Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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790. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 2. Dezember 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

790. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Dezember 2010: 10.53 – 16.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer/s Vizepräsidentin/en und einer/s Ordnerin/s für den Rest des 2. Halbjahres 2010

2. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2009 der Bundesregierung

3. Punkt: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Serbien ande­rerseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen

4. Punkt: Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte

5. Punkt: Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Indonesien andererseits samt Schlussakte

6. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Mul­tilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Einrichtung von Verbindungsbüros in Wien

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechnungs­hofgesetz 1948, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und das Verwaltungsgerichts­hofgesetz 1985 geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich erlassen sowie das National­fondsgesetz geändert wird

10. Punkt: 33. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2009)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Post-Betriebs­verfassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Arbeitsverhältnisse zu The­aterunternehmen (Theaterarbeitsgesetz – TAG) erlassen und mit dem das Urlaubsge­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 2

setz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Arbeitsruhe­gesetz geändert werden (Theateranpassungsgesetz 2010)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversiche­rungs-Änderungsgesetz 2010 – 2. SVÄG 2010)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 – FinStrG-Novelle 2010)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorga­nisationsgesetz 2010 und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert werden (Be­trugsbekämpfungsgesetz 2010 – BBKG 2010)

17. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

18. Punkt: Wahl von Ausschüssen

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat .................................................................................................................. 8

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Ing. Hans-Peter Bock sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat               10

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ................................................................................................................ 11

Angelobung der Bundesräte Wolfgang Beer, Mag. Muna Duzdar, Elisabeth Grimling, Mag. Harald Himmer, Hans-Jörg Jenewein, Monika Kemperle, Dr. Jennifer Kickert, Monika Mühlwerth, Mag. Reinhard Pisec, Stefan Schen­nach, Johann Schweigkofler und Reinhard Todt                         11

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Umnominierung eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Arti­kel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz         ............................................................................................................................... 28

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über Änderungen des Ver­laufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI sowie über Änderungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 durch den Herrn Bun­despräsidenten ............................................................................................................... 29


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 3

1. Punkt: Wahl einer/s Vizepräsidentin/en und einer/s Ordnerin/s für den Rest des 2. Halbjahres 2010              ............................................................................................................................... 32

18. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................... 97

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 8

Aktuelle Stunde (5.)

Thema: „Österreichische Schwerpunkte während und nach der Mitglied­schaft im UN-Sicherheitsrat“ ......................................................................................................................................... 12

Redner/Rednerinnen:

Georg Keuschnigg ....................................................................................................... 12

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 14

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 17

Bundesminister Dr. Michael Spindelegger ........................................................  18, 26

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 21

Dr. Angelika Winzig ...................................................................................................... 23

Stefan Schennach ........................................................................................................ 24

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 25

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Enthebung der Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Chris­tine Marek vom Amt sowie Ernennung von Frau Mag. Verena Remler zur Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend durch den Bundespräsidenten ....................................................................................... 28

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 31

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 32

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 32

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2009 der Bundesregierung (III-409-BR/2010 d.B. sowie 8402/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 33

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 34

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Stabi­lisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemein­schaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Serbien anderer­seits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (944 d.B. sowie 8403/BR d.B.) ....................................................................................... 33

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 34


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 4

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Amts­sitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäi­schen Union für Grundrechte (788 d.B. und 950 d.B. sowie 8404/BR d.B.) ................................................................................................................. 33

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 34

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Rah­menabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Re­publik Indonesien andererseits samt Schlussakte (868 d.B. und 951 d.B. sowie 8405/BR d.B.) ...................................................................................................... 34

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 34

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (872 d.B. und 952 d.B. sowie 8406/BR d.B.) ........................ 34

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 34

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wie­deraufbau und Entwicklung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Mul­tilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Einrichtung von Verbindungsbü­ros in Wien (923 d.B. und 953 d.B. sowie 8407/BR d.B.) ..................... 34

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 34

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 35

Günther Köberl ............................................................................................................. 36

Peter Zwanziger ............................................................................................................ 39

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 40

Stefan Schennach ........................................................................................................ 41

Bundesminister Dr. Michael Spindelegger ............................................................... 44

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, den Bericht III-409-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 46

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 46

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 47

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 47

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 47

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 47

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechnungshofge­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 5

setz 1948, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und das Verwaltungsgerichts­hofgesetz 1985 geändert werden (1187/A und 989 d.B. sowie 8408/BR d.B.) ............................................................................................................................... 47

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 48

Redner/Rednerinnen:

Michael Lampel ............................................................................................................ 48

Edgar Mayer .................................................................................................................. 49

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 51

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 52

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 54

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ................................................. 55

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung des Fonds zur In­standsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich erlassen sowie das National­fondsgesetz geändert wird (1313/A und 990 d.B. sowie 8409/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 55

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 55

Redner/Rednerinnen:

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................... 56

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 57

Inge Posch-Gruska ....................................................................................................... 58

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 61

10. Punkt: 33. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2009) (III-390-BR/2010 d.B. sowie 8410/BR d.B.) ................................................................................................................. 61

Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 61

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 61

Klaus Konrad ................................................................................................................ 63

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 65

Franz Wenger ................................................................................................................ 66

Ana Blatnik .................................................................................................................... 68

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka .................................................................................. 69

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ............................................................................ 70

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits ......................................................................... 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-390-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 75

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Post-Betriebsver­fassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (901 d.B. und 975 d.B. sowie 8413/BR d.B.) .................................................... 75

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 76

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 76

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 77


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 6

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 78

Josef Steinkogler ......................................................................................................... 79

Stefan Zangerl .............................................................................................................. 79

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 80

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 82

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 83

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Arbeitsverhältnisse zu Theater­unternehmen (Theaterarbeitsgesetz – TAG) erlassen und mit dem das Urlaubs­gesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (Theateranpassungsgesetz 2010) (936 d.B. und 976 d.B. sowie 8414/BR d.B.) ................................................................................................................. 83

Berichterstatterin: Monika Kemperle ........................................................................... 83

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 83

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozial­versicherungs-Änderungsgesetz 2010 – 2. SVÄG 2010) (937 d.B. und 959 d.B. sowie 8411/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 84

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................... 84

Redner/Rednerinnen:

Klaus Konrad ................................................................................................................ 84

Josef Steinkogler ......................................................................................................... 85

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 85

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 86

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz geändert wird (1308/A und 962 d.B. sowie 8412/BR d.B.)                86

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................... 86

Redner/Rednerinnen:

Monika Kemperle ......................................................................................................... 86

Josef Saller ................................................................................................................... 87

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 89

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz geän­dert werden (Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 – FinStrG-Novelle 2010) (874 d.B. und 945 d.B. sowie 8415/BR d.B.) .......................................... 89

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 89


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 7

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorga­nisationsgesetz 2010 und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert werden (Betrugsbekämpfungsgesetz 2010 – BBKG 2010) (875 d.B. und 946 d.B. sowie 8416/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 89

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 89

Redner/Rednerinnen:

Dr. Angelika Winzig ...................................................................................................... 90

Johann Kraml ............................................................................................................... 91

Peter Mitterer ................................................................................................................ 92

Franz Perhab ................................................................................................................. 92

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ......................................................................... 94

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 95

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 95

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (939 d.B. und 947 d.B. sowie 8417/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 95

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 96

Redner:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................... 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................... 97

Eingebracht wurde

Anfrage der Bundesräte

Walter Temmel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Pinkatal-Bus (2777/J-BR/2010)


 


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 8

10.52.49Beginn der Sitzung: 10.53 Uhr

 


Präsident Martin Preineder: Geschätzte Damen und Herren! Ich eröffne die 790. Sit­zung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 789. Sitzung des Bundesrates vom 5. November 2010 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Verhindert ist das Mitglied des Bundesrates Ebner.

10.53.12Einlauf

 


Präsident Martin Preineder: Eingelangt sind ein Schreiben des Wiener Landtages be­treffend die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates sowie ein Schreiben des Tiroler Landtages betreffend Nachwahl eines Mitgliedes und eines Er­satzmitgliedes des Bundesrates beziehungsweise ein Schreiben des Oberösterreichi­schen Landtages über die Nachwahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:

„Herrn

Präsidenten des Bundesrates                                                               PROF. HARRY KOPIETZ

Martin Preineder                                                                                               ERSTER PRÄSIDENT

                                                                                                                     DES WIENER LANDTAGES

Parlament

1017 Wien                                                                                                     Wien, 25. November 2010

04133-2010/0001-MDSALTG

Wahl von 11 Mitgliedern des

Bundesrates und deren Ersatz-

mitglieder samt Reihung

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der konstituierenden Sitzung des Wiener Landtages am heutigen Tag fand die Wahl der 11 Mitglieder des Bundesrates und deren Ersatzmitglieder statt.

Auf Grund der proportionellen Berechnung nach dem d’Hondtschen System entfallen die einzelnen Bundesratsmandate auf die wahlwerbenden Parteien in folgender Rei­henfolge:

auf die SPÖ die 1., 3., 4., 7., 9. und 11. Stelle

auf die FPÖ die 2., 5. und 10. Stelle

auf die ÖVP die 6. Stelle

auf die GRÜNEN die 8. Stelle

Die Gesamtreihung lautet auf Grund der von der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates, dem Klub der Wiener Freiheitlichen, dem ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien und dem Grünen Klub im Rathaus erstatteten Vor­schläge laut beiliegender Liste.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 9

Die Gewählten entsprechen den Bestimmungen der Bundesverfassung.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Prof. Harry Kopietz

Erster Präsident

Beilagen“

WIENER BUNDESRÄTE

                                                                                                                          Stand: 25. November 2010

1. Stelle:            Reinhard Todt

Ersatz:              Alois Aschauer

2. Stelle:            Monika Mühlwerth

Ersatz:              Dkfm. Hubert Grillmayer

3. Stelle:            Monika Kemperle

Ersatz:              Martina Ludwig-Faymann

4. Stelle:            Stefan Schennach

Ersatz:              Martina Malyar

5. Stelle:            Mag. Reinhard Pisec

Ersatz:              Mag. Martin Hobek

6. Stelle:            Mag. Harald Himmer

Ersatz:              Dr. Norbert Schnedl

7. Stelle:            Wolfgang Beer

Ersatz:              Kurt Wagner

8. Stelle:            Dr. Jennifer Kickert

Ersatz:              Marco Schreuder

9. Stelle:            Elisabeth Grimling

Ersatz:              Katharina Schinner

10. Stelle:         Hans-Jörg Jenewein

Ersatz:              Dr. Herbert Madejski

11. Stelle:         Mag. Muna Duzdar

Ersatz:              Fritz Strobl

Auf die Sozialdemokratische Fraktion

des Wiener Landtags und Gemeinderats

entfallen die 1., 3., 4., 7., 9. und 11. Stelle.

Auf den Klub der Wiener Freiheitlichen

entfallen die 2., 5. und 10. Stelle.

Auf den ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien

entfällt die 6. Stelle.

Auf den Grünen Klub im Rathaus

entfällt die 8. Stelle.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 10

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes:

                                                                                                                                                 „Tiroler Landtag

                                                                                                                                           Landtagspräsident

                                                                                                                                     DDr. Herwig van Staa

An die

Parlamentsdirektion - Bundesratsdienst                                              Telefon 0512/508-30004

Dr. Karl-Renner-Ring 3                                                                                          Fax 0512/508-3005

1017 Wien                                                                                                  landtag.direktion@tirol.gv.at

                                                                                                                                                    DVR:0059463

Nachwahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates

Innsbruck 17.11 .2010

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das an fünfter Stelle entsandte Mitglied des Bundesrates, Herr Ing. Hans-Peter Bock, hat mit sofortiger Wirkung am 16. November 2010 auf sein Bundesratsmandat ver­zichtet. Sein nachgerückter Ersatzmann, Herr Klaus Gasteiger, hat mit selbigem Datum auf das frei werdende Mandat verzichtet.

In der Folge hat der Tiroler Landtag in seiner Sitzung vom 17. November 2010 mit so­fortiger Wirksamkeit Herrn Johann Schweigkofler, Lindenweg 17, 6372 Oberndorf, als Mitglied des Bundesrates (an fünfter Stelle) und Herrn Helmut Wiesenegg, Lutterotti­straße 11, 6600 Reutte, als sein Ersatzmitglied gewählt.

Die beglaubigten Wahlergebnisse liegen dem Schreiben bei.

Es wird ersucht, die notwendigen Veranlassungen zu treffen.

Mit freundlichen Grüßen

DDr. Herwig van STAA

Präsident des Tiroler Landtages

Anlagen“

„572/10

WAHLERGEBNIS

Zum Mitglied des Bundesrates bzw. zum Ersatzmitglied des Bundesrates werden ge­wählt:

Mitglied:

Johann Schweigkofler

Ersatzmitglied:

Helmut Wiesenegg

                                                              Es wird beurkundet, dass der Tiroler Landtag diese Wahl

                                                                           in seiner Sitzung vom 17. November 2010 mit der

                                                                               verfassungsmäßigen Mehrheit durchgeführt hat.

                                                                                                                                  Der Landtagspräsident

                                                                                                                                  DDr. Herwig van Staa“

*****


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 11

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes:

                                                                                                                                         „Friedrich Bernhofer

                                                                                                         Erster Präsident des Oö. Landtags

An den                                                                                                                         11. November 2010

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Martin Preineder

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Nachwahlen zum Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 11. November 2010 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes und Art. 29 des Oö. Lan­des-Verfassungsgesetzes die Nachwahl eines Ersatzmitglieds durchgeführt hat.

Es wurde gewählt:

Ersatzmitglied an 5. Stelle:    Elmar Podgorschek, Ulmenweg 7,

4910 Ried im Innkreis

Diese Nachwahl wurde notwendig, weil Bundesrat Elmar Podgorschek mit Ablauf des 20. Oktober 2010 auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrats verzichtet hat und weil dessen Ersatzmitglied Hermann Brückl ex lege in den Bundesrat nachgerückt ist.

Mit freundlichen Grüßen!“

*****

10.53.47Angelobung

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zur Angelobung der neu anzugeloben­den Bundesräte.

Die neugewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Haus anwesend, ich werde dah­er sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun den Schriftführer Josef Saller um die Verlesung der Gelöbnisformel und um den Namensaufruf:

 


10.54.16

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

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Über Namensaufruf durch den Schriftführer Saller leisten die nachstehend angeführten Mitglieder des Bundesrates die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“:

Wolfgang Beer (SPÖ, Wien), Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien), Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien), Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien), Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien), Monika Kemperle (SPÖ, Wien), Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien), Monika Mühl­werth (FPÖ, Wien), Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien), Stefan Schennach (SPÖ, Wien), Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol), Reinhard Todt (SPÖ, Wien).

*****

 



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 12

Präsident Martin Preineder: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wiedergewähl­ten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich. Herzlich willkommen im Bundesrat! (All­gemeiner Beifall.)

10.58.25Aktuelle Stunde

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Österreichische Schwerpunkte während und nach der
Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat“

Ich darf Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger sehr herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Der Ablauf gestaltet sich im Sinne der in der Präsidialkonferenz getroffenen Vereinba­rung:

Zunächst kommt je 1 Redner/in pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minu­ten beträgt. Dann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Sodann folgt 1 Redner/in der Bundesräte ohne Fraktion und dann je 1 Redner/in der Fraktion mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Abschließend kommt wieder 1 Redner/in der Bundesräte ohne Fraktion mit 5 Minuten zu Wort. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesmi­nisters erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 


11.00.01

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt die schwierige Aufgabe, von der festlichen Feierstunde anlässlich 90 Jahre Bundesrat überzuleiten zur aktuel­len Tagespolitik. Ich möchte das vielleicht noch einmal mit einem kurzen Dank an den bisherigen Fraktionsobmann der SPÖ, Professor Konecny, als stellvertretenden Ob­mann im Europaausschuss des Bundesrates tun. Es hat in dieser Zeit im Europaaus­schuss des Bundesrates nie parteipolitische Auseinandersetzungen, Diskussionen ge­geben, sondern immer war der österreichische Standpunkt der vorherrschende Stand­punkt. Ich möchte ihm dafür sehr, sehr herzlich danken und hoffe, dass das auch in Zu­kunft weiter so sein wird.

Nun zur Aktuellen Stunde. – Mit Ende dieses Monats läuft die österreichische Mitglied­schaft im UN-Sicherheitsrat, deren Höhepunkt die Vorsitzführung durch Außenminister Michael Spindelegger im November 2009 war, aus. Wir können eine überaus erfolg­reiche Bilanz ziehen und auf eine starke Phase der österreichischen Außenpolitik zu­rückblicken, in der unser kleines Land nicht nur sehr viele bilaterale und multilaterale Kontakte vertiefen und verbessern konnte, sondern auch substanzielle Beiträge zur Ver­besserung der sicherheitsbildenden Maßnahmen auf globaler Ebene liefern konnte.

Der österreichischen Delegation und im Besonderen unserem Herrn Außenminister ist es hervorragend gelungen, unser Land in der internationalen Staatengemeinschaft zu positionieren, das Vertrauen in Österreich zu vertiefen und ein Netz von weltweiten Kon­takten zu knüpfen.

Österreich ist derzeit nach 1973/74 und nach 1991/92 das dritte Mal, und dieses Mal erstmals als Mitglied der Europäischen Union, Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Das hat uns die Möglichkeit geboten, innerhalb der Europäischen Union neben den ständi­gen Mitgliedern Frankreich und England eine besondere Rolle zu spielen, was durch


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 13

eine sehr intensive Informationstätigkeit auf europäischer Ebene, aber auch durch das Lobbying für die gemeinsamen europäischen Positionen sehr erfolgreich wahrgenom­men werden konnte.

Österreich verfolgt im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seit vielen Jahren konse­quent seine politischen Schwerpunkte. Das sind die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten mit dem besonderen Schutz von Frauen und Kindern und der Schutz der Menschenrechte insgesamt. Die einstimmige Annahme der Sicherheitsratsresolution 1894, die den Schutz von Zivilisten in bewaff­neten Konflikten betrifft, unter österreichischem Vorsitz ist ein besonderer Erfolg dieser Tätigkeit, zu dem wir der österreichischen Delegation und dir, Herr Bundesminister, sehr herzlich gratulieren können. Österreich konnte mit dieser Resolution neue An-
sätze zur Weiterentwicklung der Menschenrechte und des Völkerrechts einbringen, was besonders auch bei der Anklage von Kriegsverbrechern eine große Rolle spielt oder auch bei den internationalen Einsätzen unter UNO-Mandaten und generell bei allen Kon­flikten, die es auf dieser Welt gibt.

Ein schöner Erfolg war aber auch, dass während unserer Mitgliedschaft die von Öster­reich vorgeschlagene Errichtung einer Ombudschaft für die UNO-Terrorliste – Sie wis­sen, da stehen zirka 500 Personen und Organisationen drauf, die in Verbindung mit Al-Qaida oder den Taliban gebracht werden –, die dann mit einer kanadischen Richterin, Kimberly Prost, besetzt wurde, beschlossen werden konnte. Österreich hat in dem diesbezüglichen Komitee 2009 den Vorsitz übernommen. Wir konnten uns damit bei der Terrorismusbekämpfung einen ausgezeichneten internationalen Namen schaffen.

Als Tiroler darf ich im Zusammenhang mit allen unseren UNO-Aktivitäten schon auch noch darauf verweisen – das ist ein kleiner Ausflug in die Geschichte –, dass wir die Dienste der UNO in den sechziger Jahren in den Auseinandersetzungen mit Italien in der Südtirol-Frage unter dem damaligen Außenminister Bruno Kreisky in Anspruch genommen haben und auf der Basis der damaligen UNO-Resolution sehr erfolgreich Politik machen konnten. Die Südtirol-Autonomie ist heute ein Paradebeispiel für die Lö­sung von schwierigen Grenz- und Gebietsansprüchen.

Ich darf diese Aktuelle Stunde aber auch dazu nützen, auf die österreichische Stand­ortpolitik, den UNO-Standort Wien betreffend, einzugehen. Das war ja auch immer ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit in der Außenpolitik. Wir üben seit 30 Jahren die Gastge­berfunktion für Organisationen der Vereinten Nationen aus. Wir haben hier in Wien das Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, wir haben hier das Büro für die Organi­sation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen, wir haben hier in Wien den Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde und neu – ein schöner und besonderer Erfolg, den es hervorzuheben gilt – seit September 2010 die Interna­tionale Anti-Korruptions-Akademie in Laxenburg.

Weiters wurden in Wien gleich zwei weitere Zentren im Bereich von Abrüstung aus der Taufe gehoben: ein Liaisonbüro des UNO-Büros für Abrüstungsfragen und das Wiener Zentrum für Abrüstung und Non-Proliferation, welches der Einbindung der Zivilgesell­schaft dienen soll. Dazu kommen noch die Internationale Organisation für Migration und das Internationale Friedensinstitut.

Wenn man sich daran erinnert, dass UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sowohl 2009 als auch 2010 mehrere und mehrtägige Aufenthalte in Österreich getätigt hat oder dass die gesamte Führungsspitze der Vereinten Nationen heuer im September mit Alpbach Österreich als Tagungsort gewählt hat, um die Herbstagenda zu beraten, so muss man sagen, das ist eine sehr schöne Anerkennung einer sehr intensiven und engen Part­nerschaft. Für Österreich bedeutet das eine starke Verankerung im UNO-Geschehen. Wien ist zum Kompetenzzentrum für Abrüstung und nukleare Sicherheit geworden. Das


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 14

hat aber auch, nebenbei erwähnt, eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Derzeit sind in Wien mehr als 5 600 UNO-Beschäftigte stationiert.

Das sind Erfolge der österreichischen Außenpolitik, auf die wir mit Selbstbewusstsein und auch mit etwas Stolz verweisen können. Das sind aber auch Erfolge, die nicht von selbst kommen und die über viele Jahre erarbeitet und gefestigt werden müssen, sehr geehrte Damen und Herren.

Wir in Österreich wissen, was Sicherheitspolitik und was der Wandel in der Sicherheits­architektur bedeutet. Denken wir nur an die großen Kriege im vorigen Jahrhundert oder denken wir an den Fall des Eisernen Vorhangs heute vor 21 Jahren, der so schön als der „Triumph des Unerwarteten“ bezeichnet wird. Wir wissen um den Wert der globalen Mitarbeit, wie sie im UN-Sicherheitsrat erfolgt ist. Ich möchte daher mit zwei Bemerkun­gen schließen:

Erstens: Österreich war und ist außenpolitisch immer dann sehr erfolgreich, wenn wir einen tragfähigen innerösterreichischen Konsens haben, und das ist bei der Ausübung unserer zweijährigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat überaus erfolgreich demons­triert worden.

Zweitens ist es mir ein herzliches Bedürfnis, dir, sehr geehrter Herr Bundesminister, und deinem gesamten Team unter der Leitung des UNO-Botschafters Mayr-Harting zu dieser hervorragenden Performance, zu dieser ausgezeichneten Bewältigung dieser Aufgabe im UN-Sicherheitsrat zu gratulieren. Wir sind ein kleines Land, das dabei aber einen großen Beitrag leisten konnte. Herzlichen Dank für deine Arbeit und herzliche Gratulation zu dieser Arbeit! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

11.08


Präsident Martin Preineder: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


11.08.47

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Außenminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Thema unserer heuti­gen Aktuellen Stunde ist die Rolle Österreichs im UNO-Sicherheitsrat. Österreich ist ja bis Ende dieses Jahres Mitglied, und in der Geschichte ist es Österreich davor zwei Mal gelungen, als nichtständiges Mitglied einen Sitz im Weltsicherheitsrat einzunehmen.

Insofern bin ich ja auch sehr froh darüber, dass wir heute über dieses Thema debat­tieren, denn ehrlich gesagt konnte ich darüber nicht viel in den Medien hören, und ich glaube auch mit großer Wahrscheinlichkeit sagen zu können, dass leider nur die we­nigsten Menschen in Österreich wissen, dass Österreich in Wirklichkeit seit zwei Jah­ren im UNO-Weltsicherheitsrat vertreten ist. Das ist mir geradezu unverständlich, denn gerade der Sitz im Weltsicherheitsrat wäre ja eine unglaubliche Chance gewesen, das Interesse der Bevölkerung an globaler Politik zu wecken und zu sensibilisieren. Das ist aus meiner Warte etwas ausgeblieben, und es hätte dafür ja auch verstärkt öffentlicher Initiativen bedurft.

Es entsteht schon sehr schnell der Eindruck, dass sehr, sehr viel Kraft und Engage­ment aufgewendet wurde, um einen Platz in diesem Weltsicherheitsrat einzunehmen, dass aber mit der Einnahme dieses Platzes die Energie schnell verpufft gewesen ist. Und Mitgliedschaft allein ist ja noch kein Selbstzweck. Vielmehr hätte es wichtig sein müssen, dass wir darin eine aktive Rolle einnehmen und mit politischen Akzenten weltpolitisch aufhorchen lassen, denn es geht in Wirklichkeit nicht um Prestige – zwei Jahre Mitgliedschaft vergehen sehr schnell, und niemand außer den Beteiligten wird sich in ein paar Jahren daran erinnern können, dass wir Mitglied im UN-Sicherheitsrat waren.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 15

Es ist daher leider nicht gelungen, das Thema „Österreich im Weltsicherheitsrat“ in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken. – Aber vielleicht liege ich da falsch.

Die Aktivitäten im Weltsicherheitsrat werden ja im Außenpolitischen Bericht aufgezählt und beschrieben, und sie sind meines Erachtens auch etwas spärlich, denn als die gro­ße Leistung wird die Resolution 1894 angeführt, welche tatsächlich auf Initiative Ös­terreichs beschlossen wurde und den Schutz von Zivilisten in Konfliktsituationen vor­sieht. – Vielleicht bin ich dahin gehend etwas pessimistisch und verfalle da manchmal in Nostalgie. Ich bin der Meinung, dass die fehlenden politischen Akzente in Wirk­lichkeit nur Ausdruck dessen sind, dass Österreich schon lange aufgehört hat, eine Rolle in weltpolitischen Belangen einzunehmen. (Zwischenrufe der Bundesräte Perhab und Mayer.)

Eine solche hatte Österreich aber einmal inne, nämlich mit einer aktiven Außen- und Neutralitätspolitik, mit der sogenannten Friedenspolitik, die die militärische Komponen­te der Neutralität zurückgedrängt hat. Damals erfolgte eine verstärkte Hinwendung zu den Staaten der Dritten Welt, vor allem auch im Rahmen der Vereinten Nationen, ein aktives Engagement im Nord-Süd-Dialog, die Etablierung von Wien als dritter UNO-Stadt. Es gelang Österreich, eine Reihe von Initiativen und Vermittlungsaktionen zu setzen und sich vor allem positiv in die internationale Gemeinschaft einzubringen. Die damalige Außenpolitik schaffte es, Österreich für die Welt zu öffnen und die Bevölke­rung für globale Themen positiv zu sensibilisieren.

Darauf werden natürlich viele jetzt sagen, das ist alles ein Relikt der Vergangenheit und die heutigen Rahmenbedingungen haben sich geändert. Das sehe ich aber nicht so. Und wenn es so wäre, dann frage ich mich: Warum schaffen es kleinere Länder wie Norwegen und Finnland, nach wie vor sehr aktiv in der internationalen Mediation zu sein – Norwegen im Nahostkonflikt, Finnland im Kosovo –, während ich den Eindruck habe, dass wir schon lange den weltpolitischen Weitblick verloren haben? (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Natürlich hat sich die Weltpolitik geändert. Natürlich ist die Globalisierung heute Reali­tät, so wie auch die Europäisierung, und es haben sich natürlich auch die Akzente ver­schoben. Aber das bedeutet keineswegs, dass der klassische außenpolitische Gegen­stand verloren gegangen ist. Ich finde, Österreich hat es in den letzten Jahren verab­säumt, sich neue politische Betätigungsfelder zu suchen. Stattdessen reduziert sich die österreichische Außenpolitik seit dem Beitritt zur Europäischen Union nur auf Interes­senwahrnehmung innerhalb der Europäischen Union und auf ein bisschen Nachbar­schaftspolitik und auf ein bisschen Westbalkan – also eben in den konzentrischen Krei­sen.

Aber die Konzentration, finde ich, birgt für die österreichische Außenpolitik eine große Gefahr, denn jetzt schon haben wir große Kompetenzkonflikte in EU-Agenden mit dem Bundeskanzleramt. Im Jahr 2008 stammten lediglich 14 Prozent aller mit EU-Koordi­nierungsaufgaben befassten Personen aus dem Außenministerium, und das bei einem Ministerium, das seine Existenzberechtigung aus der Europäischen Union herleitet. Wenn irgendwann einmal alle EU-Agenden im Bundeskanzleramt angesiedelt sein werden, wird man sich natürlich berechtigt die Frage nach der Existenzberechtigung des Au­ßenministeriums stellen. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Per­hab: So etwas Präpotentes hab ich schon lange nicht mehr gehört!)

Ich finde auch, dass die Außenpolitik der letzten Jahrzehnte und die zunehmende Ab­wendung von einer globalen Politik auch in der Bevölkerung Spuren hinterlassen hat, nämlich: Internationale Politik wird zunehmend als Sicherheits- und Verteidigungspolitik gesehen, Entwicklungsländer werden zunehmend nur mit Migration und Flüchtlingen assoziiert. Das ist fatal, denn das Interesse an der Weltpolitik rückt damit in den Hinter­grund.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 16

Natürlich möchte ich nicht verschweigen, Herr Außenminister, dass Österreich zum Glück nach wie vor aktiv in den Bereichen des Schutzes der Menschenrechte und im Bereich der Abrüstung ist und dass Österreich natürlich an den UN-Kampagnen gegen Personenminen, gegen die Verwendung von Streumunition teilnimmt. Aber gleichzeitig hat es Österreich aufgegeben, eine aktive Rolle zum Beispiel bei der Weiterentwick­lung und Kodifizierung des Völkerrechts einzunehmen, und verhält sich meines Erach­tens auch sehr passiv in Fragen der Reform und Demokratisierung des internationalen Systems, wie beispielsweise der Reform des UN-Sicherheitsrats und der Partizipation der Entwicklungsländer.

Auch in der Entwicklungszusammenarbeit fällt zunehmend auf, dass wir immer große Versprechungen machen, welche aber immer gebrochen werden. Der vergleichbare Anteil der Entwicklungshilfeleistung in Österreich mit 0,3 Prozent des BIP ist weit nied­riger als in den meisten Geberländern. In den Leistungen der Entwicklungshilfe befin­den sich zum Beispiel – das muss man sich einmal vorstellen! – auch Ausgaben für die Entsendung von österreichischen Soldaten in den Tschad. Die budgetären Einschnitte in die österreichische Entwicklungspolitik verwundern mich daher auch gar nicht und sind nur eine Fortsetzung der Politik, die meines Erachtens – so wie die vieler anderer Länder auch – scheinheilig ist. (Bundesrat Kainz: ... Österreich als scheinheilig darzu­stellen!? – Der Krampus kommt erst! Das muss man sich einmal vorstellen!)

Das muss man so sagen, wie es ist! Österreich kandidiert zum einen für den Men­schenrechtsrat der Vereinten Nationen – und ist sogar ein aussichtsreicher Bewerber, wie man hört – und verabsäumt es nicht, bei den diversen UNO-Konferenzen zu be­kunden, dass wir für die Armutsbekämpfung gemäß den Millenniums-Entwicklungszie­len sind. (Beifall bei den Grünen.)

Aber das würde ja bedeuten – das haben Sie ja auch öfters gesagt, Herr Außenminis­ter (Zwischenrufe bei der ÖVP – Bundesrat Kainz: Ist das das Gegengeschäft für den Schennach?) –, dass Österreich sich als Ziel steckt, ab 0,5 Prozent des BIP und 2015 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Diese Bekundun­gen sind aber angesichts der budgetären Maßnahmen in Wirklichkeit nicht realisierbar. Und ich bin der Meinung, dass man das auch so sagen muss (Bundesrat Mag. Him­mer: Hat der Bundeskanzler eigentlich auch irgendeine Zuständigkeit?) – und nicht bei allen UNO-Konferenzen bekunden, wie sehr man nicht für die Armutsbekämpfung ist, wenn gleichzeitig aber klar ist, dass wir unsere Ziele nicht erreichen werden. (Bun­desrat Mag. Himmer: Hat der Bundeskanzler eine Zuständigkeit oder keine? – Bun­desrat Mayer: ... gemeinsame Regierung! Die macht die eigene Regierung schlecht!)

Das ist die Realität, denn wir wissen, dass im Zeitraum 2011 bis 2014 rund 100 Millio­nen € eingespart werden. Und von diesen Einsparungen sind viele UNO-Organisatio­nen betroffen, und das muss gesagt werden, zum Beispiel der Entwicklungsfonds für Frauen, der sich für ein Ende der Gewalt an Frauen in aller Welt einsetzt. (Bundesrat Mag. Himmer: ... den Generalsekretär anrufen!)

Daher möchte ich Sie fragen, Herr Außenminister: Werden wir nach wie vor für den Menschenrechtsrat kandidieren, auch angesichts der budgetären Maßnahmen?

Ich hoffe natürlich für Österreich, dass wir weiterhin Mitglied im Weltsicherheitsrat blei­ben, aber ich wünsche mir natürlich, dass wir eine initiativere, eine aktivere Rolle ein­nehmen und dass wir es wieder schaffen, die österreichische Bevölkerung für globale Politik zu interessieren oder ihr Interesse daran zu wecken. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.18


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

 



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 17

11.18.35

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Ihr müsst das schon aushalten, wenn einmal eine Frau euch etwas anderes sagt, als ihr es seht. Ihr seid da ein bisschen empfindlich! (Beifall bei Grünen und SPÖ. )

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Wenn man die Zeit, die Österreich jetzt im UNO-Sicherheitsrat verbracht hat, in den offiziellen Meldungen nachliest, dann stehen da Selbstverständlichkeiten drinnen, auf die wir so wahnsinnig stolz sind. – Also dass Sie, Herr Außenminister, gemeinsam mit dem britischen und dem französischen Amtskollegen eine Befassung des Sicher­heitsrats mit der humanitären Situation in Sri Lanka gefordert haben, das ist ja ohne­dies selbstverständlich. Dass der Raketenstart Nordkoreas Anfang April verurteilt wird, da sind wir uns alle einig. Dass wir uns für eine rasche, geschlossene und deutliche Antwort des Sicherheitsrats bezüglich der Verurteilung der Verlängerung des Hausar­rests der Friedensnobelpreisträgerin San Suu Kyi um weitere 18 Monate eingesetzt ha­ben, ist auch ganz klar, da haben Sie uns auch auf Ihrer Seite.

Auch was den Höhepunkt – wie ich es lese – des österreichischen Sicherheitsratsvor­sitzes betrifft, der die einstimmige Annahme der Resolution 1894 zum Schutz von Zi­vilisten in bewaffneten Konflikten zum Inhalt hat, sind wir uns, glaube ich, alle einig – selbstverständlich. Daran wird keiner irgendetwas finden.

Man muss sich aber trotzdem fragen, ob unser Vorsitz im Sicherheitsrat – für den einen Monat, den er gedauert hat – nicht eine ein bisschen teure Geschichte ist. Die Gegenleistung war zumindest nach unserem Dafürhalten der Einsatz im Tschad. Das kostet viel, das kostet Geld, das kostet Menschen. Das ist alles in allem eine gefährli­che Situation. Es gibt nicht gerade wenige, die gesagt haben, der Tschad-Einsatz hat in erster Linie den französischen Interessen gedient und war so humanitär gar nicht ge­plant, gedacht und gemeint.

Im Jahre 2012 steht der nächste Einsatz ins Haus, nämlich im Libanon. Wir halten auch das für einen Fehler. Die Erfahrung aus den letzten drei Libanon-Kriegen hat uns doch wirklich schon gelehrt, dass sich keine der beiden Konfliktparteien irgendetwas um die UN schert. Es ist ihnen, um es salopp auszudrücken, einfach egal, ob sie dort ist oder nicht. Ich möchte in Erinnerung rufen – falls das dem Gedächtnis entschwunden sein sollte –, dass bei einem Angriff auf den UN-Posten in Khiam ein Österreicher, nämlich Major Hans-Peter Lang, ums Leben gekommen ist. Jetzt werden Sie vielleicht sagen, das ist das Risiko, wenn man in so einen Einsatz geht, man macht das ja schließlich freiwillig. Aber ich denke auch nicht, dass wir bei jedem Einsatz unbedingt dabei sein und die Rolle des Weltpolizisten im Kleinen einnehmen müssen.

Schauen wir uns die Möglichkeiten der UNO-Truppen an – vielleicht sehen wir jetzt von Zypern ab, wo der Einsatz ja mittlerweile ausläuft. Was den Einsatz im Golan betrifft, glaube ich, dass er durchaus erfolgreich ist und vielleicht einen Krieg zwischen Syrien und Israel verhindert hat, obwohl schon immer wieder von einer Seite geschossen wird – es beginnt eben einmal der eine, einmal der andere. Aber es kommt nie zu gröberen Aus­einandersetzungen, was zu begrüßen ist.

Wenn wir uns aber die anderen Einsätze anschauen, dann kann man nicht von einer Erfolgsgeschichte der UNO-Truppen sprechen. Sehen wir uns zum Beispiel den Dar­fur-Konflikt an: Es hat bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen einerseits und der sudanesischen Regierung auf der anderen Seite ge­geben. Zwischen 2003 und 2007 sind geschätzte 200 000 Menschen ums Leben ge­kommen und 2,5 Millionen Menschen wurden in der Region vertrieben. Die UN konnte das nicht verhindern.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 18

Oder: 2000 sind in Sierra Leone 300 Blauhelme entwaffnet und gefangen genommen worden. Die UNO musste völlig hilflos und machtlos zuschauen und konnte froh sein, dass sie wieder freigelassen wurden.

