BundesratStenographisches Protokoll787. Sitzung / Seite 116

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In diesem Sinne darf ich zur großen „Überraschung“ aller berichten, dass meine Fraktion diesem Abkommen zustimmen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Fraktionsvorsitzender Konecny. – Bitte.

 


15.18.13

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kühnel hat ja schon darauf hingewiesen, dass wir in den letzten Jahrzehnten in wesentlich größerem Umfang als jemals, ein halbes Jahrhundert davor mit der Erbschaft von früher gemeinsamen Staaten konfrontiert waren, die sich freiwillig oder unfreiwillig, in Frieden oder nicht in Frieden aufgelöst haben. Nach 1918 gab es ja den berühmten Witz, der auch auf Realität beruht, dass es in manchen Gegenden Galiziens Menschen gegeben hat, die, ohne sich jemals von ihrem Wohnort wegzubewegen, vier bis fünf Staatsbürgerschaften bekommen haben – aber sie haben sie wenigstens bekommen.

Dort, wo es eine friedliche Trennung war, wie bei unseren nördlichen Nachbarn Tschechien und Slowakei, hat es in dieser Hinsicht auch keine Probleme gegeben. Aber dort, wo die Trennungen nach zum Teil sogar militärischen Auseinander­set­zungen in einem Klima des gegenseitigen Hasses stattgefunden haben, dort ist dieser Hass in vielen Fällen auch auf jene losgelassen worden, wo Zweifel daran bestanden, dass sie sich mit vollem Herzen zu dem nunmehr unabhängigen Staat bekennen würden.

Wir alle kennen die Probleme, mit denen die russische Minderheit in den drei balti­schen Republiken – am schärfsten in Lettland – konfrontiert ist, wo es zwar ein formales Angebot gibt, aber da ist es so ähnlich wie mit dem Wahlrecht für die Schwarzen in den USA, die früher dafür eine Prüfung ablegen mussten. Jetzt muss der Angehörige der russischen Minderheit eine Prüfung über seine Kenntnisse – in diesem Fall der lettischen Sprache – ablegen. Wir alle wissen und haben es manchmal auch erlitten: Der Prüfer hat es in der Hand, wie eine Prüfung ausgeht – es sei denn, er hat es mit einem Genie zu tun, aber auch dort schafft er es manchmal.

Wir haben in einem südlichen Nachbarstaat, in Slowenien, miterlebt, dass es zwar formal für alle im Staatsgebiet Slowenien lebenden ehemaligen jugoslawischen Staats­bürger die Möglichkeit gab, sich um die slowenische Staatsbürgerschaft zu bewerben, die Fristen waren allerdings außerordentlich kurz, das ganze Verfahren war, um es freundlich zu sagen, komplex, und die Promulgation der entsprechenden Rechts­grundlagen hat sich in Grenzen gehalten. Das Resultat war, dass einige tausend Menschen nicht nur um ihre Staatsbürgerschaft, sondern um all ihre Rechte ein­schließlich ihrer Pensionen umgefallen sind. Es hat viele, viele Jahre gedauert – und ich darf in Klammer dazusagen, dass es dazu erst einer sozialdemokratischen Regie­rung bedurft hat –, dass die Probleme dieser Menschen in Slowenien jetzt einer Lösung zugeführt wurden.

Ich will nicht ins Detail gehen, aber es ist klar, dass jemand, der seinen ordentlichen Wohnsitz – so würden wir gemäß der österreichischen Rechtsordnung sagen – in einem bestimmten Ort hat, dann, wenn dieser Ort die staatliche Zugehörigkeit wechselt, weil ein neuer Staat entsteht, zu dem dieses Gebiet gehört, jedes Recht der Welt darauf hat, die Staatsbürgerschaft dieses Staates ohne Prüfungen, ohne Schika­nen, ohne Vorbehalte zu bekommen. Wenn er damit nicht einverstanden ist, hat er im Rahmen der jeweiligen Gesetze natürlich auch die Möglichkeit, in einen Staat zu wechseln, dessen Staatsbürgerschaft er annehmen kann, wenn das möglich ist.

 


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