Nun zu meiner Frage: Ist dieses Modell der zwingenden gemeinsamen Obsorge demnach nicht eindeutig dem Kindeswohl widersprechend und daher abzulehnen?
Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin, ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden. Es ist so, dass es genau umgekehrt ist, dass die Zahl der Unterhaltsstreitigkeiten und Besuchsrechtsstreitigkeiten bei Gericht reduziert wird. Das haben die Ergebnisse in Deutschland eindeutig gezeigt. Ich kann Ihnen die Studie gerne zeigen.
Aber ganz unabhängig davon: Das Kindeswohl steht im Vordergrund – keine Frage. Und das Kind hat nun einmal Anspruch auf beide Elternteile. Das steht übrigens auch in dem unlängst vom Nationalrat beschlossenen Kinderschutzgesetz, oder wie man es auch immer nennen mag, nämlich die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die Kinder erfreulicherweise in Zukunft besser schützen. Auch dort steht eindeutig: Ein Kind hat Anspruch auf beide Elternteile.
Ich sage ja, wir dürfen nicht immer von diesen Extremfällen ausgehen. Es ist nicht jeder Mann gewalttätig und es ist nicht jede Beziehung so problematisch. (Bundesrätin Lugsteiner: Es geht um jedes einzelne Kind!) Es gibt Trennungen, Scheidungen, die problemlos über die Bühne gehen. Leider wird die Frage der Obsorge im Scheidungsverfahren oft instrumentalisiert, auch dann, wenn eigentlich gar nicht so ein Streit gegeben ist. Oft ist es so, der eine sagt, ich verzichte auf Unterhalt, dafür bekomme ich die Obsorge. Da wird abgetauscht, und das widerspricht meines Erachtens dem Kindeswohl.
Aber wir können uns gerne einmal gesondert darüber unterhalten, denn ich hätte dazu viel zu sagen. Und ich zeige Ihnen vor allem gerne diese Studie. (Bundesrätin Lugsteiner: Nehme ich gerne an! Danke!)
Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben im Zuge der Frage, was das Obsorgerecht betrifft, dankenswerterweise und richtigerweise auch die Verfahrensdauer angesprochen, wo dringend etwas getan werden muss. Studien aus Österreich und Deutschland zeigen, dass die Verfahrensdauer in Österreich leider immer noch doppelt so lang ist wie in Deutschland. Deutschland ist aber jetzt schon wieder dabei, ein neues Gesetz in die Wege zu leiten, was das Ganze noch reduzieren und noch effizienter machen soll.
Wir wissen auch aus der Vergangenheit, dass es aus Ihrem Ressort sehr viele Klagen über personelle Unterbesetzung gegeben hat. Daher knüpft sich daran meine Frage: Ist die personelle Unterbesetzung mit schuld daran, dass Verfahren so lange oder überlange dauern?
Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Natürlich hätte ich gerne 1 000 Richter mehr – keine Frage –, aber die Frage stellt sich zurzeit einfach nicht. Erstens haben wir letztes Jahr Personal dazubekommen, außerdem: Ich war selbst einmal Standesvertreterin bei den Richtern und muss sagen, man jammert immer, dass man zu wenig Personal hat. Das ist so.
Aber wir haben auch die Richterschaft in die Arbeitsgruppe eingebunden. Das wird eigentlich nicht als Grund gesehen, selbst von den Richtern nicht. Ich glaube, das Problem, das wir gerade in den Familienrechtsverfahren haben, ist, dass sehr viele Sachverständigengutachten angefordert werden, erstellt werden. Und das ist das Problema-
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