Oder der Einsatz im Osten des Kongos: Das Gebiet ist so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen. Dort sollen ein paar Tausend Blauhelme – für Ruhe und Ord­nung sorgen ist in diesem Fall nicht angebracht zu sagen – Konfliktvermeidung betrei­ben. Oder in Somalia, oder, oder, oder – da fallen mir noch viele Beispiele ein.

Eines möchte ich noch anführen: Beim Völkermord in Ruanda wurden innerhalb von 100 Tagen 75 Prozent der Tutsi-Minderheit und der Hutu-Opposition, die beim Völker­mord nicht mitmachen wollten, getötet. Die UNO war sich damals nicht einmal sicher, ob sie sagen kann, dass es sich dabei um einen Völkermord handelt. Darüber musste man erst einmal nachdenken, geschweige denn, dass man sich dort wirklich eingesetzt hätte.

Zum Anliegen der UNO, den Weltfrieden zu sichern, kann man sagen, dass wir natür­lich alle Frieden haben wollen, keiner will Krieg. Wir als Nachfolgegeneration, oder ich persönlich, haben Gott sei Dank nie einen Krieg erleben müssen. Ich bin im Frieden aufgewachsen. Ich habe keinerlei tatsächliche Vorstellung davon, wie es ist, in einem Krieg aufzuwachsen. Es muss furchtbar sein! Trotzdem glaube ich, dass die Sicherung des Weltfriedens zwar ein hehres, aber in gewisser Weise doch auch ein utopisches Ziel ist. Aber deswegen sollte man es nicht aufgeben. Dass man aber jeden Brandherd auf der Welt löschen kann, halte ich für nicht möglich, für nicht machbar.

Es kommt in allen Presseaussendungen immer wieder so rüber, dass das kleine Öster­reich in der großen Welt auch eine große Rolle spielen möchte – zumindest eine grö­ßere, als es sie von der geographischen Kleinheit her hat. Wir sind bereit, uns das teu­er zu erkaufen. Ich halte das für falsch. Das ist ein gewisser Minderwertigkeitskomplex, den wir offensichtlich haben, und für den wir bereit sind, auch Geld oder Menschen­material – unter Anführungszeichen – in die Hand zu nehmen. Bei einem Diktat der leeren Kassen und den Sicherheitsrisiken, die mit solchen Einsätzen immer verbunden sind, warnen wir davor, dass diese vermeintliche Wichtigkeit von uns teuer erkauft wer­den muss.

Daher: Wo wir bei den hehren Zielen mitwirken können, die die UN anstrebt und zu verwirklichen versucht – selbstverständlich. Aber ich glaube, wir sollten uns schon da­rauf besinnen, in welcher Relation unsere Rolle dazu steht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

11.26


Präsident Martin Preineder: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Bun­desminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Spindelegger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


11.26.33

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundesrätinnen und Bun­desräte! Wenn ich dem folge, was hier einleitend gesagt wurde, dann zeigt sich schon ein sehr differenziertes Bild: Auf der einen Seite steht, welche Themen wir im UNO-Si­cherheitsrat während unserer Mitgliedschaft in Angriff genommen haben, und wie das nicht nur von uns, sondern vor allem von den Partnern und anderen Ländern positiv bewertet wurde. Dann hören wir von Frau Mag. Duzdar, dass alles viel zu wenig ist, und von Frau Kollegin Michalke, dass eigentlich alles viel zu viel ist, weil es zu teuer ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Da haben Sie aber die Redeordnung verändert! Mühl­werth, bitte!)


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 19

Meine Damen und Herren, das ist schon ein unterschiedliches Bild, aber ich werde gerne auf das eingehen, was wir wirklich gemacht haben. Ich bin nicht wehleidig. Dass man auch Kritik üben kann, ist selbstverständlich. Das muss man auch tun, dazu ist ei­ne Debatte im Hohen Haus da.

Aber ich darf eines schon gleich zu Beginn festhalten: Wir haben uns in den zwei Jah­ren im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht nur gut geschlagen, sondern haben tagtäglich für österreichische Interessen und insgesamt für Rule of Law, für die Herr­schaft des Rechts – das war unser Grundsatz –, Maßstäbe gesetzt.

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Außenministeriums, die tagtäglich in den Sitzungen des Sicherheitsrats arbeiten, haben ganze Arbeit geleistet, und ich möchte ihnen an erster Stelle dafür danken. Das war ein unglaublicher Einsatz! Botschafter Mayr-Harting und seine Damen und Herren in New York, die während dieser Zeit rund um die Uhr gearbeitet haben, haben sich auch Lob vom Parlament verdient, und ich möchte das heute hier auch ausdrücken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesra-
tes Dönmez.)

Ich darf noch einmal unsere Intention für eine Bewerbung im Sicherheitsrat darlegen; wir haben das natürlich auch mit allen Parteien hier im Haus abgestimmt. Wir wollten unserer Bewerbung und dann auch der Mitgliedschaft Rule of Law, das heißt die Herr­schaft des Rechts, als ein Grundprinzip zugrunde legen. Das ist uns auch gelungen. Dass das nicht einfach ist, darf ich Ihnen schon sagen. Entscheidungen kommen ja nicht zufällig zustande, sondern bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen im Sicher­heitsrat, wobei jedes permanente Mitglied ein Vetorecht hat und damit alles verhindern kann.

Wir haben uns Stück für Stück bemüht, dass wir diesen Grundsätzen gerecht werden, weil wir wollen, dass alle gleich behandelt werden, und dass nicht wirtschaftliche Inter­essen einer Behandlung im Sicherheitsrat entgegenstehen, weil es einem einfach nicht in den Kram passt. Dafür waren wir der Garant, und das haben wir auch durchgezo­gen. Ich werde Ihnen das auch gerne an einigen Beispielen beweisen.

Um gleich einem Missverständnis vorzubeugen: Die Themen des Sicherheitsrates kom­men nicht durch Zuruf zustande. Man ruft nicht etwas, weil es einem gerade wichtig ist, und dann befasst sich der Sicherheitsrat morgen damit. In den täglichen Sitzungen in New York beschäftigt man sich mit den Konfliktherden dieser Welt. Sie sind leider noch sehr zahlreich vorhanden, vor allem auf dem Kontinent Afrika, der tagtäglich von neuen Horrormeldungen überschattet wird.

Ich darf etwas ganz Aktuelles ankündigen: Ich werde am Montag aufbrechen, um in den Sudan zu fahren. Dort geht es um die Frage Krieg oder Frieden. Wir als Österrei­cher wurden von diesem Land gebeten, zwischen dem Norden und dem Süden zu ver­mitteln.

Das darf man jetzt nicht kleinreden und fragen, warum die Österreicher das tun – nicht weil wir uns „groß aufspielen“ wollen, Frau Kollegin, sondern deshalb, weil wir Sorge dafür tragen wollen, dass es nicht zu einem neuen Darfur auf dem afrikanischen Konti­nent kommt, sondern dass es Frieden gibt. Und wenn wir dazu einen Beitrag leisten können, dann sollten wir das auch tun. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Wir sind am Beginn unserer Mitgliedschaft gleich mit dem ersten Krieg konfrontiert wor­den, und zwar mit dem Gaza-Krieg. Frau Kollegin, da hätte ich mir sehr gewünscht, dass es auch aus Ihrer Fraktion einmal Zurufe gegeben hätte, dass man es nicht dul­den darf, wenn Israel solch einen Gaza-Krieg mit einer unglaublichen Vernichtung von Menschen und Material führt, dessen Folge praktisch eine Isolierung eines Teiles des palästinensischen Gebietes ist.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 20

Die Diskussion hat gezeigt, dass man dagegen auftreten muss. Das haben wir getan. Dafür sind wir nicht nur von der arabischen Welt, sondern auch von anderen gelobt worden. Es ist notwendig, in einer solchen Situation klar Flagge zu zeigen, dem Prinzip der Herrschaft des Rechts zu folgen, und nicht Interessen, die durch Lobbying zustan­de kommen, nachzugeben.

Ich glaube, das war die erste Bewährungsprobe, die wir auch gut überstanden haben. Das war auch die erste Sitzung des Sicherheitsrates am Beginn des Jänners 2009, an der ich teilgenommen habe. Ich kann Ihnen nur retrospektiv sagen: Der Einfluss auf alle Mitglieder des Sicherheitsrates, der dort ausgeübt wurde, war ein enormer. Wir als Österreicher wurden auch von Partnern aus der Europäischen Union dazu gedrängt, diese Fragen nicht zu verurteilen. Wir haben es dennoch getan, weil wir diesem Grund­satz vom ersten Tag der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat an bis zum letzten treu geblie­ben sind. Und das war gut und richtig so. Ich glaube nämlich, dass man sich in jeder Situation, in jedem Krieg, den es gibt, auf das, was im Völkerrecht vorgegeben ist, be­ziehen muss, und da sind die Prinzipien und der Grundsatz der Herrschaft des Rechts wichtig.

Was haben wir neben der Pflicht, tagtäglich an den Sitzungen teilzunehmen, an eige­nen Schwerpunkten gesetzt? – Die würde ich nicht klein reden. Wir haben uns im ers­ten Jahr bemüht, besonders während unseres Vorsitzes im November 2009, folgendes Thema auf die Tagesordnung zu setzen: Wie können wir Zivilisten bei bewaffneten Kon­flikten besser schützen?

Warum ist das wichtig für uns? Warum ist es notwendig, eine Resolution dazu zu be­schließen? – Wenn Sie sich die täglichen Vorfälle ansehen, dann stellen sich dort, wo Soldaten der UNO im Einsatz stehen, immer die Fragen: Was dürfen sie? Was müssen sie tun? Was müssen sie dem UNO-Sicherheitsrat berichten, damit man unmittelbar re­agieren kann?

Wenn Sie sich die Mandate der UNO-Missionen genauer und detaillierter ansehen, dann bemerken Sie, dass noch sehr viel Aufholbedarf da ist. Jeder Soldat, der im Einsatz ist, muss aus dem Mandat heraus erkennen können, was er zu tun hat, wenn es darum geht, Zivilisten zu schützen. Sonst hätte es die Vorfälle in Srebrenica nicht gegeben. Sonst hätten im Kongo im Sommer dieses Jahres keine Massenvergewalti­gungen stattgefunden, weil UNO-Truppen kein klares Mandat hatten, ob sie jetzt ein­schreiten müssen oder nicht.

Das wollten wir ändern. Das haben wir mit der Resolution 1894 auch geschafft, aller­dings nicht in dem Ausmaß, wie wir es uns vorgenommen haben. Wir hätten gerne ein­geführt, dass es immer einen Strafgerichtshof gibt. Das ist am Veto der Großen ge­scheitert. Aber wir haben die Resolution 1894 in einer Form über die Bühne gebracht, der alle zugestimmt haben. Wir haben heute eine neue Ausgangssituation dazu in der UNO, und das heißt, dass wir auch einen österreichischen Footprint für die nächsten Jahre registrieren können. Das ist ein großer Erfolg. Ich freue mich, dass damals alle Staaten im Sicherheitsrat dem die Zustimmung gegeben haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir haben in diesem Jahr einen Schwerpunkt zum Thema Resolution 1325 gesetzt, die sich mit Frauen, Frieden und Sicherheit beschäftigt. Zehn Jahre gibt es diese Resolu­tion schon. Es war notwendig, sie einer detaillierten Evaluierung zu unterziehen und neue Ansätze zu finden. Wir haben das gemeinsam mit den Vereinigten Staaten im Si­cherheitsrat diskutiert. Hillary Clinton hat gemeinsam mit mir Vorschläge unter dem Vorsitz von Uganda eingebracht, und wir haben das anschließend auch der Weltöffent­lichkeit bekannt gegeben.

Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber wenn zu Ihrer täglichen Lektüre auch die außenpolitischen Seiten der österreichischen Tageszeitungen oder ausländischer Zeitun­


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gen gehörten, dann hätten Sie das wohl auch registriert. Denn dass eine amerikanische Außenministerin die Rolle Österreichs in diesem Zusammenhang besonders lobt, ist laut meiner Erinnerung überhaupt noch nie vorgekommen, aber diesmal war es der Fall. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, was bleibt von unserem Engagement im Sicherheitsrat? – Das Erste, das bleibt, ist, dass wir wie alle 20 Jahre einen Dienst an der Weltgemein­schaft geleistet haben.

Das Zweite ist, dass wir Kompetenz aufgebaut haben. Wir haben, gerade was die Kon­flikte in Afrika betrifft, sehr vieles und viel Neues in die Arbeit des Außenministeriums aufgenommen. Das ist wichtig, weil das Fragen sind, mit denen wir ansonsten nicht täg­lich zu tun haben.

Zum Dritten haben wir es nach diesem Engagement im Sicherheitsrat geschafft – das war meine große Zielsetzung –, eine Drehscheibe für den Frieden und den Dialog zu bilden. Wir werden im Februar zwei neue Institutionen aus der Taufe heben. Die erste ist ein Liaison-Büro für Abrüstung. Ich habe das mit Generalsekretär Ban Ki-moon ver­einbart. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir diese Drehscheibe für Abrüstung in Wien etablieren werden. Zum Zweiten habe ich heute auch mitzuteilen, dass es uns gelungen ist, den König von Saudi-Arabien und den Papst dazu zu bewegen, in Wien ein Dialogzentrum für Religionen zu eröffnen. Das werden wir auch im Laufe des nächs­ten Jahres etablieren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir werden uns auch weiterhin engagieren. Wir werden für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen kandidieren. Diese Bewerbung habe ich in meinen zahlreichen Ge­sprächen mit anderen Außenministern vorgelegt und dafür viel Zustimmung bekommen. Wir werden uns dort weiterhin für diese Themen engagieren.

Meine Damen und Herren! Rückblicke sind schön. Die siebziger Jahre werden von den einen gepriesen, von den anderen vielleicht weniger. Ich meine, entscheidend ist nicht, was hinter uns liegt, sondern was vor uns liegt. Unser Engagement für Menschenrech­te und für Rule of Law wird weiterhin ein besonderes sein. Dafür stehen wir Österrei­cher. In diesem Bereich sollten wir auch engagiert bleiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

11.36


Präsident Martin Preineder: Danke, Herr Bundesminister.

Wir setzen die Debatte fort. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller wei­teren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung der Präsidialkonferenz 5 Mi­nuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


11.37.21

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Au­ßenminister! Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Außenminister, die Bemühungen Österreichs im UN-Sicherheitsrat in allen Ehren, aber erlauben Sie mir dennoch einige kritische Anmerkungen, denn ich denke, dass positiv geäußerte Kri-
tik auch eine Triebfeder für zukünftige Entwicklungen ist. Ich möchte in meinem kurzen Debattenbeitrag die Beziehungen zum Iran thematisieren.

Die Verhandlungen mit dem Iran sind sicher nicht einfacher geworden, denn nach der offensichtlichen Wahlfälschung Ahmadinejads ist das Regime geschwächt, und die äußerst mutige iranische Protestbewegung hat noch immer nicht aufgegeben. Ob die Reformer oder die Hardliner in diesem Machtkampf langfristig die Oberhand behalten, wird auch sicherheitspolitisch interessant sein.


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Ahmadinejad ohne großen Protest als Präsidenten anzuerkennen und sich in den Be­ziehungen zum Iran nur auf die Atomverhandlungen zu konzentrieren, halte ich für ei­nen Fehler. Leider hat auch Österreich – nicht einmal im viel beschworenen Gleich­klang mit den anderen EU-Staaten – bei der Rede Ahmadinejads vor der UN-General­versammlung keine Haltung bewiesen. Eine Geste der Solidarität für die Reformbewe­gung wäre das Mindeste gewesen, was Österreich für diese hätte tun können.

Es ist auch eine gewisse Doppelzüngigkeit der österreichischen Politik zu erkennen, wenn auf der einen Seite das Mittragen der UN- und EU-Sanktionen, aber auf der an­deren Seite das Bewerben eines Ausbaus der Beziehungen, wie etwa durch den öster­reichischen Botschafter im Iran, forciert wird.

Die Wirtschaftskammer hält heute in Wien ein sogenanntes Iran-Seminar ab, bei dem Unternehmen offensichtlich erklärt werden soll, wie sie trotz Sanktionen weiterhin her­vorragende Geschäfte mit der Diktatur aus Mullahs und den Revolutionsgarden ma­chen können. Der Druck auf das Regime, das weiterhin an seinem Nuklearprogramm arbeitet und die iranische Freiheitsbewegung brutal unterdrückt, wird durch solche Ver­anstaltungen bewusst zurückgenommen.

Bei diesem Seminar werden auch Vertreter des Wirtschafts-, Finanz- und Außenminis­teriums österreichischen Firmen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Kontrollbank wird über Absicherung im Handel mit dem Iran informieren. Die Wirtschaftskammer be­hauptet allen Ernstes, die Veranstaltung solle lediglich sicherstellen, dass Unternehmen die neuen Sanktionen auch einhalten.

Es fragt sich nur, warum laut Seminarprogramm Michael Tockuss, der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer, als Abschlussredner auftreten wird. Er ist ei­ner der wichtigsten Lobbyisten gegen Sanktionen und für den weiteren Ausbau der Han­delsbeziehungen mit dem iranischen Regime. Und dass sich die Wirtschaftskammer weigert, die Namen der teilnehmenden Firmen zu nennen, wirft auch zahlreiche Fragen auf, ist aber nicht Thema dieses kurzen Debattenbeitrages.

Passend dazu fördert die österreichische Vertretung in Teheran das Iran-Business ös­terreichischer Unternehmen weiterhin. Firmen wie Anton Paar, VADO, Wittmann Bat­tenfeld oder ELIN suchen mit Unterstützung der Botschaft nach Geschäftspartnern im Iran. Der österreichische Botschafter im Iran, Thomas Buchsbaum, hat undementierten iranischen Medienberichten zufolge gerade wieder das Interesse Österreichs an einem Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran bekundet.

Ganz in diesem Sinne handelt die OMV, die weiterhin die Maschinen der Iran Air be­tankt. Während BP und Shell ihre Verträge mit der Fluglinie des Regimes kurzfristig ge­kündigt haben, springen der Flughafen Wien und das österreichische Vorzeigeunter­nehmen in die Bresche. Zudem spielt die OMV eine wichtige Rolle bei den Ausnahme­regelungen, die sich die EU bei der Umsetzung ihrer ohnehin unzureichenden Sank­tionsbeschlüsse selbst genehmigt, etwa bei der Ausbeutung des Shah-Deniz-Gasfel­des in Aserbaidschan, aus dem die von der OMV maßgeblich betriebene Nabucco-Pipeline gespeist werden soll, an dem aber auch Naftiran, eine Tochterfirma der National Iranian Oil Company, beteiligt ist.

Österreich scheint eine ähnliche Strategie zu verfolgen wie Deutschland: So wenige Sanktionen wie möglich, um die ökonomischen Interessen nicht zu gefährden, aber so viele Sanktionen wie nötig, um nicht ins Schussfeld der Kritik zu geraten und schärfere Maßnahmen gegen das Regime zu verhindern. Diese Politik, sehr geehrter Herr Au­ßenminister, ist meines Erachtens kurzsichtig, denn die Gefahren, die vom iranischen Regime ausgehen, werden nicht von selbst verschwinden.

Es wäre auch interessant zu erfahren, sehr geehrter Herr Außenminister, was Öster­reich im Rahmen seines Mandats im UN-Sicherheitsrat unternommen hat, um die tat­sächliche Opposition im Iran zu stärken.


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Die Menschenrechtssituation ist dramatisch. Das gestern vollstreckte Todesurteil an Shahla Jahed bestätigt diese tragische Situation.

Da stellt sich die Frage: Welche Schritte wurden während der Mitgliedschaft im UN-Si­cherheitsrat und seitens des Außenministeriums unternommen, um dieses Urteil doch noch abzuwenden?

Ein weiterer Fall ist jener von Sakineh Mohammadi Ashtiani, die auch kurz vor der Voll­streckung der Todesstrafe durch den Strang steht. Welche Schritte werden in diesem Fall unternommen, und ist man bereit, auch mit politischen Konsequenzen, wie etwa dem Abzug des österreichischen Botschafters, zu drohen und diese Rute ins Fenster zu stellen? (Präsident Preineder gibt das Glockenzeichen.)

Ich halte es für notwendig, sich ganz strikt gegen diese Politik, die das iranische Re­gime betreibt, abzugrenzen, denn mit einer Beschwichtigungspolitik gegenüber den Is­lamisten wird man nichts erreichen, denen muss man sich ganz konkret entgegenstel­len.

Ich bin schon am Ende meiner Ausführungen, Herr Präsident. Ich danke für die Auf­merksamkeit und hoffe, dass einige Fragen, die ich aufgeworfen habe, hier auch be­antwortet werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.43


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Win­zig. Ich erteile es ihr.

 


11.43.27

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Außenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir ha­ben es gehört: Bereits in der Geschichte war Österreich Vermittler und Brückenbauer für Frieden und Sicherheit. Frau Mag. Duzdar, ich muss Ihnen sagen, ich bin wirklich traurig über Ihr Wissen über die österreichische Außenpolitik, und meine Fraktion ver­misst bereits jetzt Ihren heute ausgeschiedenen Kollegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Wahl Österreichs in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war auch ein Aus­druck unserer erfolgreichen Außenpolitik – und nicht der Außenpolitik in der Kreisky-Ära. Auch dein persönliches Engagement, sehr geehrter Herr Außenminister, hat unse­re Position in der internationalen Gemeinschaft wieder ein Stück weitergebracht, und dazu herzliche Gratulation. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch die Schwerpunktsetzung während unserer Zeit im Sicherheitsrat auf den Schutz von Frauen und die Rolle der Frauen in Postkonfliktsituationen und der Friedensarbeit sind hervorzuheben, denn gerade Frauen sind in kriegerischen Auseinandersetzungen schwer betroffen: Sie müssen die Familie ernähren, das zivile Leben aufrechterhalten und sind auch noch von Gewalt und Missbrauch bedroht.

Du hast es schon die Resolution 1325 angesprochen, wo sehr viel passiert ist, weiters die Resolution, die auf eine Stärkung der Maßnahmen zur Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Frauen in bewaffneten Konflikten abzielt, aber auch die Resolution, wo die Prioritäten von Frauen und Mädchen im Peacebuilding und in der Postkonfliktsitua­tion berücksichtigt werden.

Ja, Frau Kollegin, es ist noch viel zu tun, aber es ist auch unbestritten, dass Österreich gerade bei diesem Thema die Themenführerschaft innehatte, sonst würde sich die amerikanische Außenministerin nicht mit unserem Außenminister vor die internationale Presse stellen.

Sie haben auch das Budget und die Sparmaßnahmen angeschnitten. In diesem Zu­sammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass es auch positive Ansätze gibt. Es ist


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die positive Zusammenarbeit der ADA, der Austrian Development Agency, mit der AWO, die vor Kurzem geschaffen wurde, anzuerkennen – Geschäftsideen in Entwicklungs- und Schwellenländern mit entwicklungspolitischem Mehrwert werden gefördert. Gerade un­sere Betriebe haben ein hohes Know-how und hohe Kompetenz bei der Schaffung von Infrastruktur im Transport-, Energie-, Gesundheits- und Bildungsbereich.

Insbesondere bei knappen Mitteln ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen und neue Kooperationen einzugehen, wie das hier gemacht wird. Diese Projekte bringen auch eine Win-win-Situation, sowohl für unsere Wirtschaft als auch für die Entwicklung und die Friedensicherung in Entwicklungs- und Schwellenländern. (Beifall bei der ÖVP.)

11.46


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schen­nach. Ich erteile es ihm.

 


11.47.00

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Außenminister! Liebe Frau Kollegin Winzig, es ist natürlich so, dass es ein großer gemeinsamer Akt der Republik und aller Beteiligten – egal, ob Parlament oder Regierung, ob Nationalrat oder Bundesrat, ich denke da auch an Frau Kollegin Hasel­bach – war, der dazu geführt hat, dass es zu dieser sehr wichtigen Wahl in den Si­cherheitsrat gekommen ist – gemeinsam mit der Türkei. Ich finde, dass es auch sym­bolisch spannend war, dass wir gemeinsam mit der Türkei gewählt wurden, weil das auch ein wichtiges Zeichen in der europäischen Diskussion ist.

Es ist einerseits eine Sache des internationalen politischen Prestiges, aber es ist natür­lich auch eine ganz besondere Verpflichtung einer neutralen Republik wie Österreich, sich international vor allem in Fragen von Frieden und Sicherheit, Völkerverständigung und Durchsetzung von Recht – von Menschenrecht, von humanitärem Recht, von inter­nationalem Recht – zu engagieren.

Deshalb, liebe Frau Kollegin Mühlwerth, bei aller Wertschätzung: Ihre Rede war die Rückkehr in das Land der Gartenzwerge.

Gerade die starke Neutralität, die Österreich ebenso wie Schweden und die Schweiz hat, verpflichtet uns geradezu zu diesem internationalen Engagement. Wir können nicht einfach nur sagen: Ach Gott, in der Welt ist es grauslich, aber Hauptsache, wir haben die Weinseligkeit unserer Heurigen! – Das kann es ja nicht sein, meine Damen und Herren!

Es ist empörend, Frau Kollegin Mühlwerth – ich glaube, Sie waren noch nie bei unse­ren Truppen in den verschiedenen Einsatzgebieten (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth), ich kann das nur vermuten –, wenn man hier sagt, dass die friedenschaffenden Missionen des österreichischen Bundesheeres keine Erfolgsgeschichte waren. Wenn man das sagt, dann weiß man darüber nicht Bescheid. (Bundesrätin Mühlwerth: Da ha­ben Sie nicht zugehört!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich war fast überall, wo österreichische Männer und Frau­en – es sind auch Frauen im Einsatz – Frieden sichern. Wir sind keine Armee des Frie­denschaffens, sondern eine Armee des Friedensicherns. Und dieser Beitrag Öster­reichs ist auch à la longue von sehr großer Wichtigkeit dafür, wie Österreich in einer Re­gion gesehen wird.

Ich selbst hatte die Aufgabe, von Jänner bis März eine internationale Fact Finding Mis­sion im Nahen Osten zu leiten. Der Name „Österreich“ ist dort nahezu wie ein kleines Tabernakelstück. Man sagt, von Österreich ging so viel Solidarität aus und von Öster­reich ging so viel Klarheit aus, auch was die Durchsetzung des humanitären Menschen­rechts betrifft, aber auch dieses Engagement, das zum Beispiel die österreichischen Truppen am Golan bisher gezeigt haben.


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Eines soll man in diesem Zusammenhang nicht vergessen – weil Sie gefragt haben, was uns das so angeht –: Zum Beispiel die Verbannung einer der grausamsten For­men des Tötens, nämlich mit Streumunition, ist eine Initiative, die in Österreich ihren Ausgang nahm.

Die hinterhältigste Waffe sind die Anti-Personenminen, denn sie töten die Kinder noch 20 Jahre nach Kriegsende. In vielen Gebieten sind noch Hunderttausende dieser Mi­nen vergraben – in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, im Kosovo, in Bosnien, sind es zwischen 25 000 und 30 000.

Herr Bundesminister, unsere Truppen sagen immer – ich würde mir das auch wün­schen –: Gebt uns bitte das Mandat! Wir haben das gesamte Werkzeug, dass wir diese Minen entschärfen dürfen. Wir dürfen nur sagen, da sind die Minen, aber wir dürfen sie nicht entschärfen!

Herr Bundesminister, die Kritik, die meine Kollegin Duzdar hier formuliert hat, zielt na­türlich schon auf etwas ab, das wir alle beobachten mussten, nämlich darauf, dass mit dem Beitritt zur Europäischen Union die Fokussierung, was österreichische Außenpoli­tik ist, nämlich Außenpolitik jenseits der Europäischen Union, eine Nebenmaterie wurde.

Ich bin froh, dass Sie zu dieser „Nebenmaterie“ jetzt gesagt haben, dass Sie am Mon­tag in den Sudan aufbrechen werden. Ich halte das für sehr wichtig, wie ich auch den Einsatz der österreichischen Truppen im Tschad, die eine gar nicht so unwichtige Auf­gabe zu erfüllen gehabt haben, als wichtig angesehen habe.

Wir müssen wieder zu einer wirklichen Außenpolitik kommen, ganz wie es einem stol­zen neutralen Landes mitten in Europa ansteht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Zangerl.)

11.52


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Michalke. Ich erteile ihr das Wort.

 


11.52.45

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schennach, Ihr Wort in Gottes Ohr! Ich bitte Sie, diese Ihre Rede auch Ihrem neuen Parteikollegen Häupl zu geben, denn der wollte ja bekanntlich die Wehrpflicht abschaffen. Dann ha­ben wir ja keine friedenserhaltenden Truppen mehr – und was tun wir dann? (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Mag. Himmer.)

Mit der Mitgliedschaft Österreichs im UN-Sicherheitsrat gehen automatisch Diskussio­nen über Entsendungen von Soldaten in den Tschad oder in andere Krisenherde ein­her, aber auch Diskussionen über Bemühungen um die Lage im Nahen Osten, das Atomprogramm Nordkoreas, die Sicherheitssituation der UNO-Mission in Afghanistan und die Klimakonferenz in Kopenhagen. Man weiß, dass bei Letzterer keine großen Würfe gelungen sind, und alle Welt schaut schon auf die kommende Konferenz in Me­xiko, in Cancún. Es wird wieder von der Beweglichkeit der USA und Chinas abhängen, welche Ergebnisse dort erzielt werden können.

Österreichs Bestrebungen, vor allem für die Verbesserung des Schutzes von Zivilisten, insbesondere von Kindern, in kriegerischen Auseinandersetzungen konkrete Maßnah­men zu erarbeiten, ist sehr lobenswert. Mich hätte interessiert, welche Fortschritte oder bereits erzielte Ergebnisse in diesem Zusammenhang verzeichnet werden können.

Mir und sicher auch der gesamten Bevölkerung wäre es ebenso wichtig, zu erfahren, was aus den gestellten Aufgaben bezüglich der Rolle der Frauen in der Friedensarbeit, der Abrüstung und Non-Proliferation von Landminen oder Streumunition geworden ist.


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Es wurden Resolutionen eingebracht, aber diese Resolutionen allein reichen nicht. Ich hätte gerne gewusst, ob bereits Ergebnisse in dieser Richtung erzielt werden konnten.

Eine entsprechende Bilanz über die Aktivitäten und die Tätigkeiten Österreichs im UNO-Sicherheitsrat zu ziehen und der Bevölkerung zu vermitteln, wäre für mich wünschens­wert. Und wenn auch einmal vielleicht ein Bericht über das Außenministerium geschrie­ben wird, in dem Hillary Clinton aufscheint, so wäre es doch schön, die Bevölkerung auch intensiver über diese Bemühungen zu informieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.55


Präsident Martin Preineder: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Spindelegger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.55.35

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf kurz auf die aufge­worfenen Fragen eingehen.

Herr Bundesrat Dönmez hat die Frage Iran ins Zentrum seiner Ausführungen gestellt. – Ich stimme Ihnen zu, dass wir diesbezüglich sehr sensibel vorzugehen haben. Aber ich darf Ihnen auch gleich die Antwort auf Ihre Fragen geben.

Es gibt ein Sanktionenregime, das vom UNO-Sicherheitsrat beschlossen wurde – mit unserer tatkräftigen Mithilfe –, und es gibt ein darauf fußendes Sanktionenregime der Europäischen Union, das strenger ist als jenes der Vereinten Nationen.

Klar ist – und das halte ich fest –: Wir Österreicher halten uns auf Punkt und Beistrich an dieses Sanktionenregime. Aber deswegen jetzt zu sagen, dass die Folge ist, dass niemand mehr mit dem Iran Handel treiben darf, wäre eine völlig verfehlte Schlussfol­gerung, denn, meine Damen und Herren: Was hat ein Iraner oder eine Iranerin verbro­chen, dass überhaupt kein Handel mit dem Land getrieben werden darf? Die Bevölke­rung würde darunter am stärksten leiden, und damit das nicht passiert, dürfen Lebens­mittelversorgung, Handel, auch Waren, die aus dem Iran herausgebracht werden, da­mit es der Bevölkerung besser geht, nicht völlig verboten werden. Anderes wäre doch eine Schlussfolgerung, zu der Sie wohl auch nicht kommen werden.

Da müssen wir sehr sensibel, unter genauer Einhaltung der Sanktionen – und genau das wird auch, nehme ich an, der Tenor der Wirtschaftskammer sein, wenn es um die Beratung von österreichischen Unternehmen geht –, vorgehen. Aber auf der anderen Seite dürfen wir die Bevölkerung nicht darunter leiden lassen.

Wir haben ja die Sanktionen so formuliert, dass sie vor allem die Revolutionsgarden mit all ihren Unternehmen treffen. Das ist auch gelungen. Warum sonst ist der Iran be­reit, jetzt wieder mit der Europäischen Union zu verhandeln? – Diese Gespräche wer­den in den nächsten Tagen in Genf stattfinden.

Zweitens – da darf ich auf die Ausführungen von Herrn Bundesrat Schennach zurück­kommen –: Ich stimme Ihnen zu, dass die österreichischen Soldaten im UNO-Einsatz einen hervorragenden Job leisten – das ist gar keine Frage. Das ist nicht nur so he­runterzuspielen, wie die Kollegin der FPÖ das hier gemacht hat, sondern ganz im Ge­genteil: Wer am Golan ist, merkt, dass dort täglich Friedensarbeit im Sinne des Ausein­anderhaltens der Konfliktparteien erfolgt und damit eine Katastrophe verhindert wird. Dazu können wir unseren Soldatinnen und Soldaten nur gratulieren, was auch die Be­völkerung insgesamt durchaus tut.

Ich höre solche Töne eigentlich nicht gerne, denn sie würden die Betroffenen nur de­motivieren. Ich meine, die leisten einen hervorragenden Job, und das müssen wir auch anerkennen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Zangerl.)


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 27

Was die eigenständige Außenpolitik Österreichs anlangt: Wir sind eingebettet in die Europäische Union. Das bringt aber auch den Vorteil, dass das, was wir im Rahmen der EU mit unseren Partnern vereinbaren, ein stärkeres Gewicht bekommt. Sich also zu beklagen, dass wir nichts zusammenbringen, aber auf der anderen Seite dann zu fordern, dass wir eine eigenständigere Außenpolitik machen, ist, glaube ich, nicht sehr stimmig.

Abschließend möchte ich noch Frau Bundesrätin Michalke – Entschuldigung, dass ich zuerst die Namen verwechselt habe; das war auf der Rednerliste noch falsch darge­stellt – antworten und sagen, was aus unserem Einsatz gegen Anti-Personenminen und Landminen geworden ist.

Mittlerweile ist es so, dass beide Resolutionen, die von uns ausgegangen sind, in Kraft getreten sind. Das heißt, es gibt mittlerweile eine weltweite Ächtung, weil es genügend Staaten gibt, die das unterstützt haben. Bei unserem Bundesheer wurden die entspre­chenden Munitionsbestände – so wie in vielen anderen Ländern – vernichtet. Sie ste­hen nicht mehr zur Verfügung. Das bedeutet aber auch, dass jeder, der so etwas pro­duziert, das nicht mehr exportieren darf. Nur auf illegalem Weg gibt es noch immer sol­che Waffensysteme und deren Einsatz. Aber das ist schon ein enormer Fortschritt in die Richtung, dass Menschen auf der ganzen Welt sicherer leben können.

Und was Ihre Fragen zur Informationspolitik betreffen: Wenn Sie heute die „Oberöster­reichischen Nachrichten“ anschauen, sehen Sie eine ganze Seite, die wir geschaltet haben, um unsere Leistungen im UNO-Sicherheitsrat darzustellen, die Bevölkerung da­rüber zu informieren. Das wird so in allen Tageszeitungen erscheinen.

Wir werden das selbstverständlich ernst nehmen, ich bitte aber um eines: Lesen muss man es auch! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Zangerl.)

11.59


Präsident Martin Preineder: Danke, Herr Bundesminister, für die abschließende Stel­lungnahme. Danke für Ihr Kommen und vor allem auch für das Verständnis, dass wir mit der Sitzung um eine halbe Stunde später begonnen haben.

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

12.00.16Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Martin Preineder: Hinsichtlich jenes Verhandlungsgegenstandes, der ge­mäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, beziehungsweise

der Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 78 Abs. 2 B-VG über die Amtsenthe­bung beziehungsweise Ernennung einer Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirt­schaft, Familie und Jugend beziehungsweise

gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG sowie

der Mitteilung des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt der Bundesministerin für Inneres, Dr. Maria Fekter, am 1. und 2. Dezember 2010 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates bei gleichzeitiger Betrauung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Dipl.-Ing. Nikolaus Berla­kovich, mit der Wahrnehmung ihrer Agenden gemäß Artikel 73 Abs. 3 B-VG beziehungs­weise

jenes Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag mit der Tschechischen Republik über


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Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI beziehungsweise über Änderungen des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Okto­ber 2001

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz be­treffend die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (917 und 948 der Bei­lagen)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Staatssekretärin Chris­tine Marek gemäß Artikel 74 Abs. 3 iVm Artikel 78 Abs. 2 B-VG sowie gleichzeitige Er­nennung von Mag. Verena Remler zur Staatssekretärin gemäß Artikel 70 Abs. 1 iVm Artikel 78 Abs. 2 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Martin PREINEDER

Parlament                                                                                                            GZ 350.000/0004-I/4/10

1070 Wien                                                                                             Wien, am 26. November 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom
26. November 2010, GZ. S210.01 0/2-BEV/201 0, gemäß Artikel 74 Absatz 3 in Verbin­dung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Staatssekretärin Chris­tine MAREK vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Mag.a Verena REMLER zur Staatssekretärin ernannt und sie dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur par­lamentarischen Vertretung beigegeben.

