacht hat, Studenten an sich gezogen hat und jetzt offensichtlich vom eigenen Erfolg völlig überrascht und überfordert ist und sagt: Wir rudern jetzt wie­der zurück; jetzt müssen natürlich Beschränkungen sein! – Also vielleicht sollte man vorher überlegen und das auch ein bisschen koordinieren, wer was wann wie wo macht. Diesbezüglich glaube ich, dass da auch einiger Bedarf ist, etwas zu tun.

Sie, Frau Minister, haben sich ja dafür ausgesprochen, über einen Verzicht des Notfall­paragraphen nachzudenken, oder Sie wollten darüber nachdenken – jedenfalls haben Sie am 23. März der Presse mitgeteilt, dass Sie darüber nachdenken wollen. Jetzt ist es aber zum Beispiel bei der Architektur, die auch einen Antrag auf Beschränkung ge­stellt hat, ja nicht so, dass es dort den großen Ausländeranteil gibt, der auf die Uni drängt. Also frage ich mich als Allererstes schon einmal, von welchem Notfallparagra­phen wir denn hier eigentlich reden. – Der ist ja nicht gegeben, denn die Zahl der aus­ländischen Studierenden an der Architektur hat sich nicht signifikant erhöht.

Interessant ist auch eine Aussage von Dr. Arthur Schneeberger vom Institut für Bildungs­forschung, einer Einrichtung der Wirtschaftskammer. Er sagt: Wir haben „eine ausrei­chende Akademikerversorgung; Mangel gibt es nur in den Bereichen Technik und Na­turwissenschaft.“ – Wir sind ja immer sehr dafür, Mädchen in den naturwissenschaftli­chen Bereich zu bringen. Offensichtlich haben aber auch die Burschen eine gewisse Scheu vor den Naturwissenschaften, sonst könnte es dort keinen Mangel geben.

In der Medizin haben wir schon seit Längerem Beschränkungen, was mittlerweile dazu geführt hat, dass es eigene Vorbereitungskurse gibt. Das ist ja aberwitzig! Es gibt eige­ne Vorbereitungskurse, damit man diesen Medizinaufnahmetest schaffen kann, der überhaupt nichts aussagt! – Bei allen anderen punktuellen Tests höre ich ständig: Ein punktueller Test sagt nichts aus, sagt nichts über die Karriere aus, über die Fähigkeit, sondern das ist eine Momentaufnahme.

Da ist man sehr wohl gewillt, diese Momentaufnahme für einen ganzen Karriereweg als Basis zu nehmen. Dazu sagt zum Beispiel der Vizerektor (Zwischenruf des Bundes­rates Dr. Schnider.) – Die Grazer wollen ja jetzt auch noch die Sozialkompetenz ab­


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testen, weswegen Rudolf Mallinger, seines Zeichens Vizerektor der Medizin-Uni Wien, sagt: Dieser Sozialtest hat „,schwerwiegende konzeptionelle und methodische Mängel, die keine ausreichende Prognosekraft zulassen.‘ Für ihn ist der Sozialtest ,eher ein Ge­sinnungs- als ein Eignungstest‘.“

Man sieht also, auch die Experten sind sich da überhaupt nicht einig, ob diese Art von Aufnahmetest wirklich gut und vor allem sinnvoll ist. (Bundesrat Mag. Himmer: Also was ist der Vorschlag?)

Erster Vorschlag: Frau Minister, Sie sollten vielleicht auch einmal mit Ihrer Kollegin Schmied aus dem Unterrichtsressort reden, was die Situation der AHS betrifft. Wir wis­sen bezüglich der AHS: Es gibt sehr gute und es gibt weniger gute.

Die Tatsache, dass gesichert ist, dass eine Matura auch tatsächlich reif macht für ein Hochschulstudium, ist vor allem in den Ballungsräumen, und da im Speziellen in Wien, überhaupt nicht gegeben. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider.) Wir meinen, da müsste einmal angesetzt werden.

Zweiter Punkt: Wir reden immer von der Matura und dass sie das Nonplusultra sei. – Ja, das soll ja auch so sein! Und da, Kollege Schnider, gebe ich dir völlig recht: Es sollte jeder das machen können, wozu er fähig ist und wofür er geeignet ist. Das trifft für mich auch auf die Gymnasien zu.

Wie das Kaninchen vor der Schlange stehen wir vor der AHS und sagen, da muss je­der hin. – In den letzten Jahrzehnten haben wir gesehen: sinkendes Niveau. Lehrer sa­gen uns heute: Das, was wir vor 20 Jahren in – ich weiß nicht – englischer Grammatik tun konnten, können wir heute nicht mehr tun, weil schon die Grundvoraussetzungen fehlen.

Wir haben aber auf der anderen Seite einen enormen Facharbeitermangel, der unserer Meinung nach behoben werden könnte, wenn man die Hauptschulen wieder zu dem machte, was sie einmal waren: Das waren durchaus gute Schulen, die eine gute Allge­meinbildung vermittelt haben und wo wir auch heute gute Facharbeiter herausbekä­men. (Bundesrat Perhab: Außer in Wien!) Aber die Hauptschule in Wien ist tot, und in vielen anderen Landeshauptstädten ist es ganz genauso.

Die Zugangsbeschränkungen werden das Problem nicht lösen. Und da verweise ich jetzt auf die Schweiz, die Zugangsbeschränkungen hat. In der Schweiz spricht man mittlerweile davon, dass es einen Ärztemangel geben wird. In Österreich hat die Ärz­tekammer auch schon davor gewarnt, dass es zwischen 2015 und 2020 einen Ärzte­mangel geben könnte. Und wenn wir uns die Überalterung unserer Bevölkerung an­schauen, werden wir feststellen, dass auch wir in Zukunft mehr Ärzte brauchen wer­den. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider.) Also ist es wenig sinnvoll, hier zu sagen, wir beschränken den Zugang.

Bei den Lehrern war es ähnlich, da haben wir ja ein ähnliches Problem. Die Unter­richtsministerin hat vor Jahren noch gesagt: Bitte, bitte, werdet nicht Lehrer! Und jetzt wissen wir, dass wir in den nächsten Jahren vor einem eklatanten Lehrermangel ste­hen werden. (Bundesrat Dr. Schnider: ... Beschränkungen!) Das sind also immer nur Momentaufnahmen, die aber nicht zukunftsweisend sind.

Die Uni Linz will eine Medizin-Uni, beschlossen mit allen Stimmen, auch die Ihrer Par­tei. Kommt sie? – Nein, sie kommt nicht! Warum eigentlich nicht?!

Die Universitäten haben ja schon seit Jahren ein zum Teil auch hausgemachtes Prob­lem. Also ich sage, die Universitäten sind schon ein bisschen selber schuld. Aber wir fragen uns: Wo sind jetzt die Mittel und wo beginnen wir damit, den Universitäten die 2 Prozent des BIP zu geben?


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Sie haben jetzt den Universitäten in Aussicht gestellt, 100 Millionen € jährlich für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Allerdings soll das aus der geplanten Ökologisie­rungssteuer Ihres Finanzministers Josef Pröll kommen.

Punkt eins: Das Geld ist überhaupt noch nicht da – also wir lehnen es ab, mit Geld zu spekulieren, das überhaupt noch nicht vorhanden ist –, und zum Zweiten sind das auch wieder nur punktuelle Förderungen, denn Sie wollen die FH fördern, Sie wollen Exzel­lenzcluster machen und Fördergründungen unterstützen.

Wir haben schon im Nationalrat ein 12-Punkte-Programm in Form eines Entschließungs­antrages eingebracht, in dem wir diese 12 Punkte gefordert haben, und ich kann Ihnen nur empfehlen oder Sie bitten, Frau Ministerin: Schauen Sie sich doch einmal die An­träge der Opposition an! Ich weiß von meinen Kollegen, dass unter Ihrer Führung, als Sie Wissenschaftssprecherin waren, diese Anträge der Opposition immer vertagt wor­den sind.

Es fällt Ihnen kein Zacken aus der Krone, wenn Sie sich Anträge – egal, ob sie von den Grünen sind oder vom BZÖ oder von der FPÖ (Bundesrat Zangerl: FPK!) – anschau­en und das herausnehmen, was vielleicht zwischen allen Parteien Konsens ist. Dann können wir einen nationalen Kraftakt zum Thema Universität, zum Thema allgemeine Bildung – dafür ist die Universität da – machen, und es ist allen gedient und niemand hat etwas verloren. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

9.34


Präsident Peter Mitterer: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Dr. Karl. Ich darf ihr das Wort erteilen und auch darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten soll. – Bitte.

 


9.34.31

Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst eines klarstellen: Es wurde von Frau Bundesrätin Duzdar gesagt, ich spräche von Zu­gangsbeschränkungen. – Das stimmt nicht. Ich spreche von Zugangsregelungen und Zu­gangsverfahren. (Bundesrat Mag. Klug: Nebelgranaten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war heute schon mehrfach die Rede von einem offenen Hochschulzugang ... (Bundesrat Konecny: Das ist aber nicht positiv!) Na ja, aber trotzdem wollte ich das klarstellen. Ich lasse mir ungern Dinge unterstellen und möchte gerne so zitiert werden, wie ich es wirklich gesagt habe. Das ist mir wich­tig. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt kaum ein Thema, das in der bildungspolitischen und hochschulpolitischen Land­schaft so dominant ist und sich so festgefahren hat, wie der offene Hochschulzugang – und das, obwohl gerade dieses Thema des offenen Hochschulzugangs ja sehr viele Widersprüche aufweist. Es sind hier auch bereits einige dieser Widersprüche durch meine Vorredner angesprochen worden.

Erstens hat der freie Hochschulzugang, anders als es Frau Bundesrätin Duzdar darge­stellt hat, nicht zu einer Verbesserung der sozialen Struktur geführt. Gut, sie hat ohne­hin darauf hingewiesen, dass die österreichischen Hochschulen nach wie vor eigentlich keine gute soziale Durchmischung haben. Aber dann frage ich mich: Was hat der offe­ne Hochschulzugang da bewirkt? Denn eigentlich hätte ja im Rahmen dieses offenen Hochschulzugangs die soziale Durchmischung erfolgen müssen. Ja wo ist diese denn geblieben? – Da hat sich anscheinend der offene Hochschulzugang nicht bewährt, denn er hat nicht zu einer besseren sozialen Durchmischung geführt.


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Interessanterweise haben wir aber an den Fachhochschulen eine bessere soziale Durchmischung als an den Universitäten. An den Fachhochschulen haben wir eine gu­te soziale Durchmischung, vor allem eine viel bessere soziale Durchmischung als an den Universitäten. Interessanterweise haben wir an den Fachhochschulen Aufnahme­prüfungen, also Zugangsregelungen, und teilweise auch Studiengebühren. (Bundesrat Mag. Himmer: Die Fakten interessieren nicht alle!) Also da frage ich mich schon, wie­so hier immer so getan wird, als würde es des freien Hochschulzugangs bedürfen, um eine bessere soziale Durchmischung zu erzielen. Bis jetzt hat er zu diesen Effekten noch nicht geführt.

Außerdem wurde von Frau Bundesrätin Duzdar auch angesprochen, dass gerade die Kinder aus bildungsfernen und sozial schwachen Schichten zu den Studienabbrechern zählen. – Ja, das stimmt, und wir sehen dieses Phänomen insbesondere in den Mas­senstudien. Was können wir dort beobachten? – Es sind gerade die Studierenden aus den sozial schwachen Schichten, die einen kürzeren Atem haben, die es sich oft nicht leisten können, lange Wartezeiten zu überbrücken. Es ist in den Massenstudien leider so, dass die Studiendauer eine längere ist, weil man warten muss, dass man in ein La­bor kommt, weil man warten muss, dass man in ein Seminar kommt, et cetera et cete­ra. – Die Studiendauer verlängert sich.

Die Studiendauer in den Massenstudien ist leider eine sehr lange, und diesen langen Atem haben gerade die Kinder aus sozial schwachen Schichten oft nicht. Die Studie­renden aus sozial schwachen Schichten können es sich oft nicht leisten, ein Massen­studium tatsächlich vom Anfang bis zum Ende durchzuziehen.

Der zweite Punkt, den ich unter der Überschrift „Merkwürdige Widersprüche im Zusam­menhang mit dem offenen Hochschulzugang“ ansprechen möchte, betrifft den Aspekt, dass wir in Wahrheit für den offenen Hochschulzugang einen sehr hohen Preis zahlen, und dieser sehr hohe Preis ist das Massenstudium.

Wir haben Gott sei Dank nicht in allen Bereichen Massenstudien, das möchte ich auch erwähnen, weil in der Öffentlichkeit häufig das Bild entsteht, als ob wir an den Univer­sitäten nur chaotische Zustände, nur volle Hörsäle hätten. Das stimmt Gott sei Dank so nicht; es gibt viele Studien, bei denen die Hörsäle nicht so überlaufen sind. Aber wir haben auch das Problem der Massenstudien, und wir dürfen meines Erachtens die Augen vor diesen Problemen nicht verschließen, weil sie da sind. Sie sind der Preis für den offenen Hochschulzugang. Und hier sehe ich die Notwendigkeit, etwas dagegen zu tun.

Was ist die Realität? – Die Realität ist, dass wir in diesen Massenfächern keine gute Ausbildung mehr bieten können. Die Ausbildung bietet nicht die Qualität, die ich gerne in diesen Studien haben möchte, denn es leiden dort die Qualität des Studiums, die Qualität der Lehre und die Qualität der Forschung.

Drittens ist für mich der freie Hochschulzugang das völlig falsche Rezept, um mehr Akademiker zu bekommen – auch das wurde von Frau Bundesrätin Duzdar angespro­chen. Es war die Rede davon, dass wir in Österreich mehr Akademiker brauchen, denn wir haben eine so niedrige Akademikerquote, deswegen brauchen wir den offenen Hochschulzugang.

Betrachten wir andere Länder; wir haben in fast allen europäischen Ländern Zugangs­regelungen. Ziehen wir etwa das Beispiel Finnland heran – Finnland wird ja im Schul­bereich, Bildungsbereich immer als das Paradebeispiel herangezogen –: Blicken wir et­was weiter hinauf im Bildungsbereich, schauen wir uns den Zugang zu den Hochschu­len an! In Finnland haben wir nämlich interessanterweise sogar eine doppelte Zugangs­regelung: Dort gibt es neben dem Numerus clausus, den ich persönlich ablehne, das möchte ich auch gleich erwähnen, auch noch Zugangsregelungen an den Universitä­


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ten, die diese selbst bestimmen können. Das führt dazu, dass nur ein Drittel der Schul­abgänger eines Jahrgangs an den Universitäten aufgenommen wird.

Ich habe mir auch ein Beispiel an der Universität Helsinki angesehen: Im Bereich der Rechtswissenschaften werden 14 Prozent der Bewerber für das Studium der Rechts­wissenschaften aufgenommen. Trotzdem hat Finnland eine ungefähr doppelt so hohe Akademikerquote wie Österreich. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Was zeigt uns das? – Dass der offene Hochschulzugang nicht unbedingt mehr Absol­venten zur Folge hat. Mehr Studierende bedeuten nicht zwangsläufig mehr Absolventen. Das sehen wir auch in Österreich sehr deutlich. Wir haben nämlich in jenen Studien­richtungen, die heillos überlaufen sind, hohe Drop-out-Quoten. (Bundesrätin Mag. Neu­wirth: Weil die Bedingungen nicht stimmen!) Ich habe schon angesprochen, dass von diesen Drop-out-Quoten primär die sozial schwachen Schichten betroffen sind. Wir ha­ben zum Beispiel an der WU die Situation, dass rund 80 Prozent der Studierenden hin­ausgeprüft werden. Dieses Hinausprüfen durch Knock-out-Prüfungen passiert nicht im ersten Semester, nicht im zweiten Semester, sondern es passiert im dritten, vierten, fünften Semester, und das ist in Wirklichkeit unzumutbar. Das halte ich für wirklich un­zumutbar für unsere Studierenden, weil es nicht fair ist. Es ist unfair und unzumutbar den Studierenden gegenüber. (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Studierenden verdienen klare und faire Zugangsregelungen, die ihnen konkret Gewissheit darüber verschaffen, ob sie dieses Studium wirklich ergreifen können und ob sie eine Chance haben, dieses Studium wirklich vom Anfang bis zum Ende durch­zuziehen. Das ist heute in den Massenstudien leider nicht der Fall, und die Konse­quenz ist eben folgende: Wir haben zwar viele Studierende – mit den damit verbunde­nen Qualitätsproblemen für Studium, Lehre und Forschung –, aber der Output an Ab­solventen ist dann aufgrund der vielen Dropouts ein geringer.

Ich kann das auch anhand der Erfahrungen, die wir in zugangsregulierten Studien ge­macht haben, darlegen. Was sind einmal ganz allgemein die Erfahrungen, die wir in den zugangsregulierten Studien gemacht haben? – Wir sehen deutlich, dass es zu einer bewussteren Studienwahl der Studienanfänger kommt. Das zeigt auch das Bei­spiel Finnland. Da ist es zum Beispiel so, dass sich die Studierenden bewusst und in­tensiv auf die Zugangsprüfungen – in welcher Art sie auch immer gestaltet sind – vor­bereiten, denn sie wollen ein bestimmtes Studium ergreifen. Sie bereiten sich darauf vor und entscheiden sich ganz bewusst und damit auch intensiv für ein Studium. Das sehen wir auch bei den Zugangsregelungen, die wir in Österreich haben.

Wir beobachten auch eine höhere Motivation bei Studierenden und Lehrenden. Wenn Sie etwa mit Lehrenden an medizinischen Universitäten sprechen, die bereits vor der Einführung der Zugangsregelungen an den Universitäten gelehrt haben und auch jetzt noch dort lehren, werden Ihnen diese den Unterschied bestätigen. Sie sagen, die Stu­dierenden, die jetzt die sogenannten EMS-Tests durchlaufen müssen, sind viel moti­vierter. Die Studiendauer ist kürzer, die Studienabbrecherzahl ist eine niedrigere, dafür gibt es aber mehr Absolventen.

Lassen Sie mich das am Beispiel der bereits angesprochenen Medizinstudien konkre­tisieren. Wir hatten in den Medizinstudien, bevor es die Zugangsregelungen gab, eine Dropout-Quote von rund 50 Prozent. Im Moment ist es so, dass die Dropout-Rate bei ungefähr 5 Prozent liegt. Auch die Studienerfolge sind weit besser. Es sind nämlich rund 90 Prozent der Studierenden, die innerhalb der Mindeststudienzeit beziehungs­weise der Toleranzsemester studieren. Das heißt, von 1 500 Studienanfängern werden zirka 1 350 eines Jahrganges in der vorgesehenen Zeit fertig werden. Auch daran sieht man deutlich, die Regelung des Zugangs führt nicht zu weniger Absolventen und Ab­solventinnen.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren, was lässt sich daraus ableiten? – Unser Ziel muss ein moderner österreichischer Hochschulraum sein, der auch den europäischen Standards, der europäischen Norm entspricht. Dazu brauchen wir Klarheit beim Hoch­schulzugang, dazu brauchen wir aber auch eine gesicherte Qualität bei Lehre und Aus­bildung, auf die man sich im Inland und im Ausland verlassen kann. Die Zahl der Ab­solventinnen und Absolventen soll sich positiv entwickeln, anstatt dass die Qualität in den Studien abnimmt.

Wir sehen nämlich auch folgendes Problem in den Massenstudien: Wir bekommen die guten Lehrenden nicht mehr. Das ist ein Faktum. Stellen Sie sich einen ausgezeichne­ten Professor vor. Wenn er wirklich gut ist, wenn er eine Kapazität im Bereich Lehre und Forschung ist – das ist ja das Optimum –, dann bekommt er Angebote von mehreren Universitäten, nicht nur von österreichischen. Wenn er das Angebot hat, an eine Uni­versität zu gehen, an der er Kleingruppen betreuen kann, an der er vielleicht Lehrveran­staltungen und Seminare mit 30 Studierenden abhalten kann (Bundesrat Mag. Erlitz: Das ist ein Argument!), an der wirklich eine für beide Seiten befruchtende Diskussion stattfindet, und wenn er auf der anderen Seite ein Angebot von einer Massen-Uni hat, wo er Hunderte Studierende im Hörsaal hat und vor allem auch keine Zeit zu for­schen – wofür wird er sich entscheiden?

Da sieht man noch ein weiteres Problem: Die Lehrenden in den Massenstudien haben keine Zeit zu forschen. Sie sind mit Lehre zugekübelt. Sie kommen nicht mehr zum Forschen. Das Postulat und Ideal der forschungsgeleiteten Lehre, wie wir es uns an unseren Universitäten wünschen, wird leider nicht mehr umgesetzt, und das ist schade, denn das ist ja das Humboldt’sche Ideal, dass Forschung und Lehre ineinanderfließen. Wie sollen aber Forschung und Lehre ineinanderfließen, wenn nicht mehr geforscht werden kann, weil die Lehre einfach zu viel an Zeit in Anspruch nimmt, wobei aber auch die Lehre in einem Massenstudium nicht mehr die nötige Qualität bieten kann? Wenn wir wirklich Interesse an der Qualität der Studien an unseren Universitäten ha­ben, dann sollten wir tatsächlich über Zugangsverfahren nachdenken! (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb werde ich alles dafür tun, für optimale Rahmenbedingungen an unseren öster­reichischen Universitäten zu sorgen. Als kurzfristige Maßnahme, für optimale Rahmen­bedingungen zu sorgen, sehe ich den § 124b des Universitätsgesetzes. Darin geht es um diese sogenannte Notfallverordnung.

Es wurde ja bereits angesprochen, dass in drei Bereichen ein Antrag auf Notfallverord­nung gestellt wurde, nämlich von der Publizistik, der Architektur und der WU. Ich hoffe, dass ich mich diesbezüglich mit dem Koalitionspartner noch einigen kann, weil ich es für wichtig halte, dass es da zu Lösungen kommt.

Mir fällt schon auf, dass diesbezüglich vonseiten der SPÖ mit zweierlei Maß gemessen wird. Es wird zwar gesagt, okay, in der Publizistik brauchen wir Zugangsregelungen, da liegt ein echter Notfall vor. Es wird auch gesagt, dass wir bei der Lehrerausbildung Zugangsregelungen brauchen. Das ist völlig richtig! Ich finde auch, dass wir bei der Lehrerausbildung Zugangsregelungen brauchen. Aber wenn wir sie in der Publizistik und in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung brauchen, warum nicht in den anderen Fächern?

Frau Bundesrätin Duzdar hat gesagt, wir brauchen Zugangsregelungen nur dort, wo der Zustrom der Deutschen so groß ist. Da frage ich mich aber schon, wieso man dann an den Fachhochschulen Zugangsregelungen hat. Wieso braucht man dann an den Kunstuniversitäten Zugangsregelungen? Das hat überhaupt nichts mit dem Ansturm aus Deutschland zu tun, und da sind die Zugangsregelungen akzeptiert! Auch bei den Sportwissenschaften hat niemand gesagt, na ja, das ist ein Notfall, weil die Deutschen


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kommen und unsere Unis stürmen. – Nein, dort sind die Zugangsregelungen akzep­tiert, ohne dass wir einen deutschen Ansturm haben.

Das heißt, ein Notfall liegt nicht immer dann vor, wenn er mit Deutschen in Verbindung gebracht werden kann. Die Deutschen sind nicht für jeden Notfall bei uns verantwort­lich. (Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Aber oft! – Bundesrat Konecny: Sie rühren ein heikles Thema an!) – Ja, gut. Ich will das jetzt nicht quantifizieren, für wie viele Not­fälle die Deutschen verantwortlich sind, aber wir können sie auf jeden Fall nicht für alle Notfälle an den Universitäten verantwortlich machen.

Wir müssen auch Folgendes sehen: Wir haben Notfälle an Universitäten, die eben nicht mit dem Zustrom deutscher Studierender zu tun haben. Diese Notfälle betreffen zum Beispiel auch die WU, betreffen auch die Architektur und andere Studienrichtungen, und davor dürfen wir die Augen nicht verschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wenn wir ein Interesse daran haben, die Qualität in Studium, Lehre und Forschung sicherzustellen, dann dürfen wir die Augen vor diesen Problemen nicht verschließen. Dann müssen wir sagen, okay, es gibt diese Notfälle, auch dort, wo es nicht mit Deutschen zusammenhängt, und da müssen wir etwas tun. Ich hoffe sehr, dass wir da zu konstruktiven, gemeinsamen Lösungen kommen, die für bessere Rahmenbedingun­gen für Forschung, Lehre und Studium sorgen und auch wirklich mehr Qualität für unseren österreichischen Hochschulraum bringen. Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.48


Präsident Peter Mitterer: Für alle weiteren Redner in der Aktuellen Stunde ist in der Präsidialkonferenz eine Redezeit von 5 Minuten festgelegt worden.

Nächster Redner: Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


9.48.34

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Es ist wohl unbestritten, dass die Probleme an den Uni­versitäten wirklich gravierend sind und dass wir hier alle extrem großen Handlungsbe­darf sehen. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, dass man mit der Problemlösung beim schwächsten Glied beginnt, um das wir uns eigentlich zu kümmern haben, nämlich bei den Studierenden oder jenen, die studieren wollen. Das heißt, im Zuge der Qualitätssi­cherung versucht man nicht, die Situation, die Qualität an den Universitäten zu verbes­sern, sondern man beginnt, den Zustrom der Studierenden zu reduzieren. Das ist für mich, als ob man das Pferd von der falschen Seite aufzäumte. Das ist meiner Meinung nach ein völlig falscher Zugang.

Wenn Frau Kollegin Mühlwerth sagt, sie will nicht immer wieder von Akademikerquoten hören, dann muss ich sagen: Das Interessante ist aber schon, dass im OECD-Vergleich der Einkommensunterschied zwischen den Höchstqualifizierten und den gering Qualifi­zierten nirgendwo so hoch ist wie in Österreich. Somit bringt Bildung eine extreme Ren­dite, was das Einkommen betrifft. Es gab hier ein Geraune, dass es ja schon eine Un­zahl von verschiedenen Zugangsbeschränkungen indirekter Art gibt. Unser ganzes Bildungssystem ist geradezu ein Spießrutenlauf von Zugangsbeschränkungen.

Es gibt aber auch eine soziale Beschränkung. Man braucht sich nur die Studie „Bildung auf einen Blick 2009“ anzuschauen, die das ganz klar und deutlich unterstreicht. Wir haben diese Durchlässigkeit in der Form nicht, und wir haben in der Tat zu wenig Aka­demiker und Akademikerinnen. In Österreich liegen wir bei 42 Prozent, der OECD-Durchschnitt beträgt 56 Prozent. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Man kann daher die Diskussion nicht dort anfangen, wo es um die Studierenden geht. Man kann nicht jenen Leuten, die etwas werden wollen, die bildungswillig sind und


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die auch bemüht sind, aus ihrem Leben etwas zu machen, als Erstes eine Prüfung hin­knallen. Andreas Schnider, das ist ja pädagogisch gesehen ein Irrsinn! Ich bin bei dir, wenn du sagst, wir brauchen Eingangs- und Orientierungsphasen. Das ist aber ein ganz anderes pädagogisches System als ein Selektionssystem ganz am Anfang.

Wenn wir zum Beispiel die Medizin hernehmen: Es sind nicht wenige Primarärzte, die derzeit sagen, dass wir mit diesem System nicht die besten Ärzte bekommen. Wir be­kommen die, die den Test schaffen, aber das ist noch längst keine Garantie, dass das die besten Ärzte sind. Manchmal gibt es Ärzte, die später eine ganz andere soziale und fachliche Kompetenz entwickeln und nicht unbedingt am Anfang in einem Test brillie­ren. (Bundesrätin Mühlwerth: Das heißt nicht, dass das die besten Ärzte sind!) Genau das ist der springende Punkt. (Bundesrat Dr. Schnider: Das kann bei den Lehrern auch so sein!) – Das kann bei Lehrern auch so sein, darüber haben wir ja schon gespro­chen. Da bin ich ja ganz bei dir, dass wir eine Gesellschaft sind, in der immer nur die Schwächen gesucht werden, statt dass die Stärken erkannt werden. Dazu müssen wir aber Geld in die Hand nehmen. Wir müssen den Menschen die Chance geben, sich zu orientieren. Wir müssen ihnen Eingangsphasen einräumen.

Das heißt, Bildung allgemein und Hochschulausbildung im Speziellen kann nicht Teil eines Konsolidierungspaktes sein, sondern sollte eigentlich auf der anderen Seite ein Teil des Konjunkturpaketes sein. Wir müssen jetzt in die Bildung investieren.

Ein weiterer Punkt: Es gab vor ein paar Tagen eine ganz interessante Diskussion im ORF über Migrationszugänge. Wenn ich mir heute das CDU-Modell in Nordrhein-West­falen anschaue, dann würde ich sagen, die ÖVP bekäme den größten Schreck, wenn sie das sähe. Es wird dort genau dieser Punkt angegangen: Bildung, Bildung, Bildung, und es wird gebeten: Bitte, liebe Migranten, verlasst unser Land nicht, denn ohne euch würde es nicht mehr funktionieren! (Zwischenruf des Bundesrates Keuschnigg.) Das ist in etwa die Haltung der CDU, die ja einen eigenen Migrationsminister hat. Das ist wirklich interessant. Lieber Andreas Schnider, das solltest du dir von der Bildungssei­te her anschauen. Das ist meiner Meinung nach derzeit wohl das Revolutionärste, was es in Europa gibt.

Mir ist wichtig anzumerken, Frau Bundesministerin, dass es natürlich zum Beispiel in der Musik und in der Kunst unterschiedliche Eignungen gibt. Sie haben gesagt, bei den Fachhochschulen regt sich niemand auf. – Ja, weil Sie die Fachhochschulplätze nicht mehr bezahlen! Die Fachhochschulen würden gerne das Doppelte an Studierenden aufnehmen. Derzeit gibt es bis zu drei- und viermal mehr Anfragen in diesem Bereich. Auch bei den Fachhochschulen, im tertiären Bereich liegen wir bei 40 Prozent, wäh­rend es im OECD-Schnitt 55 Prozent sind.

Deshalb mein Appell: Bitte das Pferd bei der Sanierung der Hochschulen und der Uni­versitäten nicht von der falschen Seite, nicht von der Studierendenseite, sondern von der Angebotsseite, von der Ausbildungsseite, von der pädagogischen Seite anzupa­cken und nicht einzuschränken, zu verengen und kleiner zu machen! (Beifall bei Grü­nen und SPÖ.)