Mit den besten Grüßen“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierungen gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 29

Herrn

Martin PREINEDER

Präsident des Bundesrats

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 3

1010 Wien                                                                                             Wien, am 22. November 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG informiere ich Sie, dass die Bundesregie­rung im Rahmen der 81. Sitzung des Ministerrates am 23. November 2010 eine Umno­minierung eines stellvertretenden Mitglieds im Ausschuss der Regionen der EU (AdR) für die laufende Mandatsperiode 2010 bis 2015 beschlossen hat.

Diese Umnominierung erfolgte auf der Grundlage eines entsprechenden Vorschlags der Burgenländischen Landesregierung gem. Art. 23c Abs. 4 B-VG, den diese am 12. Oktober 2010 dem Bundeskanzleramt übermittelt hat. Der Umnominierungsvor­schlag wurde damit begründet, dass das bisherige stellvertretende Mitglied des AdR, Herr Landtagspräsident Walter PRIOR, am 24. Juni 2010 aus dem Burgenländischen Landtag ausgeschieden ist. An seiner Stelle hat die Burgenländische Landesregierung am 5. Oktober 2010 Herrn Landtagsabgeordneten Klubobmann Christian ILLEDITS vor­geschlagen.

Die formale Ernennung der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des AdR wird gemäß Art. 305 AEUV mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU erfolgen. Mit der Ernennung durch den Rat der EU ist noch in diesem Jahr zu rechnen.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen“

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Martin Preineder

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                     12. November 2010

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-CZ.8.33.02/0002-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 19. Oktober 2010 (Pkt. 17 des Beschl. Prot. Nr. 76) der Herr Bundespräsident am 22. Oktober 2010 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI sowie über Änderungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tsche­chischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 30

Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 erteilt hat. Die Aufnahme dieser Ver­handlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-CZ.4.36.11/0009-IV.2b/2010

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der

Tschechischen Republik über Änderungen des Verlaufes der

gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und

XI sowie über Änderungen des Vertrages zwischen der

Republik Österreich und der Tschechischen Republik über

die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der

Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001;

Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Mit dem gegenständlichen Vertrag soll der Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik in den Grenzab­schnitten X und XI und der im Betreff genannte Staatsgrenzvertrag geändert werden. Ein Entwurf für einen solchen Grenzänderungsvertrag wurde bereits von der Ständigen Österreichisch-Tschechischen Grenzkommission erstellt.

Im Grenzabschnitt X wurde mit den Bauarbeiten zur Errichtung des rechtsufrigen Tha­yadammes im Jahr 1982 begonnen und diese im Jahre 1986 beendet. Der rechtsufrige Damm oberhalb des Grenzpunktes XI soll gegen Überuferungen des Flusses schüt­zen. Betroffen sind ca. 60 ha landwirtschaftliche Flächen auf tschechischem Gebiet und 50 ha auf österreichischem Staatsgebiet. Der Hochwasserschutzdamm wurde im Wesentlichen auf tschechischem Staatsgebiet situiert. Um eine deutliche Erkennbarkeit des Verlaufes der Staatsgrenze sowie eine sinnvolle Bewirtschaftung von landwirt­schaftlichen Flächen zu ermöglichen, soll die Staatsgrenze auf die Dammkrone verlegt werden.

Im Bereich des Grenzabschnittes XI wurde eine Regulierung der Thaya vorgenommen. Die Bauarbeiten wurden in den Jahren 1979 bis 1987 durchgeführt. Die damalige Ös­terreichisch-Tschechoslowakische Grenzgewässerkommission hat gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. o ihres Statutes (BGBI. Nr. 106/1970) beschlossen, dass bis zum Inkrafttreten eines Vertrages über die Verlegung der Staatsgrenze in das regulierte Gerinne die durch die Regulierung abgetrennten Gebietsteile des einen Staates vom anderen Staat unent­geltlich genützt werden dürfen. Die Staatsgrenze ist im Sinne von Art. 3 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 (BGBI. Nr. 344/1975 bzw. BGBl. III Nr. 112/2004) nicht diesen


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 31

künstlichen Veränderungen der Lage des Flusses gefolgt sondern schneidet das Flussbett mehrfach. Um eine deutliche Erkennbarkeit des Verlaufes der Staatsgrenze sowie eine sinnvolle Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen zu ermöglichen erscheint es notwendig, die Staatsgrenze in das neue Flussbett zu verlegen, wobei der Charakter der Beweglichkeit (Art. 3 Abs. 2 des vorzit. Vertrages) beibehalten werden soll.

Von der damaligen "Ständigen österreichisch-tschechoslowakischen Grenzkommis­sion" wurde eine Vermessung der Grenzstrecke der regulierten Thaya durchgeführt und ein Flächenverzeichnis sämtlicher Staatsgebietsteile, die durch die Regulierungen abgetrennt worden sind, erstellt. Die Gesamtflächendifferenz beträgt 234 m2. Die Grenzkommission hat beschlossen, diese Flächendifferenz im Bereich des Thayadam­mes auszugleichen und die Grenzänderungen im Bereich der regulierten Thaya und des Thayadammes in einem eigenen Grenzänderungsvertrag zu behandeln. Die Grenz­änderungen erfolgen daher insgesamt flächengleich. Auf österreichischer Seite sind die vom Eigentumsübergang betroffenen Gebietsteile von den Eigentümern vertraglich an den Bund gegen Entgelt abgetreten worden. Die Grenzänderungsfälle betreffen aus­schließlich das Land Niederösterreich.

Da die bisher für die Verhandlungen bevollmächtigten Vertreterinnen des BMeiA inzwi­schen an andere Dienstorte versetzt wurden, bedarf es der Bevollmächtigung der nun­mehr an der Österreichischen Botschaft Prag tätigen Bediensteten.

Der Vertrag wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Geneh­migung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen durch die nun bevollmächtigten Vertreter unverzüglich unter­richtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Inneres und dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Ferdinand Trauttmansdorff, und im Falle seiner Verhinderung Gesandten-Bot­schaftsrat Mag. Martin Hojni, zur Leitung der Verhandlungen über den Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI sowie über Änderungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 zu bevollmächtigen.

Wien, am 13. Oktober 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                                   Geschäftszahl: 350.200/0171-I/4/10


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 32

An den                                                                                                                                   Abteilungsmail:

Präsidenten des Bundesrates                                        Sachbearbeiterin: Gabriele MUNSCH

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

Parlament                                                                                     Telefon: 01/531 15/2217 bzw. 2264

1017 Wien                                                                                                  Datum: 23. November 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bundesministe­rin für Inneres Dr. Maria FEKTER am 1. und 2. Dezember 2010 in Brüssel aufhalten wird. Ihre Angelegenheiten im Nationalrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG lässt sie an die­sen Tagen durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft Dipl.-lng. Nikolaus BERLAKOVICH wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Präsident Martin Preineder: Eingelangt ist der Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft, Mittelstandbericht 2010, der dem Wirtschaftsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heu­tigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände beziehungsweise die Wahl von Ausschüssen sowie die Wahl einer Vizepräsidentin/eines Vizepräsidenten und ei­ner Ordnerin/eines Ordners für den Rest des zweiten Halbjahres 2010 auf die Tages­ordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Martin Preineder: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 bis 7 sowie 15 und 16 je­weils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

12.03.011. Punkt

Wahl einer/s Vizepräsidentin/en und einer/s Ordnerin/s für den Rest des 2. Halb­jahres 2010

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstruierten Wiener Landtag durchgeführten Neu­wahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Wahl einer Vizepräsidentin/eines Vizepräsidenten für den Rest des 2. Halbjahres 2010

 


Präsident Martin Preineder: Ich werde die Wahl einer Vizepräsidentin/eines Vizeprä­sidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 33

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin/des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesra­tes für den Rest des zweiten Halbjahres 2010.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bunderätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist Einstimmigkeit. Der Wahlvorschlag ist so­mit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


12.04.06

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich bedanke mich herzlich und nehme die Wahl an.

 


Präsident Martin Preineder: Ich gratuliere. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl einer Ordnerin/eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2010

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zur Wahl eines Ordners oder einer Ordnerin.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Herrn Bundesrat Ferdinand Tiefnig für den Rest des zweiten Halbjahres 2010 zum Ordner des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bunderätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


12.04.46

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen.

 


Präsident Martin Preineder: Ich danke für die Annahme und wünsche eine angeneh­me Tätigkeit als Ordner.

12.04.552. Punkt

Außenpolitischer Bericht 2009 der Bundesregierung (III-409-BR/2010 d.B. sowie 8402/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Serbien andererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (944 d.B. sowie 8403/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Amtssitzabkom­men zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (788 d.B. und 950 d.B. sowie 8404/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 34

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Rahmenabkom­men über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäi­schen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Indo­nesien andererseits samt Schlussakte (868 d.B. und 951 d.B. sowie 8405/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die gegensei-
tige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (872 d.B. und 952 d.B. sowie 8406/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Einrichtung von Verbindungsbüros in Wien (923 d.B. und 953 d.B. sowie 8407/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen zu den Punkten 2 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 2 bis 7 ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich bitte um die Berichte.

 


12.06.18

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe Ihnen die Berichte zu den Tagesord­nungspunkten 2 bis 7. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außenpoli­tischen Bericht 2009 der Bundesregierung liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich kom­me daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 den Antrag, den Außenpolitischen Bericht 2009 der Bundesregie­rung zur Kenntnis zu nehmen.

Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Stabilisierungs- und Assoziierungs­abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten ei­nerseits und der Republik Serbien andererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich kom­me daher auch hier gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte liegt Ih­nen gleichfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 35

Auch der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Be­schluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemein­schaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Indonesien andererseits samt Schlussakte liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher auch hier gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Kata­strophen oder schweren Unglücksfällen liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher auch in diesem Fall gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Schließlich liegt Ihnen der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Internationalen Finanz-Corporation und der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Einrichtung von Verbindungsbüros in Wien gleichfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher auch hier gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


12.09.31

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Ho­hes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Außenpolitische Bericht 2009 ist in seiner aktuellen Gestaltung sehr übersichtlich und sein Erscheinen ist auch entspre­chend zeitnahe. Die Ankündigung, dass der Bericht 2010 bereits im Frühjahr fertigge­stellt werden soll, ist sehr, sehr begrüßenswert, und ich bedanke mich bereits im Vo­raus dafür.

Große Aufmerksamkeit wird in diesem Bericht der Wirtschaftskrise und diesbezügli­chen europäischen Reaktionen gewidmet. Auch die Themen Klimawandel, EU-Strate­gien für den Donau- und Schwarzmeerraum, transatlantische Partnerschaften, Entwick­lungszusammenarbeit und Menschenrechte, Aktivitäten Österreichs im Rahmen der UNO und im Rahmen der EU und weitere werden in diesem Bericht beleuchtet. Insbe­sondere der EU-Erweiterung in Richtung Balkan wird sehr viel Raum gegeben.

Für mein Verständnis war bereits der Betrag der früheren Heranführungshilfen sehr hoch und für ein Land wie zum Beispiel die Türkei hinausgeworfenes Geld. Jetzt wird die Vorbeitrittshilfe, so heißt das Kind jetzt seit Neuestem, noch auf 900 Millionen € er­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 36

höht. Das ist schlicht untragbar, zumal die Türkei diese entgegengebrachte Toleranz sprichwörtlich verhöhnt, indem sie alles andere als kooperiert, nein, der türkische Bot­schafter, Herr Tezcan, die österreichische Bevölkerung mit seinen unverschämten Äu­ßerungen sogar beleidigt. Dafür gebührt eine entsprechende Entschuldigung und der Hinweis Richtung Botschafter, dass in Österreich wir im Hohen Haus die Gesetze be­schließen und entscheiden, wie Regeln definiert werden. Dazu benötigen wir keinerlei Botschafter, die meinen, sich in die österreichische Innenpolitik einmischen zu müssen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Wir sollten jedoch endlich auch die entsprechende Fairness und Ehrlichkeit besitzen und in Richtung Türkei nicht von Partnerschaft reden, aber über einen Vollbeitritt ver­handeln; das ist nicht korrekt gegenüber der Türkei. Haben wir doch den Mut, Stopp!, zu sagen und einen Abbruch der Vollbeitrittsverhandlungen und stattdessen Verhand­lungen in Richtung Partnerschaft zu verlangen.

Aus gegebenem Anlass – dem Rettungsschirm nun auch für Irland – möchte ich noch einmal anmerken, dass es doch nicht sein kann, dass einerseits dramatische Sparpa­kete für die österreichischen Familien geschnürt werden, und gleichzeitig andererseits eben diese Bürger den Kopf für Misswirtschaft bei Banken oder auch für vernach­lässigte Haushaltsdisziplin in Ländern wie Griechenland, Irland und so weiter hinhalten müssen.

Das ist unverständlich und ungerecht, und wir wären gut beraten, diese Gelder in unser marodes Bildungssystem, in die Pflege unserer älteren Generation, aber auch in die Entlastung unserer Klein- und Mittelbetriebe zu investieren. Das wären weit bessere Ansätze, um eine Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Dazu braucht es aber Mut, sich ge­gen entsprechende Lobbys zu stellen – Mut, der offensichtlich unseren Regierungspar­teien fehlt. (Ruf bei der ÖVP: Na, na na! – Bundesrat Mitterer – in Richtung ÖVP –: Das stimmt!)

Tagesordnungspunkt 6 behandelt Hilfeleistungen für Albanien. – Dazu möchte ich vo­ranstellen, dass eine Hilfestellung, Hilfeleistung bei Katastrophenfällen in Albanien durch Österreich selbstverständlich von uns unterstützt wird, sollte diese nötig sein, anderer­seits muss man schon sehen, wie die Größenverhältnisse bei den Entfernungen sind: Albanien hat ein EU-Land, nämlich Griechenland, als Nachbarn, ein weiteres EU-Land, nämlich Italien, ist wesentlich näher als Österreich, und ein EU-Beitrittskandidat, näm­lich Kroatien, liegt ebenfalls weit näher und ist fast ein Nachbar. – Jedes dieser ge­nannten Länder wäre im Ernstfall viel schneller vor Ort, und nur wer schnell hilft, hilft doppelt.

Ob allerdings im umgekehrten Fall Albanien Österreich mit einem entsprechenden Equipment zu Hilfe kommen kann, wagen wir bei der derzeitigen Lage doch zu bezwei­feln.

Daher sagen wir: Wenn Österreich Albanien seine Hilfe bei Unglücksfällen oder Kata­strophen verbindlich zusagen will, dann soll es das gerne tun, diese Gegenseitigkeit, deren Durchsetzung wir bezweifeln, können wir nicht unterstützen. – Danke schön. (Bei­fall bei der FPÖ.)

12.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


12.14.09

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 37

„Das Jahr 2009 war außenpolitisch von den vielfältigen Aufgaben geprägt, die das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten im Dienste Ös­terreichs erfüllt.“

Mit diesen treffenden Worten beginnt unser Außenminister Dr. Michael Spindelegger seine Einleitung zum Außenpolitischen Bericht 2009, und mit Hilfe des Letzteren sehen Sie – das ist ein bisschen zynisch gemeint, aber der Bericht soll alle Seiten der ös­terreichischen Außenpolitik umfassend beleuchten –, dass diese mehr ist als ein Aus­flug gewisser Jugendorganisationen nach Nordkorea, denn der Bericht ist eine umfas­sende Darstellung der vielseitigen Arbeiten auf 485 Seiten.

Lassen Sie mich Sie ein bisschen in diesen umfassenden Bericht entführen: Er um­fasst 14 Kapitel, und das erste behandelt unter anderem ein Thema, das uns beschäf­tigt, nämlich die Erweiterung der Europäischen Union.

Wir wissen, dass Kroatien Beitrittsverhandlungen über 33 Kapitel führt, von denen 28 bereits abgeschlossen sind.

Wir haben es gehört: Die Türkei ist noch im sogenannten Screeningprozess.

Die europäische Perspektive der westlichen Balkanländer ist ein wesentlicher Teil des Berichts: Er beschäftigt sich mit den Bemühungen der Länder Mazedonien, Albanien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Serbien auf ihrem Weg in die Europäische Union.

Der Ratifizierungsprozess des Vertrages von Lissabon, der bekanntlich mit 1. Dezem­ber 2009 in Kraft getreten ist, hat auch uns in diesem Haus beschäftigt.

Europainformation: Da hat sich gezeigt – und das, glaube ich, ist ein Problem der Euro­papolitik –, dass es um Information geht, die wir transportieren sollten. Diesbezüglich darf ich mich bei dir, Herr Minister, für deine Europatour quer durch Österreich be­danken. Es waren vor allem viele junge Damen und Herren, die aufmerksam zugehört und die Perspektive Europa sicherlich erkannt haben.

In Kapitel 5 geht es um die österreichischen VertreterInnen in den EU-Gremien. Wir wissen, dass wir seit dem vergangenen Jahr mit Gio Hahn auch einen neuen Kom­missar – ein sogenanntes Kommissionsmitglied – haben. 17 österreichische Abgeord­nete im EU-Parlament wurden im Jahr 2009 gewählt und fast 450 Österreicher und Ös­terreicherinnen versehen in der EU-Kommission ihren Dienst, das heißt, sie sind dort beschäftigt.

Es geht aber auch um die Außenbeziehungen der Europäischen Union, die Gemeinsa­me Außen- und Sicherheitspolitik – Stichwort GASP – und die europäische Nachbar­schaftspolitik – ENP. In den Kapiteln 3 bis 12 geht es um andere Regionen, nämlich je­ne von Südeuropa über Amerika, Afrika, Asien bis hin zu Australien und Ozeanien.

Punkt B, Österreich in anderen europäischen Foren: Wir wissen – europäische Sicher­heitspolitik –, im Jahr 2009 stellte Österreich mit rund 600 Soldatinnen und Soldaten das größte Kontingent eines Partnerstaates im Rahmen der KFOR. Es geht um die Diskussion über eine gemeinsame Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur bis hin zu einem gemeinsamen Raketenabwehrschild.

Punkt 3 Europarat: Auch da hat es ein Jubiläum gegeben, denn im Jahre 2009 feierte er sein 60-jähriges Bestandsjubiläum.

Kleinere Dinge beschäftigen uns – und damit meine ich den Bereich des Ministeriums für europäische und auswärtige Angelegenheiten – auch: Es geht um die Regionale Partnerschaft, die aus dem Konzept 2001 entstanden ist. Sie ist ein Beweis dafür, dass es eine enge Kooperation vor allem in Mitteleuropa mit den Staaten Slowakei, Slowe­nien, Tschechien, Ungarn und Polen gibt.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 38

Südtirol: Ich erinnere an das Jahr 2009 und die großen Gedenkfeiern betreffend das Jahr 1809. Auch da, in der Europaregion Tirol, hat eine neue Dynamik eingesetzt, in der es heute viele Möglichkeiten gibt und die rund 700 000 Menschen wieder näher zu­sammengeführt hat.

Die nukleare Sicherheit, die Alpenkonvention, Zusammenarbeit im Donauraum und in der Schwarzmeerregion: Hier geht es um die Ausarbeitung einer Donaustrategie, ähn­lich dem Modell der Ostseeländer.

Die globale Zusammenarbeit: Da, in Kapitel C, geht es um die Vereinten Nationen. Wir haben es schon gehört: Der Hauptpunkt war sicherlich die Wahl Österreichs in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Und man muss schon die internationale Presse verfolgen, um zu sehen, welchen Stellenwert Österreich damit bekommen hat! Ich darf mich ganz persönlich für deinen Einsatz, deinen persönlichen Einsatz, bedanken: Ich glaube, er war vorbildhaft und lässt eigentlich keine Kritik zu.

Die Kapitel 5 bis 7 beschäftigen sich mit dem Wirtschafts- und Sozialrat, dem Interna­tionalen Gerichtshof, den Sonderorganisationen der UN, wie der FAO, der UNESCO, der IAEO und – auch das gibt es – der Weltorganisation für Meteorologie, denn das Wetter ist bekanntlich weltumspannend.

Ein Aspekt, der heute noch nicht angesprochen wurde, ist die rechtliche und konsula­rische Dimension der österreichischen Außenpolitik. Zu den wichtigsten Aufgaben des Bundesministeriums zählen Serviceleistungen für Auslandsösterreicherinnen und -ös­terrei­cher sowie für jene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich aus privaten oder be­ruflichen Gründen im Ausland aufhalten und in eine Notlage geraten sind.

Über zehn Millionen Reisen wurden von Österreichern, die ihren Hauptwohnsitz hier haben, im Jahr 2009 gemeldet.

Reise- und Grenzverkehr: Österreichische Staatsbürger konnten 2009 in rund 105 Län­der dieser Erde mit normalen Reisepässen sichtvermerksfrei einreisen. Die österreichi­schen Vertretungsbehörden haben rund 317 000 Visa erteilt – der Rückgang erklärt sich dadurch, dass auch die Schweiz zum Schengenraum gekommen ist und dadurch etliche Visaanträge hinfällig wurden.

Mit AuslandsösterreicherInnen beschäftigt sich aber auch das Kapitel eGovernment und eVoting.

Die Österreichische Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit wurde schon erwähnt. Bei dem Engagement in Burkina Faso, in Bhutan, in Albanien, Mazedonien, Montenegro und Serbien geht es von der Umwelttechnologie bis hin zur Regionalentwicklung.

Die humanitäre Hilfe bei Katastropheneinsätzen wurde schon erwähnt. Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist Österreich als vorbildlich zu bezeichnen. In Namibia, Ango­la, Botswana und auch in Tadschikistan waren es vor allem Überschwemmungen.

Internationalen Abrüstungen, der Rüstungskontrolle und der Nichtverbreitung von Mas­senvernichtungswaffen widmet sich das Kapitel F. Ich bin Kollegem Schennach dank­bar dafür, dass er das hervorgehoben hat, denn noch immer kommen jährlich rund 17 000 Opfer durch Minen zu Schaden, die oft jahrzehntelang vergraben liegen. Auch in diesem Bereich hat Österreich, glaube ich, einen wichtigen Beitrag geleistet.

Punkt G, „Der internationale Schutz der Menschenrechte“, wurde erwähnt.

„H. Die humanitäre Dimension in den internationalen Beziehungen“, Migrations- und Flüchtlingsbewegungen, internationale Verbrechensverhütung.

In Kapitel I, „Multilaterale Wirtschaftspolitik“, geht es um die Welthandelsorganisation WTO, die OECD, aber auch um kritische Berichte der OECD im Jahre 2009, vor allem was das österreichische Bildungssystem betrifft.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 39

Österreich im Zusammenhang mit der internationalen Umweltpolitik wurde bereits er­wähnt.

Zur Auslandskulturpolitik: 2009 war das Haydn-Gedenkjahr; es gab internationale ös­terreichische Filmwochen in großen Städten dieser Welt; österreichische Bibliotheken wurden im Ausland aufgebaut; die EU-Kulturhauptstädte für die Jahre 2012 und 2013 wurden festgelegt: es sind Guimarães, Maribor, Košice und Marseille.

Kapitel L bringt einen Überblick über „Medien und Information“ und Kapitel M über den österreichischen auswärtigen Dienst. Der Personalstand beträgt 1 307 Damen und Herren, die Frauenquote liegt bei 48,8 Prozent. Das heißt, das berühmte Fifty-fifty ist fast erreicht. Das Gesamtbudget von 435 Millionen € entspricht – und das sollte man schon beachten – nur 0, 56 Prozent des Gesamtbudgets. Damit gilt es aber auch rund 340 Objekte in der Gebäudeverwaltung zu verwalten und zu managen.

Das rote Licht blinkt bereits – ich komme daher zum Abschluss.

Im Anhang findet man ausgewählte Reden und Dokumentationen über die Länder. Auch das ist interessant, darin zu lesen.

Ich darf mich abschließend bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesmi­nisteriums für europäische und internationale Angelegenheiten für die Erstellung die­ses sehr umfangreichen und aufschlussreichen Berichtes sehr herzlich bedanken.

Das Jahr 2009 hat erneut klar gezeigt, der rot-weiß-rote Beitrag in der Welt ist geachtet und stark gefragt. Selbstbewusst und im Wissen um unser internationales Ansehen können wir daher die österreichische Europa- und Außenpolitik gestalten. – Ich bedan­ke mich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zwanziger. – Bitte.

 


12.23.09

Bundesrat Peter Zwanziger (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie noch hier sind! Ich möch­te zum 4. Tagesordnungspunkt Stellung nehmen, bei dem es um das Amtssitzabkom­men zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte geht.

Im Jahresbericht 2009 der EU-Grundrechteagentur wird erklärt, dass Europa anschei­nend ein Platz für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist und Zuwanderer sowie Rand­gruppen systematisch diskriminiert werden. Da fragt man sich natürlich schon, wenn Europa wirklich so fremdenfeindlich ist, warum dann jährlich Abertausende aus der Drit­ten Welt nach Europa strömen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Grundrechteagentur ist nichts Neues. Wir haben schon andere Institutionen, die auf die Menschenrechte schauen. Es gibt den Europarat, dann auch noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der die Einhaltung dieser überwacht. An diesen kann sich jeder, der den innerstaatli­chen Rechtszug ausgeschöpft hat, wenden. Natürlich gibt es auch den UN-Menschen­rechtsrat mit den verschiedenen dazugehörigen Kommissionen. In der EU selbst gibt es ein eigenes Kommissariat für Menschenrechte.

Aber anscheinend ist das alles nicht gut genug. Der Apparat wird neuerlich aufgebla­sen. Es gibt jetzt die Europäische Grundrechteagentur neu, und eines ist schon ein bisschen eigenartig bei dieser Agentur: Wird auch auf die Grundrechte der Einheimi­schen geachtet, oder ist das völlig egal, wenn neben den einheimischen Mitbürgern Parallelgesellschaften gegründet werden? Wie funktioniert das bei den Grundrechten der Österreicherinnen und Österreicher?


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 40

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn durch die ungezügelten Zuwanderun­gen Gesellschaften entstehen, die sich nicht integrieren lassen und auch keinerlei Wil­len dazu zeigen, dann kann das nicht gut sein. Es wird von Grundrechten gefaselt, während andererseits schon Initiativen ergriffen werden sollten. Es ist für die Zuwande­rer oder auch für die Randgruppen nicht gut, keinen geeigneten Platz zu finden, es ist aber auch für die Österreicherinnen und Österreicher nicht gut, ständig Platz machen zu müssen.

Wir von den Freiheitlichen werden sicherlich gegen diesen Beschluss des Nationalra­tes stimmen, weil es ein aufgeblasener und sinnloser Apparat ist, der Millionen an Euro kostet und dem Steuerzahler nichts bringt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


12.25.57

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister! Ich habe mich zum Schrecken einiger ÖVP-Bun­desräte auch zum Außenpolitischen Bericht zu Wort gemeldet und möchte an dieser Stelle vorweg sagen, dass ich eigentlich nicht verstehen kann, warum jedes Mal, wenn man ein kritisches Wort sagt, bei der ÖVP die Wogen so hoch gehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Es war überhaupt nicht ätzend. Es ist nicht darum gegangen, den Au­ßenminister ad personam zu kritisieren, sondern es ist um die Forderung gegangen – und das möchte ich jetzt noch einmal unmissverständlich betonen –, dass die österrei­chische Außenpolitik ihr Profil zu schärfen hat. Ich verstehe überhaupt nicht, was daran so verwerflich ist. – Das möchte ich nur einmal festhalten. (Beifall bei SPÖ und Grü­nen.)

Es ist heute schon viel in der Aktuellen Stunde zur österreichischen Außenpolitik ge­sagt worden, und ich hoffe halt nur ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich weiß nicht, was das werden soll. Ich hoffe nur, dass wir jetzt, wenn wir den Außenpolitischen Bericht diskutieren, nicht eine ähnliche Debatte wie im Nationalrat führen, dass wir, an­statt den Außenpolitischen Bericht zu diskutieren, in Wirklichkeit eine Debatte über den EU-Beitritt der Türkei führen, denn die Türkei wird, wie ich glaube, im Außenpolitischen Bericht auf maximal eineinhalb Seiten erwähnt, und es gibt in dem Sinne auch keine Stellungnahme oder Positionierung dazu. Deshalb denke ich, wir sollten Außenpolitik diskutieren und uns nicht auf gewisse Themenbereiche beschränken.

Ich habe heute schon in der Aktuellen Stunde gesagt, dass ich der Meinung bin, dass sich die österreichische Außenpolitik zu sehr auf die Durchsetzung von österreichi­schen Interessen in der Europäischen Union konzentriert, und dass ich das als Pro­blem erachte, auch als Gefahr für die österreichische Außenpolitik an sich, denn es gibt jetzt schon sehr viele EU-Kompetenzkonflikte mit dem Bundeskanzleramt.

Was die Durchsetzung der österreichischen Interessen in der Europäischen Union an­langt, bin ich der Meinung, dass diese auch nicht immer nur von Erfolg bescheinigt ist, vor allem was die Neutralitätspolitik Österreichs betrifft. Ich möchte mir daher schon die Zeit nehmen und wieder auf dieses Thema eingehen. Ich bin der Meinung, dass Öster­reich seine aktive Neutralitätspolitik politisch aufgegeben hat. Sie war aber für die Iden­tität und das Selbstbewusstsein der Bevölkerung immer sehr wichtig und hat uns er­möglicht, dass wir uns ins politische Weltgeschehen positiv einbringen.

In Wirklichkeit haben wir uns an den Mainstream in der Europäischen Union ange­passt, was die Sicherheits- und Verteidigungspolitik betrifft. Wir haben es verabsäumt, Initiativen zu setzen, oder es auch unterlassen, gemeinsam mit anderen Staaten, die auch neutral sind, die auch paktungebunden sind, Initiativen zu setzen, die dem gegen­


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wärtigen Trend der EU-Außen- und Sicherheitspolitik in Richtung – man muss es leider so sagen, weil es alle Zahlen belegen – Militarisierung und militärische Aufrüstung ent­gegenstehen. Es gibt immer mehr Staaten in der Europäischen Union, die sich zuneh­mend der NATO anschließen, und Österreich hat es nicht geschafft, die Neutralitätspo­litik neu zu definieren oder zum Beispiel einen Zusammenschluss von Staaten zu for­cieren, die ähnliche politische Traditionen wie Österreich haben, und damit Impulse zu setzen für eine europäische und globale Friedenspolitik.

Apropos Friedenspolitik. – Ich habe mir den Außenpolitischen Bericht genauer ange­sehen, und ich muss Ihnen sagen, der politische Begriff Friedenspolitik kommt ein ein­ziges Mal in diesem Bericht vor, und das nur im Zusammenhang mit der Schweiz. Das zeigt eben, dass uns in dieser Hinsicht politische Konzepte fehlen, nämlich Konzepte, die auf nichtmilitärische Intervention setzen, die auf zivile Intervention setzen.

Was die Rolle Österreichs im Prozess der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU angeht, so ist mir in diesem Bericht aufgefallen, dass Österreich bei der Ausar­beitung der Leitlinien für das neue strategische Konzept der NATO aktiv an den Bera­tungen teilnimmt, dass sich die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch die Einführung der Beistandspflicht vertiefen wird, dass sich die Petersberger Aufgaben ausweiten werden und dass es eine Möglichkeit geben wird, eine ständig strukturierte Zusammenarbeit im Militärbereich einzurichten.

Während sich Österreich im globalen Kontext für die militärische Abrüstung einsetzt, erleben wir im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eine militäri­sche Aufrüstung und die Aufforderung auch an die Mitgliedstaaten, einen Beitrag dahin gehend zu leisten. Es wird prognostiziert, dass die Rüstungsausgaben mittlerweile um 50 Prozent höher sind als in den Zeiten des Kalten Krieges. Und das, obwohl in Wirk­lichkeit eine militärische Bedrohung in absehbarer Zeit nicht wahrscheinlich ist.

Österreich könnte einen ganz anderen Weg gehen, könnte sich aufgrund seiner politi­schen Tradition mit anderen Staaten dafür einsetzen, dass die Europäische Union auf überwiegend zivile Grundlagen gestellt wird und dass auf den Einsatz von Waffen und selbstverständlich auf Massenvernichtungswaffen verzichtet wird.

Österreich könnte sich für eine andere Sicherheitspolitik einsetzen mit einem umfas­senden Sicherheitsbegriff, von dem auch zivile, wirtschaftliche, gesellschaftliche, diplo­matische, staatliche Interventionen umfasst sind, und eben für einen Ausbau dieser Ka­pazitäten, anstatt sich permanent nur an diesen Mainstream anzupassen.

So wie einst müssen wir wieder eine aktive und global orientierte Außenpolitik führen, in der wir – und das ist das, was ich auch in der Aktuellen Stunde gesagt habe, das war überhaupt kein Angriff auf den Außenminister (Bundesrat Mayer: Dann lesen Sie einmal Ihre Rede durch!) – zahlreiche eigenständige Initiativen – darum geht es mir – innerhalb der Europäischen Union wie auch außerhalb der Europäischen Union setzen müssten. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Natürlich werden wir diesem Bericht zustimmen, aber es gibt, denke ich, noch viel zu tun auf dem Weg einer aktiven und global orientierten Außenpolitik Österreichs. – Dan­ke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


12.32.59

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Außenminister! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Da wir jetzt mehrere Tagesordnungspunkte unter einem verhandeln, lassen Sie mich zuerst auf etwas ein­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 42

gehen, was mir besonders wichtig ist und ich von diesem Pult aus in den letzten Jah­ren mehrfach gefordert habe, seit die EU mit den Staaten des Westbalkans die so­genannten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen geschlossen hat. Ich habe im­mer wieder gesagt, betrachten wir das Glas nicht als halbleer, sondern als halbvoll – spätestens seit Karadžić verhaftet wurde, spätestens seit Serbien seinen Anteil an der Verfolgung von Kriegsverbrechern dokumentiert hat –, und wie wichtig es ist, das bis dato ausgesetzte Abkommen zwischen der Europäischen Union und Serbien in Kraft zu setzen. Wenn wir wirklich einen der maßgeblichsten Beiträge für Frieden, Sicherheit und Stabilität in Europa schaffen und leisten wollen, so ist das letztlich die Aufnahme der Staaten des Westbalkans in die Europäische Union. Deshalb ist dieses „Vorzimmer“, das nun aufgeht, auch für Serbien so wichtig.

Ich war am 19. Dezember 2009 in Belgrad. Dort herrschte Jubel ohnegleichen, die jun­gen Menschen haben auf der Straße getanzt, weil das Visa-Regime gefallen ist, das bis dato verhindert hat, dass junge Menschen aus Serbien in Europa irgendwohin rei­sen konnten, wohingegen ihre Großeltern noch unter Tito-Kommunismus ohne Visum in ganz Europa reisen und ihren Enkeln erzählen konnten, wie toll es sei, in ganz Eu­ropa herumreisen zu können. Aber die Systeme haben sich verändert, und das Land wurde zugesperrt, abgeschottet. 85 Prozent der jungen Menschen haben bis dato Ser­bien noch nie verlassen. Deshalb ist es so wichtig, dass nun diese Annäherung zwi­schen den Staaten der Europäischen Union und Serbien erfolgt, auch was die Rechts­sicherheit betrifft, was die verschiedenen Standards betrifft, die in diesem Stabilisie­rungs- und Assoziierungsabkommen enthalten sind.

Ich habe nicht ganz genau – Sie verzeihen – die Äußerungen zu Albanien gehört, aber ich kann Ihnen sagen, ich habe noch nie ein Land gesehen mit so vielen EU-Flaggen, wie das in Albanien der Fall ist. Ich habe manchmal das Gefühl, in Albanien ist die EU im Herzen viel stärker verankert als in so manchen politischen Kreisen in Österreich, das ein EU-Land ist.

Meine Damen und Herren, dieses Abkommen freut mich als jemanden, der in den letzten Jahren so viel Zeit und Energie auch am Westbalkan gerade für diese Völker­verständigung aufgebracht und Initiativen gesetzt hat, wirklich zutiefst. Ich möchte nur daran erinnern, dass es der österreichische Bundesrat war, der den ersten offiziellen Besuch in Bosnien, in Sarajevo gemacht hat, dass es die Mitglieder des Bundesrates waren, die zum Beispiel in Sarajevo Bäume gepflanzt haben, die durch den Krieg zerstört wurden. Das war eine kleine Geste. Sie werden fragen, wofür, aber es war immerhin der Österreicher-Platz, einer der am stärksten von Bomben getroffenen Plät­ze. Der Österreicher-Platz ist in den Herzen der Bosnier und Bosnierinnen von ganz besonderer Bedeutung und auch ihre Verbindung zu Österreich. Deshalb war diese symbolische Geste damals ein überwältigender Erfolg, die wir gesetzt haben.

Ebenso erfolgreich war auch unser Dialog hier im Parlament mit den Bosniern, als wir gesagt haben, sie können à la longue keine Verfassung als menschenrechtlich und völ­kerrechtlich durchtragen, die Menschen, die nicht den drei Glaubensgemeinschaften angehören, ihre bürgerlichen Rechte nimmt, in der es heißt: Ist man nicht von einer der drei Glaubensgemeinschaften, kann man auch keine politische Mission erfüllen oder nicht gewählt werden.

Meine Damen und Herren, ich spreche von einem fröhlichen Jahr. Ich sage Ihnen nur, es sind so viele serbische Bürger und Bürgerinnen in Österreich integriert, sie ar­beiten und leben hier in Österreich. Auch für sie ist das ein ganz wichtiges Signal, dass wir mehr zusammenrutschen und die Geschichten des Jahres 1914 verblassen – im Sinne einer gemeinsamen Perspektive in Europa. Solange der Westbalkan nicht Teil der Europäischen Union ist, so lange haben wir nicht jene ausreichende Stabilität und nicht jene ausreichende Sicherheit, die notwendig ist.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 43

Bei meiner 5-Minuten-Rede in der Aktuellen Stunde konnte ich Ihnen, Herr Bundesmi­nister, ein Kompliment nicht machen, und das möchte ich jetzt nachholen; nicht direkt nur an Sie, Sie können es auch gerne weitergeben. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

In einem ganz wichtigen Punkt, Kollege Mayer, war Österreich extrem erfolgreich in sei­ner Vorsitzführung, das hat uns auch in der Westeuropäischen Union, in der Verteidi­gungsunion, befasst, und das war der Vorsitz gegen die Piraterie. Diesbezüglich brau­chen wir vonseiten des internationalen Rechts die Handhabe zum Aufgreifen und auch dazu, jene abzuurteilen, die Akte der Piraterie und Akte gegen die persönliche Freiheit, nämlich der Matrosen, setzen. Wir haben derzeit noch nicht ausreichende Möglichkei­ten, auch nicht vor dem Internationalen Gerichtshof, das in entsprechender Form abzu­urteilen. Sie wissen, dass manche Staaten sogar jene wieder freilassen müssen, die sie erst inhaftiert hatten. Das halte ich für ganz wichtig.

Zum anderen glaube ich, was die Iran-Debatte betrifft, die hier auch angesprochen wurde: Es führt kein Weg an einem Dialog vorbei. Mit dem Iran kann es nur einen Dia­log geben. Ich habe selbst hier einmal eine Aussprache mit einer iranischen Parla­mentsdelegation gehabt und habe daraufhin 600 Protest-E-Mails bekommen. Ich bin dann bis 4.30 Uhr in der Früh im Parlament geblieben und habe jedem, der ein E-Mail geschickt hat, einen persönlichen Brief mit dem Inhalt zurückgeschickt, dass ich ge­schrieben habe: Wir Parlamentarier und Parlamentarierinnen haben nur eine einzige Möglichkeit, und das ist das Gespräch. Wenn das Gespräch und der Dialog versiegen, dann gibt es nur mehr die Waffen. Und deshalb müssen wir mit dem Iran einen Dialog führen. Wir können wirtschaftliche Boykottmaßnahmen, wir können auch andere Boy­kottmaßnahmen und Sanktionen setzen, aber wir müssen den Dialog führen. Das halte ich für ganz besonders wichtig.

Lassen Sie mich noch ein, zwei Punkte zum Außenpolitischen Bericht sagen! Herr Bun­desminister, 2009 war das Jahr, das in Österreich von einer wirklich – wie soll man sagen? – zum Teil fast widerwärtig geführten Debatte um das Ringen um den Lissa­bon-Vertrag gezeichnet war, das Ringen um ein Fundament, das wir so dringend ge­braucht haben, um dieses Haus Europa zumindest in seinen Grundfesten abzusichern und auch zu anderen Spielregeln zu kommen.

Da muss ich ehrlich sagen: Der Außenpolitische Bericht ist dazu eher klinisch septisch. Ich denke, über dieses Ringen, über diesen Druck der Straße, auch über diese Propa­ganda, der wir uns hier entgegenstellen mussten, das hätte sicher ein paar Worte mehr verdient.

Zum Zweiten war 2009 natürlich auch das Jahr, in dem die Donauraumstrategie ge­griffen hat. Ich glaube, das ist ganz wichtig, nämlich auch im Sinne der Ausrichtung zum Schwarzen Meer. Es ist seit Romano Prodi ein ganz wichtiges Ziel zur Erweite­rung, dass wir mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union in einen Dialog kom­men, ganz egal, zu welcher Grenze hin. Und die Donauraumstrategie ist hier eine ganz wichtige Initiative. Ich hoffe sehr, Herr Bundesminister, dass Sie diese Initiative auch in dieser Form weiter forcieren, forcieren und forcieren.

Ich halte es mit dem Bundespräsidenten, der anlässlich des Budgets gesagt hat, ein Punkt schmerze ihn: Das sind die Kürzungen der österreichischen Entwicklungszusam­menarbeit. Die politische Position eines Ministers, der den Außenpolitischen Bericht präsentiert, drückt sich in seinem Vorwort aus. Dieses Vorwort, Herr Bundesminister, ist im Vergleich zu früheren Außenpolitischen Berichten sehr kurz ausgefallen. Aber in einem Punkt schmerzt es. Herr Bundesminister, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Machen Sie die Entwicklungszusammenarbeit nicht zum Stiefkind Ihres Ministeriums!

Ich weiß zwar, dass Sie unmittelbar nach Ihrem Amtsantritt nach Uganda gefahren sind. Davon zehrt die Szene noch immer und hat gehofft, dass der Außenminister da noch


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viel mehr Politik investieren wird. Aber nicht einmal in Ihrem Vorwort kommt die Ent­wicklungszusammenarbeit vor.

Wenn wir jetzt diese Reduktion hinnehmen müssen, dann stellt sich die Frage, ob wir nach drei Jahren – immer 10 Prozent weniger – überhaupt noch von einer substanziel­len Form österreichischer Entwicklungszusammenarbeit sprechen können.

Sie bezeichnen auch die Auslandskultur als eine Win-Win-Situation. Der Auslandskul­tur geht es ähnlich, und die Kulturforen, wo immer man ihnen begegnet und mit ihnen zu tun hat, stöhnen und jammern, dass sie kaum mehr ihrer Bedeutung gerecht wer­den können.

Zum Schluss, Herr Bundesminister, erlaube ich mir ganz kurz, diesen Platz hier nicht zu missbrauchen, aber an Sie eine wirklich persönliche Bitte zu richten. In meinem ei­genen Vorsitz im euromediterranen Bereich ist es gelungen, dass fast alle Staaten zu­gestimmt haben, die UN-Konvention über nicht-schiffbare Gewässer, die 1997 geschei­tert ist, zu unterschreiben, dass man endlich ein Recht hat über Ober- und Unteranrai­ner von Wasserläufen.

16 von 35 notwendigen Staaten haben sie unterschrieben: Luxemburg, Deutschland, Ungarn, Portugal – aber nicht Österreich. Und ich bemühe mich derzeit um eine Lö­sung. Von Sonntag bis Dienstag waren wieder alle Staaten hier, auch die größten kon­fliktbehafteten Staaten wie Syrien, Libanon, Palästina und Israel. Alle waren hier im Parlament. Ich appelliere derzeit an jedes dieser Länder, diese Konvention zu unter­schreiben, weil wir ein internationales Recht dahin gehend brauchen, was die Sicher­heitsfragen der Zukunft und die Versorgung von Menschen betrifft, die am Wasser le­ben.

Wir haben beamtet die Auskunft bekommen, Österreich denke nicht daran, das zu ratifizieren. Es ist für mich als Vorsitzenden schwer, dem Libanon zu sagen, er soll ra­tifizieren, und Syrien zu sagen, es soll ratifizieren, wenn mein eigenes Heimatland mich in dieser Frage im Stich lässt. Es ist keine europäische Frage, Herr Bundesminister, denn eine ganze Reihe von Staaten der EU hat dieses Abkommen bereits ratifiziert.

Das militärische Säbelrasseln zwischen Ägypten und seinen südlicheren Nachbarn ist in den letzten Monaten deutlich geworden, was die Wasserverteilung betrifft. Wenn wir im Jordantal zu einer gerechteren Wasserverteilung kommen wollen, so brauchen wir endlich ein internationales Recht dafür. Das betrifft 19 Flusssysteme, die über fünf Staa­ten gehen.

Herr Bundesminister, nehmen Sie bitte diese Frage, die Ratifizierung dieser UN-Kon­vention durch Österreich auf Ministerebene ernst! Nehmen Sie das selbst in die Hand! Sie erleichtern mir und einem sehr gut funktionierenden Ausschuss, der sich sehr bemüht, einen gemeinsamen Weg zu gehen, damit die Arbeit enorm. Und Sie wissen, dass zum ersten Mal seit 1955 alle Staaten gemeinsam das unterschrieben haben, diesen Weg zu gehen. Dies als mein persönlicher Appell zum Schluss.

Dass man einen Außenpolitischen Bericht dieser Güte, dieser Information nicht aner­kennen oder nicht zur Kenntnis nehmen kann, liebe Kollegen von der FPÖ, verstehe ich nicht. Wir werden ihn gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

12.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Spindelegger. – Bitte.

 


12.47.58

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf ein paar


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 45

Fragen eingehen, die hier in der Debatte gefallen sind. Zum Ersten: Herr Bundesrat Köberl hat zu Recht darauf verwiesen, wie wichtig es ist, dass wir die Konsularfälle auch in unsere tägliche Betrachtung miteinbeziehen, weil das Fälle sind, bei denen ös­terreichische Bürgerinnen und Bürger betroffen sind, und zwar in einer Art und Weise, wo man ihnen zur Hand gehen muss.

Wir haben täglich 645 Konsularfälle, die wir bearbeiten. Konsularfälle heißt, dass je­mandem, der im Ausland ist, der einen Autounfall hat und nicht weiterweiß, geholfen wird. Auch wenn jemand ausgeraubt wird, keinen Reisepass, kein Geld hat und nicht weiß, wie es weitergehen soll, wird Hilfe geleistet. Das sind die täglichen Fälle. Das gilt auch, wenn jemand auf Urlaub ist, ein Familienmitglied schwere gesundheitliche Pro­bleme hat und ins Spital muss. Da braucht es die Unterstützung einer österreichischen Botschaft.

Es ist für uns schwer genug, dieses weltweite Netz aufrechtzuerhalten. Aber jedes Jahr steigt diese Zahl um etwa 10 Prozent, wo Schutz und Hilfe durch Österreich gewähr­leistet wird. Das ist ein toller Job, den unsere Damen und Herren in den Konsularab­teilungen im Ressort, aber natürlich vor Ort in den Botschaften leisten. Und dafür möchte ich mich bei diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch noch einmal herz­lich bedanken.

Ich möchte zum Zweiten auf die Frage Türkei eingehen. Dieses Thema ist von Frau Bundesrätin Michalke angesprochen worden. Meine Damen und Herren, mit einem Missverständnis müssen wir schon aufräumen: Wenn wir sagen, wir wollen gerne über eine Privilegierte Partnerschaft verhandeln, dann setzt das voraus, dass die anderen das auch wollen, nämlich nicht nur in der Europäischen Union, sondern die Türkei selbst. Man kann nicht über etwas verhandeln, was vom Gesprächspartner nicht als ein mögliches Ziel formuliert wird. So weit sind wir nicht. Das ist unsere Vorstellung. Derzeit gibt es aber einen Verhandlungsprozess betreffend Vollmitgliedschaft, und danach müssen wir uns richten. Und wer glaubt, mit dem Holzhammer hinhauen zu können und morgen dafür große Zustimmung von der Türkei zu bekommen, der irrt ganz sicherlich. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Zum Dritten: Es wurde auf die Agentur für Grundrechte hingewiesen. Ich bin froh da­rüber, dass es sie gibt, denn wir brauchen, Herr Bundesrat Zwanziger, eine Agentur für Grundrechte, die sich nicht um die Grundrechte in Europa kümmert – dazu haben wir den Europarat –, sondern die sich dort darum kümmert, wo Menschenrechte weltweit eine nicht so starke Ausprägung erfahren wie in den Ländern, die Mitglieder des Euro­parates sind.

Das ist schon wichtig, weil zu Recht kritisiert wird, dass wir zu wenig Wert darauf legen. Jetzt haben wir aber eine Agentur, die uns gute Grundlagen liefert, dass bei allen Gip­feltreffen – Europa mit China, Europa mit Russland, Europa mit den sogenannten BRIC-Staaten – genau diese Fragen eine neue Dimension bekommen.

Erstmals wird in diesem Herbst bei den Gipfeltreffen das ... (Zwischenruf des Bundes­rates Zwanziger.) – Nein, das gab es noch nie, dass in einem strukturierten Dialog Menschenrechtsfragen etwa mit China auf der Tagesordnung waren und dass wir das zur Voraussetzung dafür erklären, dass wir eine stärkere Art der Unterstützung Chinas, etwa in die WTO zu kommen, daran knüpfen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt. Dazu trägt die Grundrechteagentur bei. Ich halte das für einen Fortschritt.

Frau Mag. Duzdar hat noch ein paar Fragen angesprochen. Dazu ein klares Wort von mir, das dürfen Sie durchaus als Kritik verstehen: Zwischen dem Bundeskanzleramt und meinem Haus Kompetenzkonflikte hochzuspielen, die es nicht gibt, das ist ein fal­scher Weg in der Politik. Ich arbeite mit dem Bundeskanzler in der Außenpolitik perfekt zusammen. Ich sage das hier auch vor dem Bundesrat. Das ist auch notwendig, denn


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 46

in der Außenpolitik brauchen wir eine Linie und keine Befindlichkeiten innerhalb der Bun­desregierung. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten darf ich Ihnen noch eines klar mitgeben. Ich stehe auch nicht für eine mi­litärische Zusammenarbeit, wie Sie sie gefordert haben, mit neutralen und paktunge­bundenen anderen Staaten. Das ist ein völliger Irrweg. Wir sind neutral, ich halte mich daran, aber Neutralität heißt, unabhängig von anderen zu sein. Da gibt es kein Zusam­menarbeiten mit einem anderen neutralen oder paktungebundenen Staaten. Das wäre ein Widerspruch in sich, und das wollen wir mit Sicherheit nicht.

Noch zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schennach. Ich nehme Ihre Anregung, was das Abkommen betreffend Wasserverteilung betrifft, gerne mit, dass wir uns das anschauen. Ich kann jetzt ad hoc nicht sagen, wie weit das ist, aber ich darf Folgendes klarstellen: Die EZA ist kein Stiefkind, weil sie im Vorwort nicht vorkommt. Sonst wären alle anderen 600 Seiten des Außenpolitischen Berichts, die nicht im Vorwort vorkom­men, ein Stiefkind. Das ist es nicht! Ich lege Wert darauf, dass wir uns weiter enga­gieren, aber ich sage auch klar: Ich kann nicht alleine gewährleisten, dass wir genau die gleichen Mittel zur Verfügung haben werden. Wir haben insgesamt ein Sparpaket, das sich auf alle Politikbereiche meines Hauses niederschlägt, auch auf die Entwick­lungszusammenarbeit.

Wo ich Ihnen sehr zustimme, das ist die Frage des Westbalkans. Wir haben damit ein wichtiges Zeichen gesetzt, was das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien betrifft. Serbien ist äußerst dankbar dafür, nicht nur uns. Wie viele andere Westbalkanländer sieht man in Österreich einen permanenten Unterstützer, auf dem Weg nach Europa voranzukommen. Es ist auch das Richtige, was wir ihnen signali­sieren müssen, dass wir voll auf ihrer Seite stehen, dass wir sie unterstützen, dass wir von ihnen aber auch die Reformen einfordern, die notwendig sind, denn es darf nicht sein, dass Korruption dort an der Tagesordnung ist und wir dagegen nicht auftreten.

In diesem Sinne bedanke ich mich für die wertvollen Beiträge. Ich glaube, dass der Außenpolitische Bericht ein gutes Referenzdokument für unsere Außenpolitik ist, aber auch hier würde ich mir wünschen, dass es eine stärkere Verbreitung findet, denn wir alle wollen ja, dass die österreichische Außenpolitik, die zum großen Teil unkontrover­siell verläuft, insgesamt ein gutes Markenzeichen Österreichs ist. – Vielen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen über den gegenständlichen Bericht und die gegenständlichen Be­schlüsse des Nationalrates erfolgen getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Außenpolitischen Bericht 2009 der Bundesregierung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Novem­ber 2010 betreffend Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Euro­päischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Ser­bien andererseits samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 47

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Novem­ber 2010 betreffend Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Novem­ber 2010 betreffend Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusam­menarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einer­seits und der Republik Indonesien andererseits samt Schlussakte.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Novem­ber 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücks­fällen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Ar­tikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. No­vember 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Interna­tionalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Internationalen Finanz-Corpo­ration und der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur über die Einrichtung von Ver­bindungsbüros in Wien.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.57.208. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechnungshofgesetz 1948, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und das Verwaltungsgerichtshofge-
setz 1985 geändert werden (1187/A und 989 d.B. sowie 8408/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Bitte um den Bericht.

 


12.57.36


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 48

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Novem­ber 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechnungshofgesetz 1948, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und das Verwal­tungsgerichtshofgesetz 1985 geändert werden. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth über­nimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


12.58.41

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Ostermayer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das obers­te Kontrollorgan der Republik, der Bundesrechnungshof, konnte bisher nur die Finan­zen größerer Gemeinden ab 20 000 Einwohner prüfen, nur 24 Gemeinden von fast 2 400, denn mehr Gemeinden gibt es nicht in Österreich.

Mit diesem Bundesgesetz wird ein wesentlicher Schritt zur Ausdehnung der Prüfkom­petenzen des Bundesrechnungshofes gemacht, nämlich die Grenze bei der Einwoh­nerzahl, ab der der Bundesrechnungshof für die Prüfung zuständig wird, auf die Hälfte herabzusetzen. Künftig wird also die Grenze auf 10 000 Einwohner gesenkt. Das ist eine ganz wichtige Entscheidung. Das heißt, der Bundesrechnungshof kann alle Ge­meinden mit mehr als 10 000 Einwohnern prüfen. In Summe sind das 71 Kommunen statt wie bisher 24.

Gemeinden bis 10 000 Einwohner sind von den Landesrechnungshöfen zu prüfen, da­bei handelt es sich um eine Ermächtigung an die Landesverfassungsgesetzgeber.

Auf Antrag der jeweiligen Landesregierungen und der Landtage kann der Bundesrech­nungshof pro Jahr zwei Kleingemeinden und der jeweilige Landesrechnungshof zwei Großgemeinden prüfen. Warum gibt es nun diese beschränkte Anzahl von Gemeinden, die geprüft werden können? Auch das hat einen guten Grund. Die Erweiterung von Prüfkompetenzen ist grundsätzlich positiv, wir sollten uns aber – und das hat mich mei­ne Erfahrung als Bürgermeister gelehrt – hüten, zu viel überbordende Bürokratie zu­sätzlich zu schaffen.

Die Gemeinden mit bis zu 10 000 Einwohnern sind Kleinstgemeinden. Diese werden von der Gemeindeaufsicht geprüft, sie werden vom Landesrechnungshof geprüft und sie würden noch vom Bundesrechnungshof geprüft werden. Sie verfügen im Normalfall nicht über die erforderliche Verwaltungsstruktur, um dem Prüfaufwand, der dadurch entsteht, Herr zu werden, geschweige denn diesen überhaupt zu rechtfertigen.

Deshalb hat man sich auch entschieden, dass die Kleinstgemeinden und Kleingemein­den durch die Landesrechnungshöfe geprüft werden  und natürlich auch weiter durch die Gemeindeaufsicht, wodurch sie schon eine doppelte Prüfung haben  und jene Ge­meinden, die eine höhere Einwohneranzahl haben, eben vom Bundesrechnungshof.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 49

Bei Gemeinden, in denen es zu Schwierigkeiten kommt, können mit einem begründe­ten Ansuchen sowohl die Landesregierung als auch der Landtag zwei Gemeinden aus­wählen, die dann letztlich zur Prüfung kommen. Das werden insbesondere jene Ge­meinden sein, die in wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten stecken bezie­hungsweise sich durch mangelhafte Gebarung selbst in eine schwierige Situation ge­bracht haben.

Ich finde es vernünftig, dass man den Bundesrechnungshof  das würde auch eine mas­sive Arbeitsbelastung bedeuten  nicht auch die Kleingemeinden prüfen lässt. Ich finde es viel vernünftiger, die Kleingemeinden vom Landesrechnungshof prüfen zu lassen, weil dieser ganz einfach einen näheren Bezug zu diesen Gemeinden hat.

Trotz allem ist diese Ausweitung der Prüfkompetenz gerechtfertigt, auch sicherlich rich­tig und besonders wichtig, wenn man sich die Finanzprobleme der Gemeinden und Städte anschaut, die ja nach wie vor in der sozialpolitischen Auswirkung, in der finanz- und wirtschaftspolitischen Auswirkung unterschätzt werden. Das ist ja mehr als drama­tisch. Darum ist es auch äußerst wichtig, dass durch diese zusätzliche Rechnungshof­kompetenz wieder mehr Aufmerksamkeit in diesen Bereich kommt.

Auch die Basis für die Zuständigkeit beziehungsweise Prüfkompetenz der Rechnungs­höfe, nämlich die Einwohnerzahl, sehe ich als das objektivere Kriterium als zum Bei­spiel die Budgetzahl  und daher als das einfacher vollziehbare, denn die heute zu be­schließende Fassung soll ja auch noch in einiger Zeit Gültigkeit haben.

Ich glaube, die Veränderungen in der Gesellschaft und die Herausforderungen bei der Bewältigung der Verwaltungsaufgaben der Gemeinden führen dazu, dass wir unsere Prüfkompetenzen immer wieder anpassen und letztendlich die notwendigen Schritte set­zen werden müssen.

Ich halte dieses Gesetz daher für einen ganz entscheidenden, wesentlichen Schritt zu einer weiteren Ausdehnung der Gemeindeprüfung und einer klareren Abgrenzung der Prüfkompetenz. Auch Gemeindeverbände bleiben prüfbar, womit vielen Einwendungen Rechnung getragen wurde. Ich ersuche daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Zu­stimmung zu diesem Gesetz. Meine Partei wird diesem Gesetz auf jeden Fall zustim­men. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. – Bitte.

 


13.03.40

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte vorausschicken – so wie der Kollege Lampel –, dass wir mit der Änderung dieses Rechnungshofgesetzes eine wesentliche Ausdehnung der Prüfungskompetenz beschließen: Waren es früher Gemeinden mit 20 000 Einwohnern, so wird das jetzt auf Gemeinden mit 10 000 Ein­wohnern ausgeweitet. Das dürfte auch zwischenzeitlich bekannt sein.

Bisher waren es 21 Gemeinden, die vom Bundesrechnungshof geprüft werden konn­ten, und ab Inkrafttreten dieses Gesetzes werden es dann theoretisch mehr als 100 sein. Man braucht kein Mathematiker zu sein, um da eine Verfünffachung feststellen zu können. Wie kommt man zu diesem Schluss? – Weil es mit der Ausweitung der Prüf­kompetenz auf Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern nun insgesamt 71 Ge­meinden sind, die geprüft werden.

Leider konnten wir im Verfassungsausschuss – und da wird mir der Kollege Beer recht geben – nicht in Erfahrung bringen, wie sich das mit den personellen Ressourcen beim Rechnungshof darstellt, ob das auch mit dem gegenwärtigen Personalstand bewältigt


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 50

werden kann. Wir haben im Verfassungsausschuss auch bedauert, dass niemand vom Bundeskanzleramt als Auskunftsperson beziehungsweise als sachverständiger Exper­te bei uns mit dabei war.

Der Präsident Preineder hat auch eine Protestnote an das Bundeskanzleramt gerichtet. Ich bedanke mich deshalb auch beim Staatssekretär Dr. Ostermayer für die wirklich rasche Beantwortung (Bundesrat Mag. Klug: Rasche Beantwortung, ja!) und auch für die Zusage, dass das ein Versehen war und in Zukunft nicht mehr vorkommen wird. Ich bedanke mich wirklich für die kompetente und rasche Erledigung, Herr Dr. Ostermayer.

Ja, also wenn es bei Kommunen zu Unregelmäßigkeiten kommt oder festgestellt wird, dass es wirtschaftliche oder finanzielle Probleme gibt, so kann auch die Landesregie­rung beziehungsweise der Landtag – wie es der Kollege Lampel auch schon erwähnt hat – je zwei Gemeinden zusätzlich zur Prüfung anmelden, und damit summiert sich dann dieses Prüfpotenzial auf mehr als 100 Gemeinden.

Weiters wird – und das ist mir auch sehr wichtig – der Rechnungshof in Zukunft auch die ausgegliederten Unternehmen prüfen können, weil dort, wie Beispiele auch schon zeigen, gröberer Handlungsbedarf vorhanden ist. Das ist auch deshalb von großer Wichtigkeit, weil da auch beachtliche finanzielle Mittel seitens der Kommunen außer­budgetär verwaltet werden.

Insgesamt ist es meiner Meinung nach gelungen, keine überbordende Prüfmanie aus­brechen zu lassen, also keine Doppelprüfungen auf den Weg zu bringen, denn die Ge­meinden waren – und das hat der Kollege Lampel auch schon erwähnt – bisher schon einer umfassenden Kontrolle durch die Prüf- und Kontrollabteilungen in den Gemein­den selber, durch die Gemeindeaufsicht, die Kontrollabteilungen in den Ländern, den Landesrechnungshof und, bei größeren Gemeinden und Städten, den Bundesrechnungs­hof, ausgesetzt.

Man kann also zu dem Schluss kommen, dass alle – ja, alle – Gemeinden in Öster­reich bisher geprüft wurden  über die Effizienz und die Ergebnisse, die daraus ent­standen sind, kann man streiten, das gebe ich gerne zu. Natürlich geben wir damit auch den Ländern eine neue Verantwortung mit auf den Weg, das ist auch eine wich­tige Angelegenheit. Deshalb werden die Landesrechnungshöfe auch zusätzlich Verant­wortung übernehmen müssen und können, wenn sie vom Landesgesetzgeber ent­sprechend beauftragt werden. Der Ball liegt also bei den Ländern, und ich bin mir sicher  also in meinem Bundesland gibt es schon eine Initiative, heute bereits in den Medien präsent und präsentiert , dass wir im nächsten Jahr rasch an dieser Materie arbeiten werden.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich als Mitarbeiter in einer Stadtverwaltung mit mehr als 20 000 Einwohnern bereits mehrmals die angenehme Möglichkeit hatte, eine Rechnungsprüfung mitgestalten oder miterleben zu dürfen. Eine angenehme Sa­che ist das nicht immer, und es gibt andere beglückende Elemente in einem Leben als Mitarbeiter einer Stadtverwaltung, das dürfen Sie mir glauben.

Aber zur Ehrenrettung sei auch erwähnt, dass bei einer derartigen Prüfung auch für die Verwaltung immer wieder Anregungen und Tipps gegeben werden, die die Verbes­serung der Verwaltungsabläufe wesentlich beschleunigen und natürlich auch zu einer Verbesserung der Verwaltungsabläufe beitragen, das ist unbestritten. Meine Fraktion wird dieser Vorlage gerne die Zustimmung erteilen.  Ich danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mühl­werth zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 51

13.08.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen dieses Rech­nungshofgesetzes muss man natürlich anmerken, dass viele Gemeinden finanziell mit dem Rücken absolut zur Wand stehen. Wir haben uns an dieser Stelle ja nicht erst ein­mal darüber unterhalten, dass es tatsächlich so ist, dass die wenigsten Gemeinden noch ausgeglichen bilanzieren können.

Das war oft ihre eigene Schuld, indem sie sich verspekuliert haben. Es ist aber nicht allein ihre Schuld, sondern liegt auch an den vielfältigen Aufgaben, die sie übertragen bekommen, ohne dass sie irgendein Mitspracherecht dabei hätten. Daher geht es nicht darum, die Gemeinden vorzuführen, sondern es geht darum, ihnen Hilfestellung zu ge­ben. Es gibt allerdings – und da widerspreche ich dem Kollegen Lampel – vielfältige Beispiele, wo sowohl der Landesrechnungshof als auch die Gemeindeaufsicht hätten prüfen sollen und müssen, es aber nicht getan haben.

Wir haben schon vor längerer Zeit gefordert, dass der Rechnungshof auch Gemeinden, die kleiner als solche mit 20 000 Einwohnern sind, prüfen soll. Nein, ihr braucht euch das jetzt nicht auf eure Fahnen zu heften, Kollege Klug! (Bundesrat Mag. Klug: Das wollen wir eh nicht!) Ich möchte nur daran erinnern, dass es eine Dringliche Anfrage von Grünen und FPÖ gab, die damals schon gesagt hat, dass auch die kleineren Ge­meinden vom Rechnungshof geprüft gehören. Da war von dieser Harmonie, wie sie heute da ist, überhaupt nichts zu spüren.

Da seid ihr über uns hergefallen und habt gesagt, wie wahnsinnig wir doch seien, dass wir so etwas überhaupt fordern, denn das ginge den Rechnungshof gar nichts an. Aber ich weiß, das Gedächtnis ist bei solchen Dingen dann immer sehr kurz. Auf jeden Fall kann man sagen: Auf Druck der Opposition ist da ein kleiner Schritt gelungen. Ein klei­ner Schritt deswegen: Wovon reden wir denn? Wir reden von einer Erhöhung der Ge­samtanzahl der Gemeinden von 25 auf 71. Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwoh­ner können nur in Ausnahmefällen geprüft werden, und da auch nur sehr einge­schränkt, weil es von der Menge der Prüfungsverfahren her limitiert ist. (Bundesrat Mayer: Vier!)

Ein großer Schritt ist es also nicht, es ist ein Hopser, wenn ich das so sagen darf. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Nein, der Rechnungshof hat natürlich die Wahrheit nicht ge­pachtet, er hat auch die Weisheit nicht mit dem Löffel gegessen, das behauptet auch niemand. Auch nach unserem Dafürhalten sind nicht immer alle Vorschläge des Rech­nungshofes eins zu eins umsetzbar. Trotzdem ist er eine übergeordnete und doch weit­gehend unparteiische Prüfungsinstanz. (Bundesrat Mag. Klug: Wenn wir was machen, ist das bei euch immer nur ein Hopser!)

Ja, weil ihr euch ja nie zu mehr durchringen könnt! Ihr macht eben immer nur kleine Schritte, wo wir schon große Schritte sehen wollen, aber na ja, man kann sich auch mit kleinen Schritten dem großen Ganzen annähern. Ich lasse ja meine Hoffnung deswe­gen nicht fahren, die Geschichte ist ja noch nicht gegessen, da kommt schon wieder etwas, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Die Prüfung ist nämlich nicht als Entmündigung zu sehen, sondern als Chance zu einer Verbesserung.

Da komme ich auch gleich dazu, was uns für einen großen Schritt fehlt: Ein Beispiel sind die Unternehmungen, wo der Staat zumindest zu 25 Prozent beteiligt ist. Dass ausgegliederte Unternehmen endlich geprüft werden können, ja, das ist wirklich ein Fortschritt. Das fordern wir, glaube ich, seit 20 Jahren oder seit 10 Jahren, auf jeden Fall schon sehr, sehr lange.

Dass diese Unternehmen aber immer noch nicht drinnen sind, das betrübt uns dann schon sehr. Wenn wir uns die Skylink-Geschichte anschauen, wo das längst hätte pas­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 52

sieren sollen und wo es dann ein Gnadenakt von den Koalitionsparteien war, dass ein Prüfungsverfahren stattfindet konnte, dann meinen wir: Das sollte doch eine Selbstver­ständlichkeit sein, denn wir reden immer vom Geld des Steuerzahlers! Das ist nicht das Privatgeld aus der Schatulle von SPÖ und ÖVP.

Was auch schade ist, ist, dass die Minderheitsverlangen nicht mit hineingenommen wor­den sind  wo man sich schon fragt, wovor ihr eigentlich Angst habt. Aber gut, es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nach unserem Dafürhalten nur ein klei­ner, und deshalb werden wir diesem Gesetzesbeschluss auch unsere Zustimmung ge­ben. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP. Bundesrat Stad­ler: Groß oder klein?)

13.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.13.08

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch wir werden natürlich dieser Gesetzesänderung freudigst unsere Zustimmung ge­ben. Es war gemeinsam mit BZÖ und FPÖ möglich, dass die Opposition da einmal – erstmalig fast – konkret etwas umsetzen und durchsetzen konnte. Manche haben es als Kuhhandel bezeichnet, wie das damals abgelaufen ist. Die letzte Konsequenz ist, dass es jetzt so sein wird, dass künftig mehr Gemeinden vom Rechnungshof geprüft werden. Ich finde das sehr gut so.

Ich kann nur aus meiner Erfahrung in zwei Städten, in meinem Bezirk, berichten, näm­lich von Korneuburg und Stockerau. Beide haben mehr als 10 000 Einwohner, beide hatten nach der Gemeinderatswahl eine Prüfung der Gemeindeaufsicht. Wir haben dann so ein bisschen verglichen, was die Gemeindeaufsicht festgestellt hat und leicht den Ein­druck bekommen, dass da mit Textbausteinen gearbeitet wurde.

Ich denke mir, dass es gerade für Städte in dieser Größenordnung sehr wohl gut ist, wenn eine wirklich effiziente Prüfung stattfindet und man Anregungen bekommt, die man dann vielleicht auch wirklich umsetzen kann. Da muss ich auch der Kollegin Mühl­werth recht geben: Ich sehe das Prüfungsrecht des Rechnungshofes in diesem Fall als Unterstützung der Gemeinden. Diese haben sehr oft Fragen, die sie gar nicht lösen können, oder sie schwimmen oft in irgendeine Richtung, wo sie froh sind, wenn sie ei­ne Anregung bekommen, wie sie es besser machen können.

Es gibt Betriebe, gerade in der Wirtschaft, die sich so ein Feedback zukaufen und dafür zahlen, diesen Blick von außen zu bekommen. Es wäre traurig, wenn sich Gemeinden dagegen wehren würden. Es kam dann – bei der letzten und der vorletzten Diskussion im Bundesrat war das doch immer wieder der Fall – so unterschwellig: Na ja, dass wir halt nicht zu viel prüfen und die Gemeinden nicht zu sehr sekkiert werden. (Bundesrat Mag. Klug: Na ja sicher! Sinnvoll prüfen!)

Meiner Meinung nach ist diese Prüfung auch eine Voraussetzung für Verbesserung, denn wenn keiner von außen einmal drüberschaut, wird sich nichts ändern. Insofern möchte ich da vielleicht auch noch gleich zu den kleineren Gemeinden, die ja trotzdem weiterhin nicht vom Rechnungshof geprüft werden, etwas sagen. Also meine Erfah­rung in den Bezirken, mit anderen Oppositionsparteien – weil die Grünen ja in den meisten Gemeinden noch in der Opposition sind (Ruf bei der FPÖ: Gott sei Dank!) – ist, dass es gerade in den kleineren Gemeinden so ist, dass die Oppositionsrechte nicht ganz so detailliert wahrgenommen werden wie in den größeren.

Damit fällt schon eine Prüfung weg, denn die Opposition ist auch in irgendeiner Art und Weise die Kontrolle der Regierung – sollte sie zumindest sein. Da die Mittel und Werk­


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zeuge in die Hand zu geben, das wäre auch bei uns im Bundesrat manchmal nicht ganz schlecht – wenn es da mehr gäbe.

Ich möchte jetzt, nachdem beim ersten Tagesordnungspunkt kein Diskussionsbeitrag der Grünen vorgesehen war, noch Folgendes sagen: Unser Herr Präsident, der jetzt leider nicht anwesend ist, hat in seiner Antrittsrede und schon vor zwei Tagen in einer Presseaussendung verkündet, dass der Bundesrat kein zahnloser Tiger, sondern eine Eule wäre, „die ihr Revier genau im Auge habe und es sauber hält“.

Dazu erzähle ich vielleicht die Vorgeschichte: Ich habe diese Presseaussendung zufäl­ligerweise entdeckt, weil sie auf Facebook gepostet wurde. Ich möchte jetzt gar nicht sagen, wie viele Anmerkungen zu dieser Meldung des Herrn Präsidenten gekommen sind, und die waren nicht alle besonders ernst. Also ich möchte mich nicht unbedingt mit Tieren vergleichen lassen, weder mit Tigern noch mit Eulen. Ich bin zwar vielleicht eher eine Eule, weil nachtaktiver, aber im Prinzip denke ich einmal, dass wir hier schon unsere Kompetenz unter Beweis stellen und uns nicht mit Tieren vergleichen müssen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Was der Herr Präsident, der leider nicht anwesend ist, mit dem „Revier im Auge haben“ und „es sauber halten“ gemeint hat, führt zu der Frage, was denn unser Revier da wä­re? Für mich wäre dieses Revier die Vertretung der Länder im Bund, das wäre unser Revier. Aber einen halben Absatz später erklärt uns der Herr Präsident – ich habe das nämlich vorher auch nicht gewusst –, dass es inzwischen ein neues Gremium gibt, das für die Vernetzung zwischen dem Bundesrat und den Landtagen sorgt, das erst kürz­lich installiert wurde.

Das war für mich sehr überraschend, weil ich davon das erste Mal über eine Presse­aussendung, die zufälligerweise auf Facebook gepostet wurde, gehört habe. Ich habe dann versucht, irgendwie herauszufinden, um welches Gremium es sich da handeln sollte. Wir haben ja auch heute gehört, dass es schon einmal getagt hat und ganz wichtige formelle Beschlüsse gefasst hat, nämlich dass der ORF, glaube ich, auch be­richten soll, dass Bundesräte gewählt werden. Das ist also offenbar ein sehr wichtiges Gremium. (Bundesrat Hensler: Zur Sache!)

Das ist sehr wohl zur Sache, da geht es nämlich um Kontrolle und um den Unterschied zwischen einem Landtag und einer Landesregierung oder einem Landeshauptmann oder einer Landtagspräsidentenkonferenz – die ja jetzt inzwischen auch ein neues, spannendes Gremium geworden ist – und zum Beispiel dem Bundesrat, der im Gegen­satz zu einer Landesregierung alle Farben widerspiegelt.

Das ist, denke ich einmal, ein Revier, das wir ganz genau zu verteidigen hätten und das ganz wichtig zu verteidigen wäre. Wenn ich mir dann vor Augen führe, dass bei einer Bundesratsenquete der Herr Präsident uns erzählte, was die Landtagspräsiden­tenkonferenz beschlossen hat, dann muss ich ehrlich sagen, dass mir das ein bisschen wehtut. Wenn ich dann noch dazu höre, dass eben dieses Koordinierungsgremium zwi­schen dem Präsidium des Bundesrates und den Landtagspräsidenten tagt, dann muss ich sagen: Da weiß ich nicht, was dabei herauskommt!