9.54


Präsident Peter Mitterer: Ich darf darauf aufmerksam machen, dass bei einer 5-minü­tigen Redezeit das Lämpchen nur eine Minute lang blinkt. Lassen Sie sich deshalb nicht irritieren. Bei Beginn des Blinkens ist nur noch eine Minute Redezeit übrig.

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Hammer zu Wort. – Bitte.

 


9.54.53

Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 21

schon bezeichnend, dass man der Frau Ministerin und auch unserer Fraktion unter­stellt, es ginge um Zugangsbeschränkungen, nur weil der Titel dieser Aktuellen Stunde heute so lautet. Dieser ist aber eigentlich willkürlich festgelegt und spiegelt, wie gesagt, nicht wirklich die Diskussion wider. (Bundesrat Schennach: Der ist aber auch von der ÖVP so festgelegt worden!) Es geht, das hat Herr Kollege Schnider sehr eindeutig aus­geführt, um die Steuerung des Angebotes, um Zugangsregelungen und um Eignungs­festlegungen, um das Studienangebot entsprechend zu regeln.

Herr Kollege Schennach hat behauptet – und da möchte ich jetzt eigentlich ansetzen –, das Pferd werde von der falschen Seite aufgezäumt. Ich halte dem entgegen, dass vielmehr die Frage im Vordergrund stehen sollte, was unsere Gesellschaft, was unser Land in Zukunft braucht, um erfolgreich zu sein. Gerade in diesen Zeiten und ange­sichts der aktuellen Wirtschaftssituation muss man sich genau diese Frage stellen: Was brauchen wir in Zukunft an Qualifikationen, an Professionen, um erfolgreich zu sein?

Ich bin froh darüber, dass sich meine Fraktion und vor allem auch die Frau Ministerin in den letzten Tagen im Rahmen einer Klubklausur ganz wesentlich mit den Punkten aus­einandergesetzt haben, was wir im wissenschaftlichen Bereich und im Forschungsbe­reich brauchen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Es geht nicht nur rein darum, Studien und Studierendenzahlen festzulegen, sondern auch wesentlich darum, was wir schlussendlich an Absolventen, an hoch qualifizierten Leuten in den einzelnen Berei­chen haben. Ich glaube, danach muss man sich richten und nicht nach reinen Studie­rendenzahlen. Es wird auch immer die Akademikerquote angesprochen. Ja wie kom­men wir denn zu einer Akademikerquote? – Nur indem die Leute das Studium auch ab­schließen und dann als qualifizierte MitarbeiterInnen zur Verfügung stehen.

Ich möchte heute einen Bereich beleuchten, in dem es schon Zugangsregelungen und Steuerungen des Angebots gibt – das ist dort sehr wichtig –, nämlich die Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner. Dort liegt es ja auf der Hand und ist ganz eindeu­tig – das ist von einigen meiner Vorredner auch schon angesprochen worden –, dass wir da natürlich in Zukunft einen Bedarf haben. Das bringen der demographische Wan­del, der technische Fortschritt und natürlich auch verschiedenste andere Faktoren mit sich. Diesem Bedarf müssen wir uns stellen. Ich darf mich bei der Frau Ministerin dafür bedanken, dass jetzt der Ärztebedarf erhoben wird, damit man das Angebot wirklich ent­sprechend steuern kann. Wenn man das Angebot steuert, wird man das ausgehend von der Frage tun, welchen Absolventenbedarf wir letztlich haben. Erst dann muss man entsprechend ausrichten, wie viele Studierende wir brauchen werden und wie viel an qualitativ hochwertigen Angeboten wir zur Verfügung stellen müssen, um in diesem Bereich etwas weiterzubringen.

Im medizinischen Bereich, das ist schon angesprochen worden, gibt es Möglichkeiten zur Steuerung und zur Zugangsbeschränkung wie zum Beispiel Eignungstests. Ich glau­be, das muss man entsprechend berücksichtigen. Die Frau Ministerin hat das schon ausgeführt: Das ist nicht nur mit einer Beschränkung des Angebotes an Studienplät­zen, sondern auch mit sehr vielen positiven Aspekten verbunden. Es gibt niedrigere Dropout-Raten, es gibt schnellere Studienzeiten, 90 Prozent schließen in der Mindest­zeit plus Toleranz-Semester ab. Ich glaube, für diesen Bereich wird auch anerkannt – das ist ja auch gesagt worden –, dass diese Steuerungsmöglichkeiten positive Aspekte bringen.

Speziell bei der SPÖ habe ich schon ein bisschen den Eindruck, dass man die Situati­on mit Schlagworten wie Zugangsbeschränkungen oder freier Hochschulzugang schon ein bisschen falsch darstellt, denn beim Publizistikstudium wäre eine Zugangsbeschrän­kung ja okay. Mich erinnert das schon ein bisschen an die Steuerdiskussion im Plenum des Nationalrates, in der die Bundesgeschäftsführerin der SPÖ unter dem Gelächter des restlichen Plenums von „guten“ und „bösen“ Steuern spricht.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 22

Bei den Zugangsregelungen scheint es dasselbe Prinzip zu sein: Bei den Fachhoch­schulen wären es zum Beispiel „gute“ Zugangsregelungen, bei den Universitäten aus irgendwelchen ideologischen Gesichtspunkten nicht. Ich glaube, das ist nicht verständ­lich und bringt uns auch nicht weiter. (Beifall bei der ÖVP.)

Was braucht es im medizinischen Bereich? (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.) Das ist schon angesprochen worden. Natürlich brauchen wir entsprechende Beschrän­kungen für Studenten vor allem aus Deutschland. Diese Quoten gibt es bis 2012. Ich glaube, wir müssen auch dafür eintreten, diese fortsetzen zu können. Es gibt auch aus Deutschland positive Signale von Schavan und Rösler, die da entsprechende Schritte setzen, weil sie das österreichische Anliegen natürlich sehen und da auch im eigenen Bereich etwas tun.

Die Qualität muss im Vordergrund stehen. Im medizinischen Bereich liegt es auf der Hand, dass eine Reglementierung, eine Eignungsfeststellung wirklich mehr Quali­tät, bessere Abschlussquoten und weniger Aussteiger bringen. Ich glaube, das soll­te das Ziel sein. Man sieht das schon sehr eindeutig. Und da es diese Zugangsbe­schränkungen nun schon seit einigen Jahren gibt, wird man bei der Absolventenstatis­tik 2009/2010 noch deutlicher sehen, wie positiv sich das im medizinischen Bereich auswirkt. Ich glaube, dieser Weg ist der richtige, und ich sehe – das hat man auch heu­te an ihren Ausführungen gesehen –, dass die Hochschulpolitik bei unserer Ministerin in sehr guten Händen ist. Ich glaube, die Zugänge sind gut, die Wege sind absolut rich­tig, und wir treten dafür ein, dass diese beschritten werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.59


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Erlitz. Ich erteile es ihm.

 


10.00.18

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meinem eigentlichen Anliegen komme, muss ich dir, Frau Ministerin Dr. Karl – wir sitzen auch im Pädagogischen Hochschulrat der Steiermark und haben gemeinsam schon sehr viel Gutes beschlos­sen –, ein bisschen widersprechen, wenn du sagst, dass du immer nur von Zugangsre­gelungen gesprochen hast.

Zufälligerweise fand ich Folgendes – vielleicht bist du nur falsch zitiert worden – in einer Zeitschrift vom April 2010 – in Wirklichkeit bist du fescher –, in der du abgebildet bist. Ich darf zitieren, was du sagst oder was man dir in den Mund gelegt hat; vielleicht hast du es nicht gesagt, ich weiß es nicht: „Ich kenne auch viele Studierende, die mir Recht geben und sagen, dass Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen zu den Massenstudien notwendig sind.“ Also dezidiert sprichst du von Zugangsbeschränkun­gen. (Bundesrat Mag. Klug: Oh! Hört! Hört!) Es ist so. Ich sage es nur, weil du sagst, du sprichst nicht von Zugangsbeschränkungen. Du sprichst von Zugangsbeschrän­kungen. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Karl.) Es ist egal, ich habe es nur korrigiert. Ich habe es nur festgestellt, nicht mehr. Ich habe nur das Zitat entspre­chend gebracht. Also die Frau Ministerin nimmt das Wort „Zugangsbeschränkungen“ durchaus in den Mund. Das wollte ich nur festhalten.

Aber mein eigentliches Anliegen ist dieser Entwurf zu der Verordnung bezüglich Fest­setzung einer Zahl an Studienplätzen für Studienanfängerinnen und Studienanfänger und über die Ermächtigung von Rektoraten zur Festlegung eines qualitativen Aufnah­meverfahrens.

Jetzt sage ich Folgendes: Sie wissen, ich bin Präsident eines Landeschulrates, des Landesschulrates für Steiermark, und da liegt mir schon einiges am Herzen. Die Uni­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 23

versitäten haben sich bisweilen immer wieder beklagt, dass die Reifeprüfungen in hö­heren Schulen in Österreich von unterschiedlicher Qualität seien, nicht vergleichbar seien, keine Verlässlichkeit vorliege. Das ist ein Vorwurf, der durchaus seine Berech­tigung hat, keine Frage. Aber mit der Reifeprüfung neu, mit der standardisierten, teil­zentralen, kompetenzorientierten Reifeprüfung, die uns jetzt in den Jahren 2013/14 und 2014/15 ins Haus steht, hat das österreichische Bildungswesen doch wieder den An­schluss an europäische Standards geschaffen. Man hat damit den durchaus berechtig­ten Forderungen der Universitäten, nämlich nach Seriosität, nach Vergleichbarkeit, nach Objektivität und Verlässlichkeit, Rechnung getragen und alle diese Forderungen außer Streit gestellt. (Bundesrat Dr. Schnider: Das haben wir gemeinsam beschlossen!) Ja, absolut, gemeinsam beschlossen, gemeinsam auch getragen.

Ich würde aber jetzt schon – mit Fug und Recht, würde ich meinen – erwarten, dass die abnehmenden Bildungsinstitutionen diese Bemühungen und diese Maßnahmen auch entsprechend honorieren und respektieren und diesen qualitätsverbessernden Maß­nahmen Rechnung tragen. Damit meine ich die Universitäten, die tertiären Einrichtun­gen. Hiezu kommt noch, dass allen Abgängern auch noch detaillierte Informationen be­züglich ihrer Bildungsgänge im Sekundarbereich mitgegeben werden, Informationen darüber, welche Wahlpflichtfächer sie besucht haben, welche autonomen Lehrpläne es in diesen Schulen gegeben hat, welche Schwerpunktsetzungen es gegeben hat, in welchen Gegenständen sie maturiert haben sowieso, aber auch die Themen der vor­wissenschaftlichen Arbeit und so weiter. Also all das, was sie entsprechend qualifiziert, wird auch noch mitgegeben.

Das heißt, das Reifeprüfungszeugnis war bisher schon der Türöffner und die Eintritts­karte für ein Universitätsstudium, und ich meine, dieses Reifeprüfungszeugnis neu muss zumindest weiterhin und erst recht ein elementarer Bestandteil sein für ein Qualifikati­onsmodell, das eben den Zugang zu tertiären Einrichtungen ermöglicht. Doch diame­tral entgegen diesen Maßnahmen, nämlich vergleichbare Reifeprüfung vom Neusiedler See bis zum Bodensee, steht der Verordnungsentwurf, der die Rektorate ermächtigt, ein qualitatives Aufnahmeverfahren festzulegen. Jedes Rektorat kann irgendein Auf­nahmeverfahren festlegen. Von Standardisierung, von Übereinstimmung überhaupt kei­ne Rede. Das heißt, da wird diametral entgegengearbeitet.

Und da stimme ich mit Frau Kollegin Mühlwerth überein: Sie sitzen in einem Haus, die beiden Ministerinnen. Sprechen Sie sich nicht miteinander ab? (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Karl.) Dann tun Sie es doch, bitte! Sprechen Sie sich mitein­ander ab, was die Reifeprüfung neu vorsieht, welche Möglichkeiten und Hoffnungen man den Jungen jetzt mitgibt mit dieser Reifeprüfung neu, während man auf der ande­ren Seite sagt, das zählt alles nicht, das Reifeprüfungszeugnis zählt nicht mehr, denn es zählt das, was die Rektorate jetzt festlegen werden. Das kennt zwar keiner, denn jedes Rektorat macht etwas Eigenes. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider.) Ja, Moment! Auf der einen Seite sprechen wir von Standardisierungen, auf der anderen Seite macht jedes Rektorat mit diesem Entwurf zur Verordnung, was es will. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und auf der Strecke bleiben die, um die es eigent­lich geht, nämlich die Absolventen unserer höheren Schulen und die Studenten.

Ich meine, wir sollten uns in dieser Debatte wirklich mehr auf die Behebung der ekla­tanten Unterfinanzierung der Universitäten, die Behebung von Ressourcenmängeln kon­zentrieren, ebenso wie auf die Maßnahmen für die Treffsicherheit der Studienwahl und die Beobachtungsphasen statt versteckter Knock-out-Kriterien.

Österreich hinkt bei der Akademikerquote massiv hinterher, und das Einzige, worüber wir diskutieren, ist, wie Österreich noch weniger Akademiker produzieren kann. Wir brauchen nicht eine kleine, gut ausgebildete Elite, sondern möglichst viele kreative, in­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 24

novationsfreudige, mit höchstem Bildungsgut ausgestattete Menschen. Das muss un­ser gemeinsames Ziel sein. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

10.06


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Michalke. Ich erteile es ihr.

 


10.06.43

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vorarlberger Län­dervertreterin möchte ich das Ganze ein bisschen von einer anderen Seite beleuchten. Wir haben bereits in der Bundesratssitzung vom 23. November, damals noch mit Mi­nister Hahn, ausführlichst über diese Problematiken an den Universitäten, über Zu­gangsbeschränkungen, Regelungen oder wie auch immer diskutiert, und ich möchte einfach nur noch einmal auf diese Sitzung und auf das verweisen, was dort schon alles gesagt wurde.

Ich möchte das Augenmerk noch einmal darauf lenken, dass für mich Universitäten in­ternationale Bildungsstätten sind. Und um eine solche Internationalität auch für Öster­reich zu erreichen, ergeht die Aufforderung an die EU, endlich fehlende Harmonisierun­gen in Angriff zu nehmen, damit neben den Sozial- oder Steuersystemen auch Stu­diensysteme nicht nur ein Stückwerk in der EU bleiben.

Wie bereits gesagt, bedarf es auch institutioneller Reziprozität. Offensichtlich hat dies auch der deutsche Gesundheitsminister Rösler erkannt und hat zumindest mit seiner Ankündigung in der „Frankfurter Zeitung“ aufhorchen lassen, den Numerus clausus für Medizinstudenten noch in der jetzigen Legislaturperiode, also bis 2013, abschaffen zu wollen. Damit soll dem drohenden Ärztemangel in Deutschland begegnet werden, und dies würde natürlich den Medizineransturm an österreichischen Universitäten auch re­duzieren.

Aber neben all den ins Auge gefassten Möglichkeiten und Vorschlägen für Optimierun­gen und Lösungen des komplexen Uni-Problems sind auch Überlegungen anzustellen, ob nicht auch dezentrale Ansätze effizienter, qualifizierter und sowohl für den Bund als auch für den Studierenden eventuell kostengünstiger sein könnten. Vorarlberger Stu­denten zum Beispiel sind darauf angewiesen, ihre Studien in Innsbruck, Salzburg, Graz, Wien oder sogar im angrenzenden Ausland zu absolvieren. Das Ministerium soll daher auch die Möglichkeit einer eigenen Universität in Vorarlberg prüfen, insbesonde­re für gewisse Studiengänge wie zum Beispiel Wirtschaft und Jus. Warum sollen wir dieses Feld komplett der Schweiz und Deutschland überlassen? Wir könnten das si­cherlich in Vorarlberg ebenso gut machen.

Außerdem müssen es moderne Techniken ermöglichen, dass es Dependancen für stark nachgefragte Studiengänge gibt. Die bereits bestehenden Möglichkeiten eines Fernstu­diums sollten entsprechend gefördert und mit Blockvorlesungen, durchgeführt von den hochkarätigsten Fachprofessoren im Ländle, unterstützt werden. Lediglich für anste­hende Prüfungen sollten die Studierenden dann an den entsprechenden Unis antreten müssen.

Aber genauso fordere ich für Vorarlberg eine starke finanzielle Unterstützung der Fach­hochschule in Dornbirn, die dafür sorgt, dass jene Studenten, die im Anschluss an ihre absolvierten Lehrgänge entsprechend qualitative Anstellungen im Land und auch auf internationaler Ebene besetzen, die besten Voraussetzungen für ihre Ausbildung erhal­ten. Ein Vollausbau der FH Vorarlberg sollte daher Priorität haben und die dafür in Zu­sammenarbeit mit der Wirtschaft konzipierten und empfohlenen Studiengänge geneh­migt und akkreditiert werden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.09



BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 25

Präsident Peter Mitterer: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch einmal die Frau Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung zu Wort ge­meldet. Ich darf ihr das Wort erteilen mit dem Hinweis, dass auch hier nach Möglichkeit die 5-minütige Redezeit einzuhalten wäre. (Bundesministerin Dr. Karl: Ich werde mich bemühen!)

 


10.10.08

Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch auf einige Punkte eingehen, die jetzt mehrfach angesprochen wurden.

Gleich zur letzten Wortmeldung: Frau Bundesrätin Michalke, Sie haben angesprochen, dass die Universitäten international zu sehen sind. – Da gebe ich Ihnen völlig recht: Universitäten, Wissenschaft, Forschung kennen keine Landesgrenzen. Wir bewegen uns im Bereich der Wissenschaft und Forschung im internationalen Bereich. Das macht es aber teilweise auch sehr schwierig. Jetzt allerdings zu fordern, dass wir auch im Hochschulbereich eine EU-Kompetenz einführen sollen wie im Bereich Soziales und Steuern, geht meines Erachtens in die falsche Richtung, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen stellt sich die Frage, ist es nicht doch sinnvoll, dass wir nationale Kompe­tenzen in dem Bereich bewahren, zum anderen möchte ich auch darauf hinweisen, dass im Sozial- und Steuerbereich die nationale Kompetenz nach wie vor besteht. Also die Ausgestaltung der Sozialsysteme liegt nach wie vor in der Kompetenz des nationa­len Gesetzgebers und ist nicht auf EU-Ebene geregelt.

Vollausbau der FH Vorarlberg haben Sie gefordert. Ich habe ja in den letzten Tagen angekündigt, dass ich diese 100 Millionen €, die Finanzminister Pröll aus der Ökologi­sierung des Steuersystems für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stellen wird, auch für die Weiterentwicklung, für den Ausbau von FH-Studienplätzen verwen­den werde, und zwar für jene FH-Studienplätze, die in der Wirtschaft besonders nach­gefragt werden. Also es werden die FH-Studienplätze weiter ausgebaut werden.

Es wurde mehrfach die Situation der Med-Unis angesprochen. Hier einige Worte dazu. Herr Bundesrat Schennach hat gemeint, der Test an den Med-Unis sei keine Garantie für die besten Ärzte. Ja, natürlich, es ist kein Studium eine Garantie für die besten Ärz­te, aber eines ist schon zu sagen: Wenn ich Zugangsregelungen, Zugangsverfahren habe und damit den Studierenden, die im System sind, eine bessere Qualität, ein bes­seres Studium, eine bessere Ausbildung, forschungsgeleitete Lehre bieten kann, dann ist die Chance, dass hier qualifizierte Absolventen herauskommen, weit größer, als ich überlasse sie einem Massenstudium, bei dem sie schlechte Qualität geboten bekom­men.

Zum Bereich der Medizinuniversität wurde auch mehrfach angesprochen, dass der Nu­merus clausus in Deutschland abgeschafft wird. Das stimmt so nicht. Er wird nämlich nicht ersatzlos abgeschafft, sondern wird ersetzt durch ein neues Aufnahmeverfahren. Ich habe mich auch mit Frau Wissenschaftsministerin Schavan aus Deutschland ge­troffen. Sie hat mir das schon vorher einmal bestätigt, dass Deutschland darüber nach­denkt, vom Numerus clausus abzugehen, hingegen andere Aufnahmeverfahren zu eta­blieren, Aufnahmeverfahren in dem Sinn, dass stärker auf die Eignung für ein konkre­tes Studium abgestellt wird. Der Numerus clausus ist ja doch eher ein starres System, wo nicht auf die Eignung für ein konkretes Studium abgestellt wird. Man will in Deutsch­land aber mehr zu einem Aufnahmeverfahren kommen, wo auf die konkrete Neigung, Eignung und Voraussetzungen für ein bestimmtes Studium abgestellt wird.

Es wurde auch angekündigt, dass Deutschland die Zahl der Medizinausbildungsplätze an den Universitäten erhöhen wird. All diese Maßnahmen sind zu begrüßen. Nur muss man halt eines sehen: Das ist in Deutschland alles Ländersache. Das heißt, bis es hier


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tatsächlich zu diesen Maßnahmen kommen wird, wird es einmal lange dauern. Bis wir tatsächlich diesen Übergang vom Numerus clausus zu einem anderen Zugangsverfah­ren haben, bis es tatsächlich zur Anhebung der Zahl der Medizinstudienplätze kommt, da vergeht Zeit. Bis das wirklich in allen Ländern umgesetzt wird, das dauert. Das ist der eine Punkt.

Außerdem: Solange in Deutschland nur das Aufnahmeverfahren geändert wird vom Numerus clausus hin zu einem anderen System, ändert das für die österreichische Si­tuation gar nichts. Der entscheidende Punkt wird sein, wie viel mehr an Medizinstu­dienplätzen es in Deutschland geben wird. Aber dass Deutschland so weit aufstockt, dass alle Medizinstudienwilligen aufgenommen werden, davon ist nicht auszugehen. Also eine solche Aufstockung der Zahl der Medizinstudienplätze wird es nicht geben.

Von Frau Bundesrätin Duzdar wurde auf die europäische Dimension unserer Quoten­regelung im Bereich der Medizinstudien hingewiesen. Auch dazu einige Worte. Eine Quotenregelung ist an sich europarechtswidrig. Aber man kann auch eine europarechts­widrige Quote rechtfertigen, wenn man Rechtfertigungsgründe belegen kann. Und für uns besteht die Rechtfertigung darin, dass die deutschen Studierenden, die wir in Ös­terreich ausbilden, großteils wieder nach Deutschland zurückgehen. Das bedeutet für uns also, dass wir ein Problem haben, dass wir dann zu wenig Ärzte in Österreich ha­ben. Das heißt, mit der Quotenregelung geht es uns darum, die Gesundheitsversor­gung in Österreich sicherzustellen. Wir wollen durch die Quotenregelung sicherstellen, dass wir ausreichenden medizinischen Nachwuchs in Österreich haben, der auch in Österreich bleibt. Mir ist auch jeder Deutsche willkommen, der hier in Österreich bleibt, wenn er hier in Österreich ausgebildet worden ist, aber es ist eine Tatsache, dass die meisten zurückgehen. Und deshalb haben wir diese Quotenregelung. Damit können wir sie sachlich rechtfertigen, und damit ist sie auch europarechtskonform.

Zu den Deutschen möchte ich auch gleich eines sagen: Mir ist jeder deutsche Studie­rende herzlich willkommen in Österreich, wenn er deshalb kommt, weil er unsere Uni­versitäten gut findet. Aber wenn die deutschen Studierenden hauptsächlich deshalb kommen, weil sie in Deutschland keinen Studienplatz bekommen, dann bedeutet das für unser Hochschulsystem ein Problem, weil wir einfach nicht die Kapazitäten haben, um das alles aufzufangen. Aber grundsätzlich ist natürlich die Internationalität an unse­ren Universitäten willkommen. Es sollen möglichst viele ausländische Studierende kom­men, wenn sie deshalb kommen, weil sie unsere Universitäten gut finden. Damit habe ich überhaupt kein Problem.

Es wurde auch mehrfach das Thema Schule angesprochen. Herr Bundesrat Erlitz, ich muss sagen, es ist mir eine große Ehre, dass meine Interviews so intensiv gelesen werden. Ich werde jetzt künftig noch mehr auf meine Wortwahl achten, wenn ich weiß, dass wirklich wahrgenommen wird, was ich sage. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Erlitz: Ich würde wirklich empfehlen, sie zu lesen!) Ja, es ist wichtig. Es ist eine sehr schöne Rückmeldung für mich, wenn ich weiß, dass meine Interviews gelesen werden. (Bundesrat Mag. Erlitz: Du solltest den Artikel auch lesen!) Da hast du recht. Ich habe ihn wirklich noch nicht gelesen. (Bundesrat Mag. Erlitz: Das solltest du!) Könn­te ich machen.

Herr Bundesrat Erlitz, du hast auch Gespräche mit Kollegin Schmied – das wurde auch von anderer Seite angesprochen – erwähnt. Ja, ich führe natürlich Gespräche mit Kol­legin Schmied. Das ist ganz wichtig, weil wir viele Schnittmengen haben, und vor allem ist für mich jetzt aus Sicht der Wissenschaftsministerin auch wichtig, mit ihr darüber zu sprechen: Was können wir in Bezug auf die Studienwahlentscheidung verbessern – das wurde auch vom Kollegen Schnider angesprochen –, was können wir wirklich im Bereich der Studienwahl verbessern?


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Da muss man schon in der Schule ansetzen. Im Moment ist die Situation so, dass 60 Prozent der Studienanfänger in bloß 10 Prozent der Studien gehen. Was können wir daraus ableiten? Anscheinend mangelt es noch an der Information. Wir müssen die Studierenden besser darüber informieren, welches umfangreiche Studienangebot wir tatsächlich haben. Wie gesagt, ich habe es ja vorher schon einmal erwähnt, wir haben Gott sei Dank die Situation, dass wir auch Studien haben, wo wir noch mehr Studieren­de brauchen könnten – denken wir nur an den technischen und den naturwissenschaft­lichen Bereich –, aber das erfordert neben einer Information über das Studienangebot auch, dass wir schon möglichst frühzeitig bei den Schülerinnen und Schülern feststel­len, wo ihre Begabungen und Talente liegen, dass wir auch frühzeitig feststellen, wo die naturwissenschaftlichen Talente, die technischen Talente und auch die sprachli­chen Talente liegen, um dann die Schülerinnen und Schüler gezielt bei der Studien­wahl beraten zu können. Das ist etwa auch wichtig, wenn sie zu diesen Studieninfor­mationsmessen gehen, dass man sie darauf vorbereitet, welche Studien wären am bes­ten geeignet und so weiter.

Das heißt, hier brauchen wir ein ganzes Maßnahmenbündel, wie wir die Studienwahl­entscheidung schon in der Schule verbessern können. Das ist für mich ein ganz wich­tiger Punkt, über den ich mit Frau Kollegin Schmied schon gesprochen habe. Wir ha­ben gemeinsam beschlossen, dass wir etwa das Modell des Studien-Checkers, das wir im Moment als Pilotmodell führen, weiter ausdehnen werden. Es soll nämlich auch in Oberösterreich und in der Steiermark zum Einsatz gelangen.

Die Finanzierung wurde öfter angesprochen. Sowohl von den Bundesräten Schennach, Duzdar als auch Mühlwerth wurde die Finanzierung angesprochen; sie haben gesagt, da braucht es mehr Geld. – Natürlich hätte ich auch gerne mehr Geld für den Hoch­schulbereich. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass Finanzminister Pröll zugesagt hat, dass ich ab dem Jahr 2011 100 Millionen € jährlich für den Bereich Wissenschaft und Forschung bekomme, dass ich den zum Teil für den Ausbau der Fachhochschul­studienplätze verwenden werde, auch für die Einrichtung von Exzellenz-Clustern und auch für den Bereich der besseren Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und der Wirtschaft, damit es eben leichter möglich wird, neue Ideen, die an den Universitä­ten entstehen, auch in der Wirtschaft verwertbar zu machen.

Es wurde kritisiert – ich glaube, von Frau Bundesrätin Mühlwerth –, dass das eine zu punktuelle Förderung ist, die ich hier mit diesen 100 Millionen € vorhabe, und dass zu wenig für die Lehre in den Massenstudien getan wird. Da möchte ich schon darauf hin­weisen, dass 34 Millionen € für die Lehre in den besonders strapazierten und beson­ders überlaufenen Fächern an die Universitäten gegeben wurden.

Die Universitäten haben damit etwa E-Learning ausgebaut, sie haben zum Beispiel auch zusätzliche Lehrende aufgenommen und so weiter. Hier ist es wirklich um die Verbesserung der Lehr- und Studiensituation in den Massenfächern gegangen. Dafür gab es 34 Millionen €.

Es gab weitere 34 Millionen €, die ich in diesen Tagen verteilt habe, zur Verbesserung der Forschungsinfrastruktur an den Universitäten. Auch das natürlich ein wichtiger Punkt. Wir brauchen auch eine sehr gute Forschungsinfrastruktur, damit wir sehr gute Qualität an den Universitäten bieten können.

Das heißt, zusätzlich zu diesen 100 Millionen wurden jetzt in den letzten Wochen, Mo­naten 68 Millionen € an die Universitäten vergeben.

Ich glaube, damit habe ich jetzt die wichtigsten Punkte angesprochen, und darf noch einmal an Sie appellieren und Sie auffordern, dass wir gemeinsam daran arbeiten, die Qualität, die Rahmenbedingungen an den österreichischen Hochschulen zu verbes­sern, damit wir – es wurde angesprochen: Hochschulen agieren international – auch im


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 28

internationalen Wettbewerb standhalten können, unsere Universitäten auch im interna­tionalen Bereich in der Topliga führen können und die beste Qualität, die es gibt, an den Universitäten zur Verfügung stellen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.21


Präsident Peter Mitterer: Damit ist die erste Aktuelle Stunde im Bundesrat beendet.

Als kurzes Resümee ist festzuhalten, dass diese Aktuelle Stunde die Feuerprobe durch­wegs bestanden hat, sowohl was die Qualität der Redebeiträge als auch die Disziplin der einzelnen Redner anlangt, obwohl sie größtenteils im pädagogischen Bereich an­gesiedelt waren. (Heiterkeit.) Was die Überschreitung der Redezeit des Regierungsmit­gliedes anbelangt, ist das durchwegs im Sinne einer besseren Information für uns Bun­desräte. Herzlichen Dank dafür.

Damit, wie gesagt, ist die Aktuelle Stunde beendet.