Es wird vielleicht eher in die Richtung gehen, dass wir dann von oben noch mehr hö­ren, wie denn die Landesmeinung zu sein hat und welche Meinungen wir zu vertreten haben. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass wir da immer mehr an das Gängel­band von Landesregierungen genommen werden, wo wir meiner Meinung nach nicht hingehören, weil wir ein selbständiges Gremium sind und weil, worauf ich sehr viel Wert lege, eben der Bundesrat das Gremium ist, das die Länder im Bund zu vertreten hat. (Beifall bei den Grünen.)

Ich würde mir wünschen, dass wir diese Kontrolle – so wie sie der Rechnungshof künf­tig auch in den etwas kleineren Gemeinden übernehmen wird –, die wir auch hier im


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 54

Bundesrat übernommen haben, weder abgeben noch vernachlässigen, und zwar auch in Anbetracht des Umstandes, wie lang die Liste der unerledigten Tagesordnungspunk­te ist, die nach wie vor herumschwirrt. Wenn ich nämlich an den Oktober denke, als, wie ich glaube, jene Bundesratssitzung war, in der wir acht Tagesordnungspunkte un­ter einem diskutiert haben, nämlich die EU-Programme der diversen Ministerien, je­weils mit einer Ministerin – und die anderen, die zuständig gewesen wären, waren lei­der nicht hier –, dann muss ich sagen: Das war eigentlich, wie soll man sagen, eine sehr vernachlässigte Diskussion!

Ich würde mir wünschen, dass wir das weitaus ernster nehmen, dass wir uns selbst ernster nehmen und dass da vorne nicht immer von einer Landeshauptleutekonferenz und von einer Landtagspräsidentenkonferenz geredet wird. Der Vorteil des Bundesra­tes ist seine Meinungsvielfalt. Meinungsvielfalt ist zeitaufwendig, Meinungsvielfalt braucht mehr Diskussion, als wenn neun Landeshäuptlinge antreten. Aber Meinungs­vielfalt ist auch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass demokratische Entscheidun­gen wirklich halten und von allen mitgetragen werden können.

Ich würde mir wünschen, dass unser Präsident die Unterschiede zwischen Bundes­rat/Bundesratspräsidium und Landtag/Landeshauptmännern beziehungsweise -frau­en/LandtagspräsidentInnen ernst nimmt und dies auch in seinen Presseaussendungen nicht vermischt und vermengt. Außerdem würde ich mir wünschen, dass wir von Ver­netzungsgremien des Bundesrates nicht über Presseaussendungen erfahren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.

 


13.21.35

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich möchte nur kurz Herrn Bundesrat Mayer antworten.

Ja, ich habe mich dafür entschuldigt, dass kein Vertreter des Verfassungsdienstes in den Verfassungsausschuss des Bundesrates gekommen ist. Es war ein Versehen. Wir haben entsprechende Schritte veranlasst, dass so etwas nicht mehr passiert.

Zu der Frage, ob der Rechnungshof personell ausreichend ausgestattet wäre, möchte ich noch zwei oder eigentlich drei Anmerkungen machen.

Das eine ist: Es ist ein Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Molterer, Kolleginnen und Kollegen, der hier vorliegt und zur Abstimmung ansteht.

Das Zweite ist: Der Rechnungshof ist ein Hilfsorgan des Parlaments. Ich gehe davon aus, wenn Abgeordnete einen solchen Initiativantrag stellen und wenn dieser im Natio­nalrat beschlossen wird, dass dann auch eine entsprechende Prüfung vorangegangen ist, ob der Rechnungshof ausreichend ausgestattet ist.

Aber der Rechnungshofpräsident hat diese Prüfung ja insofern erleichtert, als er immer wieder diese Forderung oder manchmal sogar darüber hinausgehende Forderungen nach Prüfkompetenzen oder Vorschläge von Prüfkompetenzen vorgebracht hat. Der Rechnungshofpräsident kennt zumindest seit dem Frühjahr das Bundesfinanzrahmen­gesetz und weiß daher, welches Budget in den nächsten Jahren zur Verfügung steht. Ich gehe davon aus, dass der Rechnungshofpräsident so sorgfältig ist, dass er trotz der Kenntnis des Budgets diesen Vorschlag gemacht hat.

Daher glaube ich, es ist ausreichend Vorsorge getroffen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.23



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 55

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsge­setz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Be­rücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

13.24.479. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung des Fonds zur Instandset­zung der jüdischen Friedhöfe in Österreich erlassen sowie das Nationalfondsge­setz geändert wird (1313/A und 990 d.B. sowie 8409/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um den Bericht.

 


13.25.07

Berichterstatter Franz Perhab: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über die Einrichtung des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich erlassen sowie das Nationalfondsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Da der eingetragene Erstredner momentan nicht im Saal ist, stelle ich fest, dass als Nächster Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl zu Wort gemeldet ist. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 56

13.26.09

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesgesetz, das uns jetzt zur Beschlussfassung vorliegt, befasst sich mit der Einrichtung eines Fonds, mit dem die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich gesichert werden soll. Es ist dies ein Fonds, in den der Bund 20 Jahre lang jährlich 1 Million € einzahlt, ein Beitrag in ungefähr gleicher Höhe wird von der Israelitischen Kultusgemeinde geleistet, und Drittmittel sind ebenfalls möglich. Im Endausbau soll dieser Fonds mit 40 Mil­lionen € dotiert sein, und diese 40 Millionen € sollen den Bedarf abdecken, um die ins­gesamt 63 in Österreich bestehenden jüdischen Friedhöfe instandsetzen zu können.

Die Grundlage für diesen Fonds ist die Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens im Jahr 2001, in dem Österreich sich verpflichtet hat, für die Erhaltung der jüdischen Friedhöfe einen effizienten Beitrag zu leisten. Mit dem heutigen Beschluss setzen wir ein wichtiges Bekenntnis zur Erhaltung des kulturellen jüdischen Erbes. Jüdische Fried­höfe sind vor allem steinerne Zeugen einer vernichteten und untergegangenen Kultur und darüber hinaus auch unverzichtbare Quellen in der biographischen Forschung, vor allem im Hinblick darauf, dass viele Archive während des Zweiten Weltkrieges unwie­derbringlich verloren gegangen sind. Die Republik Österreich nimmt da­mit ihre Verant­wortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus wahr.

Ich zitiere aus einem Informationsblatt der Israelitischen Kultusgemeinde die einleiten­den Worte betreffend Arbeiten auf jüdischen Friedhöfen:

Die Friedhöfe der Israelitischen Kultusgemeinde Wien dienen der Bestattung verstor­bener Juden auf immerwährende Zeit. Sie sind darüber hinaus Stätten des persönli­chen und religiösen Gedenkens, Orte der Ruhe und Besinnung und in ihrer Erschei­nungsform kulturelles Spiegelbild der Zeit der jüdischen Gesellschaft. Alle Sanierungs­arbeiten auf jüdischen Friedhöfen müssen mit der zuständigen Kultusgemeinde abge­sprochen werden.

Dann folgt eine taxative Aufzählung der Tätigkeiten, die im Zuge dieser Arbeiten durch­geführt werden dürfen, und eine Übersicht, welche Tätigkeiten nicht durchgeführt wer­den dürfen. Das alles ist für mich nachvollziehbar, es ist auch in Ordnung und zu ak­zeptieren. Da ich aber selbst Bürgermeister einer Gemeinde bin, in der ein jüdischer Friedhof angesiedelt ist, und ich mit der Israelitischen Kultusgemeinde gerade in Ver­handlungen stehe, möchte ich einige Dinge vorbringen, die auf jeden Fall noch zu über­denken sind.

Die Mittel des Fonds können für die Instandsetzung erst dann in Anspruch genommen werden, wenn mit der jeweiligen Standortgemeinde ein Übereinkommen betreffend Pfle­ge und Instandhaltung des jeweiligen Friedhofs, geltend auf 20 Jahre, abgeschlossen wird. Genau hier sind meiner Meinung nach noch Verbesserungen beziehungsweise nachträgliche Änderungen, in welcher Form auch immer, notwendig.

Wir Standortgemeinden – und ich spreche hier speziell für meine Gemeinde – sind uns natürlich der moralischen und politischen Verantwortung im Hinblick auf Pflege und Er­haltung jüdischer Friedhöfe bewusst. Es ist uns durchaus auch bewusst, dass dort jü­dische Familien aus unseren Gemeinden begraben sind, die keine Nachkommen mehr haben oder irgendwo in der Welt leben. Wir haben diese jüdischen Friedhöfe auch bis dato gepflegt und instandgehalten.

Ich möchte aber festhalten, dass die Pflege und Instandhaltung eines jüdischen Fried­hofes weder mit anderen Friedhöfen noch mit Kriegsdenkmälern oder Kriegsgräbern verglichen werden kann. Bei normalen Friedhöfen gibt es einen Betreiber und Gebüh­ren und bei Kriegsgräbern dementsprechende gesetzliche Regelungen, die eine finan­zielle Grundlage für die Instandhaltung und Pflege darstellen.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 57

Ich möchte nur ein Beispiel nennen. Wir haben heuer im Herbst mit der Landjugend ei­nen Projektmarathon gehabt, da hat die Landjugend in 72 Stunden unseren jüdischen Friedhof wieder top auf Vordermann gebracht. Das war eine total gute Angelegenheit.

Aber nun kommen wir zur jetzigen Regelung. In der jetzigen Regelung ist „nur“ – unter Anführungszeichen; und da bitte ich Sie, mich nicht falsch zu verstehen – die Instand­setzung durch diesen Fonds geregelt. Die weitere Pflege und Instandhaltung soll mit einem Übereinkommen zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde und der Standort­gemeinde geregelt werden. Ich habe hier ein derartiges Exemplar von der Israeliti­schen Kultusgemeinde mit und kann Ihnen nur sagen, dass darin Punkte angeführt sind, die vermutlich keine oder nur wenige Standortgemeinden in dieser Form akzeptieren wer­den und dies auch können.

Es geht hier nicht um das regelmäßige Mähen des Rasens oder den Rückschnitt von Bäumen oder Buschwerk, sondern um Punkte wie zum Beispiel die Instandsetzung der Gehwege, Einfriedungen und baulichen Anlagen oder Betreuung der Gehwege im Sin­ne der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung oder die Schad- und Klagloshaltung der Israelitischen Kultusgemeinde von Ansprüchen durch Personen, die durch nicht fachgemäß instandgehaltene Grabdenkmäler Schäden erlitten haben. Und die Ge­meinde soll dafür sorgen, dass die besonderen, für diesen Friedhof geltenden jüdischen Gebote eingehalten werden.

Das sind Punkte, die, glaube ich, ohne eine Abgeltung oder ohne Abschwächung nicht sehr leicht übernommen werden könnten. Sollten hier nicht noch Abänderungen, Ver­besserungen oder finanzielle Entschädigungen für die Standortgemeinden erfolgen – für manche Tätigkeiten, nicht für alle Tätigkeiten; Rasenmähen und normale Instand­haltungen sind ohnedies kein Problem, das sind wir der jüdischen Gesellschaft auch schuldig –, dann sehe ich gerade in Zeiten wie diesen, in denen Gemeindebudgets so angespannt sind wie schon lange nicht beziehungsweise wie noch nie, dass hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht wird und eine absolut gute und notwendige Rege­lung wie die Installierung des Fonds nicht den gewünschten Erfolg haben wird.

Die Gemeindevertreterverbände Niederösterreichs, sprich SPÖ und ÖVP, haben dies­bezüglich am 19. November 2010, also unmittelbar nach der Beschlussfassung im Na­tionalrat, bei den Standortgemeinden Kostenschätzungen betreffend Pflege und Erhal­tung eingeholt und werden diesbezüglich natürlich noch – und hoffentlich positiv – aktiv werden.

Nichtsdestoweniger handelt es sich hier um eine absolut notwendige und gute Sache, mit der bereits eingangs erwähnten nachvollziehbaren Begründung, dass wir das der jüdischen Gesellschaft und ihrer Kultur notwendigerweise schuldig sind. Wir werden diesem Gesetz zur Schaffung des Fonds auch gerne unsere Zustimmung geben. – Dan­ke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.33.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Und natürlich auch: Sehr geehrte Schülerinnen – es sind ja nur Schülerinnen an­wesend – und Lehrerinnen! Das ist heute das zweite Gesetz, dem ich wirklich mit Freude zustimmen kann. Es hat lange gedauert, bis das Washingtoner Abkommen so weit umgesetzt wurde – 2001 wurde es geschlossen –, dass in Bezug auf die jüdischen Friedhöfe jetzt wirklich konkrete Vorgaben gemacht werden, wie denn das mit der Pfle­ge künftig abzulaufen hat. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 58

Herr Kollege Strohmayer-Dangl! Ich kann nur versichern, es hat bis jetzt schon sehr viele Gemeinden gegeben, die das ernst genommen haben und die bei den jüdischen Friedhöfen auch bis jetzt schon mehr als nur das Rasenmähen übernommen haben. Es hat aber auf der anderen Seite leider auch Gemeinden wie zum Beispiel eine bei uns in Dürnkrut im Weinviertel gegeben. Da gibt es eine Gemeinde, die per Gemeinde­ratsbeschluss sagt: Ich will mit dem gar nichts zu tun haben, und ich kümmere mich nicht darum.

Meine Bedenken gehen eher in diese Richtung: Erstens, wie gewährleisten wir, dass die Gemeinden dann wirklich 20 Jahre lang pflegen? Und zweitens, was machen wir mit solchen Gemeinden, die sagen, uns ist das alles egal? – Ich denke, es ist ganz wichtig, auch zu erkennen und zu sehen, dass die jüdische Kultur ein wichtiger Teil der österreichischen Kultur und als solche nicht wegzuleugnen ist. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Posch-Gruska.)

Es ist den Nazis zwar gelungen, die jüdische Bevölkerung auszurotten, sie fast auszu­rotten beziehungsweise zu vertreiben. Es ist jetzt die Aufgabe des demokratischen Ös­terreichs, dass wir zumindest die Kultur, die damals zu uns gekommen ist und die eben in unserer Kultur fix verankert ist, einerseits erhalten und auf der anderen Seite zu­mindest eine – wenn auch sicher nicht umfassende, aber doch eine gewisse – finan­zielle Entschädigung aufwenden, und zwar ohne dass wir jetzt sagen: Es kostet so viel. Es ist einfach unsere Pflicht, unsere verdammte Pflicht! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Es ist schon erwähnt worden: Es wäre natürlich schöner, wenn die jüdische Gemeinde selbst, also die Juden selbst ihre Gräber pflegen könnten. Aber sie können es deshalb nicht, weil sie von den Nazis bei uns zum Teil umgebracht und zum Teil vertrieben wur­den. Deshalb ist es, wie gesagt, ganz wichtig, dass es bei uns die Kompetenz und die Zuordnung der Verpflichtungen gibt. Die gibt es jetzt, und das ist wichtig.

Ich möchte dazu noch kurz eine Anregung geben. Beim Washingtoner Abkommen ging es ja nicht nur um die jüdischen Friedhöfe, es geht auch um die Restitutionen. Da habe ich gebeten, im Ausschuss nachzufragen; leider war niemand da, der eine Antwort ge­ben konnte. Ich kann mich daran erinnern, dass wir damals in Korneuburg unterschrie­ben haben, dass wir kontrollieren, welche Gebäude der Gemeinde eigentlich restituiert wurden beziehungsweise welche Gebäude irgendwann einmal jemandem weggenom­men wurden.

Wir haben das gemacht, es ist zum Glück ohnehin friedlich gelöst worden. Ich habe dann erfahren, dass es nur sehr wenige Gemeinden gegeben hat, die sich diesem Restitu­tionsgesetz auch auf Bundesebene unterworfen haben. Ich denke, das ist auch noch ein wichtiger Punkt, denn irgendwann einmal gehören diese Dinge geklärt und erledigt, bevor die nächsten hundert Jahre vergangen sind, und das ist hier ja schon bald der Fall.

In diesem Sinne freue ich mich über diesen ersten Teil einer Umsetzung und würde mich freuen, wenn auch der zweite Teil der Umsetzung des Washingtoner Abkommens in den nächsten Jahren erledigt werden könnte. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

13.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


13.37.00

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär Werte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich habe ich mich heute auf eine sehr einstimmige Diskussion mit Fakten und Hintergründen zu diesem Thema gefreut. Da dieses Gesetz nicht erst vorgestern erfunden wurde, die Vorarbeiten schon sehr lange zurückliegen und dieses Gesetz auch im Nationalrat einstimmig be­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 59

schlossen wurde, dachte ich mir, wir könnten uns heute im Bundesrat dieser Diskus­sion so stellen, dass wir uns auch unserer Geschichte stellen und dass wir aus unserer Geschichte lernen, dass es uns nach 65 Jahren Holocaust, neun Jahre nach der Un­terzeichnung des Washingtoner Abkommens und nach zehn Jahren Diskussion und auch Kompetenzstreitigkeiten gelungen ist, heute hier gemeinsam einen positiven Ab­schluss und vor allem ein positives Auseinandersetzen mit unserer Geschichte erleben zu können. Unterstützung bei der Renovierung der verwahrlosten jüdischen Friedhöfe anzunehmen, heißt das heute für mich, nicht nur für den Bund, nicht nur für die Länder, nicht nur für die Gemeinden.

Wie kam es zustande? – Wenn Sie jetzt sagen, die Länder oder die Gemeinden wur­den nicht mit eingebunden, Herr Kollege Strohmayer-Dangl, dann denke ich mir, dass das nicht stimmt, denn im Herbst 2008 wurde damit begonnen, die ersten Vorarbeiten für die Sanierung und letztendlich auch für Kostenschätzungen zu machen. Aufgrund von Vorerhebungen wurden Aufstellungen gemacht.

Bundeskanzler Faymann und Staatssekretär Ostermayer haben dann sowohl Landes­hauptmann Pröll als auch Landeshauptmann Häupl eingeladen, so wie auch die Israeli­tische Kultusgemeinde und die Gemeindevertretung. Sie haben sich zusammengefun­den und sind zu einer Einigung gekommen. Sie sind zu einer Einigung darüber gekom­men, wie wir unsere Geschichte besser aufarbeiten können, jenen Teil, den wir unserer Geschichte noch schuldig sind, den wir vor allem den Menschen schuldig sind, die von Österreich vertrieben wurden, wie wir hier noch etwas gutmachen können.

Ich glaube nicht, wenn Sie das jetzt vorgelesen haben – ich bin selbst Bürgermeisterin einer Gemeinde, auch ich muss auf meinem Friedhof die Wege in Ordnung halten. Auch auf einem römisch-katholischen Friedhof muss ich die Wege in Ordnung halten, und wenn das in einem Abkommen enthalten ist, dann ist das wohl selbstverständlich. Dass ich alle Besucher und Besucherinnen des Friedhofes, auch eines römisch-katho­lischen Friedhofes, vor herabfallenden Dingen schützen muss, ist auch selbstver­ständlich. Es tut mir wirklich sehr, sehr weh, wenn hier jetzt versucht wird, neue Grä­ben zu graben! Herr Kollege, ich hoffe, ich habe Sie falsch verstanden, denn genau das möchte ich nicht haben, dass dies hier dann zustande kommt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wie geht es vor sich? – Es ist schon kurz gesagt worden: Der Bund wird in den nächs­ten 20 Jahren wertgesichert 1 Million € zur Verfügung stellen. Der Fonds wird auch für Drittmittel offen sein. Das heißt, auch die Israelitische Kultusgemeinde wird natürlich gefordert sein, Mittel, deren Höhe jener des Bundes entspricht, aufzubringen.

Die Leistungen des Fonds werden aber, wie wir gesagt haben, nur dann erbracht, wenn sich die Standortgemeinden zur Pflege verpflichten. In dieser Hinsicht müssen wir bei unseren Gemeinden Bildungsarbeit leisten; da bin ich wieder bei Ihnen.

Wir kennen vor allem die Bräuche, die auf römisch-katholischen Friedhöfen praktiziert werden. Man muss den Leuten erklären, dass in anderen Religionen Tote eben anders begraben werden. Wenn nach jüdischem Brauch auf Grabsteine Steine hingelegt wer­den statt Blumen, haben wir das zu respektieren. Ich denke mir, dass das ein wichtiger Schritt ist. Da müssen wir eben offener und toleranter werden.

Meine Fraktion wird ganz, ganz sicher, wie schon meine Vorrednerin, Kollegin Kersch­baum gesagt hat, mit Freude dieser Gesetzesinitiative zustimmen; denn ich glaube, dass es mehr als notwendig und wichtig ist, diesen Schritt zu machen und ein Stück unserer Geschichte wieder aufzuarbeiten. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

13.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Oster­mayer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 60

13.41.22

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer! Ich möchte kurz auf den ersten Debattenbeitrag eingehen, weil wir einen wirklich sehr sorgfältigen Diskussionsprozess geführt haben. Im Regierungsabkommen Anfang Dezember 2008 wurden zwei Themen behandelt, die seit vielen Jahren hin- und hergeschoben wurden. Eines der beiden Themen betrifft die Ortstafeln in Kärnten, doch darüber spreche ich jetzt nicht. Das zweite Thema ist die Frage der Erfüllung des Washingtoner Abkommens, und im Speziellen natürlich die Thematik der Restaurie­rung und der Erhaltung der jüdischen Friedhöfe.

Es war ein Prozess. 2001 ist richtigerweise das Washingtoner Abkommen abgeschlos­sen worden – in Wahrnehmung der Verantwortung, die wir gegenüber den Nachkom­men, aber natürlich auch gegenüber den Überlebenden der Schoah gehabt haben. Dann hat dieser Prozess der Kompetenzstreitigkeiten begonnen: Sind die Länder, der Bund oder die Gemeinden zuständig?

Dann haben wir sozusagen im Stillen die Diskussion und die Gespräche begonnen – einerseits mit den Vertretern der Kultusgemeinde, aber genauso auch mit den Vertre­tern der Länder. Wir haben am 21. Dezember 2009 mit dem Herrn Präsidenten Muzi­cant gesprochen, mit dem Herrn Landeshauptmann Pröll, mit dem Herrn Landes­hauptmann Häupl, also den Landeshauptleuten jener beiden Länder, wo sich die meis­ten jüdischen Friedhöfe befinden. Wir waren natürlich auch im Gespräch mit dem Herrn Landeshauptmann Niessl, denn auch im Burgenland gibt es einige jüdische Friedhöfe. Es waren auch der Vizekanzler, der Bundeskanzler und ich dabei.

Wir haben uns dabei auf Basis eines Vorschlags, den wir zuerst mit der Kultusgemein­de erarbeitet und mit den verschiedenen Akteuren vorbesprochen haben, auf genau diesen Weg geeinigt: dass die Republik 20 Jahre hindurch wertgesichert eine Million € zur Verfügung stellt, und dass genauso viele Drittmittel, von der Kultusgemeinde oder Dritten, zur Verfügung gestellt werden.

Im Laufe des heurigen Jahres haben wir noch eine mehrwertsteuerrechtliche Frage diskutiert. Am 21. Dezember 2009, also vor ungefähr elf Monaten, haben wir dann ein Gespräch gehabt, dann gab es kurz vor Weihnachten des letzten Jahres diese Einigung.

Wir haben die Dinge mit dem Städtebund und dem Gemeindebund weiterbesprochen und versucht, eine Kompetenzstreitigkeit zu lösen, indem wir gesagt haben: Wir als Bund übernehmen die Wiederherstellung, also den großen Aufwand, das Wiederher­stellen dessen, was eben kaputt gemacht wurde – durch die Zeit, durch die Witterung und teilweise auch, das muss man bedauerlicherweise sagen, durch Vandalenakte: Geschichten wie die des jüdischen Friedhofs in Eisenstadt, wo von Vandalen Grabstei­ne umgeworfen wurden, sind ja bekannt.

Wir haben gesagt: Wir übernehmen die Last, wiederherzustellen, was einmal war, das Ganze zu restaurieren, das sind relativ aufwendige Kosten. Auf der anderen Seite übernimmt die Stadt Wien teilweise Kosten, etwa beim Währinger Friedhof; und die Gemeinden müssen sich verpflichten, dass auch sie sozusagen ihre Last tragen, näm­lich jene Last, bei der viele davon ausgegangen sind, dass sie überhaupt zu den Ge­meinden gehört.

Mit dieser Maßnahme haben wir also die Gemeinden entlastet. Ich bitte nur, das zu re­spektieren. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir nach der Diskussion im Verfassungs­ausschuss des Nationalrates zu einem einstimmigen Beschluss im Nationalrat gekom­men sind. Im Sinne der Verantwortung und des Respekts gegenüber den Verstorbe­nen, aber natürlich auch den Überlebenden und den Nachkommen des jüdischen Vol­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 61

kes bitte ich Sie um Zustimmung, und zwar um eine möglichst einstimmige. – Ich dan­ke Ihnen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.46.4410. Punkt

33. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2009) (III-390-BR/2010 d.B. sowie 8410/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. Bitte um den Bericht.

 


13.46.59

Berichterstatter Ewald Lindinger: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erstatte Ihnen den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den 33. Be­richt der Volksanwaltschaft.

Der Bericht liegt schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 den Antrag, den 33. Bericht der Volksanwaltschaft zur Kennt­nis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Ich begrüße die Volksanwälte Mag. Stoisits, Dr. Brinek und Dr. Kostelka sehr herzlich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.48.04

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich einleitend für den großartigen Bericht der Volksanwaltschaft – es ist ja immerhin schon der 33. Bericht – bei den Volksanwältinnen, beim Herrn Volksanwalt und natürlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich bedanken.

Ich denke, die Dienstleistungen der Volksanwälte für unsere Bürgerinnen und Bürger zum Schutz vor staatlicher und behördlicher Willkür haben inzwischen wirklich un­glaubliche Dimensionen erreicht. Es ist eine imposante Leistungsbilanz, wenn man sich diesen 33. Bericht vor Augen führt – in diesem Fall wiederhole ich mich sehr gerne.

Unglaublich, dass sich in einem derart hoch entwickelten Rechtssystem, wie es Öster­reich zu haben glaubt, im Jahre 2009 insgesamt mehr als 14 850 Menschen mit ihren Anliegen an die Volksanwaltschaft gewandt haben; was im Vergleich zu den bereits ho­hen Zahlen des Vorjahres ein weiterer, kleiner Anstieg ist. Auch die Zahl der Fälle, wo sich Personen ganz konkret von einer Behörde schlecht behandelt – man muss sich das vor Augen führen: schlecht behandelt! – oder unzureichend informiert gefühlt ha­ben, stieg von 9 641 auf 10 320.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 62

In 60,4 Prozent aller Beschwerden über Behörden veranlasste die Volksanwaltschaft eine detaillierte Überprüfung. In 4 084 Fällen ging es um Beschwerden, die zwar in die Aufgabenbereiche der Volksanwaltschaft fielen, wo aber von Anfang an kein Missstand festzustellen war.

Für viele Bürgerinnen und Bürger ist der Weg zur Volksanwaltschaft die einzige oder die letzte Möglichkeit, zu ihrem Recht zu kommen beziehungsweise Unterstützung in einem Verfahren zu erhalten. Sie wird im Osten Österreichs – Hauptaugenmerk auf Wien – von der Bevölkerung stärker in Anspruch genommen, weil hier die Volksanwalt­schaft sozusagen vor der Haustür ist. Je mehr man in den Westen kommt, desto mehr nimmt die Häufigkeit der Kontakte ab. Ob das von größerem Vertrauen der Menschen in die Arbeit der Behörden zeugt, wurde bisher nicht erforscht.

Dazu tragen natürlich auch die beiden Volksanwaltschaften, die in Tirol und Vorarlberg angesiedelt, aber unterschiedlich strukturiert sind, bei, allerdings handelt es sich dabei ausschließlich um den Prüfbereich der Landes- und Gemeindeverwaltung. Die Volks­anwaltschaft ist also eine Anlaufstelle für Menschen, die Sorgen haben und nicht zu ih­rem Recht kommen. Im Berichtsjahr ging es in knapp 4 500 Fällen um Fragen außer­halb des Prüfauftrages. Auch hier versuchte die Volksanwaltschaft, mit Auskunft, Rat und Tat zu helfen. Sie stellte den Kontakt mit den zuständigen Behörden her und skiz­zierte mögliche Lösungsansätze für die Betroffenen.

Die Volksanwaltschaft kontrolliert die gesamte öffentliche Verwaltung, also alle Behör­den, Ämter und Dienststellen, die mit dem Vollzug der Bundesgesetze beauftragt sind. Der Prüfauftrag reicht weit über die angeführten Bundesministerien hinaus und er­streckt sich von der Austro Control zum Beispiel über die Sozialversicherungsträger bis zum Bundesasylamt.

Im Jahr 2009 führte die Volksanwaltschaft insgesamt 3 775 Prüfverfahren in der Bun­desverwaltung durch. 2009 wurden außerdem 6 235 Prüfverfahren neu eingeleitet und 551 noch anhängige Verfahren aus den Vorjahren abgeschlossen. Insgesamt, auch das ist eine beachtliche Zahl, konnten im Berichtsjahr 6 761 Prüffälle erledigt werden – eine Diskussion über einen derartigen Bericht muss eben auch mit entsprechendem Zahlenmaterial geführt werden.

Für mich ist folgende Zahl ganz, ganz wichtig: Betroffene erfuhren im Schnitt innerhalb von 47 Tagen, ob in ihrem Fall ein Missstand in der Verwaltung vorlag. Ich denke, da können sich viele Behörden und Verwaltungseinrichtungen in Österreich eine dicke Scheibe abschneiden.

Die Bundesverfassung gibt der Volksanwaltschaft auch die Möglichkeit, amtswegige Prüfungen einzuleiten, wenn sie einen konkreten Verdacht bezüglich eines Missstan­des in der Verwaltung hat. Wie schon in den Vorjahren haben die Mitglieder der Volks­anwaltschaft von diesem Recht Gebrauch gemacht und leiteten 72 amtswegige Prüf­verfahren ein.

Es sei mir gestattet, aus diesem Bericht – mit etwa 424 Seiten, Einbände und Um­schläge abgezogen – nur einige wenige Bereiche herauszunehmen. Eine genauere Betrachtung würde wahrscheinlich zu einem neuen Rederekord im Bundesrat führen. Ein Bereich davon ist die Behindertenarbeit: Da wird vonseiten der Volksanwaltschaft immer wieder hervorragende Unterstützung angeboten, wie bei uns im Verfassungs­ausschuss von den Volksanwälten Dr. Brinek und Dr. Kostelka überzeugend darge­stellt wurde. Auch für die informativen Aussagen im Ausschuss einen herzlichen Dank!

Im Gegensatz zu anderen Bereichen wie etwa für Personen, die ein Gewerbe be­treiben, oder Arbeitnehmerinnen gibt es für Anliegen von behinderten Personen keine zentrale Anlaufstelle. Behinderte Menschen müssen zur Erlangung von Zuschüssen zu behindertengerechten Anschaffungen mit unterschiedlichen Stellen in Kontakt treten.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 63

Diese Situation ist gerade für behinderte Menschen besonders belastend. Die Volksan­waltschaft fordert deshalb – und ich darf das auch von dieser Stelle sehr unterstützen – eine Erleichterung der Behördenwege und eine zentrale Anlaufstelle zur Erlangung von Zuschüssen für behindertengerechte Anschaffungen.

So sind zum Beispiel für die Finanzierung des Einbaus einer behindertengerechten Du­sche oder den behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeuges Anträge bei bis zu fünf verschiedenen Fördergebern erforderlich! Das überfordert behinderte Menschen und deren Angehörige, und ist in ohnehin schwierigen Lebenslagen, in schwierigen Le­benssituationen unzumutbar. Daher sehe ich einen Auftrag für uns Parlamentarier, an den Gesetzen für behinderte Menschen in Österreich sehr intensiv weiterzuarbeiten, diese zu verbessern und so das Schicksal der behinderten Menschen zu erleichtern.

Wie schon in den vergangenen Jahren finden die meisten Beschwerden und Prüfver­fahren im Sozialbereich statt: gehäufte Mängel bei der Pflegegeldeinstufung, Probleme bei Pensionszeiten oder Beschwerden rund um das Arbeitslosengeld. Insgesamt fan­den deshalb knapp mehr als 30 Prozent aller Prüfverfahren im Sozialbereich statt, für den neben dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz die Versicherungsträger sowie das Arbeitsmarktservice zuständig sind.

Einer der Hauptproblembereiche ist nach wie vor die Pflegevorsorge. Die Beschwerden gehen zum großen Teil in die Pflegegeldeinstufung, die medizinische Beurteilung des Pflegebedarfs – ein Tal der Tränen, könnte man hier anfügen! –, die Dauer der Verfah­ren, die Benachteiligung psychisch und geistig behinderter Personen, auch das lange Warten auf die Pflegegelder, um jetzt nur einige daraus zu nennen. Da besteht also nach wie vor extremer Handlungsbedarf, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Positiv sei erwähnt – hier nochmals ein Danke –: Durch die Einführung des Erschwer­niszuschlages bei der Pflegegeldeinstufung von Kindern gibt es eine wesentliche Ver­besserung. Hier wurde einer langjährigen Forderung der Volksanwaltschaft Rechnung getragen. Nur: Zur Zuerkennung beziehungsweise Erhöhung des Pflegegeldes kann es nur im Rahmen eines Neu- oder Erhöhungsantrages kommen. Da fehlt es anscheinend noch an der Kommunikation seitens des Gesetzgebers.

Und zum Abschluss, sozusagen zum Drüberstreuen: 8 000 Personen kontaktierten den Auskunftsdienst der Volksanwaltschaft persönlich oder telefonisch, 13 200 Menschen schrieben an die Volksanwaltschaft, 23 100 Schriftstücke umfasste die gesamte Kor­respondenz, 8 800 Briefe und E-Mails ergingen an Behörden. 1,34 Millionen Zugriffe wurden auf www.volksanwaltschaft.gv.at registriert, rund 307 000 Menschen verfol­gen wöchentlich im ORF den „Bürgeranwalt“. Über ein paar Hundert Seiten könnte ich an dieser Stelle noch berichten. Ich hoffe, es regt einige an, den Bericht genauer zu stu­dieren, gelesen haben ihn sicher alle.

Nochmals vielen Dank! Meine Fraktion wird dem Bericht gerne die Zustimmung ertei­len. Ich darf mich bei den Volksanwälten nochmals sehr herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mayer reicht den Volksanwälten Dr. Brinek, Dr. Kostelka und Mag. Stoisits die Hand.)

13.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


13.57.37

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Hohes Haus! Geschätzte Damen Volks­anwältinnen! Herr Volksanwalt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Es ist meine erste Rede heute hier im Bundesrat. Ich muss sagen, es ist angenehm und schön, bei euch sein zu dürfen. Wenn man fünf Jahre im Landtag war, dann weiß man, welch qua­litativer Unterschied vorherrscht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Ich stehe dazu!


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 64

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist zu Zahlen, Daten und Fakten zum Bericht der Volksanwaltschaft schon viel gesagt worden, ich möchte aber auf folgenden Punkt hin­weisen: Wenn 15 000 Menschen die Volksanwaltschaft kontaktieren und 6 000 Prüffäl­le herauskommen, dann weiß man, dass viele Kontakte deshalb aufgenommen wer­den, weil Menschen nicht mehr wissen, wo sie hin sollen. Da ist die Volksanwaltschaft eine Anlaufstelle, die trotzdem – ob tatsächlich von Rechts wegen Kompetenzen da sind oder nicht – bestmöglich Hilfe leistet. Da möchte ich ganz herzlich danke sagen.

Ich habe aktuell selbst einen Fall eingebracht – allerdings erst gestern, den werdet ihr wahrscheinlich noch nicht haben. (Die Volksanwälte Dr. Brinek, Dr. Kostelka und Mag. Stoisits nicken bejahend.) Das sind Punkte, wo man oft wirklich nicht mehr weiß, wie einem geschieht, wo man von einem Amt zum anderen geschickt wird, wo die Leu­te verunsichert werden, wo Private mit reinspielen, wo ein Sammelsurium an Zustän­digkeiten ist.

Da fällt einem zuallererst klarerweise die Volksanwaltschaft ein. Da kann ich wirklich nur danke sagen, dass es euch gibt. Im Bundesrat ist das schon gesagt worden, und ich will es auch bei der Volksanwaltschaft sagen: Wenn es euch nicht geben würde, müsste man euch glatt erfinden.

Im Nationalrat sind all die wichtigen Bereiche, die die Volksanwaltschaft positiv bear­beitet hat, gewürdigt worden. In Vorbereitung auf meine ersten Rede hier im Bundesrat habe ich natürlich auch Protokolle des Nationalrats gelesen. Daher möchte ich auch an dieser Stelle einbringen: Auch der Nationalrat ist Gott sei Dank nicht der Bundesrat, so wie dieser nicht Landtag ist, was die Qualität der Arbeit und den Umgang miteinander betrifft.