10.21.59Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Peter Mitterer: Hinsichtlich jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, sowie

der Mitteilung des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufent­halt des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Mi­chael Spindelegger am 9. April 2010 in Chisinau/Moldau und gleichzeitige Beauftra­gung der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Beatrix Karl mit seiner Vertretung und

jenes Schreibens des Bundeskanzlers gemäß § 23c Abs. 5 B-VG beziehungsweise

jenes Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Straftaten

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der 5. allgemeinen Kapitalerhöhung der Asiatischen Entwick­lungsbank (AsEB-5) (603 und 621/NR der Beilagen)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An Herrn

Bundesratspräsidenten

Peter MITTERER


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 29

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 3

1010 Wien                                                                                                        Wien, am 23. März 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG informiere ich Sie, dass die Bundesregie­rung im Rahmen der 53. Sitzung des Ministerrates am 16. März 2010 eine Umnominie­rung der Vertretung des Landes Vorarlberg im Ausschuss der Regionen (AdR) für die laufende Mandatsperiode 2010 bis 2015 beschlossen hat.

Diese Umnominierung war aufgrund der vorangegangenen Rücktritte des zum ordent­lichen Mitglied ernannten Vorarlberger Landeshauptmannes Dr. Herbert Sausgruber und des zum stellvertretenden Mitglied ernannten stellvertretenden Landeshauptmannes Mag. Markus Wallner am 11. Februar 2010 notwendig geworden. Das neue Mitglied und das neue stellvertretende Mitglied sind im Anhang angeführt.

Die formale Ernennung der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des AdR wird gemäß Art. 305 AEUV mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU erfolgen. Mit der Ernennung durch den Rat der EU ist bis Ende Mai 2010 zu rechnen.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen“

„Anhang: Umnominierte/r Vertreter/in des Landes Vorarlberg im Ausschuss der Regio­nen in der Mandatsperiode vom 26. Jänner 2010 bis zum 25. Jänner 2015

1.) Nominierung zum Mitglied des Ausschusses der Regionen – als Ersatz für das bis­herige Mitglied, Herrn Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber:

Herr Landesstatthalter (stellvertretender Landeshauptmann) Mag. Markus Wallner

2.) Nominierung zum stellvertretenden Mitglied des Ausschusses der Regionen – als Ersatz für das bisherige stellvertretende Mitglied, Herrn Landesstatthalter Mag. Markus Wallner:

Frau Landtagspräsidentin Dr. Bernadette Mennel“

„BUNDESKANZLERAMT-BUNDESKANZLER

351.000/0010-I/4/10

Pkt. 7 des Beschl.Prot. 53

53. Sitzung des Ministerrates am 16. März 2010

7. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.013/0001-IV/5/10, betr. Ausschuss der Regio­nen; Neunominierungen der Vertreter des Landes Vorarlberg für die Mandatsperiode 2010 bis 2015.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

Wien, 16. März 2010

Mag. LEITNER“

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                     „Der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 30

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                          19. März 2010

1017 Wien                                                                           GZ: BMeiA-US.8.33.02/0001-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 9. März 2010 (Pkt. 18 des Beschl.Prot. Nr. 52) der Herr Bundespräsident am 11. März 2010 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Repu­blik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zu­sammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Straftaten er­teilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE ANGELE­GENHEITEN

BMeiA-AT.4.36.33/0001-IV.4a/2010

Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwer­wiegender Straftaten; Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Entwicklungen der letzten Jahre in den Bereichen des internationalen Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration haben die Notwendig­keit einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit von Polizei und Justiz verdeut­licht.

In Ergänzung zu den Anstrengungen innerhalb der Europäischen Union (EU) zur Ver­stärkung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit hat Österreich in den letz­ten Jahren eine Reihe von bilateralen Staatsverträgen in diesem Bereich abgeschlos­sen. Darüber hinaus ist Österreich Vertragsstaat des (Prümer) Vertrags über die Ver­tiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration, BGBI. III Nr. 159/2006, der am 27. Mai 2005 mit Belgien, Deutschland, Spanien, Frank­reich, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichnet wurde und dem in der Zwischen­zeit auch Finnland, Slowenien, Ungarn, Rumänien, Estland, Slowakei, Bulgarien und Norwegen beigetreten sind. Der Prümer Vertrag regelt insbesondere den automations­unterstützten Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und Kraftfahrzeugdaten zwischen den Vertragsstaaten zum Zwecke der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten. Die wesentlichen Bestimmungen des Prümer Vertrags wurden durch Annahme des Be­schlusses 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschrei­tenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenz­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 31

überschreitenden Kriminalität, ABI. Nr. L 210 vom 6.8.2008 S. 1, und des Beschlus­ses 2008/616/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Durchführung des erstgenannten Beschlusses, ABI. Nr. L 210 vom 6.8.2008 S. 12, in das EU-Recht übergeführt. Damit verfügt Österreich im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit über ein dichtes Netz an bilateralen und multilateralen Kooperationsregelungen.

Im Jahr 2008 sind die USA mit einem Vorschlag für ein Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Strafta­ten an Österreich herangetreten („Agreement on Enhancing Cooperation in Preventing and Combating Serious Crime“, PCSC-Abkommen).

Der Abschluss eines solchen Abkommens würde die Möglichkeiten der österreichi­schen Sicherheitsbehörden zur Zusammenarbeit mit vergleichbaren Stellen in den USA bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Straftaten, insbesondere des Terrorismus, erweitern.

Der Abschluss eines derartigen Abkommens ist nur möglich, wenn darin ein aus euro­päischer und insbesondere österreichischer Sicht befriedigendes und angemessenes Datenschutzniveau verankert wird, wobei insbesondere auf die Verhältnismäßigkeit der Datenübermittlungen und auf geeignete Rechtsschutzmechanismen für die Durchset­zung der Rechte der/des Betroffenen abzustellen sein wird. Die Verhandlungen mit den USA über ein Abkommen zur Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Straftaten werden im vollen Einklang mit Österreichs in­ternationalen Verpflichtungen geführt werden.

Darüber hinaus stellt der Abschluss eines PCSC-Abkommens ein wichtiges Element für den Verbleib Österreichs im US-„Visa Waiver Program“ (Visa-Verzichtsprogramm) dar. Im Februar 2008 haben die USA den EU-Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass dieses Pro­gramm neu erarbeitet und an einen verstärkten Datenaustausch zwischen EU-Mitglied­staaten und den USA gekoppelt werden soll. In einem Schreiben des US-Heimatschutz­ministeriums vom 31. Dezember 2008 wurde Österreich im Hinblick auf seinen Verbleib in diesem Programm aufgefordert, ein PCSC-Abkommen mit den USA abzuschließen.

Die USA haben derartige Abkommen bereits mit einer Anzahl von EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet (darunter Deutschland, Portugal, Tschechien, Ungarn, Litauen, Griechen­land und die Slowakei) und stehen mit weiteren in Verhandlungen. Spanien und das Vereinigte Königreich haben mit den USA Abkommen zu ähnlichen Inhalten abgeschlos­sen.

Bislang haben verschiedene Gespräche zwischen Österreich und den USA auf Exper­tenebene über die Ziele und Rahmenbedingungen eines solchen Abkommens, insbe­sondere im Bereich des Datenschutzes, stattgefunden. Im Februar 2010 erfolgte ein Besuch einer hochrangigen österreichischen Delegation von Expertinnen und Experten in Washington, an der Vertreter/innen aus dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Inneres teilnahmen und bei dem neuerlich insbesondere Datenschutzaspekte behan­delt wurden.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Für die Verhandlungen ist folgende österreichische Delegation vorgesehen:

Botschafterin Dr. Elisabeth Tichy-Fisslberger    Bundesministerium für europäische und
Delegationsleiterin                                                                             internationale Angelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 32

Botschafter Dr. Helmut Tichy                                    Bundesministerium für europäische und
Stv. Delegationsleiter                                                                        internationale Angelegenheiten

Gesandter Dr. Johann Brieger                                  Bundesministerium für europäische und
Stv. Delegationsleiter                                                                        internationale Angelegenheiten

Brigadier Kurt Hager                                                                         Bundesministerium für Inneres

Ministerialrätin Dr. Eva Souhrada-Kirchmayer                                             Bundeskanzleramt

Mag. Dr. Gerhard Kunnert                                                                                     Bundeskanzleramt

Oberstaatsanwalt Dr. Stefan Benner                                            Bundesministerium für Justiz

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinig­ten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinde­rung und Bekämpfung schwerwiegender Straftaten zu bevollmächtigen.

Wien, am 2. März 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Eingelangt ist der Bericht des Bundesministers für europä­ische und internationale Angelegenheiten betreffend Fortschreibung des Dreijahrespro­gramms der österreichischen Entwicklungspolitik 2009 bis 2011, der dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso ist der Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde, eingelangt, der dem Justizausschuss zur Vorberatung zuge­wiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die beziehungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Peter Mitterer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichti­ge ich, die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, 6 und 7 sowie 11 und 12 jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gehen daher in die Tagesordnung ein.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 33

10.24.281. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Protokoll von 2005 zum Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicher­heit fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden (582 d.B. und 614 d.B. sowie 8289/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Protokoll von 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt (583 d.B. und 615 d.B. sowie 8290/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderungsprotokoll mit Änderungen am Übereinkommen zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage und am Protokoll über die Vorrechte und Immu­nitäten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (602 d.B. und 616 d.B. sowie 8287/BR d.B. und 8291/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu all diesen drei Punkten ist Frau Bundesrätin Astleitner. Ich darf sie um die Berichte ersuchen.

 


10.25.20

Berichterstatterin Notburga Astleitner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe SchülerInnen! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Protokoll von 2005 zum Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden.

Weiters berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betref­fend Protokoll von 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Hand­lungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt.

Und ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betref­fend Änderungsprotokoll mit Änderungen am Übereinkommen zur Errichtung des Euro­päischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage und am Protokoll über die Vor­rechte und Immunitäten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage.

Die Berichte liegen Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme deshalb gleich zur Antragstellung, gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Ich bedanke mich für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es gilt nun wieder die freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


10.26.56

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 34

be SchülerInnen! Ich darf dir, Herr Präsident, versichern, dass ich die 10 Minuten nicht ausschöpfen werde, weil alle drei Vorlagen einstimmig sind und darüber hinaus die ersten beiden Abkommen uns als Binnenland, was die Seefahrt betrifft, nicht unbedingt unmittelbar betreffen und auch nicht unseren Lebensnerv tangieren.

Zuerst darf ich kurz auf die Ziele der beiden Abkommen, bezüglich der Plattformen auf dem Festlandsockel und der Seeschifffahrt, eingehen. Hier geht es vor allem darum, dass terroristische Akte auf See und/oder gegen Plattformen verhindert werden, und zweitens, das Vertrauen in die Seeschifffahrt aufrechtzuerhalten beziehungsweise zu fördern.

Wie soll das nun geschehen? – Einerseits durch eine Erweiterung der Liste für strafba­re Handlungen. Hier geht es vor allem darum, dass der Einsatz von Sprengsätzen, sei­en sie aus dem ABC-Bereich, atomar, nuklear, biologisch und chemisch, entsprechend geächtet wird, vor allem, wenn sie in terroristischer Absicht eingesetzt werden, wobei hier zu unterstellen ist, dass in so einem Fall wohl hauptsächlich Terrorismus dahinter steht. Man soll aber nicht ausschließen, dass eine derartige Waffe auch im klein- oder mittelkriminellen Bereich, wenn er über eine solche verfügt, zum Einsatz gebracht wird. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Hier geht es juristisch um eine Erweiterung, bei der vor allem der Versuch, die Mittäter­schaft, die Beitragstäterschaft, die Anstiftung, die organisierte Kriminalität und auch die Verantwortlichkeit von juristischen Personen normiert werden soll.

Als Letztes ist noch vorgesehen, dass hier auch gewisse Durchsuchungsrechte zur An­wendung kommen können, allerdings, muss man dazusagen, nur unter bestimmten Voraussetzungen, und diese sind doch sehr stringent. Einerseits müssen hier beide Vertragspartner zustimmen – man kann nur hoffen, dass das eintritt –, weiters auch entsprechend befugte Beamte zur Verfügung stehen. Auch hier stellt sich die Frage, ob das entsprechende Personal immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort vorhanden ist. Und natürlich muss ein begründeter Verdacht gegeben sein. „Begründeter Verdacht“ ist schon sehr einengend, wenn ich das als Jurist sagen darf.

Daher: Das klingt alles in der Theorie sehr gut, aber wir werden erst in der Praxis se­hen, ob sich das unter diesen Voraussetzungen bewähren wird.

Für Österreich im Konkreten bedeutet das, dass vor allem Inländer in Österreich nach dem Personalitätsprinzip abgeurteilt werden können, wenn entsprechende Anklagen vorliegen.

Meine Fraktion wird beiden Abkommen selbstverständlich die Zustimmung erteilen.

Zuletzt möchte ich ganz kurz eingehen – um meinen Nachrednern nicht sämtliche Ro­sinen wegzunehmen (Bundesrat Konecny: Danke!) – auf das berühmte Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage. Im Ausschuss habe ich die Beamten aus dem Bereich des Bundesministeriums für europäische und auswärtige Angelegenhei­ten gefragt, ob wir demnächst damit zu rechnen haben, dass es auch ein Abkommen geben wird über ein Europäisches Zentrum für langfristige Wettervorhersage. Hier ist vielleicht auch ein Zusammenhang zum Wissenschaftsministerium gegeben. Diese Fra­ge konnte von den Herren des Außenministeriums nicht beantwortet werden. Vielleicht kann das von deiner Seite aus erfolgen, liebe Frau Bundesministerin – aber das ist eher eine ironische Bemerkung, es muss hier nicht unbedingt eine Antwort geben.

Zu dem Punkt nur kurz gesagt: Einerseits soll die Anzahl der Mitglieder für dieses Zent­rum erweitert werden, was für Österreich in der jetzigen budgetären Situation den Vor­teil haben könnte – ich spreche hier ausdrücklich in der Möglichkeitsform –, dass der österreichische Beitrag abgesenkt werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 35

Auch zu diesem Abkommen wird meine Fraktion die Zustimmung erteilen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

10.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Professor Ko­necny. – Bitte.

 


10.31.47

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe ja zu, diese drei Vorlagen sind kein sehr frucht­barer Acker. Der Herr Kollege hat einige wichtige Anmerkungen dazu gemacht. Ich ha­be, außer dass ich namens meiner Fraktion versichere, dass auch wir diesen drei Vor­lagen zustimmen werden, eigentlich nur einen Gedanken einzubringen, der mit dem dritten Tagesordnungspunkt zu tun hat.

Ich glaube, dass, so verdienstvoll dieses in Reading, glaube ich, ansässige Institut un­ser Wetter positiv beeinflusst oder zumindest unsere Kenntnis darüber, es einmal an der Zeit wäre – Frau Bundesminister, Sie müssen es nicht weitersagen, ich werde mich in dieser Angelegenheit direkt an den Herrn Außenminister wenden –, die unendlich lange Liste an Konventionen, Verträgen und Institutionen einmal systematisch durchzu­gehen.

Also ich bin sehr für ein gutes europäisches Wetter. Wir haben in der Europäischen Union 27 Mitglieder, und ich habe mit Verblüffung gelesen, dass bisher nur Länder auf­genommen werden konnten, die auf einer Shortlist von 18 Mitgliedstaaten standen – merkwürdig! Also es gibt ganz offensichtlich ein paar EU-Mitglieder, die da bisher nicht beitreten konnten. Wir haben den Europarat mit einer noch sehr viel größeren Mitglied­schaft.

Da stellt sich schon die Frage, ob nicht solche Einrichtungen in einem institutionellen Verbund mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten, mit einer Minimierung der Gremien­tätigkeit – denn alle solchen Einrichtungen brauchen mehrere Vorstände, Beiräte oder was auch immer – effizienter wären, der europäischen Architektur angemessener wä­ren und nicht zuletzt auch Kosten einsparen könnten.

Ich habe das in meiner langen politischen Karriere ein Mal erlebt, dass Österreich sei­ne Unterzeichnung einer internationalen, einer europäischen Vereinbarung – es ging dabei um irgendetwas mit Wertpapieren, wenn ich mich düster erinnere – zurückgezo­gen hat, weil diese richtungweisende Organisation in den vielen Jahren ihres Beste­hens ein Mal einen Geschäftsfall hatte, und das war kein österreichischer, was den entsprechenden Aufwand und Mitgliedsbeitrag doch nicht gerechtfertigt hat.

Ich weiß, das ist etwas, was viele sympathische Eigenschaften beseitigen würde, weil überall dort auch irgendwelche Österreicher in Beiräten sitzen, die einmal im Jahr ger­ne nach Reading, oder wo immer die entsprechende Einrichtung ihren Sitz hat, fahren. Das beschäftigt immer Beamte in österreichischen Ministerien, die damit ihre Geschäfts­tätigkeit und damit ihre Bedeutung erweitern. Aber ich glaube, es ist an der Zeit, das Außenministerium, das ja hier als einziges vermutlich den Gesamtüberblick hat, einmal einzuladen, zu überprüfen, welche dieser Organisationen und Vereinbarungen, Verträ­ge, Konventionen einen realen Effekt haben, welche in einer europäischen Architektur bei bestehenden europäischen Zusammenschlüssen – EU, Europarat – angesiedelt wer­den könnten und welche für Österreich eine reale Bedeutung haben.

Das ist nicht nur eine Frage der budgetären Notlage, die wir natürlich haben, das ist auch eine Frage der Verwaltungsvereinfachung und eventuell auch einer Umstrukturie­rung mancher Abteilungen, und es hilft auch, das Ganze ein bisschen ins Bewusstsein zu heben. Es macht wenig Sinn, wenn Österreich Mitglied in Organisationen oder Un­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 36

terzeichner von Konventionen ist, die real keine Bedeutung für das Leben dieses Lan­des haben.

Ich glaube, dieser, sagen wir einmal, „Putztag“ wäre anzusetzen, es wäre einmal zu überprüfen, was davon sinnvoll ist – nicht als eine österreichische Initiative, die dazu führt, dass wir überall austreten, das ist damit nicht gemeint, sondern als eine öster­reichische Initiative, unsere Partnerstaaten einzuladen, eine gemeinsame Architektur für solche Instrumente internationaler Regelungen und internationaler Zusammenarbeit zu finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.37.03

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kühnel, aus grüner Sicht ist es gar nicht so unbedeutend, dass wir jetzt das Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt ergänzen. Sie sagen zu Recht, wir sind ein Binnenland, und es berührt nicht unseren Lebensnerv. Aber es ist wichtig, dass jetzt Waffen für terroristische Aktionen und Zwecke in diese Liste aufgenommen wurden, denen es eigentlich egal ist, wo Grenzen verlaufen, und die von einer ganz anderen Bedrohung sind: nämlich biologische, nukle­are und chemische Waffen und Substanzen.

Der Transport solcher Waffen in terroristischer Absicht auf den Meeren wird jetzt durch diesen Beschluss unter Strafe gestellt. Und das betrifft nicht nur die einzelne Person, sondern auch die juristische Person, was etwas Neues ist. Das heißt, auch Schiff­fahrtsunternehmen, Reedereien, die einen Transport von Sprengsätzen, egal ob biolo­gisch, ob chemisch oder nuklear, ermöglichen, können nun bestraft werden. Das ist schon eine neue Qualität – unabhängig davon, ob Österreich am Meer liegt oder nicht! Das ist etwas ganz Wichtiges, und deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir hier eine so große Übereinstimmung haben.

Nun zum letzten Punkt, dem Änderungsprotokoll betreffend das Übereinkommen zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage. Man neigt vielleicht ein bisschen dazu, das scherzhaft zu betrachten, und ich bin eigentlich froh über die Fügung des Schicksals, dass der Außenminister heute durch die Wissen­schaftsministerin vertreten wird, weil ich glaube, lieber Kollege Konecny, dass das ein spannendes Thema ist, nämlich aus der Forschung heraus, aus der Wissenschaft he­raus, aus der Verbindung mit den unterschiedlichen Ansätzen der Universitäten heraus.

Denn: Vor dem Hintergrund des Klimawandels, vor dem Hintergrund der ganzen Kapri­olen im Klimabereich, die wir in den letzten Jahren zur Kenntnis nehmen müssen, von der Erwärmung des mediterranen Raumes bis zum Abschmelzen der Pole, hat so ein Zentrum nicht nur die Aufgabe, uns zu sagen, wie im Oktober das Wetter sein könnte, sondern es kann einen ganz wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen Erarbeitung, zur Abschätzung des Risikos durch Wetter oder auch dessen, was das Wetter beein­flusst, leisten.

Ich finde, das Langfristige, das Sie, Kollege Kühnel, dabei hinterfragen, war die mutige Entscheidung der Regierung im Jahr 1976, diesem Zentrum beizutreten, nämlich als etwas Substanzielles, als etwas, das wirklich interessant ist. Damals war Österreich noch lange nicht EU-Mitglied; für dieses Europäische Zentrum war die EU-Mitgliedschaft auch nie vonnöten. Es ist erfreulich, dass durch den gemeinsamen Beschluss dieses Über­einkommens heute nun auch andere Länder diesem Zentrum beitreten, daran partizi­pieren.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 37

Ich denke, Frau Wissenschaftsministerin, es wäre doch interessant gerade für Öster­reich als ein alpines Land, das in den letzten Jahren besonders mit durch den Klima­wandel produzierten Wetterkapriolen zu kämpfen hatte, wenn wir genau in diesem Be­reich die Forschung intensivieren könnten, die Zusammenarbeit mit diesem Zentrum intensivieren könnten, eigentlich intensivieren müssten, und wenn wir sogar Initiativen setzen könnten. Das müsste für die Wissenschaft, für unsere Studierenden aus Öster­reich, aber auch für verschiedene Teilbereiche eigentlich von großem Interesse sein.

Wir werden allen drei vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates zustimmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

10.41


10.41.32

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Protokoll von 2005 zum Protokoll zur Bekämpfung wider­rechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem Fest­landsockel befinden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Protokoll von 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrecht­licher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit an­genommen.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderungsprotokoll mit Änderungen am Übereinkommen zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage und am Pro­tokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage.

Ich ersuche all jene, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist eben­falls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.43.094. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über die im Jahr 2008 durch den Bund bei den ÖBB sowie bei den Privatbahnen bestell­ten gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht) (III-386-BR/2010 d.B. sowie 8292/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. – Ich bitte um den Bericht.

 


10.43.25

Berichterstatter Ewald Lindinger: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über den Bericht der Bundesministerin für Verkehr,


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 38

Innovation und Technologie über die im Jahr 2008 durch den Bund bei den ÖBB sowie bei den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen.

Der Bericht über diesen Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht liegt den Mitgliedern des Bundesrates in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über die im Jahr 2008 durch den Bund bei den ÖBB sowie bei den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaft­lichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht) (III-386-BR/2010 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Ich darf die in der Zwischenzeit eingetroffene Frau Bundesministerin Bures herzlich in unserer Runde begrüßen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Podgorschek. – Bitte.

 


10.44.34

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich darf zu Beginn gleich einmal feststellen, dass eine kritische Äußerung über die Österreichischen Bundesbah­nen natürlich nicht auch die Bediensteten umfasst, denn gerade die Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen sind oft sehr fleißig und bemüht (Bundesrat Stadler: Immer! Nicht: oft!), das System der Bundesbahnen aufrechtzuerhalten – sie sind nur leider manchmal auch ein Opfer dieses Systems. (Beifall und Bravoruf des Bundesra­tes Stadler.)

Was die Bundesbahnen betrifft – und das müssen wir leider zur Kenntnis nehmen –, so handelt es sich auch um ein volkswirtschaftliches Problem. Wenn wir die gemeinwirt­schaftlichen Leistungen betrachten, dann scheint es durchaus möglich zu sein, dass sie zu einem Fass ohne Boden werden; nicht zuletzt deshalb, weil mittlerweile für das Jahr 2013 prognostiziert wird, dass in Summe 6 534 Millionen € in das System Bun­desbahnen hineinzustecken sein werden. Bereits im Jahr 2009 haben wir, inklusive der Haftungen von 2 800 Millionen €, das Budget praktisch mit 6 953 Millionen € belastet; das sind immerhin 10 Prozent des Bundesbudgets. Das heißt, dass wir pro Bürger pro Jahr 2 500 € für die Österreichischen Bundesbahnen zur Verfügung stellen.

Es gibt natürlich unterschiedliche Gründe dafür, dass dieses System nur partiell funk­tioniert, es teilweise eben große Fehler gibt. Ich kann an dieser Stelle sagen, ich bin selbst Leidtragender. Ich wäre heute gerne mit den Bundesbahnen nach Wien gereist, aber ich habe keinen passenden Zug gefunden, es sei denn, ich wäre mitten in der Nacht aufgestanden. Dafür habe ich heute schon Gelegenheit gehabt, die Frau Bun­desministerin im Radio zu hören; war auch ganz nett. (Bundesministerin Bures: Na im­merhin!)

Was ich sagen möchte: Die Unzufriedenheit mit den Fahrplänen ist sicherlich gegeben und ist ein Problem, über das wir letzten Endes nicht hinwegsehen können. Aber auch die Unpünktlichkeit der Züge stellt ein nicht unbeträchtliches Problem dar. Im April 2009 waren nur 66,3 Prozent der Fernzüge pünktlich. Das heißt, ein Drittel aller Fernzüge ist unpünktlich. Es gibt einen Lösungsansatz. In der Region Ost zum Beispiel lässt man anstatt 620 Zügen nur mehr 580 Züge verkehren, das hat aber natürlich zur Folge, dass die Fahrpläne unattraktiver werden.

Zu der Krankenstandsaffäre brauche ich mich, glaube ich, nicht zu äußern. Das hat mit den gemeinwirtschaftlichen Leistungen weniger zu tun, stellt aber auch ein Problem bei den Bundesbahnen dar.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 39

Es ist auch festzustellen, dass vermehrt der Umstieg von der Schiene auf die Straße erfolgt. Immer mehr Gütertransporte erfolgen über die Straße, und das ist aus meiner Sicht volkswirtschaftlich keine positive Entwicklung.

Es gibt unterschiedliche Sparmaßnahmen, die durchaus – das ist unbestritten – schon zu Einsparungen geführt haben, aber leider ist man oft auf halbem Weg stehen geblie­ben. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass trotz sinkender Mitarbeiterzahlen die Kos­ten für das Personal eher im Steigen begriffen sind. Auch im Bereich des Bundesbahn-Pensionsgesetzes – da gibt es ja sechs Varianten der Ruhestandsversetzungen, im Gegensatz zum öffentlichen Bereich, wo es nur drei gibt – wären Einsparungen von 174 Millionen € möglich.

Man hat bereits im April 2004 versucht, ein neues Dienstrecht zu erstellen. Damals sind sieben Einzelmaßnahmen angedacht worden, die Einsparungen von 160 bis 195 Mil­lionen € hätten bringen können. Es blieben aber nur vier Maßnahmen übrig, die laut Prognose 92 bis 109 Millionen hätten bringen sollen. Tatsächlich, hat der Rechnungs­hof festgestellt, ist es eher wiederum zu einer Verteuerung gekommen. Faktum ist ein­fach – und darüber können wir nicht hinweggehen –, dass im Jahr 2008 die Bundes­bahnen 42 265 Mitarbeiter gehabt haben und davon immer noch 30 050 in Definitivstel­lung sind, und das ist sicherlich auch ein Problem bei der Sanierung der Bundesbah­nen.

Es bedarf unserer Meinung nach einer Bündelung aller politischen Kräfte, um die ÖBB endlich ins 21. Jahrhundert zu führen, denn wir brauchen den öffentlichen Schienen­verkehr; er ist nötiger denn je. Wir brauchen ihn als Alternative zum individuellen Auto­verkehr und vor allem zum Gütertransport – und das nicht nur in umweltpolitischer Hin­sicht, sondern meiner Meinung nach auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

10.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.50.23

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Lieber Herr Kollege Podgorschek, ich glaube, du hast ganz einfach den Bericht nicht gelesen, denn deine Ausführungen galten einem anderen Tagesordnungs­punkt. Oder wolltest du deine Eingangsworte nur korrigieren und auf die Eisenbahner hinhauen?! (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er ja gar nicht gemacht!)

Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, seien wir froh, dass es diesen Bericht endlich wieder gibt! Erst seit dem Jahr 2007 gibt es diesen Leistungsbericht wieder, denn die früheren Minister haben aufgrund des ständigen Wechsels keinen Bericht fertigstellen können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum. – Bundesrat Stadler: Da war die Amtszeit schuld!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Leistungsbericht – und das spiegelt das wider, was Sie soeben verkündet haben – ist ein Bericht über die Abgeltung der gemeinwirt­schaftlichen Leistungen. Das heißt, all die Monats-, Jahres- und Wochenkarten, Schü­ler- und Lehrlingsfreifahrten und all das, was dem sogenannten Ökobonus zuzurech­nen ist, wird von der Bundesregierung abgegolten. Wenn Sie von ansteigenden Sum­men bis zum Jahr 2050 sprechen, so kann ich aus diesem Bericht herauslesen, dass im Jahr 2008 ebenso wie im Jahr 2007 347 Millionen € für diesen Ökobonus aufgewen­det wurden.

Natürlich fallen mir dazu immer wieder gleich die Forderungen der Grünen ein, die im­mer wieder kritisieren, dass die Zeitkarten für Senioren zum Beispiel mit einer Alters­


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grenze von 60 beziehungsweise 65 Jahren versehen sind. – Es wäre eine Möglichkeit, die Altersgrenze für Frauen auf 65 Jahre anzuheben. Dadurch würden sich die Kosten verringern. (In Richtung Bundesrätin Kerschbaum:) Ist das in Ihrem Sinne? (Ironische Heiterkeit der Bundesrätinnen Mühlwerth und Kerschbaum.) – War nur eine Feststel­lung.

Geschätzte Damen und Herren! Frau Bundesminister, danke für diesen Bericht. Darin kann man ganz genau nachlesen, welche Leistungen erbracht werden, welche Kosten für die Refundierung der Begünstigungen für Wochen- und Monatskarten, Lehrlings- und Schülerfreifahrten, für Senioren, schwer Kriegsbeschädigte, Familien und derglei­chen anfallen.

Zum Zweiten gibt es den Qualitätsbonus. In diesem Bereich kann sehr wohl eine Erhö­hung auf fast 122 Millionen € festgestellt werden. Im Jahr davor waren es noch 87 Milli­onen €. Der Qualitätsbonus hängt von der Qualität und den gefahrenen Kilometern ab, und man kann feststellen, der vorgeschlagene Betrag wird immer wieder eingehalten. Es gibt keine Probleme.

Was mir in diesem Bericht auffällt, ist die Euro 2008. – Die Euro 2008 schlägt sich mit fast 5 Millionen € zu Buche. Es gab Kombitickets zur Fußball-Europameisterschaft, und ich glaube, auch das hat sehr viel dazu beigetragen, dass einerseits der Straßen­verkehr zurückgenommen beziehungsweise auf der anderen Seite die Umwelt weniger belastet wurde.

Im Rahmen des Kombiverkehrs wurden im Jahr 2008 seitens der Rail Cargo Austria AG insgesamt 47,2 Millionen € abgerechnet; im Jahr davor waren es noch 42,8 Millionen €.

Der zweite Teil des Berichts bezieht sich auf die Privatbahnen. Es gibt schon einige Privatbahnen, die sich am Personenverkehr und auch am Güterverkehr beteiligen, und auch dafür gab es verschiedene gemeinwirtschaftliche Leistungen.

Wir werden diesen Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen, Frau Bundesminister! Dan­ke noch einmal an Ihre Mitarbeiter für die Erstellung dieses Berichtes. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

10.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Hammer. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.55.07

Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorred­ner – vor allem Kollege Boden – haben sehr ausführlich über den Gemeinwirtschaftli­chen Leistungsbericht gesprochen. Ich glaube auch, dass darin wesentliche Dinge schön dargestellt sind. Natürlich ist es sinnvoll, die Attraktivität der Fahrpreise entspre­chend zu gestalten, damit es den Leuten leichter gemacht wird, sich für das öffentliche Verkehrsmittel zu entscheiden. Das ist natürlich, wie auch angesprochen wurde, in Zei­ten wie diesen ein Gebot der Stunde.

Auch die Quantitäts- und Qualitätsboni sind, glaube ich, eine positive Geschichte. Der Bericht stellt ganz nüchtern dar, welche Ausgaben, welche Leistungen seitens der be­auftragten Unternehmen erbracht worden sind und was das den Bund kostet.

Es ist natürlich so – und das geht aus dem Bericht nicht hervor, aber dazu haben wir andere Berichte, etwa vom Rechnungshof und dergleichen mehr –, dass man im Sys­tem der Österreichischen Bundesbahnen das eine oder andere wird tun müssen – da ist auch etwas zu tun! –, um effizienter voranzukommen. (Bundesrat Boden: Aber nicht von der ÖVP, weil die hat eh schon etwas getan!)


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 41

Dieser Bericht zeigt nur das, was in der letzten Zeit geschehen ist. Ich möchte aber – und das, glaube ich, gehört zu solch einem Bericht auch dazu – nicht nur dargestellt wissen, was geschehen ist, sondern auch Zielformulierungen dargelegt bekommen. Gerade im öffentlichen Nahverkehr, im Regionalbahnenverkehr stehen wir vor großen Herausforderungen. Ich komme aus Oberösterreich, und bei uns ist gerade die Mühl­kreisbahn ein aktuelles Thema, die wirklich eine Lebensader bei uns im ländlichen Raum ist. Man hat in den letzten Jahren schon ein bisschen verabsäumt, dort Investitionen zu tätigen. Man hat nicht viel gemacht, sie zu attraktivieren, es ist sogar eher blockiert worden. Wir haben dann auch noch Hochwasser gehabt, wodurch sie mancherorts in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Bis jetzt ist noch nichts wieder hergerichtet wor­den. Wir haben dort auch Langsamfahrstrecken. Ich meine, wir sollten schon ein Be­kenntnis darüber ablegen, wie wir mit diesen Regionalbahnen weiter verfahren wollen.

Das gehört für mich zu solch einem Bericht dazu: eine klare Strategie festzuschreiben, die man auch konsequent verfolgt. Wir können nicht nur von der Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs reden, dann aber in den Umsetzungsschritten und in der Verfol­gung der Ziele nicht wirklich konsequent sein. Das geht auf Dauer nicht.

Wir müssen wirklich Antworten geben. Ich würde mir für die Regionalbahnen eine Stra­tegie erwarten; speziell in meinem Bundesland Oberösterreich auch ein Bekenntnis zu dieser angesprochenen Mühlkreisbahn, denn die ist Aussagen zufolge wirklich bedroht, und das kann es aus meiner Sicht nicht sein! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.57.50

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen, lieber Herr Kollege Boden, und ich kann dir auch genau sagen, warum. Es ist zwar schön, dass wir endlich wieder einen Bericht vorgelegt bekommen, das stimmt, aber dieser Bericht ist ein Scherz. Er beinhaltet nicht das, was man wirklich wissen sollte. Es sind vielleicht ein paar Zahlen drin, aber vieles von dem, was dieser Bericht beinhaltet, ist einfach verwirrend und beschönigend. Des­halb lehnen wir ihn ab. Also nicht nur, weil es um viel Geld geht, sondern einfach des­halb, weil der Bericht in dieser Form unzureichend ist. Ich würde mir wünschen, dass unsere Ablehnung vielleicht noch ein paar von euch mit unterstützen. Das würde dann vielleicht mit sich bringen, dass das Ministerium Berichte vorlegt, die auch wirklich aus­sagekräftig sind. (Bundesrat Boden: Ich habe schon erklärt, dass es sehr schwierig ist, das Ganze zu erstellen, weil sehr viele Verknüpfungen drin sind!) – Ich komme im De­tail noch darauf zu sprechen.

Laut dem uns vorliegenden Bericht gibt es 616 Millionen € für gemeinwirtschaftliche Leistungen der Bundesbahnen. Das System, nach dem diese Leistungen berechnet werden, wird zwar gut beschrieben, in Wirklichkeit aber, das haben wir im Ausschuss auch gehört, wird dieses System zum Teil gar nicht angewendet, weil ohnehin überall Deckel eingezogen sind. Sprich: Es gibt einen Deckel von 300 Millionen € für den Öko­bonus, und der wird sowieso überschritten, also werden wir nicht zu rechnen brauchen, wie viele Zeitkarten es gibt. Das heißt, es ist eigentlich ad absurdum geführt. Meiner Meinung nach sollte man sich entweder ein neues System überlegen oder von diesem Deckel absehen. So wie es jetzt gehandhabt wird, ist es einfach nicht transparent, es liefert einfach keine Begründung, warum man das Geld wirklich ausgibt.

Selbiges gilt für den Qualitätsbonus. Im Bericht steht – wir haben das im Ausschuss schon urgiert –, was beim Qualitätsbonus zum Beispiel berücksichtigt wird. In einen


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 42

Bericht zu schreiben, was genau beim Qualitätsbonus berücksichtigt wird, dürfte doch keine Schwierigkeit sein. Das müsste eigentlich schon möglich sein.

Wenn Sie einem Pendler/einer Pendlerin – zumindest bei uns, im Raum Wien und Um­gebung, aber ich nehme an, das gilt für die meisten anderen PendlerInnen auch – er­klären, dass die Bahn die Qualitätskriterien übererfüllt hat und deshalb ohnehin den Deckel erreicht hat, werden die Pendler – seien Sie mir nicht böse – wahrscheinlich einen Lachanfall bekommen. Jeder, der in der Früh einmal im Zug gesessen ist – wenn er überhaupt einen Sitzplatz gefunden hat! – und sich wie eine Sardine gefühlt hat, weil es eng ist, weil man keinen Wartebereich hat und, und, und, jeder Pendler wird wahr­scheinlich einen Lachanfall bekommen, wenn man sagt, die ÖBB haben den Qualitäts­bonus überschritten, und deshalb bekommt er ihn ausgezahlt und wir brauchen ohne­hin nichts Näheres zu berechnen.

Informationsnotstand gibt es im Bericht auch – ich habe auch schon nachgefragt, und im Ausschuss wurde mir auch zugesagt, dass ich das bekomme, aber das war bisher leider nicht der Fall – bezüglich der Gefahrenguttransporte. Es heißt, wir zahlen einen Bonus für die Gefahrenguttransporte, damit diese von der Straße auf die Schiene ver­lagert werden. Das ist sicherlich zu befürworten, die Frage ist nur: Was ist das Ziel ge­nau? Wird dieses Ziel erreicht? – Es gibt keine Zahlen in dem Bericht. Es steht nicht drinnen, wie hoch der Anteil auf der Straße ist, wie hoch er auf der Schiene ist und wel­che Tendenz es gibt. Das würde ich mir von so einem Bericht erwarten. Leider habe ich diese Information auch nachträglich nicht bekommen.

Ein Kollege hat vorhin erläutert, der öffentliche Verkehr koste so viel Geld. Ja, das mag sein, öffentlicher Nahverkehr ist sicher ohne öffentliche Zuschüsse nicht machbar. Er liegt aber auch im öffentlichen Interesse, und deshalb ist es auch gerechtfertigt, etwas dafür zu zahlen. Und in Wirklichkeit erspart jeder, der mit der Bahn fährt, der Umwelt die Belastung durch CO2 und dem Staat Österreich Strafzahlungen, die aufgrund der Klimabilanz ohnehin auf uns zukommen. Das sollten wir vielleicht auch einmal beden­ken und nicht immer nur sagen, die ÖBB koste zu viel.

Wir hätten gerne ein Angebot des öffentlichen Verkehrs oder zumindest der Schiene, das das Umsteigen von der Straße auf die Schiene wirklich erleichtert und attraktiviert. Leider ist die Tendenz momentan eher in die andere Richtung, weil die Pendler so sau­er sind, dass sie eher wieder von der Schiene auf die Straße zurück umsteigen. Ich denke, gegen diese Tendenz müssen wir etwas unternehmen.

Es ist seit Jahrzehnten viel zu wenig in die Bahn investiert worden, das wissen wir alle. Es gibt in letzter Zeit einige Investitionen, die gut und schön und richtig sind, aber leider sind sie viel zu wenig, denn die letzten zig Jahre können wir nicht so schnell nachho­len.

Das heißt, wir müssten Geld für einen guten öffentlichen Verkehr in die Hand nehmen. Aber wenn wir Geld in die Hand nehmen wollen und sollen, dann sollte man auch einen solchen Leistungsbericht wirklich transparent gestalten. Dann werden die Leute auch verstehen, dass es etwas kostet. Aber der vorliegende Leistungsbericht enthält Aussagen, über die sich, denke ich, viele nur wundern werden.

Dieser Bericht ist ja nicht nur für uns, den kann man sich ja öffentlich anschauen, dazu kann man sich auch als Staatsbürger seine Meinung bilden. Und wenn dann nicht wirk­lich Transparenz gegeben ist, wenn keine Qualitätskriterien angeführt und keine Ziele genannt werden, wird man nicht damit rechnen können, dass die Leute es akzeptieren, wenn wir mehr Geld in die Hand nehmen – abgesehen davon, dass wir es leider ohne­hin nicht tun.

Ich meine, diese Transparenz wäre in diesem Bericht wirklich notwendig und würde auch die Akzeptanz fördern. Es wäre schön, wenn Fahrgastzahlen und Tonnagen keine Ge­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 43

heimnisse mehr wären. Der Bericht in dieser Form ist aber leider kontraproduktiv, weil er eigentlich nur heiße Luft ist, und deshalb lehnen wir ihn ab. (Beifall bei den Grünen.)

11.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zangerl. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.03.48

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Liebe Gäste im Hohen Haus! Das Bundesgesetz über Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr, mit dem neue Fahrgastrechte für Jahreskartenbesitzer im Vorort- und Regionalverkehr veran­kert sind, ist grundsätzlich zu begrüßen. Deshalb werde ich diesem Bundesgesetz auch zustimmen, wiewohl ich mir auch wünschen würde, dass meine heutigen Anmer­kungen in künftige Nachjustierungen Eingang fänden.

Der Entwurf enthält einige Regelungen, die sich in Bezug auf die Jahreskartenbesitzer in den westlichen Teilen Österreichs, insbesondere bei uns in Tirol, negativ auswirken, da sich das Gesetz hauptsächlich an den Gegebenheiten der Jahreskarten in Ostöster­reich orientiert. Dies sind im Einzelnen folgende Punkte:

Gemäß § 2 Abs. 1 haben nur jene Jahreskartenbesitzer Anspruch auf Entschädigung, deren Jahreskarte namentlich auf ihre Person ausgestellt ist. Im Westen Österreichs werden jedoch auch übertragbare Jahreskarten ausgegeben. Sie sind, gleich wie per­sonalisierte Jahreskarten, auf eine klar definierte Strecke sowie auf die Dauer von 12 Monaten begrenzt und sind auch gleich teuer. Sie sind auf andere Fahrgäste über­tragbar – das ist ein wesentlicher Punkt! –, und im Fall eines Verlustes besteht kein Anspruch auf Ersatz.

Es gibt also nach meinem Dafürhalten keinen sachlich gerechtfertigten Grund, die Be­sitzer dieser übertragbaren Jahreskarten von Entschädigungen auszuschließen, da es sich um gleichwertige Bahnkunden handelt, die ebenfalls regelmäßig die Bahn benut­zen und somit auch Anspruch auf Entschädigung haben sollten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 haben die Eisenbahnverkehrsunternehmen für angemessene Modalitäten zur Inanspruchnahme der Entschädigung zu sorgen. – Dass dieser Absatz zum Entwurf aus dem Begutachtungsverfahren beigefügt wurde, ist ausdrücklich zu begrüßen, zumal in einigen Bundesländern, wie auch in Tirol, der Verkauf der Jahres­karten ja nicht über die Eisenbahnunternehmen abgewickelt wird. Die Modalitäten für den Anspruch auf Entschädigung sind nach meinem Dafürhalten über alle Stellen ab­zuwickeln, von denen Jahreskarten ausgegeben werden.

Zu überdenken wäre auch die Bestimmung in § 2 Abs. 1 Z 4. Die dort und in den Er­läuterungen festgehaltenen Entschädigungen in pauschalierten Beträgen könnten sehr leicht vereinfacht werden und lediglich auf die ebenfalls vorgesehene Mindesthöhe von 10 Prozent des monatlichen Fahrpreises beschränkt sein.

Die vorgesehenen pauschalierten Beträge fassen das Tarifsystem nach meiner Meinung einfach zu stark zusammen. In den einzelnen Bundesländern werden teilweise Jahres­karten preislich nach Zonen gestaffelt. In Tirol, geschätzte Damen und Herren, sind es 50 Zonen. Das muss man sich einmal vorstellen: Es sind 50 Zonen aufgrund der geo­graphischen Gegebenheiten in Tirol! Diese Zonen sind aber nicht deckungsgleich mit der tatsächlichen Fahrtstrecke in Kilometer. So kann der Preis zum Beispiel einer Fahrt­strecke bis 20 Kilometer zwischen 294 und 600 €, je nach Anzahl der Zonen, divergie­ren, und das ist schon eine beachtliche Differenz. Hier eine gerechte Höhe der Ent­schädigung zu definieren, ist kaum möglich. Eine ausschließliche Entschädigungshöhe im Preis der Jahreskarte würde die Entschädigung gerechter, transparenter und vor al­lem auch einfacher gestalten.


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Zu überdenken wäre auch die Tatsache, dass Monatskarteninhaber offensichtlich ge­nerell vom Recht auf Entschädigung ausgeschlossen sind. Dieser Aspekt ist für mich wahrlich schwer nachvollziehbar, ist doch gerade der Monatskarteninhaber ein regel­mäßiger Bahnkunde. Da die Durchrechnung des Pünktlichkeitsgrades auf Monatsebe­ne erfolgt, besteht auch kein sachlicher Grund, warum gerade Monatskarteninhaber kein Anrecht auf diese Entschädigungen haben sollen.

Die Ermittlung eines Pünktlichkeitsgrades für alle Züge, die auf einer Strecke verkeh­ren, ist grundsätzlich sinnvoll. Häufig sind aber nur jene Kurse verspätet, die zu den Hauptverkehrszeiten fahren; das ist klar. Somit kann es vorkommen, dass Pendler, die täglich mit demselben Zug pendeln, wenn dieser häufig verspätet ist, keine Entschädi­gung erhalten, wenn die restlichen Kurse im Laufe des Tages immer pünktlich sind.

Diesen Umstand als im Sinne des Gesetzes zu betrachten, wäre wahrlich frivol. Es er­schiene mir sinnvoll, neben dem generellen Pünktlichkeitsgrad auch einen Pünktlich­keitsgrad für jeden einzelnen Kurs einheitlich festzulegen. Dies würde in Bezug auf Da­tenerfassung und Auswertung nur einen minimalen Mehraufwand bedeuten, würde aber die Qualität dieser neuen Fahrgastrechte deutlich erhöhen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Bu­res. – Bitte, Frau Minister.

 


11.08.57

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Hohes Haus! Es freut mich, dass eigentlich in allen Reden hier klar zum Aus­druck gekommen ist, dass es außer Streit steht, dass wir in Österreich ein umwelt­freundliches Verkehrsmittel wie die Bahn – die Österreichischen Bundesbahnen und auch die Privatbahnen – aus vielen guten Gründen brauchen.

Es ist der zweite Bericht über die Leistungen, die an die Eisenbahnunternehmungen bezahlt werden, den ich heute hier diskutieren darf, und ich glaube, man muss, ähnlich wie beim ersten Bericht, sagen, dass wir uns in vielen anderen Bereichen in den diver­sen Berichten so viel Transparenz, wie dies beim vorliegenden Bericht der Fall ist, nur wünschen könnten.

Der Bericht orientiert sich klar an den gesetzlichen Vorgaben, die beschlossen worden sind, und ich möchte mich bei jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Haus bedanken, die das Ganze mit einer wirklich hohen Präzision und in dieser Detailliertheit für die im Nationalrat und im Bundesrat verantwortlichen Politikerinnen und Politiker zu­sammengefasst haben.

Ich glaube, es ist diese Transparenz auch deshalb so wichtig, weil man damit das Be­kenntnis zur Notwendigkeit dieser finanziellen Zuschüsse an ein öffentliches Verkehrs­mittel stärkt. Die österreichischen Eisenbahnen sind nichts anderes als ein österrei­chisches öffentliches Verkehrsmittel – ob das im ländlichen Raum oder in Ballungszen­tren ist. Und wir wissen natürlich – viele von Ihnen sind ja gleichzeitig Gemeindepoliti­ker/innen –, dass der öffentliche Verkehr subventioniert werden muss, da er einen ho­hen ökologischen, volkswirtschaftlichen und umweltpolitischen Nutzen hat. Daher sagt die Politik zu Recht, sie will das aufrechterhalten, und daher müssen, wie auch im Be­richt dargestellt, die gemeinwirtschaftlichen Leistungen gestützt werden.

Ein Beispiel aus diesem Bericht: Wir sagen, wir stützen Tarife, sozusagen das, was die Fahrkarte eines Pendlers, einer Pendlerin kostet. Das hat also auch eine bedeutende soziale Funktion. Es kann ja nicht sein, dass sich nur eine gewisse Gruppe von Men­schen das Fahren mit der Eisenbahn leisten kann. Und damit das nicht der Fall ist, müssen wir diese Tarife stützen.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 45

Nur rund ein Viertel der Kosten eines Tickets sind für die Deckung der tatsächlich an­fallenden Kosten, drei Viertel der Tarifkosten müssen gestützt werden und werden aus diesen gemeinwirtschaftlichen Leistungen gefördert.

Ich halte es für richtig, dass wir es Familien mit Kindern ermöglichen, günstigere Zug­tickets zu bekommen, dass wir diese Vorteilskarten, diese Familienkarten haben. Ich finde es auch richtig, dass wir für ältere Menschen diese Vorteilskarten haben, damit diese zu einer günstigen Zugkarte kommen, die sie sich auch leisten können, und Glei­ches gilt für Menschen mit Behinderungen.

Das sind die Gruppen, für welche es Vorteilskarten gibt – Familienkarten, Seniorenkar­ten, Karten für Menschen mit Behinderungen –, die wir eben auch durch die gemein­wirtschaftlichen Leistungen finanzieren.

Wir stellen auch ein breites Netz zur Verfügung. 60 Millionen Kilometer Bahn werden für die Bevölkerung, für die Wirtschaft in Österreich zur Verfügung gestellt. Und ich möch­te vielleicht noch einmal auf den Mehrfachnutzen des Verkehrsmittels Eisenbahn und Schiene, und da unterscheide ich nicht zwischen Österreichischen Bundesbahnen und Privatbahnen, hinweisen.

Das eine ist der wirtschaftliche Faktor. Der Wirtschaftsstandort Österreich wäre in einem katastrophalen Zustand, hätten wir nicht die Eisenbahn, die leistungsfähige Mobilität nicht nur in den Ballungszentren unseres Landes, sondern auch in den Tälern und Dör­fern sicherstellt. Das heißt, es ist ein ganz entscheidender Wirtschaftsfaktor im interna­tionalen Wettbewerb, was Standortfragen eines Landes betrifft. Welche Mobilität stel­len Sie der Wirtschaft und den Menschen, die da leben, zur Verfügung?

Das Zweite ist natürlich der regionale Nutzen, dass nicht nur in Ballungszentren eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, sondern dass uns in Öster­reich auch eine Struktur für den ländlichen Raum wichtig ist und dass wir auch diesen stärken wollen – aus vielerlei Gründen, so auch deshalb, weil unser Land einen ganz beträchtlichen Anteil auch am Fremdenverkehr hat, und da spielt die entsprechende In­frastruktur natürlich eine wesentliche Rolle.

Drittens – ich habe es bereits ausgeführt – ist es für uns auch eine soziale Aufgabe, ein Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, das sich die Menschen auch leisten können, und daher diese Tarifstützungen.

Viertens ist es überhaupt ein Gebot der Stunde. Alle reden von Klimaschutz und vom drohenden Klimawandel, von Elektromobilität. Die Elektromobilität beim Auto wurde in der Forschung noch nicht ganz umgesetzt, aber es gibt sie auf der Schiene. Das heißt, die größte elektromobile Flotte in diesem Land ist die Eisenbahn, wo Elektromobilität auch schon funktioniert.

Wir alle kennen ja die Berechnungen, was es für unsere Klimaziele, die Kyoto-Ziele, bedeuten würde und welchen CO2-Ausstoß wir in Österreich hätten, wenn es die Bahn nicht gäbe. Das heißt, neben dem Aspekt, dass die Bahn natürlich wirtschaftlicher ar­beiten und Einsparungspotentiale überprüfen muss, hat sie einen wichtigen und not­wendigen volkswirtschaftlichen Nutzen mit vielen Aspekten darüber hinaus. Ich finde es gut, dass das, unabhängig von der politischen Zugehörigkeit, grundsätzlich nicht in Frage gestellt worden ist. Das habe ich auch aus dieser Diskussion so mitgenommen.

Im Zusammenhang mit der Umweltpolitik kommt diesem wichtigen Unternehmen natür­lich nicht nur im Personenverkehr – 1,2 Millionen Menschen werden täglich befördert! –, sondern auch im Güterverkehr eine große Bedeutung zu. Deshalb fördern wir die Rol­lende Landstraße, bei der die Lkw auf den Zug hinaufgestellt werden, damit sie nicht auf der Straße sind, damit wir die Lkw-Lawinen nicht auf der Straße haben, sondern sie auf die Schiene verlagern. Und dafür gibt es Förderungen, weil uns das wichtig ist: für die Umwelt, aber auch für die Verkehrssicherheit.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 46

Wir fördern dort, wo es um gefährliche Güter geht, um diese verstärkt auf die Schiene zu bekommen. Es werden sich viele an ganz furchtbare Tunnelunglücke erinnern kön­nen, wie jenes im Tauerntunnel mit mehreren Toten. Wenn ein gefährliches Gut trans­portiert wird, das explosiv ist, hat das, wenn der Transporter in einem Tunnel in einen Unfall verwickelt ist, der zu einer Explosion führt, katastrophale Auswirkungen.

Daher ist es, wie ich meine, richtig, dass wir die Rollende Landstraße und den Trans­port gefährlicher Güter auf der Schiene unterstützen und fördern, und zwar mit rund 110 Millionen € jedes Jahr, um dadurch auch für mehr Verkehrssicherheit und für mehr Umweltschutz zu sorgen. Auch das geht aus diesem Bericht glasklar hervor. Das ist Transparenz. Das bedeutet das Gegenteil von „Fass ohne Boden“, das bedeutet, dass unser „Fass“ einen Boden hat, und es ist transparent und klar, wofür die Mittel aufge­wendet werden. Meiner Auffassung nach sind das gut und richtig investierte Mittel.

Ich bedanke mich auch bei all jenen, die gesagt haben, wir müssen noch mehr tun. In Bezug auf die Regionalbahnen möchte ich an dieser die Mühlkreisbahn als ein Beispiel nennen: Da sind wir in guten Verhandlungen mit den Ländern; mit Niederösterreich sind die Gespräche bereits abgeschlossen, mit Oberösterreich sind wir im Gespräch: Wer trägt welche Verantwortungen im öffentlichen Verkehr?

Viele sagen zu Recht, man hätte eigentlich schon viel früher beginnen müssen, die In­frastruktur sozusagen dem 21. Jahrhundert anzupassen und in diesem Bereich auszu­bauen. Es gibt dieses Bekenntnis, und ich lade Sie ein, mich neben dem Bekenntnis zu mehr Dienstleistung auf der Schiene, dem Bekenntnis, eine bessere, moderne Infra­struktur zu haben, auch dabei zu unterstützen, klarzumachen, dass das eben auch be­deutet, Geld in die Hand nehmen zu müssen und dieses Geld investieren zu müssen.

Da jetzt von Green Jobs, vom Klimawandel, von Umweltschutzmaßnahmen gespro­chen wird, kann ich nur noch einmal sagen: Klimaschutz und Maßnahmen gegen den Klimawandel kann es nicht geben, wenn wir diese Investitionen in diesem Bereich nicht tätigen. Das sind die wahren Green Jobs! Die stehen vor der Tür, da brauchen wir gar nicht viel Neues zu erfinden.

Frau Bundesrätin Kerschbaum, Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie zusätzliche Unterlagen haben wollten, diese aber noch nicht haben. Die Ausschusssitzung war vor zwei Tagen. Wir haben in unserem Haus – und ich habe die Betreffenden in den letz­ten 17 Monaten kennengelernt – wirklich ein fleißiges und engagiertes Team an Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern, Beamtinnen und Beamten, aber so etwas in zwei Tagen nachzuliefern ist eben nicht möglich. Ich kann Ihnen aber versichern, Sie werden in Bälde alle Unterlagen bekommen, weil ich für Transparenz bin, und ich lade Sie ein, mit mir gemeinsam diesen Kampf für eine moderne und leistungsfähige Bahn auch in Zukunft zu führen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

11.18.24

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.18.515. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 47

Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr erlassen wird und mit dem das Ei­senbahngesetz 1957 und das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz geändert werden (576 d.B. und 642 d.B. sowie 8288/BR d.B. und 8293/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. Ich bitte um den Bericht.

 


11.19.21

Berichterstatter Ewald Lindinger: Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Ver­ordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisen­bahnverkehr erlassen wird und mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Schienen­infrastrukturfinanzierungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


11.20.12

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Da einige Kollege schon in der Debatte zum Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht zu diesem Thema Stellung genommen haben, darf ich mich ganz kurz fassen.

Durch diese Novelle werden die Rechte der Eisenbahnkunden gestärkt, es werden spezielle Entschädigungsregelungen für Verspätungen eingeführt, und es wird künftig mehr Informationen und mehr Service für die Bahnkunden geben.

Zur Entschädigung im Verspätungsfall im Fernverkehr: Ab 60 Minuten Verspätung er­hält der Fahrgast eine Entschädigung von 25 Prozent des Fahrkartenpreises. Ab 120 Mi­nuten Verspätung sind es 50 Prozent des Fahrkartenpreises. Hiezu gibt es auf der Web­site des ÖBB-Personenverkehrs ein Ansuchen-Formular, das man herunterladen kann und mittels dessen man elektronisch, per Fax oder auch per Brief die Entschädigung beantragen kann.

Bei Beträgen bis 4 € werden die Anträge nicht berücksichtigt. Genauso fallen Verspä­tungen durch Naturkatastrophen, die nicht vorhersehbar sind, nicht unter diese Rege­lung.

Zur Informations- und Hilfeleistungspflicht: Die Bahnunternehmen sind verpflichtet, den Fahrgästen bei Verspätungen von mehr als einer Stunde Erfrischungen und Mahlzeiten anzubieten, sofern diese im Zug oder am Bahnhof erhältlich oder lieferbar sind. Wei­ters gibt es die Verpflichtung, den Fahrgästen die Unterbringung in einem Hotel oder einer anderweitigen Unterkunft kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn infolge von Verspätungen von mehr als 60 Minuten eine Übernachtung notwendig wird. Besteht keine Möglichkeit zur Fortsetzung eines Verkehrsdienstes mehr, so muss das Eisen­bahnunternehmen einen alternativen Beförderungsdienst für die Fahrgäste organisie­ren.

Darüber hinaus geht Österreich einen Schritt weiter. Im Nahverkehr gewährt man Bahn­fahrern, die im Besitz einer Jahreskarte sind – etwa 85 Prozent –, bei Unterschreitung des Pünktlichkeitsgrades, den man vorher für eine Strecke festlegt, eine zehnprozen­tige Entschädigung. – Dies gilt deshalb für Inhaber von Jahreskarten, weil Jahreskarten personifiziert sind, alle anderen Karten hingegen nicht. Natürlich kann das nur ein ers­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 48

ter Schritt sein. In Zukunft müssen wir auch darauf achten, dass Halbjahres-, Monats- oder Monatsstreckenkarten personifiziert werden, damit das dann auch entsprechend vergütet werden kann. Selbst wenn wir heute den Besitzern solcher Karten etwas ver­güten wollten, könnten wir das nicht, da wir nicht wissen, wohin wir die Refundierung überweisen sollen, wenn wir keine Daten haben.

Breite Zusammenarbeit gibt es bei der Qualität im Nahverkehr beziehungsweise bei deren Verbesserung. Parallel zur Neuregelung der Fahrgastrechte wird eine Arbeits­gruppe eingerichtet, die die Qualität des Nahverkehrs insgesamt verbessern soll. Ich denke, dass auch das ein wesentlicher Schritt für die Zukunft ist.

Im Eisenbahngesetz werden einige Änderungen durchgeführt, was Sicherheit im Allge­meinen betrifft. Da geht man auf die Ausbildung im Triebfahrzeugfahrdienst ein – und leider nur auf die Ausbildung im Triebfahrzeugfahrdienst. Ich glaube, es wäre ganz wichtig, auch andere Bereiche einzubinden. Österreich möchte als Vorreiter auch Fahr­dienstleiter und Zugpersonal in Anbindung an die Triebfahrzeugführer-Ausbildung ent­sprechend berücksichtigen und ausbilden.