Ich würde mir schon auch etwas wünschen – und wünschen kann man sich immer etwas, erst recht in der Vorweihnachtszeit –, wenn Entschließungsanträge zum Thema Volksanwaltschaft eingebracht werden und es darum geht, den Menschen Hilfe zu leisten, wobei es oft um die Ärmsten geht, die rechtlich nicht mehr ein noch aus wis­sen. Der Bericht sollte nicht zum Anlass genommen werden, einen Entschließungsan­trag einzubringen, in dem steht – ich zitiere –: „Der aktuelle Bericht der Volksanwalt­schaft beleuchtet auch die schwierige Situation von arbeitsuchenden Menschen. Ein Modell, das hier Abhilfe schaffen könnte, ist das gemeinnützige Arbeitsmodell bei Lang­zeit-Mindestsicherungsbeziehern.“

Ich lese das Ganze jetzt nicht vor. Ich finde es einfach mehr als eigenartig, wenn man einen Bericht der Volksanwaltschaft, in dem es darum geht, dass man Menschen Hilfe­stellung bietet, dazu benützt, Menschen, denen es ohnehin wirklich nicht gut geht, die Arbeit suchen, und sehr viele dieser Mindestleistungsbezieherinnen und -bezieher hät­ten ja gerne einen Job, würden gerne einer Arbeit nachgehen, mit der sie ein Einkom­men lukrieren, von dem sie leben können, mit diesem Entschließungsantrag Zwangsar­beit zuzuteilen. Das finde ich mehr als eigenartig. Ich würde mir wirklich wünschen, dass solche Fehlgriffe zumindest in diesem Bereich nicht erfolgen.

Bei seiner ersten Rede sollte man nicht zu lange sprechen. Ich bedanke mich daher abschließend noch einmal ganz herzlich bei den Volksanwältinnen und dem Herrn Volksanwalt für die geleistete Arbeit. Ich wünsche Ihnen allen viel Kraft. Ihr habt es auch nicht immer einfach mit der Legislative. Auch wir haben es eigentlich nicht ein­fach, denn im Endeffekt zeigen Sie auch unsere Fehler auf. Dass wir dann trotzdem da stehen und danke sagen, ist auch ein Zeichen der Größe aller Kolleginnen und Kolle­gen! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 65

14.02.25

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Volksanwälte! Herr Dr. Kostelka! Frau Dr. Brinek! Liebe Terezija! Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler! Wir diskutieren heute in aller Kürze den Bericht der Volks­anwaltschaft. Wenn ihr einmal einen Behördengang habt und ihr euch nicht gut vertre­ten oder unterstützt fühlt, dann könnt ihr euch an die hervorragenden VolksanwältInnen wenden, die euch mit Engagement zur Seite stehen und auch weiterhelfen. Die An­liegen werden dann hier im Plenum natürlich in anonymisierter Form diskutiert, damit die Bundesräte auch wissen, was verbessert gehört. Darüber diskutieren wir also jetzt unter diesem Tagesordnungspunkt.

Auch meinerseits einen recht herzlichen Dank an die VerfasserInnen dieses Berichts, der wirklich sehr übersichtlich ist. Man findet sich sehr schnell und auch sehr gut zu­recht, was man ja leider Gottes vom österreichischen Rechtsstaat nicht immer behaup­ten kann.

Damit bin ich auch schon beim Thema. Für viele unserer Bürger und Bürgerinnen ist die Tätigkeit der Volksanwaltschaft, wie das auch meine Vorredner schon angesprochen haben, ganz, ganz wichtig, weil sie vor staatlicher und behördlicher Willkür schützt. Mit 14 853 bearbeiteten Bürgeranliegen erreicht die Leistungsbilanz der Staatsanwaltschaft eine außerordentliche Dimension. Die Anzahl der an die Volksanwaltschaft herangetra­gene Anliegen ist wohl auch ein Gradmesser für die Qualität der Rechtsordnung und vor allem für die Umsetzung der Rechtsordnung durch die zuständigen Behörden. Auf die Zahlen brauche ich an dieser Stelle nicht mehr näher einzugehen, denn Kollege Edgar Mayer hat dies schon ausführlich getan. (Zwischenruf des Bundesrats Mayer.) – Danke.

Leider ist die Anzahl der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger im vergangenen Jahr nicht gesunken, sondern wieder angestiegen. Wir haben auf der einen Seite ein hoch­entwickeltes Rechtssystem, und auf der anderen Seite brauchen viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Land die Institution der Volksanwaltschaft, um sich gegen dieses hoch­entwickelte und hochkomplexe System wehren zu können.

Ein Bereich ist in Österreich seit vielen Jahren extrem unterentwickelt. Und genau die­ser Bereich ist für das Rechtsempfinden und für die politische und demokratische Kul­tur von entscheidender Bedeutung. Darum finde ich es auch so wichtig, dass die Volks­anwaltschaft diesen Bereich seit einigen Jahren gesondert darstellt. Nur wenn auch separat darauf hingewiesen wird, kann das Bewusstsein entstehen, dass es sich bei dieser Materie um das Essentielle schlechthin handelt, nämlich um die Grundrechte, um jene Rechte also, die die Entstehung und Entwicklung demokratischer Strukturen in Europa überhaupt fundieren. Die Grundrechte sind der Schlussstein im Gewölbe des oft beschworenen Abendlandes, das Element, das eigentlich alles zusammenhält. Es geht um jene Rechte, die jeder Mensch von Geburt an hat und die in allen Rechtssys­temen gleich sein sollten.

Sind viele Menschen von der Beschneidung dieser Grundrechte betroffen, dann muss es sich die Regierung eines Landes gefallen lassen, dass ihre Legitimität hinterfragt wird, wie das zum Beispiel gegenwärtig Ägypten passiert. Gott sei Dank sind wir von solchen Zuständen und Umständen noch weit entfernt. Dennoch bleibt ein großer Teil der Menschen in diesem Land leider Gottes weiterhin in seinen Grundrechten be­schnitten. Es ist auch noch nicht so lange her, dass das in einem gravierenden Aus­maß der Fall war. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Wert der Grundrechte von weiten Teilen der Bevölkerung und leider auch der Politik nicht ausreichend gewürdigt wird.

Zurzeit sind also viele in Österreich mit der Beschneidung ihrer Grundrechte konfron­tiert, und gerade deswegen herrscht auch ein Ausnahmezustand an den obersten Ge­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 66

richtshöfen. Obwohl wir mit der Gründung des Asylgerichtshofes ein zusätzliches Kon­trollinstrument eingeführt haben, liegt im Verfassungsgerichtshof nach wie vor ein rie­siger Berg unerledigter Asylverfahren. Seit Einrichtung des Asylgerichtshofes sieht sich auch der Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerden konfrontiert. Es gibt tausende unerledigte Gerichtsfälle und zusätzlich wird auch noch die Volksanwaltschaft gestürmt.

Wie aus dem Bericht klar hervorgeht, verläuft der Anstieg auf das Niveau von 2009 un­gebremst. Als PolitikerInnen müssen wir uns schon die Frage stellen, was da falsch läuft. Am gesamten System des Fremdenrechts ist seit vielen Jahren ununterbrochen herumgebastelt worden und das mit einem vernichtenden Ergebnis.

Jetzt ist jedoch die Stimmung in der Öffentlichkeit gekippt. Vielen Menschen in Öster­reich ist klar geworden, dass man Kinder nicht wie Pakete hin und her schicken kann. Gerade wenn Kinder betroffen sind, rücken die Grundwerte wieder schneller ins Blick­feld der Öffentlichkeit. Wir kennen die von den Medien hochgespielten Schicksale der Kinder und Jugendlichen, die hin und her geschickt werden, weil wir es nicht schaffen, ihre Akten in einer angemessenen Zeit zu bearbeiten. Wir können uns in einer demo­kratischen und solidarischen Gesellschaft diese Härtefälle nicht leisten, denn hinter jedem plakativen Härtefall stecken viele, viele Schicksale, von denen wir nicht in der Zeitung lesen, die aber genauso dramatisch verlaufen und von menschenverachtenden Entscheidungen herrühren.

Auch volkswirtschaftlich sind diese Abschiebungen völlig kontraproduktiv. Deshalb muss ich an dieser Stelle zum wiederholten Male eine grüne Forderung einmahnen: Gut inte­grierten Familien, die länger als fünf Jahre in Österreich leben, die unbescholten sind, sollten wir ein Bleiberecht zusprechen, denn das erleichtert das Zusammenleben, das erleichtert die Arbeit an den Gerichtshöfen und das tut auch unserem Image im Aus­land gut. Es geht aber auch um die Grundrechte, in diesem Fall unter anderem um das Recht auf Privat- und Familienleben.

Der Weg zur Volksanwaltschaft ist für viele Bürger und Bürgerinnen der einzige Weg, zu ihrem Recht zu kommen. Obwohl in vielen Fällen die Volksanwaltschaft gar nicht der richtige Ansprechpartner ist, nimmt sie diese Beschwerden immer wieder entge­gen. Im Jahr 2009 waren es immerhin um die 4 500 Beschwerden, die sich auf eines der ausgelagerten, einst staatlichen Unternehmen richteten. Die Volksanwaltschaft hat die Beschwerdeführer nicht einfach weggeschickt, sondern stand ihnen beratend mit Rechtsauskünften zur Seite. Dafür gebührt Ihnen ein extra großer Dank, sehr geehrte Volksanwältinnen, sehr geehrter Volksanwalt, denn das ist keine Selbstverständlichkeit.

Für die ausgegliederten Rechtsträger wie zum Beispiel die Bundesimmobiliengesell­schaft, die ASFINAG oder die ÖBB hat die Volksanwaltschaft keine Prüfkompetenz. Seit vielen Jahren fordern wir, die Prüfkompetenz auch auf diese Bereiche auszudeh­nen. Auch wenn diese Rechtsträger nicht mehr direkt einzelnen Ministerien unterstellt sind, so gehören sie dennoch zum öffentlichen Bereich, und damit müssen sich die be­troffenen Bürgerinnen und Bürger an die Volksanwaltschaft wenden können, wenn sie dort Probleme haben.

Ich danke Ihnen für das engagierte Arbeiten und die hervorragende Arbeit, nicht nur Ih­nen, sondern auch dem tollen Team, das hinter Ihnen steht. Herzlichen Dank! (Allge­meiner Beifall.)

14.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


14.09.45

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lie­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 67

be Zuhörer und Zuhörerinnen! Seit nunmehr mehr als drei Jahrzehnten kontrolliert und prüft die Volksanwaltschaft auf Basis der Bundesverfassung die öffentliche Verwaltung in Österreich. Sie geht Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern nach, kontrolliert die Gesetzmäßigkeit von behördlichen Entscheidungen und überprüft mögliche Miss­stände in der Verwaltung. Die Volksanwaltschaft steht für einen fairen Umgang der Verwaltung mit den Bürgerinnen und Bürgern und übt die öffentliche Kontrolle im Dienst- und Rechtsstaat und in der Demokratie aus.

Es ist ein in der Verfassung verankertes Bürgerrecht, sich in Form einer Individualbe­schwerde an die Volksanwaltschaft zu wenden. Bürgerinnen und Bürger haben ein An­recht auf transparente Verwaltungsstrukturen und nachvollziehbare Behördenentschei­dungen. Mit dem vorliegenden Jahresbericht informiert die Volksanwaltschaft über das abgelaufene Arbeitsjahr 2009.

Im ersten Teil des Berichts finden sich die wichtigsten Kennzahlen sowie allgemeine Wahrnehmungen aus den Schwerpunktbereichen der Prüftätigkeit. Bei den nahezu 14 900 Beschwerden ist es auffällig, dass ein hoher Prozentsatz den sozialen Bereich betrifft, zum Beispiel Mängel bei der Pflegegeldeinstufung, Probleme bei den Pensions­zeiten, bei der Zuerkennung der Sozialhilfe, Beschwerden beim Arbeitslosengeld oder aber auch mangelhafte Sachverständigengutachten. Details zu den einzelnen Berei­chen wurden von den Vorrednern ja bereits erwähnt.

Von den durchgeführten Prüfverfahren im Bereich der Landes- und Gemeindeverwal­tung sind vor allem die Bereiche Raumordnung, Baurecht, Sozialhilfe und Jugendwohl­fahrt betroffen.

Wir haben im Ausschuss eingehend darüber diskutiert, inwieweit es einen Zusammen­hang zwischen den Bürgerbeschwerden und der Qualität der Normen, sprich der Ge­setze gibt. Wir kamen in der Diskussion zu dem Ergebnis, dass dieser Zusammenhang sehr wohl besteht. Einerseits besteht im Sinne einer höchstmöglichen Rechtssicherheit die Forderung nach präzisen Normen, andererseits kommt es aufgrund des dadurch eingeengten Ermessensspielraums bei den Entscheidungen vielfach zu Härtefällen.

Von der Volksanwaltschaft wird auch kritisch darauf verwiesen, dass die Bürgerinnen und Bürger oftmals nicht mehr in der Lage sind, Gesetze richtig zu interpretieren, weil sie zu kompliziert sind. Zudem wird von der Bevölkerung vielfach die Behördensprache nicht mehr verstanden. Diesbezüglich ist die Verständlichkeit aus Sicht des Adressaten anzustreben.

Wie kaum eine andere Institution ist die Volksanwaltschaft mit den konkreten Auswir­kungen von gesetzlichen Regelungen konfrontiert. Oftmals zeigen die Mitglieder der Volksanwaltschaft anhand eines Einzelfalls strukturelle Probleme auf. So kann ein Ge­setz zu unklar formuliert sein und daher regelmäßig zu Härten führen. Regelungen können in der Praxis diskriminierend wirken oder der ursprünglichen Absicht des Ge­setzgebers widersprechen. Die Volksanwaltschaft sieht es daher auch als eine ihrer Aufgaben an, den gesetzgebenden Körperschaften rückzumelden, wie sich deren Ge­setze konkret auswirken beziehungsweise ob sich die mit bestimmten Gesetzesvorha­ben verbundenen Erwartungen auch erfüllen. Dass dies nicht immer der Fall ist, kann auch dem diesjährigen Tätigkeitsbericht entnommen werden. Es ist in diesem Zusam­menhang ein mehr als berechtigtes Anliegen der Volksanwaltschaft, dass ihre legisti­schen Anregungen mehr Beachtung finden sollten.

Abschließend gilt der Dank den beiden Volksanwältinnen und dem Volksanwalt sowie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die engagierte Tätigkeit, denn der vorliegen­de Bericht ist eine eindrucksvolle Leistungsbilanz der durchgeführten Prüftätigkeit. (All­gemeiner Beifall.)

14.14



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 68

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


14.15.03

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Sehr ge­ehrte Damen Volksanwältinnen! Cenjene gospe varuhinje clovekovih pravic! Sehr ge­ehrter Herr Volksanwalt! Poštovani gospod varuh clovekovih pravic! Liebe Schüle­rinnen und Schüler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Edgar Mayer hat in seiner Rede schon erwähnt, dass die Volksanwaltschaft eine Anlaufstelle für diejenigen Menschen ist, die das Gefühl oder die Sorge haben, nicht zu ihrem Recht zu kommen.

Wer wendet sich eigentlich an die Volksanwaltschaft? – Es sind diejenigen Menschen, diejenigen Frauen und Männer, die sehr oft eine einfache Hilfestellung benötigen, wie zum Beispiel Hilfe bei Gerichtsurteilen oder -beschlüssen, die sie nicht interpretieren können, oder Hilfe bei der Erläuterung der Rechtslage, oder es sind Menschen, die sich von Behörden schlecht behandelt fühlen oder nicht genug informiert worden sind.

Diese Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die zu einer Volksanwaltschaft kom­men, brauchen Vertrauen, um etwas loszuwerden und um Hilfe zu bitten. Und dieses Vertrauen haben sie in die Volksanwaltschaft. Dieser Bericht ist für mich Beweis dafür, dass die Menschen nicht nur Vertrauen in die Volksanwaltschaft haben, sondern dass die Beziehung zwischen der Volksanwaltschaft und den Menschen, die Hilfe brauchen, eine positive ist und dass die Volksanwaltschaft die Probleme der Menschen sehr ernst nimmt.

Ich werde nicht wiederholen, was meine Vorredner an Fakten und Zahlen gesagt ha­ben. Ich möchte aber betonen, dass die Arbeit der Volksanwaltschaft zweifelsohne ei­ne öffentliche, aber auch eine politische Kontrolle ist im Dienste der Demokratie, im Dienste der Rechtsstaatlichkeit und letztendlich, und das ist sehr wichtig, im Dienste der Bürgerinnen und Bürger. Die Themenpalette ist sehr groß. Sie reicht von Justiz- und Polizeifragen bis hin zur Reform der Einstufung der Pflegebedürftigen.

Ich möchte auf ein Thema eingehen, eigentlich insgesamt auf zwei, aber damit fange ich als Kärntner Slowenin einmal an, nämlich auf die zweisprachigen Ortstafeln. Es war die Volksanwaltschaft, die wiederholt an den Verfassungsgerichtshof, aber auch an die Bundesregierung herangetreten ist, dass, was zweisprachige Ortstafeln angeht, ein ver­fassungskonformer Zustand hergestellt werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht in dieser Frage um die Rechtsstaatlichkeit. Zweisprachige Ortstafeln sind kein Privileg der Slowenen und Sloweninnen, zweispra­chige Ortstafeln sind Ausdruck und Symbol, dass in der betreffenden Gemeinde zwei Kulturen vorhanden sind und zwei Sprachen gesprochen werden.

Ich möchte auch noch zum Thema Jugendrehabilitation Stellung nehmen. 7 000 Re­habilitationsbetten für Erwachsene gibt es in Österreich. Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Jährlich erkranken rund 250 Kinder an Krebs, 6 000 Kinder leiden an sehr schwe­ren Erkrankungen. Darum geht es in diesem Bericht. Wir brauchen, und da haben wir Handlungsbedarf, rund 185 Rehabilitationsbetten für Kinder, denn es geht um psycho­soziale und medizinische Rehabilitation und um Nachbehandlung und Nachversorgung, die gerade bei Kindern sehr wichtig sind.

Erlauben Sie mir, zu diesem Punkt noch folgenden Satz hinzuzufügen: Eine wirklich er­folgreiche Rehabilitation kann nur zustande kommen, wenn ein Elternteil dabei ist, und da sind entsprechende Maßnahmen unbedingt erforderlich. Auch da haben wir Hand­lungsbedarf.

Ich bin sehr froh darüber, dass Bundesminister Stöger und sein Team gerade diese The­matik aufgegriffen haben und an Lösungsvorschlägen arbeiten.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 69

Vielleicht ein paar Sätze noch zum Pflegegeld: 420 000 Menschen – das sind 5 Pro­zent der österreichischen Bevölkerung – beziehen Pflegegeld. Meine Vorredner haben schon erwähnt, dass das eine ganz große Sozialleistung ist, die auf die Initiative der Sozialdemokratie in den neunziger Jahren zurückzuführen ist. Es ist für mich ein unver­zichtbarer Beitrag zu einer humanen, lebenswerten Gestaltung des Lebens im Alter. Dass man das nach 20 Jahren verbessern muss, liegt auf der Hand. Auch da bemüht sich Sozialminister Hundstorfer – Stichwort Pflegefonds – um eine Verbesserung in punkto Pflegegeld.

Ich möchte mich bei Ihnen, verehrte Volksanwältinnen und Herr Volksanwalt, aber auch bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen recht herzlich bedanken, und zwar für die umfangreiche, detaillierte Arbeit. Bedanken möchte ich mich aber auch – weil das für mich keine Selbstverständlichkeit ist – für das Vertrauen, für das Ernstnehmen von Problemen, für die Energie, die Sie dafür aufwenden, und vor allem für die Hoffnung, die Sie den Menschen, den Frauen und Männern, die zu Ihnen kommen, geben.

Ich weiß, die Lösung aller Beschwerden kann nur in Kooperation und niemals in Kon­frontation erfolgen, in Kooperation mit dem Parlament und der Volksanwaltschaft, und ich glaube, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. (Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke. Hvala. (Allgemeiner Beifall.)

14.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist der Vorsit­zende der Volksanwaltschaft, Herr Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Volksanwalt.

 


14.23.08

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie abschließend nach dieser Debatte auch von meiner Seite ein paar Bemerkungen folgen. Fürs Erste möchte ich mich bei allen fünf Rednern, die gesprochen haben, sehr herzlich dafür bedanken, dass wir einhelliges Lob geerntet haben. Ich darf mich auch sehr herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie anerkannt haben, dass dies ohne die Mitarbeit der Volksanwaltschaft nicht möglich ist.

Wir zählen zu den – im Hinblick auf die Zahl der Beschäftigten – kleineren Einrichtun­gen in Europa, aber nicht zu den ineffektivsten. Ganz im Gegenteil: Die Zahlen der Be­schwerden, die in Österreich zu verzeichnen sind, sind im internationalen Vergleich hoch.

Das hat nicht nur mit der Qualität der österreichischen Verwaltung zu tun, sondern ins­besondere damit, dass die Volksanwaltschaft außerordentlich bekannt ist. Drei von vier Österreichern wissen, was die Volksanwaltschaft ist, wie man sie erreicht, und das ist wohl die Voraussetzung dafür, dass man sie auch in Anspruch nimmt. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen haben einen Bruchteil der Beschwerden, wie wir sie haben, aber das hat auch damit zu tun, dass viele, die unmittelbar von solchen Problemen betroffen sind, den Weg zur Volksanwaltschaft, zum Ombudsmann nicht finden, weil sie von seiner Existenz und seinen Möglichkeiten gar nichts wissen.

Es ist meinem Selbstverständnis nach unsere Aufgabe, Mittler zwischen der Verwal­tung und den Bürgern zu sein, einerseits dadurch, dass Verwaltungsentwicklungen, die der Gesetzgeber so mit Sicherheit nicht wollte, die auch nicht aus dem Gesetzeswort­laut hervorleuchten, abgestellt werden. Andererseits kommt es aber auch sehr oft vor, dass wir die Aufgabe haben, den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, warum die Ver­waltung so entscheiden musste, wie sie es getan hat, und letztendlich detailliert auf die Beschwerden einzugehen und den Betreffenden zu erklären, was in diesem Zusam­menhang die gesetzliche Bestimmung ist.

Aber Sie haben auch in mehreren Zusammenhängen darauf hingewiesen, dass das nicht unsere einzige Tätigkeit ist. Die legistischen Anregungen sind – wie in der De­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 70

batte gesagt worden ist – fürwahr Rückmeldungen an das Parlament. Sehr oft ist es so, dass sich im Verwaltungsalltag der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung zu dre­hen beginnt, Anwendungen erfolgen, die der Gesetzgeber so mit Sicherheit nicht ge­wünscht hat. Aber es kommt auch ebenso oft vor, dass ein vor 30, 40 Jahren vielleicht sehr modernes Gesetz durch den Ablauf der Jahre und Jahrzehnte nicht mehr den Standard hat, der heute von einem Gesetz erwartet werden darf, allein wenn ich bei­spielsweise an das Verbrechensopfergesetz denke, aber auch eine Reihe von Geset­zen in anderen Sozialbereichen. Da hat es sich die Volksanwaltschaft zur Aufgabe ge­macht, dort Rückmeldung an das Parlament zu erstatten, wo gesetzliche Änderungen notwendig und wohl auch sinnvoll wären.

Es ist nicht zuletzt in Zeiten wie diesen, in denen eine allgemeine Sparpolitik betrieben wird, eine Verpflichtung der Volksanwaltschaft, darauf hinzuweisen, dass man das menschliche Schicksal nicht nur in Budgetziffern begreifen darf, sondern dass man sich in Einzelfällen auch überlegen muss, gerade in einer gesetzgebenden Tätigkeit, was das letztendlich an Auswirkungen nach sich zieht.

Es wäre schön, wenn Sie manchmal mit uns kommen könnten und beispielsweise in Bereichen der Pflege von Familienangehörigen mitbekommen könnten, unter welch un­heimlichem Stress, unter welchem Druck, mit welcher persönlichen Aufopferung in den Familien die Pflegebedürfnisse eines Familienangehörigen – manchmal sogar mehr als eines Familienangehörigen – abgedeckt werden. Dann würden Sie verstehen, dass es für einen der reichsten Staaten dieser Erde – nämlich Österreich – inakzeptabel ist, die­se ärmsten Glieder der Gesellschaft alleine zu lassen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben auch in diesem Zusammenhang vor sechs Jahren begonnen, einen Grund­rechtsbereich für den Nationalrat und den Bundesrat zu erstellen, wobei der Hinterge­danke dafür war, dass wir jene Entscheidungen, jene Prüfungsergebnisse der Volksan­waltschaft mit Grundrechtsrelevanz gesondert zusammenstellen und eine Diskussion darüber einleiten. Ich glaube, dass das eine wesentliche Ergänzung ist, und in diesem Zusammenhang hoffe ich, dass in absehbarer Zeit diese Aktivität der Volksanwalt­schaft eher zunehmen wird, weil ja aufgrund des Regierungsübereinkommens davon auszugehen ist, dass die österreichische Volksanwaltschaft, wie auch viele andere Ein­richtungen in Europa, aber auch weltweit, die Aufgabe des nationalen Präventionsme­chanismus im Rahmen der Konvention zur Bekämpfung der Folter übernehmen wird.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf mich noch einmal für die lobenden Worte sehr, sehr herzlich bedanken, ich nehme sie mit und werde sie auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausrichten. Es ist der 33. Bericht, das heißt, dass die Volksanwaltschaft eine relativ alte Einrichtung ist, aber das heißt nicht, dass solche älteren Einrichtungen nicht auch jugendlichen Elan entwickeln können. – Danke viel­mals. (Allgemeiner Beifall.)

14.30


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Volksan­wältin Dr. Brinek das Wort. – Bitte.

 


14.30.09

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bun­desrates! Hohe hier gesetzgebende versammelte Gemeinschaft, könnte man sagen! Das war jetzt so eine Stimmung, die ich gespürt habe, die sich durch einen sehr star­ken Gleichklang in der Auffassung und in der Bewertung unserer Tätigkeit auszeichnet.

Ich bedanke mich mit diesem einen Satz noch einmal für diese so freundliche Rück­meldung. Herr Bundesrat Mayer hat gesagt, es ist auf der einen Seite unglaublich, dass ein moderner, hochentwickelter Rechtsstaat dann doch noch so viele Beschwer­


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den behandeln muss. Ja, das hat einfach mit dem zu tun, was Sie auch aus der täg­lichen Arbeit kennen. Großteils funktioniert Verwaltung. Stellen Sie sich nur die Vielzahl an Abläufen vor! Es gibt auch Menschen, die irren, Menschen, die Fehler machen, Men­schen, die manchmal von Motiven geleitet sind, die nicht immer diejenigen sind, die sich mit der Verfassung decken. Daher hat genau dieser moderne, hochentwickelte Rechtsstaat diese Kontrolleinrichtung geschaffen. Also etwas, ein Staat, ein Gebilde, das reflexiv zu sich selbst ist, ist gerade hoch entwickelt. Daher macht nicht die kleine Zahl und das Unterdrücken von Eigenkontrolle die Modernität und den hochentwickel­ten Status aus, sondern der Umgang mit den jeweils eingestandenen Fehlern.

Woran wir in Österreich sicher noch arbeiten müssen, ist so etwas wie eine Entschul­digungskultur. Aktuelle Beispiele in Wien wären die Meldungen über die U-Bahn. Das könnten wir gleich unter diesem Aspekt exekutieren. Daran arbeiten wir. Daran arbei­ten alle miteinander. Sie, von Seiten der Gesetzgebung, berücksichtigen bei Ihrer Ar­beit hoffentlich die Impulse, die wir durch unsere Prüftätigkeit gegeben haben.

Frau Bundesrätin, ich mache einen kleinen Umweg zu Ihnen. Sie haben das Vertrauen angesprochen. In der Tat nützen wir die persönlichen Gespräche bei den Vorsprachen, bei den Sprechtagen. Es ist an mehr als jedem Arbeitstag des Jahres ein Volksanwalt, eine Volksanwältin unterwegs, um Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern zu füh­ren. Ich bin geradezu angetan von dem, was Sie und andere Bundesräte auch an­ge­sprochen haben, nämlich übers quasi Kerngeschäft hinaus auch noch Service zu bie­ten, und wenn ich dann diese Sätze beim Sprechtag höre: Frau Volksanwältin, Sie sind meine letzte Hoffnung, ich weiß nicht mehr weiter.

Auch hierzu bieten wir unser Service an, bieten wir unsere Auskunft an, und wir hören dann oft gewissermaßen: Sie haben jetzt überprüft, was ich ohnehin an anderer Stelle auch schon gehört habe, aber von Ihnen bekomme ich keine Honorarnote. Sie haben die Kompetenz, selber und im Haus, und jetzt weiß ich wirklich endgültig, woran ich bin, und jetzt darf ich mir noch Hoffnung machen oder darf mir die Hoffnung eben nicht machen. Also wir denken auch gewissermaßen integrativ und grenzübergreifend.

Behindertengerechtigkeit ist auch angesprochen worden. Zum einen wurde die soziale Dimension angesprochen: das One-Stop-Shop-Prinzip. Werden die Leute, wenn sie klug genug sind, auf alle Förderungen draufkommen oder werden sie das nicht?

Ich fühle mich auch als siebenfache Landesvolksanwältin betreffend Bauordnung, Raumordnung, Flächenwidmung angesprochen. Es ist nicht das schon ein Problem, dass man die Frist für die Umsetzung des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes wahrscheinlich wieder ein bisschen dehnen wird, sondern  darauf poche ich – es ist sehr pragmatisch zu fragen und bei jeder Neuveranlassung, bei jeder baulichen Tätig­keit, bei jeder baulichen Maßnahme im Rahmen der öffentlichen Verkehrsmittel und so weiter zu sehen, dass ich mit einigem Sachverstand, so quasi Disability Mainstreaming, mit einfachen Mitteln und mit einfachem Hausverstand oft eine behindertenfreundliche Umwelt und Mitwelt schaffen kann, damit dann so eine Lösung nicht sozusagen unter der Last des budgetären Druckes verschoben werden muss.

Wir begreifen uns also in diesem Sinn als eine Institution, die durch die Prüftätigkeit mit sehr ambitionierten Bürgerinnen und Bürgern zusammenarbeitet. In Wien haben wir einen, der ist sozusagen ein Anwalt des behindertengerechten Bauens und durch­forstet die Stadt nach den Möglichkeiten des Sich-Bewegens. Aber das sollte zur Selbstverständlichkeit werden, diese Haltung. Vom Bürgermeister bis zum Minister sollte das eigentlich so sein.

Angesprochen wurde auch die Beschwerdehäufigkeit oder Beschwerdeverteilung. Schließen Sie aus dieser einmal fürs Erste gar nichts! Denken Sie lieber, da sind Tradi­tionen dahinter, Traditionen, wieweit sich Bürger als kompetente Bürger verstehen und


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 72

sich ihre Angelegenheit selbst regeln und keine Hilfe brauchen, also sich beschweren, ein Rechtsmittel ergreifen, berufen. In anderen Bereichen, durch andere Traditionen, durch andere regionale Situationen, spielt sich die Sache so ab, dass man eher ge­neigt ist zu sagen, hast du ein Volksanwaltschaftstelefon, ein Büro, Sprechtage, dann gehst du da hin.

Wir achten sehr stark darauf, dass Sie und die Bürgerinnen und Bürger nicht den Ein­druck haben, dass wir eine bestimmte Gegend in Österreich bevorzugen oder nicht be­vorzugen. Für Tirol und Vorarlberg bringe ich nur in Erinnerung oder für die übrigen, die das nicht immer bei sich haben, dort gibt es Landesvolksanwälte und -anwältinnen. Daher wird dieser Teil von diesen Kolleginnen und Kollegen besorgt.

Eine Sache, die unmittelbar meinen Bereich, den Justizbereich, betrifft, ist auch noch angesprochen worden. Da arbeiten wir an einer Verbesserung. Es geht darum, dass die Bürger verstehen sollten, was ihnen die Behörden schreiben und ja nicht der Ein­druck eines Defensiverlebnisses entsteht, zum Beispiel Richter und Sachverständige seien sowieso schon sozusagen eins, bevor überhaupt noch die Verhandlung beginnt. Hier ist auch Obacht zu geben auf Eindrücke, die man vermeiden kann und die bei den Bürgern Irritationen erzeugen. Das versuchen wir uns auch durch Expertengespräche und Gespräche mit den Betroffenen ständig ins Bewusstsein zu rufen.

Ich meine abschließend, dass die Demokratie von zwei Prinzipien lebt: dem Legalitäts­prinzip und dem Gleichheitsprinzip. Es darf den Bürgerinnen und Bürgern niemand et­was vorschreiben, wofür es keine gesetzliche Grundlage gibt. Das ständig durch unse­re Anregungen zu verfeinern und zu erneuern, ist unsere Absicht. Das Gleichheits­prinzip. – Ja, okay. Es kommt manchmal bei den Bürgern gar nicht so leicht an, zu se­hen: Wenn es mich betrifft, gibt es auch keine Ausnahme. Zwischen dieser strengen Normierung und dem Spielraum bewegen Sie sich, weil sich an Sie auch Bürger wen­den, und wir genauso.

Wenn sich an Sie, das darf ich auch noch so quasi abschließend sagen, Bürgerinnen und Bürger wenden und Sie hätten das Gefühl, die wüssten noch nicht, dass es die Volksanwaltschaft gibt, dann sagen Sie ihnen die Adresse. Wir beschäftigen uns gerne mit dem Anliegen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

14.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Volksan­wältin Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Volksanwältin.

 


14.37.51

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Poš­tovane dame i gospodo! (Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in kroatischer Sprache fort.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Anschluss an unseren Vorsitzenden und die Frau Kollegin Brinek gerne noch drei Bemerkungen machen.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen – und das habe ich schon die letzten beiden Male auch gesagt –, Sie auf die legistischen Anregungen hinzuweisen. Wie aus den Wort­meldungen ja ganz deutlich hervorgegangen ist, werden die Berichte der Volksanwalt­schaft sehr wohl wahrgenommen von – jetzt sage ich einmal – der Politik, sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat. Aber es ist jetzt nicht nur für meinen Geschmack so, sondern es ist einfach ein Faktum, dass nicht alle legistischen Anregungen, die die Volksanwaltschaft dem Parlament bringt und in ihren Bericht aufnimmt, dann auch tat­sächlich umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, Sie dürfen sich das nicht so vorstellen, dass wir drei Volks­anwältInnen irgendwie zusammensitzen und dann diskutieren: Wo könnte man in wel­chen Gesetzen etwas ändern?, und dann übereinstimmend zum Schluss kommen, da


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meinen wir drei, da sollte man etwas ändern. – Nein, so kommen legistische Anregun­gen nicht zustande!

Legistische Anregungen, die wir weiterleiten, sind immer Ausfluss aus den Erkenntnis­sen, die wir – jeder und jede in seinem und ihrem Bereich – in den Prüfverfahren ge­winnen, also Dinge, mit denen wir konfrontiert sind. Das sind nicht irgendwelche politi­schen Meinungen von Volksanwälten, dass man etwas anders machen könnte. Da kom­men wir auch sehr schnell auf einen grünen Zweig. Also jetzt nicht auf einen grünen Zweig, sondern auf eine gemeinsame Meinung. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Nein, unsere legistischen Anregungen ergeben sich unmittelbar aus jenen Anliegen, die die Menschen an uns herantragen und die – wir sagen Schwächen des Gesetzes sind, Lücken des Gesetzes sind – Auswirkungen von Gesetzen sind, die vom Gesetzgeber, von der Gesetzgeberin vielleicht überhaupt nicht beabsichtigt wurden, aber dann die Menschen treffen.

Ich möchte an zwei Beispielen illustrieren, dass es nicht immer gelingt, das auch um­zusetzen, was die Volksanwaltschaft anregt. Als ich noch Abgeordnete war und mich jährlich im Nationalrat mit den Berichten beschäftigt habe – zumindest kann ich mich noch gut erinnern, als Peter Kostelka schon Volksanwalt war –, kam jährlich diese lei­dige Geschichte, dass in Österreich ein Kind in einem Auto ein Mensch ist, ein Kind in einem Autobus aber kein – ganzer – Mensch ist.

So kommt es dann in Autobussen zu Situationen, in denen zwei Plätze für drei Kinder gelten. Verkehrssicherheit – völlig nachrangig. In einem Auto geht das nicht. In einem Auto – in einem Personenkraftwagen – braucht ein Kind erstens einen Platz, zweitens einen Gurt und drittens selbstverständlich einen eigenen Sitz, wenn es eine bestimmte Körpergröße noch nicht hat. All das gilt in Autobussen nicht. Wir drei Volksanwälte ha­ben da eine eindeutige Meinung.

Die – wie soll man sagen? – Busunternehmen oder die Wirtschaft, die an Bussen und Busunternehmen verdient, hat hier offensichtlich eine bessere Lobby im Parlament – na wo sonst?! – als die Eltern von Kindern, die Großeltern von Kindern, besorgte Leh­rerinnen und Lehrer und die drei Volksanwälte. Sie sagen nämlich schon seit Jahren, dass man das – bitte – im Sinne der Verkehrssicherheit ändern soll. Das steht im Übri­gen auch in diesem Bericht drinnen, und ich gehe davon aus, dass wir das wieder aufnehmen werden, sozusagen fast schon als ceterum censeo.

Das ist ein Beispiel für den Misserfolg der Volksanwälte – nämlich in unserem Bericht an den Nationalrat. Ich kann mich daran erinnern, dass das seit zumindest 12 Jahren beständig ignoriert wird. Es hat inzwischen schon Novellen des Kfz-Gesetzes gegeben, also es gibt – sozusagen – die Ausrede nicht, dass man dafür nicht extra eine Novelle machen wird. – Das nur als ein Beispiel, mit dem ich Ihnen illustriere, wo Ihr Einfluss ein ganz wesentlicher wäre, weil Sie Gesetzgeber, Gesetzgeberin sind.

Ein zweites Beispiel – jetzt ganz aktuell, was es früher noch nicht gegeben hat – aus dem Geschäftsbereich, den ich in der Volksanwaltschaft zu verantworten habe, näm­lich das Innenressort und den Vollzug der Länder, auch im Bereich des Staatsbürger­schaftswesens. Es gibt eine Erkenntnis, die wir bereits im Jahr 2007 gewonnen haben. Eine Bestimmung, die in der großen Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes 2005 enthalten war – nämlich eine besondere Berücksichtigung für Menschen, die in eine unverschuldete finanzielle Notlage geraten sind –, wurde mit der Novelle im Jahr 2006 eliminiert. „Unverschuldet“ heißt Unglück, Arbeitsplatzverlust, schwierige Fa­miliensituation. Früher konnte man aus diesen Gründen nachsehen, wenn es um das momentane Einkommen bei Einbürgerungen gegangen ist. Das gibt es nicht mehr.