Durch die Liberalisierung im Eisenbahngesetz ergibt sich Folgendes bezüglich § 48: In der bestehenden Bestimmung über die bauliche Umgestaltung von Verkehrswegen soll auch verankert werden, wie die Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge auf Antrag oder von Amts wegen angeordnet werden kann oder welche Ersatzmaßnahmen hiefür vorgesehen sind.

Ein weiterer Punkt ist in § 50 des Eisenbahngesetzes enthalten. Um die Einhaltung von Rotlichtzeichen kontrollieren zu können, wird angestrebt, eine Videoüberwachung durch­zuführen. Das heißt, sobald das Rotlicht am Bahnübergang aktiviert ist, wird eine Video­kamera eingeschaltet beziehungsweise wird auch die Einhaltung der Geschwindigkeits­begrenzungen kontrolliert.

Ich glaube, nur so kann man die Eisenbahnkreuzungen wieder sicher machen. Wir se­hen in der Praxis immer wieder, dass viele Autofahrer, wenn das Rotlicht unmittelbar vor Annäherung eines Fahrzeuges eingeschaltet wird, versuchen, die Eisenbahnkreu­zung noch zu überqueren – auch das kann zu tödlichen Unfällen führen.

Da man weiß, wie die Gelder, die hier lukriert werden, verteilt werden, gibt es eine brei­tere Zustimmung, das heißt, die Behörde wird aus den Einnahmen 50 Prozent erhal­ten, der Straßenerhalter 30 Prozent und der Sozialfonds 20 Prozent – eine sehr sinn­volle Maßnahme.

Wir werden diesem Gesetzesbeschluss natürlich unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


11.26.58

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das wir heute be­schließen, ist okay. Dass im Nahverkehr die 40 000 Kartenbesitzer eine Entschädigung bekommen sollen, ist jetzt vielleicht nur ein erster Schritt, aber das lässt sich aus­bauen – vor allem auch dann, wenn die ÖBB mehr Sicherheit im Schienenverkehr an­bieten können; dann werden wir wahrscheinlich auch da mehr anbieten können, weil sie weniger zahlen müssen. (Bundesrat Stadler: Was hat ... mit Sicherheit zu tun?)

Die Regelung im Fernverkehr ist aber sicher nur ein erster Schritt, den ich für sehr po­sitiv halte. Fluglinien und andere Unternehmen haben solche Lösungen ja ohnehin schon.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 49

Was mich heute ein bisschen mehr plagt, ist Folgendes: Im Mai wird im Tiroler Landtag von der Volkspartei und den Sozialdemokraten ein Antrag eingebracht, der ein Gesamt­konzept für den ÖBB-Fernverkehr und Planungssicherheit für das Land Tirol fordert. Das kann man sicher auf das ganze Bundesgebiet ausbauen.

Der Hintergrund ist folgender: Die ÖBB haben 2008 mit der schrittweisen Umsetzung des „PLAN912“ begonnen. In Tirol erfolgte die erste Etappe mit dem Fahrplan 2010. Die wesentlichen Säulen des „PLAN912“ sind die Einführung des Premium-Produktes Railjet, das die Landeshauptstädte im Zweistundentakt miteinander verbinden soll, überlagert mit einem verbesserten IC/EC-Fernverkehrsangebot im Zweistundentakt. Es sollen einmal die Landeshauptstädte, die Bezirksstädte und die Umsteigebahnhöfe, die touristisch von Bedeutung sind, bedient werden.

Die Umstellung hat im Land Tirol 2010 einiges an Geld gekostet, denn man war ja ge­zwungen, Ersatzbestellungen zu machen, was zu Mehrkosten für das Land Tirol ge­führt hat. Die Eisenbahn ist sicher ein Wirtschaftsfaktor – das hat ja die Frau Bundes­minister heute schon gesagt –, der auch für das Land Tirol von zentraler Bedeutung ist.

Die Eisenbahn ist natürlich ein sehr komplexes System, aber trotzdem soll es möglich sein, dass Abstimmungen zwischen Fernverkehr und Nahverkehr auch für die Bundes­länder verbessert werden.

Im Zuge der Verhandlungen zum Verkehrsdienstvertrag konnten zwar seitens des Lan­des Tirol mit den ÖBB noch einige Angebotsverbesserungen erzielt werden, jedoch führen die ständigen kurzfristig vorgenommenen Änderungen beim ÖBB-Fernverkehrs­angebot zu Problemen bei der Verschränkung mit dem Nahverkehr auf der Schiene und der Straße.

Es soll daher für eine effiziente Planung des Angebots im Schienenverkehr von den ÖBB eine verbindliche Vorschau über den Fernverkehrsfahrplan an die in den Ländern verantwortlichen Organisationen mindestens 18 Monate im Voraus übermittelt werden. Ich denke, diese Forderung ist nicht unverschämt und nicht unerfüllbar. Es wäre für die Länder und für die Fahrgäste sicher ein positives Zeichen, wenn da für mehr Sicherheit gesorgt würde.

Im Land Tirol gibt es allerdings ein noch viel größeres Problem, nämlich den Brenner-Basistunnel. Es wäre ja fast schon zum Lachen, wenn es nicht so tragisch wäre. Es ist fürchterlich!

Frau Bundesminister Bures hat im Nationalrat am 24. März ein paar wunderbare Sätze gesagt – ich darf Sie zitieren –:

„Es geht darum, dass wir die Verlässlichkeit und die Pünktlichkeit für die Fahrgäste ver­bessern. Es geht darum, dass wir weniger Lkws auf Österreichs Straßen haben wollen und daher den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern wollen. Es geht darum, dass wir eine leistungsfähige, schnelle, moderne Bahn haben wollen. Das müs­sen wir heute in die Bahn investieren, damit das, was wir heute nicht haben, aber mor­gen brauchen, auch wirklich da ist.“ – Zitatende.

Frau Bundesminister, das ist wirklich toll. Nachdem ich Frauen kenne und Frauen kei­ne leeren Satzhülsen sprechen (Bundesrat Mag. Klug: Ui!), sondern das, was sie sa­gen, auch wirklich meinen und dann auch umsetzen, setze ich voll auf Sie. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Michalke.)

Auch mit meinen Parteikollegen kann ich in der heutigen Situation bezüglich Brenner-Basistunnel leider nicht zufrieden sein, denn wenn man die „Tiroler Tageszeitung“ auf­schlägt, kriegt man es von Wien heißkalt, aber schon in der Perfektion; und dabei müs­sen wir in Tirol gar nicht kneippen, wir sind ein gesundes Volk.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 50

„Tiroler Tageszeitung“ vom 31. März: Der Bund blockiert Basistunnel. Erbärmlicher Zickzackkurs der Regierung. Platter: Rückzug des Bundes wäre Schlag ins Gesicht. Bures nimmt VP in die Pflicht. Basistunnel wird erneut zum Streitfall mit dem Bund.

Frau Bundesminister, Sie haben in einem Interview in der „Tiroler Tageszeitung“ ge­sagt, dass Sie nicht ganz gegen den Brenner-Basistunnel sind, und ich darf Sie jetzt zitieren:

„Verkehrspolitisch habe ich den Brennertunnel nie in Zweifel gezogen. Denn für mich ist die Verlagerung des Gütertransits auf die Schiene ein wichtiges verkehrspolitisches Ziel. Nur die finanzielle Bedeckung für den Basistunnel muss sichergestellt sein. Da­rauf haben auch die Organe der ÖBB ein Anrecht. Schließlich werden für die Finanzie­rung Kredite aufgenommen, die auch in Zukunft bedient werden müssen.“ – Zitatende.

Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Frau Bundesminister.

Sie sagen dann auch weiter: „Mir geht es darum, die Finanzierung zu garantieren. Da­rüber wird jetzt verhandelt. Im Gegensatz zum Koalitionspartner fahre ich sicher keinen Zick-Zack-Kurs.“ – Zitatende.

Frau Bundesminister, ich hoffe, Sie bleiben uns in der Umsetzung des Basistunnels wohlgesinnt, und wir bekommen auch meine Seite der Regierung, die ÖVP, auf Linie, denn ich meine, für Tirol ist das ein wichtiges Projekt. Es ist kein Prestigeprojekt, von dem man sagen kann, es war toll und was man nicht alles gemacht hat, sondern die Bevölkerung braucht es. Es geht um die Gesundheit der Bevölkerung, und wer Tirol kennt, weiß, wie eng unsere Täler sind. Das Inntal ist breit, aber ein halbwegs guter Läufer kommt innerhalb einer Stunde von einer Seite auf die andere Seite, und da braucht er nicht 3,5 Minuten pro Kilometer zu laufen, das geht sich auch mit 6 Minuten pro Kilometer aus.

Das Wipptal ist wesentlich enger. Da gibt es nur die Sill, die Bahn, ein Haus, die Auto­bahn. Wenn wir nicht den Basistunnel bekommen, wandern die Menschen ab. Was ist ein Tal, dass zwar touristisch sehr toll ist, interessant ist, wenn die Leute aber nicht mehr dort wohnen können, wenn sie sich dort nicht mehr wohlfühlen können? – Da, glaube ich, müssen wir schon alle zusammenhelfen. Da setze ich auf eine Frau, denn Frauen fahren keinen Zickzackkurs, Frauen stehen zu ihrem Wort. Und darum bitte ich. – Danke. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und Grünen, bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Michalke.)

11.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Kollegin. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt bin ich gespannt, ob das noch getoppt wird!)

 


11.34.51

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und Zuseherinnen und Zuseher! Diesem Gesetz werden wir zustimmen (Oh-Rufe bei der ÖVP), wenn auch mit ein bisschen Bauchweh. (Ah-Rufe bei der SPÖ.  Bundesrat Stadler: Das vergeht wieder!) Wir sehen die österreichische Umsetzung der Fahrgast­verordnung als ersten Schritt, und ich hoffe, es wird sich ein bisschen mehr tun. Kol­lege Zangerl hat schon gesagt, dass die Verrechnung nur auf Jahreskartenebene und nicht auf Monatskartenebene möglich ist, ist nicht wirklich verständlich. Wenn sowieso jeder Monat ausgerechnet wird, dann verstehe ich nicht, warum man das nicht auch für Monatskarten anwenden kann. (Bundesrat Boden: Weil wir keine Daten haben!) – Da­ten kann man besorgen, und es wäre auch nicht nur im Interesse des Kundenservice, sondern man könnte mit den Daten auch die Produkte besser ankündigen. (Bundesrat Stadler: Wir müssen sparen!)


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 51

Wenn die Daten kommen – die Daten waren ohnehin vorhin schon ein Thema –, dann kann man vielleicht bei der Fahrgastverordnung diese paar Änderungen, die uns am Herzen liegen, durchführen.

Wir haben auch im Ausschuss darüber gesprochen. Es gibt eine EU-Regelung, es gibt eine gesetzliche Regelung, welche die EU-Richtlinie erfüllt. Es gibt andere Länder, die das noch ein bisschen umfassender machen. Bei uns wird man eben darauf verwie­sen, dass die ÖBB freiwillig noch bessere Angebote machen können. Freiwillige Verpflich­tungen der ÖBB kann man sich wünschen, man wird sie aber nicht kriegen, denn wa­rum sollten sie solche eingehen? – Sie haben nicht wirklich die Notwendigkeit dazu, denn es gibt keine Konkurrenz. Wenn ich sage, ich hätte es gerne vergütet, wenn ich 20 Minuten im Jahr Verspätung habe, dann kann ich mir das zwar wünschen, aber die ÖBB wird das wahrscheinlich nicht sehr viel kratzen. (Bundesrat Boden: Weil wir sonst nichts machen brauchen! Die EU-Verordnung erfüllen wir schon lange! Keine Ahnung!)

Ich meine, die EU-Verordnung gibt es schon lange, die hätten wir auch früher umset­zen können; nicht, dass ich das zu sagen vergesse. (Bundesrat Boden: Die erfüllen wir schon lange, da brauchen wir keine Gesetzesänderung!)

Zur Fahrgastverordnung: Zugverspätungen sind prinzipiell ärgerlich. Das kennen wir al­le. Teuer ist es, wenn man den Anschluss versäumt. Das wird wahrscheinlich auch in dieser Regelung nicht wirklich berücksichtigt werden. Das kann man auch nicht so leicht ausgleichen.

Aber das, was explosiv ist und die PendlerInnen in letzter Zeit verstärkt verärgert – so­weit ich es mitbekomme –, ist die Informationspolitik der ÖBB. Wenn ich am Bahnsteig stehe und der Zug nicht kommt, höre ich, wenn es ein besetzter Bahnhof ist und ich Glück habe, eine Lautsprecherdurchsage. Wenn es kein besetzter Bahnhof ist, dann stehe ich dort, schaue in die Luft und warte, ob ein Zug kommt oder nicht, und ich kann mich abfrieren oder schwitzen, je nach dem, wie das Wetter draußen ist, weil es in vie­len Bahnhöfen keine Unterstellmöglichkeiten gibt.

Das sind die Dinge, die die Leute dann wirklich verärgern. Natürlich sind Zugverspätun­gen an sich schon schlimm, aber in Kombination damit, dass man nicht erfährt, wann der Zug fährt, ist es noch viel schlimmer. Es sind oft Kleinigkeiten, etwa wenn man im Bahnhof Wien-Mitte einen Fahrplan sucht, dann sucht man ihn lange, denn es gibt vie­le Werbeplakate der ÖBB und von anderen, aber keinen Fahrplan. Wenn ich wissen möchte, wann mein nächster Zug fährt, dann muss ich hinauflaufen und auf der Straße irgendwo die Zuganzeige suchen.

Das sind Kleinigkeiten, die einen wirklich verärgern. Ich denke, da sollte man mögli­cherweise dem Bahnhofspersonal Kompetenzen zugestehen, damit es selbst ein biss­chen gestalten kann und Möglichkeiten hat, Verbesserungen einzuleiten.

Interessant wird, wie die Abwicklung der Fahrgastverordnung erfolgen wird – ich bin si­cher, dass wir im nächsten Bericht dazu Zahlen bekommen werden. Dann werden wir sehen, wie viele Leute sich melden, wie viele Leute überhaupt wissen, wohin sie müs­sen. Es gibt viele Service-Angebote der Bahn, von denen die Leute gar nichts wissen, weil auf großen Plakaten tolle Dinge stehen, aber oft nicht die wichtigen Informationen.

Aufgrund der Fahrgastverordnung stimmen wir dieser Gesetzesvorlage zu. Mit dem Eisenbahngesetz haben wir ein bisschen ein Problem, aber es ist auch dabei. Das be­reitet uns Bauchweh. Eigentlich hätte ich mir gedacht, dass Frau Kollegin Junker das Problem mit den Eisenbahnkreuzungen auch ansprechen wird.

Gut an der neuen Regelung finde ich die Möglichkeit der Überwachung; dass ich sage, ich schaue, ob auf einer Kreuzung die Menschen wirklich stehen bleiben und sich an die Vorschriften halten. Ich mache gerade den Führerschein L17 mit meinem Junior


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 52

und weiß, in der Fahrschule lernst du genau, wie du vorzugehen hast, dass du nicht darauf stehen bleiben darfst, dass du langsam hinfahren musst und so weiter und so fort. Dass es in der Realität ganz anders aussieht und dass die meisten Leute das lei­der vergessen, wenn sie einmal den Führerschein haben, ist eine andere Geschichte. Deshalb ist es unserer Meinung nach ganz wichtig, dass man auch diese Kontrolle ver­bessert. Das ist jetzt im Gesetz verankert, das ist positiv.

Weniger positiv ist, dass die neue Regelung bei den Eisenbahnkreuzungen jetzt mehr oder weniger das Zusperren von Kreuzungen zulässt oder sogar noch fördert. Es ist für den Autofahrer zum Teil nicht so problematisch, wenn er einen Umweg machen muss, um die Eisenbahn zu kreuzen, für einen Radfahrer oder einen Fußgänger ist das aller­dings sehr problematisch. Daher meine ich, dass man diese Regelung schon noch ein­mal überdenken sollte.

Der ursprüngliche Entwurf hätte für die Gemeinden eine massive Belastung dargestellt. In Korneuburg zum Beispiel wären davon zwei Kreuzungen betroffen, und dort könnte man dafür nicht das nötige Geld aufbringen, denn das geht sich im Budget ganz ein­fach nicht aus. (Zwischenruf des Bundesrates Kainz.) Der neue Bürgermeister wird es auch nicht bezahlen können. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kainz.) Nein!

Es ist im Übrigen eine unrealistische Zahl. Man denkt: Das ist ja nur ein Schranken, was kann denn der schon kosten? Aber wenn dann die Gemeinde 70 000 € dazuzah­len soll, dann weiß man nicht, woher man dieses Geld nehmen soll.

Dass diese Regelung jetzt verbessert worden ist, ist okay. Aber die neue Regelung ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Ich denke, man muss viel stärker darauf setzen, dass die Leute zu einer Eisenbahnkreuzung hinfahren, wie sie es in der Fahrschule gelernt haben, und sich an die Verkehrsregeln halten.

Jetzt noch ganz kurz zum vorigen Tagesordnungspunkt; Bundesrat Zangerl hat vorhin auch im Nachhinein zu einem Punkt gesprochen. Ich danke für die Liste, die ich bereits bekommen habe. Ich finde es recht spannend, wenn da zum Beispiel drinsteht, dass der Qualitätsbonus auch davon abhängt, dass es Mehrzweckabteile für Rollstuhl-, Kin­derwagen-, Fahrrad- und Wintersportgerätemitnahme gibt, wohingegen man jetzt im Railjet die Räder nicht mehr mitnehmen kann, soviel ich weiß. Es wird also dann der Qualitätsbonus darunter leiden. Ich hätte gerne all diese Dinge schon im Bericht ge­habt, denn dann hätten wir bereits im Ausschuss darüber diskutieren können.

Ich verstehe schon, dass es nicht so leicht möglich war, diese Dinge pünktlich nachzu­liefern, aber genau das ist die Kritik am Bericht gewesen, nämlich dass einfach viele Dinge nicht drinstehen, über die man im Ausschuss in Ruhe hätte reden können, wo­durch viele Sachen vielleicht geklärt worden wären, in Bezug auf welche manche Leute skeptisch sind und fragen: Wozu bezahlen wir das überhaupt? Ich hoffe, dass der nächste Bericht das schon automatisch enthält. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Bu­res. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


11.42.14

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie beschließen heute eine EU-Verordnung, die noch nicht sehr lange in diesem Hause liegt, sondern die es erst seit Anfang Dezember 2009 gibt. Sie ist als EU-Richtlinie bereist eins zu eins in Anwen­dung. Hätten wir uns nicht dazu entschlossen und hätte ich nicht gesagt: Ich will die Fahrgastrechte über die EU-Richtlinie hinaus stärken, ich möchte, dass in Österreich auch die Pendlerinnen und Pendler Fahrgastrechte bekommen!, dann hätten wir heute


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 53

diesen Punkt gar nicht auf der Tagesordnung, dann wäre diese Beschlussfassung gar nicht erforderlich gewesen. Die EU-Richtlinie ist seit Dezember an sich in Anwendung, mit Ausnahme jener Bereiche, die wir aus Konsumentenschutzgründen zusätzlich vor­geschlagen haben, weil wir eine zusätzliche Stärkung der Fahrgastrechte vornehmen wollen.

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass es, auch wenn das in Zweifel gezogen wird, Unternehmen gibt, die sagen: Wir haben eine Gesamtverantwortung!, und die daher Dinge auch freiwillig tun. (Beifall der Bundesräte Boden und Konecny.) So bilden zum Beispiel die Österreichischen Bundesbahnen 1 870 Lehrlinge aus, und das in zukunfts­orientierten Berufen, in vielen Bereichen für die Wirtschaft und nicht direkt für das Un­ternehmen – und das freiwillig, weil sie wissen, dass sie als eines der größten Unter­nehmen Österreichs auch soziale Verantwortung haben.

Die Österreichischen Bundesbahnen werden diese Regelungen, die Sie heute hier be­schließen werden, noch im April rückwirkend mit Jänner zur Umsetzung bringen. Das müssten sie nicht, aber es geht ihnen darum, dann, wenn sie im Nahverkehr unpünkt­lich sind, dafür zu sorgen, dass diese Regelungen, auch wenn sie erst jetzt im April be­schlossen werden, rückwirkend mit Jänner den Konsumentinnen und Konsumenten zu­gute kommen.

Sie haben natürlich recht, wenn Sie sich die Frage stellen: Welche bürokratischen Hür­den wird es dann wieder geben? Manchmal ist es so, dass Instrumente geschaffen werden, dass aber dann der Einzelne oder die Einzelne keinen Zugang dazu hat. Aber genau das wird in diesem Fall nicht passieren, denn die Pünktlichkeit der ÖBB oder der Privatbahnen – das gilt ja für beide Bereiche – wird über den Regulator festgehalten. Jene Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer, die Jahreskarten haben, werden, weil diese personalisiert sind, automatisch entweder das Geld refundiert bekommen, wenn die Pünktlichkeit nicht gegeben war, oder es wird ihnen das Geld für die nächste Jahres­karte in Abzug gebracht. Das heißt, das ist eine wirklich konsumentenfreundliche Re­gelung ohne viel bürokratischen Aufwand, und diese wird über die EU-Richtlinie hinaus vom Unternehmen ÖBB im Unterschied zu Privatbahnen rückwirkend mit Jänner zur Umsetzung gebracht. Das ist eine Möglichkeit, dass wir die Fahrgastrechte über die EU-Vorgaben hinaus in Österreich stärken, und mir ist das ein besonderes Anliegen.

Der zweite Bereich, den ich hier ansprechen möchte, ist die Frage von einheitlichen Qualifizierungs- und Ausbildungskriterien für Lokführer. Das ist aus Verkehrssicher­heitsgründen etwas ganz Wesentliches. Wir haben in Österreich eine hohe Qualität der Ausbildung unserer Lokführer und unserer zwei Lokführerinnen, die wir glücklicherwei­se schon haben – aber es müssen noch mehr werden –, und wir wollen dieses hohe Ausbildungsniveau für alle anderen in Europa auch sicherstellen, weil sie auch auf un­seren Gleisen unterwegs sind und weil es da um die Sicherheit geht, und das werden wir damit erreichen.

Der dritte Punkt im Bereich der Verkehrssicherheit ist die Frage der Eisenbahnkreuzun­gen. Eisenbahnkreuzungen sind Gefahrenträger. Wir haben im Jahr rund 170 Unfälle auf Eisenbahnkreuzungen. Im letzten Jahr sind 14 Menschen auf Eisenbahnkreuzun­gen gestorben, 37 Menschen wurden schwer verletzt, und das zeigt, dass wir in die­sem Bereich alles unternehmen müssen, um menschliches Leid zu verhindern, daher müssen wir unsere Eisenbahnkreuzungen sichern.

Es ist dabei nur von jenen Eisenbahnkreuzungen die Rede, wo Straßenverkehr, Pkw-Verkehr stattfindet. Spazierwege zu unterbinden, das steht keinesfalls zur Diskussion und das wird es auch in Zukunft nicht geben, sondern es geht hier um Kreuzungsberei­che der Schiene, und da ist auch klar definiert, bei welchem Verkehrsaufkommen be­sondere Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind – diese sind natürlich vor allem dort notwendig, wo wir tatsächlich Gefahrenbereiche haben.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 54

Ich glaube, es sind dies drei positive Punkte, bei denen man meiner Meinung nach wirk­lich kein Bauchweh haben muss. Sie sind wirklich ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr kann man sich immer wünschen, und ich bin auch der Auffassung, dass es in Zu­kunft, was Fahrgastrechte betrifft, weitere Schritte geben wird. Ich bin auf europäischer Ebene gerade dabei, das auch für den Busverkehr umzusetzen. Das soll es nicht nur für die Bereiche Flugzeug und Schiene geben, sondern ich möchte, dass es Fahrgast­rechte auch für den Autobusverkehr gibt. Es ist wichtig, dass das weiter diskutiert wird.

Noch ganz kurz zur Frage der Infrastrukturinvestitionen. Es ist ohne Zweifel so, dass meinen Zitaten nichts hinzuzufügen ist, um das ganz offen zu sagen, weil es – ich bin überzeugt davon – notwendig ist, dass wir die Schieneninfrastruktur in Österreich end­lich auf das Niveau des 21. Jahrhunderts bringen. Aber Frauen wissen natürlich auch, dass es immer einen finanziellen Rahmen gibt, mit dem sie das Auslangen finden müs­sen. Da haben wir Frauen die Fähigkeit, dass wir den Euro dreimal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben. (Heiterkeit und Zwischenrufe.) – In der Regel sind wir Frauen spar­samer, als es die Männer oft sind.

Ich kann Ihnen versichern: Mein Kampf gilt der Modernisierung, dem Ausbau der zent­ralen Schienennetze, ob das die Westbahn ist, die die meist befahrene Strecke in ganz Österreich ist, ob es der Südkorridor ist oder ob es der Korridor über die Alpen ist. Ich halte das verkehrspolitisch für richtig. Wir müssen uns allerdings dabei nach der Decke strecken, und daher werden alle Projekte evaluiert. Und wir müssen natürlich auch die Finanzierung sicherstellen.

Ich bin der Auffassung, bei gemeinsamer Kraftanstrengung – wenn alle an einem Strang ziehen und wenn wir nicht beginnen, uns gegenseitig den Ball zuzuwerfen – und gutem Willen werden wir das auch zustande bringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

11.48


11.48.20

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.49.316. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderung des Euro­päischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) (366 d.B. und 631 d.B. sowie 8294/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (VAIG 1994) ge­ändert wird (495 d.B. und 632 d.B. sowie 8295/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

 


Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Preiner. Ich bitte um die beiden Berichte.

11.50.01


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 55

Berichterstatter Erwin Preiner: Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Techno­logie über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderung des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenver­kehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) liegt Ihnen in schriftlichter Form vor; ich kom­me daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 6. April 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (VAIG 1994) geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 6. April 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Ich danke für die Berichterstattung.

Ich darf nun sehr herzlich den langjährigen Premierminister Belgiens Wilfried Martens hier im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


11.51.33

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Werte Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Damen und Herren des Bundesrates! Heute gibt es einen erfreulichen Anlass, zu diesen beiden Gesetzen Stellung zu beziehen, denn sie betreffen Bestimmungen, die zum Schutze von Beschäftigten, von Arbeiternehmern/Arbeitnehmerinnen beschlos­sen und letztendlich umgesetzt werden in nationales Recht. Im europäischen Verlauf besteht dieses Recht beziehungsweise dieses Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals bereits seit längerem.

Wenn wir daran denken, dass dieses Gesetz bereits seit 1970 besteht und letztendlich dieses Übereinkommen bereits viermal abgeändert wurde, so müssen wir sagen: Wir haben doch einige Zeit gebraucht, drei dieser Abänderungen in Österreich umzuset­zen. Die erste – und da enthält, glaube ich, das Sprichwort „Gut Ding braucht Weile“ doch einiges an Wahrheit – ist aus dem Jahr 1995 und betrifft die technologischen Vor­gaben im Zusammenhang mit der Angleichung an die Verkehrsordnung. Die zweite Änderung, welche bereits 2004 in Kraft getreten ist und die Bestimmungen hinsichtlich der Straßenkontrollen, insbesondere jener Kontrollen betrifft, die eine Mindestanzahl dieser festlegt sowie Regelungen hinsichtlich der Funktion der Kontrollgeräte enthält, beinhaltet auch eine Erweiterung der Änderung betreffend die Einführung der digitalen Tachographen, welche im Jahr 2006 in Kraft getreten ist. Das heißt, es hat doch einige Zeit gedauert, bis letztendlich diese Änderungen auch im österreichischen Recht Ein­gang gefunden haben. Nichtsdestotrotz haben sie ja bereits im europäischen Recht und auch für uns Geltung gehabt und erlangt.

Was in diesem Zusammenhang positiv ist, ist der Umstand, dass es nicht nur Bürger und Bürgerinnen der Länder der Europäischen Union betrifft, sondern auch Bürger und Bürgerinnen der Länder außerhalb der Europäischen Union, und zwar Bürger und Bür­gerinnen jener Länder, die dieses Abkommen mit unterzeichnet haben. Ich glaube, dass diesen Schutz nicht nur jene Menschen brauchen, die innerhalb der Europäischen


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 56

Union leben, sondern auch jene außerhalb der EU. Wir alle wissen, wie mit den Be­stimmungen für die Lenk- und Ruhezeiten in Bezug auf Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin­nen umgegangen wird, und daher bedarf es da besonderer Bestimmungen und auch genauer Kontrollen.

Etwas sonderlich mutet es dabei allerdings schon an, dass man zwei digitale Geräte braucht, um mit dem einen das andere zu kontrollieren und um damit sicherzustellen, dass tatsächlich die Bestimmungen eingehalten werden. Ich hoffe, dass wir da bald einen Schritt weiter sein werden und es ins Bewusstsein gelangen wird, dass es sich um Schutzbestimmungen handelt und dass Manipulationen verboten sind, die letztend­lich auch hinsichtlich des Straßenverkehrs bedenklich sind, denn wenn Fahrpersonal, wenn Lenker und Lenkerinnen übermüdet auf den Straßen unterwegs sind, dann be­steht kein Zweifel daran, dass damit eine erhöhte Unfallgefahr verbunden ist.

Das zweite Bundesgesetz betrifft die Verkehrs-Arbeitsinspektion. Dieses wurde erwei­tert um einige Maßnahmen, die bereits jetzt im rechtlichen Bereich Anwendung finden. Per Verordnung ist es der Verkehrsministerin möglich, Konkretisierungen durchzufüh­ren, die, wie ich glaube, notwendig sind und die dazu dienen sollen, Rechtssicherheit zu erlangen, was damit auch möglich geworden ist. Durch Einfügen des „Verwaltungs­verfahrens“ anstatt des „Genehmigungsverfahrens“ wurden Möglichkeiten geschaffen, konkreter darauf Bedacht zu nehmen und, erweitert um die Heranziehung von Unterla­gen, für mehr Sicherheit in diesen Bereichen zu sorgen.

Positiv zu erwähnen ist, dass bei dieser Gesetzeswerdung auch die Stellungnahmen der Bundesarbeitskammer beziehungsweise der für diesen Bereich zuständigen Ge­werkschafterInnen wieder mit eingeflossen sind. Dafür herzlichen Dank! Ich glaube, dass gerade in diesem Bereich die sozialdemokratische Handschrift ihren Niederschlag gefunden hat. Herzlichen Dank! Wir werden diesen beiden Gesetzesbeschlüssen sehr gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.57.44

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kemperle hat zu diesen beiden Gesetzesma­terien schon einiges ausgeführt und abschließend gemeint, dass das Gesetzeswerk die sozialdemokratische Handschrift trägt. Es trägt aber auch unsere Handschrift, auch unsere Vorschläge sind hier mit eingeflossen, sonst wären das jetzt Gesetze aus einer anderen Sicht heraus. Also wir treten schon sehr für diese Gesetzesmaterien ein! Das möchte ich vorwegschicken, liebe Kollegin.