Beamtinnen und Beamte in ganz Österreich – wir haben einen Überblick über sieben Bundesländer – sind jetzt damit konfrontiert, dass sie gar nicht – wie soll ich sagen? –


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 74

Härte zeigen müssen, weil sie gar keine Milde zeigen können. Sie müssen das Gesetz vollziehen, und das Gesetz sagt – auch wenn das die größte Tragik ist –, dass sie nicht dürfen. Das hat der Gesetzgeber, die Gesetzgeberin so vorgesehen. Nach Auffassung der Volksanwaltschaft war das wohl nicht in dieser Härte beabsichtigt und sollte in den Stand, wie es vorher war, zurückgeführt werden.

Vorher gab es genau diesen Spielraum, bei einer unverschuldeten finanziellen Notlage und Härte Menschen einbürgern zu können. Ich kann Ihnen das an einem Beispiel il­lustrieren, ein Fall, der vielleicht im nächsten Bericht drinnen sein wird, für das Jahr 2010: Ein anerkannter Konventionsflüchtling, ein Iraker, Folteropfer von Saddam Hussein, der schon einige Jahre in Österreich ist. Dass er ein Folteropfer ist, ist deshalb wichtig, weil er dadurch eine schwere Behinderung und Gesundheitsbeeinträchtigung davongetra­gen hat. Er ist zu 80 Prozent Invalide. Er ist dem Arbeitsmarkt sozusagen entzogen durch die Tatsache, dass er nicht arbeiten kann.

Das allein ist schon schmerzlich für den Mann, aber das viel Schmerzlichere ist, dass er nie in die Situation kommen wird, so viel Geld nachweisen zu können, das er hat beziehungsweise verdient, dass er je in Österreich eingebürgert werden kann. Er wird für immer Ausländer bleiben müssen in einem Land, in dem er aber einen Konven­tionsreisepass hat, Schutz vor Verfolgung gefunden hat, weil er nachgewiesenerma­ßen ein Folteropfer Saddam Husseins war.

Jetzt könnte man sagen, er habe einen guten Status als anerkannter Flüchtling. Ja, den hat er, einen besseren als andere Ausländer, die diesen Status nicht haben. Aber im Fall dieses Herrn hat mich besonders berührt oder betroffen gemacht, dass er gekommen ist und gesagt hat: Wissen Sie, ich habe Verwandte im Irak. Im Irak hat sich die Situation verändert. – Er hat nicht gesagt „verbessert“, sondern „verändert“. – Meine Verwandten können nicht aus dem Irak raus, ich kann nicht in den Irak rein. Ich kann in alle Länder dieser Welt reisen, das steht in meinem Reisepass, aber nicht in den Irak. Deshalb möchte ich Österreicher werden, weil ich dann einen österreichi­schen Reisepass hätte.

Er spricht hervorragend Deutsch, kennt sich in der Politik sicher besser aus als manch anderer, weil er sich dafür interessiert. Wählen kann er sowieso nicht, weil er die öster­reichische Staatsbürgerschaft nicht hat, aber auch seine Verwandten wird er deshalb nie zu Gesicht bekommen. Das ist die Realität des österreichischen Staatsbürger­schaftsgesetzes im Moment, und das wäre ein Fall für eine Ausnahme – für eine Aus­nahme in einem ganz konkret beschriebenen Fall. Das liegt einzig und allein im Ermes­sen der Parlamentarierinnen und Parlamentarier – also in Ihrem. Das ist auch schon in diesem Bericht drinnen, aber es wird nächstes Jahr wieder kommen, und ich bitte Sie quasi, das zu beachten.

Eine allerletzte Bemerkung: Wir sind in unserer Arbeit sehr betroffen von Vorwürfen oder Beschwerden, die bezüglich langer Verfahrensdauern an uns herangetragen wer­den. Da tut sich auch einiges, sage ich Ihnen, weil wir die Verfahrensdauer durch die Beschwerde abkürzen oder verkürzen können.

Es gibt einen Bereich, in dem sich gar nichts tut, das ist jener Bereich des Asylge­richtshofs, in dem – ich sage jetzt angeblich, aber es ist wirklich so – mit diesem Jahr ein Rucksack hätte abgebaut werden sollen, nämlich einer, der sich aufgebaut hat, seit es den Unabhängigen Bundesasylsenat gegeben hat, also seit mehr als 10 Jahren. Das ist nicht gelungen. Das ist zwar bedauerlich, aber das ist auch ein Faktum. Das viel Schwerwiegendere ist, dass der neue Asylgerichtshof schon wieder einen neuen Ruck­sack aufbaut.

In der Volksanwaltschaft laufen jetzt dauernd neue Beschwerden ein – bedingt durch eine Situation, in der angeblich durch das neue Asylgesetz alle Verfahren rasch und


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 75

effizient abgewickelt werden –, weil Leute im Jahr 2008 eine Entscheidung bekommen haben – also schon im neuen System – und seither kein einziger Verfahrensschritt im Berufungsverfahren gesetzt wurde. Wir haben jetzt Ende 2010.

Wir haben es jetzt im Moment also nicht nur mit einem Rucksack zu tun, sondern schon mit zwei Rucksäcken: Mit dem alten, sozusagen fast aus dem vorigen Jahrhun­dert stammenden Rucksack, weil es ja Fälle aus den Jahren 1998, 1999 gibt, die jetzt abgearbeitet werden – zum Teil wurden und zum Teil noch werden –; aber auch mit dem neuen Rucksack aus den Jahren 2007, 2008 und 2009. Das ist nicht so, weil die Richter und Richterinnen am Asylgerichtshof langsam arbeiten, unwillig sind, sondern das ist so, weil man ihnen selbst einen zu großen Rucksack umgehängt hat.

Deshalb ist es im Interesse der gesamten Bevölkerung – nicht des Asylgerichtshofs und der Betroffenen allein –, dass die Politik hier jetzt schon Vorsorge trifft, damit wir nicht in vier oder fünf Jahren mit jenen Fällen konfrontiert sind, deren Asylverfahren in zweiter Instanz negativ endet. Diese Personen haben damit selbstverständlich keine legale Basis für ihr Sein in Österreich, und es wird dann möglicherweise Kinder geben, die die Volksschule und vielleicht noch ein oder zwei Jahre Gymnasium hier absolviert haben und vor einer Außerlandesbringung oder Abschiebung stehen – nicht aus eige­nem Verschulden, sondern aus der Tatsache heraus, dass die Verfahrensdauer so über­gebührlich lang war.

Das ist ein wichtiger Punkt, der schon im Bericht 2009 enthalten ist und im Bericht 2010 noch viel intensiver behandelt wird. Das ist auch nur möglich, indem den Institutionen entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder man – wie im Beitrag von Bundesrat Dönmez ja auch angesprochen – gesetzliche Maßnahmen trifft. Aber das ist etwas, das alleinige Entscheidung des Gesetzgebers, der Gesetzgeberin ist. Wir weisen darauf hin, dass überlange Verfahrensdauern ein Missstand sind.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit, und ich hoffe, dass wir nächstes Jahr um diese Zeit viel­leicht nicht mehr darüber reden müssen, dass – ich habe es vorher ausgerechnet – in Schulbussen auf 54 Sitzplätzen 95 Kinder sitzen. Das wäre ja einmal etwas Schönes. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

14.50.2411. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Post-Betriebsverfassungsge­setz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (901 d.B. und 975 d.B. so­wie 8413/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Bitte um den Bericht.

 


14.50.47


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 76

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Post-Betriebsver­fassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf zwischenzeitlich zu diesem Tagesordnungspunkt sehr herzlich Herrn Sozialminister Rudolf Hundstorfer begrüßen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.51.48

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bin heute schon der zweite Steirer, der das erste Mal hier das Wort ergreift, habe es allerdings nicht so leicht wie Kollege Konrad, der überwiegend Lob verteilen durfte, denn hier haben wir es mit einer Materie zu tun, die keinesfalls jene „umfassende Modernisierung des Arbeitsrechtes“ – wie sie im Regierungsprogramm vollmundig angekündigt war – darstellt.

Es handelt sich vielmehr um Stückwerk – und das dürfte wahrscheinlich in der Tatsa­che begründet sein, dass der Antrieb zu einer Novellierung dieser Materie nicht beson­dere Kreativität oder der Wille zu einer nachhaltigen Novellierung war, sondern viel­mehr der äußere Zwang durch die EU-Gesetzgebung.

Dass dabei trotzdem durchaus einige Verbesserungen herausgekommen sind, möchte ich an dieser Stelle nicht verschweigen; diese geben aber keinen besonderen Anlass zu großer Euphorie. Begrüßenswert ist sicherlich die Anpassung hinsichtlich des Wahl­alters und die damit verbundene Stärkung des Jugendvertrauensrates, die Verlängerung der Klagefrist für Kündigungsanfechtungen und die Präzisierung der wirtschaftlichen In­formationsrechte des Betriebsrates.

Die Fristverlängerung für die Vorabverständigung des Betriebsrates bei beabsichtigten Kündigungen von fünf Arbeitstagen auf sieben Werktage ist allerdings nur mehr reine Kosmetik. Da wäre es sicherlich wünschenswert gewesen, eine großzügigere Anpas­sung – in Anlehnung an das Klagerecht beispielsweise – zu finden.

Einen echten Rückschritt bedeutet die geplante Änderung des § 96. Da hat man es ge­schafft, durch den Wegfall dreier Worte, „und sonstigen leistungsbezogenen“ – näm­lich Prämien –, eine massive Verschlechterung für die Arbeitnehmer herbeizuführen.

Dadurch ist es in Bezug auf leistungs- und erfolgsbezogene Prämien hinkünftig nicht mehr notwendig, die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. Der Regierungsvorla­ge ist als Begründung zu entnehmen, dass für solche Leistungen kein Gesundheits­schutz notwendig sei; dieser Aspekt sei nur bei Akkordarbeit oder akkordähnlicher Ar­beit relevant.

Die Tatsache also, dass eine gewisse Anzahl von abgeschlossenen Bausparverträgen oder Versicherungen im Versicherungs- und Bankwesen eine Prämie zur Folge hat, und der generelle Trend zu mehr Leistungsentgelten bei geringeren Fixlöhnen in die­ser Branche, aber auch in anderen Gebieten – im Dienstleistungssektor, im Handel –, habe also folglich keine gesundheitsrelevanten Auswirkungen. So scheinen zumindest Sie, Herr Minister, das zu sehen. Dass die ÖVP als selbsternannte Vertreterin der Ar­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 77

beitgeber dieser Aufweichung der Betriebsratsrechte zustimmt, ist auch nicht weiter ver­wunderlich.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, das also verstehen Sie unter einer „Modernisierung der Mitbestimmung“. Sie scheinen noch nie gehört zu haben, dass Burn-out-Erkrankungen sprunghaft ansteigen – jene körperliche, geistige und emo­tionale Erschöpfung aufgrund von Stress durch berufliche Überlastung. Davon sind nicht überwiegend die Akkordarbeiter betroffen, sondern genau jene Berufsgruppen, die Sie nunmehr mit diesem Gesetz zu Einzelvereinbarungen ohne Betriebsratszustim­mung verdammen wollen.

Wie sieht denn die Realität für viele Arbeitnehmer gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aus? – Die Arbeitnehmer werden von ihren Arbeitgebern ein Angebot bekom­men mit entsprechenden Leistungsprämien, zu dem sie nicht nein sagen können, weil sie den Job brauchen, weil sie eine Familie erhalten müssen und zu ernähren haben, und weil ihnen zudem von Ihnen – durch diesen Budgetentwurf – hunderte Euros ge­stohlen werden, weil ihnen Leistungen abverlangt werden, die sie kaum oder gar nicht erbringen werden können, und die sie genau in jenes Burn-out-Syndrom treiben werden.

Und da sagen Sie, meine Damen und Herren von Rot und Schwarz, diesen Schutz durch den Betriebsrat brauchen wir nicht mehr, den streichen wir, der ist nicht gesund­heitsrelevant! – In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall, und wir von der FPÖ als so­ziale Heimatpartei werden einer solchen Aufweichung dieses Gesetzes sicherlich kei­ne Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei SPÖ und ÖVP.)

14.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duz­dar. – Bitte, Frau Kollegin.

 


14.58.10

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Novelle des Arbeits­verfassungsgesetzes werden verschiedene Maßnahmen beschlossen, und ich bin der Meinung, dass gerade die wesentlichen Verbesserungen im Bereich der Arbeitnehmer­mitbestimmung für jugendliche ArbeitnehmerInnen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Darüber hinaus darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Anpas­sung an die europäische Betriebsratsrichtlinie in Wirklichkeit ja auch eine wesentliche Verbesserung mit sich bringt.

Es hat bisher schon die Möglichkeit gegeben, den Europäischen Betriebsrat zu wählen. Diese Novelle bringt allerdings Präzisierungen, Verbesserungen, wenn es beispielswei­se um die Anhörung und Unterrichtung der Arbeitnehmer geht, und künftig wird es auch Verwaltungsstrafen geben, wenn Bestimmungen dieser europäischen Betriebsratsricht­linie verletzt werden.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass eine jahrzehntelange Forderung der Gewerk­schaftsbewegung umgesetzt wird, nämlich bei Kündigungen die Verlängerung der An­fechtungsfrist durch die Arbeitnehmer. Diese Verlängerung von einer Woche auf zwei Wochen darf nicht kleingeredet werden. Das stellt meiner Überzeugung nach eine we­sentliche Verbesserung, einen großen Fortschritt dar, wenn man bedenkt, dass die ein­wöchige Frist für die Arbeitnehmer bedeutet hat, dass bei Fristversäumnis sehr oft un­zulässige Kündigungen nicht mehr bekämpft werden konnten  und dass das natürlich ein großer Rechtsnachteil für die betroffenen Arbeitnehmer war.

Gleichzeitig werden mit dieser Novelle aber auch die wirtschaftlichen Informations- und Beratungsrechte des Betriebsrates ausgebaut. Das ist ja auch nicht nur irgendetwas! In Hinkunft müssen nämlich bei Umstrukturierungsmaßnahmen eines Unternehmens die


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 78

Betriebsräte rechtzeitig informiert werden, sodass sie auch rechtzeitig die Möglichkeit haben, Stellung zu beziehen.

Ganz, ganz wichtig und in diesem Zusammenhang auch zu erwähnen ist natürlich, dass jugendliche ArbeitnehmerInnen mit dieser Novelle nun bis zum 23. Lebensjahr als Ju­gendvertrauensräte gewählt werden können. Das ist ja auch keine Selbstverständlich­keit! Das war eine jahrzehntelange Forderung der Gewerkschaftsjugend, und die wird jetzt mit dieser Novelle umgesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies war ja längst überfällig, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, denn die bisher festgelegte Möglichkeit einer Wahl bis zum 18. Lebensjahr entsprach ja nicht der Reali­tät und auch nicht dem Lehrstellenmarkt, da viele Lehrlinge ihre Lehrstelle erst viel spä­ter antreten – im Alter von 16, 17 Jahren – und ihre Lehre auch entsprechend erst im Al­ter von 20 Jahren beenden. (Präsident Preineder übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ganz wichtig ist es natürlich auch, zu betonen, dass das passive Wahlrecht zum Be­triebsrat nun von 19 auf 18 Jahre herabgesetzt wird. Das ist auch eine wichtige Ver­besserung im Bereich der Arbeitnehmermitbestimmung. – Das habe ich vom Herrn Kol­legen Krusche nicht gehört. (Bundesrat Krusche: Da haben Sie nicht gut zugehört! Heiterkeit. Bundesrat Mag. Klug: Es ist großzügig gehandhabt worden! Bundesrä­tin Mühlwerth: Nein, er hat es gesagt! Da müssen Sie besser aufpassen!) Das ist wahrscheinlich untergegangen.

Aufgrund dessen, dass diese jahrzehntelangen Forderungen umgesetzt wurden, erach­ten wir es als wichtig, diese Gesetzesnovelle zu beschließen. Daher wird meine Fraktion diesem Gesetzesbeschluss auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.02


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Ki­ckert. – Bitte.

 


15.02.25

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach meinen Kollegen Lampel und Kru­sche darf auch ich heute meine erste Rede hier im Bundesrat halten – nur im Gegen­satz zu Ihnen stamme ich aus Wien.

Wie Kollegin Duzdar schon erwähnt hat, enthalten die Neuerungen in diesen drei Ge­setzen tatsächlich sehr viele Verbesserungen und bringen neben diesen Jugendbestim­mungen sehr viele Dinge, die auch wir sehr begrüßen. Insgesamt sehen wir das als durchaus anerkennenswerten Schritt in Richtung Modernisierung.

Nichtsdestotrotz bleibt aus meiner und aus Sicht meiner Kolleginnen und Kollegen ein großer Wermutstropfen, und dieser betrifft tatsächlich den § 196 des Arbeitsverfas­sungsgesetzes (Bundesrat Mag. Klug: Nur 96! Ohne „hundert“! Da sind wir schon zu weit!) – pardon, den § 96; woran ich jetzt gedacht habe, weiß ich gar nicht – und die Verschlechterungen, auf die Herr Kollege Krusche schon eingegangen ist, wobei wir – und ich mache es jetzt kurz, damit das nicht wieder zu einer elendslangen Aufzählung wird – neben den gesundheitlichen Aspekten zwei wesentliche Punkte noch zusätzlich herausheben möchten.

Die Novelle dieses Passus macht die bisher genutzte Möglichkeit einer transparenten Gestaltung von Prämien und Zielvereinbarungssystemen unter Einbeziehung der Be­triebsrätinnen und Betriebsräte zunichte. Eine Schlechterstellung des Betriebsrates kann wirklich nicht als Modernisierung der Mitbestimmung bezeichnet werden, und jede Form der Reduzierung der Transparenz wird keine Vorteile für die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer bringen. Ein intransparentes Entlohnungssystem fördert den Kampf jeder gegen jeden um Prämien und Leistungen.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 79

Ganz wesentlich ist es mir auch, hervorzuheben, dass diese intransparenten Systeme bei der Entlohnung zu einer stärkeren Benachteiligung von Frauen führen, die ja bei den Entlohnungssystemen sowieso benachteiligt sind.

Professor Konecny wird heute Vormittag wahrscheinlich größere Gesetzeskonvolute gemeint haben, als er gesagt hat, man kann nur entweder pauschal dafür oder pau­schal dagegen sein. Trotzdem wende ich seine Äußerung jetzt auf diese Gesetzesma­terie an und sage: Aufgrund der erwähnten Punkte werden meine Kolleginnen und ich diesem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, nicht die Zustimmung geben können. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

15.05


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Steinkog­ler. – Bitte.

 


15.05.51

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Arbeitsverfassungsgesetz, das Post-Betriebsverfassungsgesetz und das Landar­beitsgesetz 1984 sind wichtige und gute Instrumentarien, um einen Interessenaus­gleich zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen zu gewährleisten. Sie geben den BetriebsrätInnen entsprechende Mitwirkungsrechte, die in so manch anderen Län­dern nicht selbstverständlich sind.

Deshalb ist es gut, dass diese Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte mit der vorlie­genden Regierungsvorlage der Zeit angepasst und verbessert werden. Einerseits geht es in dieser Vorlage um eine Anpassung einer Richtlinie der Europäischen Union. Ein zweiter sehr wichtiger Punkt beschäftigt sich mit den Grundsätzen der Anhörung und der Unterrichtung, die präzisiert werden. Das Ziel dieser Präzisierung geht in jene Rich­tung, dass es zu einer effektiveren und besseren Umsetzung des sozialen Dialogs kommt und somit ganz einfach auch die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte im Sinne der ArbeitnehmerInnen in diesem Bereich verbessert werden.

Auch die Frist für die Anfechtung von Kündigungen vor Gericht durch die Arbeitneh­merInnen von einer Woche auf zwei Wochen wird durch diese Vorlage verlängert. Dies war eine jahrzehntelange Forderung der Gewerkschaften, die damit umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren, es wurden von meinen VorrednerInnen noch einige andere Punkte, die verbessert wurden, aufgezählt. Ich habe nur zwei herausgenommen, die für mich wichtig waren. Ich meine, dass diese Novelle eine wichtige Voraussetzung für die nicht immer leichte Arbeit der vielen tausenden BetriebsrätInnen in unserem Land ist, denen unser Dank gebührt. – Auch deshalb stimmen wir dieser Gesetzesvorlage zu. (Bei­fall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

15.07


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zangerl. – Bitte.

 


15.08.01

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes ist aus meiner Sicht nur zu unterstützen. Vor allem scheint mir die Verlängerung der Anfechtungsfrist für Kün­digungen seitens des Arbeitnehmers als besonders wichtig. Diese Frist war mit einer Woche zweifelsfrei zu kurz bemessen und hatte sehr oft dazu geführt, dass Kündi­gungsanfechtungen nicht mehr eingebracht werden konnten.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 80

Fakt ist auch, dass die Anzahl der Kündigungsanfechtungen im letzten Jahr deutlich ge­stiegen ist. Dabei musste festgestellt werden, dass personenbezogene Gründe bei er­folgten Kündigungen in den Hintergrund getreten sind. Die Kündigungsbegründung der Dienstgeber liegt zu 90 Prozent in der angespannten wirtschaftlichen Situation.

Betrachtet man aber den Hintergrund der Kündigungen genauer, dann zeigt sich sehr wohl, dass mitunter diese Krise auch als Vorwand gilt und galt, um eben ältere Arbeit­nehmer loszuwerden. Ältere Arbeitnehmer haben – bedingt durch eine lange Arbeits­zeit – ein höheres Einkommen und geraten dadurch in Gefahr, einfach „wegrationalisiert“ zu werden.

Wird vom Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen, half bisher nur eines: schnell und richtig reagieren. Wird der Arbeitnehmer wegen eines unzulässigen Motivs oder sozial­widrig gekündigt, ist eine gerichtliche Anfechtung der Kündigung unter bestimmten Vo­raussetzungen möglich. Der § 105 des Arbeitsverfassungsgesetzes liefert die Möglich­keit, binnen einer Woche eine Kündigung vor dem Arbeits- und Sozialgericht wegen So­zialwidrigkeit anzufechten.

Diese Wochenfrist nach Erhalt der Kündigung war allerdings mehr als kurz bemessen. Eine derartige Kündigungsanfechtung ist zudem nur in betriebsratspflichtigen Betrie­ben – das heißt in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern, egal, ob tatsächlich ein Betriebsrat installiert wurde oder nicht – möglich.

Ziel einer Anfechtungsklage ist es ja eigentlich, eine Weiterbeschäftigung im Betrieb zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass umgehend die richtigen Schritte gesetzt werden.

Wenn Arbeitnehmer Bedenken über die Rechtmäßigkeit ihrer Kündigung haben, ist dafür Sorge zu tragen, dass auch der nötige zeitliche Spielraum vorhanden ist. Die Pra­xis lehrt uns, dass es in den Verhandlungen vielfach – ich betone: vielfach! – gelungen ist, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Lösungsmöglichkeiten, die von den Arbeitge­bern vorerst gar nicht bedacht oder zunächst auch gar nicht in Betracht gezogen wor­den sind.

Auch der Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung wird mehr Raum gegeben, was ja zwangsläufig zu einer Entlastung der Gerichte führt. Und ein letztes Argument: Be­troffene Arbeitnehmer können dadurch sehr oft vor einem vorhersehbaren finanziellen Absturz bewahrt werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, eine Woche ist sehr kurz. Eine Verlängerung dieser Frist auf mindestens zwei Wochen ist deshalb ein Schritt in Richtung mehr Fair­ness, ein Schritt in die richtige Richtung. Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksam­keit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.11


Präsident Martin Preineder: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.11.44

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie verzeihen mir, Herr Bundesrat Krusche, aber es sind 14 Tage und nicht zwei Tage. Ich würde wirklich da­rum bitten: Wenn man schon ein Gesetz kritisiert, dann umfassend und richtig! Punkt eins. (Bundesrat Mag. Klug: „Soziale Heimatpartei!“ Heiterkeit bei der SPÖ.)

Punkt zwei: Sie dürfen sicher sein, dass mit dieser Novelle der Arbeitsauftrag an die Regierung gemäß Regierungsprogramm nicht erledigt ist. Da wir ja die Absicht haben, bis 2013 im Amt zu sein, werden Sie sich freuen, wenn Sie nächstes Jahr eine weitere Novelle vorgelegt bekommen werden. – Ich nehme an, dass Sie da noch hier sein wer­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 81

den. – (Bundesrat Krusche: Dass Sie noch hier sein werden! – Heiterkeit.) Nein, Ent­schuldigung, ich nehme es ja ohnehin an. Sie sind ja erst frisch angelobt. (Bundesrätin Michalke: Neuwahlen können nur Sie machen!) Ich nehme also an, dass Sie dann nächstes Jahr die nächste Novelle zum Arbeitsverfassungsgesetz, die wir bereits ver­handeln, hier im Bundesrat beschließen werden. (Bundesrat Krusche: Da bin ich aber gespannt!) Das heißt, wir arbeiten step by step.

Ich weiche der Kritik am § 96 natürlich überhaupt nicht aus. Das wurde ja bereits im Plenum des Nationalrates von denselben beiden Parteien kritisch hinterfragt. Es ist auch keine Frage: Es gibt und gab auch im ÖGB Diskussionen über diesen Punkt. Das ist ja ganz logisch. Es ist ja nicht so, dass das alles „hurra“ ist.

Ich glaube, wir müssen ein bisschen auf das Jahr 2008 zurückblicken. Im Jahr 2008 hat der Oberste Gerichtshof etwas entschieden – Höchstgerichtserkenntnisse sind natür­lich wie immer anzuerkennen –, wodurch wir auf einmal einen gewissen Spagat „geerbt“ haben, nämlich: Bei der Gewinnbeteiligung hat der Betriebsrat kein Mitwirkungs­recht, bei der Zielerreichungsprämie hat er hingegen absolutes Mitwirkungsrecht. Das war das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2008, bei dem es darum ge­gangen ist, ob ein Prämiensystem, das auf Zielerreichung beruht, dem absoluten Veto­recht zu unterlegen ist. Herausgekommen ist: Gewinnbeteiligung nein, Zielerreichung ja.

Jetzt fragen wir einmal volkstümlich: Wo ist der Unterschied zwischen A und B? Wir haben dieses Erkenntnis aber, und ich stehe natürlich dazu und muss mich natürlich auch daran halten, das ist gar keine Frage.

Wir haben den § 96, so nehme ich an, gemeinsam etwas modelliert. Und Sie dürfen si­cher sein: Überall dort, wo ein System, ein Entlohnungssystem die Gefahr von Burn-out in sich birgt, überall dort ist es auch weiterhin eine Betriebsvereinbarung zwingend. Dessen dürfen Sie sich sicher sein. (Bundesrat Krusche: Wo steht das?) – Das steht in den Erläuterungen, und das wird auch so gelebt. Überall dort, wo die Gesundheits­gefährdung weiterhin gegeben ist, ist das so. – Wir leben nicht am Mond. Sie sind neu hier, Herr Bundesrat Krusche, darum kennen Sie mich diesbezüglich noch nicht so, aber ich würde darum bitten, mir nicht zu unterstellen, dass ich am Mond lebe. (Bun­desrätin Michalke: Warum nicht? Heiterkeit.) – Weil ich gerne hier auf der Erde lebe.

Sie können sicher sein, dass wir diesbezüglich informiert sind, da bei den Invaliditäts­pensionen der häufigste Grund des Pensionsantrages das Burn-out ist. Alle anderen Gründe sind nicht mehr so häufig. Die sozusagen klassischen Fälle im Zusammenhang mit dem Bewegungs- und Stützapparat sind schon sehr zurückgedrängt, denn 30 Jahre Arbeitnehmerschutz wirken sich irgendwann einmal aus. Demzufolge stehen das Burn-out und die psychischen Erkrankungen derzeit sehr im Vordergrund, und daher ist es auch so, dass dort, wo eine Gefahr von Burn-out besteht, weiterhin eine zwingende Mit­bestimmung gegeben ist. Entgeltsysteme, die auf Personalbeurteilung beruhen, sind ebenfalls zwingend mit dem Betriebsrat/der Betriebsrätin zu vereinbaren.

Langer Rede kurzer Sinn: Das wird eine marginale Änderung sein, und es wird überall dort, wo es eine vernünftige betriebliche Partnerschaft gibt – und ich unterstelle einmal grundsätzlich, dass es eine solche in den meisten Fällen gibt –, weiterhin eine Betriebs­vereinbarung geben. Wir werden sehr wenig Streitpunkte um diesen § 96 haben.

Sie gestatten mir aber, Ihnen am heutigen Tag – ich habe das vorgestern schon im Plenum des Nationalrates gemacht – zu berichten: Wir haben den höchsten Beschäf­tigtenstand seit vielen, vielen Jahren. Wir haben 3,4 Millionen Menschen in Beschäfti­gung. Dieser Stand bedeutet ein Plus von 60 000 gegenüber dem Vorjahr. Das muss man auch einmal dazusagen. Gegenüber 2008 ist das ein Plus von 7 000. Das heißt, all das, was die Bundesregierung einerseits an Gegensteuerungsmaßnahmen gesetzt


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 82

hat, beziehungsweise das, was auch innerhalb der österreichischen Wirtschaft derzeit geschieht, führt zu diesen hervorragenden Zahlen.

Wir dürfen sehr stolz darauf sein, dass wir bei den Arbeitslosenzahlen weiterhin fast Europameister sind – nur Holland liegt derzeit mit einem Zehntel geringerer Arbeitslo­sigkeit vor uns.

Was sehr erfreulich ist, ist, dass wir einen massiven Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den Kids haben. Noch erfreulicher ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit um 25 Prozent bei den Langzeitarbeitslosen. Das sind keine Kids, das sind in der Regel entweder Menschen in der Mitte des Lebens oder etwas ältere Arbeitnehmerinnen oder Arbeit­nehmer. In diesem Bereich haben wir den höchsten Rückgang seit vielen, vielen Mona­ten zu verzeichnen, nämlich 25 Prozent Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den älteren Arbeitnehmern und bei den sogenannten Langzeitarbeitslosen.

Das heißt, all das, was wir seitens der Regierung entwickelt haben, auch all das, was wir an Eingliederungsbeihilfen in der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik geschaffen ha­ben, wirkt sich jetzt aus. Demzufolge darf auch der Bundesrat sehr stolz darauf sein, dass es diese tollen Zahlen gibt. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Dr. Kickert.)

15.18


Präsident Martin Preineder: Ich danke dem Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz – auch für die guten Arbeitsmarktdaten.

Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


15.18.52

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Vor allem aber sehr geehrter Herr Sozialminister und Ar­beitsminister! Ich bin dir im Namen der sozialdemokratischen Fraktion außerordentlich dankbar für deine Informationen im Allgemeinen, aber klarerweise im Besonderen für die Informationen hinsichtlich des § 96 beziehungsweise § 96a ArbVG. Jene Kollegin­nen und Kollegen, die sich im Arbeitsrecht beheimatet fühlen – ohne dass sie sich selbst als „soziale Heimatpartei“ titulieren –, wissen, dass eine Beschlussfassung zu die­sem Thema auch für uns keine besonders leichte Angelegenheit ist.

Ich danke dir daher im Besonderen dafür, dass du uns heute auch jene Hintergrundin­formation zur Verfügung gestellt hast, dass man sehr bemüht ist, auf dieser Ebene in naher Zukunft jene Dinge auszuräumen, die den Betriebsrätinnen und Betriebsräten of­fensichtlich Probleme bereiten.

In diesem Zusammenhang, liebe Kolleginnen und Kollegen, nutze ich auch diese Gele­genheit, kurz auf eine eigenartige Entwicklung hinzuweisen, die uns, wahrscheinlich auch den Koalitionsvertretern hier im Haus, schon mehrfach aufgefallen ist.

Es ist eine Gesetzesnovelle zu beschließen, und von der Opposition kommt dann die Kritik: Da haben wir irgendwo etwas gefunden, das ist nicht zu 100 Prozent gelöst! Und in einem Halbsatz wird dann darauf aufmerksam gemacht, dass die Verbesserungen bei der Kündigungsfrist beziehungsweise bei Angelegenheiten der Jugendvertretung wirklich ein beachtlicher Fortschritt sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat ja niemand gemacht! Das ist ja überhaupt nicht wahr!)

In Anbetracht der abschließenden tollen Informationen unseres Bundesministers sollte es meines Erachtens auch den Vertretern der Opposition durchaus leicht fallen, einmal ihrem Herzen einen Ruck zu geben, die positiven Veränderungen nicht nur immer gleich so herunterzureden, als ob sie gar nicht stattfinden würden (Bundesrat Zwanzi­ger: Ihr habt heute schon so einen Wirbel gehabt – Koalitionsspannungen im Bundes­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 83

rat!), sondern derart ins Treffen zu führen, dass man sagt: Da können wir auch einmal die Hand heben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und Kollegen, zu guter Letzt, nachdem unsere Vertre­terin bei diesem Tagesordnungspunkt schon die Geschichte mit der Gewerkschaftsju­gend angesprochen hat, nutze ich die Gelegenheit auch dazu, zu sagen: Einer derjeni­gen, der diese Forderung nach Novellierung des Arbeitsverfassungsgesetzes hinsicht­lich der Jugendvertretung damals, vor 15 Jahren, erhoben hat, war auch ich. Insofern freue ich mich natürlich doppelt, dass wir das heute beschließen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.22.3912. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über Arbeitsverhältnisse zu Theaterunterneh­men (Theaterarbeitsgesetz – TAG) erlassen und mit dem das Urlaubsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Arbeitsruhe­gesetz geändert werden (Theateranpassungsgesetz 2010) (936 d.B. und 976 d.B. sowie 8414/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen jetzt zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kemperle. Bitte um den Bericht.

 


15.23.02

Berichterstatterin Monika Kemperle: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Arbeitsverhältnisse zu Theaterunternehmen (Theaterarbeitsgesetz – TAG) erlassen und mit dem das Urlaubs­gesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Arbeits­ruhegesetz geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 30. November 2010 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Martin Preineder: Ich danke der Frau Berichterstatterin.

Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist das Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 84

15.24.3013. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beam­ten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversi­cherungs-Änderungsgesetz 2010 – 2. SVÄG 2010) (937 d.B. und 959 d.B. sowie 8411/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Somit kommen wir zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf dazu Herrn Bundesminister Alois Stöger recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hensler genannt. Bitte um den Bericht.

 


15.24.56

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Gesundheitsausschus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Än­derungsgesetz 2010), liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Martin Preineder: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


15.26.07

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Prä­sidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Zur Debatte steht eine Novelle des ASVG. Wesentlich ist dabei zum einen die Gleichstellung, würde ich meinen, von Auslands- und InlandspensionistInnen bezie­hungsweise der Pensionen bezüglich der Krankenversicherungsbeiträge. In Zeiten, in denen es wirklich um jeden Cent in der Kasse geht, auch in der Krankenkasse, nicht nur in der Staatskasse, ist es mehr als angebracht, dass wir diese Gleichstellung end­lich einmal vonstatten gehen lassen. Natürlich ist es für die Betroffenen unangenehm, wenn sie auf einmal Beiträge zu zahlen haben, von denen sie vorher geglaubt haben, dass sie so nicht eingehoben werden.

Wenn Menschen Leistungen in Anspruch nehmen, und sie nehmen einfach Leistungen in unserem Gesundheitssystem in Anspruch, dann ist es ihnen, wie ich meine, auch zumutbar, dass man für diese Leistungen ein Entgelt verlangt. Dass diese Pensionsbe­zieherInnen den Pensionistinnen und Pensionisten in Österreich gleichgestellt werden, ist, glaube ich, in Zeiten, in denen man jeden Cent zweimal umdreht, auch ein Akt der Fairness.

Besonders wichtig ist mir aber auch der Punkt, wo es um die Unfallversicherung jener Menschen geht, die in Einrichtungen arbeiten, die Beschäftigungstherapie für Men­schen mit Behinderungen anbieten. Ich verstehe schon die Bedenken, die einige Kolle­ginnen und Kollegen haben, wenn es darum geht, dass man Einrichtungen vor­schreibt – auch hier wieder –, Beiträge, die man vorher so nicht bezahlt hat, zu bezah­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 85

len, wenn es dann darum geht, Beiträge von Institutionen, von Gemeinnützigen einzu­heben, obwohl wir – und jetzt sind wir in der Vorweihnachtszeit – nahezu täglich mit Schreiben konfrontiert sind, in denen um Spenden gebeten wird, um diesen Einrichtun­gen Material und Ähnliches zur Verfügung stellen zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Beitrag von 12 Cent pro Tag für eine Unfallversi­cherung dieser Menschen ist, so meine ich, doch zumutbar.

Ihr kennt die Basteleien, die Arbeiten, die diese Werkstätten oftmals in Topqualität ma­chen. Wenn man nicht wüsste, wer dahinter steht, würde man meinen, das sind künst­lerisch begabte Menschen, die mitten aus dem Leben kommen, Toparbeit machen. Und ich glaube, dass man für einen Preisaufschlag auf Produkte aus solchen Werkstätten, der die Kosten für die Unfallversicherung wieder hereinbringt, durchaus Verständnis auf­bringt.

Sehr geehrte Damen und Herren, aus diesen Gründen bitte ich Sie darum, dieser ASVG-Novelle zuzustimmen, damit jene Menschen, die nicht auf die Butterseite gefallen sind, wenn sie bei der Arbeit einen Unfall haben, auch entsprechend versichert sind. Die Zu­stimmung gilt auch den anderen Punkten. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.29


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Steinkog­ler. – Bitte.