Bei der Änderung des sogenannten AETR, des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals, geht es auch um EU-Verordnungs- beziehungsweise Rechtssituationen, die in diesem Bereich anzu­passen und auch zu modernisieren sind, wie Frau Kollegin Kemperle bereits gesagt hat. Es ermöglicht uns, die Lenk- und Ruhezeiten für Lkw-Fahrer, die im Bereich der Europäischen Union gelten, auch auf Länder auszuweiten, die nicht Mitglieder der Europäischen Union sind. Damit stellen wir sicher, dass sich zum Beispiel Länder wie Albanien, Bosnien, Kroatien oder Norwegen auch an dieses Abkommen zu halten ha­ben, und das ist schon ein wichtiger Gesichtspunkt, weil sich das Fahrpersonal aus diesen Ländern auch an die Bestimmungen und Vorschriften in Österreich, das ein wichtiges Transitland ist, zu halten hat.

Wir leisten damit auch einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssi­cherheit, wenn sich die Fahrer aus diesen Ländern an unsere Bestimmungen halten


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 57

müssen. Dabei geht es insbesondere um den digitalen Tachographen und um das Be­mühen der EU, das Thema Fahrzeitüberschreitung und Arbeitszeitüberschreitung in einen gesetzlichen Rahmen zu fassen und damit auch in den Griff zu bekommen.

Ich gebe dir schon recht, Frau Kollegin Kemperle, es ist an und für sich schon eine Besonderheit oder eigentlich ein Murks, wenn ein zweites digitales Gerät zu installieren ist und das erste digitale Gerät zu überwachen hat, um hier Betrug auszuschließen und einzudämmen, denn es geht hier nicht nur um Betrug, sondern vor allem um den Schutz der Menschen.

Das ist einer der wesentlichsten Punkte, denn nicht nur diejenigen, die hinter dem Lenkrad sitzen, brauchen Schutz, sondern auch die anderen Verkehrsteilnehmer. Wie oft haben wir schon grauenvolle Bilder von Verkehrsunfällen gesehen, an denen Lkw beteiligt oder Verursacher waren und die Lkw-Fahrer aus Übermüdung oder ähnlichen Gründen nicht mehr in der Lage waren, diese 40-Tonnen-Geräte zu lenken!

Das gibt mir auch die Möglichkeit, einen Satz zur aktuellen Verkehrssicherheitsbilanz zu sagen: Es ist bemerkenswert, dass wir wieder eine Verminderung der Verkehrs­opferzahlen verzeichnen können. Das ist auch ein Beweis dafür, dass es uns gelungen ist, erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit in Zusammenarbeit mit der Exekutive zu leis­ten.

Ein paar Zahlen aus dieser Bilanz: Im Jahr 2009 sind im österreichischen Straßenver­kehr 630 Menschen tödlich verunglückt. Selbstverständlich ist jeder dieser 630 einer zu viel, aber es ist auch wichtig, anzumerken, dass das gegenüber dem Jahr 2008 einen Rückgang von 49 Verkehrstoten bedeutet. Das ist ein erfreuliches Minus von 7 Pro­zent, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von erfreulichen Zahlen spre­chen kann. Damit ist diese Bilanz seit mehr als zehn Jahren, also zum zehnten Mal in Folge, rückläufig. Respekt, Frau Minister – das kann man hier in aller Form anmerken. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Beim Tagesordnungspunkt 7 – das wurde von Frau Kemperle schon ausgeführt, ich kann mich also kurz halten – geht es um Verwaltungsvereinfachungen der Verkehrs-Arbeitsinspektion. Damit sollen künftige Genehmigungsverfahren im Bereich des Ar­beitnehmerschutzes bei der Eisenbahn und eisenbahnrechtliche Genehmigungsverfah­ren optimiert und damit beschleunigt werden. Es geht darum, dass bisher Gutachten und öffentliche Urkunden als Nachweis gedient haben und dass zukünftig auch fachli­che Aspekte und Nachweise und Bescheinigungen Eingang in das Ganze finden wer­den. Damit soll es zu mehr Effizienz und Transparenz bei der Umsetzung von Arbeit­nehmerschutzvorschriften kommen.

Wir werden diesen Materien selbstverständlich gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Schennach und Zangerl.)

12.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dön­mez zu Wort. – Bitte.

 


12.02.31

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die in Verhand­lung stehenden Tagesordnungspunkte 6 und 7 sind für mich sehr wichtig und haben einen gewissen Symbolcharakter, denn sowohl die Änderungen für die Beschäftigten im internationalen Straßenverkehr als auch die Adaption des Bundesgesetzes über die Verkehrs-Arbeitsinspektion sind dringend notwendig.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 58

Die dahinterstehende Symbolik sehe ich aber eher in der Verkehrspolitik, denn die Ver­kehrspolitik in unserem Lande ist eigentlich ein typisches Beispiel dafür, wie unsere Bundesregierung Probleme löst. Fairerweise muss man aber dazusagen, dass bisher keine andere Regierung die Problemlösung anders angegangen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Was ist nun das Problem? – Aus unserer, aus meiner Sicht unterstützen wir den Indi­vidualverkehr zu stark, zu viele Pkws und Lkws sind auf den Straßen. Die Folge ist, dass wir zu viele Staus haben. Die Problemlösung sieht so aus, dass noch mehr und noch größere Straßen gebaut werden. Das ist nicht erst seit gestern so, sondern das war bei uns immer schon so. Insofern hat sich an der Problemlösung nichts bis sehr wenig geändert.

Wir Grüne treten für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein, für billigere Nutzungs­möglichkeiten und für kundenfreundlichere öffentliche Verkehrsmittel. Wir treten aber auch für Kontrolle ein.

Uns ist im Zuge der Rauchverbotsdebatte vorgeworfen worden, dass wir Kontrollfreaks wären. Wir sind keine Kontrollfreaks, aber ich denke, dass Kontrolle dort notwendig und wichtig ist, wo sie auch sinnvoll ist. Wenn Lenk- und Ruhezeiten von Lkw-Lenkern teilweise nicht eingehalten werden, dann ist Kontrolle in diesem Zusammenhang nicht nur im Interesse der Verkehrspolitik, sondern vor allem auch der Sicherheitspolitik und der Sozialpolitik.

Alle paar Jahre wird ein Frächterskandal publik, durch den die Missstände deutlich werden. Hätten wir in diesem Bereich mehr Kontrollen zur Verfügung, könnten wir die­ses Problem ein bisschen in den Griff bekommen. Letztendlich dient das der Sicherheit und dem Schutz der Beschäftigten. Wir vermeiden dadurch auch, dass Menschen, die teilweise in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten müssen, ausgenutzt werden.

Die Optimierung der Tätigkeit des Verkehrs-Arbeitsinspektorates begrüßen wir. Die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen dient der Sicherheit der Beschäftigten und der Kundinnen und Kunden in den Straßenbahnen, in den Seilbahnen und im Postbus, aber natürlich auch bei den ÖBB.

Zum Thema ÖBB möchte ich auch noch ein paar Worte sagen: Wie eingangs geschil­dert wurde, sind wir Grüne mit der Verkehrspolitik nicht sehr zufrieden. Rund um die ÖBB zeichnet sich unseres Erachtens auch ein Missstand ab, denn es ist – meine Kol­legin hat es ganz kurz erwähnt – nicht nachvollziehbar, warum im Railjet-Fernverkehr die Fahrradmitnahme nicht möglich ist. Das ist meines Erachtens kundenfeindlich. Ös­terreich setzt ja auf den Radtourismus – die Radfahrsaison bricht auch gerade wieder an –, und es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum dann die Fahrradmitnahme im Railjet-Verkehr nicht möglich ist.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass die Fahrradmitnahme mit den europaweit gültigen Fahrgastrechten vereinbar sein sollte. Eine EU-Regelung schreibt vor, dass in allen Zügen, auch in Hochgeschwindigkeitszügen, verpflichtend Multifunktionsabteile vorhanden sein müssen, wo größere Gepäckstücke, aber auch das Fahrrad mitgenom­men werden können. Ich denke, das ist nicht nur im Sinne der Kunden und Kundinnen, sondern auch im Sinne der Tourismuswirtschaft. Das müsste und sollte uns allen ein Anliegen sein.

Ganz kurz zu den Nebenbahnen, Kollege Michael Hammer hat es auch schon ange­sprochen: Laut Planungen einer ÖBB-internen Arbeitsgruppe soll das Bahnnetz in ganz Österreich aus Kostengründen auf einige wenige Hauptstrecken reduziert werden. Frau Ministerin, Sie haben vorhin auch betont, wie wichtig es ist, dass die Hauptbahnstre­


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cken, West- und Südachse, ausgebaut werden, aber von den Nebenbahnen war keine Rede.

Der angedachte Kahlschlag betrifft Oberösterreich ganz besonders, denn die Mühlkreis­bahn – das hat Kollege Hammer schon angesprochen –, die Salzkammergutbahn, aber auch die Almtalbahn sind davon betroffen. Da wurde jahrelang nichts investiert, sie wurden kaputtgespart.

Es gäbe eine Vereinbarung mit den ÖBB, die mit dem Land Oberösterreich ausverhan­delt wurde, aber bis dato wurde sie noch nicht unterzeichnet. In dieser Vereinbarung ginge es darum, die Sanierung von Langsamfahrstellen zur durchgehenden Anhebung der Streckengeschwindigkeit durchzusetzen, den Umbau, die Auflassung oder techni­sche Sicherung der Eisenbahnkreuzungen voranzutreiben und die Errichtung barriere­freier Bahnsteige einschließlich niveaufreier Zu- und Abgänge weiter zu forcieren.

Es ist kein besonderes Bemühen der ÖBB zu erkennen. Als Beispiel möchte ich nur anführen, dass der Bund in Niederösterreich, wo die Verländerung der Regionalbahnen stattgefunden hat, weniger Mittel als nötig einsetzt.

Wir können in einem Gesamtverkehrskonzept auf die Regionalbahnen nicht verzichten, sie sind ein wichtiger Bestandteil. Ich würde mir wünschen und Oberösterreich wünscht sich, dass die Regionalbahnen nicht ausgehungert werden. Denn letztendlich geht es ja bei einer kundenfreundlichen Verkehrspolitik darum, so viele Personen wie mög­lich  (Bundesrat Kraml: Nicht immer jammern! Dann müsst ihr in Oberösterreich ein­fach einmal Geld in die Hand nehmen!) – Wir nehmen ohnehin Geld in die Hand (Bun­desrat Kraml: Das sieht man eh!), aber wir brauchen auch die Unterstützung des Bun­des.

Öffentliche Verkehrsmittel können nur dann attraktiv und konkurrenzfähig sein, wenn wir sie attraktiv gestalten, wenn sie so viele wie möglich benutzen. Der Kostenwahrheit sollte im öffentlichen Verkehr genauso Rechnung getragen werden wie beim Individualver­kehr. Ich würde mir wünschen, dass beim Bund nicht nur der Individualverkehr im Vor­dergrund steht, sondern auch der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

12.10


12.10.20

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderung des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Ar­beitsinspektion geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 60

12.11.308. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (577 d.B. und 633 d.B. so­wie 8296/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Bitte um den Bericht.

 


12.11.44

Berichterstatter Werner Stadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministe­rin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird, liegt in schriftlicher Form vor. Daher komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 6. April 2010 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


12.12.33

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Beim Bau von Schnellstraßen wird immer über die Variante diskutiert – ob Süd, Mitte, West oder Nord, wie auch immer –, aber eines stellt sich auch immer wieder heraus: Auf die Be­dürfnisse der Bevölkerung wird nicht eingegangen. Die Bevölkerung freut sich oft, wenn nach Jahrzehnten eine Schnellstraße oder Umfahrungsstraße errichtet wird, und ist dann bitter enttäuscht, wenn ihre Anliegen nicht berücksichtigt werden.

Bei der S 34, der Traisental Schnellstraße, ist das der Fall. Prinzipiell sind wir für die Errichtung der S 34, weil das die Bevölkerung des Traisentales so will und es auch eine gute Sache ist, aber wir sind gegen die Westvariante, und zwar deshalb, weil eine Anbindung an den Knoten A 1/S 33 mit der Westvariante nicht direkt erfolgen kann. Die Westvariante geht durch bestes landwirtschaftliches Nutzland, das damit zerstört wird. Es ist auch ein Erholungsgebiet in der Umgebung von St. Pölten; dieses Gebiet wird auch als die grüne Lunge von St. Pölten bezeichnet. Durch den Bau der Westvariante entsteht ein zweiter, riesiger Autobahnknoten westlich von St. Pölten.

Die Ostvariante, die auch wir befürwortet hätten, wäre direkt an den Knoten A 1/S 33 angebunden worden und wäre entlang des Traisenflusses in Richtung Traisental geführt worden. Das wäre für uns und auch die Mehrheit der dortigen Bevölkerung die bessere Variante gewesen.

Schaut man sich das Ranking der Asfinag an, so hat die S 34 eine Bewertung der Rentabilität von minus zehn. Diese Westvariante ist daher sowohl verkehrspolitisch als auch betriebswirtschaftlich völlig unrentabel. Diese Straße wird nur deswegen gebaut, weil der Landeshauptmann von Niederösterreich eine Aufschließung von Betriebsbau­gebiet in der Nähe von Wilhelmsburg verbunden mit einem Autobahnanschluss haben möchte. (Ruf bei der ÖVP: Wer wird den haben wollen? – Bundesrätin Kerschbaum: Das ist eigentlich nicht Sinn einer Autobahn!)

Mit dem Bau dieser Straße wird auch gegen die Alpenkonvention verstoßen. Öster­reich hat sich laut Protokoll der Alpenkonvention vertraglich verpflichtet, keine Transit­strecken im Alpenbereich mehr zu errichten. Die S 34 ist jedoch der Beginn einer mög­lichen Abkürzung von der West Autobahn zur Süd Autobahn. (Ruf bei der ÖVP: Geh!)


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 61

Es geht heute nicht um die Aufnahme der S 34 in das Bundesstraßengesetz, sondern um die Verlegung der Trasse. Seit 2006 ist diese Straße im Bundesstraßengesetz. Wa­rum die Trasse nunmehr verlegt wird, ist mir völlig unerklärlich. Ich kann mir nicht vor­stellen, dass es ökologisch besser sein soll, die gegenständliche Variante zu wählen. Dass damit die grüne Lunge St. Pöltens zerschnitten wird, steht aber fest.

Bei der Ostvariante wäre schon ein Autobahnknoten vorhanden, bei der Westvariante muss dieser erst neu errichtet werden. Es wäre fairer gewesen, beide Varianten – so­wohl die Ost- als auch die Westvariante – genau zu prüfen, und zwar auf die Wirt­schaftlichkeit hin, aber nicht nur in Bezug auf die Baukosten, sondern auch in Bezug auf die laufenden Kosten.

Die Autofahrer müssen bei dieser neuen Trassenführung täglich einen Umweg in Kauf nehmen. Mitten in die grüne Lunge St. Pöltens wird nun nicht nur die Schnellstraße, sondern auch ein Autobahnknoten in der Größenordnung des Voralpenkreuzes mit 300 000 Quadratmetern entstehen.

Der Bau der Ostvariante wäre nicht nur aufgrund der topographischen Gegebenheiten vernünftiger gewesen, er hätte auch die nunmehr kommende Überlastung der A 1 zwi­schen dem neuen Autobahnknoten und der Abfahrt St. Pölten verhindert. Eine Entlas­tung der B 20, der Bundesstraße 20, durch eine direkte Anbindung an die S 33 wäre die logische Folge gewesen.

Mit diesem Projekt werden Hunderte Millionen Euro falsch ausgegeben. Es wird viel Geld für eine verfehlte Verkehrspolitik ausgegeben. Obwohl die Asfinag pleite ist, wird da ein Projekt umgesetzt, das eine Bürgermeisterlobby entgegen allen Experten­meinungen durchgeboxt hat. Diese Variante bringt weder eine vernünftige Anbindung an die S 33 noch eine Entlastung der B 20.

Bei dieser Variante ist zu bemängeln: Die Hochrangigkeit der Schnellstraße ist nicht nachgewiesen! Der Hinweis des Verkehrsministeriums, der Gesetzgeber habe den Auf­trag zur Errichtung einer Traisentalstraße bereits früher erteilt und dass daher nichts mehr zu prüfen sei, ist nicht stichhaltig. Bei der ursprünglichen Beschlussfassung wur­de davon ausgegangen, dass die S 34 Teil einer zukünftigen Achse von Tschechien bis nach Slowenien sei, während sie jetzt nur Wilhelmsburg und den Bezirk Lilienfeld an die A 1 und an die Landeshauptstadt St. Pölten anschließen soll.

Der Bau der Schnellstraße ist nach der Alpenkonvention unzulässig. Als Österreich dieser Konvention beitrat, war der Bau der S 34 noch nicht beschlossen. Die Behaup­tung des Ministeriums, die Alpenkonvention sei wegen eines Rückwirkungsverbotes nicht anzuwenden, ist daher unrichtig.

Die Errichtung dieser Schnellstraße in die Kleinstadt Wilhelmsburg und in den Bezirk Lilienfeld, die bevölkerungsärmste Gegend in Niederösterreich, widerspricht dem in der Bundesverfassung festgelegten Grundsatz von Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit.

In den von der Asfinag eingeholten Gutachten (Zwischenruf des Bundesrates Kainz) angeblich unabhängiger Sachverständiger wurden die Ergebnisse bezüglich Linienfüh­rung, Verkehrsprognosen, Wirtschaftsentwicklung, Reisezeitgewinn, Nachhaltigkeit, Um­weltziele, Schutz der Anrainer und so weiter geschönt, um den Bau der Schnellstraße zu rechtfertigen.

Das Ministerium begnügt sich in seiner zusammenfassenden Erklärung mit dem Hin­weis, die befürwortenden Gutachten seien von sachkundigen Experten erstellt worden. Völlig ignoriert wurden entgegenstehende Gutachten von Bürgerinitiativen und wahr­haft unabhängigen Gutachtern.

Ich bin überzeugt davon, dass die Bürgerinitiativen alle zugunsten des Schnellstraßen­baus ergehenden Beschlüsse mit allen Mitteln bei allen österreichischen und euro­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 62

päischen Behörden bekämpfen werden. Wir werden uns dem anschließen und stim­men daher dagegen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kainz: Gegen die Entwicklung einer Region! Die Regionen ausdünnen!)

12.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.20.45

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Die Novellierung zum Bun­desstraßengesetz bringt wesentliche notwendige Änderungen. Konkret geht es dabei auch um eine Verfahrensbeschleunigung bei Projektänderungen, was wesentlich mehr Flexibilität mit sich bringt.

Wir alle wissen, dass im Zuge der Errichtung eines genehmigten Bundesstraßen-Bau­vorhabens technische Probleme oder auch Einsparungsmöglichkeiten auftreten können. Die Rechtskraft des Genehmigungsbescheides verhinderte bisher, dass die ASFINAG als Projektwerberin das genehmigte Vorhaben abändert oder von auferlegten Maßnah­men abweicht. Diese Novellierung ermöglicht es, in der Zeit zwischen der Genehmi­gung und der Verkehrsfreigabe auf solch geänderte Umstände einzugehen und nicht wie bisher ein neues Verfahren durchführen zu müssen.

Sehr oft kam es durch diesen Umstand zu enormen Zeitverzögerungen. Weiters gab es keine ausreichende Vorsorge gegen wertsteigernde Umwidmungen. Es wird jetzt gewährleistet, dass es durch Umwidmungen, die erst nach dem Zeitpunkt der Kennt­nisnahme der Gemeinde von den Planungsabsichten des Bundes erfolgen, zu keinen Mehrkosten für die ASFINAG insbesondere bei Grundeinlösen kommen kann. Es wird somit Grundstücksspekulationen, die auf Kosten der öffentlichen Hand vorgenommen werden, entgegengewirkt.

Geschätzte Damen und Herren! Während der Begutachtung – es gab dabei insgesamt 52 Stellungnahmen – wurden wesentliche Kritikpunkte, was Demonstrationen und Sport­veranstaltungen betrifft, aufgezeigt. Es wurde nun ausdrücklich festgehalten, dass durch das Bundesstraßengesetz nicht in das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf Demonstrationsfreiheit eingegriffen wird.

Durch die heutige Änderung des Bundesstraßengesetzes gibt es realisierbare mögli­che Einsparungspotenziale, die auch umgesetzt werden können. Dafür gibt es zwei konkrete Beispiele.

Das erste Projekt wurde bereits angesprochen, es ist die S 34. Es gab dazu viele E-Mails, die auch die Kollegen hier im Bundesrat erhalten haben; E-Mails von besorgten Menschen. Ich habe jede einzelne davon gelesen und verstehe auch teilweise die Sor­gen und die Kritikpunkte, aber man muss festhalten: Es geht hier nicht um die Aufnah­me in das Bundesstraßengesetz, sondern um die Verlegung einer Trasse. Diese Trasse ist ökonomischer, ist wirtschaftlicher. Durch die Trassenänderung kommt es zu einem Einsparungspotenzial von rund 50 Millionen €.

Das zweite Projekt betrifft die S 31 bei uns im Burgenland. Dieses Projekt wurde auf­grund des UVP-Verfahrens, das ergeben hat, dass dort keine hochrangige Verbindung notwendig ist, aus dem Bundesstraßengesetz herausgenommen. Die kleinräumige Umfahrung Schützen wird als zweispurige Landesstraße gebaut. Die S 31 endet somit in der Landeshauptstadt Eisenstadt. Das Welterbe der UNESCO bleibt gesichert. Der Obmann des Vereins Welterbe Neusiedler See ist unser Bundesratskollege Bürger­meister Erwin Preiner aus Winden am See. Dieses Gebiet ist weiters Nationalpark, Natura-2000-Gebiet, Landschaftsschutzgebiet, Ramsar-Gebiet und Biosphärenreservat.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 63

Damit wurde auf die Wünsche der Bevölkerung, auf die Wünsche der Gemeindevertre­ter und der Bürgerinitiativen eingegangen.

Darüber hinaus haben sich die Gemeinden entlang der B 50, außer Schützen am Ge­birge, im Zuge der Volksbefragung 2001 gegen eine Umfahrung der Ortsgebiete aus­gesprochen.

Das Burgenland geht da mit Landeshauptmann Hans Niessl und mit Baulandesrat Hel­mut Bieler mit einem guten Beispiel voran, um die Anrainer von Schützen am Gebirge zu entlasten. Das Land investiert rund 20 Millionen €. Die Planung der Umfahrung Schützen am Gebirge findet nicht hinter verschlossenen Türen statt – im Gegenteil: Landesrat Helmut Bieler initiiert einen offenen Planungsprozess, in dem die Bevölke­rung aktiv in die Planung der Umfahrung eingebunden wird. Die Diskussion über eine Weiterführung der S 31 nach Neusiedl ist durch die Unterzeichnung eines Notariatsak­tes unter Umsetzung der Umfahrung Schützen durch das Land nun endgültig vom Tisch.

So reagiert die Politik in unserem Bundesland auf die Bedürfnisse und Anliegen un­serer Menschen. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist – es ist der rot-goldene Weg im Burgenland.

Unsere Fraktion wird dieser Novelle zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.26.25

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn diesem Ge­setz ein Zahn gezogen ist – Kollege Sodl hat es schon angesprochen, das Demons­trationsverbot auf den Autobahnen –, gibt es für uns doch noch genug eitrige scharfe Zähne, die drinnen sind und deretwegen wir dieser Gesetzesänderung nicht zustimmen können.

Ein Punkt ist die Regelung betreffend die Änderung von Bescheiden. Es gibt in dieser Regelung sogenannte immissionsneutrale Änderungen. Ich bin neugierig darauf, wer feststellen wird, ob eine Änderung immissionsneutral ist. Im Prinzip wird es wahr­scheinlich so ablaufen, dass die ASFINAG sagt: Wir hätten es gerne so und nicht so!, und irgendjemand auf der Bezirkshauptmannschaft wird dann sagen: Das ist immis­sionsneutral. Wir kennen das von den Berechnungen bei Autobahnen, das ist immer alles immissionsneutral, weil der technische Fortschritt die Emissionen sowieso in den Griff bekommt.

Mein Anliegen ist, dass man jetzt eine Regelung bezüglich der Durchsetzung von Be­scheidauflagen macht und keine Regelung bezüglich einer Abänderung von Bescheid­auflagen. Es wäre sehr dringend notwendig, dass man das, wenn man schon Verfah­ren einleitet, um zum Beispiel die Umweltverträglichkeit zu prüfen, was der Bescheid sagt, das umzusetzen ist, damit die Sache umweltverträglich ist, auch wirklich durch­setzen kann. Aber das ist leider nach wie vor nicht wirklich der Fall.

Der Hauptgrund unserer heutigen Ablehnung ist natürlich die S 34, beziehungsweise die S 34 ist ja nur ein Teil. Unser Ansinnen – Sie reden immer wieder von Sparwillen; auch der Herr Finanzminister redet von Sparwillen – wäre, dass man sich sämtliche Autobahnprojekte in diesem Anhang 2 des Bundesstraßengesetzes noch einmal nicht nur im Hinblick auf ökologische Kriterien, sondern auch im Hinblick auf wirtschaftliche Kriterien anschaut. All die Strategischen Prüfungen Verkehr, die ich bis jetzt gesehen habe, haben ergeben, dass in Wirklichkeit die Kosten/Nutzen-Relation bei Umfahrungs­straßen und dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs am besten ist – das gilt auch für


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 64

das Traisental. Und was geschieht? – Es kommt die Schnellstraße, die keiner braucht, und der öffentliche Verkehr bleibt nach wie vor auf der Strecke. Das ist leider bei sehr vielen Projekten so.

Man könnte bei der Traisental Schnellstraße 320 Millionen € einsparen, und das auch noch ohne Umweltschutzmaßnahmen. Man könnte insgesamt wahrscheinlich mehr als eine Milliarde einsparen, wenn man all diese Projekte einmal durchginge und schaute, was man wirklich braucht.

Bei uns wird zwar immer – das hat Kollege Ertl auch erwähnt – sachlich argumentiert, aber ob eine Schnellstraße, eine Autobahn gebaut wird, liegt letztlich daran, ob der Landeshauptmann, der sich die Straße wünscht, mächtig ist oder nicht. Und unser Lan­deshauptmann in Niederösterreich ist leider so mächtig, dass wir ununterbrochen ir­gendwelche neuen Autobahnprojekte haben. (Bundesrat Hensler: Wirklich, ist der mächtig?) – Ja, der ist leider im Bund offenbar so mächtig.

Eine sachliche Begründung für die Traisental Schnellstraße gibt es nicht. Laut SPV gibt es Kriterien, die begründen, warum man eine Schnellstraße baut, und all diese Kriterien sind von der S 34 nicht erfüllt: weder der DTV noch der Lückenschluss, jedenfalls so, wie es begründet ist, noch ist es eine übergeordnete Verbindung. (Bundesrat Hensler: Mit der Frau Bundesminister versteht er sich gut!)

Es ist egal, ob er sich versteht oder nicht! Im Prinzip sollte man eine Straße dann bau­en, wenn man sie braucht, und nicht, wenn sich der Landeshauptmann mit der Ministe­rin besser versteht. Ich würde mir also wünschen, dass die Kriterien für einen Auto­bahnbau in Niederösterreich (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Hensler), ins­besondere aber in Österreich andere wären als das Verständnis des Landeshaupt­manns mit der Ministerin.

Kollege Ertl hat schon viel gesagt. Sie haben auch alle miteinander diese Mails bekom­men, in denen sehr viel Inhaltliches drinsteht. Ich würde mir wünschen, dass Sie alle diese Mails wirklich lesen und es sich vielleicht doch noch einmal überlegen, denn ge­rade bei der S 34 zeigt sich die Fragwürdigkeit der Notwendigkeit allgemein: Wofür brauche ich dort hinein eine Stichstraße?

Die Umweltauflagen sind in Wirklichkeit nicht erfüllt. Ich kann nicht durch ein Alpenkon­ventionsgebiet einfach durchfahren, ein Feinstaubsanierungsgebiet einfach ignorieren und sagen: Wir brauchen eine Schnellstraße in dem nicht so dicht besiedelten Bereich.

Es ist einfach ignoriert worden, und die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Schnell­straße – die immer wieder, bei jeder Schnellstraße, herbeigeredet werden – sind gera­de in einem Feinstaubsanierungsgebiet eigentlich eher negativ, weil es in Wirklichkeit so ist: Wenn die Straße einmal da ist, wird man den Verkehr, der darauf fährt, nicht in den Griff bekommen können. Du hast mehr Feinstaub, und dann wirst du auf der Sei­te der Wirtschaftsbetriebe überlegen müssen, wo du deinen Feinstaub einsparst. Da schaue ich mir an, ob die Wirtschaft wirklich so von dieser Schnellstraße profitiert!

Kollege Ertl hat auch die Gutachten schon erwähnt, die Erfahrung machen wir bei Bür­gerinitiativen immer wieder. Es müssen laut UVP-Gesetz im Verfahren Gutachten bei­gestellt werden. Man kann nicht einfach behaupten, dass etwas nicht gut ist, sondern man muss das gutachterlich bestätigen lassen, und das kostet eine Menge Geld. Dann kommt man in das Verfahren, und die Antwort ist: Ja, wir haben auch Gutachter, die sagen, das ist okay. – Man braucht auf die Argumente der Gutachter, die die Bürger­initiativen bezahlen, nicht einmal einzugehen und beschließt es einfach, weil sich der Landeshauptmann mit der Ministerin gut versteht: Wir brauchen die Straße, und sie ist umweltverträglich! (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.)

Das ist leider so, und das gehört wirklich geändert, Herr Kollege, da geht es um viel, viel Geld! Wenn wir heute über die Verkehrsdienstverträge der ÖBB reden und man


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sich massiv darüber aufregt – o Gott, die ÖBB kostet so viel Geld! –, dann schaut euch einmal an, was alle diese Straßenbauprojekte kosten! Und was bringen sie? – Die Kos­ten/Nutzen-Rechnung dieser Projekte ... (Bundesrat Hensler: Lebensqualität für die Bür­ger!)

Nein, keine Lebensqualität für die Bürger durch eine Autobahn! (Bundesrat Hensler: Lebensqualität für die Bürger!) Weil du im Auto 2 Minuten schneller unterwegs bist, ist das keine Lebensqualitätssteigerung, lieber Herr Kollege, da irrst du dich! Dann weißt du nicht, was Lebensqualität ist. (Heiterkeit des Bundesrates Hensler.)

Frau Ministerin! Ich würde Sie bitten, wirklich dringlichst bitten, dass Sie, wenn Sie den Sparwillen ernst nehmen, diesen gesamten Anhang 2 ernsthaft unter die Lupe nehmen, dass Sie Ihre eigenen strategischen Verkehrsprüfungen ernst nehmen, die alle­samt aussagen, dass der Hochleistungsstraßenbau meistens das weniger tolle Projekt ist, dass Sie Rechnungshofberichte ernst nehmen, weil der Rechnungshof auch immer wieder sagt, dass man überprüfen muss, wie sinnvoll ein Projekt ist, und nicht nur, ob es umweltfreundlich ist. Es muss vorher auch irgendwie einen Sinn machen.

Nehmen Sie den Klimaschutz und den Naturschutz ernst! Dass Autobahnen und neue Straßen neuen Verkehr anziehen, ist eine Regel, die inzwischen auch schon die ASFINAG durchschaut hat. Ich würde mir wünschen, dass man daraus auch Schlüsse zieht, dass man nicht nur die Regel durchschaut, sondern einfach auch Schlüsse da­raus zieht und endlich damit aufhört, jede Ortschaft in Niederösterreich mit einer Auto­bahn erschließen zu müssen. (Beifall bei den Grünen.)

12.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministe­rin Bures. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


12.33.43

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, ich bin stolz darauf, einer Bundesregierung anzugehören, die in einem Land, das eine moderne, entwickel­te Demokratie hat, tätig ist und nicht in einer Bananenrepublik. (Beifall des Bundes­rates Hensler.) Der Eindruck, den Sie hier hinterlassen, ist nämlich, dass auf Zuruf – egal welche, ob verkehrspolitische, wirtschaftspolitische, umweltpolitische – Entschei­dungen getroffen werden.

Wir haben klare gesetzliche Regelungen! Wir haben klare Verfahren, und zwar gute, was die Fragen des Umweltschutzes, der Bürgerbeteiligung betrifft; verwiesen sei hier auf die Umweltverträglichkeitsprüfung, um ein Beispiel zu nennen. Das heißt, wir leben in einer modernen, entwickelten Demokratie und nicht in einer Bananenrepublik. Das ist mir wichtig, weil man jetzt bei Ihnen ein bisschen diesen Eindruck bekommen hat, und das wollte ich klarstellen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das Zweite ist: Viele von Ihnen kennen mich ja schon länger, alle politischen Entschei­dungen, die ich treffe, ob das in der Frauenpolitik der Fall war oder ob es jetzt in der Ver­kehrspolitik der Fall ist, sind Entscheidungen, die auf gesetzlichen Grundlagen und auch auf klaren Zahlen, Daten und Fakten beruhen, ob das die Strategische Prüfung Verkehr ist, ob das Verkehrsprognosen oder auch notwendige Maßnahmen und Investitionen im Straßennetz sind, was die Instandhaltung, nämlich den Bestandserhalt, und die In­vestitionen in die Verkehrssicherheit betrifft, und ich habe noch nie politische Entschei­dungen nach irgendwelchen persönlichen Vorlieben getroffen. (Bundesrätin Kersch­baum: Nach sachpolitischen Kriterien ...!)

Das heißt nicht, dass ich nicht glaube, dass es in der Politik gut ist, wenn man zusam­menarbeitet (Bundesrat Hensler: Genau so ist es!), ganz im Gegenteil! Es ist wichtig,


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dass die Regionen und der Bund mit jenen in Dialog treten, die vor Ort die Situation sehr gut kennen, und wenn es darum geht, dass wir die Menschen mit einbeziehen wol­len, sollen natürlich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die politisch im Land Verantwortlichen eng eingebunden sein. Daher habe ich großes Interesse an einer brei­ten Zusammenarbeit von Bund, Land und Gemeinden, weil dann in der Regel die bes­ten Lösungen herauskommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Daher ist heute in aller Kürze zu dieser Vorlage Folgendes zu sagen. Punkt 1: Es kommt das zum Ausdruck, was ich immer gesagt habe: Die Antwort auf die Frage, was obers­te Priorität hat, liegt auf der Hand: Der Ausbau der Schiene hat Priorität vor der Straße. Das spiegelt sich ja in den Investitionen wider. Wir haben bei den Konjunkturpaketen 900 Millionen € in die Hand genommen: 700 Millionen € in die Schieneninfrastruktur, 200 Millionen € in Investitionen für die Verkehrssicherheit und den Bestandserhalt un­seres österreichischen Straßennetzes. Das heißt, es gibt hier eine klare Zielsetzung, es geht nämlich um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, eines ökologischen Verkehrs­mittels.

Das passt gut zum Bundesstraßengesetz und zur Frage nach der Straße im Traisental, der S 34, denn wissen Sie, was ich jetzt schon mache? – Ich baue dort natürlich die Bahn aus. Mit den Konjunkturpaketen, die ich genannt habe, investieren wir jetzt genau in die Traisentalbahn und investieren dort in die Schiene, um diese auch attraktiver zu machen.

Was wir heute bei der S 34 nicht machen, ist ein Aufnahmeverfahren ins Bundesstra­ßengesetz, sondern es geht darum, dass wir alle Projekte evaluieren und schauen müs­sen, was ökologisch und ökonomisch sinnvoller ist. Daher geht es hier eigentlich nur darum, dass es heute einen Vorschlag einer Trassenführung gibt, die nach den Unter­lagen, die jetzt auf dem Tisch liegen, ökologischer und ökonomischer ist, nämlich dazu führen soll, dass rund 50 Millionen € gespart werden. Ich glaube, es ist richtig, dass wir auf das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler achten (Bundesrätin Kersch­baum: Wenn nicht gebaut wird, erspart es 320 Millionen!) und deshalb diese ökonomi­schen Ansätze wählen und diese Sparmöglichkeit noch ausschöpfen, was nicht bedeu­tet, dass es nicht eine breite Einbeziehung der Bevölkerung geben muss.

Bei der S 34 wird es eine Umweltverträglichkeitsprüfung geben, das heißt die Einbezie­hung der Bevölkerung, und all diese notwendigen Kriterien, die wir auf einem hohen Ni­veau, was den Umweltschutz in Österreich betrifft, haben, müssen natürlich eingehal­ten werden. Dieser Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht vorzugreifen, diese hat in aller Sorgsamkeit, auch mit den erforderlichen Bürgerrechten zu erfolgen und umgesetzt zu werden.

Das Zweite, das ich erwähnen möchte – weil es de facto so gut wie das erste Mal der Fall ist, seit es ein Bundesstraßengesetz gibt –, ist, dass da eine Straße wieder heraus­kommt, nämlich die S 31 im Burgenland. Das heißt, es ist nicht ein Naturgesetz, dass es immer mehr Straßen werden, sondern es ist erstmals so, dass wir eine Straße he­rausnehmen, und es ist im Übrigen auch ein Einsparungspotenzial von über 50 Milli­onen €, das damit erreicht werden kann.

Dies zeigt auch, dass diese Zusammenarbeit, die ich eingangs erwähnt habe, zwischen dem Bund und dem Land – so wie das mit dem Land Burgenland und mit Landeshaupt­mann Niessl der Fall war – eine Situation ist, die gut für die SteuerzahlerInnen ist, die gut für den Bund ist, die gut für das Land ist. Das ist eine Win-win-Situation.

Deshalb finde ich die Änderungen im Bundesstraßengesetz gut. Wir werden hier Ein­sparungen vornehmen, und wir zeigen auf, wie gesagt, dass es kein Naturgesetz gibt, dass es immer mehr Straßen werden, was aber nicht heißt, dass ich nicht davon über­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 67

zeugt bin, dass es auch in vielen Bereichen unseres Straßennetzes gute und richtige Investitionen gibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


12.39.25

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute die Abänderung des Bundesgesetzes über das Bundesstraßenge­setz 1971. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Festlegung von Trassen für das hoch­rangige Straßennetz immer wieder die Gemüter erregt. Verschiedenste Interessen von betroffenen Anrainern, von Bürgerinitiativen verschiedenster Art, von Gemeinden und Regionen prallen oft aneinander. Meist handelt es sich um subjektive, teilweise nach­vollziehbare Einzelinteressen.

Langwierige Verhandlungen und Abwägungen dieser Interessen müssen aber auch ein­mal zu einer Entscheidung führen, und hier muss das Allgemeininteresse absolut im Vordergrund stehen. Schutzgüter, in erster Linie der Mensch, die Natur, Ökologie, Wirt­schaft, Tourismus und vieles mehr, werden größtmöglich eingearbeitet. Eine Entschei­dung unter Berücksichtigung dieser Kriterien soll aber auch eine Entscheidung bleiben.

Eines ist auch Sache: Jene Regionen und Gebiete, die an ein hochrangiges Straßen­netz angebunden sind, erfahren einen gewaltigen Aufschwung in wirtschaftlicher, in touristischer und in lebenswerter Hinsicht. Da es sich aber meist um langfristige Projek­te handelt, können sich die Entscheidungsgrundlagen aus verschiedensten Gründen än­dern. Diesen Änderungsnotwendigkeiten soll der vorliegende Gesetzentwurf Rechnung tragen. Über den Gesetzentwurf selbst wurde schon sehr viel gesprochen, weshalb ich nicht mehr näher darauf eingehe, sondern ich möchte gleich auf die in Niederösterreich führende Trasse der S 34 kommen.

Sache ist, dass dieser Straßenzug bereits im Gesetz enthalten ist und es sich nur noch um eine Abänderung der Trassenführung handelt. Diese Trasse ist auch schon seit Län­gerem im niederösterreichischen Landesverkehrskonzept enthalten. Diese Schnellstra­ße ist wirklich dringend erforderlich und dient zur wirtschaftlichen und touristischen Ent­wicklung des Traisentales und einer guten Anbindung des Pielachtales an die A 1.

Es werden mit dieser Variante auch Zielsetzungen für die Errichtung der S 34 erfüllt: eine Verbesserung der Erreichbarkeit des niederösterreichischen Zentralraumes und der Landeshauptstadt St. Pölten, die Minderung der Trennwirkung zur bestehenden Bun­desstraße 20, zur Mariazeller Bundesstraße, die Minimierung der künftigen Belastung des Schutzgutes Mensch durch Lärm- und Luftschadstoffe, die Erhöhung der Verkehrs­sicherheit und Senkung der Unfallhäufigkeiten.

Die Errichtung einer hochwertigen, dem Stand der Technik entsprechenden Straßenver­kehrsinfrastruktur im niederösterreichischen Zentralraum wird nach Süden ausgerich­tet. Die Vorteile dieser sogenannten Westvariante sind: Es werden – auch wenn Sie es nicht glauben – keine größeren zusammenhängenden Siedlungsgebiete durchschnitten, und eine Verkehrsentlastung von rund 50 Prozent für diese Siedlungen tritt ein. Es ist ein geringerer landwirtschaftlicher Flächenverbrauch notwendig, da die Trasse ganz ein­fach kürzer ist.

Es ist eine bessere verkehrliche Wirksamkeit durch den Anschluss an die B 39 und den Bau der Spange A 1/B 1 zur Entlastung von St. Pölten gegeben. Wer heute durch St. Pöl­ten fährt, weiß, welcher Verkehr sich durch unsere Landeshauptstadt wälzt. Von großer


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Bedeutung ist auch der wirtschaftliche Faktor, die Westvariante bringt eine Einsparung von zirka 50 Millionen € mit sich. Es gibt keine direkte Betroffenheit von Grundwasser­schongebieten und Oberflächenentwässerung, und es gibt vor allem keinen Eingriff in den Hochwasserabfluss der Traisen, was wirklich ein wichtiger Faktor ist. (Bundesrätin Kerschbaum: Wozu brauchen wir es?)

Liebe Frau Kollegin Kerschbaum, wir brauchen ein hochrangiges Straßennetz, um Re­gionen aufzuwerten, um Regionen besser erreichbar zu machen, um Regionen einen wirtschaftlichen und touristischen Aufschwung zu ermöglichen. (Bundesrätin Kersch­baum: Einen touristischen Aufschwung ...!) Es ist nicht wahr, dass die Gefahr besteht, dass die Transitroute über Mariazell in die Steiermark ausgebaut wird. Das ist nicht rich­tig, denn schon jetzt gibt es in Niederösterreich und in der Steiermark Lkw-Durchfahrts­verbote.

Die offenen Fragen im Bereich von Tier- und Pflanzenlebensräumen werden sicherlich in ausgezeichneter Weise durch die bestehende Umweltverträglichkeitsprüfung beurteilt werden. Ich glaube, dass alles in allem ein umweltverträgliches Projekt mit Kosten im Rahmen von 169 Millionen € zur Einreichung gelangt. Ich habe auch die Mails von die­sen vielen besorgten Anrainern bekommen. Es ist nicht richtig, dass dieses Bauvorha­ben in die Alpenkonvention fällt, denn es ist kein alpenquerender Verkehr, und daher fällt es auch nicht dort hinein. Die Umweltverträglichkeitsprüfung wird natürlich durch­geführt.

Alles in allem ist diese Erschließung des Bereichs Pielach- und Traisental durch die S 34 ein enorm wichtiger Faktor für die gesamte Region, und ich würde mich freuen, Frau Minister, wenn in das Bundesstraßengesetz auch eine so hochwertige Trasse in Richtung Waldviertel eingebaut werden würde, wenn wir bald wieder einen Gesetzesan­trag hätten, der vorsieht, eine solche Trasse ins Waldviertel zu führen. Ich werde auch alle meine Möglichkeiten nutzen, mit dem Herrn Landeshauptmann von Niederöster­reich – den wir Gott sei Dank haben, der Gott sei Dank sehr entscheidungsfreudig ist und nachhaltig denkt – zu sprechen. (Bundesrat Schennach: Wollt ihr alle eure Erho­lungsregionen ...? – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Vielleicht können wir bald wieder eine Gesetzesänderung beschließen und eine hochrangige Trasse in das eben­falls wunderschöne, aber leider von Abwanderung geprägte Waldviertel führen.

Unsere Fraktion wird dieser Gesetzesänderung sehr wohl zustimmen, und, wie gesagt, ins Waldviertel brauchen wir ebenso eine Trasse. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

12.45


12.45.20

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.45.559. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert wird (496 d.B. und 637 d.B. sowie 8297/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 69

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nunmehr zum 9. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. Bitte um den Bericht.

 


12.46.19

Berichterstatter Ewald Lindinger: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Na­tionalrates vom 24. März 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert wird. Der Be­richt liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


12.46.57

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Ich spreche über die Austro Control. Die wichtigste Aufgabe der Austro Control ist die Gewährleistung eines sicheren, pünkt­lichen, wirtschaftlichen und umweltschonenden Flugverkehrs. Die Austro Control ist ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen im Eigentum der Republik Österreich.

Die Austro Control ist seit 2006 grundsätzlich dazu berechtigt, Flugsicherungsdienste in­nerhalb der gesamten EU zu erbringen. 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr, werden die Leistungen für den Flugverkehr erbracht. 2008 wurde für Sicherheit im österreichi­schen Hoheitsgebiet bei knapp 1,2 Millionen Flugbewegungen gesorgt. Dafür bin ich den Beschäftigten der Austro Control dankbar, und das möchte ich auch hier einmal aus­sprechen.

Die Flugbewegungen in Österreich haben sich in den letzten Jahren fast verdrei­facht, nämlich von 125 000 Starts und Landungen im Jahr 1990 auf nunmehr zirka 350 000 Starts und Landungen jährlich. Damit ist auch die Austro Control für die Lärm­routen verantwortlich und zuständig. Natürlich wird durch häufige Änderungen der Start- und Landerouten die lärmgeplagte Bevölkerung rund um den Flughafen entlastet – wä­re da nicht der ständig ansteigende Flugverkehr! In den Stoßzeiten landen zirka alle 2 Minuten Flugzeuge, ungefähr eine halbe Minute lang wird während dieser Landungs­phase die Bevölkerung, gerade in Schwechat, massivst durch Lärm beeinträchtigt. Um Ihnen das anschaulicher darzulegen, müssten wir hier eine Sirene haben und diese Feu­erwehrsirene alle 2 Minuten einschalten; ich bin davon überzeugt, dass im Nu der Raum leer wäre.

Aber zurück zur Austro Control: Von der Salzburger Landesregierung wurde Strafanzei­ge wegen Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen unbekannte Täter im Tätigkeitsbereich der Austro Control erstattet, wegen erheblicher Bedenken gegen die Unbefangenheit maßgeblich handelnder Personen. Die Salzburger haben Bedenken, dass vonseiten der Austro Control gleichheitswidrig und EU-wettbewerbswidrig vorgegangen wurde. Die Salzburger haben den Verdacht, dass versucht wird, betreffend Flugrettungsdienste ein Monopol zu schaffen, und dass nur mehr bestimmte Unternehmen Flugrettungsdienste anbieten dürfen.

Selbst in einer Fernsehsendung, in „Salzburg heute“, wusste ein Sprecher der Austro Control keine Antwort auf die Frage, was anderen Flugrettungsdiensten vorgeworfen wird. Ich bin schon der Meinung, dass da vonseiten des Ministeriums Handlungsbedarf besteht. Insbesondere dann, wenn in den Medien zu lesen ist, dass Austro Control-Mit­arbeiter ihre Flugscheine durch das Wohlwollen von zu prüfenden Unternehmen erhal­ten.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 70

Aus einer parlamentarischen Anfrage geht hervor, dass alleine bei Unternehmen, die Hubschrauberflotten betreiben, vier Mitarbeiter der Austro Control auf firmeneigenen Fluggeräten die notwendigen Stunden zum Erhalt ihrer Pilotenlizenzen ableisten. Ich sehe darin eine Befangenheit, denn es kann nicht sein, dass Mitarbeiter dieser Behör­de aufgrund des Wohlwollens von zu prüfenden Unternehmen ihre Pilotenlizenzen erhal­ten.

Ich darf unsere zuständige Ministerin dringend ersuchen, dafür zu sorgen, dass diese Schieflage beseitigt wird und der Behörde die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit jene Personen, die aus beruflichen Gründen Lizenzen erhalten müssen, dafür behördeninterne Möglichkeiten nützen können.

Wir sollten auch unsere Frau Innenminister fragen, warum im dortigen Bereich Hub­schrauber angeschafft worden sind, die sich nicht für Flugrettungsdienste eignen.

Auf der Internetseite von Austro Control ist zu lesen: „... Die Austro Control setzt den konstruktiven Dialog mit der Bevölkerung fort und ist ... ein wichtiger Partner bei der Umsetzung bzw. Erarbeitung von neuen Lösungsvorschlägen zur Verringerung von Fluglärm.“

Ich frage mich: Wo findet dieser Dialog statt? Ich wohne in Schwechat, außer vom Fluglärm kann ich über nichts berichten. Der Luftraum über Europa wird derzeit in 60 Kontrollzonen zersplittert. Eine Reihe von Routen und Sektoren ist nicht optimal an­gelegt. Die EU hat daher die Initiative „Single European Sky“ zur Vereinheitlichung des europäischen Luftraumes ins Leben gerufen. Ich glaube, dass aus dieser Initiative für die Anwohner von Flughäfen nichts Gutes entstehen wird. Das ambitionierte Ziel dieser Initiative ist eine potentielle Abwicklung der dreifachen Kapazität von heute.

Abschließend darf ich noch bemerken: Ein Flughafen ist und wird immer ein Wirtschafts­motor sein, aber es braucht einen kleinen Willen, um auch den damit verbundenen Flug­lärm in den Griff zu bekommen. Aber wenn ein Flughafen seine Arbeitnehmer nur für wenige Monate beschäftigt und diese dann mit der Garantie, sie nach drei Monaten wie­der zu beschäftigen, in die Arbeitslose schickt, dann ist das schon eine doppelte Ausnüt­zung des Steuerzahlers.

Auf der einen Seite wird keine Rücksicht auf den Lärmpegel genommen, auf der an­deren Seite werden der Arbeitnehmer und der Staat ausgenützt. Da kann ich sehr gut verstehen, dass die Anzahl jener, die sich gegen einen Flughafen stellen, immer grö­ßer wird. Wir stimmen daher diesen Bestimmungen nicht zu. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

12.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Stadler. – Bitte.

 


12.53.45

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Ertl, ich weiß jetzt nicht, was du da genau angesprochen hast. Ich habe schon geglaubt, ich habe mich zum verkehr­ten Tagesordnungspunkt vorbereitet – ich habe geglaubt, es geht um die Austro Control.

Aber das gibt mir eigentlich die Gelegenheit – und ich glaube, die Frau Präsidentin wird mir das verzeihen –, vorher auch zwei Sätze zu einem anderen Thema zu sagen. Ich bin ja schon bekannt dafür – und auch mein Beruf als Eisenbahner verlangt es wahr­scheinlich –, dass ich zu den vielen Wortmeldungen über die ÖBB, die heute schon ge­fallen sind, etwas sagen muss.

Einen Satz erlaubt mir, bitte: Ich bin dankbar – weil gerade Kollege Dönmez auch wie­der da ist – für die guten Ideen, die immer von außen kommen, was die Eisenbahn, die


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 71

ÖBB, alles besser machen kann. Es ist auch gut, wenn man sich heute damit be­schäftigt, wenn Kunden der ÖBB sich Sorgen machen. Aber ich glaube, man sollte da ein bisschen bei der Realität bleiben.

Erstens: Eine Seite verlangt immer, dass wir sparen müssen, weil wir zu viel Personal haben. Die andere Seite sagt: Wir wollen bis in das letzte Eck fahren, wir wollen mit dem Railjet das Rad mitnehmen.

Ich verstehe das, jeder, der mit dem Rad in den Urlaub fährt, soll es auch mitnehmen können. Aber, Herr Kollege Dönmez, der Railjet ist ein bisschen etwas anderes als eine Pferdeeisenbahn. (Allgemeine Heiterkeit. Bundesrat Dönmez: Echt?!) Heute kann man von den Haustieren angefangen alles mitnehmen und im langsamen Tempo irgend­wo in der Gegend herumschweifen. Aber ich glaube, du weißt sicher – und so weit kennen wir uns – die Vorzüge des neuen Zuges, des Railjets, zu schätzen.

Du wirst auch wissen, dass es die Sicherheit – nicht nur die Sicherheit im Eisenbahn­betrieb, sondern auch die Sicherheit für die Reisenden, die diesen Railjet benützen – verlangt (Bundesrätin Mühlwerth: ... wäre einfacher gewesen!), dass es unmöglich ist, in Fernverkehrszügen oder in qualitativ hochwertigen Zügen etwas anderes zu beför­dern, wie Räder, Haustiere und Sonstiges. – Das ist mein letzter Satz dazu. Aber ich bin schon erstaunt: Von jeder Seite kommt etwas anderes, und irgendwo in der Mitte prallt es aufeinander – entschuldige den Side Step!

Jetzt komme ich wirklich zur Austro Control, ganz kurz. (Ruf bei der ÖVP: Ganz kurz! Zwischenrufe der Bundesräte Schennach und Mühlwerth.) Frau Kollegin Mühlwerth, ich glaube, du bist bei deinem eigenen Kollegen ganz ruhig dagesessen und hast ihm zugehört, als er einen Rundumschlag gemacht hat – über das Arbeitszeitgesetz und ir­gendwelche anderen Sachen. Ich weiß gar nicht, was du noch alles gesagt hast, und das hat auch mit dem Gesetz beziehungsweise mit dieser Vorlage nichts zu tun gehabt.

Zur Austro Control und den Aufgabenbereichen, die Herr Kollege Ertl eingangs schon erwähnt hat: Die sind ja in nichthoheitliche und hoheitliche eingeteilt, und diese beiden Teile sind auch bezüglich der Finanzierung geteilt. Da ist es, glaube ich, gut, dass die nötige Transparenz – wir haben ja heute über Transparenz schon sehr oft etwas ge­hört – bezüglich der Finanzierung auch vorhanden ist.

Der nichthoheitliche Teil leistet für die Flugsicherung einen ganz wesentlichen und ent­scheidenden Beitrag, wo die – vom Kollegen Ertl schon erwähnten – gut ausgebildeten Fluglotsen Tag und Nacht für große Sicherheit im österreichischen Flugraum sorgen. Bei diesem nichthoheitlichen Teil des Aufgabenbereiches haben wir eine fast hundertpro­zentige Kostendeckung.

Dabei muss man sagen, dass es beim zweiten Teil, beim nichthoheitlichen, um die Zu­lassung von Luftfahrzeugen, die Ausstellung von Pilotenscheinen und auch um die Über­prüfung von diesen Luftfahrzeugen geht, und dieser Aufgabenbereich der Austro Control weist einen Kostendeckungsgrad von unter 50 Prozent auf. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, darum gab es auch eine Empfehlung des Rechnungshofes beziehungsweise des Finanzministeriums, eine Anpassung des Austro-Control-Gesetzes hinsichtlich der jährlichen Valorisierung der Gebührenordnung vorzunehmen.

Bisher war es so, dass aufgrund des Gesetzes die Bundesministerin oder der Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie, im Einvernehmen mit dem Finanzmi­nister, für die von der Austro Control durchzuführenden Verwaltungsverfahren eine Ge­bührenordnung erlassen hat, in der die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren festzulegen waren.

Jetzt, durch die Novellierung, werden die festgesetzten Gebühren an die allgemeine Preisentwicklung angepasst, und somit wurde der Forderung des Rechnungshofes und


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 72

des Finanzministeriums entsprochen. Unsere Fraktion wird dieser Gesetzesänderung, dieser Novellierung natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Mag. Klug: Bravo, Werner!)

12.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schen­nach zu Wort. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach – auf dem Weg zum Rednerpult –: Was war der Wunsch?)

 


12.59.18

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Die ÖBB haben meine volle Zustimmung, ich brauche heute nichts dazu zu sagen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Ich bin ja immer der, der hier für die ÖBB kämpft – auch wenn ich sage, sie müssen in stärkerer Form als bisher ein kundenorientiertes, serviceorientiertes Unternehmen wer­den (Bundesrat Stadler: Das ist richtig!  Bundesrat Mag. Klug: Bravo!), aber an sich ist der Weg der ÖBB schon ein richtiger.

Ich komme trotzdem zur Austro Control, obwohl bisher alle Vorredner irgendwie abge­wichen sind – und möglicherweise ist das jetzt auch eine leichte Abweichung. Jeden­falls ist das trotzdem ein guter Tagesordnungspunkt, um daran zu erinnern: Okay, wir passen die Gebühren an den Index an, aber in den Erläuterungen steht sehr, sehr lapi­dar, Frau Bundesministerin: nicht umweltrelevant.

Daher: Das ist eine vertane Chance, speziell, wenn ich gerade von der jetzigen ÖVP-Klubklausur höre, man müsse zwecks entsprechender Lenkungen die Öko-Steuern er­höhen, in Wirklichkeit aber geht es darum, ein Mehr an Finanzmitteln zu erzielen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Perhab.) Da stellt sich natürlich schon die Frage: Warum versäumt man jetzt eine umweltrelevante Chance, gerade im Bereich des Luftverkehrs – des Luftverkehrs, der ja, was die Besteuerung betrifft, extrem begünstigt ist?

Wenn man in die Erläuterungen hineinschreibt: nicht umweltrelevant!, dann muss man schon auch dazusagen, dass am Klimawandel und an der Lärmbelastung der Bevölke­rung – das hat ja Kollege Ertl bereits angesprochen – gerade der Flugverkehr sehr stark beteiligt ist, und zwar im krassen Gegensatz zu den ÖBB.

Daher wäre es natürlich sinnvoll gewesen, diese Gebühren stärker anzuheben, nämlich genau um den Kostenfaktor Umwelt, wobei infolgedessen auch weitere Lärmschutz­maßnahmen ergriffen hätten werden können.

Insofern, Frau Bundesministerin Bures, habe ich nichts gegen die Erhöhung dieser Ge­bühren, nichts gegen eine Indexanpassung, aber, wie gesagt: So, wie das jetzt gemacht wird, halte ich das für eine vertane Chance, obwohl das ohnehin noch wesentlich rea­listischer ist als das, was man sonst so aus dem Finanzministerium dazu hört.

Der Flugverkehr ist künstlich verbilligt – und daher gehört da einfach Kostenwahrheit her, und zwar im Sinne der Umwelt, aber auch im Sinne jener Menschen, die enorm unter dem Fluglärm zu leiden haben.

Wir werden jetzt zustimmen, aber ich muss nochmals diese Anmerkung machen, dass hiermit eine große Chance vertan wurde. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 


13.02.45

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Frau Prä­sidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu einzelnen Debattenbei­


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trägen nur ergänzend und ganz kurz Stellung nehmen, denn der wirklich wichtigen Auf­gabe der Austro Control ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Sie ist ja in der Zivilluftfahrt nicht wegzudenken, wenn es um die Frage der Luftsicherung geht, wo rund 300 best­ausgebildete Fluglotsen und Fluglotsinnen für die Sicherheit im österreichischen Luft­raum sorgen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch den hoheitlichen Aufgabenbe­reich, was die Sicherheitskontrollen, was die Überprüfung von Flugzeugen, von Helikop­tern und so weiter betrifft. Aber das ist ja ohnedies niemals in Zweifel gezogen worden, dass die Austro Control in Bezug auf die zivile Luftfahrt überhaupt nicht wegzudenken ist.

Was die Betroffenheit der Bevölkerung im Zusammenhang mit Fluglärm betrifft, glaube ich, sagen zu können, dass wir in Österreich mit unseren Maßnahmen geradezu ein Herzeigemodell geschaffen haben. Ja, es ist so, dass Lärmbelästigung Einfluss auf den Gesundheitszustand der Menschen hat, dass das als hohe Belastung einzustufen ist. Und wir haben daher, was die Schwellwerte betrifft, ganz eng mit der Med-Uni Wien zusammengearbeitet, damit eben Schwellwerte so angesetzt werden, dass es zu keiner gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung kommt.

Was den Flughafen Wien betrifft, darf ich auch auf das diesbezügliche Mediationsver­fahren verweisen, das ja Jahre hindurch gelaufen ist, gerade eben was den Ausbau des Flughafens Wien-Schwechat betrifft. Dabei wurde ein für ganz Europa beispielhaftes Mo­dell der Bürgerbeteiligung installiert. Das hatte auch zur Folge, dass die europäische Luftfahrt den Sitz für solche Mediationsverfahren in Wien eingerichtet hat: unter Einbe­ziehung der Bevölkerung des jeweiligen Landes bei einem Flughafen-Neubau bezie­hungsweise bei einem Flughafen-Ausbau. – Das wollte ich jetzt nur erwähnen, weil das etwas ist, worauf wir in Österreich stolz sein können. (Bundesrat Schennach: Das gab es aber beim Flughafen Innsbruck auch schon!) – Das gab es auch schon beim Flug­hafen Innsbruck, zwar nicht in dieser Dimension, es hatte aber jedenfalls auch dort gro­ße Bedeutung.

Aufgrund dieses Einwandes möchte ich jetzt auch noch etwas ergänzen in Bezug auf Mediationsverfahren (Bundesrat Schennach: Bitte!): Klar ist, dass Lärmschwellwerte, die in einem Mediationsverfahren festgelegt werden – und zwar auch dann, wenn diese in einem Mediationsvertrag geringer als die gesetzlichen Schwellwerte festgelegt wur­den –, selbstverständlich eingehalten werden müssen. Das heißt, es geht nicht nur da­rum, einen Vertrag abzuschließen und eine Bürgerbeteiligung vorzunehmen, sondern es muss tatsächlich das umgesetzt werden, was gemeinsam mit der Bevölkerung ver­einbart und festgelegt wurde.

Abschließend zur Frage Gebührenhöhe und dazu, wie viel man an Überflugs-, An- und Abflugsgebühren einheben kann. In Österreich wurde im vergangenen Jahr – dieses war für die Luftfahrt das bisher schwierigste, eben aufgrund der wirtschaftlichen Situation – im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern keine Gebührenerhö­hung vorgenommen. Wir müssen da jetzt nachziehen, und natürlich sagt der Rech­nungshof richtigerweise, dass auch hier das Kostendeckungsprinzip gelten muss. Ja, aber wir müssen natürlich schon auch bedenken, dass wir, wenn wir über diese Gebüh­ren Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung finanzieren, in einem europäischen, ja globalen Wettbewerb stehen.

Ihnen, meine Damen und Herren, brauche ich wohl nicht zu sagen, wie schwierig es ist, den Flughafen Wien als sozusagen zentralen Flughafen zu halten. Es darf nicht so weit kommen, dass nur die Flughäfen in München und Frankfurt diese Aufgaben erfül­len und niemand mehr nach Wien direkt fliegen kann, sondern dass man immer umstei­gen muss. Das war im Übrigen auch eine große Sorge im Zuge des Verkaufs der AUA an die Lufthansa. Bei der Festlegung von Gebühren müssen wir natürlich auch darauf achten, den Flughafen-Standort Wien-Schwechat, der wirtschaftspolitisch ganz wichtig


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 74

und sozusagen ein Tor Österreichs in den Osten ist, zu halten. Es ist immens relevant, dass Österreich da keinen Wettbewerbsnachteil hat.

Es ist aber ohnehin ein Gebot der Stunde, dass, wenn Energie besteuert wird, dass, wenn es beispielsweise um die Lkw-Maut geht, der Grundsatz gilt: Jene, die mehr die Umwelt schädigen, haben – eben nach dem Verursacherprinzip – auch mehr zu zah­len. Und in diesem Zusammenhang appelliere ich immer daran, dass solche Einnah­men auch wirklich in Umweltschutzmaßnahmen fließen, dass also nicht nur Steuern erhöht werden, etwa unter dem Titel „Öko-Steuern“ – und diese Mittel dann aber nicht in Umweltschutzmaßnahmen fließen. Deshalb gehöre ich ja auch zu jenen, die sagen, die 1 Milliarde €, die wir aus dem Tank-Tourismus haben, sollen zweckgebundene Mit­tel sein.

Man kann also nicht nur sagen: Steuer erhöhen, das heißt dann automatisch „Öko-Steuer“, sondern das muss tatsächlich der Ökologie und dem Umweltschutz zugute kommen. Darauf müssen wir gemeinsam achten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.07


13.07.20

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. – Der Antrag ist somit angenom­men.

13.08.2110. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderungsurkunden der Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und des Vertrages der Interna­tionalen Fernmeldeunion, Genf 1992, geändert durch die Konferenz der Regie­rungsbevollmächtigten (Kyoto 1994), durch die Konferenz der Regierungsbevoll­mächtigten (Minneapolis 1998) sowie durch die Konferenz der Regierungsbevoll­mächtigten (Marrakesch 2002), samt Erklärungen und Vorbehalten (457 d.B. und 645 d.B. sowie 8298/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zum 10. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte um den Bericht.

 


13.08.54

Berichterstatter Ewald Lindinger: Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 24. März 2010 betreffend Änderungsurkunden der Sat­zung der Internationalen Fernmeldeunion und des Vertrages der Internationalen Fern­meldeunion, Genf 1992, geändert durch die Konferenz der Regierungsbevollmäch­tigten (Kyoto 1994), durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Minneapo­lis 1998) sowie durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Marrakesch 2002), samt Erklärungen und Vorbehalten.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

 


Ich stelle hiermit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

13.09.52


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 75

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

13.10.1311. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppel­besteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls (584 d.B. und 619 d.B. so­wie 8300/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zur Abände­rung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (585 d.B. und 620 d.B. sowie 8301/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 11 und 12 ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Ich bitte um die Berichte.

 


13.10.59

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich kom­me zum Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abände­rung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls sowie zum Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Ich stelle den Antrag,

1. gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


13.12.20

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 76

Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkom­mens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern von Ein­kommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Ös­terreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.14.4013. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden (610 d.B. und 626 d.B. sowie 8299/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Jany. Ich bitte um den Bericht.

 


13.14.55

Berichterstatter Reinhard Jany: Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überlei­tungsgesetz geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 77

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 6. April 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.15.42

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die wirt­schaftliche Situation der österreichischen Milchbauern ist alles andere als gut.

Landwirtschaftsminister Berlakovich hat am Mittwoch in der „Kronen Zeitung“ berichtet, dass das Einkommen unserer Bauern im Durchschnitt um 20 Prozent geschrumpft ist.

Nun stehen unserem Landwirtschaftsminister zur innerstaatlichen Verteilung sage und schreibe 6 Millionen € zur Verfügung. Wir werden den vorliegenden Antrag aus folgen­den Gründen ablehnen: Aus unserer Sicht gibt es Verbesserungsbedarf bei der forma­len Abwicklung. Die Vergabe der Mittel wird ja nicht gesetzlich geregelt, sondern über eine Verordnungsermächtigung, und da hat es sich der Wirtschaftsminister sozusagen einrichten können, über die 6 Millionen € zu verfügen. (Bundesrat Perhab: Das ist schon zukunftsweisend!)

Grundsätzlich sollte ja eine Mittelvergabe über eine gesetzliche Regelung erfolgen, weil wir eben eine parlamentarische Diskussion darüber führen möchten, wo und wofür das Geld eingesetzt wird. (Bundesrat Hensler: Für die Milch wird das eingesetzt, das hast du doch grad gesagt!)

Ich denke, dass gerade im Bereich der Landwirtschaft Transparenz wichtig ist. (Neuer­licher Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Transparenz ist nicht nur in der Landwirt­schaft wichtig, lieber Kollege, sondern auch in der Politik: Darum setzen wir uns dafür ein, dass es da Transparenz gibt – für die Bauern.

Lieber Kollege, wir fordern Transparenz, und das nicht, um damit eine Neiddebatte an­zuzetteln. Wir möchten Transparenz, weil die österreichischen Bäuerinnen und Bauern, insbesondere die Milchbäuerinnen und -bauern, wissen sollen, wohin die Mittel gehen und wofür das Agrarressort das Geld ausgibt. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht nämlich letztendlich nicht nur um die Verteilung, sondern um die Gestaltung der Agrarpolitik – und zwar nicht nur für heute und für morgen, sondern für die nächsten Jahrzehnte. (Beifall bei den Grünen.) Und wir Grüne, lieber Kollege, werden es nicht hinnehmen, dass Entscheidungen in den Hinterzimmern des Bauernbundes getroffen werden! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir möchten eine öf­fentliche Diskussion hier im Raum haben. (Heiterkeit des Redners.)

Ich denke, die österreichische Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu wissen, wofür das Geld ausgegeben wird, und das ist nicht nur im Interesse der Milchbauern und -bäu­erinnen.

Wir wissen auch alle, dass das Milchkontingent in Europa sozusagen einen Überschuss darbietet. Wir treten für eine Beibehaltung der Milchkontingentierung in Europa ein. Wir fordern den zuständigen Minister auf, dass die Leute, die die Produkte produzieren und vertreiben, von ihren Produkten auch leben können. Gegenwärtig ist es so, dass der Milchpreis ständig im Sinken begriffen ist. 2008 betrug der Preis pro Liter 40 Cent, glau­


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 78

be ich, und mittlerweile sind wir, glaube ich, bei 30 Cent und darunter – und das bei steigenden Betriebsausgaben. Die Düngemittel, der Diesel und die Futtermittel werden teurer. Da tut sich eine Schere auf! (Bundesrat Hensler: Hör zu! Unser Bundesminister hat sich eingesetzt, dass man bei diesem Problem ein bisschen ...! – Bundesrat Schen­nach: Ein bisschen!)

Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns einig, werter Kollege, nämlich darin, dass un­sere Bauern qualitativ hochwertige Produkte produzieren, oder? (Bundesrat Hensler: Da bin ich bei dir!) – Da bist du bei mir, das freut mich.

Aber es ist für mich und auch für die Konsumenten und Konsumentinnen nicht nach­vollziehbar, dass bei der Lebensmittelkennzeichnung, die in den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministers fällt, noch immer arge Zustände herrschen: Wie kann es denn sein, dass aus einer holländischen Milch, die in Deutschland verarbeitet wird, ein „öster­reichischer“ Käse herauskommt? Die Kunden und Kundinnen kaufen Käse in dem Glau­ben, dass das österreichische Qualität ist, dabei ist das ein Analogkäse aus dem La­bor. Da brauchen wir Lebensmittelwahrheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit! (Ru­fe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Hensler und Schennach.) – Danke, das freut mich. Da bekomme ich einen Jungbauernkalender? (Heiterkeit des Redners.)

Wir Grünen fordern eine Agrarpolitik, die eben auf die kleinbäuerliche Struktur zuge­schnitten ist, die auch diese Betriebe fördert und unterstützt. Die Kleinen kommen in diesem System ja wirklich immer mehr unter die Räder. Das fällt uns allen auf den Kopf, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Tourismusbereich: Wenn nämlich der kleine Bergbauer nicht mehr überlebens- und existenzfähig ist, ist davon auch der Tou­rismusstandort Österreich betroffen, unsere schönen Almen.

Deshalb sollten bei der Agrarpolitik Klimaschutz, Wasserschutz und biologische Vielfalt an vorderster Stelle stehen. Was die Erhaltung der Arbeitsplätze im ländlichen Raum betrifft, möchte ich auf das Job-Potential im Bereich der erneuerbaren Energie hinwei­sen. Dafür sollten wir uns alle gemeinsam einsetzen.

Die 6 Millionen €, die dem Herrn Landwirtschaftsminister zur Verfügung stehen, wer­den die 40 000 Milchbetriebe in Österreich nicht reich machen. Wir ersuchen, in Zu­kunft eine vernünftige und nachhaltige Agrarpolitik zu betreiben. Das ist gegenwärtig aus unserer Sicht leider Gottes nicht der Fall. Deswegen werden wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

13.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Preineder. – Bitte.

 


13.22.39

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Lieber Vorredner, ich danke für dein ehrliches Bemühen, dich mit dem Thema Landwirtschaft auseinanderzusetzen. Es ist wirklich gut, wenn man merkt, man beschäftigt sich damit. Viele andere, inhaltliche Dinge gilt es klarzustellen.

Geschätzte Damen und Herren, es ist darauf hingewiesen worden: Der Milchpreis ist dramatisch gesunken ist. Lag er 2008 bei über 40 Cent, nämlich im Durchschnitt bei 43,65 Cent, so war er ein Jahr später um genau 11 Cent niedriger. Unter der Voraus­setzung, dass die Betriebskosten, die Produktionskosten gleich bleiben, bedeutet das natürlich, dass die Milchbauern unter den Produktionskosten produziert haben.

Auf der steirischen Seite von „www.orf.at“ ist heute zu lesen, dass es heuer in der Stei­ermark im Vergleich zum Jahr 2000 um ein Drittel weniger Milchbauern gibt, dass da ein dramatischer Strukturwandel Platz greift und daher auch eine entsprechend schlech­te Stimmung herrscht.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 79

Um dem entgegenzuwirken, hat unser Herr Bundesminister Berlakovich 20 Vertreter be­ziehungsweise Agrarminister aus der Europäischen Union in Wien an einen Tisch geholt, um ein Paket zu schnüren, mit dem die Milchwirtschaft unterstützt werden soll. Ein Teil dieses Pakets sind diese 6 Millionen €. Ich würde bitten, wenn dieser Betrag auch noch so klein ist und die Milchwirtschaft nicht retten wird, diesen Betrag nicht durch eine Ge­genstimme den Bauern vorzuenthalten. Ich bitte um Ihre Zustimmung!

Es ist ein Teil eines Pakets. Das heißt, dass seitens der Europäischen Union mehr Geld für öffentliche Lagerhaltung aufgewendet wird, dass Exporterstattungen vorangetrieben werden, dass wir in Österreich jene Quotenaufstockung, die die Europäische Union mit 1 Prozent vorgegeben hätte, ausgesetzt haben, um die Produktion niedrig zu halten.

Das heißt auch, dass 2010 eine Milchkuhprämie in der Höhe von in Summe 26 Millio­nen € kommen soll. Das Paket beinhaltet auch, dass für jene Betriebe, die diese kon­tingentierte Menge überliefern, eine Verschärfung eingeführt wird, damit das Überliefern nicht wirtschaftlich interessant ist. – Das darf nicht wirtschaftlich sein! Auch die Weide­prämie, die Auslaufprämie wurde erhöht.

In diesem Kontext, in diesem Paket sind die 6 Millionen € zu sehen, die in Österreich verteilt werden. Sie werden sehr transparent verteilt, Herr Kollege. Ich glaube, es ist ganz einfach: Jene 6 Millionen € werden auf die Milchmenge, auf die Quotenmenge – nicht auf die produzierte Menge, sondern auf die Lieferrechtsmenge – aufgeteilt, in der Höhe von 0,22 Cent, mindestens jedoch 50 €. Das heißt, ein kleinerer Betrieb bekommt mindestens 50 €, ein größerer entsprechend seiner Quote. Über die Transparenz könn­ten wir noch stundenlang diskutieren, aber ich glaube, es ist eine einfache, klare Lö­sung, die dieses Geld schnell zu den Bauern bringt.

In der Landwirtschaft herrscht Transparenz. Es wundert mich, wenn Sie sie heute ein­fordern. Es wundert mich auch, wenn sie der Kollege Kräuter seitens der sozialistischen Fraktion immer wieder einfordert. Die Transparenz gibt es nirgends in dieser Form, näm­lich dass öffentliche Mittel, die die Bauern bekommen, einzelbetrieblich im Internet für jeden Menschen verfügbar einsichtig sind.

Da geht es nicht darum, worüber beim Transferkonto geredet wird, nämlich soziale Transferleistungen für öffentliche Stellen einsichtig zu machen – auch das wird kom­men –, sondern in der Landwirtschaft geht es um alle: Alle öffentlichen Mittel sollen für alle Bürger einsehbar sein. Also mehr Transparenz kann es nicht geben! Wenn hier jemand mehr fordert, dann weiß ich nicht, wie das gehen soll.

Geschätzte Damen und Herren, eines darf ich dem, was Kollege Dönmez gesagt hat, hinzufügen: Entscheidend ist, dass wir die Qualität unserer Produkte schätzen. Entschei­dend ist, dass österreichische landwirtschaftliche Produkte, österreichische Nahrungs­mittelprodukte auch einen entsprechenden Markt haben. Auch das ist ein Problem, das wir am Milchmarkt erleben.

Die Produktion wurde zwar zurückgefahren – im letzten Jahr um 0,5 Prozent. Der Preis ist nicht deswegen gefallen, weil die Produktion gestiegen ist, sondern es ist einfach der Absatz eklatant zurückgegangen, nämlich um 8 Prozent. Die Produktion ist hingegen nur um 0,5 Prozent zurückgegangen. So ist der Preis entsprechend gefallen.

Wir brauchen Sie alle hier und draußen als Konsumenten, als Partner, um das Bewusst­sein zu stärken, dass heimische Produkte auch heimische Arbeitsplätze schaffen. Es ist notwendig, eine klare Kennzeichnung durchzuführen. Auch dafür wurde heute schon eine Lanze gebrochen. Es ist eben wichtig, dass, wo Österreich draufsteht, auch Öster­reich drinnen ist.

Wenn man einen „Hartberger Bauernquargel“ kauft, und es ist weder Hartberg drin, noch hat es etwas mit Bauern zu tun, dann kann ich sagen, was übrig bleibt: Dann bleibt der


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 80

Quargel übrig! Ich glaube, da sollten wir durchaus überlegen, wie wir zu klaren Rege­lungen kommen, wie heimische Produkte von heimischen Bauern auch als solche de­klariert werden, damit heimische Verarbeitungsbetriebe und heimische Arbeitnehmer entsprechend einen Job haben.

Ich darf Ihnen daher heute den „Herrn Heimisch“ vorstellen. (Der Redner hält ein Plakat mit dem Logo der Kampagne „Heimisch kaufen“ mit der Aufschrift „Heimische Arbeits­plätze sichern! www.heimischkaufen.at“ in die Höhe. – Beifall bei der ÖVP.)

Der „Herr Heimisch“ ist kein Produkt aus dem Hinterzimmer des Bauernbundes, son­dern Werbesymbol der Agrarwirtschaft, der Bauernschaft, um darauf hinzuweisen, dass mit einem heimischen Produkt auch heimische Arbeitsplätze und heimische Jobs unter­stützt werden. Regional, sicher, heimisch kaufen! Damit wünsche ich alles Gute. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

13.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


13.30.01

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Kollege Preineder versuchte, den Herrn Landwirtschaftsmi­nister als einen wahren Berserker seiner Materie darzustellen. Ich halte es lieber mit dem Kollegen Hensler, der in einem Zwischenruf gemeint hat, unser Minister hat sich ein bisserl eingesetzt. Das „bisserl“ ist, glaube ich, das, was ich als Kennmarke dieser Debatte hernehmen muss (Bundesrat Hensler: Das habe ich nicht gesagt!), denn wo­ran fehlt es denn? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das war ein Zwischenruf heraus zu einem Kollegen. Ein bisserl, hat er gesagt, ein bisserl eingesetzt. (Bundesrat Hensler: Das stimmt nicht!) Das stimmt schon. (Bundesrat Hensler: Nein!) Das stimmt schon. (Präsi­dent Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

An was fehlt es in dieser ganzen Diskussion? – In unserer Landwirtschaftspolitik fehlen drei Dinge: Hirn, Herz und Ehrlichkeit. Tut mir leid, Herr Kollege Preineder. Es war immerhin ein Minister Molterer, der 2008 noch 25 Millionen € versprochen hat. Jetzt ist es ein Viertel mit 6 Millionen. Richtig? – Richtig! (Zwischenruf des Bundesrates Prei­neder.) Na ja, die, die man für nächstes Jahr versprochen hat, die schaue ich mir erst einmal an. Ob die kommen, ob die denselben Zeitwertverlust haben wie die, die der Herr Molterer versprochen hat, das müssen wir erst einmal sehen.

Zweitens: Diese 6 Millionen sind angesichts der dramatischen Situation, in der unsere Milchbauern sind, maximal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das wissen Sie auch, und Sie wissen auch, wie dramatisch die Lage der österreichischen Milchbauern und mittlerweile -bäuerinnen ist, denn ein Drittel jener Betriebe, die Milchkühe haben, ste­hen unter der Leitung von Bäuerinnen.

Was ist hier zu tun? – Da genügt das gezeigte Schild nicht, denn das ist nicht zeitge­mäß, Herr Kollege, sondern es gibt zwei Maßnahmen, die notwendig sind.

Das Erste ist ein Gesamtpaket, in dem Sie den Bauern und den Bäuerinnen so ein lukra­tives Angebot machen, dass es zu einem freiwilligen Milchlieferverzicht kommt. Und wenn man das nur mit 5 Prozent nimmt (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), er­höht sich der Preis gleich um 10 Prozent.

Ihr Minister, der sich ein bisserl eingesetzt hat, der vergleicht sozusagen jetzt nach die­ser Maßnahme immer mit den Falschen, er vergleicht mit dem Durchschnitt der EU, er nimmt Bulgarien, Rumänien, er nimmt einfach alles rein. Womit kann sich der österrei­chische Milchbauer, kann sich die österreichische Milchbäuerin vergleichen? Mit jenen


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 81

in Südtirol. Jene in Südtirol bekommen aber interessanterweise genau das Doppelte. Also irgendetwas stimmt hier nicht.

Und das andere, wofür es sich einzusetzen gilt, ist das Marketing – aber nicht mit so einem Maxl da. Das Marketing ist der springende Punkt.

Wir haben zwei Dinge. Das eine: Wir produzieren Alpenmilch. Da gab es schon die Ini­tiative des Kollegen Pirklhuber im Nationalrat. Und was mir aufgefallen ist – da haben wir wieder das Stichwort Molterer, der immerhin Landwirtschaftsminister war –, ist ein Zwischenruf, den ich gefunden habe, wo er meint, die Alpenmilch aus dem Burgenland, offensichtlich nicht mehr wissend, schon lange den Grünen Berichten entfremdet, dass über 80 Prozent der Milchbauern und -bäuerinnen im Gebirgsgebiet produzieren. Das heißt, wir könnten hier eine Marke setzen.

Weil ich da hinten den Abgeordneten Huber aus Osttirol sehe: Er hat ja auch eine Initi­ative gemacht, nämlich die Initiative: kein gentechnisch verseuchtes Futtermittel.

All das sind Kennzeichen, die in ein Marketing hineingehören. Und weil wir uns heute, lieber Kollege Andreas Schnider, wieder einmal über Bildungsfragen unterhalten haben: Wo bleibt die Initiative der Bundesregierung, auf etwas in der Marke zu setzen? Was gibt es Cooleres als Grundprodukt als Milch für die Ernährung? Überall steht, unsere Schulkinder sind zu dick, unsere Schulkinder, Herr Landesschulratspräsident, sind man­gelernährt, krass mangelernährt. Warum kann man nicht – und es ist leider absolut nichts Uncooles dahinter, dieser Mangel ist uncool – dieses Produkt Milch als einen coolen Energiedrink darstellen? Wir müssen genau in jenen Bereichen Flagge zeigen, wo es um eine sehr frühe Entscheidung geht: Trinke ich Energiedrinks aus der Che­mie, oder verwende ich die Milch als ein Grundprodukt? (Beifall bei den Grünen.)

Genau hier müssen wir wieder einsteigen, und deshalb wäre die altbackene und durch­aus modern aufzuziehende Schulmilch eine interessante Sache, die den Milchbäuerin­nen und Milchbauern wesentlich mehr brächte als diese Tropfen-auf-dem-heißen-Stein-Aktion, die Sie da jetzt machen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Deshalb: Machen Sie ein Gesamtpaket! Reden Sie mit den 3 700 Milchbäuerinnen und Milchbauern und schauen Sie, dass man den Preis der Milch dadurch verbessert, dass man in einer ersten Etappe einen Milchlieferverzicht zustande bringt und in einer zwei­ten Etappe Marketing betreibt.

An Marketing fehlt es, meine Damen und Herren, an Ihrem Marketing. Das nützt ein­fach nichts, wenn Sie mit altbackenen Rezepten daherkommen. Die Milch muss ganz unten ansetzen, am besten im Kindergarten. Dann ist es auch eine neue Chance. (Zwi­schenruf des Bundesrates Keuschnigg.) Ja, Herr Bauernbunddirektor, das ist aber ein Versagen. Sie lachen so schön. Wo sind die großen Bauernbunddirektoren, wo sind die großen Vermarkter? Ich komme ein bisserl aus dem Marketingbereich, und ich vermis­se hier jegliche Initiative. Was die Schule angeht, haben Sie einfach gegenüber der Chemie, den chemischen Energiedrinks verloren. Genau da fände aber die Prägung statt, ob man Milch trinkt im späteren Alter oder nicht. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

13.36


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


13.36.20

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben gehört, es gibt einen massiven Verfall des Milchpreises. Der Grund ist auch bekannt: Es gibt zu viel Milch auf dem Markt, und die Bauern bekommen für die Milch Preise, die sich nicht rechnen.


BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 82

Aufgrund dessen hat die Europäische Union eine besondere Marktstützungsmaßnahme auf dem Sektor Milch auf Basis einer Verordnung erlassen, eine gesetzliche Basis für die nationale Umsetzung ist bisher aber noch nicht vorhanden. Das soll nunmehr mit dieser heute vorliegenden Novelle geändert werden.

Mit dieser Novelle zum Marktordnungsgesetz werden EU-Gelder – das haben wir auch schon gehört – in der Höhe von 6 Millionen € aus dem Titel „Marktsteuerungsmaßnah­men“ an die österreichischen Milchbauern ausbezahlt. Insgesamt in Europa – ich glau­be, das ist heute noch nicht erwähnt worden – sind es 300 Millionen €. Dieser Betrag von 6 Millionen € muss, wie gesagt, bis 30. Juni 2010 an die Milchbauern überwiesen beziehungsweise an sie ausbezahlt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Um diese Auszahlung nicht zu gefährden, wird die SPÖ der vorliegenden Novelle natürlich die Zustimmung geben. Ich halte jedoch fest, dass sich unsere Fraktion eine Begünstigung für jene Milchbauern gewünscht hätte, die ihre Lieferquote einhalten und nicht überliefern und dadurch das System bisher stabili­siert haben. Und das sind, sehr geehrte Damen und Herren, vor allem die Bauern, wel­che kleine bis mittelgroße Betriebe bewirtschaften. Leider wurde aber dieser Vorschlag von unserem Koalitionspartner abgelehnt.

Wir stimmen, wie gesagt, natürlich dieser Novelle zu, um die Bauern angesichts dieser Milchsituation zu unterstützen, verbinden aber gleichzeitig damit die Hoffnung, dass wir in Zukunft gemeinsam Modelle erarbeiten, die für mehr Einkommensgerechtigkeit sor­gen, speziell für Einkommensgerechtigkeit für unsere kleinen Landwirte. (Bundesrat Per­hab: Eine Arbeiterkammer-Studie sagt was anderes dazu!) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsident Peter Mitterer: Es gibt noch weitere Wortmeldungen. Die nächste ist die zweite Wortmeldung von Herrn Bundesrat Preineder. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


13.39.07

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Lieber Stefan Schennach, kurz zu deinem Debattenbeitrag. Viele Dinge sind richtig, viele Dinge nicht, und das Gefähr­lichste in der Politik sind Halbwahrheiten. Richtig ist, dass wir uns um den Markt bemü­hen, und das hast du von mir gehört, richtig ist möglicherweise, dass wir bei der Schul­milch verstärkt wieder Initiativen setzen müssen, aber nicht richtig ist, dass wir mit Lie­ferverzicht den Preis steigern.

Wir haben einen offenen europäischen Markt, wir haben einen offenen Weltmarkt. Öster­reich hält 2 Prozent der Milchproduktion, und wenn ganz Österreich auf die Produktion verzichtet, würde sich das in Europa nicht nennenswert auswirken und zu keiner Preis­steigerung führen. Also dieser Unwahrheit, mit Lieferverzicht – es gab ja bereits das System des freiwilligen Lieferverzichts – zu einer Preissteigerung zu kommen, möchte ich entgegenreden. Aber ich habe auch gesagt, 8 Prozent Marktreduktion war das, was uns beim Preis geschadet hat, und nicht die Produktionsmenge. – Erster Bereich.

Zweiter Bereich: Es ist sicher ein Marktvorteil, gentechnikfreie Produkte anbieten zu kön­nen. Wir tun das. Die österreichische Milch ist gentechnikfrei, und es gibt gentechnik­freies Futtermittel dazu. Hier gab es Marketingprogramme. Wissen Sie, was die Schwie­rigkeit dabei ist? – Das in einen Mehrpreis umzusetzen. Mittlerweile ist „gentechnikfrei“ Standard bei der österreichischen Milch und nicht mehr aufpreiswürdig.

Und Politik mit „Hirn, Herz und Ehrlichkeit“. – Ich sage, der Bauernbund macht Politik mit Hirn, Herz und Hand, nämlich wir arbeiten auch etwas. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Grünen.)

13.40



BundesratStenographisches Protokoll783. Sitzung / Seite 83

Präsident Peter Mitterer: Die nächste Wortmeldung ist die des Herrn Bundesrates Hensler. Ich ersuche ihn, zu sprechen. (Unruhe und Heiterkeit im Saal.)

 


13.41.04

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte eine tatsächliche Berichtigung zu der Aussage des Kollegen Stefan Schen­nach machen.

Kollege Schennach hat behauptet, dass ich in meiner Wortmeldung in einem Zwischen­ruf gesagt habe, der Minister habe sich ein „bisschen“ eingesetzt. – Das habe ich bei Gott nicht gesagt!

Sehr wohl aber habe ich gesagt, dass hier in der Landwirtschaft diese 6 Millionen € bei Gott nicht das Allheilmittel sind, sondern damit ein gewisser Teil abgegolten wird, aber in keiner Weise, dass sich der Herr Minister „ein bisschen“ eingesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei SPÖ und Grünen.)

13.41


13.41.20

Präsident Peter Mitterer: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehr­heit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist somit abgearbeitet.

13.42.28Einlauf

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gebe noch bekannt, dass in der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen, die Anfragen 2747/J-BR bis 2749/J-BR, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 6. Mai, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Ich möchte noch bekannt geben, dass die beiden Vizepräsidenten, Frau Mag. Susanne Neuwirth und Herr Mag. Harald Himmer, um 16 Uhr zu einer Veranstaltung in die Säu­lenhalle beziehungsweise in das Abgeordnetensprechzimmer laden: „Pestarzt in China“. Sie sind herzlich dazu eingeladen.

Ich wünsche gutes Nachhausekommen!

Die Sitzung ist geschlossen.

13.43.39Schluss der Sitzung: 13.44 Uhr

 

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