 


15.29.53

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat es schon gesagt: Es geht bei dieser Regierungsvorlage grundsätzlich um zwei wichtige Punkte. Zum einen schaffen wir Gleichstellung von Menschen, die Grenzgänger waren, die in Österreich Pensionen beziehen und Pensionen vom Ausland beziehen. Sie be­kommen gleiche Leistungen, und es wird auch sichergestellt, dass sie gleiche Beiträge zu zahlen haben wie die in Österreich tätigen Versicherten.

Dieses Gesetz ist notwendig, damit es auch in Gesamtösterreich eine Gleichstellung gibt, damit die Krankenkassen klare Rechtsgrundlagen haben und dieses Ziel auch umgesetzt werden kann.

Der zweite Punkt ist der Zugang zu Unfallversicherungsleistungen für Menschen mit Behinderung, die in Arbeitstherapie und Beschäftigungstherapie tätig sind. Sie bekom­men dadurch einen Unfallversicherungsschutz, wodurch sich ihre Situation verbessert. Aber es verbessert sich nicht nur die Situation der Beschäftigten, sondern es wird auch die Haftungsfrage von Anbietern in diesem Bereich geklärt.

Durch diese Gesetzesvorlage gibt es mehr Rechtssicherheit, die zu einem besseren sozialen Ausgleich und zu einer besseren sozialen Lage dieser Gruppe führt. Aus die­sem Grunde stimmen wir dieser Regierungsvorlage auch zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.31


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister für Gesund­heit. – Bitte.

 


15.31.21

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Danke, Herr Präsident. – Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer! Wir haben heute wieder eine Ände­rung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes im Finale, denn: Wenn wir im Bun­desrat sind, sind wir im Finale. Hier ist wieder eine große Veränderung umgesetzt wor­den. Nachdem wir im September den Zugang aller Menschen zur Krankenversicherung


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 86

sichergestellt haben, haben wir jetzt sichergestellt, dass Menschen, die in der Beschäf­tigungstherapie arbeiten, auch einen Unfallversicherungsschutz haben.

Das ist aus meiner Sicht sehr, sehr wichtig. Ich komme aus Gallneukirchen, und dort gibt es Einrichtungen der Diakonie. Und gerade die Menschen, die dort arbeiten, brau­chen diesen Unfallversicherungsschutz. Aber nicht nur die Menschen, die dort arbei­ten, sondern auch das Diakoniewerk braucht die Rechtssicherheit, damit es, wenn die­se Menschen, die behindert sind, die besondere Betreuung brauchen, bei ihrer Tätig­keit einen Unfall erleiden, da zu keinem Schadenersatz gegenüber der Einrichtung kommt. Und das setzen wir mit diesem Gesetz auch um.

Meine Vorredner haben bereits die Auslandspensionen angesprochen. Wenn jemand in Österreich krankenversichert ist, soll er aufgrund seiner eigenen Leistungsfähigkeit wie auch ein im Inland arbeitender Mensch mitarbeiten. Wir stellen mit diesem Modell die Gleichheit wieder her, und das stärkt auch die Möglichkeit, zwischen dem In- und Ausland die Arbeit aufzunehmen.

Ein zentrales Prinzip der Sachleistungsversorgung wird mit diesem Gesetz wieder ge­stärkt, und das halte ich für ganz besonders wichtig. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.33


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen damit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist das die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.34.01 14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz geändert wird (1308/A und 962 d.B. sowie 8412/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hensler. Bitte um den Bericht.

 


15.34.17

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematik­gesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf den Antrag.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Martin Preineder: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


15.35.09

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Mit dieser Novelle des Gesundheits­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 87

telematikgesetzes soll ein etwas älteres Problem beseitigt werden. Es wird eine bun­desgesetzliche Regelung für die Übermittlung von Gesundheitsdaten per Fax ge­schaffen. Eine derartige Regelung ist aus Praktikabilitätsgründen notwendig, soll aller­dings in Zukunft keine generelle Regelung darstellen und soll auch nicht zum Regelfall werden.

Es ist eine Regelung, die nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen soll und die, wenn es in weiterer Folge zu einer großen Novellierung kommt, im neuen Gesundheits­telematikgesetz beseitigt werden soll.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass eben nicht alle Gesundheitsdienstanbieter über die entsprechenden technischen Möglichkeiten verfügen. Daher soll es durch diese Re­gelung und für diese Fälle, aber auch, wenn es zum Beispiel im Krankenhaus schnell gehen soll, wenn Daten benötigt werden, möglich sein, diese rasch zu beschaffen.

Wichtig ist uns aber auch, darauf hinzuweisen, dass in diesen Fällen zur Wahrung des Datenschutzes klare Regelungen geschaffen wurden. In diesen Fällen und vor allem vor der erstmaligen Weitergabe von Gesundheitsdaten zwischen den beteiligten Ge­sundheitsdienstanbietern ist es unbedingt notwendig, dass Datum und Ort der Kontakt­aufnahme dokumentiert werden, dass die vollständigen Namen und maßgeblichen Rol­len der an der Weitergabe beteiligten Gesundheitsdienstanbieter festgehalten werden und Angaben zur Erreichbarkeit der Gesundheitsdienstanbieter sowie die an der Kon­taktaufnahme beteiligten natürlichen Personen dokumentiert werden müssen.

Die Angaben zur Erreichbarkeit sind laufend – das ist auch wichtig für den weiteren Verlauf oder für die Erreichbarkeit überhaupt – aktuell zu halten.

Was uns aber noch wichtig ist: Bei der Weitergabe von Gesundheitsdaten, und hier vor allem in Bezug auf die Inanspruchnahme des Fax, haben auch Voraussetzungen Platz zu greifen, die sicherstellen, dass, wenn die Faxanschlüsse benutzt werden, diese vor unbefugtem Gebrauch geschützt werden, dass dieser Faxanschluss sowie die Ruf­nummern nachweislich auf ihre Aktualität geprüft werden. Hier ist es notwendig, dass immer wieder auch der aktuelle Stand vorhanden ist, denn nichts ist peinlicher, als Da­ten an eine fremde Adresse weiterzugeben.

Automatische Weiterleitungen, wie sie bei Faxgeräten eigentlich Standard sind, sind zu deaktivieren. Die Sicherheitsmechanismen müssen auf alle Fälle aktiv sein, und zum Beispiel verfügbare Fernwartungsfunktionen, die ja heute gang und gäbe sind in der neuen Technologie, dürfen nur für die Dauer der vereinbarten Fernwartung aktiv sein.

Das heißt, wir wissen, dass es eine komplizierte, sehr sensible Materie ist, und daher möchte ich nochmals ausdrücklich betonen, dass Gesundheitsdaten besonders sensib­le Daten sind und daher mit besonderer Fürsorge damit umgegangen werden muss.

Meine Fraktion wird dieser Novellierung des Gesetzes daher ihre Zustimmung ertei­len. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

15.39


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


15.40.01

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt viele Dinge in unserem Leben, die von elementa­rer Bedeutung sind. Das ist vielfältig, und die Gesundheit gehört auf alle Fälle zu die­sen Grundelementen.

Wir haben auf der einen Seite die immer größer werdende Zahl der zu Pflegenden – wenn ich nur an die Zahlen in Salzburg denke, so sind das ungefähr 5 000, die in Hei­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 88

men sind, ungefähr 3 800, die zu Hause von Diensten gepflegt werden, dazu kommen noch 14 000, die im familiären Bereich gepflegt werden –, und auf der anderen Seite haben wir die Gesunden, die gesund älter werden.

Gesundheit ist also jedenfalls untrennbar verbunden mit dem Umgang mit besonders sensiblen Daten. Es geht um die Absicherung sensibler Dokumente. Die Speicherung und Weitergabe von Gesundheitsdaten haben also eine ganz besondere Bedeutung, und man muss dieser Materie ein ganz besonderes Augenmerk schenken, denn damit trifft man einen besonders sensiblen Bereich. Jeder will die Garantie haben, dass das funktioniert, dass es vertraulich funktioniert.

Worum geht es bei diesem Gesetz? – Es geht, wie schon die Vorrednerin gesagt hat, in erster Linie um die Weitergabe durch das Fax.

Nun: Was erwartet man? Was muss sein? – Es muss technisch realisierbar sein, es muss für die Betroffenen, ob Patient oder Arzt, auch wirtschaftlich zumutbar sein, es muss umsetzbar sein, es muss schnell gehen und auf alle Fälle sicher. Das sind die wichtigen Voraussetzungen. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen – obwohl man es in der heutigen Zeit gar nicht mehr so wahrnehmen möchte –, dass es doch auch Leute gibt, die nicht über alle technischen Voraussetzungen verfügen, alle Geräte zu Hause haben. Es hat halt nicht jeder einen Computer, es hat nicht jeder ein Fax und so weiter. Das ist sehr verschieden und das kann man nicht generalisieren. Es ist daher auch die Mitwirkung der Patienten sehr wichtig, das vertrauensvolle Mittun des Einzel­nen.

Besonders wichtig ist, dass bei dieser Weitergabe von Daten nicht ein Dritter Zugang bekommt, dass Dritte sozusagen ausgeschaltet werden. Das ist das besondere Anlie­gen. Wir müssen daher auch immer im Auge behalten, dass diese Mindeststandards, die man da so hat, auch weiterentwickelt werden, dass wieder etwas Neues gemacht wird und dass man sich auch ständig fortbildet.

Ich glaube also, in diesem Fall darf Rechtsunsicherheit keine Chance und keinen Platz haben, denn diese Weitergabe von Daten ist ein äußerst sensibler Bereich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.43


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister für Ge­sundheit. – Bitte.

 


15.43.02

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Schülerinnen und Schüler, die hier zuhören! Ich denke, das Thema Daten­schutz auf der einen Seite und Umgang mit Gesundheitsdaten ist sehr sensibel. Ge­statten Sie mir, dass ich Ihnen – neben dem Gesetz, das heute zu beschließen ist und mit dem Übergangsregelungen ausgeweitet werden – auch einen Beitrag dazu liefere, wie wir in Zukunft mit Gesundheitsdaten umgehen wollen. Wir wollen so umgehen, dass Gesundheitsdaten sichergestellt werden in einem einheitlichen System, dass wir in der Lage sind, Gesundheitsdaten dazu zu verwenden, dass die Qualität der Gesundheits­versorgung verbessert werden kann.

Was brauchen wir dazu? – Denken Sie daran, was es bedeutet, wenn es uns gelingt, die vielfältigen Verschreibungen von Medikamenten einander gegenüberzustellen und zu überprüfen, welche Wechselwirkungen ein Medikament mit anderen hat. Damit das bei mehreren Verschreibern – Facharzt, Allgemeinmediziner oder auch Krankenhaus – vernetzt werden kann, braucht man elektronisch erfasste Gesundheitsdaten. Dann wird die Qualität für die Patientinnen und Patienten verbessert. Das wollen wir erreichen, und für diesen Zweck soll man auch Daten sicherstellen können.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 89

Es geht aber auch darum, dass Gesundheitsdaten nicht öffentlich zugänglich sein kön­nen, weil es sehr individuelle Daten sind. Dafür braucht es einen geeigneten Daten­schutz, und in diesem Sinne geht die Bundesregierung daran, das Gesundheitstelema­tikgesetz weiterzuentwickeln. Ein kleiner Schritt diesmal ist es, dass der Datentransfer über das Fax möglich gemacht wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.45


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist das die Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

 

15.45.35 15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 – FinStrG-Novelle 2010) (874 d.B. und 945 d.B. so­wie 8415/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuerge­setz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisations­gesetz 2010 und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert werden (Betrugsbe­kämpfungsgesetz 2010 – BBKG 2010) (875 d.B. und 946 d.B. sowie 8416/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um die Berichte.

 


15.46.11

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend einem Bundes­gesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (Fi­nanzstrafgesetz-Novelle 2010 – FinStrG-Novelle 2010)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 18. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkom­mensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenord­nung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 und das EU-Polizeikoopera­tionsgesetz geändert werden (Betrugsbekämpfungsgesetz 2010 – BBKG 2010).

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragsstellung.


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 90

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Martin Preineder: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zuvor darf ich noch den Herrn Staatssekretär im Finanzministerium, Herrn Dr. Reinhold Lopatka, begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


15.47.43

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Schü­lerinnen und Schüler aus Rohrbach, der Heimatgemeine unseres Wirtschaftsministers Mitterlehner, herzlich willkommen bei uns! Als Unternehmerin und Interessenvertreterin in der WKÖ und WKO ist es mir wichtig, einmal darauf hinzuweisen, welch hervorra­gende Leistung unsere Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich erbringen. Größte Hochachtung vor all jenen, die Unternehmen gründen, Mitarbeiter beschäftigen, Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, diese auch in schwierigen Zeiten halten und das hohe Risiko, die hohe persönliche Haftung auch ohne Fallschirm und Sicherheits­netz tragen.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass unsere Unternehmen ordnungsgemäß geführt werden, aber so wie bei den Arbeitnehmern gibt es auch bei den Selbstständi­gen einige schwarze Schafe, die solche Gesetze provozieren und auslösen. (Heiterkeit.)

Deshalb möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wir behandeln heute ein Betrugsbe­kämpfungsgesetz und kein Unternehmerkriminalisierungs- oder ein Unternehmerbe­kämpfungsgesetz, denn Ziel ist es, die ehrlichen Unternehmer zu schützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmer und Unternehmerinnen zu schaffen und zu garantieren.

Die Verschärfung der Generalunternehmerhaftung im Baubereich nun auch für die Lohnabgaben wird sicherlich dazu einen Beitrag leisten, bedeutet aber für den einzel­nen Unternehmer einen höheren Aufwand. Dasselbe gilt auch für die im § 109 Einkom­mensteuergesetz vorgesehene Meldepflicht für Zahlungen ins Ausland für bestimmte inländische Leistungen, höher als 100 000 € pro Jahr, die nicht nur bei den Unterneh­men, sondern sicherlich auch bei den Verwaltungsbehörden einen Mehraufwand er­forderlich macht. Bei Auslandsüberweisungen, die höher als 100 000 € sind und bei denen der Empfänger nicht genannt werden kann, liegt der Betrugsverdacht sehr nahe und verdient sicherlich die 25-prozentige höhere KöSt sowie die Aberkennung als Be­triebsausgabe.

Auf eine Besonderheit möchte ich noch hinweisen, die im § 30a Finanzstrafgesetz-No­velle geschaffen wurde und vor allem für KMUs wichtig ist. Als KMU ist man mit unse­ren Steuergesetzen überfordert. Wir haben auch nicht die Steuerberater, die hundert Spezialisten im Backoffice haben, daher passieren Fehler, die aber nichts mit Steuer­betrug zu tun haben. Jeder, der schon eine routinemäßige Betriebsprüfung hinter sich hat, weiß, wie zeitaufwendig das erstens ist und wie nervenaufreibend das zweitens ist, weil man dem Prüfer ja absolut nicht gewachsen ist. Man fühlt sich immer in einem kri­minellen Eck, obwohl man sich keiner Schuld bewusst ist.

Der Verkürzungszuschlag, 10 Prozent plus auf die Abgabenschuld und damit Strafbe­freiung, soll sowohl der Entkriminalisierung dienen als auch die Konzentration der Fi­


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 91

nanzstrafbehörden auf das Wesentliche, nämlich auf Fälle mit höherem delektischem In­halt, ermöglichen.

Richtig umgesetzt werden diese Gesetze wie ein Filter wirken, der den Schmutz absor­biert und gleiche Wettbewerbsbedingungen für uns Unternehmer herstellt. (Beifall bei der ÖVP.)

15.51


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


15.51.39

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in den letz­ten Jahren ziemlich viel darüber gesprochen worden, wie wir den Steuerhinterziehern zu Leibe rücken können. Ich glaube, dass mit dem vorliegenden Finanzstrafgesetz und dem Betrugsbekämpfungsgesetz in Zukunft wesentlich mehr eingegriffen werden kann und sich wesentlich mehr Möglichkeiten eröffnen, Steuerhinterzieher zu erreichen.

Ich tue mich ja mit dem Begriff „schwarzes Schaf“ ein bisschen leichter als meine Kol­legin vorher. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mayer: Die gibt es überall!) Schwarze Schafe gibt es überall, das stimmt, und genau deswegen brauchen wir auch strengere Gesetze. Es ist ja so, dass man über Steuerbetrug und über Sozialbeitrags­betrug immer so locker hinweggeht und das einfach als Kavaliersdelikt betrachtet. Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist einfach Betrug. So ist es, und es gehört auch als Betrug behandelt und bestraft. Darüber brauchen wir, wie ich meine, gar nicht zu reden.

Es ist gestern schon im Ausschuss darüber diskutiert worden, dass dieses Gesetz nicht dazu beitragen soll, dass die Kleinunternehmer die Finanzbehörden immer mehr fürch­ten, weil vielleicht die Erträge geringer sind. Bei den Klein- und Mittelbetrieben sind halt die Erträge nicht so hoch, aber ich glaube, dass da nicht jedes Mal das Finanzamt vor­beischauen wird und vorbeischauen muss.

Ich selbst habe auch schon Betriebsprüfungen hinter mir und habe sie auch alle über­standen. Ich gebe Ihnen aber recht, dass man trotzdem ein etwas mulmiges Gefühl hat, denn bei jedem Zettel, den der Finanzbeamte anschaut, fragt man sich, ob eh al­les richtig ist. Das muss man schon dazusagen. Ich glaube aber, dass es hier wirklich darum geht, dass man die Großen erwischt.

Kollege Matznetter hat im Nationalrat schon gesagt, es ist nicht der kleine Bäcker, es ist nicht der kleine Greißler, der im Steuerbetrug unterwegs ist, und zwar im großen Steuerbetrug, nicht im kleinen. Und diese Leute müssen wir erwischen, die im großen Stil Steuer hinterziehen, die als U-Boote unterwegs sind, die man überhaupt nicht kennt. Man braucht sich nur anzuschauen, wie viele Subunternehmen gegründet werden und wie viele Subunternehmen sofort wieder verschwinden, wo die Leute übrig­bleiben.

Wenn hier drinnen steht, dass auch die Arbeitnehmer zur Haftung herangezogen wer­den, dann, so denke ich, wird das nur ganz wenig der Fall sein, denn es ist immer so, dass das Subunternehmen weg ist und die Arbeiter noch dastehen, die haben drei, vier Wochen oder vielleicht sogar ein paar Monate gearbeitet, haben zumindest zu Beginn einmal ein bisschen Geld bekommen, später aber nichts mehr und haben auch nie mehr etwas vom ausständigen Lohn gesehen. Ich glaube, dass man da in Zukunft ver­stärkt eingreifen muss.

Ich denke daher, dass dies ein gutes Gesetz ist. Wir werden daher diesem Gesetzes­beschluss unsere Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.54


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 92

15.54.31

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kol­legen! Finanzstrafgesetz und Bankwesengesetz werden die Zustimmung auch unserer Fraktion finden, obwohl einige Maßnahmen aus unserer Sicht nicht weit genug gehen und einige Maßnahmen vielleicht auch über das Ziel hinausschießen. Aber – um in der Diktion der Unternehmer zu sprechen – es gibt unter dem Strich eine positive Bilanz, und die zählt für uns. Deshalb werden wir diesem Punkt auch die Zustimmung geben.

Ähnlich verhält es sich beim Betrugsbekämpfungsgesetz. Ich möchte auf Einzelheiten nicht eingehen, nachdem Frau Kollegin Dr. Winzig das sehr gut gemacht hat, sondern im Generellen dazu Stellung nehmen. Ich selbst bin bereits jahrzehntelang Unterneh­mer und weiß also, wovon ich hier spreche. Die letzten beiden Betriebsprüfungen, die ich hatte, waren relativ grob und haben damit geendet, dass auf Ersuchen des Finanz­amtes auf die Schlussbesprechung verzichtet wurde, weil kein einziges Verfahren zu eröffnen war.

Warum sage ich das? – Ich bin damit nicht eine Ausnahme, sondern das ist gang und gäbe, das ist bei der überwiegenden Mehrheit der Unternehmer in Österreich so. Da­rauf braucht man nicht stolz zu sein. Ich glaube, es gibt – das hat auch Frau Kollegin Dr. Winzig schon gemeint – nur wenige schwarze Schafe in dem Sinne, dass das nicht die ÖVP betrifft, sondern dass die überall und in allen Berufsgruppen zu finden sind. Diese schwarzen Schafe sind nicht jene, die durch Konkurrenzdruck und eine sehr, sehr hohe Abgabenquote, die wir in Österreich zweifelsohne haben, gezwungen sind, Steuervorteile legal auszunützen. Hinter die sollten wir uns stellen, denn das ist not­wendig, um konkurrenzfähig zu bleiben. Schwarze Schafe sind jene, die in betrügeri­scher Absicht Abgaben hinterziehen, die sogenannte Schattenwirtschaft. Hier beginnt etwas zu wirken, was der Wirtschaft allgemein schadet, nämlich die Wettbewerbsver­zerrung, die Schädigung der Mitbewerber.

Und nebenbei bemerkt: Nicht abgeführte Abgaben fehlen im Staatshaushalt und führen dann möglicherweise zu Sparpaketen, wie wir sie jetzt zu spüren bekommen, und zwar nicht nur auf der Ausgabenseite, sondern auch auf der Einnahmenseite. Das heißt, es werden die hohen Abgaben, die wir seitens der Wirtschaft schon zu leisten haben, noch einmal erhöht, weil andere nicht bereit sind, sie abzuliefern. Ich behaupte, dass es deshalb wichtig ist, dass es zu dieser Verschärfung kommt, denn nicht abgeführte Abgaben sind im weitesten Sinne sogar unter den Begriff Kameradschaftsdiebstahl zu sehen.

Wir glauben auch, dass wir hier nicht nur im Namen der Unselbständigen und der Pen­sionisten, die schon längst darauf drängen, dass stärker kontrolliert wird, sondern auch im Sinne der Unternehmer, der ehrlichen und korrekten Unternehmer, die den größten Teil der Arbeitsplätze in Österreich sichern, für dieses Gesetz sein sollten. Deshalb auch die Zustimmung der freiheitlichen Bundesratsfraktion. Die Freiheitlichen waren schon im­mer für die Ehrlichen und Fleißigen in diesem Lande. (Beifall bei der FPÖ.)

15.58


Präsident Martin Preineder: Nächster Redner: Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


15.58.31

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gar nicht gewusst, dass heute anlässlich des 90-jährigen Bestandes des Bundesrates so nebenbei eine FPÖ-Jubelveranstaltung stattfindet: soziale Heimatpartei, die Partei der Ehrlichen und Aufrich­tigen und ähnliches. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Kollege Krusche, schöne Grüße nach Leoben!, aber ich muss Sie schon darauf aufmerksam machen, dass die Bundesregierung niemandem etwas stiehlt, auch nicht


BundesratStenographisches Protokoll790. Sitzung / Seite 93

mit einem Sparpaket, auch nicht mit einem sehr harten Paket im Sinne der Zukunft Ös­terreichs. Ich würde mir das Wort „gestohlen“ schon verbieten. Es wird niemandem et­was gestohlen. Die Bundesregierung ist legitimiert, sie ist gewählt, sie ist vom Volk ge­wählt, und sie ist verantwortlich für die Zukunft unseres Landes. Daher darf ich diesen Ausdruck schärfstens zurückweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einleitend doch auf Folgen­des zurückkommen: Der Verlauf der heutigen Debatte mit den Beiträgen von Professor Schambeck und Professor Konecny war für mich sehr beeindruckend, umso mehr hat es mich aber dabei gestört, dass es unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht einmal der Mühe wert gefunden hat, von dieser Veranstaltung hier ein Standbild zu senden beziehungsweise aufzunehmen. Mich wundert jetzt schön langsam schon nicht mehr, was alles in diesem ORF stattfindet.

Ich fordere das Präsidium und die Präsidiale auf, einen geharnischten Protest an die Redaktion des „Hohen Hauses“ – das ist ja eine eigene Redaktion im ORF – zu verfas­sen. Und wir als Mitglieder des Bundesrates sollten auch mittels E-Mails unseren Pro­test ausdrücken. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Nicht nur meine Fraktion, sondern auch ich muss diesem Gesetz zustimmen. (Heiterkeit.) Das fällt mir nicht ganz leicht, weil ich aus bitterer Erfahrung inzwischen weiß, dass, jeden­falls aus meiner Sicht, sich die Balance bei der Betriebsprüfung zwischen Finanzminis­terium und Unternehmer, vor allem der KMUs, in Österreich schön langsam verschiebt. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe seit 1990 vier Betriebsprüfungen in meinem Be­trieb mit fünf bis acht Mitarbeitern gehabt – kein Multi, im Gegenteil. Ich bin lückenlos geprüft seit 1990 bis 2008, und ich habe trotz bester steuerberatlicher Unterstützung bei keiner einzigen Betriebsprüfung ein Null-Ergebnis erzielt.

Meine Damen und Herren, Sie müssen sich vorstellen, was es bedeutet, wenn man wochenlang oder 14 Tage einen Betriebsprüfer im Haus hat, in einem Familienbetrieb, was das für eine psychische Belastung ist. So eine Prüfung findet ja parallel zum Ge­schäftsgang statt. Die Sache ist nicht sehr lustig, das kann ich Ihnen sagen.

Es wird schon etwas dran sein!, solche Aussagen und ähnliche hört man immer wie­der. Das ist natürlich keine beabsichtigte Steuerhinterziehung, sondern es gibt einfach Bewertungsunterschiede nach fünf Jahren: Wie hoch ist der Privatanteil? Wie hoch ist der Eigenverbrauch? Wie viele Betriebs-Pkws werden mitbenützt? Diese Dinge sind aus­zudiskutieren bei diesen Prüfungen.

Die neueste Methode ist übrigens, mit sehr gescheiten Software-Programmen der Be­triebsprüfung – das geht im Wege der Barbewegungsverordnung, der auch ich zuge­stimmt habe – zu deutlichen Ergebnissen, Nachforderungen zu kommen.

Wir haben heute geredet von den schwarzen Schafen und von den richtigen Steuerhin­terziehern in dieser Republik. Diese sind sicher nicht im Bereich der KMUs zu finden. Das möchte ich hier ganz klar feststellen. Im Gegenteil: 62 Prozent der Arbeitsplätze in Österreich finden sich in den KMUs. 82 Prozent der Lehrlinge bilden wir aus. Trotz einer sehr hohen Abgabenbelastung, was Steuern und Sozialversicherung betrifft, näm­lich 27,5 Milliarden €, ist das Aufkommen mit 99 Prozent von der gewerblichen Seite her durchaus vertretbar. Daher auch meine Zustimmung zu diesem Gesetzespaket.

Ich bin auch überzeugt davon, dass ganz woanders die großen Summen in Zukunft zu lukrieren sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sagen alle!) – Ja, aber ich bin auch Be­troffener. Daher weiß ich, wovon ich spreche, Frau Kollegin!

Ich möchte nicht, dass man – und das wäre eine Bitte an dich, Herr Staatssekretär – die KMUs noch mehr prüft. Ich darf nur darauf hinweisen, dass zum Beispiel in Wien in


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der Branche, in der ich tätig bin, der Prüfungsintervall 14 bis 17 Jahre ist, während in mei­nem Bezirk alle 4 bis 5 Jahre geprüft wird. Die von der Verfassung vorgesehene Gleich­heit der österreichischen Staatsbürger müsste man auch in dieser Hinsicht gewährleisten.

Ich will mich nicht beschweren. Ich leiste meinen Obolus selbstverständlich, und wenn ich unberechtigt irgendetwas nicht abgeführt habe, dann bin ich zur Nachzahlung ver­pflichtet und mache das natürlich auch. Aber dann möchte ich haben, dass das auch alle anderen in diesem Staate tun. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.04


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Lopatka. Ich erteile es ihm.

 


16.04.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Finanzministerium steht nicht im Widerspruch zu dem, was jetzt auch Vertreter der Wirtschaft gesagt haben. Worin wir aber schon unsere Aufgabe sehen, ist, dass wir glaubwürdig den Nachweis führen können, dass wir alles tun, dass jene, die redlich ihre Steuern zahlen, nicht die Dum­men sind. Das wäre nämlich furchtbar, kämen wir in eine solche Situation, dass diese Stimmung aufkommt. Es ist selbstverständlich so, dass die ganz große Mehrheit der Unternehmer und der Unternehmerinnen ihre Steuern korrekt zahlen. Aber wir haben Bereiche, die uns nicht nur in Österreich beschäftigen, sondern die europaweit ein Pro­blem sind, wenn ich etwa an die Karussellbetrügereien denke, wo es um riesige Sum­men geht, wo es um Einnahmenverluste geht, die sehr rasch in die Millionenhöhe ge­hen, wo wir gefordert sind, etwas zu unternehmen.

Wir haben mit diesem Gesetz ein Instrument, wo wir sehr klar unterscheiden können, ob es einfach Auffassungsunterschiede gibt, wo der Unternehmer nicht sofort krimina­lisiert wird und bei einer sofortigen Zahlung kein Finanzstrafverfahren eingeleitet wer­den muss. Das sei auch hier gesagt.

Allerdings haben wir auf der anderen Seite natürlich jetzt in Zeiten, wo wir Steuern er­höhen müssen, umso mehr die Verpflichtung, alles zu tun, dass die steuerlichen Ver­pflichtungen, die schon bestehen, auch tatsächlich von uns realisiert werden. Daher haben wir uns jetzt veranlasst gesehen, dieses Betrugsbekämpfungsgesetz und diese Novelle zum Finanzstrafgesetz hier einzubringen, um ganz klar deutlichzumachen, dass wir mit großer Konsequenz gegen Steuerhinterziehung vorgehen und betrüge­rische Aktivitäten – die Betonung liegt auf „betrügerische Aktivitäten“ – nicht quasi au­genzwinkernd zur Kenntnis nehmen, sondern entsprechend dagegen vorgehen.

Ich sage es noch einmal: Wie Sie an den einzelnen Punkten hier sehen, haben wir in jenen Bereichen, wo wir aufgrund der tagtäglichen Erfahrung gemerkt haben, dass wir Handlungsbedarf haben, gehandelt. Das ist nicht immer einfach. Zum Beispiel haben wir bei Generalunternehmern im Baubereich gesehen, dass Subunternehmer für uns dann nicht greifbar waren und wir nicht zu den Steuern gekommen sind. Daher muss­ten wir hier Schritte setzen, die sicherlich jetzt teilweise dazu führen, dass Unterneh­mer, wenn sie im Auswahlverfahren ein Verschulden trifft, eine Fahrlässigkeit, dafür schon zur Kasse gebeten werden. Das darf man nicht einfach wegreden. Es kommt hier zu Verschärfungen. Wir haben auch für die wirklich großen Betrüger die Strafrah­men entsprechend hinaufgesetzt.

Zweiter Punkt: Das Gesetz ist das eine, aber man muss das Gesetz dann auch zum Leben erwecken, und dafür braucht man Personal. Wir haben in der Vergangenheit im Finanzressort massive Einsparungen vorgenommen. Im Finanz- und Zollbereich waren im Jahr 2000 noch 18 000 Mitarbeiter beschäftigt. Wir sind jetzt hinuntergegangen um ein Drittel, auf 12 000. Wir haben aber einen Bereich, wo wir wieder eine Ausweitung


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vornehmen, und zwar bei der Betrugsbekämpfung. Da geht es vom Glücksspiel be­ginnend bis hin zu neuen Formen der Kriminalität. Es ist ja unvorstellbar, was alles ge­schmuggelt wird, welche Möglichkeiten dazu das Internet bietet. Das geht also weit über das hinaus, was heute hier angesprochen worden ist, nämlich das zu massive, zu häufige und zu strenge Vorgehen gegen redliche Unternehmer.

Es gibt neue Bereiche, wo wir gut aufgestellt sein müssen, und es gibt wirklich die gro­ßen Betrügereien. Daher haben wir die Möglichkeit, in den nächsten Jahren unseren Personalstand in diesem Bereich um 300 zu erhöhen. Das ist eine große Anzahl. Wir haben das Glück, dass die Finanzverwaltung für die Menschen anscheinend ein sehr, sehr attraktiver Arbeitgeber ist, haben wir doch 100 Stellen im heurigen Jahr ausge­schrieben und dafür 8 400 Bewerbungen gehabt. Es gibt jetzt für die Kollegen und Kol­leginnen aus dem Bereich des Verteidigungsressorts die Möglichkeit, in das Finanzres­sort zu wechseln. Da haben wir den zehnfachen Andrang dessen, was wir an Möglich­keiten im Rahmen dieser Aufstockung haben, um bei uns mitarbeiten zu können.

Zusammenfassend auf den Punkt gebracht: Dieses Gesetz ist ein Beitrag, dass der ehrliche Steuerzahler das Gefühl hat, dass er tatsächlich einer ist, der seinen Verpflich­tungen nachkommt, und nicht einer ist, der zu viel zu leisten hat. Und jene, die in be­trügerischer Absicht bisher der Steuer und der Finanz entkommen sind, werden es si­cherlich aufgrund dieser gesetzlichen Maßnahmen, aber auch aufgrund der Erhöhung des Personalstandes in Zukunft schwerer haben. Ich hoffe, dass die Lücken, die vor­handen waren, mit dieser Novelle und mit diesem Gesetz geschlossen werden können, und bedanke mich für die so breite Zustimmung, die hier erfolgt. Es freut mich, dass es hier, sofern ich das richtig einschätze, allen möglich ist, diesem Gesetz zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.09


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgen getrennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. No­vember betreffend Finanzstrafgesetz-Novelle 2010.

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. November betreffend ein Betrugsbekämpfungsgesetz 2010.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist das Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.11.1117. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Ver­mögen samt Protokoll (939 d.B. und 947 d.B. sowie 8417/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Todt. Ich bitte um den


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Bericht.

 


16.11.36

Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses betreffend den Be­schluss des Nationalrates vom 18. November 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Martin Preineder: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


16.12.35

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich sind natür­lich Doppelbesteuerungsabkommen zu befürworten. In diesem Fall ist es aber nicht mög­lich, weil in diesem Fall das österreichische Bankgeheimnis weiter aufgeweicht wird.

Wenn man sich nämlich dieses Abkommen genauer anschaut, dann sieht man, dass im Artikel 27, und zwar in den Absätzen 4 und 5, der Bereich über den Informations­austausch enthalten ist. Darin ist festgelegt, dass beide Seiten selbst dann Unterlagen und Informationen weitergeben müssen, wenn von beiden Vertragsstaaten die steuerli­chen Zwecke im eigenen Lande nicht berührt sind, wobei interessant ist, dass im Ab­satz 5 explizit die Banken erwähnt werden, wohingegen in vergleichbaren Doppelbe­steuerungsabkommen anderer Länder dieser Absatz 5, der sich speziell auf die Ban­ken bezieht, nicht erwähnt ist.

Das heißt, die Banken müssen den Anweisungen der österreichischen Behörden Folge leisten und unmittelbar einen Informationsaustausch gewährleisten. Und das stellt eine eindeutige Durchlöcherung unseres Bankensystems dar. Kein Bankkunde kann sich mehr sicher sein, dass seine Daten nicht weitergegeben werden. Die Aufgabe eines Staates ist es doch bitte in erster Linie, für den Bürger Schutz zu gewährleisten – und nicht, die permanente Kontrolle auszuüben.

Das Bankgeheimnis stellt gerade in Bezug auf die österreichische Unternehmenskultur eine Tradition dar. Aus diesem Grund können wir diesem Abkommen nicht zustimmen.

Da ich neu hier bin, werde ich meine Rede heute kurz halten. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

16.14


Präsident Martin Preineder: Danke für den sympathischen Einstieg.

Es liegt hiezu keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


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Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Damit ist der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.15.0918. Punkt

Wahl von Ausschüssen

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies die Wahl von Ausschüssen.

Aufgrund der Ergebnisse der Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien ist die Wahl von Ausschüssen erforderlich geworden.

Es liegt mir der Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Mag. Gerald Klug, Monika Mühl­werth, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bun­desrates den

Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen,

Finanzausschuss,

Gesundheitsausschuss,

Gleichbehandlungsausschuss,

Landesverteidigungsausschuss,

Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft,

Ausschuss für Sportangelegenheiten,

Umweltausschuss,

Unvereinbarkeitsausschuss,

Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie sowie den

Wirtschaftsausschuss und den

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung

mit jeweils 10 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wobei jeweils 5 Mitglieder und Ersatz­mitglieder auf die Österreichische Volkspartei, 4 auf die Sozialdemokratische Partei Ös­terreichs und je 1 Mitglied und Ersatzmitglied auf die Freiheitliche Partei Österreichs ent­fallen, sowie

den Ständigen gemeinsamen Ausschuss im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsge­setzes von 1948 mit jeweils 13 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wobei jeweils 6 Mit­


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glieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 auf die SPÖ und 2 auf die FPÖ entfallen, und darüber hinaus

den EU-Ausschuss mit jeweils 14 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wobei jeweils 7 Mit­glieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 auf die SPÖ und 2 auf die FPÖ entfallen,

neu zu wählen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Die vor­her genannten Ausschüsse sind damit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung neu ge­wählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen; diese gelten damit als gewählt.

Nach der Geschäftsordnung des Ständigen gemeinsamen Ausschusses im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz von 1948 sind die Mitglieder und Ersatzmitglieder vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatz­mitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Diese Wahl ist für 17. Dezember dieses Jahres in Aussicht genommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.17.58Einlauf

 


Präsident Martin Preineder: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung eine Anfrage, und zwar 2777/J-BR, eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin wird der 17. Dezember 2010, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 15. Dezember, ab 14 Uhr, vorge­sehen.

Ich wünsche ein gutes Nachhausekommen!

Die Sitzung ist geschlossen.

16.18.47 Schluss der Sitzung: 16.19 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien