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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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793. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 3. Februar 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

793. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 3. Februar 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 3. Februar 2011: 9.03 – 16.47 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über den Verbraucherschutz bei Teilzeitnutzungs- und Nut­zungsvergünstigungsverträgen (Teilzeitnutzungsgesetz 2011 – TNG 2011)

2. Punkt: Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern

3. Punkt: Protokoll zur Änderung des Protokolls über die Übergangsbestimmungen, das dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemein­schaft beigefügt ist

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 und ein Pflan­zenschutzgesetz 2011 erlassen werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2010)

5. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2011 gemäß § 9 LWG 1992

6. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grüner Bericht 2010)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle 2010)

8. Punkt: Neunter Umweltkontrollbericht

9. Punkt: IV. Bericht über die Anwendung der EMAS-Verordnung und die Vollziehung des Umweltmanagementgesetzes

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behinder­teneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert wer­den

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Gottfried Kneifel ................................................ 7


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 2

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer ge­mäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Situation des Föderalismus in Öster­reich“ – Bekanntgabe .............................. 10

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ...................... 10

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer .................................................................... 10

Debatte:

Dr. Angelika Winzig ..................................................................................................... 15

Johann Kraml ............................................................................................................... 16

Hermann Brückl ........................................................................................................... 19

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 22

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer .................................................................... 25

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung:

Mag. Gerald Klug ........................................................................................................ 100

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 101

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Fragestunde (153.)

Justiz ............................................................................................................................. 27

Mag. Michael Hammer (1762/M-BR/2011); Manfred Gruber, Gerd Krusche, Dr. Jennifer Kickert

Mag. Gerald Klug (1765/M-BR/2011); Edgar Mayer, Peter Zwanziger

Cornelia Michalke (1768/M-BR/2011); Josef Saller, Werner Stadler, Dr. Jennifer Kickert

Kurt Strohmayer-Dangl (1763/M-BR/2011); Mag. Gerald Klug, Peter Mitterer

Inge Posch-Gruska (1766/M-BR/2011); Günther Köberl, Hans-Jörg Jenewein

Elisabeth Greiderer (1764/M-BR/2011); Juliane Lugsteiner, Monika Mühlwerth

Ewald Lindinger (1767/M-BR/2011); Notburga Astleitner, Hermann Brückl, Efgani Dönmez, PMM

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 43

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 43

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bun­desgesetz über den Verbraucherschutz bei Teilzeitnutzungs- und Nutzungsver­günstigungsverträgen (Teilzeitnutzungsgesetz 2011 – TNG 2011) (1028 d.B. und 1056 d.B. sowie 8445/BR d.B.)                        44

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 44


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 3

Redner/Rednerinnen:

Josef Steinkogler ......................................................................................................... 45

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 45

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 47

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ..................................................... 47

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 48

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern (935/A und 1051 d.B. sowie 8443/BR d.B.) ............................ 48

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 48

Redner/Rednerinnen:

Inge Posch-Gruska ...................................................................................................... 48

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 51

Edgar Mayer .................................................................................................................. 52

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 54

Manfred Gruber ............................................................................................................ 57

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................... 59

Johanna Köberl ............................................................................................................ 60

Notburga Astleitner ..................................................................................................... 61

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ..................................................................... 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ........................................................... 64

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Pro­tokoll zur Änderung des Protokolls über die Übergangsbestimmungen, das dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Eu­ropäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomge­meinschaft beigefügt ist (995 d.B. und 1053 d.B. sowie 8444/BR d.B.) ........................ 64

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 64

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 64

Mag. Gerald Klug .......................................................................................................... 66

Edgar Mayer .................................................................................................................. 67

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ..................................................................... 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 2 B-VG in Verbindung mit Artikel 50 Abs. 4 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................................................................................ 70

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 und ein Pflanzenschutz­gesetz 2011 erlassen werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2010) (896 d.B. und 1034 d.B. sowie 8442/BR d.B. und 8451/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 70

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 70

Redner/Rednerinnen:

Friedrich Hensler .......................................................................................................... 70

Juliane Lugsteiner ........................................................................................................ 71


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 4

Peter Zwanziger ........................................................................................................... 72

Walter Temmel .............................................................................................................. 73

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 74

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..................................................... 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 77

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2011 gemäß § 9 LWG 1992 (III-414-BR/2010 d.B. sowie 8452/BR d.B.) .............................. 77

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................... 77

6. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirt­schaft (Grüner Bericht 2010) (III-415-BR/2010 d.B. sowie 8453/BR d.B.) ......................................................................... 77

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................... 77

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .................................................................................................................... 78

Georg Keuschnigg ....................................................................................................... 80

Klaus Konrad .........................................................................................................  83, 97

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 84

Martin Preineder ........................................................................................................... 87

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 89

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 91

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..................................................... 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-414-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 98

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, den Bericht III-415-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 98

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novel­le 2010) (1005 d.B. und 1039 d.B. sowie 8446/BR d.B.) ................................................................................................................. 98

Berichterstatter: Klaus Konrad ..................................................................................... 98

Redner/Rednerinnen:

Peter Mitterer ................................................................................................................ 99

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................. 101

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 103

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 104

Johann Schweigkofler ............................................................................................... 105

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 109

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Neunter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-408-BR/2010 d.B. sowie 8447/BR d.B.) .................................... 109

Berichterstatter: Karl Boden ....................................................................................... 109


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 5

9. Punkt: IV. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Um-
welt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-Verordnung und
die Vollziehung des Umweltmanagementgesetzes (III-411-BR/2010 d.B. sowie 8448/BR d.B.)                  109

Berichterstatter: Karl Boden ....................................................................................... 109

Redner/Rednerinnen:

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 110

Michael Lampel ........................................................................................................... 110

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 112

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, den Bericht III-408-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, den Bericht III-411-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 117

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Be­hinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden (938 d.B. und 1047 d.B. sowie 8449/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 117

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ........................................................................ 117

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (1048 d.B. sowie 8441/BR d.B. und 8450/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 117

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ........................................................................ 117

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 118

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 119

Dr. Jennifer Kickert .................................................................................................... 121

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................... 121

Ana Blatnik .................................................................................................................. 122

Notburga Astleitner ................................................................................................... 124

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................... 125

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 126

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 127

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 127

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Infrastrukturprojekte in der Stadtgemeinde Korneuburg (2794/J-BR/2011)


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 6

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kol­legen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend den Fall Cain K., fehlende Aktivitäten der Aufsichtsbehörde bei der Diskussion um die Invaliditätspension des mutmaßlichen Täters (2795/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Errichtung eines Schubhaftzentrums in Vordernberg und Abschiebepraxis von Minderjährigen und Jugendlichen (2796/J-BR/2011)

Manfred Gruber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend die absolut unverständliche Nichtverfolgung einer mutmaßlich schweren Straf­tat und die damit verbundene Verhöhnung des schwer geschädigten Opfers (2797/J-BR/2011)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Walter Temmel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pinkatal-Bus (2569/AB-BR/2011 zu 2777/J-BR/2010)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundes­räte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Druck der türkischen Botschaft auf die Wirtschaftskammer (2570/AB-BR/2011 zu 2781/J-BR/2010)


 


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 7

09.03.29Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Sehr geschätzte Damen und Herren, ich eröffne die 793. Sitzung des Bundesrates und begrüße dazu herzlich die anwesende Frau Staats­sekretärin Mag. Verena Remler und Herrn Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer. (All­gemeiner Beifall.)

Weiters darf ich begrüßen: die aus Oberösterreich stammende Bundesratspräsiden­tin a. D. Barbara Pühringer und Bundesrat a. D. Franz Eduard Kühnel. (Allgemeiner Bei­fall.)

Ich begrüße alle Gäste, Besucher und Interessenten aus den Bundesländern, insbe­sondere aus Oberösterreich, die zur heutigen Bundesratssitzung angereist sind, und auch die vielen Medienvertreter, die hoffentlich positiv über unsere heutige Sitzung be­richten werden. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 792. Sitzung des Bundesrates vom 23. Dezember 2010 sind aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Wolfgang Beer, Monika Kemperle, Franz Perhab und Stefan Schennach.

09.05.18Antrittsansprache des Präsidenten

 


9.05.40

Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist ein guter Brauch in diesem Haus, zu Beginn einer neuen Vorsitzperiode eine Antrittsrede an die Mitglieder des Hauses zu richten. Bevor ich dies tue, möchte ich jedoch ein herzliches Dankeschön all jenen sagen, die am gestrigen Oberösterreich-Abend in der Säulenhalle mitgewirkt haben. Ich meine, das war wieder ein eindrucksvolles Signal für den Zusammenhalt zwischen den Bundesländern und dem Bund, ein klares Bekennt­nis zu einem Miteinander der Bundesländer und des Bundes, gemeinsam die Proble­me anzugehen und Kraft zu schöpfen aus solch einer Begegnung, aus solch einem Fest – Fest heißt ja auch Stärkung –, um die wahrlich nicht geringen Probleme unseres Staates besser lösen zu können.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe heute vor, als neuer Präsident des Bundesrates auch das Selbstverständnis des Bundesrates und unsere Arbeits­weise für die Zukunft näher zu betrachten. Ich glaube, dass der Bundesrat als verlän­gerter Arm der Bundesländer in der Bundesgesetzgebung nicht mehr nur darauf war­ten muss, bis entsprechende Gesetzesbeschlüsse vom Nationalrat weitergereicht wer­den, sondern dass der Bundesrat selbst auch die Initiative ergreifen soll. Er soll nicht nur darauf warten, was ihm auf dem Präsentierteller serviert wird, sondern selbst auch Initiativen ergreifen.

Ich glaube, dass wir unsere Arbeit in den nächsten Monaten unter das Thema „Neue Impulse für Österreich“ stellen können und auch zu einem neuen Selbstverständnis der Länderkammer kommen sollten.

Sehr geschätzte Damen und Herren, ich glaube, dass die Zeit reif für Reformen ist, dass der Reformstau in unserem Lande relativ groß ist und dass wir in Zukunft von einer Einspruchskammer zu einer Zuspruchskammer kommen sollten – ich würde das vielleicht sogar noch erweitern und sagen: zu einer Ermutigungskammer, um die Pro­bleme unseres Landes in Zukunft besser mitgestalten zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ein umfassendes Veranstaltungs­programm, auch ein inhaltliches Programm für die nächsten Monate in Vorbereitung.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 8

Wir beginnen gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz mit einem Auslandsbesuch in der nächsten Woche beim deutschen Bundesrat in Düssel­dorf und Berlin.

Die Veranstaltungsserie setzt sich fort am 17. und 18. Februar mit einem Drei-Länder-Treffen zwischen Österreich, Tschechien und der Bundesrepublik Deutschland. Dabei geht es darum, dass wir professioneller und besser werden im Prozess der europäi­schen Mitgestaltung, der europäischen Rechtssetzung, wie wir als verlängerter Arm der Länder auch in den europäischen Gestaltungsprozess eingreifen und daran mitwirken können.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns da besser vernetzen, dass wir die neuen Aufga­ben, die seit dem Lissabon-Vertrag auf diese Kammer zugekommen sind, noch besser bewältigen. Das ist ein Lernprozess. Wir unterziehen uns dieser Aufgabe, und wir wer­den unsere ersten Erfahrungen austauschen. Ich lade zur Teilnahme herzlich ein.

Wir werden auch, um beim Thema Europa zu bleiben, eine Europakonferenz des Bun­desrates durchführen, und zwar am 9. Mai – das ist der europaweite Europatag – im Landhaus in Linz. Dabei wird es darum gehen, dass wir uns österreichintern mit den Bundesländern abstimmen – wir sind ja auch Werkzeug und verlängerter Arm der Bundesländer. Es wird darum gehen, wie wir uns besser vernetzen, wie wir uns besser synchronisieren im europäischen Rechtssetzungsprozess, damit wir in Zukunft die Auf­gaben der österreichischen Regionen im europäischen Rechtssetzungsprozess besser wahrnehmen können.

Weiters ist es mir ein großes Anliegen, die EU-Donauraumstrategie sichtbar zu ma­chen. Die EU-Donauraumstrategie, die ja vom österreichischen EU-Kommissar Gio Hahn ins Leben gerufen wurde, darf nicht Papier bleiben, muss sichtbar gemacht wer­den. Es muss die Möglichkeit bestehen, sich in diesen Prozess einzuklinken. Ich habe vor, dazu im Hause – gemeinsam mit der Präsidentin des Nationalrates – eine Donau-Konferenz für den 24. Mai dieses Jahres einzuberufen, bei der wir gemeinsam mit der Interessengemeinschaft der österreichischen Donauhäfen die Donauwasserstraße sicht­bar, erlebbar machen und für die umweltfreundliche Wasserstraße quer durch Europa werben und Lobbying betreiben wollen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, als ich mir vor wenigen Wochen die Liste der unerledigten Gegenstände angesehen habe, habe ich bemerkt, dass an oberster Stelle der Bericht des Österreich-Konvents steht. Es muss nachdenklich stimmen, dass seit fünf Jahren dieser Bericht liegt, ohne entsprechend behandelt zu werden. Ich glau­be, dass nicht alles Unsinn und vergeblich war, was im Rahmen des Österreich-Kon­vents von vielen Experten, Wissenschaftern, Mitgliedern der Sozialpartner, Landtags­präsidenten, hochrangigen Verfassungsexperten symbolischerweise genau in diesem Saale hier eineinhalb Jahre lang beraten, in Untergruppen diskutiert, in Zwischenbe­richten aufbereitet und in einem Schlussbericht zusammengefasst wurde. All das kann doch nicht Unsinn gewesen sein!

Mir geht es, ehrlich gesagt, auf den Wecker, dass diesbezüglich nichts weitergeht! Ich meine, wir müssen von der Länderseite her diesen Bericht oder zumindest die Be­richtsstücke, die noch Aktualität haben, hier in Verhandlung nehmen und entsprechen­de Empfehlungen und Entschließungen mit Dringlichkeit an die Bundesregierung wei­terleiten. Ich bitte Sie dabei um Ihre Mitarbeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht auch um ein neues Selbstver­ständnis dieses Hauses. Ich möchte es pointiert so formulieren: Wir brauchen frischen Wind in der Länderkammer und dürfen uns nicht darauf beschränken, die Windstille zu verwalten.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 9

Ich glaube, dass zum Selbstverständnis eines Mandatars in diesem Hause auch gehört, Selbständige Anträge zu stellen. Die Geschäftsordnung sieht dieses Recht vor, wir brau­chen die Geschäftsordnung gar nicht zu ändern.

Gestern wurde ein Seminar für neu eingetretene Bundesräte abgehalten, und im Rah­men dieser Veranstaltung haben Herr Mag. Neuhauser und die Frau Bundesratsdirek­torin den Weg der Gesetzwerdung dargestellt. Und der Bundesrat als Länderkammer hat die Möglichkeit, Gesetzesanträge zu stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben das ja im vergangenen Jahr prak­tiziert, als wir den Lissabon-Vertrag mit unserer Bundesverfassung verzahnt haben. Ich war und bin stolz darauf, dass das gelungen ist, dass wir mitgearbeitet haben. Und was ist daraus geworden? – Die größte Verfassungsreform der Zweiten Republik. Nie hat es einen stärkeren Eingriff und stärkere Mitwirkungsrechte im europäischen Prozess und in der Bundesgesetzgebung bei uns gegeben. Das ist doch etwas, das soll uns ermutigen und bestärken, diesen Weg fortzusetzen! Da waren wir erfolgreich, der Na­tionalrat hat unseren Antrag vollinhaltlich übernommen. Das wäre doch ein Weg, den wir in anderen Materien auch beschreiten könnten, wenn es um Themen geht, die sich an der Schnittstelle zwischen den Bundesländern und dem Bund ergeben und von de­nen viele auf dem Tisch liegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte noch einige andere Aktivitäten aufzählen, aber ich möchte mich heute auf die wesentlichen Punkte beschränken.

Neues Selbstverständnis für die Länderkammer heißt für mich, Themen zu behandeln, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Wir werden doch selbst alle immer damit konfrontiert bei unseren Sprechtagen, bei Versammlungen, bei unseren Begegnungen mit den Menschen, bei verschiedenen Anlässen. Und die Menschen machen keinen Unterschied. Ob das ein Mandatar der Länderkammer, ein Bundesrat, ist, ob das ein Abgeordneter zum Nationalrat ist, ob das ein Landtagsabgeordneter ist, ob das ein Mit­glied des Europäischen Parlaments ist, die Leute sagen: Schaut, dass etwas weiter­geht, dass etwas bewegt wird! Und das ist, glaube ich, unser Auftrag, und da dürfen wir als Länderkammer uns von diesem Prozess nicht ausnehmen.

Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, den Nutzen unserer par­lamentarischen Arbeit jederzeit auch öffentlich darzustellen, heißt auch, unsere Arbeit kritischen Prüfungen zu unterziehen. Die Leute fragen: Was habe ich davon, dass es den Bundesrat gibt, da muss ja auch ein Nutzen für mich persönlich herausschauen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, alle Möglichkeiten der Geschäftsordnung auszuschöpfen, um die Regie­rung auch zum Handeln zu bewegen. Wir sind die Legislative, wir sind Bestandteil der Gesetzgebung.

Neues Selbstverständnis des Bundesrates heißt für mich, zu beweisen, dass die Län­der weder Reformverweigerer noch Reformblockierer sind! Das ist ein wichtiger An­satz – wir werden den Beweis dafür antreten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, ideenreich und engagiert für einen intelligenten Föderalismus einzu­treten und mit kreativen Lösungen die Menschen im raschen gesellschaftlichen Wandel zu begleiten. Das Umfeld ändert sich, die Welt verändert sich, und wir müssen schau­en, dass sich auch die Strukturen des Staates, die Bedingungen, das demokratische Umfeld verändern, damit wir die Menschen in diesem Wandel begleiten.

Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, nicht zu warten, bis der Na­tionalrat Gesetzesbeschlüsse an die Länderkammer weiterreicht, die wir dann im Bun­desrat beeinspruchen oder nicht. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, dass der


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 10

Bundesrat, wie schon erwähnt, von der Einspruchskammer zu einer Zuspruchskammer und in weiterer Folge zu einer Ermutigungskammer wird.

Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, auch eigene Gesetzesan­träge zu stellen.

Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, frischen Wind in die Länder­kammer zu bringen.

Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, eine starke Stimme der Re­gionen Österreichs zu sein. Der Wettbewerb spielt sich nicht mehr unter den National­staaten in Europa ab, auch nicht mehr unter den einzelnen Bundesländern, sondern die Regionen sind davon betroffen. Deshalb sollten wir eine starke Stimme der Regio­nen Österreichs sein.

Neues Selbstverständnis für den Bundesrat heißt für mich, Österreich und die Bundes­länder im internationalen Wettbewerb nach vorne zu bringen, damit wir in diesem Wett­bewerb bestehen können.

Darum, meine sehr geschätzten Damen und Herren, soll es in den nächsten Monaten gehen. Die Menschen rufen nach Reformen. Mandat heißt Auftrag. Nehmen wir diesen Auftrag an und gehen wir mit Mut und Kraft an die Arbeit, zum Wohle unserer Bundes­länder und zum Wohle der Republik Österreich! (Allgemeiner Beifall.)

9.20

Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich gebe bekannt, dass der Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Situation des Föde­ralismus in Österreich“ abgeben zu wollen.

Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann das Wort erteile, gebe ich darüber hinaus be­kannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an diese Erklä­rung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, wer­de ich diesem Verlangen entsprechen.

Ich erteile nunmehr Herrn Landeshauptmann Dr. Pühringer das Wort.

09.21.51Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zum Thema
„Situation des Föderalismus in Österreich“

 


9.21.53

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates Gottfried Kneifel! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Vorweg darf ich dir, lieber Herr Präsident, zu deiner Übernahme der Präsidentschaft des Bundesrates sehr herzlich gratulieren und darf dir für die bevorstehenden Monate deiner Amtsführung alles erdenklich Gute und viel Erfolg wünschen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Föderalismus ist zurzeit in Diskurs geraten, aller­dings nicht immer in der Form, wie wir uns das wünschen. Der Föderalismus steht mo­mentan immer wieder am Pranger und wird von manchen sogar als Synonym für Re­formblockade, Reformverweigerung und Strukturkonservativismus verwendet.

Zu Unrecht, wie ich gleich einleitend sagen möchte, denn – hier schließe ich mich dem Präsidenten des Bundesrates wortgleich an – die Länder sind keine Verweigerer oder


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 11

Blockierer, wenn es um dringend notwendige Reformen geht. Ganz im Gegenteil, auch die Länder haben großes Interesse an einer Modernisierung der bundesstaatlichen Ord­nung. Auch wir wollen einen leistungsfähigen und bürgernahen Bundesstaat.

Unser Ziel muss es sein, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Län­dern zu stärken, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie eine zweckmäßige und effiziente Aufgabenteilung aller Gebietskörperschaften neu zu erstel­len.

Ich möchte daher an dieser Stelle keine Ursachenforschung darüber anstellen, durch wen oder wie dieses verzerrte Bild in den letzten Monaten entstanden ist. Ich möchte nach vorne schauen und Ihnen einige Überlegungen darlegen, was einen modernen Föderalismus im 21. Jahrhundert ausmacht.

Hier müssen wir drei Dinge klar herausarbeiten: Was ist Föderalismus? Was kann Fö­deralismus? Und drittens: Was können Länder und Gemeinden zu einem gesamtstaat­lichen Reformprozess beitragen?

Was ist Föderalismus? – Die Schieflage in der öffentlichen Diskussion der letzten Mo­nate, in der sich manche sogar dazu verstiegen haben, die Länder als Bedrohung für die Regierbarkeit der Republik zu bezeichnen, macht es notwendig, nochmals deutlich und klar festzuhalten: Föderalismus ist nicht mehr und nicht weniger als die Organi­sation der Demokratie in unserem Land.

Die Organisation legt die Beziehung zwischen Bürger und Staat fest und damit im Grunde unser soziales Zusammenleben in Gerechtigkeit und Freiheit. Die Länder sind eigenständige Mitglieder eines kooperativen Bundesstaates. Sie sind keine untergeord­neten Organe des Bundes, sie haben aber auch eine Verantwortung für das Staats­ganze.

Recht und Pflicht liegen auf der Seite der Länder genauso wie auf der Seite jeder Ge­bietskörperschaft. Sie tragen eine gesamtstaatliche Verpflichtung und müssen dieser auch gerecht werden. Die Länder müssen ihre Existenz vor der Bevölkerung legiti­mieren, sie müssen insbesondere die Effizienz ihrer Tätigkeit nachweisen. Sie müssen das, was sie tun und bewirken, vor dem Wähler in einer nachvollziehbaren und trans­parenten Weise rechtfertigen.

Bund und Länder haben sich dabei auf Augenhöhe, aber auch mit Augenmaß zu be­gegnen. Zum notwendigen Augenmaß ein Wort des Kölner Staatsrechtlers Klaus Stern – ich zitiere wörtlich –:

Bundesstaat und Föderalismus sind ... die Verkörperung des permanenten Kompro­misses. Eine vollendete, alle Beteiligten zufriedenstellende Föderativverfassung wird es nicht geben; erreichbar ist nur die relativ beste. – Zitatende.

Daher müssen wir stets fragen, was sich in der bundesstaatlichen Ordnung verbessern lässt. Wir müssen dabei beherzigen, dass die föderale Ordnung keine leblose Maschi­ne ist, sondern aus Zusammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen, Solidarität und gegensei­tigen Zugeständnissen erwächst. Reformen sind eine dauerhafte Aufgabe, weil sie dem lebendigen Miteinander gelten. Sie sind im Endausbau weniger Gesetzestechnik, son­dern vielmehr gelebte politische Kultur. Das möchte ich unterstreichen.

Natürlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, und hier möchte ich nochmals un­terstreichen, was Herr Präsident Gottfried Kneifel bereits gesagt hat, gibt es einen Re­formstau, und es gibt vor allem ein Bedürfnis der Bevölkerung, dass Reformen jetzt an­gegangen werden. Wer dies leugnet, ist entweder blind und taub oder er ist nicht drau­ßen bei den Menschen. Und als Mitglied des Österreich-Konvents begrüße ich es, dass Herr Präsident Kneifel angeregt hat, die Ergebnisse doch in Beratung zu ziehen.

Da wird nicht alles 1 : 1 umsetzbar sein – da waren viele theoretische Ansätze dabei –, aber da wird manches realisierbar sein, was in diesen dicken Papieren steht. Meine sehr


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geehrten Damen und Herren! Egal ob auf der Basis der Reformvorschläge des Öster­reich-Konvents oder auf Basis vieler anderer Papiere, die zum Thema Reformen ge­schrieben wurden, das Entscheidende ist, dass wir sie angehen. Auf das Tun, auf das Handeln kommt es jetzt an, wenn die Politik nicht an Glaubwürdigkeit bei den Men­schen einbüßen will.

Was kann der Föderalismus, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Erstens, der Föderalismus garantiert Bürgernähe, und ich habe das ganz bewusst als erste Antwort gereiht. Der Föderalismus garantiert Bürgernähe. Bürgernähe ist keine Erfindung unse­rer Zeit. Im Wort „Bürger“ schwingen zweieinhalb Jahrtausende europäischer Ge­schichte mit. Bürger ist, wer mit gleichen Rechten und Pflichten am politischen Leben im Gemeinwesen teilnimmt. Bürger sind keine Untertanen, sondern Freie und Gleiche. Die Gemeinschaft der Bürger bildet den Staat, um ihre Freiheit zu wahren und um Ge­rechtigkeit zu üben.

Der Staat ist Mittel und Ausdruck demokratischer Selbstbestimmung seiner Bürger und ihrer Werte und Ideale. – So haben wir es als Studenten an der Linzer Universität bei Professor Schambeck einst gelernt. Darum ist ein bürgerferner demokratischer Staat ein Widerspruch in sich. Er wäre eine Katastrophe.

Nichts ist für eine Demokratie wichtiger als Bürgernähe und Bürger, die sich in die ei­genen Angelegenheiten einmischen. Föderale Strukturen sind hier nachweislich das at­traktivste Angebot, denn die stärkste Identifikation der Bürger geschieht auf der unters­ten Ebene, in den Gemeinden. Das bestätigt jede politikwissenschaftliche Studie und je­de Umfrage. An zweiter Stelle rangieren dabei bereits die Länder.

Damit Föderalismus für den Zusammenhang stehen kann, braucht es aber auch Poli­tiker und Politikerinnen, die diesen Föderalismus leben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Lösung von Problemen ist oft jene Lösung die beste, die am bürgernähesten angesiedelt ist, wie ich mich überhaupt zu ei­nem Staat bekenne, der nach dem Prinzip der Subsidiarität geordnet ist.

Wir sollten wieder einmal die Frage stellen: Was kann dieser Staat an Zuständigkeiten in die Nähe der Bürger bringen? – Er kann die Gemeinden stärken, ihre Kompetenzen stärken, er kann überlegen, was von der Bundesebene auf die Landesebene verlagert werden kann, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, 1995 hat es in dieser Re­publik die größte Veränderung der Zuständigkeiten gegeben. Der Bund hat die fast ausschließliche Vertretung der Republik in den europäischen Gremien in die Zustän­digkeit dazubekommen, und seit dieser Zeit gibt es eine Schieflage in der Kompetenz­lage zulasten der Länder und auch zulasten der Gemeinden.

Die zweite Stärke eines funktionierenden Bundesstaates sehe ich eben in der Verwirk­lichung des Subsidiaritätsprinzips, und ich sehe diese Stärke gerade für die schwä­cheren Regionen. Es gibt viele Beispiele dafür, dass sich auf der Ebene der kleineren Einheit die Probleme deutlich besser lösen lassen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nen­nen, denn auf der ganzen Welt leben rund 50 Prozent der Bevölkerung in Bundesstaa­ten. Folgendes Beispiel:

Der Regierungschef einer Region musste bei seinem Amtsantritt feststellen, dass er von seinen Vorgängern ein veraltetes Bildungssystem übernommen hat. Im nationalen Vergleich ist seine Region Letzter bei den Bildungsausgaben, die Schulabsolventen schneiden bei Tests im nationalen Vergleich schlechter ab – ich meine nicht Öster­reich. Die Lehrer sind schlecht bezahlt, es gibt nicht einmal eine Lehramtsprüfung und keine ordentliche Ausbildung für die Lehrerinnen und Lehrer.

Der Regierungschef entschließt sich, das Steuer herumzureißen: Er bringt ein umfang­reiches Bildungsprogramm durch das regionale Parlament. Dieses Programm sorgt für


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die flächendeckende Versorgung mit höherer Bildung, für mehr Geld für Bildung und Lehrer. Die Lehrer müssen sich Lehramtsprüfungen unterziehen, die Kindergartenge­bühren werden abgeschafft und die Begabtenförderung wird eingeführt – und das alles auf Landesebene.

Einige Jahre später wird die Ernte eingefahren: Die Schüler schneiden überdurch­schnittlich gut bei nationalen Bildungsvergleichen ab. Sogar Großunternehmer beginnen sich für diesen Standort zu interessieren, weil sie jetzt gute Mitarbeiter bekommen kön­nen.

Diese Geschichte, ich sage es noch einmal, stammt nicht aus Österreich, denn unsere Lehrer sind gut ausgebildet, ich möchte das deutlich unterstreichen, sie stammt aus dem US-Bundesstaat Arkansas, und der Gouverneur, der diese Wende schaffte, war der spätere US-Präsident Bill Clinton. Ich habe wörtlich aus einem Buch zitiert.

Natürlich sind die USA und Österreich schwer zu vergleichen. Worum es geht, ist das Prinzip. Subsidiarität gibt gerade schwächeren Regionen mehr Möglichkeiten in die Hand, ihre eigenen Aufholprozesse durchzuführen. In Mitteleuropa sind Bayern und Baden-Württemberg sehr anschauliche Beispiele dafür: Beide schafften den Aufstieg von strukturschwachen Agrarregionen zu starken Wirtschaftsräumen erst, als sie be­wusst föderativ aufgebaut waren.

Diese Beispiele zeigen, dass Föderalismus nie ein Wettbewerb der Stärkeren gegen die Schwächeren ist, sondern ein Wettbewerb um die besseren Ideen, in dem die Schwächeren die Chance haben, stärker zu werden – womit ich bei Vorteil Nummer drei bin.

Föderalismus ist ein dynamisches System und fördert den Wettbewerb und die Inno­vationen. Dieser Innovationswettbewerb ist effizienzfördernd im doppelten Sinn: Er treibt die Länder vorwärts, sich tatsächlich anzustrengen, um neue und bessere Lösungen für Herausforderungen zu suchen und hiebei in den Wettbewerb mit anderen zu treten.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Gisela Färber hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass föderale Staaten den zentral organisierten bei Innovationsanreizen schon vom Prinzip her überlegen sind. In der Praxis heißt das, wir brauchen nicht alles neun Mal – ganz sicher nicht! –, aber es schadet auch in vielen Bereichen der Wettbewerb unter­einander nicht. Gute Lösungen können Vorbild für andere sein und nützen damit letzt­lich allen.

Daher: Ja zu mehr Wettbewerb!, wobei klar sein muss, dass ein Mehr an Wettbewerb nicht ein Weniger an Solidarität zwischen den Bundesländern bedeuten darf.

Stärke Nummer vier ist die kostenminimierende Wirkung bei der Erbringung öffentlicher Leistungen. Wenn öffentliche Leistungen nicht einheitlich auf zentraler Ebene be­stimmt, sondern auf die entsprechenden unteren Ebenen verlagert werden, werden Leistungen aufgrund des Maßgeschneidert-Seins oft kostengünstiger und unter besse­ren und effizienteren Bedingungen erbracht. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass laut internationalen Studien dezentral organisierte Staaten geringere Steuerquoten ha­ben und von ihren Bürgern verlangen als zentralistisch geführte Staaten.

Stärke Nummer fünf: Kostengünstigere Lösungen sind nicht schlechtere, sondern in al­ler Regel bessere Lösungen, weil flexibel, insbesondere im Krisenfall. Wir erleben das immer wieder, bei Naturkatastrophen oder auch jetzt beim dramatischen Einbruch durch die Finanz- und Wirtschaftskrise: Im Zusammenwirken zwischen Bund und Län­dern konnten flexible Lösungen rasch verabschiedet werden. Ich denke gerade an das Bundesland Oberösterreich, das von der Krise besonders betroffen war: Innerhalb kürzester Zeit haben wir Haftungsmodelle, Konjunkturprogramme und Bildungsmaß­


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nahmen für die betroffenen Arbeitnehmer über die Bühne gebracht, weil wir in einer bundesstaatlichen Ordnung eben den entsprechenden Freiraum gehabt haben, um rasch und effizient zu handeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all diese Beweise machen klar: Es macht auch im 21. Jahrhundert Sinn, dass man einen Staat nach dem föderalen Prinzip aufbaut. Die Vorteile überwiegen ganz eindeutig. – Und ich sage nochmals, uns Ländern ist ge­rade jetzt in dieser schwierigen Zeit, wo zu Recht der Ruf nach Reformen laut ist, be­wusst, dass wir unseren Beitrag zum Staatsganzen zu erbringen haben.

Föderale Zuständigkeit ist nie ein Selbstzweck, sie ist vielmehr Teil einer gesellschaft­lichen Selbstorganisation und hat für die Gesellschaft da zu sein. Klar ist, dass es viele Aufgaben gibt, die man nur zentral organisieren kann. Kein normaler Mensch wird Lan­desverteidigung, wird Währung, wird Außenpolitik, wird die Grundzüge eines Bildungs­systems neun Mal in Österreich organisieren wollen. Klar ist aber auf der anderen Sei­te auch, dass es große Aufgaben und Gebiete gibt, wo eine föderale Ordnung der Poli­tik die wohl deutlich sinnvollere ist, auch aus all den Gründen, die ich ausgeführt habe. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte daher nochmals betonen, dass die Länder bereit sind zu handeln, und als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz sage ich das hier noch einmal in aller Deut­lichkeit: Ich biete dem Bund bei den ausstehenden und anstehenden Reformen die enge Zusammenarbeit seitens der Bundesländer an.

Ich hoffe in diesem Zusammenhang, dass wir uns bald – in den nächsten Wochen – auf einen vernünftigen Stabilitätspakt in der Republik einigen können. Die Länder sind bei der Verteilung der neuen Steuererträge mit berücksichtigt worden. Das ist anzuerken­nen, und daher wollen wir auch unseren Beitrag beim Stabilitätspakt leisten. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen zu einer vernünftigen Einigung kommen.

Ebenso ganz dringlich sehe ich die Frage der Pflegefinanzierung. Hier warten die Ge­meinden jeden Tag auf eine Lösung. Ich verstehe den Finanzminister, dass er die Fra­ge der Pflegefinanzierung an den Stabilitätspakt gekoppelt hat, und ich hoffe, dass wir hier zu einer vernünftigen Lösung kommen.

Mir ist das auch persönlich sehr wichtig, meine Damen und Herren, denn bei der Pfle­ge geht es um ein Thema, das morgen jeden von uns betreffen kann. Es muss für den Fall, dass man ein Pflegefall wird oder dass man in der Familie einen Pflegefall hat, klargestellt sein, dass niemand diese Situation aus Gründen der Finanzierbarkeit fürch­ten muss. Es muss klar sein: Es gibt Sicherheit. Wenn ein Pflegefall eintritt, dann ist Pflege in hoher Qualität gesichert, und dann ist auch die Pflegefinanzierung gesichert. Das sind wir den Bürgern schuldig. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es geht darum, ein Leben in guter Lebensqualität zu organi­sieren, so gut das die Politik kann. Aber es geht nicht nur darum, hohe Lebensqualität und ein hohes Alter zu ermöglichen, sondern es geht auch darum, dass in ganz heiklen Situationen wie der Pflegebedürftigkeit die Würde des Menschen bis zur letzten Stunde erhalten bleibt. Daher ist dieses Thema der Pflegefinanzierung ein so wichtiges Thema.

Ich sage aus aktuellem Anlass auch noch dazu: Bei der Diskussion über die Schule be­ziehungsweise – besser gesagt – über die Schulverwaltung haben die Länder nie ver­treten, dass man neun verschiedene Schulsysteme in Österreich realisieren soll. So ein Unsinn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre keinem Ländervertreter über die Lippen gekommen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Unser Vorschlag war ganz klar: All das, was einheitlich notwendig ist – wie Bildungs­ziele, Lehrpläne, Schultypen, Schulzeit, Schulgesetzgebung –, in die Verantwortung des


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Bundes zu geben, und alles, was Organisation und Personalmanagement betrifft, auf der unteren Ebene, nämlich bei den Ländern anzusiedeln, damit die nötige Flexibilität gegeben ist. Offensichtlich ist diesbezüglich derzeit der große Wurf aus verschiedenen Gründen politisch nicht möglich, daher werde ich versuchen, dieses Thema in den nächsten Wochen in kleineren Portionen anzugehen. Vielleicht sind sie dann verträgli­cher!

Zum Abschluss ein letztes Wort: An die Adresse der Länder wird von Leuten, die noch nie in einem Gemeinderat, Bundesrat, Landtag oder Nationalrat gesessen sind, immer wieder gesagt: In unserem System muss der Bund die Gelder auftreiben, und die Län­der und Gemeinden geben sie aus. – Auch das ist ein riesengroßer Unsinn! Es gibt nämlich in dieser Republik, meine Damen und Herren, kein Bundes‑, kein Landes‑ und kein Gemeindegeld, sondern es gibt nur das hart verdiente Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, das wir sinnvoll ausgeben müssen. Dieses kommt beim Finanzaus­gleich in einen Topf, und ob das Geld dann im Länder‑, im Bundes‑ oder im Gemeinde­topf landet, kann dem Bürger vollkommen egal sein, es müssen nur seine Anliegen und Aufgaben bestmöglich erfüllt werden. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ so­wie des Bundesrates Dönmez.)

Meine Damen und Herren, es ist unrichtig, wenn an die Adresse von Landespolitikern – und als solche bezeichne ich auch die Mitglieder des Bundesrates in der Länderkam­mer – immer wieder der Vorwurf gerichtet wird: Wir im Bund müssen den Kopf hinhal­ten! Im Hinblick darauf frage ich, meine Damen und Herren: Wer ist denn draußen bei den Menschen? – Die Gemeinderäte, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Abgeordneten zum Nationalrat, die Mitglieder des Bundesrates und vor allem die Land­tagsabgeordneten sind draußen in den Gemeinden. Diese müssen, wenn in Wien oder in Brüssel etwas beschlossen wird, in erster Linie den Kopf hinhalten und nicht die Leu­te in Brüssel oder in den Zentralregierungen. Das ist gar nicht anders möglich! Ein fö­deraler Aufbau ist nämlich auch dazu da, dass die Volksvertreter bei den Menschen sind. Die Watschen für Entscheidungen und den Unmut der Bevölkerung holen wir uns draußen ab und nicht die Vertreter der Zentralstellen. Das muss auch in aller Klarheit gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen Reformen, wir brauchen die Weiterent­wicklung des föderalen Bundesstaates, aber im Zentrum all unserer Überlegungen müs­sen immer die Fragen stehen: Was brauchen die Bürgerinnen und Bürger? Was dient den Menschen, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, in unseren Gemeinden drau­ßen, ob in den Städten oder im ländlichen Raum? – Das muss die Richtschnur unseres Handelns heute und auch morgen sein!

Wir haben große Aufgaben, wir haben dringende Aufgaben, und ich begrüße, dass Herr Präsident Kneifel vom neuen Selbstverständnis auch der Länderkammer gespro­chen hat. Und als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz bitte ich Sie: Gehen wir in der nächsten Zeit einiges an, denn Arbeit und Aufgaben haben wir viele! (Allgemei­ner Beifall.)

9.45


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke dem Herrn Vorsitzenden der Landeshauptleu­tekonferenz Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


9.45.59

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Landeshauptmann, du hast soeben aus­


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führlich die Vorteile föderaler Strukturen dargestellt. Gerade in unserer globalisierten Welt ist Föderalismus kein Luxus, sondern Garant für die Entwicklung unserer Regio­nen. Menschen haben ein natürliches Grundbedürfnis nach Stabilität und Sicherheit, und das kann nun einmal besser in kleineren Einheiten gewährleistet werden. Es be­steht, wie du erwähnt hast, sicherlich kein Widerspruch zwischen Föderalismus, Refor­men und Weiterentwicklung. Ganz im Gegenteil! Man braucht nämlich Wurzeln, damit die Flügel wachsen können.

Während sich Österreich bereits 1919 für den Föderalismus entschieden hat, wurde diese Idee von der Wirtschaft erst später übernommen. Erst in den achtziger Jahren er­kannte man, dass kleine, eigenverantwortliche Teams effizienter sind als zentralistisch geführte Organisationen. Hier kommt natürlich der monetäre Vorteil auch schneller zum Ausdruck. Was man allerdings von der Wirtschaft lernen konnte, ist, dass Wettbe­werb der Motor für Innovation und Entwicklung ist. Vergleiche mit und Lernen von an­deren Bundesländern führen zu einer Win-win-Situation für uns alle. Das senkt die Kosten und erweitert unseren Handlungsspielraum.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, du hast in deiner bescheidenen Art als positives Beispiel für Subsidiarität Bayern und Baden-Württemberg hervorgehoben. Ich erlaube mir, eine Ergänzung dazu anzubringen: Du hast eindeutig Oberösterreich vergessen! Oberösterreich hat eine einzigartige Entwicklung vom agrarisch klein strukturierten Bundesland zum Wirtschaftsbundesland Nummer eins mit hohem Sozial- und hohem Ausbildungsstandard aufzuweisen. Dein Ziel war es, das Land der rauchenden Schlote zum Land der rauchenden Köpfe zu entwickeln. Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung sind wichtige Schwerpunkte in unserem Land.

Obwohl wir als Export- und Industrie-Bundesland Nummer eins am stärksten von der Krise betroffen waren, haben wir dank arbeits- und konjunkturpolitischer Maßnahmen des Landes diese Zeit gut überstanden und lagen 2010 an zweiter Stelle bei der Ar­beitslosenquote mit 4,7 Prozent hinter dem Land Salzburg. Effiziente Verwaltung auf Landes- und Bezirksebene zeigt, dass Oberösterreich sicherlich kein Reformverweige­rer ist.

Ein kurzes Beispiel aus der Wirtschaft: Wir haben in den letzten Jahren die Abwick­lungszeit der Gewerbeverfahren halbiert. Diese beträgt jetzt durchschnittlich 22 Tage. Somit sind wir ein sehr attraktiver Wirtschaftsstandort.

Reformen in Angriff zu nehmen, das ist in Oberösterreich selbstverständlich und sichert auch unsere Lebensqualität in der Zukunft. Darum bin ich nach acht Jahren im Ausland in das für mich zum Arbeiten und Leben schönste Bundesland zurückgekehrt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

9.49


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile ihm dieses.

 


9.49.40

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Wir haben gestern die Übernahme der Präsidentschaft im Bundes­rat und den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz hier in diesem Haus gefeiert.

Ich habe mir bei der Vorbereitung meiner Rede angeschaut, wie viele Präsidenten es überhaupt schon gegeben hat und bei wie vielen Präsidenten ich bereits dabei war.

Es ist dies heute die 37. Präsidentschaft. Gottfried Kneifel ist der 37. Präsident, den ich jetzt erlebe! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Da war ich immer dabei! Jawohl! Das macht einfach das Alter! (Bundesrat Preineder: Das sieht man eh!) – Danke.


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Nun aber Spaß beiseite: Das ist auch der Grund, warum es wenig Kontinuität gibt. Der Präsident hat heute gesagt, dass der Bundesrat sehr viel vorhat. Dann ist aber klar: Wenn man nur ein halbes Jahr die Präsidentschaft innehat, dann kann das nicht funk­tionieren. Ich sage ganz offen und ehrlich: Das ist für all das, was beim Bundesrat an­steht, einfach zu kurz! Ich glaube daher, dass die Präsidentschaft auch einmal anders geregelt werden müsste.

Wir haben heute gehört, dass auf der einen Seite die Räume immer größer werden und alles schwieriger wird, dass aber auf der anderen Seite bei der Bevölkerung das Bedürfnis vorherrscht, so nahe wie nur möglich am Geschehen zu sein. Das heißt, die Bürger wollen mitbekommen, wie die Entscheidungen fallen. Allerdings fallen jetzt sehr viele Entscheidungen in Brüssel, und bis sie dann in den Ländern oder in den Staaten umgesetzt werden, vergehen Monate, wenn nicht Jahre, und letztendlich weiß der Bür­ger draußen nicht mehr recht, warum alles so vor sich gegangen ist.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Föderalismus ist für mich ein Grundpfeiler des Staates, unverzichtbar für die Existenz von Gemeinden, Ländern und Bund. Und so wie in allen Bereichen im öffentlichen Leben verhält es sich auch beim Föderalismus: Man muss nachdenken, wie man ihn der neuen Zeit anpassen kann. Wir haben heute schon gehört, dass der Föderalismus über 90 Jahre alt ist, und da sind, wie ich glaube, Modernisierung und Optimierung dringend erforderlich. Mir ist bewusst, dass das keine leichte Aufgabe ist. Das tägliche politische Geschehen führt uns immer wieder vor Au­gen, dass all das nicht so einfach ist.

Wir haben das bei der heute schon angesprochenen Schuldebatte live mitbekommen. Wenn der Föderalismus auf die Frage heruntergebrochen wird, wer über die Lehre­rinnen und Lehrer bestimmen kann, dann wird da sicherlich das falsche Zeichen ge­setzt. Das wird uns auch nicht weiterbringen, denn wir tragen diesen politischen Streit auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler aus. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bun­desräten der ÖVP.)

Der Föderalismus bringt auch eine Kostenfrage mit sich. Zusätzliche Aufgaben, für wel­che Ebene auch immer, erfordern auch zusätzliche Finanzmittel. Wenn der Bund Auf­gaben an die Länder abgibt, dann hat er auch das notwendige Geld dafür bereitzu­stellen, und das Gleiche gilt für die Länder. Auch die Länder müssen, wenn sie Aufga­ben an die Gemeinden weitergeben, entsprechende Finanzmittel dazu geben.

In den letzten Jahren war das nicht immer der Fall, und daher schauen die Finanzen unserer Gemeinden so aus, wie sie ausschauen. Der Haushalt kann einfach nicht mehr ausgeglichen werden, weil die Pflege so teuer geworden ist und die Krankenanstalten so viel kosten. Der entsprechende Ausgleich ist einfach nicht da. Wenn immer wieder Krokodilstränen geweint werden, dass die Gemeinden finanziell so schlecht dastehen, dann sage ich: Das ist der Grund dafür! – Freilich wird es Gemeinden geben, die ein wenig auf großem Fuß gelebt und mehr ausgegeben haben, als sie eingenommen ha­ben, weil sie halt irgendwelche Luxustempel gebaut haben. Solche gibt es sicherlich! Aber diese meine ich jetzt nicht.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Hinblick auf die Lage ist gegenseitiger Respekt notwendig. Das hat der Herr Landeshauptmann ge­sagt. Und es freut mich auch, dass der Herr Landeshauptmann gesagt hat: Wir sind keine Blockierer. Wir sind keine Verweigerer! – Das waren die Oberösterreicher noch nie. Die Oberösterreicher sind harte Verhandler, und das muss so sein, sonst erreichen wir beim Bund sowieso nichts. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Das stimmt ja! Das haben wir beim Westring gesehen, nicht wahr? Die oberösterreichische Präsidentschaft hat sehr gut begonnen mit der Zustimmung zum Bau des Westringes. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)


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Ich weiß schon: Das ist ein reines Oberösterreich-Thema! Es war dies ein Erfolg des Verhandlungsteams. Das war ein Erfolg für das Land Oberösterreich und ein Erfolg für die Stadt Linz. Es war dies ein Erfolg ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich kann den Lan­deshauptmann nicht immer loben. Das geht ja nicht! (Zwischenruf des Bundesrates Steinkogler.)

Jetzt habe ich den Faden verloren. Vielleicht finde ich ihn wieder. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Danke. (Bundesrat Mag. Himmer: Die Präsidentschaft hat gestern Abend eindrucksvoll begonnen!) Ich bin aber nicht so lange geblieben! Ich kann mir heute schon noch etwas merken! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ich finde es positiv, dass wir keine Reformver­weigerer sind. Das Wort „Reformverweigerer“ gefällt mir überhaupt nicht. Sie haben auch angesprochen, dass wir wichtige Themen zu lösen haben, und das sind keine kleinen Themen. Da ist einmal die Neuverhandlung des Stabilitätspaktes zwischen den Län­dern und Gemeinden. Dieser regelt, in welchem Maße sich Länder und Gemeinden neu verschulden dürfen. Zusätzlich verschärft wird die Situation dadurch, dass die EU jetzt verlangt, dass auch die ausgelagerten Schulden der landeseigenen Spitäler einzurech­nen sind, quasi nach dem Motto: Alle Schulden auf den Tisch! Und dann werden die Einsparziele beziehungsweise die Neuverschuldungsgrenzen festgelegt.

Der zweite große Brocken ist, wie gesagt, die Schaffung einer nachhaltigen Pflegefi­nanzierung. Dabei geht es vor allem um die Gemeinden, die mit immer höheren Kosten in diesem Bereich konfrontiert sind. Es sind auch die jährlich steigenden Kosten für die Krankenanstalten und die Pflegekosten, die viele Gemeinden den Haushalt nicht mehr ausgleichen lassen. Ich habe das schon erwähnt.

Ich habe eingangs gesagt, dass ich schon eine Reihe von Antrittsreden von Präsiden­ten und Präsidentinnen des Bundesrates gehört habe. Fast alle haben Vorschläge für eine Reform des Bundesrates gemacht. Auf Ebene der Geschäftsordnung ist bereits – das haben wir heute auch schon gehört – einiges verbessert worden. Die ganz große Reform ist bisher aber ausgeblieben. Und ich bin nicht ganz der Meinung des Präsi­denten, dass wir hier alles anstreben sollen und alles tun können und tun müssen. Ich glaube, dass einmal eine Grundlage für den Bundesrat geschaffen werden muss, und auf dieser Grundlage können wir dann echt arbeiten. Ich glaube, es ist für den Bundes­rat insgesamt besser, wenn er auf etwas verweisen kann und nicht sagt: Wir tun halt etwas, damit man draußen etwas vom Bundesrat hört!

Wenn wirklich etwas geschieht und die Grundlagen passen, dann wird nicht immer wie­der in den Zeitungen stehen: Der Bundesrat ist ein zahnloser Tiger. Dann werden wir nicht immer wieder hören: Der Bundesrat gehört insgesamt abgeschafft! Ich bin 1993 in den Bundesrat gekommen. Ein halbes Jahr später hat es geheißen: Der Bundesrat gehört abgeschafft! Damals bin ich furchtbar erschrocken! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ich habe damals ja nicht gewusst, dass all das nicht so ernst gemeint ist! 18 Jah-
re später stehe ich jetzt noch immer da! (Bundesrat Gruber: Totgesagte leben länger!) Vor ein paar Wochen sollte er wieder einmal abgeschafft werden, aber es gibt ihn noch immer. Wir müssen ihn also wirklich endlich einmal reformieren!

Lieber Präsident Kneifel, so wie bei der letzten Präsidentschaft bist du sehr ambitio­niert! Ich habe diese Woche in einer Zeitung einen Artikel mit der Überschrift gelesen: Oberösterreich will nicht nur zahlen, sondern auch mitbestimmen! – Na klar! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Die Leute werden sich denken: Wenn ich schon zahle, dann muss ich dazu auch etwas sagen können! Und dann kommen Forderungen wie: Bundesbe­hörden nicht nur nach Wien! – Da frage ich: Wohin denn sonst? (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wohin zwischen Neusiedlersee und Bodensee? (Zwischenruf des Bundesrates Todt.)


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Ich weiß schon: Oberösterreich ist dazwischen! Stimmt schon! Ich glaube aber, dass es besser ist, wir lassen die Bundesbehörden dort, wo sie sind. Dann haben wir we­sentlich weniger Kopfweh, als wenn wir sie in ganz Österreich aufteilen!

Der Herr Landeshauptmann hat heute davon gesprochen, dass es in ganz Österreich überhaupt keine Blockierer gibt. – Da habe mir gedacht: Er hat wohl nur an acht Bun­desländer gedacht. Denn die letzte Präsidentschaft hat ja ein bisschen anders ausge­schaut! (Bundesrätin Zwazl: Na hallo! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Deshalb musste der Herr Landeshauptmann ja dokumentieren, dass wir in Oberösterreich keine Blockierer und Verhinderer sind. (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) – Du hörst ihn halt nicht! (Bundesrat Todt: Man muss den Föderalismus-Ansatz einmal verste­hen! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, später dann!

Zum Schluss kommend: Oberösterreich ist wirtschaftlich sehr gut aufgestellt, und ich bin sehr stolz auf dieses mein Heimatbundesland. Wir zahlen sehr viel in die Sozial­töpfe ein und tragen damit zur Aufrechterhaltung des Sozialsystems in Österreich bei. Daher haben wir auch ein entsprechendes Gewicht bei den künftigen Verhandlungen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, noch einmal zurück zum Bundesrat: Treiben wir die Reformen voran, trachten wir danach, dass aus dem Bundesrat eine Länderkammer wird, die als echte Länderkammer gesehen wird. In diesem Sinne – ein „Glück auf!“ dem Bundesrat! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.00


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Brückl. Ich erteile es ihm.

 


10.00.56

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Ihnen, Herr Präsident, auch namens meiner Fraktion vor­weg alles Gute wünschen für die Vorsitzführung im Bundesrat, und Ihnen, Herr Lan­deshauptmann, wünsche ich ebenfalls in meinem und im Namen meiner Fraktion alles Gute für die Vorsitzführung in der Landeshauptleutekonferenz. Ich darf Ihnen vorweg auch schon ein bisschen Rosen streuen, denn es zeugt von einer gewissen Wertschät­zung, die Sie diesem Gremium entgegenbringen, dass Sie heute von Ihrem Rederecht Gebrauch machen. Das war in der Vergangenheit nicht immer so; Ihr Vorgänger hat diese Möglichkeit nicht genutzt. Ich denke, das ist auch eine Möglichkeit, jemandem Wertschätzung entgegenzubringen. Sie haben diese Möglichkeit genutzt, und dafür dan­ke ich Ihnen. (Beifall bei FPÖ, Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Herr Präsident, Herr Landeshauptmann, Sie beide haben sehr ausführlich über Refor­men gesprochen! In Pressemeldungen war unter anderem zu lesen, 2011 werde das Jahr der Reformen. Initiativen zur Umsetzung der Ergebnisse des Österreich-Konvents, Bundesbehörden nicht nur in Wien – das hat Kollege Kraml schon angesprochen –, das waren einige Schlagzeilen, die man lesen konnte. Ich schließe mich dem an, das sind die richtigen Ansätze.

Herr Landeshauptmann, Sie haben selbst gesagt, das Bedürfnis der Bevölkerung nach Reformen sei da. – Ich darf Ihnen sagen, allein mir fehlt der Glaube, dass Sie das tat­sächlich so umsetzen werden, gerade in Oberösterreich. Ich darf in diesem Zusam­menhang auch ein paar Beispiele nennen.

Wir Freiheitlichen haben in jüngster Vergangenheit Reformvorschläge eingebracht, die zumeist von Ihrem Klubobmann im Landtag, von Herrn Mag. Stelzer, abgetan wurden mit den Worten, darüber müsse man noch ein bisschen reden, das sei nicht ausgereift, da fehle das Gesamtkonzept. So auch in der Frage der Wohnbeihilfe. Der zuständige Landesrat, Herr Dr. Haimbuchner, hat bereits vor geraumer Zeit ersucht, die Wohnbei­


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hilfe, die es in Oberösterreich auch für EU- und EWR-Bürger gibt und die erst im Jahr 2003 eingeführt wurde, wieder zu streichen. Dies mit der Begründung, dass das eine Maßnahme wäre, die jährlich in etwa 8 Millionen € bringen würde. – Ein guter Vor­schlag, wie ich denke, aus verschiedenen Gründen.

Wenn Zuwanderer, die zumeist aus dem außereuropäischen Raum zu uns kommen, weil sie sich hier wirtschaftlich verbessern wollen – das ist ihr legitimes Recht –, einen Beitrag leisten zu einer starken Volkswirtschaft, dann, denke ich, ist das auch begrü­ßenswert, dann sind sie gern gesehene Gäste, aber wenn sie zu uns zuwandern und danach feststellen, dass sie sich das Leben hier bei uns nicht leisten können, dann, Herr Landeshauptmann, kann es nicht so sein, dass die Allgemeinheit, dass die Öffent­lichkeit für deren Auskommen zu sorgen hat. (Beifall bei der FPÖ.) – Im Übrigen ist das bestehende Gesetzeslage in Bundesländern wie Kärnten oder Niederösterreich zum Bei­spiel.

Ein anderes Beispiel: Der Präsident der Industriellenvereinigung in Oberösterreich, Herr Dipl.-Ing. Pöttinger – ich würde ihn Ihrem Einflussbereich beziehungsweise Ihrem Na­hebereich zuordnen; ich weiß es nicht genau, aber ich könnte mir das so vorstellen – hat mehrere Vorschläge im Zuge der Verwaltungsreform in Oberösterreich einge­bracht. Zugegeben, es waren sicherlich Vorschläge dabei, die sehr radikale Einschnitte im öffentlichen Zusammenleben bedeutet hätten, aber anstatt diese Vorschläge aufzu­nehmen, Herr Landeshauptmann, anstatt diese Vorschläge zu diskutieren und darauf einzugehen – da nehme ich auch Sie in die Verantwortung –, werden jene Personen, werden jene Fraktionen und Institutionen, die Vorschläge einbringen, einfach ignoriert und deren Ideen als nicht verfolgenswert bezeichnet.

Noch ein Beispiel: Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, Herr Dr. Alois Jung, hat vor Kurzem in einer Aussendung ersucht, aus Gründen der Kostenersparnis und vor allem auch aus Gründen der Sicherheit Kleingerichte und Kleinstgerichte zu schlie­ßen – wahrscheinlich ein Vorschlag, der aus der Not heraus geboren wurde, weil im Justizbereich schlichtweg das Geld fehlt und man eben die Sicherheit nicht mehr ge­währleisten kann. Ich frage mich, geschätzter Herr Landeshauptmann, warum Sie die­ses Thema nicht aufnehmen, sondern es zurückweisen und sagen, tätig werden müsse der Bund und nicht das Land Oberösterreich oder Sie als Landeshauptmann. (Landes­hauptmann Dr. Pühringer: Weil es so im Gesetz steht!) – Natürlich steht es so im Ge­setz. Es mag schon sein, dass es diese Zuständigkeiten gibt, aber wenn wir Vorschlä­ge haben, wenn es Ideen gibt, dann kann jeder von uns initiativ werden. Ich denke schon, dass Sie es sich zu leicht machen, wenn Sie sagen: Ich bin nicht zuständig!

Das ist zu wenig! Wenn Reformen schon an der Aufteilung der Kompetenzen schei­tern, wer wofür zuständig ist, dann wird es nie zu Reformen kommen. Auch das möch­te ich betonen. (Bundesrat Mayer: Eine Schließung ist noch keine Reform, Herr Kolle­ge!) Der Wunsch kommt von der Justiz, die sagt: Bitte sperrt uns zu! Das ist ein aufge­legter Elfmeter. (Bundesrat Mayer: ... ja nicht, der Herr Landeshauptmann!) Nein, das wissen wir, das habe ich gestern von einem Journalisten gehört. (Zwischenruf der Bun­desrätin Michalke.) Der Herr Landeshauptmann ist sehr froh, dass es niemanden in der Partei gibt, der etwas zusperren will.

Es geht auch nicht ums Zusperren – darauf komme ich noch zu sprechen –, sondern es geht darum, dass wir Reformen machen. Reformen – das bedeutet: Einsparungen ma­chen, modernisieren, sich an die Gegebenheiten der modernen Zeit anpassen. Es ist nicht alles mit Einsparen oder mit Zusperren verbunden. Da stehe ich voll auf Ihrer Sei­te, aber wenn man schon solch eine Möglichkeit hat, dann sollte man sie nutzen. Jeder von uns ist gefordert, in seinem Bereich Vorschläge einzubringen und in seinem Be­reich initiativ zu werden. Das ist etwas, das ich von Ihnen einfordere, Herr Landes­hauptmann, nämlich dass Sie sich nicht zurücklehnen und sagen: Ich bin nicht zustän­


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dig!, sondern dass Sie auch initiativ werden – im Zusammenspiel mit dem Justizminis­terium, mit der Frau Justizminister!

Sehr geehrte Damen und Herren! Föderalismus – jetzt geht es mir wie Kollegen Kraml, ich habe kurz den Faden verloren – steht nicht nur für die Aufteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern (Zwischenruf des Bundesrates Kainz), Födera­lismus steht auch für das Miteinander und auch für eine gegenseitige Akzeptanz, für ei­nen wechselseitigen Umgang miteinander.

Herr Landeshauptmann, aufgrund dieser Beispiele, die ich jetzt aufgezählt habe, sehe ich Sie nicht direkt als Reformverweigerer, aber ich muss sagen, Sie verschließen sich vor der einen oder anderen Möglichkeit dazu, was ich nicht verstehen kann. Sie haben selbst gesagt, der Föderalismus ist nicht schuld, schuld muss also jemand anderer sein.

Ich darf aus der Tageszeitung „Die Presse“ zitieren – und damit lenke ich den Fokus weg von Ihnen in Richtung Bundesregierung:

„Es ist keine Reformkoalition, die da am Werk ist, sondern eine, in der die Partner dem jeweils anderen jeden Erfolg missgönnen.“

„Das Tief in den Umfragen, in denen sich SPÖ und ÖVP (...)“ befinden, „ist zu einem guten Teil auf fehlenden Reformwillen zurückzuführen.“

Herr Landeshauptmann, es lässt sich der Schluss ziehen, dass Sie als führende Per­sönlichkeit innerhalb der ÖVP die Reformen zwar ankündigen, sie dann aber tatsäch­lich nicht umsetzen. Ich höre die Worte wohl, allein mir fehlt noch der Glaube, aber ich hoffe doch, dass es dazu kommen wird, dass Sie in Ihrem Bereich entsprechende Maß­nahmen setzen werden. Es darf in diesem Zusammenhang keine Denkverbote geben – ganz wurscht, worum es geht, egal, von wem die Vorschläge kommen! Auch die Vor­schläge des Präsidenten der Industriellenvereinigung, des Herrn Pöttinger, muss man oder sollte man ernst nehmen, wenn sie auch zum Teil als zu radikal erscheinen oder zum Teil wahrscheinlich nicht umsetzbar sind.

Abschließend, Herr Landeshauptmann, ersuche ich Sie als führende Persönlichkeit in­nerhalb der ÖVP – auch weil es mir eine Herzensangelegenheit ist –, sich für die Bei­behaltung der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich einzusetzen. Ich weiß, das ist jetzt nicht unbedingt ein Thema, das direkt mit dem Föderalismus zusammenhängt, aber Sie haben die Möglichkeit als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und vor al­lem als führender Kopf in der ÖVP, hier entsprechend einzuwirken.

Die Wehrpflicht sehe ich als Ausdruck des Selbstbehauptungswillens der Menschen in diesem Land, ich sehe die Wehrpflicht als einen wichtigen Beitrag für die Bewusst­seinsbildung im Sinne der Landesverteidigung, und sie ist auch ein wichtiger Aspekt für junge Menschen. (Bundesrat Mag. Klug: Selbstbehauptungswille?) Mit einer Berufsar­mee, die auch im Raum steht, Herr Landeshauptmann, geht die Identifikation der Staats­bürger mit dem Bundesheer, mit der Landesverteidigung auf jeden Fall verloren. Auch wenn es heute utopisch zu sein scheint, aber die Möglichkeit zur Selbständigmachung einer Armee besteht, die Bildung des Staates im Staat. Ich bitte Sie, sich entsprechend einzusetzen: Reformen im Bundesheer ja, aber die Wehrpflicht muss bleiben! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Landeshauptmann, ich danke Ihnen noch einmal dafür, dass Sie die Möglichkeit, hier in der Länderkammer das Wort zu ergreifen, wahrgenommen und uns dadurch Ih­re Wertschätzung gezeigt haben. Ich ersuche Sie jetzt aber auch, Ihren Worten Taten folgen zu lassen! (Beifall bei der FPÖ.)

10.11


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kersch­baum. Ich erteile es ihr.

 



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10.11.29

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Brückl, wenn man ein Thema – anscheinend das einzige Thema der FPÖ – auf alle Ebenen herunterbricht, dann hat das nichts mit Föderalis­mus zu tun, sondern lediglich mit Populismus. (Bundesrat Brückl: Welches Thema war das denn jetzt?)

Vergabe von Wohnungen an Nicht-EU-Bürger – dazu gibt es eine EU-Richtlinie, die besagt, dass derjenige, der fünf Jahre lang in diesem Land wohnt und hier ansässig ist, so zu behandeln ist, als würde er hier eingeboren sein. Das heißt, es steht ihm zu. Das braucht man nicht auf Landesebene abzuspielen. Gemeindeebene, Landesebene, Bun­desebene – es gibt einfach Themen, die gehören nicht auf diese Ebenen; Menschen­rechte zum Beispiel gehören zu diesen Themen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Zurück zum Föderalismus! Der Föderalismus ist ein Organisationsprinzip – der Herr Landeshauptmann hat es schon kurz erläutert, ich habe es ein bisschen ausführlicher erläutert gefunden –, „bei dem die einzelnen Glieder über eine gewisse Eigenständig­keit verfügen, aber zu einer übergreifenden Gesamtheit zusammengeschlossen sind“.

Die Definition des Wortes Organisation finde ich in dem Zusammenhang noch interes­santer. „Eine Organisation ist eine soziale Struktur, die aus dem planmäßigen und ziel­orientierten Zusammenwirken von Menschen entsteht und sich zur Umwelt abgrenzt.“

Wenn ich mir jetzt die Organisationsstruktur des österreichischen Föderalismus an­schaue, dann muss ich sagen, es fehlen großteils die Planmäßigkeit und die Zielorien­tiertheit. Sie haben schon erwähnt – ich habe mich auch gefreut, das zu hören –, dass Sie der Meinung sind, dass nicht jedes Thema auch ein Thema des Föderalismus ist und dass man nicht alles auf Landesebene regeln kann, will und soll. Ich habe einfach den Eindruck, dass die Struktur absolut fehlt.

Ein kleines Beispiel dazu etwa aus dem Bereich Umweltschutz: Seit mittlerweile sechs Jahren, wie ich glaube, diskutiert die Landesumweltreferentenkonferenz über ein Kli­maschutzgesetz. An oberster Stelle sitzt der Minister, der zu verantworten hat, dann kom­men andere Minister, die eigentlich auch damit zu tun, aber es nicht zu verantwor­ten haben und sich auch nicht rechtfertigen müssen, und an letzter Stelle sitzen dann noch die Länder, die im Bereich Wohnbau, Verkehr et cetera sehr viel mit dem Klima­schutz zu tun haben und sehr viel einwirken, die aber überhaupt keine Verantwortung übernehmen müssen. Wenn Klimaschutzziele nicht erreicht werden, dann betrifft das in erster Linie den Minister, er muss dafür den Kopf hinhalten.

Dass seit nunmehr sechs Jahren darüber diskutiert wird, wie man das regeln kann, dass diejenigen, die verursachen, und diejenigen, die die Gesetze beschließen, die die Regelungen erfinden, gleichermaßen zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Maßnahmen nicht beziehungsweise nicht ausreichend greifen, und man noch immer zu keinem Ende gefunden hat, das, denke ich, ist leider ein Armutszeugnis für die Art und Weise, wie wir unseren Föderalismus leben.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass es oft verwirrende Zuständigkeiten gibt, ist der öffent­liche Verkehr. Die Diskussionen betreffend die Bahn finden hier bei uns, aber natürlich auch sehr viel in der Öffentlichkeit statt. Wenn man sich als Bürgerin/als Bürger dieses Landes mehr öffentlichen Verkehr wünscht, dann kann man sich an die ÖBB wenden. Die ÖBB sagen: Wer zahlt, schafft an; wir bekommen nicht mehr Geld, wir können euch also nicht mehr zur Verfügung stellen! Man kann sich an die Länder wenden, die ja eigentlich für den Regionalverkehr zuständig sind. Die Länder sagen dann: Na ja, wir haben die Zuständigkeit erhalten, aber der Bund gibt uns kein Geld dafür. Man kann sich dann an den Bund wenden, und der sagt: Na ja, gesetzlich sind die Länder zu­ständig.


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Ich kann mich erinnern, es gab einmal eine Mineralölsteuererhöhung, bei der sogar de­finitiv festgelegt worden war, dass der Anteil der Erhöhung, der den Ländern zugu­tekommt, für den öffentlichen Verkehr einzusetzen ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Aber die Struktur ist das, was fehlt. Meiner Meinung nach sollte ein Finanzausgleich so strukturiert sein, dass eindeutig zuordenbar ist, wofür die Länder welches Geld be­kommen und was sie damit umzusetzen haben. Diese klaren Strukturen und Rege­lungen fehlen mir, und ich denke, es wäre ein wichtiges Anliegen, dass man das in den nächsten Jahren zumindest in Angriff nimmt; derzeit wird leider nur sehr viel darum he­rumgeredet.

Ein weiteres Problem, das der Föderalismus manchmal aufwirft: Wenn man eine Lan­desstraße baut, dann zahlt das Land, wenn man eine Autobahn baut, dann zahlt der Bund. Wenn man ein Gymnasium errichtet, dann zahlt der Bund, wenn man eine Haupt­schule baut, dann zahlt das Land. – Das heißt, manche Entscheidungen werden des­halb gefällt, weil dann eine andere Ebene die Finanzierung zu tragen hat. Letztendlich führt das nicht nur zu sehr vielen Verwirrungen, sondern auch zu sehr vielen Ausreden dafür, dass manche Dinge nicht machbar sind, weil man sich immer auf die andere Ebene ausredet. Ich denke, Föderalismus sollte keine Ausrede sein.

Föderalismus sollte kein Selbstzweck sein, aber darüber ist heute schon gesprochen worden. Föderalismus sollte nicht zur Machtdemonstration missbraucht werden, und Föderalismus sollte meiner Meinung nach auch nicht als Gegenstück oder als Wider­part zur demokratischen Republik Österreich gesehen werden, was leider manchmal der Fall ist.

Thema Selbstzweck. – Es ist in manchen Bereichen gut und richtig und wichtig, dass jedes Land eigene Regelungen macht, und wir schauen uns dann an, welche Rege­lung die beste ist. Das Problem, das wir leider haben, ist, dass fast nie verglichen wird. Jedes Land macht seine Regelungen, jeder muss sich in jedem Bundesland eigene Gesetze merken, aber die Vergleichbarkeit ist nicht gegeben; das hat auch Frau Kolle­gin Winzig angesprochen. Das wäre mir ein wichtiges Anliegen. Das gibt es nicht, des­halb wäre es ganz wichtig, dass wir das einfordern, denn sonst ist nur die halbe Sache erreicht.

Zum Thema Machtdemonstration. – Herr Landeshauptmann, Sie haben vorhin gesagt, es gebe eine Schieflage in der öffentlichen Diskussion. Ich denke, die Schieflage in der öffentlichen Diskussion entsteht schon in erster Linie dadurch, dass es eben unter­schiedlichste Landeshauptleute gibt. Sie kommen aus einem anderen Bundesland als ich, aber unser Landeshauptmann ist Weltmeister in dieser Disziplin, nämlich in der Disziplin, Macht demonstrieren zu wollen durch immer wieder lautstarkes Veto und laut­starkes Einfordern von irgendwelchen Kompetenzen. (Bundesrätin Zwazl: Tu nicht so kluge Anschuldigungen machen, sondern ...!) – Ja, mache ich gleich. (Zwischenruf des Bundesrates Kainz.)

Da gibt es zum Beispiel diese tolle Idee im Zuge der Schuldiskussion. (Neuerliche Zwi­schenrufe des Bundesrates Kainz.) – Darf ich jetzt das Wort vom verlängerten Arm des Herrn Landeshauptmannes wieder übernehmen? Vielen Dank. (Bundesrat Kainz: Es gibt keinen verlängerten Arm!) Na ja, wir haben gerade gehört, dass wir das sind.

Ich beziehe mich jetzt in erster Linie auf die Schuldiskussion. Es gibt viele andere Dis­kussionen, in denen der Herr Landeshauptmann sich immer wieder dazu berufen fühlt, die Bundesregierung zur Ordnung zu rufen. Vor allem in der Schuldiskussion – zumal wir als Niederösterreicher ein ganz eigenes Modell der Neuen Mittelschule versuchen müssen – weicht er von dem ab, was Herr Landeshauptmann Pühringer vorhin gesagt hat. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass man natürlich manche Organisationsstrukturen auf die Länder aufteilt, aber dass das System insgesamt einheitlich sein muss, ist ein­fach gottgegeben, weil man ja heutzutage auch mobil ist.


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Es wäre schlimm, wenn es schwieriger wäre, Ländergrenzen zu überwinden, als Lan­desgrenzen zu überwinden. Das ist in manchen Bereichen – das ist bei den Schulen, das ist bei den Sozialberufen, das ist im Wohnbau sehr wohl des Öfteren ... (Bundes­rätin Zwazl: Das ist aber keine Diskussion mehr! Da bist du nicht mehr ganz gut in­formiert, Mädchen! – Bundesrätin Dr. Kickert: Oh, Machtdemonstrationen sonder Zahl! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ihr könnt euch dann alle noch zu Wort melden.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist: dass der Föderalismus nicht als Widerspruch zur derzeitigen Form der demokratischen Republik Österreich gesehen werden kann. Es ist leider so, dass die Länder und auch der Bundesrat nicht unbedingt die Horte der Oppositionsrechte sind. Wenn ich mir anschaue, wie das im Land Niederösterreich ist: Da haben wir vier Abgeordnete, die können in Wirklichkeit nichts anderes machen als Anfragen stellen, denn zu allem anderen haben sie nicht das Recht. Die Grünen haben 8, 9 Prozent, aber sie können keinen Antrag stellen, sie können keine Dringliche Anfra­ge stellen et cetera, et cetera. Das geht alles nicht, weil man dazu viel mehr Stimmen und Unterstützung brauchen würde.

Wie ist die Situation für uns hier im Bundesrat? Wir sind jetzt eine Gruppe von drei Per­sonen: Wir sitzen in keinem Präsidium, wir kriegen keine Information, wir ... (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!) Wir haben inzwischen nicht mehr „ohne Fraktion“ hinter unserem Namen stehen, immerhin ein kleiner Fortschritt, aber ich denke mir, dass es auch bei den Oppositionsrechten im Bundesrat einiges ... (Bundesrat Mag. Himmer: Ihr seid in den Ausschüssen dabei!) Ja, aber ihr müsst uns immer das Rederecht zuge­stehen, und wir müssen immer Danke sagen dafür, dass ihr uns reden lasst im Aus­schuss. Das ist eh schön! (Bundesrat Mag. Klug: Der erste Schritt ist, ihr müsst hin­kommen!) Es gibt eben auch die Opposition, und die Opposition ist auch ein wichtiger Teil des demokratischen Prinzips. Und Oppositionsrechte sind nicht die Schwerpunkte der Länderpolitik.

Was die Länder betrifft, habe ich immer wieder ein Problem; der Herr Präsident hat heute schon vom verlängerten Arm der Länder gesprochen: Wer sind jetzt die Länder? Es gibt normalerweise auch im Landtag Wahlen. Üblicherweise kommt bei der Wahl dann ein Landeshauptmann oder eine Landeshauptfrau heraus, der oder die mehr als 50 Prozent der Stimmen hat. Aber in den Ländern ist es leider so, dass mit diesen mehr als 50 Prozent der Stimmen fast 100 Prozent der Macht im Land an eine Person gekoppelt sind. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Doch!

Wenn ich mir anschaue, dass gerade wir im Bundesrat immer davon reden, dass wir die Länderkammer sind, und wir uns dann an den Ländern orientieren, die ja meistens von den Landeshauptleuten repräsentiert werden, dann denke ich einmal ... (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Ja, aber wir haben auch Oppositionsrechte! Der Landeshauptmann repräsentiert in Wirklichkeit eine Partei. (Neuerliche heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)  Die stimmenstärkste Partei, das ist schon klar. Wir hier herinnen unterscheiden uns von der Landeshauptleutekonferenz, und deshalb ist es auch unsere Aufgabe, dass wir auch die anderen ... (Bundesrat Mag. Himmer: Du verwechselst Parteitag mit Landtag!)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich erinnere an die Redezeit.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (fortsetzend): Ich würde dann bitten, dass es ein bisschen weniger Zwischenrufe gibt. (Ruf bei der ÖVP: Es stimmt halt nicht, was du sagst!)

Es gab heute wieder eine Ankündigung einer Europakonferenz. Bei der Europakonfe­renz, die wir zuletzt in St. Pölten gehabt haben, wurde der Bundesrat leider auf eine Statistenrolle reduziert. Wir sind drinnen gesessen und haben zugehört, was wir von oben serviert bekommen haben. Wir haben heute eine ganz tolle Schrift dazu bekom­men – Diskussion ist das keine.


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Weil der Herr Präsident heute viel vom neuen Selbstverständnis des Bundesrates ge­sprochen hat: Das unterstütze ich voll und ganz, und ich würde mir wünschen, dass wir an diesem neuen Selbstverständnis gemeinsam arbeiten. Ich kann mich erinnern, bei der vorletzten Präsidentschaft Niederösterreichs haben wir die letzte Klausur gehabt, wo wir uns über unser Selbstverständnis Gedanken gemacht haben. Seither hören wir vom Selbstverständnis des Bunderates nur mehr vom Präsidenten. Ehrlich gestanden, ich denke mir, es gibt einen Unterschied zwischen Land und Landeshauptmännern, und es gibt einen Unterschied zwischen Bundesrat und Bundesratspräsidenten.

Was die „Zuspruchskammer“ und die „Einspruchskammer“ betrifft, würde ich auch bit­ten, solange die Opposition kein anderes Recht hat hier herinnen, außer Einspruch zu erheben, wäre es wunderschön, wenn man das nicht auf alle so umlegen würde. (Bun­desrätin Zwazl: Elisabeth, es geht um die Argumente! Du kannst dich ja einbringen!) Ja, ich kann mich einbringen, aber in letzter Konsequenz ... (Bundesrätin Zwazl: Dann leg konkret deine Vorschläge auf den Tisch!) Ich habe jetzt leider keine Redezeit mehr. Ich würde nur darum bitten, dass man nicht die Länderkammer mit der Kammer der Bundesratspräsidenten verwechselt, so, wie man manchmal die Länder mit den Lan­deshauptmännern und -frauen verwechselt. (Beifall bei den Grünen.)

10.25


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist der Vorsitzende der Landeshaupt­leutekonferenz Landeshauptmann Dr. Pühringer. – Bitte.

 


10.25.23

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte ganz kurz auf einige Wortmel­dungen eingehen. Ich glaube, das gehört sich auch so, denn ein paar Dinge bedürfen aus meiner Sicht, aus der Sicht der Bundesländer und der Landeshauptleutekonferenz doch einer Erörterung.

Frau Kollegin Kerschbaum, die Bundesverfassung regelt, wer ein Land vertritt, und dort steht ganz eindeutig: Der Landeshauptmann vertritt das Land nach außen. Wenn wir das tun, dann tun wir das nicht für eine Partei, sondern für die Bürgerinnen und Bürger des gesamten Landes. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Zum Zweiten liegt es in der Natur der Sache, dass der Standort den Standpunkt be­stimmt. Es ist nun einmal Aufgabe der Landeshauptleute, dass sie die Position des je­weiligen Bundeslandes, dass sie die Position einer Region auch gegenüber Partnern, ob das Brüssel ist oder ob das die Bundesregierung ist, kraftvoll vertreten. Wenn das jemand so kraftvoll tut wie mein verehrter Kollege Erwin Pröll und dafür bei den Wahlen so eindrucksvolle Ergebnisse erzielt, dann hat er offensichtlich seine Aufgabe sehr gut gemacht. (Beifall bei der ÖVP.) Sonst würden die Bürgerinnen und Bürger, von denen Sie ja zu Recht immer betonen, dass wir mündige Bürger haben, nicht dieses Votum abgeben.

Ich möchte noch zu zwei anderen Punkten kurz etwas sagen. Erstens: Mineralölsteuer, zweckgebunden. – Bitte informieren! Kollege Anschober wird Ihnen das gerne sagen. In jedem Bundesland ist genau festzulegen und im Budget zu vermerken, wie zweck­gebundene Abgaben zu verwenden sind. Das ist ganz eindeutig geregelt.

Öffentlicher Verkehr. – Mit Handkuss geben wir dem Bund hier Kompetenzen zurück, die er uns teuer übertragen hat. Wenn heute – Sie haben mir da ein Hölzel geworfen – die Bundesbahn meint, es sei schon die Verbindung von Linz nach Graz, zwischen der zweit- und drittgrößten Stadt dieser Republik, eine regionale Aufgabe, bei der die Län­der dazuzahlen sollen, und nicht mehr eine Aufgabe des Bundes und der Bundesbahn, dann frage ich mich, warum wir ein Verkehrsunternehmen haben, das der Republik ge­hört, wenn eine solche Aufgabe nicht mehr erfüllt wird. Also mit Handkuss geben wir diese Aufgaben zurück! (Allgemeiner Beifall.)


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Ich sage Ihnen noch einmal, gerade in der Schuldiskussion war es Erwin Pröll und war es auch Wolfgang Sobotka, die mit mir in der Arbeitsgruppe gesessen sind, die einen wirklich vernünftigen Standpunkt betreffend die Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern vertreten haben.

Frau Kollegin Kerschbaum, wir sind keine Föderalisten à la Kantönligeist oder Klein­staaterei. Das brauchen Sie uns nicht zu unterstellen. Wir wissen, wo das Staatsganze Vorrang hat und wo es vernünftiger ist, dass Aufgaben auf der unteren Ebene erledigt werden.

Zum Kollegen Kraml – da möchte ich nur das Thema Pflegefinanzierung anspre­chen –: Sie haben hier darauf verwiesen, dass wir die Gemeinden nicht alleine lassen dürfen. Da haben Sie vollkommen recht. Das tun wir auch nicht. Aber es muss eine Lö­sung schon von allen Gebietskörperschaften getragen sein, denn eines dürfen Sie nicht übersehen, gerade in diesem Haus: Wenn man 1993 das Pflegegeld einführt, aber es in 20 Jahren nur dreimal inflationsbereinigt, sonst immer einfriert, dann ent­steht eine große Lücke. Bei Einführung des Pflegegeldes 1993 wurden zwei Drittel vom Bund gezahlt, ein Drittel von Ländern und Gemeinden. Heute, rund 20 Jahre später, zahlen zwei Drittel der Pflegefinanzierung die Gemeinden und die Länder und nur mehr ein Drittel der Bund. In diesem Bereich wird also die Mitwirkung des Bundes zu Recht eingefordert.

Was die Reform des Bundesrates anlangt: Erstens halte ich es für gut, dass es so et­was wie ein föderales Gewissen in der Bundesgesetzgebung gibt, dass man immer wie­der prüft, ob das auch auf der unteren Ebene vollzogen und gelebt werden kann, was auf der Bundesebene, auf der nationalen Ebene beschlossen wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich kann mir das gut vorstellen, was Präsident Kneifel bezüglich der Eigeninitiative ge­sagt hat, nämlich dass man Anliegen der Regionen selbst als Initiative im Bundesrat und damit in die Gesetzgebung einbringt, und ich kann mir auch vorstellen, dass man ein absolutes Veto bei jenen wirklich wenigen Agenden vorsieht, bei denen die Länder und Gemeinden unmittelbar von der Bundesgesetzgebung betroffen sind. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es wurde zitiert, Oberösterreich will nicht nur zahlen, son­dern auch mitbestimmen. Ja, das wird wahrscheinlich jeder Landeshauptmann sagen, nur der oberösterreichische sagt es mit einem gewissen Nachdruck, denn wir haben 17 Prozent der Einwohner, sind aber für 27 Prozent der österreichischen Exporte ver­antwortlich. Wir sind nun einmal der größte Nettozahler in die bundesweiten Kassen, und daher fordern wir auch ein, dass es bei großen Projekten, wie zuletzt erfolgreich beim Westring, auch eine Mitverantwortung des Bundes geben muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal betonen, obwohl es sicherlich nicht nötig ist: Es ist unfair, wenn man auf die letzte Vorsitzführung in der Landeshauptleutekonferenz schaut und ihr gegenüber ne­gative Beurteilungen vornimmt. Es sind wesentliche Fragen erledigt worden, wie zum Beispiel die Neuaufteilung der neuen Steuern, die für die Länder und Gemeinden ganz entscheidend war, und bei den Themen Stabilität und Pflege sind wir heute deswegen dem Finale so nahe, weil vieles in der Zeit vorangetrieben wurde. Und eine sechsmo­natige Präsidentschaft hat nun einmal zur Folge, dass nicht jedes Thema enderledigt werden kann. Das muss man, glaube ich, fairerweise dazusagen.

Herr Kollege Brückl! Kollege Haimbuchner ist für das Durchführen von Reformen ein wahrlich schlechtes Beispiel. Das muss ich Ihnen sagen. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Wenn man nämlich seine Vorschläge, die er bisher zur Wohnbauförderung eingebracht hat, zusammenzählt, dann kommt ein Mehrbedarf an Mitteln heraus und nicht eine


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 27

Einsparung. Ein bissel gegen Ausländer sein ist noch keine Wohnbauförderungsreform. Das möchte ich in aller Deutlichkeit hier sagen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Das Duo Pöttinger/Haimbuchner (Bundesrat Brückl: Das ist Ihr Parteikollege!) – beide Persönlichkeiten schätze ich; tun Sie Herrn Pöttinger nicht in eine Schublade hinein, denn das will er, glaube ich, selber am allerwenigsten! – hat uns vorgeschlagen, Ge­meinden aufzulösen und Bezirkshauptmannschaften abzuschaffen. Ich kann Ihnen ei­nes sagen: Ich bin für Reformen. Die oberösterreichische Landesverwaltungsreform und Spitalsreform werden Ende des Jahres fertig sein und werden ihre Namen verdienen. Schauen Sie sich das an! Aber ich bin nicht für sinnlose Zentralisierungen. Wenn die Bürger von Schärding und von Braunau keine Bezirkshauptmannschaft mehr haben, sondern alles zentral erledigt wird, dann ist das keine Reform, sondern ein Zentralisie­ren. Das hat mit Reform und mit Kosteneinsparungen wenig zu tun. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Bürgernähe – und nicht Bürgerferne – muss das Motto jeder Verwaltungsreform sein. Gemeinden zusammenlegen dann, wenn eine Volksbefragung ergibt, dass die Bürge­rinnen und Bürger das wollen, so wie wir das in Weyer zuletzt praktiziert haben, wo ei­ne Mehrheit der Bürger gesagt hat, Weyer-Markt und Weyer-Land sollen eine Gemein­de werden. Und sonst setze ich auf Verwaltungsgemeinschaften, auf Gemeindegren­zen übergreifende Verwaltungsgemeinschaften, denn die Kosten liegen ja nicht bei der Entlohnung des Bürgermeisters oder der Gemeinderäte, das Geld liegt in der Verwal­tung und in der Dienstleistung. Dort muss ich zusammenlegen und rationalisieren, dann werde ich auch einsparen können.

Und was die Bezirksgerichte anlangt, zitieren Sie mich nicht falsch! Ich habe nur darauf hingewiesen, wie die Rechtslage ist, und ich stehe für ehrliche und sinnvolle Diskussio­nen zur Bereinigung der Gerichtsstruktur selbstverständlich zur Verfügung.

Ich wünsche dem Bundesrat in seiner jetzigen Periode nochmals alles Gute und viel Erfolg bei seiner Arbeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.34


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

10.35.04Fragestunde

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth (den Vorsitz übernehmend): Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 10.35 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich da­rauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit dem Präsidenten und dem Vi­zepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Im Übrigen begrüße ich die Frau Justizministerin in unseren Reihen, die vor lauter Lan­deshauptleuten bislang noch nicht begrüßt worden ist. (Allgemeiner Beifall.)

Bundesministerium für Justiz

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Bundesministerin für Justiz.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Michael Hammer, um die Verlesung der Anfrage.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 28

Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, meine Frage:

1762/M-BR/2011

„In wie vielen Fällen wurde der elektronisch überwachte Hausarrest bereits ange­wendet?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Bis zum 21. Jänner 2011 waren insgesamt 116 Personen, das sind rund 5 700 Hafttage, im elektronisch überwachten Hausarrest. Zu diesem Stichtag befanden sich 76 Personen im elektronisch überwachten Haus­arrest, wovon 54 Frontdoor-Fälle sind, also Personen, die vorher nicht in Haft waren, und 20 Personen sogenannte Backdoor-Fälle, also Personen, die zunächst einmal eine Haft verbüßt haben und dann unter elektronischer Aufsicht enthaftet wurden.

Insgesamt haben wir bisher auch zwei Untersuchungshäftlinge darunter gehabt.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Könnten Sie uns vielleicht auch einen Kostenvergleich zwischen Haft und elektronischer Fußfessel darlegen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ja, gerne. Ein Tag elek­tronische Aufsicht kostet pro Person 22 €. Die Nettokosten betragen 12,06 €, da wir ja auch einen Kostenbeitrag von den Betroffenen erhalten. Ein Tag Haft kostet 100 €. Al­so ist das doch ein großer Unterschied.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Gruber.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bei Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests wurde vonseiten des Bun­desministeriums argumentiert, dass bei einem guten Verlauf dieses Projektes damit zu rechnen sei, dass Kapazitäten für NEUSTART frei würden und dessen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich verstärkt anderen Tätigkeiten im Bereich der Bewährungshilfe wid­men könnten.

Kann man bereits sagen, dass die Einführung des elektronisch überwachten Hausar­rests neben dem eigentlichen Zweck auch zu einer Entspannung der personellen Si­tuation bei NEUSTART geführt hat?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Nein, so, in dem Sinn, kann man das nicht sagen, denn durch die elektronische Aufsicht gibt es ja auch neue Aufgaben für NEUSTART selbst, denn die ganze Überprüfung des sozialen Umfeldes, die Überprüfung, wie die Wohnsituation ist, wie die Arbeitsplatzsituation ist, wie die fa­miliäre Situation ist, obliegt ja Mitarbeitern von NEUSTART. Aber sie haben dafür auch zusätzliche Mittel und Ressourcen bekommen.

Im Endeffekt wird es natürlich im Großen eine Entlastung für die Justiz insgesamt, aber auch für NEUSTART geben, denn durch die Maßnahmen der elektronischen Aufsicht wird es gelingen, die Leute besser zu resozialisieren beziehungsweise zu sozialisieren. Und das kann man sozusagen Umwegrentabilität nennen. Das wird sicherlich in weite­rer Zukunft positive Auswirkungen auch auf die Ressourcen bei NEUSTART haben.

 



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Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Krusche.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Mei­nes Wissens haben sich bei der Ausschreibung für die technische Umsetzung dieser elektronischen Fußfessel in einem zweistufigen Verfahren insgesamt acht Unternehmen beworben.

Meine Frage ist daher, ob jenes Unternehmen, das schlussendlich den Zuschlag und den Auftrag erhalten hat, auch alle Muss-Kriterien und Bedingungen der Ausschreibung erfüllt hat.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrter Herr Bun­desrat! Bei diesem Ausschreibungsverfahren ist es dazu gekommen, dass gewisse Be­werber von vornherein ausgeschieden sind.

Wir sind der Empfehlung der Bundesbeschaffungsgesellschaft gefolgt. Bei dem Betrei­ber dieses Systems handelt es sich um denjenigen, der das beste Angebot liefern konn­te. Es geht da vor allem um die Qualität und um die Sicherheit, und genau dieses Sys­tem wird auch in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel in Großbritannien oder in anderen großen Staaten, angewandt und ist dort erfolgreich.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bun­desrätin Dr. Kickert.

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Mich würde interessieren, in wie vielen Fällen der beantragte elektronisch überwachte Haus­arrest nicht durchgeführt worden ist – dazu gibt es ja die gesetzliche Möglichkeit. Sie haben uns erläutert, wie oft der elektronisch überwachte Hausarrest angewendet wur­de. Jetzt möchte ich wissen, ob diese gesetzliche Möglichkeit in irgendeiner Form ausge­schöpft worden ist und der elektronisch überwachte Hausarrest auch verweigert wurde.

Wenn Sie es nicht ad hoc beantworten können, ersuche ich darum, dass die Antwort nachgereicht wird, denn das würde mich tatsächlich interessieren.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Es ist so, dass es natür­lich viele Fälle gibt, in denen das abgelehnt wurde, denn es bedarf ja immer einer Indi­vidualüberprüfung und vor allem einer Prognose, was die Gefährlichkeit des Täters und das soziale Umfeld betrifft. Ich habe jetzt keine Zahlen hier, aber wir werden die ge­naue Antwort schriftlich nachliefern. (Bundesrätin Dr. Kickert: Danke!)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Klug, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Die Fragestunde ist ja auch für Sie eine wunderbare Möglichkeit, uns aktuelle In­formationen mitzuteilen. Diese Gelegenheit wollen wir heute gerne nutzen.

Eine unseres Erachtens besorgniserregende Entwicklung ist der Bereich der Bekämp­fung der Korruption auf der einen Seite und der Wirtschaftskriminalität auf der anderen Seite.

Meine Frage daher, sehr geehrte Frau Bundesministerin:


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 30

1765/M-BR/2011

„Wie gedenken Sie angesichts der überlangen Verfahrensdauer zahlreicher Korrup­tionsstraffälle der noch immer dramatischen personellen Unterbesetzung der Korrup­tionsstaatsanwaltschaft zu begegnen?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Danke schön, Herr Bundesrat, für diese Frage. Als ich Justizministerin wurde, gab es genau fünf Staatsan­wälte bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Man hat damals – vor meiner Zeit – ein Gesetz geschaffen und nicht für die personelle Ausstattung gesorgt. Mittlerweile haben wir zwölf Planstellen bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft, und es werden heuer noch mehr werden. Die Endausbaustufe wird dann zirka 40 Planstellen bei der sogenannten Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft haben.

Wie Sie wissen, werden die Aufgaben der Korruptionsstaatsanwaltschaft im heurigen Jahr erweitert. Sie soll sich vor allem um die großen Wirtschaftsfälle kümmern, und das ist auch gut so, denn die Grenzen zwischen Korruption und Wirtschaftskriminalität ver­schwimmen. Das zeigt sich immer wieder, und deswegen ist es wichtig, dass sich eine Stelle um diese Fälle kümmert.

Ganz generell wird es dieser Staatsanwaltschaft möglich sein, diese großen Fälle von Teams bearbeiten zu lassen. Das wird auch für größere Kontinuität sorgen.

Was die Verfahrensdauer betrifft: Natürlich wird das auch zur Folge haben, dass die Verfahren schneller erledigt werden. Aber eines muss ich in diesem Zusammenhang schon auch sagen: In Österreich ist die Verfahrensdauer nicht lange. Wir haben gerade das Ergebnis einer Europaratsstudie bekommen. Ich war selbst in Ljubljana, als diese Studie präsentiert wurde. Österreich steht im internationalen Vergleich hervorragend da, was die Verfahrensdauer betrifft.

Wenn ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern spreche, dann höre ich auch, dass diese großen Wirtschaftsverfahren überall lange dauern – das liegt in der Natur der Sache –, vor allem durch den internationalen Bezug, den diese Verfah­ren haben.

Es gibt zahlreiche Rechtshilfeersuchen, teilweise auch an sehr exzentrische Länder oder Länder, die kein solches Rechtssystem haben wie wir, wo irgendwelche Offshore-Destinationen im Spiel sind. Das stellt uns wirklich vor Herausforderungen, und das dauert. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass gerade in diesen Fällen sorgfältig ermittelt wird, denn viel schlimmer als eine langsame Entscheidung wäre eine falsche Entschei­dung.

Aber ich kann Sie wirklich beruhigen, in Österreich dauern die Verfahren im interna­tionalen Vergleich nicht lange. Libro brauchen wir natürlich nicht zu diskutieren, dieses Verfahren dauert eindeutig zu lange, aber das soll sich ja ändern. Es soll sich durch die neue schlagkräftige Einheit bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien einiges ändern, denn es wird, wie gesagt, nicht nur möglich sein, im Team zu ar­beiten, sondern wir werden auch Experten zuziehen, von außen Know-how zukaufen. Wahrscheinlich werden es sieben Experten aus dem Bereich des Finanzmarktwesens, des Börsewesens et cetera sein, die den Staatsanwälten vor Ort wirklich helfen.

Es wird außerdem eine bessere Aus- und Fortbildung der Richter und Staatsanwälte geben, denn wir brauchen in der Justiz ein wirtschaftliches Grundverständnis für diese wirklich komplexen Wirtschaftsfragen. Es soll in der Ausbildung in Zukunft auch einen Praxisbezug geben. Das heißt, ein Staatsanwalt, ein Richter soll sich doch einmal in der Ausbildungszeit ein paar Monate lang in ein Rechtsbüro eines großen Unternehmens oder zu einem Wirtschaftstreuhänder setzen. Das bringt nämlich sehr viel.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 31

Es tut sich hier also einiges, und wir sind wirklich auf dem besten Weg, die Situation, die nicht so schlecht ist, wie immer dargestellt wird, noch weiter zu verbessern.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Im Bundesrat findet die Fragestunde auch deshalb statt, weil wir unserer politischen Neugierde gerne nachgehen. Ich erlau­be mir daher folgende Zusatzfrage:

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ein entscheidendes Problem bei der Korruptions­staatsanwaltschaft ist die Tatsache, dass es einerseits zu wenig MitarbeiterInnen gibt und sich andererseits die MitarbeiterInnen relativ rasch wieder für eine – lassen Sie es mich so sagen – ruhigere Stelle bewerben und weggehen. Welche Anreize werden Sie den potenziellen KorruptionsstaatsanwältInnen bieten, damit sie in ausreichender Zahl zu dieser Behörde wechseln und vor allem auch dauerhaft dort bleiben?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ja, wir überlegen ein Anreizsystem. Das Interesse an dieser Behörde ist groß. Noch bevor es zu einer Aus­schreibung gekommen ist, hat sich schon eine ziemliche große Anzahl an Interessen­ten gemeldet, vor allem an jungen Kolleginnen und Kollegen, die diese Herausforde­rung gerne annehmen. Aber Sie haben recht, das ist das, was ich mit „Kontinuität för­dern“ gemeint habe. Das ist ganz wichtig.

Ich kann natürlich einem Staatsanwalt nicht verbieten, dass er sich einmal woanders bewirbt. Es gibt Staatsanwälte, die gehen in Pension, es gibt natürlich Kolleginnen, die eine Familie gründen wollen – das darf und will ich natürlich nicht verbieten. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in Teams arbeiten, damit sich nicht ein junger, neuer Staats­anwalt ganz von vorne einarbeiten muss, sondern dass es da wirklich Kontinuität gibt.

Das hat sich jetzt auch in Kärnten in der Causa Hypo bewährt, und das ist, glaube ich, genau der richtige Weg, um auch hier zu einer Beschleunigung der Verfahren zu kom­men.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Mayer.

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesministerin, Sie haben uns erklärt, wie weit der Bereich Umbau der Korruptionsstaatsanwaltschaft gediehen ist. Sie haben auch in der Beantwortung der letzten Zusatzfrage gerade über die Ermitt­lungsteams gesprochen.

Ich möchte in Bezug auf die Ermittlungsteams folgende Frage stellen: In wie vielen Fällen wurden zur Beschleunigung von Verfahren und zur Verbesserung der Ermittlung konkret schon Ermittlungsteams geschaffen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Wir haben in Österreich insgesamt drei große Fälle, in denen bereits Teams arbeiten. Ich habe die Causa Hypo schon erwähnt, da arbeiten vier Staatsanwälte und eine Expertin aus dem Bereich des Börse- und Finanzmarktwesens, die ebenfalls zugezogen wurde. In der Causa Con­stantia/BUWOG arbeiten drei Staatsanwälte und in der Causa Auer-Welsbach zwei Staatsanwälte. Also, wie gesagt, die Großverfahren werden bereits von mehreren Staats­anwälten betreut.

Das hat es vor meiner Ministerschaft noch nie gegeben, aber es hat sich bewährt. Ich glaube, Teamarbeit ist gerade in diesen komplexen, umfangreichen Verfahren in Zu­kunft das Um und Auf.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 32

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Zwanziger.

 


Bundesrat Peter Zwanziger (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich habe folgende Frage: Es hat ja in letzter Zeit einige Fälle gegeben, in die Politiker involviert waren. Einige Politiker sind recht schnell wieder aus der Geschichte herausgekommen, einige nicht. Sehen Sie bei gewissen Fällen einen Unterschied zwischen Opposition und Regierung? (Allgemeine Heiterkeit.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Danke schön für diese Frage. Ich möchte hier eines ganz klar sagen, wirklich klarstellen: Es gibt in der öster­reichischen Justiz keine Straftäter erster und zweiter Klasse. Auch wenn es Politiker sind, werden sie vor Gericht so behandelt wie jeder andere auch. Wer mich als Rich­terin kennt, der weiß das.

Eines möchte ich dazu auch sagen: Eine wichtige Maßnahme, die wir bereits heuer ge­troffen beziehungsweise umgesetzt haben, ist die erhöhte Transparenz bei staatsan­waltschaftlichen Entscheidungen.

In Zukunft wird die Einstellung von Verfahren etwa gegen Personen von besonderem öffentlichen Interesse im Internet veröffentlicht, und da kann jeder genau nachlesen, wieso ein Verfahren gegen jemanden eingestellt wurde. Das ist, glaube ich, ganz wich­tig, um Verschwörungstheorien vorzubeugen. (Bundesrat Zwanziger: Danke! Eine gu­te Idee!)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Michalke, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Minister, meine Frage lautet:

1768/M-BR/2011

„Welche Anstrengungen haben Sie bisher unternommen, um den Strafrahmen des § 92 Abs. 3 StGB zu erhöhen?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Es ist so, sehr geehrte Damen und Herren: Verbrechen gegen Kinder sind wirklich das Schlimmste, das habe ich auch immer gesagt, und ich überlege natürlich, Mittel zu finden, wie man diesen Kindern helfen kann und wie man präventiv tätig werden kann, auch im Bereich der Justiz – wobei die Justiz ja immer erst sozusagen danach, nachdem etwas geschehen ist, die Aufgabe hat einzuschreiten.

Die Erhöhung von Strafrahmen kann natürlich eine Signalwirkung nach sich ziehen, auch wenn sie nicht wirklich dazu führen wird, dass potenzielle Täter derart grausliche Dinge nicht mehr machen. Es ist wirklich so, es wird kein Straftäter von einem hohen Strafrahmen abgehalten. In Amerika gibt es die Todesstrafe, und es passiert dennoch genug. Trotzdem muss man auch da symbolisch tätig sein, denke ich, und auch Sig­nale setzen. Wir überlegen jetzt gerade in all diesen Bereichen, in denen Kinder Opfer sind, eine Evaluierung der Strafrahmen.

Meine Experten sind gerade damit befasst zu überlegen, ob man beim einen oder an­deren Paragraphen Strafuntergrenzen einzieht oder ob man die Maximalstrafen oder die Strafdrohungen erhöht. Wir sind also gerade dabei, das zu evaluieren.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 33

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Was haben Sie konkret unternom­men, dass das Vier-Augen-Prinzip bei Fällen von Kindeswohlgefährdung gesetzlich ver­ankert wird?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Da muss ich jetzt nach­fragen: Sie meinen das Vier-Augen-Prinzip in welchem Bereich? (Bundesrätin Michal­ke: Zum Beispiel in der Jugendwohlfahrt, im sozialen ...!)

Die Jugendwohlfahrt fällt nicht in den Bereich des Justizressorts. Da bin ich die falsche Ansprechpartnerin. (Bundesrätin Michalke: Aber das Vier-Augen-Prinzip in einem ge­setzlichen Rahmen zu verankern!) – Nein, das fällt nicht in meine Zuständigkeit. (Ruf: Das ist Landesgesetz, Frau Kollegin!)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wel­che Überlegungen gibt es zur Gewaltprävention gegenüber Kindern und Minderjähri­gen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrter Herr Bundesrat, es ist so, dass, wie gesagt, die Prävention an und für sich auch nicht in meinen Bereich fällt, sondern in das Innenressort. Aber natürlich, auch unsere Gesetze haben präventive Wirkung. Sie sollen ja auch generalpräventiv wirken, das heißt, ande­re Personen, potenzielle Straftäter davon abhalten, strafbare Handlungen zu begehen. Insofern müssen wir immer die Strafrahmen, die Strafdrohungen evaluieren.

Aber ganz generell ist der Schutz von Kindern und der Kampf gegen Gewalt an Kin­dern eine Querschnittsmaterie, und wir alle, alle Ressorts sind diesbezüglich gefordert. Ich glaube, wir müssen vor allem die Gesellschaft noch mehr sensibilisieren, und wir müssen die Zivilcourage in den Menschen wecken. Wir müssen den Menschen ver­mitteln: Schaut hin und meldet es, wenn euch irgendetwas auffällt, wenn irgendwo nur der leiseste Verdacht gegeben ist, dass an Kindern Gewalt ausgeübt wird!

Ich habe in diesem Jahr einige gesetzliche Vorhaben, die sich mit dem Schutz von Kin­dern befassen, auch im Bereich des Familienrechts, im Bereich des Strafrechts, der Evaluierung, aber es wird zum Beispiel auch die Einführung eines neuen Straftatbe­standes erfolgen, nämlich des Straftatbestandes gegen „Cyber-Grooming“. Sie wissen, Gefahren im Internet sind evident. Das Internet muss jetzt in naher Zukunft in den Vor­dergrund unserer Überlegungen rücken, denn da ist Prävention ganz besonders ge­fragt.

Ich denke da zum Beispiel auch an eine Art Medienerziehung in den Schulen. Die Leh­rer müssen die Kinder besser darauf vorbereiten, welche Gefahren im Internet lauern, aber auch die Eltern sind gefordert. Da gibt es also zahlreiche Aufgaben, aber es ist, wie gesagt, eine Querschnittsmaterie, und wir müssen alles daran setzen, den Kindern gemeinsam zu helfen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Stadler.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundesministe­rin, Sie haben ja schon erwähnt, dass die strafrechtliche Dimension eine wichtige ist, aber nicht alles sein kann.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 34

Welche weiteren Maßnahmen in anderen Rechtsbereichen, etwa im Familienrecht – das haben Sie ja schon angesprochen –, können Sie sich vorstellen, um ein möglichst umfassendes Programm zum Schutz der Kinder zu bekommen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Im zivilrechtlichen Be­reich denke ich natürlich vor allem an das Familienrecht, denn auch hier gehören Kin­der geschützt, vor allem Scheidungskinder, wie wir wissen, Kinder, die Opfer von Ro­senkriegen werden, die durch Vorfälle in den Familien traumatisiert werden. Wir müs­sen alles daran setzen, auch diesen Kindern zu helfen.

Es ist auch schon einiges geschehen, etwa die Einführung des Kinderbeistandes – Sie erinnern sich – und die Einführung anderer neuer Bestimmungen. Mein Ziel ist es, dieses Jahr eine größere Familienrechtsreform umzusetzen. Sie kennen die Thematik Obsorge, Besuchsrecht, Verfahrensrecht, Beschleunigung der Familienrechtsverfahren.

Ich glaube auch, dass es ein ganz wichtiger Weg sein wird, Streitigkeiten aus dem Ver­fahren auszulagern und vermehrt Schlichtungsstellen einzusetzen beziehungsweise auch die – wie wir es nennen – Familiengerichtshilfe auszubauen. Da wird es bald Pi­lotprojekte geben. Das ist also ein Bereich, der nur darauf wartet, dass jetzt endlich et­was geschieht. Wir sind auf dem besten Wege, die Arbeitsgruppe beendet ihre Tätig­keit voraussichtlich im Februar oder März, und dann können wir mit diesem Thema so richtig schön durchstarten.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bun­desrätin Kickert.

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Mich würde interessieren, welche Anstrengungen von Ihrer Seite unternommen werden, um die Kommunikation zwischen den Strafverfolgungsbehörden und der Jugendwohlfahrt zu verbessern, zu verstärken, um eben schneller reagieren zu können oder schon im Vorfeld schneller eingreifen zu können.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Es besteht natürlich be­reits eine Kommunikation zwischen der Jugendwohlfahrt und den Strafverfolgungsbe­hörden. Es gibt ja auch schon eine verbesserte Vernetzung, auch zu den Spitälern und so weiter, aber das wird ja derzeit auch ausgebaut. Ich glaube, da ist vor allem das Fa­milienministerium federführend tätig.

Aber Sie haben recht, die Kommunikation in diesem Bereich ist sicherlich noch verbes­serungswürdig, um die Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Da gebe ich Ihnen vollkom­men recht. Aber, wie gesagt, es wird vor allem im Familienministerium an dieser bes­seren Vernetzung und ähnlichen Themen gearbeitet.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Strohmayer-Dangl, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Werte Frau Bundes­minister! Wir haben schon sehr viel über die Korruptionsstaatsanwaltschaft gehört.

Meine Frage lautet:

1763/M-BR/2011

„Wie sind die Erfahrungen mit der Tätigkeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 35

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Danke schön, Herr Bun­desrat, für die Frage. Ich habe gerade heute mit einem jungen Staatsanwalt gespro­chen, der in der letzten Zeit bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft tätig war, und er sagt, es läuft sehr gut.

Die Leute sind wirklich spezialisiert auf diese heiklen Korruptionsfälle. Es gibt jetzt so­zusagen auch bei uns diese spezialisierte Einheit, so wie es bei der Polizei ja auch schon seit längerer Zeit eine entsprechende Einheit gibt. In diesem Bereich ist Spezia­lisierung ganz, ganz wichtig.

Einen großen Fortschritt wird es aber auch durch die nunmehr eingeführte Kronzeu­genregelung geben, die seit 1. Jänner Gültigkeit hat. Ich bin überzeugt davon, dass jetzt mehr Fälle aufgeklärt werden, denn gerade im Bereich der Korruption arbeitet man im Umfeld von kriminellen Strukturen, die sehr schwer aufzubrechen sind, da ge­rade in diesen Bereichen sehr konspirativ gearbeitet wird. Durch die Kronzeugenrege­lung wird es uns gelingen, Korruptionsfälle häufiger aufzudecken.

Das hat ja das Kartellrecht bewiesen: 90 Prozent der Kartelle werden durch die Kron­zeugenregelung aufgedeckt. Und daher bin ich sehr zuversichtlich, dass auch im Be­reich der Korruption in Zukunft noch mehr Fälle aufgeklärt werden.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Inwieweit haben Sie be­treffend Beiziehung von Experten bereits von den Möglichkeiten des Justizbetreuungs­agentur-Gesetzes Gebrauch gemacht?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Wie bereits erwähnt: im Strafverfahren Hypo Alpe-Adria eine Expertin, im Verfahren Constantia/BUWOG eine Expertin der Finanzmarktaufsicht und eine Expertin der Oesterreichischen National­bank und im Verfahren Auer-Welsbach ein Experte aus dem IT-Wesen.

Also es gibt bereits Experten, die eingesetzt werden, aber das wird natürlich noch wei­ter forciert. Je mehr Experten, desto besser.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Mag. Klug.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Die Tatsache, dass die Thematik der Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Be­kämpfung der Wirtschaftskriminalität nicht nur von meiner Fraktion, sondern auch von einem Vertreter Ihrer politischen Familie angesprochen wurde, soll doch zeigen, dass sich der Bundesrat mit der aktuellen Entwicklung im Bereich der Korruptionsstaatsan­waltschaft ernsthaft auseinandersetzt und sich große Sorgen macht. Er richtet insofern bei dieser Gelegenheit auch die Bitte an die Ressortchefin, insbesondere die Beden­ken, die der Leiter der Behörde in der jüngeren Vergangenheit in der Öffentlichkeit ge­äußert hat, sehr ernst zu nehmen. – Ein kurzer Side Step.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, daher zur Fragestellung und zur Berichterstattung in den Medien. Der frühere Rechnungshofpräsident Dr. Fiedler sieht laut „Wiener Zei­tung“ vom 29. Jänner die Ausbildung der Korruptionsstaatsanwälte als unzureichend an und führt dies auf Versäumnisse in der Justizverwaltung und bei der Justizministerin zurück.

Wie beurteilen Sie, Frau Ministerin, diese Aussage? Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um möglichst rasch die erforderliche Anzahl an sehr gut ausgebildeten Staatsanwälten zur Korruptionsbekämpfung zu bekommen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 36

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Bundesrat! Ich weiß nicht, welche Justizministerin er meint. Wie Sie wissen, bin ich erst zwei Jahre im Amt; aufgebaut hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft meine Amtsvorgängerin. Ob an eine Ausbildung gedacht war? – Ich glaube nicht. Allerdings muss man sagen, es be­werben sich wirklich hoch qualifizierte Staatsanwälte zur Korruptionsstaatsanwalt­schaft. Ich lade Sie gerne ein, sich diese Behörde anzusehen, und Sie werden über­zeugt davon sein, dass dort mit Hochdruck und wirklich mit hoher Expertise gearbeitet wird.

Dass derzeit die Zahl zwölf an Planstellen nicht gerade berauschend ist, ist auch klar, aber wir können nicht von heute auf morgen hoch ausgebildete Leute quasi aus dem Hut zaubern.

Wir haben im letzten Jahr erfreulicherweise drei Mal Planstellen dazu bekommen, vor allem für den Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität.

Man hat also erkannt, wie wichtig das ist, aber wir haben natürlich nicht 200 Leute, die fertig ausgebildet vor der Tür warten. Es werden im September 21 Staatsanwälte dort tätig sein, in der Endausbaustufe 40 Staatsanwälte. Und dann haben wir wirklich eine schlagkräftige Einheit. Ich sorge dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Mitterer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! In der Vergangenheit, aber auch jetzt aktuell, kam und kommt es immer wieder vor, dass Abhörprotokolle aus laufenden Verfahren in die Medien gelangen.

Deshalb meine Zusatzfrage: Geht die Korruptionsstaatsanwaltschaft den amtsmiss­bräuchlich an die Öffentlichkeit gelangten Abhörprotokollen nach?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Natürlich, ja. Es gibt Anzeigen. Natürlich wird das verfolgt. Ob man diese Sachen aufklären kann, weiß ich nicht, aber das wäre auch in meinem Interesse; ich sage Ihnen das ganz ehrlich. Ich finde es auch furchtbar, dass immer wieder Details aus Ermittlungsverfahren, die nicht öffentlich sind, an die Öffentlichkeit gelangen. Ich habe kein Verständnis dafür, denn das Amtsgeheimnis hat schon seinen Sinn, nämlich einerseits werden dadurch Persön­lichkeitsrechte gewahrt und zweitens gibt es ja auch kriminaltaktische Gründe, die da­für sprechen, dass man gewisse Dinge nicht ausplaudert.

Daher bin ich vollkommen bei Ihnen, dass solche Dinge aufgeklärt werden müssen. Natürlich kümmert sich die Korruptionsstaatsanwaltschaft um solche Anzeigen – keine Frage.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Posch-Gruska, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet – nachdem das Jahr ja nicht sehr glücklich begonnen hat mit der Postenbesetzung –:

1766/M-BR/2011

„Auf welche Weise wollen Sie künftig bei gerichtlichen Besetzungsverfahren negative Begleiterscheinungen der jüngsten Zeit vermeiden?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 37

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Die Verfahren zur Besetzung richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Planstellen sind von einem Zu­sammenspiel unterschiedlicher Stellen in, aber auch außerhalb der Justiz gekenn­zeichnet. Alle Beteiligten sind bemüht, Vakanzen so kurz wie möglich zu halten, wobei es nicht ungewöhnlich ist, dass es zu Vakanzen kommt. Das hat verschiedenste Ursa­chen.

Es ist so, dass nicht nur ich in diese Besetzungsvorgänge involviert bin, sondern es gibt Personalsenate. Da gibt es auch das Bundeskanzleramt, aber es gibt auch den Herrn Bundespräsidenten, der Ernennungen unterschreiben muss, denn er ist ja derje­nige, der zum Beispiel Gerichtspräsidenten ernennt. Insofern kann man nicht von vorn­herein genau sagen, wie lange zum Beispiel ein Besetzungsvorgang dauert.

Aber eines ist auch klar: Es gibt bei den Besetzungsvorgängen fast immer einen rei­bungslosen Ablauf, und daher gibt es diesbezüglich auch keinen Handlungsbedarf in ir­gendeiner Art und Weise. Es funktioniert in diesen Bereichen an und für sich sehr gut.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Es ist aber doch eine Panne bei einer Ernennung passiert. Wie wir aus Medienberichten erfahren haben, müssen jetzt einige Verfahren in Wiener Neustadt wiederholt werden, weil die ernannte Person noch nicht im Amt war.

Mich würde interessieren: Welcher Mehraufwand entsteht der Justiz dadurch?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ganz kurz: Das waren drei nicht öffentliche Verhandlungen. Das war kein großer Aufwand. – Punkt eins.

Punkt zwei: Warum es zu dieser Situation gekommen ist, das müssen Sie bitte die be­treffenden Personen fragen. Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte.

Ich jedenfalls habe den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, so wie es sich ge­hört, im Dienstweg am 31. Dezember davon verständigt, dass es sich mit der Unter­schrift des Bundespräsidenten nicht mehr ausgeht. Wieso das nicht zur Präsidentin des Landesgerichtes Krems gelangt ist, kann ich Ihnen nicht sagen.

Aber, wie gesagt: Der Herr Bundespräsident hat ja in der Zwischenzeit nach den Fe­rien die Ernennung unterschrieben und die Kollegin ist bereits seit 1. Februar die Präsi­dentin des Landesgerichtes Wiener Neustadt.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Köberl gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesminister, aufgrund Ihrer ausführlichen Beantwortung erübrigt sich meine Zusatzfrage. – Danke.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Jenewein.

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In der Justizanstalt Göllersdorf ist es im August 2010 zu einem besonders unappetitli­chen Fall gekommen, wo auf dem Dienstcomputer eines Justizwachebeamten über 10 000 kinderpornographische Darstellungen sichergestellt wurden. Laut Medienbe­richten war der zuständige Beamte bereits geständig und wurde umgehend vom Dienst suspendiert. Uns wurde jetzt zugetragen, dass dieser Beamte trotz seiner Suspendie­rung in der Justizanstalt Stein Dienst tut.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 38

Daher meine Frage an Sie: Können Sie ausschließen, dass in einer österreichischen Justizanstalt ein suspendierter Beamter Dienst tut, gegen den ein laufendes Verfahren anhängig ist?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ich verspreche Ihnen, ich werde Ihnen die Information nachliefern. Ich habe diese Information nicht hier.

Aber ganz generell: Man sieht leider bei diesen Fällen von Pädophilie, dass kein Be­reich davor gefeit ist. Leider! Und da muss es natürlich strenge Konsequenzen geben, denn für mich ist dieser Bereich der Kriminalität wirklich der abscheulichste Bereich.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nur zur 6. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Greiderer, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie lautet:

1764/M-BR/2011

„Wie weit sind die Überlegungen zur Neuordnung des Obsorgerechtes gediehen?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ich habe bereits er­wähnt, dass das ein sehr, sehr wichtiges Thema für mich ist und dass das sicherlich ei­ner meiner Schwerpunkte in den nächsten Monaten sein wird. Im Februar, März wird die Arbeitsgruppe ihre Arbeit beenden. Es hat jetzt ein bisschen länger gedauert, weil die Themen in dieser Arbeitsgruppe erweitert wurden. Sie befasst sich nicht nur mit dem Thema Obsorge, sondern auch mit den Themen Besuchsrecht und Verfahrens­recht.

Es gibt Annäherungen in der Arbeitsgruppe, auch das Familienministerium und das Frauenministerium sind in diese Arbeitsgruppe eingebunden. Ich möchte wirklich gerne einen Konsens in dieser sehr heiklen und gesellschaftspolitisch so wichtigen Frage er­reichen. Die Annäherungen beziehen sich auf das Thema Schlichtungsstelle, auch auf das Thema Besuchsrecht. Wir müssen die Besuchsrechte möglichst schnell regeln, provisorisch regeln, damit es nicht zu Vakanzen kommt. Es kann nicht sein, dass ein Kind seinen Vater oder seine Mutter – je nachdem – monatelang, manchmal vielleicht sogar jahrelang nicht zu Gesicht bekommt, weil die Verfahren und die Gutachten so lange dauern. Da muss sich etwas ändern.

Betreffend Obsorge bin ich nach wie vor natürlich eine Verfechterin der gemeinsamen Obsorge. Aber auch da möchte ich, dass es zu einer Einigung kommt: einfach des­wegen, weil die gemeinsame Obsorge sehr viele Vorteile hat, die immer wieder erläu­tert wurden.

Heute ist übrigens ein ganz wichtiger Tag, sehr geehrte Damen und Herren, um 11 Uhr ... Eigentlich muss die Entscheidung schon da sein. (Ein Mitarbeiter des Justiz­ministeriums reicht Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner ein Handy.) – Mein Kollege informiert mich gerade. Moment, ganz exklusiv. (Bundesrat Gruber: „Druckfrisch“!)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat gerade entschieden, dass in der Causa Sporer Österreich verurteilt wird, weil es zu einer Quasi-Ungleichbehandlung von unehelichen und ehelichen Kindern gekommen ist. Sie kennen die Problematik der gemeinsamen Obsorge auch für uneheliche Kinder. Für Deutschland hat es bereits ei­ne Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegeben. Jetzt


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ist es so weit, dass die deutsche Justizministerin an einer Reform arbeitet, die sich mit der Frage Obsorge für uneheliche Kinder beschäftigt.

Wir in Österreich müssen uns jetzt nach dieser Entscheidung auch damit beschäftigen. Ich bin, ehrlich gesagt, nicht ganz unglücklich darüber, weil auch das natürlich ein The­ma ist, das sehr, sehr wichtig ist und das man diskutieren muss. Ein Kind hat nämlich Anspruch auf beide Elternteile. Wir dürfen nicht von den Männerrechten und von den Frauenrechten ausgehen, wir müssen von den Kinderrechten ausgehen. Ich bin schon sehr gespannt. Ich werde mir gleich nachher durchlesen, wie dieses Urteil begründet worden ist. Aber, wie gesagt: ganz exklusiv.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Welche Vorteile erwarten Sie sich vom Vorrang einer gemeinsamen Obsorge nach einer Scheidung oder von unehelichen Kin­dern?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ganz einfach: Es gibt Studien, auch in Deutschland, die belegen, dass die gemeinsame Obsorge per se de­eskalierend ist, dass sie per se, also von sich aus, schon zu einer besseren Ge­sprächsbasis zwischen den getrennten Elternteilen führt.

Sie wissen, die Obsorge betrifft ja nicht den persönlichen Kontakt, es geht eigentlich nur um die Frage, ob der andere Elternteil bei wichtigen Entscheidungen das Kind be­treffend mitzureden hat oder nicht; zum Beispiel bei der Frage, ob sich ein Kind einer medizinischen Behandlung unterzieht, welche Schule es besucht und so weiter.

Warum ist das deeskalierend? – Ich glaube, es wäre ganz wichtig, diese Frage der Ob­sorge aus dem Trennungsstreit herauszulösen. Dieser Streit, die Diskussion um die gemeinsame Obsorge oder die getrennte Obsorge oder die Frage, wer die Obsorge hat, wird im Trennungsstreit instrumentalisiert, der natürlich von Rachegefühlen, von Enttäuschung gezeichnet ist. Und das gehört herausgelöst. (Bundesrätin Posch-Grus­ka: Aber das sind die gleichen Personen! Das stimmt ja nicht!) Die Kinder dürfen nicht instrumentalisiert werden.

Deswegen bin ich überzeugt davon, dass sozusagen der natürliche Zustand, dass nämlich beide Elternteile die Obsorge haben, aufrechterhalten werden soll, aber: Wenn irgendwo eine Gefahr für das Kind gegeben ist, sei es durch Gewalt, sei es durch an­dere Einflüsse, kann natürlich dem anderen Elternteil die Obsorge entzogen werden.

In Deutschland hat sich dieses System sehr gut bewährt. Ich bin immer wieder im Ge­spräch mit meiner deutschen Amtskollegin und auch mit Justiz-Staatssekretär Max Stad­ler. Wir haben wirklich intensiv darüber gesprochen. Die Erfahrungen in Deutschland sind sehr positiv, zumal sich die Zahl der Besuchsrechtsstreitigkeiten und der Unter­haltsstreitigkeiten bei Gericht massiv reduziert hat, seit es dieses System gibt.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bun­desrätin Lugsteiner.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Bis jetzt gab es ja das gewollte gemeinsame Obsorgerecht, es stand eigentlich immer das Kindeswohl im Vordergrund. Mein Informationsstand ist nun: Das von der konserva­tiven Seite geplante Modell der zwingenden gemeinsamen Obsorge würde dazu füh­ren, dass mehr Rechtsstreitigkeiten bei Gericht entstehen – was Sie schon angeführt haben –, um von einer unerwünschten gemeinsamen Obsorge wieder wegzukommen, beziehungsweise würde oft der schwächere Elternteil vom rücksichtslosen Partner mit der Weigerung auf den Verzicht der gemeinsamen Obsorge ungebührlich unter Druck gesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 40

Nun zu meiner Frage: Ist dieses Modell der zwingenden gemeinsamen Obsorge dem­nach nicht eindeutig dem Kindeswohl widersprechend und daher abzulehnen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrte Frau Bun­desrätin, ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden. Es ist so, dass es genau um­gekehrt ist, dass die Zahl der Unterhaltsstreitigkeiten und Besuchsrechtsstreitigkeiten bei Gericht reduziert wird. Das haben die Ergebnisse in Deutschland eindeutig gezeigt. Ich kann Ihnen die Studie gerne zeigen.

Aber ganz unabhängig davon: Das Kindeswohl steht im Vordergrund – keine Frage. Und das Kind hat nun einmal Anspruch auf beide Elternteile. Das steht übrigens auch in dem unlängst vom Nationalrat beschlossenen Kinderschutzgesetz, oder wie man es auch immer nennen mag, nämlich die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die Kin­der erfreulicherweise in Zukunft besser schützen. Auch dort steht eindeutig: Ein Kind hat Anspruch auf beide Elternteile.

Ich sage ja, wir dürfen nicht immer von diesen Extremfällen ausgehen. Es ist nicht jeder Mann gewalttätig und es ist nicht jede Beziehung so problematisch. (Bundesrätin Lugsteiner: Es geht um jedes einzelne Kind!) Es gibt Trennungen, Scheidungen, die problemlos über die Bühne gehen. Leider wird die Frage der Obsorge im Scheidungs­verfahren oft instrumentalisiert, auch dann, wenn eigentlich gar nicht so ein Streit ge­geben ist. Oft ist es so, der eine sagt, ich verzichte auf Unterhalt, dafür bekomme ich die Obsorge. Da wird abgetauscht, und das widerspricht meines Erachtens dem Kin­deswohl.

Aber wir können uns gerne einmal gesondert darüber unterhalten, denn ich hätte dazu viel zu sagen. Und ich zeige Ihnen vor allem gerne diese Studie. (Bundesrätin Lugstei­ner: Nehme ich gerne an! Danke!)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bun­desrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben im Zuge der Frage, was das Obsorgerecht betrifft, dankenswerterweise und richti­gerweise auch die Verfahrensdauer angesprochen, wo dringend etwas getan werden muss. Studien aus Österreich und Deutschland zeigen, dass die Verfahrensdauer in Österreich leider immer noch doppelt so lang ist wie in Deutschland. Deutschland ist aber jetzt schon wieder dabei, ein neues Gesetz in die Wege zu leiten, was das Ganze noch reduzieren und noch effizienter machen soll.

Wir wissen auch aus der Vergangenheit, dass es aus Ihrem Ressort sehr viele Klagen über personelle Unterbesetzung gegeben hat. Daher knüpft sich daran meine Frage: Ist die personelle Unterbesetzung mit schuld daran, dass Verfahren so lange oder über­lange dauern?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Natürlich hätte ich ger­ne 1 000 Richter mehr – keine Frage –, aber die Frage stellt sich zurzeit einfach nicht. Erstens haben wir letztes Jahr Personal dazubekommen, außerdem: Ich war selbst ein­mal Standesvertreterin bei den Richtern und muss sagen, man jammert immer, dass man zu wenig Personal hat. Das ist so.

Aber wir haben auch die Richterschaft in die Arbeitsgruppe eingebunden. Das wird ei­gentlich nicht als Grund gesehen, selbst von den Richtern nicht. Ich glaube, das Pro­blem, das wir gerade in den Familienrechtsverfahren haben, ist, dass sehr viele Sach­verständigengutachten angefordert werden, erstellt werden. Und das ist das Problema­


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tische, denn die Erstellung dieser Gutachten dauert sehr lange. Wir haben wenige Sach­verständige, die in diesem Bereich tätig sind. Dieses Problem kommt dazu.

Deswegen finde ich die norwegische Lösung, wie ich sie gerne nenne – ich habe mir nämlich in Norwegen vor Ort angesehen, wie das dort funktioniert –, dass man sozusa­gen die Expertise vorverlagert, gut. Auch die Expertise der Psychologen wird vorver­lagert, indem man sich mit den Streitteilen als Richter an einen Tisch setzt, mit einem Psychologen, und einfach ohne Protokoll, formlos miteinander redet. Das bringt un­heimlich viel. In Norwegen gibt es kaum mehr Prozesse im Familienrechtsbereich.

Dadurch wird es natürlich auch viel schneller zu Lösungen kommen. Das ist sicher ein ganz wesentlicher Ansatzpunkt. Es werden auch noch weitere verfahrensrechtliche Ver­besserungen in der Arbeitsgruppe überlegt, die bald präsentiert werden.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Lindinger, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin, Sie wis­sen ja, in den letzten Wochen hat auch in Oberösterreich die Aussage eines Präsiden­ten des Oberlandesgerichtes für Diskussionsstoff gesorgt.

Meine Frage an Sie:

1767/M-BR/2011

„Welche Überlegungen betreffend die Gerichtsorganisation stellen Sie zur Qualitäts­sicherung der Rechtsprechung wie auch der Standortpolitik insbesondere für Oberös­terreich an?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Bundesrat, ich bin selbst auf einem kleinen Bezirksgericht, an einem kleinen Gerichtsstandort quasi auf­gewachsen. Mein Vater war 30 Jahre lang Gerichtsvorsteher in Tamsweg, und ich weiß, welch große Vorteile ein Kleingericht auf dem Land hat. Keine Frage. Es ist sozusagen der rechtliche Nahversorger.

Natürlich gibt es hier schon noch Gerichtsgrößen, wo man sagen muss: Nein, effizient ist das nicht! Wenn nicht einmal eine ganze Richterplanstelle an einem Gericht an­sässig ist, so kann das nicht effizient sein. Aber das ist eben eine sehr sensible Frage, und da kann man nicht so einfach drüberfahren. Das geht auch rechtlich gar nicht, denn bei der Frage der Gerichtsstandorte haben natürlich auch die Landesregierungen etwas mitzureden. Wir haben bei den Budgetverhandlungen einmal nur ansatzweise angefragt – da bin ich gleich einmal auf große Ablehnung gestoßen in den Bundeslän­dern.

Aber was Oberösterreich betrifft: Da gibt es ein paar Gerichtsstandorte, wo die Ge­richte wirklich sehr, sehr klein sind. Ich möchte mich gerne einmal mit dem Herrn Landeshauptmann darüber unterhalten. Wir haben uns vorhin gerade ausgemacht, ei­nen Termin zu vereinbaren, um einmal diese einzelnen Standorte zu besprechen. Wenn es da seitens der Landesregierung Zustimmung gibt, bin ich gerne bereit, Gerichte zu­sammenzulegen, denn eine Ersparnis bringt das sicher, nämlich eine Ersparnis im Be­reich der Sicherheit.

Wie Sie wissen, werden ja jetzt – nach diesen traurigen Vorfällen in Hollabrunn – alle Bezirksgerichte besser abgesichert. Das heißt, das kostet natürlich auch etwas, und je kleiner das Gericht ist, desto teurer ist es im Verhältnis. Da gäbe es natürlich dann auch eine Einsparung. Der Standort selbst ist meistens nicht sehr teuer, weil das oft sehr günstige Mieten sind. Die Fälle werden ja nicht weniger, wenn man Gerichte zu­


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sammenlegt. Das heißt, das Personal kann dadurch nicht reduziert werden, und die Standorte sind nicht weiß Gott wie teuer. Also, große Einsparungen sind dadurch si­cherlich nicht möglich, aber im Bereich der Sicherheit kann durchaus etwas eingespart werden.

Das ist sicherlich eines der Argumente, die für Zusammenlegungen sprechen. Aller­dings geht es da auch um die Gerichtstage. Sie wissen, es gibt an den aufgelösten Ge­richtsstandorten sogenannte Gerichtstage. Da setzt sich der Richter einmal die Woche oder manchmal zweimal im Monat mit einer Sekretärin in ein Gemeindeamt und macht quasi einen Amtstag. Da kommen dann Leute mit ihren Problemen. Es hat sich aber gezeigt, dass dieser Gerichtstag nicht besonders stark genutzt wird, und ich glaube, den sollten wir jetzt in ganz Österreich schön langsam streichen, auch weil gerade an diesen Gerichtstagen überhaupt keine Sicherheit für den Richter gegeben ist. Da kann jeder hineinmarschieren, da gibt es überhaupt keine Sicherheit. Das ist sicherlich auch ein Argument, um zu sagen: Schauen wir, dass wir auch einmal von den Gerichtstagen wegkommen!

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesminister, Sie haben jetzt davon gesprochen, dass die Möglichkeit besteht, Gerichtsorte oder Bezirksge­richte zusammenzulegen. Welche Bezirksgerichte sind am ehesten von einer Schlie­ßung betroffen beziehungsweise welche Nachteile können davon ausgehen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ich habe leider nicht die Namen der Gerichte oder der Gerichtsstandorte da, die in Frage kommen. Sie sind Oberösterreicher und kennen diese Kleinstgerichte wahrscheinlich. Ich möchte wirklich vorher mit dem Herrn Landeshauptmann darüber sprechen und auch mit Herrn Ge­richtspräsidenten Jung, der ja diese Frage aufgeworfen hat.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bun­desrätin Astleitner.

 


Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Eigentlich ist meine Frage auch schon beantwortet worden, und zwar sehr ausführlich, nämlich: Wie realistisch sind Gerichtszusammenlegungen im Hinblick auf die Rechts­lage?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ja, eigentlich ist die Frage gerade beantwortet worden.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminis­ter! Auch meine Frage betreffend die Auflösung der Gerichtstage wurde mehr oder weniger beantwortet. Ich würde Sie aber bitten, mir zu sagen, in welchem Stadium so­zusagen man hier ist, diese Gerichtstage an den ehemaligen Standorten aufzulösen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Bei den Gerichtstagen sind wir gerade dabei, diesbezüglich auch Rücksprache mit den einzelnen Landes­hauptleuten zu führen, wobei ich bis jetzt eigentlich keinen Widerstand erfahren habe. Ich glaube, dass man die Gerichtstage auflöst – ein bis zwei Standorte sind fraglich, da sie besonders abgelegen sind –, ist eigentlich nicht wirklich – wie soll ich sagen? – um­


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stritten. (Bundesrat Brückl: Wird das schnell abgewickelt?) – Ich möchte es schon schnell abwickeln, weil auch hier Ressourcen gewonnen werden. Es ist natürlich nicht sehr effizient, wenn ein Richter einmal die Woche den ganzen Vormittag wo sitzt – und es kommt eine Person wegen einer Auskunft. Der Richter könnte in der Zwischenzeit andere Arbeit machen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin! Der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich hat heute auch in seinem State­ment angemerkt, dass er bezüglich Gerichtsschließungen oder Zusammenlegungen ge­sprächsbereit ist, sofern es aus dem Ministerium ein Konzept gibt.

Meine Frage: Gibt es bereits ein Konzept, das in Erarbeitung ist, und bis wann wird es der oberösterreichischen Landesregierung unterbreitet, damit auch die Mitglieder der oberösterreichischen Landesregierung rechtzeitig in diesen Diskussionsprozess einbe­zogen werden?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ich glaube, es gibt bei uns im Ministerium bereits fünf Konzepte zu diesem Thema. Es gibt Konzepte, und das wird zunächst auch einmal Thema des Gesprächs mit dem Herrn Landeshauptmann und in weiterer Folge natürlich mit der Landesregierung sein. Es gibt bereits Konzepte und Pläne verschiedensten Ausmaßes, je nachdem, wie viel man im Endeffekt schlie­ßen will. (Bundesrat Dönmez: Kann man heuer noch damit rechnen? Die nächsten Monate? Nächstes Jahr?) – Das wird sicherlich heuer diskutiert werden.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Die Fragestunde ist beendet.

Danke, Frau Ministerin.

11.27.17Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältig­ten und verteilten Anfragebeantwortungen 2569/AB und 2570/AB sowie jenes Ver­handlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mit­teilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6)

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 22. Dezember 2010 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2011 (Bundesfinanzge­setz 2011 – BFG 2011) samt Anlagen (980 und 1044/NR der Beilagen)

*****

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 44

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Eingelangt sind die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2009 und der Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2009, die jeweils dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Ebenso eingelangt ist der Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäi­schen Kommission für 2011 und zum 18-Monats-Programm des Rates für 2010/2011, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Darüber hinaus ist die Petition 28/PET-BR/2011 betreffend „Bessere Versorgung des ländlichen Raumes mit Breitband-Internet“, überreicht von Bundesrat Georg Keusch­nigg, eingelangt, die dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zur Vorbe­ratung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 und 6, 8 und 9 sowie 10 und 11 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

11.29.181. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz über den Verbraucherschutz bei Teilzeitnutzungs- und Nutzungsvergünstigungs­verträgen (Teilzeitnutzungsgesetz 2011 – TNG 2011) (1028 d.B. und 1056 d.B. so­wie 8445/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um den Bericht.

 


11.29.27

Berichterstatter Christian Füller: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über den Beschluss des National­rates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz über den Verbraucherschutz bei Teilzeitnutzungs- und Nutzungsvergünstigungsverträgen liegt Ihnen allen schriftlich vor.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung vom 1. Februar 2011 in Verhandlung genommen.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, und bitte die Frau Präsidentin, in die Diskussion einzutreten.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 45

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.30.10

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Oberösterreicher freut es mich, am Beginn meiner Wortmeldung die Lehrerinnen und Lehrer des Bezir­kes Perg und Freistadt recht herzlich begrüßen zu dürfen. Sie sind jene Lehrerinnen und Lehrer, die mehr tun als ihre Pflicht: Sie arbeiten in Arbeitsgemeinschaften zusam­men über die Bezirks- und Schulgrenzen hinweg. Ihre Bezirksschulinspektorin Burgi Astleitner ist meine Sitznachbarin, und sie lobt ihre Lehrerinnen und Lehrer immer über den grünen Klee. Und auch unser Landeshauptmann hat heute in seinem Statement und seiner Grundsatzerklärung die hohe Qualität und das Engagement unserer Lehre­rinnen und Lehrer in Oberösterreich und in ganz Österreich entsprechend hervorgeho­ben. Deshalb herzlich willkommen im Hohen Haus und einen schönen Aufenthalt! (All­gemeiner Beifall.)

Nun zur Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Auch in Österreich sind und werden Reiserabattklubs, Timesharing, langfristige Urlaubsprodukte und Tausch­pools immer beliebter. Durch das vorliegende Gesetz sind in Zukunft diese Konsumen­tInnen besser geschützt, nämlich mit einem Rücktrittsrecht von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen. Aber auch die Informationspflicht bei Teilzeitnutzungs- und Nutzungsver­günstigungsverträgen wird verbessert.

Wichtig ist aber auch, dass sich der Schutz jetzt auf alle Übernachtungsunterkünfte be­zieht, also auch auf Schiffe oder auf Wohnwägen. Damit wird auch der Beweis er­bracht, dass sich das Recht an die aktuellen Bedürfnisse entsprechend anpasst.

Es handelt sich hierbei um den ersten Fall eines voll harmonisierten Verbraucher­schutzes in der Europäischen Union. Dieses Gesetz schützt in Zukunft die Konsumen­tInnen vor dubiosen Timesharingmodellen. Es wird von unserer Fraktion im Sinne des Verbrauchers begrüßt und findet unsere Zustimmung. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


11.32.45

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte, bevor ich auf das Teilzeitnutzungsgesetz zu sprechen komme, nur noch sagen, dass wir aufgrund der Fragestunde leider die gemeinsame Obsorge nicht ganz so ausführlich diskutieren konnten. Ich hoffe und wünsche, dass Sie vielleicht einmal zu einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema kommen könnten. Dann könnten wir das ausführlicher diskutieren, denn es sind viele Fragen noch im Raum gestanden, deren Beantwortung sehr inter­essant gewesen wäre.

Wir beschließen heute ein neues Teilzeitnutzungsgesetz. Dieses Gesetz handelt vom sogenannten fremdsprachlichen Begriff Timesharing, das ja verschiedene rechtliche Erscheinungsformen kennt. Timesharing fand, ausgehend von den USA, in den neun­ziger Jahren weltweit Verbreitung auf dem Urlaubsmarkt. Kern des Timesharing ist es, Interessenten eigentümerähnliche Rechtspositionen einzuräumen, in Verbindung mit zeitlich begrenzten Nutzungsrechten an Ferienwohnungen, Ferienanlagen und Hotels, und es war natürlich gerade jene Personengruppe davon besonders angesprochen, wel­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 46

che sich alleiniges Eigentum an einem Ferienhaus oder an einer Ferienwohnung nicht leisten konnten oder wollten.

Zahlreiche österreichische Urlauber und Urlauberinnen hatten in den neunziger Jahren in Spanien, aber auch in Österreich, in Salzburg und in der Steiermark Nutzungsrechte an solchen Ferienwohnungen und -häusern erworben und Timesharing-Verträge abge­schlossen. Es zeigte sich bald, dass Anbieter häufig aggressive Werbepraktiken ange­wendet hatten und Interessenten oft zu unüberlegten und übereilten Vertragsabschlüs­sen überrumpelten. Die Verbraucher hatten Probleme mit mangelhaften Verbraucherin­formationen, mit fragwürdigen Vertriebsmethoden, aber sie hatten auch sehr oft Schwie­rigkeiten, aus diesen Teilzeitnutzungsverträgen auszusteigen. Sehr oft waren diese dann auch unkündbar und so weiter, sehr oft sind dann die Bauträger in Konkurs gegangen. All diese Schwierigkeiten zeigten sich dann im Laufe der Zeit für die Verbraucher.

Was dann noch dazugekommen ist, war, dass natürlich diese Timesharingverträge ei­nen transnationalen Charakter gehabt haben. Sehr oft mussten sich die Verbraucher mit fremden Rechtsordnungen herumschlagen, die ganz andere verbraucherrechtliche Schutzstandards kannten, und daher konnten sich die Verbraucher rechtlich nicht ent­sprechend wehren. Um diesen verbraucherschutzrechtlichen Defiziten zu begegnen, wurde schon 1994 eine europäische Richtlinie zum Schutz der Erwerber von Teilzeit­nutzungsrechten verabschiedet, und diese europäische Richtlinie fand dann durch die Schaffung des Teilzeitnutzungsgesetzes 1997 Eingang in die österreichische Rechts­ordnung.

Das Gesetz, welches wir heute beschließen, ist aber keine Novelle des alten Teilzeit­nutzungsgesetzes, sondern ein neues Gesetz. Es unterscheidet sich nämlich in we­sentlichen Punkten vom alten Gesetz, weshalb man dazu übergegangen ist, gleich ein neues Gesetz zu schaffen. Es hat den Zweck, Regelungslücken zu schließen, und es ist sozusagen ein weitaus reiferes Gesetzesvorhaben als das alte Teilzeitnutzungsge­setz, denn der Anwendungsbereich ist viel weiter.

Zum Beispiel fallen jetzt nicht mehr nur unbewegliche Sachen wie Immobilien darunter, sondern auch bewegliche Sachen wie Wohnmobile, Wohnwägen, Hausboote, Raum­einheiten auf Kreuzfahrten und sonstigen Schiffen. Zum Zweiten fallen mittlerweile auch Verträge darunter, die eine Mindestdauer von einem Jahr aufweisen. Und zum Dritten ist dieses Gesetz ausgeweitet auf die verschiedensten Vertragstypen, die im Zusammenhang mit derartigen Teilzeitnutzungsverträgen stehen.

Oft schließen ja die Verbraucher nicht nur einen Teilzeitnutzungsvertrag ab, sondern sie schließen in diesem Zusammenhang andere Verträge ab, wie zum Beispiel Vermitt­lungsverträge oder sogenannte Tauschsystemverträge, die ihnen gegen Gebühr auch den Tausch von Appartements vermitteln, damit die Verbraucher den Urlaub nicht im­mer am selben Ort verbringen müssen.

Es sind in Zukunft aber auch Reiserabattklubs von diesem Gesetz erfasst, wo es dem Verbraucher gegen Entgelt für einen bestimmten Zeitraum ermöglicht wird, günstige Reiseangebote in Anspruch zu nehmen.

Neben diesem gesamten ausgedehnten Anwendungsbereich, den dieses Gesetz nun vorsieht, ist aber auch die rechtliche Qualität dieser Richtlinie eine ganz andere, denn im Gegensatz zur alten Richtlinie, die nur eine Mindestharmonisierung vorsah, sieht diese Richtlinie nun eine Vollharmonisierung in allen Mitgliedstaaten vor. Das heißt, in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind damit alle Bestimmungen des Ver­braucherschutzes, die im Widerspruch zu dieser Richtlinie stehen, unzulässig.

Was unverändert geblieben ist und aus dem alten Gesetz übernommen wurde, sind die ganz wichtigen umfassenden vorvertraglichen und vertraglichen Informationspflichten des Unternehmers und auch das an keine Gründe gebundene Rücktrittsrecht des Ver­brauchers.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 47

Klar ist aber auch, dass natürlich diese europäische Richtlinie sinngemäß nur dort An­wendung findet, wo die Nutzungsobjekte, sprich die Ferienwohnungen et cetera, auch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union sind. Für Ferienobjekte in Staaten außer­halb der Europäischen Union hat dieses Gesetz natürlich keine Gültigkeit. Deshalb wä­re es ja auch sinnvoll, zum Beispiel mit Nicht-EU-Ländern, in welchen Österreicher und Österreicherinnen oftmals Nutzungsrechte an Ferienwohnungen erwerben, vielleicht in Hinkunft bilaterale und völkerrechtliche Verträge abzuschließen, um auch hier den Ver­braucherschutz zu gewährleisten und auch hier Lücken zu schließen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, das Gesetz ist jedenfalls eine wesentliche Verbesserung des Verbraucherschutzes, der ja auch durch die Vollharmonisierung in der gesamten Europäischen Union gewährleistet wird. Selbstverständlich wird meine Fraktion diesem Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

11.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kickert. – Bitte.

 


11.39.39

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dieser wirklich sehr ausführlichen Stellungnahme meiner Kollegin Duzdar werde ich mich auf einen Satz beschränken, nämlich: Es ist zu begrüßen, dass die Umsetzung dieser Richtlinie ohne wesentliche Einschränkungen des bereits bestehenden hohen österreichischen Rechts­schutzes zustande gekommen ist, und wir werden dem zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

11.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte.

 


11.40.18

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Auch ich werde mich sehr kurz fassen.

Lieben Sie Tauschpools, Reiserabatt-Clubs oder andere längerfristige Urlaubsproduk­te? Ich kenne das ehrlich gesagt auch nicht, ich habe nie Zeit für Urlaub. Allerdings, wenn Sie diese schätzen, dann sind Sie in Zukunft besser geschützt, etwa mit einem Rücktrittsrecht. Sie sind dann aber auch geschützt, was alle anderen Übernachtungs­unterkünfte betrifft. Es sind von diesem Schutz zum Beispiel auch Boote, Schiffe und Wohnwägen betroffen. Das ist eine große Neuerung.

Eines ist auch noch sehr neu – es wurde bereits erwähnt –: Es ist der erste Fall eines in Europa harmonisierten Verbraucherschutzes. Wir müssen da in Zukunft nur sehr, sehr aufpassen. In dem Fall gibt es keinen Nachteil für Österreich, denn unser Schutz ist vorher nicht besser gewesen, aber es gibt Bereiche des Verbraucherschutzes, in denen wir einen sehr, sehr hohen Standard haben. Diesen dürfen wir durch eine Voll­harmonisierung nicht verlieren. Gegen eine Verschlechterung unseres Standards wer­de ich auf europäischer Ebene kämpfen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 48

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

11.42.072. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über die Rechte von Kindern (935/A und 1051 d.B. sowie 8443/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr kommen wir zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Ich bitte um den Bericht.

 


11.42.16

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über die Rechte von Kindern.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; auf eine Verlesung kann daher verzichtet werden; ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Da Herr Bundesrat Dönmez nicht im Saal ist, ist die erste Rednerin Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


11.43.16

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Am 20. November vor 22 Jahren wurde in der General­versammlung der Vereinten Nationen die UN-Kinderrechtskonvention beschlossen. Österreich hat sie 1990 unterschrieben, der Nationalrat hat sechs Monate danach das Übereinkommen genehmigt. Am 5. September 1992 trat es dann mit dem Erfüllungs­vorbehalt formal in Kraft. Österreich war somit einer von 182 Staaten, die diese Kin­derrechtskonvention ratifiziert hatten – außer Amerika und Somalia. Das konnte ich auch schon bei meiner letzten Rede zur Kinderpornographie feststellen. Ich denke, das sind Zahlen, die für uns als gesetzgebende Institution schon sehr wichtig sind, damit wir auch wissen, wie lange das manchmal dauern kann und wie zäh diese Verhandlun­gen sind.

Die Situation war, obwohl wir die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben, eine sehr unbefriedigende. Deswegen mussten wir auch laufend über die Kinderrechtskonven­tion diskutieren.

Es sind wirklich sehr, sehr viele Verhandlungsrunden und Ausschusssitzungen mit Ex­perten und Expertinnen dieser jetzigen Beschlussfassung vorangegangen. Es wurde sehr heftig und sehr intensiv darüber diskutiert, was mich persönlich als Vorsitzende der Kinderfreunde Burgenland natürlich sehr freut, wenn die Kinderrechte im Mittel­punkt der Anliegen stehen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass sich vor allem die Nationalrätin Angela Lueger hier sehr, sehr stark eingebracht hatte und auch von den NGOs, die sich mit dem The­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 49

ma Kinderrechte befasst haben, ausdrücklich mit Lob bedacht wurde, auch wenn das Ergebnis dann von den NGOs nicht so positiv gesehen wurde.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag zu den Kinderrechten befindet sich im Einklang mit den Menschrechten, im Einklang mit den Grundrechten und Rechten, die eingefordert und umgesetzt werden müssen.

Unsere bestehende Gesetzgebung, so wie wir sie jetzt haben, muss aber auch durch­forstet werden, damit sie mit den heutigen Beschlüssen konform geht. Viele Teile der gesamten Konvention sind – wie schon erwähnt worden ist – Bestandteil der österrei­chischen Gesetzgebung und Bestandteil der österreichischen Rechtsprechung.

Einzelne Bestimmungen sind aber ganz, ganz sicher mit Leben zu erfüllen. Ich appel­liere daher besonders an Staatssekretärin Verena Remler, jetzt hier aktiv zu werden, um im Einklang – und das wird sicher sehr mühsam werden, das weiß ich, und wir sa­gen ihr auch die volle Unterstützung zu – mit den einzelnen Ländern und deren Vertre­terinnen und Vertretern einheitliche Jugendschutz- und Kinderschutzbestimmungen zu erstellen. Es geht um einheitliche Standards, es geht um einheitliche Kriterien und es geht vor allen Dingen um ein dicht verknüpftes Netz zum Schutz der Kinder, die wirk­lich sehr oft dann, wenn Gewalt vorherrscht, hilflos sind. Für jene Kinder muss dieser Schutz gewährleistet werden. Gefahren müssen absolut ausgegrenzt werden.

Das heutige Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dass nach dem ersten Schritt, der gesetzt werden muss, auch immer ein zweiter Schritt kommen muss, wis­sen wir. Es werden ganz sicherlich Verbesserungen folgen.

Ich habe vorher schon erwähnt, dass ich bei den Kinderfreunden Funktionärin bin. Wir Kinderfreunde treten schon seit 1908 für die Interessen und die Rechte der Kinder ein. Wir haben auch immer wieder mit verschiedensten Aktionen, die kindgerecht ge­staltet, aber auch für die Erwachsenen aufbereitet gewesen sind, auf die Rechte der Kinder aufmerksam gemacht.

Ich denke, dass es für uns alle nach diesem heutigen Beschluss wichtig ist, die Kinder­rechte in den Köpfen der Menschen zu verankern. Es wird notwendig sein, dass wir wieder einmal mehr Zivilcourage einfordern. Es wird notwendig sein, dass wir zum Bei­spiel bezüglich des Artikels, wo es um den Anspruch auf Schutz und Fürsorge sowie auf die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung der Kinder geht, auf Folgendes hin­weisen. Gerade heute ist aktuell herausgekommen, dass das Kinderschutzzentrum in Salzburg im Jahr 2010 um 13,5 Prozent mehr Klientinnen und Klienten gehabt hat, um 20 Prozent mehr Prozessbegleitungen und um 23,5 Prozent mehr Beratungsstunden als im Vorjahr durchgeführt hat. Finanziert wird das ganze Kinderschutzzentrum in Salzburg jedoch durch Spenden.

Ich denke, nach so einem Gesetzesbeschluss, wie wir ihn heute haben, wird es auch notwendig sein, dass wir seitens des Bundes schauen, wie wir durch diese Gesetze, die wir heute beschließen, auch eine bessere Verankerung und vor allem eine Absi­cherung unserer Kinder gewährleisten können.

Ein Artikel, den wir heute auch beschließen werden, ist: „Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn“ – und das ist für mich sehr wichtig –, „dies steht seinem Wohl entgegen.“

Wir haben heute schon die Möglichkeit gehabt, mit der Frau Ministerin – leider nur sehr kurz, aber trotzdem – über die gemeinsame Obsorge ansatzweise zu diskutieren. Ich denke, es ist ganz, ganz wichtig – und ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Dis­kussion im Bundesrat noch vertiefen könnten –, bei der gemeinsamen Obsorge nicht das Recht der Väter in den Vordergrund zu stellen, sondern das Recht des Kindes in den Vordergrund zu stellen, das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu stellen. Dann


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 50

kann es nämlich nicht sein, dass es eine verpflichtende gemeinsame Obsorge gibt. Wir sollten von dem jetzigen Gesetzesstatus ausgehen, wo eine gemeinsame Obsorge möglich ist, wenn es von den Eltern gewünscht wird.

Die Frau Ministerin hat es gesagt, und daher verstehe ich es noch weniger, wenn sie sagt: Es geht darum, diese Streitparteien herauszunehmen. Aber genau um diese Streitparteien, genau um dieses Beispiel, das die Ministerin genannt hat, geht es. Wenn es zum Beispiel um einen wichtigen medizinischen Eingriff bei einem Kind geht, müssen dann beide Elternteile diesem zustimmen. Das kann nicht sein! Da steht das Wohl des Kindes im Hintergrund. Wenn der Vater oder die Mutter – das ist jetzt voll­kommen geschlechtsneutral, ich möchte nicht sagen, dass die Väter oder die Mütter die Schlechten sind –, wenn einer dieser beiden Elternteile als Rache wegen irgend­einer Verletzung dem nicht zustimmt, dann haben wir die Situation, dass das Wohl des Kindes nicht mehr im Vordergrund steht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

Wir haben jetzt schon die gesetzliche Situation, eine mögliche gemeinsame Obsorge in Anspruch zu nehmen. Auch ich bin geschieden, auch ich habe ein Kind, und wir haben die gemeinsame Obsorge, weil ich mich mit meinem Mann so getrennt habe, dass wir heute noch miteinander sprechen und uns jetzt besser verstehen als damals, als wir verheiratet waren. (Bundesrätin Mühlwerth: Dort müssen wir hin!) – Da sind wir jetzt! Wir sind jetzt in dieser Situation, dass wir es uns aussuchen können. Und daher kann es nicht sein, dass es eine verpflichtende gemeinsame Obsorge gibt. Daher ist dieser Punkt für mich auch ein sehr wichtiger.

Ein Anspruch auf „angemessene Beteiligung und Berücksichtigung seiner Meinung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten“ ist ein weiterer Punkt, den wir heute be­schließen werden. Da ist – das habe ich anfangs schon gesagt – ganz sicherlich Frau Staatssekretärin Remler gefordert, Möglichkeiten zu suchen, wie wir Kinder und Ju­gendliche in den Diskussionsprozess einbinden können, wie wir Kinder und Jugendli­che mit verantworten können, wie sie aber auch ihre Meinung sagen können. Ich den­ke, da ist hier im Parlament mit der Demokratiewerkstatt für Kinder und Jugendliche ein ganz toller und wichtiger Schritt schon gelungen. In sehr vielen anderen Parlamenten gibt es auch Kinder- und Jugendparlamente und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Ich denke, das müssen wir noch ausbauen und die Kinderrechte auch in den Schulen für die Kinder aufbereiten.

Wovor ich warnen möchte, ist, dass es uns wie bei dem Thema „Wählen mit 16“ er­geht, wo wir zwar den Beschluss gefasst haben, aber die dazugehörige Maßnahme, sozusagen das Fleisch dazu, nämlich die politische Bildung in den Schulen so zu ver­ankern, dass sich die Jugendlichen wirklich frei entscheiden können, dann nicht mehr gesetzt haben. Ich glaube, dass es notwendig ist, diese Kinderrechte dann in der Schu­le dementsprechend mit den Kindern und Jugendlichen aufzubereiten.

Ein Recht auf gewaltfreie Erziehung ist auch ein Punkt, den wir heute mit dieser Kin­derrechtskonvention beschließen werden. Nach einer Studie – im „Standard“ von vori­ger Woche nachzulesen – wissen 38 Prozent der Eltern nicht, dass Kinder nicht ge­schlagen werden dürfen. Auch da, denke ich, ist es notwendig und wird es wichtig sein, diese Kinderrechte in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Der jetzigen Gesetzesvorlage wird meine Fraktion natürlich zustimmen, und wir freuen uns schon, dann den nächsten Schritt zum Wohle des Kindes zu setzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dön­mez. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 51

11.52.01

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die For­derung, Kinderrechte in der österreichischen Verfassung zu verankern, ist berechtigt. Es war auch wirklich höchste Zeit, dass sich das Parlament zu diesem Schritt endlich einmal entschließen konnte.

Wir Grüne fordern schon seit langer Zeit mehr Rechte für Kinder. Wir fordern auch, die­se Rechte gemäß der UN-Kinderrechtskonvention in der Verfassung zu verankern. Deshalb ist die UN-Kinderrechtskonvention ein großer Fortschritt in der gesamten De­batte um die Grundrechte.

Kinderrechte sind Menschenrechte, und Menschenrechte sind universal. Dennoch wer­den Menschenrechte in unterschiedlichen Regionen, Religionen oder Kulturräumen durch­aus unterschiedlich akzentuiert und teilweise auch begründet. Das gilt auch für Öster­reich.

In Österreich ist es ab heute so, dass wir zwar die Kinderrechte in der Verfassung ha­ben, andere Gesetzesmaterien jedoch über diesen Universalrechten stehen. Das Frem­dengesetz kann die verfassungsmäßigen Kinderrechte in Zukunft außer Kraft setzen. Das ist ein österreichisches Spezifikum. Es werden genau jene Kinder, die ohnehin schon am wenigsten Schutz haben, am meisten betroffen sein. Kinder als eigen­ständige Rechtsträger zu definieren und zu sehen ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich niemand anmaßen darf, diese Rechte zu untergraben.

Die UN-Kinderrechtskonvention besteht aus 41 Artikeln, die garantieren, dass Kinder und Jugendliche eine verbesserte Situation in der Gesellschaft vorfinden. Die Umset­zung dieser 41 Artikel in die österreichische Verfassung ist für uns sehr unbefriedigend. Diese Version der Kinderrechte ist eine Light-Version, auf die wir bitte nicht stolz sein können und stolz sein dürfen.

Dieser vorliegende Entwurf lässt eine ganze Reihe an Fragen offen und trägt nicht da­zu bei, die Situation von Kindern und Jugendlichen in Österreich zu verbessern. Die Be­reiche wie Gesundheit, Armutsgefährdung, Bildungschancen und Diskriminierung wer­den von diesem Verfassungsgesetz nicht tangiert.

Im Gesundheitsbereich haben wir in Österreich eine Situation, die höchst unbefriedi­gend ist, weil es keine einheitlichen Strukturen gibt und es vom Wohnort abhängt, wie gut Kinder und Jugendliche in Krisensituationen versorgt werden können. Die Gesund­heitsversorgung hängt vom Wohnort ab und die Bildungschancen vom Einkommen der Eltern. Es gibt in Österreich keine fairen Bildungschancen, und auch mit diesem Ver­fassungsgesetz wird es sie nicht geben, weil es meiner Meinung nach eine Pro-forma-Aktion ist, die 41 Artikel der UN-Konvention in diese sechs Artikelchen zu verpacken. Und dann haben wir noch diesen 7. Artikel, der dieser Sache eigentlich die Krone auf­setzt. Mit dem Gesetzesvorbehalt, bei fremdenrechtlichen Maßnahmen gelten keine Kin­derrechte, zeigt sich eigentlich der wahre Geist dieses Werkes.

Werte Kolleginnen und Kollegen der SPÖ und ÖVP, Sie machen es sich ganz schön einfach! Es geht eigentlich darum, die Rechte der Kinder zu schützen und die Situation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Genau jene Gruppen, die am verunsi­chertsten sind, die auf der Flucht vor Verfolgung sind, genau diese Kinder und Jugend­lichen lassen Sie im Regen stehen und gehen achselzuckend zur Tagesordnung über. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Mayer: Das ist an den Haaren herbeigezogen!)

Im Ausschuss war ein Experte, und zwar Herr Mag. Sax vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte. Er ist auch Vertreter des Netzwerkes Kinderrechte Österreich und hat diese Gesetzesvorlage ebenso kritisiert und seine Anmerkungen im Ausschuss kundgetan. Es ist das also nicht nur eine reine Kritik der Grünen, sondern sie ist auch von Experten und Expertinnen sachlich untermauert.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 52

Empört waren auch die Menschen, die gesehen haben, wie kleine Kinder abgeholt und eingesperrt wurden. Viele Menschen waren zu Recht empört und haben dieser Empö­rung auch Luft gemacht. 115 000 Unterstützer und Unterstützerinnen haben die Peti­tion „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“ unterzeichnet. All diesen Menschen können wir nun sagen: Wir haben eh etwas getan, aber für die Kinder von Asylsuchenden tun wir leider nichts! Diese Kinder sollen weiterhin keine Rechte haben! Diese Kinder ge­hen uns nichts an! Diese Kinder können weiterhin jederzeit abgeholt und eingesperrt werden! (Bundesrätin Posch-Gruska: Das stimmt ja nicht!)

Werte KollegInnen, ich finde, da machen Sie es sich wirklich sehr einfach. Für mich ist dieses Gesetz nichts anderes als ein Beleg dafür, dass Sie ein schlechtes Gewissen haben, weil Österreich im EU-Vergleich in Gesundheitsfragen an letzter Stelle liegt. Ein schlechtes Gewissen reicht aber nicht aus. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ist meinetwegen die Materie vom Tisch. Wir alle werden aber trotzdem mit den Inhalten weiterhin konfrontiert sein.

Kinder sind Kinder, ganz egal und gleich, woher sie kommen und welche Geschichte und Hintergründe sie haben. Kinder sind immer jene, die Opfer ihrer Umgebung wer­den und in dieser ganzen Kette am unschuldigsten sind. Dieses Gesetz löst das Ver­sprechen, alle Kinder gleich zu behandeln, nicht ein. Ganz im Gegenteil: Flüchtlings­kinder werden zusätzlich benachteiligt. Das können wir nicht dulden.

Darüber hinaus ist es unerträglich, wenn so getan wird, als bräuchten wir in Österreich keine verfassungsmäßige Garantie der Kinderrechte. Es wird den Menschen vorgegau­kelt, dass auch jene Rechte gesichert seien, die nicht im Verfassungsgesetz stehen. Das sind falsche Informationen, die bewusst gestreut werden, um direkt und indirekt weiterhin fremdenfeindliche Gemüter zu befriedigen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Ich halte diesen Weg für einen Irrweg, werter Kollege! Es nützt niemandem, wenn wir In- gegen Ausländer ausspielen oder wenn wir Asylsuchende gegen Zuwan­derer ausspielen. (Bundesrätin Posch-Gruska: Es nutzt auch nichts, wenn man ...!)

Wir Grüne stehen für eine menschliche Politik, die auf gegenseitigem Respekt, auf Klarheit und Transparenz in beide Richtungen aufbaut. Ich rufe alle Kräfte in Österreich dazu auf, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen.

Dieses Gesetz ist ein kleiner Wurf. (Bundesrat Mag. Klug: Schon wieder ein Wurf! – Staatssekretär Mag. Schieder: Da kann man auch dabei sein, bei einem kleinen Wurf!) Wir hätten noch viel, viel Besseres erreichen können, wenn wir die gesamte UN-Kin­derrechtskonvention übernommen hätten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.58.51

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs der Kollegin Posch-Gruska recht geben und sagen: Es hat wirklich eine lange Zeit gedauert, bis es so weit war, dass wir darangingen, Teile dieser UN-Kinderrechtskonvention in die österreichische Bundes­verfassung umzusetzen. Das ist aber, Herr Kollege Dönmez, nicht ein kleiner Wurf, wie du es gesagt hast, sondern das ist eine große Sache, muss man sagen, wenn man das Gesamte betrachtet.

Kollege Dönmez, du musst dich vielleicht doch noch einmal hinter die Bücher setzen, würde ich meinen, wenn ich mir vergegenwärtige, was du vorhin so alles von dir gege­ben hast. Da kann man vieles aus dem Protokoll nehmen, denn es entspricht nicht deinen Intentionen. Du bist sonst ein gut recherchierender Politiker. Aber diese Sache,


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 53

die du von dir gegeben hast, sollte man besser wieder entfernen. (Bundesrat Dönmez: ... im Ausschuss!)

Das Ganze infrage zu stellen, ist wirklich ein blanker Unsinn. Das ist Nonsens. Nur weil wir erst heute die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung beschließen, heißt das nicht, dass Recht auf Bildung zum Beispiel, Recht auf Gesundheit, Recht auf Schutz und Fürsorge nicht auch bisher im österreichischen Rechtssystem gegolten ha­ben. Das ist auch alles nachvollziehbar und nachlesbar.

Österreich hat im Bereich der Kinderrechte eine gut gepflegte Tradition, eine klare Rechtsordnung, sowohl auf verfassungsrechtlicher als auch auf einfachgesetzlicher Ebe­ne, die den Kindern Geborgenheit, Schutz und Sicherheit bietet. Dass es trotzdem zu Missbräuchen oder Misshandlungen, sogar mitunter mit Todesfolge, kommt, kann auch die beste Rechtsordnung, können auch die besten Verfassungsgesetze nicht gänzlich verhindern – leider, wie zum Beispiel der tragische Fall „Cain“ in Vorarlberg gezeigt hat. Aber wir können dafür Sorge tragen, dass wir – und das ist auch wichtig! – die Bevöl­kerung und vor allem die Behörden in Bezug auf dieses Thema sensibilisieren, denn es ist unsere Pflicht, unsere Kinder nach bestem Wissen und Gewissen zu schützen. (Vi­zepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der von der Regierung hier vorgelegte Gesetzestext in Bezug auf die BVG-Kinder­rechte geht im Übrigen aus einem eingehend diskutierten Entwurf des Österreich-Kon­vents hervor. Er steht insofern auf einem breiten und juristisch soliden Fundament, dem auch deine Partei, lieber Kollege Dönmez, die Zustimmung gegeben hat.

Kurzfristig und unreflektiert weitere Grundrechte vorzuschlagen, ist nicht nur nicht ziel­führend, sondern auch unseriös. Solche Grundrechte bedürfen einer soliden verfas­sungsrechtlichen Diskussion und betreffen dann nicht nur die Kinder.

Einige Punkte möchte ich jetzt noch kommentieren, weil sie hier nicht richtig dargestellt wurden.

Beispielsweise behauptest du, Kollege Dönmez, wir hätten beim Recht auf Bildung nicht den Level der UN-Kinderrechtskonvention. Einfache Antwort darauf: Weil wir seit dem Jahre 1964 in der österreichischen Verfassung das Recht auf Bildung verankert haben, wo wir weit über den Level der UN-Kinderrechtskonvention hinausgehen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Dönmez.) Das ist ein Faktum, lieber Kollege!

Es ist auch sicher bekannt, dass in unserer Bundesverfassung im Artikel 14 die Schul­pflicht mit neun Schuljahren normiert ist. Das geht weit hinaus über diese UN-Konven­tion.

Es ist sicher auch bekannt, dass wir im Artikel 14 der Bundesverfassung auch normiert haben, dass, egal, welcher Herkunft man ist, aus welcher sozialen Lage man kommt oder welchen sozialen Hintergrund man hat, das bestmöglichste Bildungsniveau für Kinder gewährleistet sein soll.

Wenn wir also in dieser Hinsicht die UN-Kinderrechtskonvention übernehmen würden, wo zu diesem Thema lediglich ein Halbsatz steht, dann würden wir das Niveau in Ös­terreich im Bildungsbereich senken. Das kann doch nicht dein Ernst sein, Kollege Dön­mez, zumal unser Bildungssystem ja wirklich ein sehr sensibles Thema ist! Ich glaube, diesbezüglich sind wir uns einig. Dieses jetzt nach unten zu nivellieren, wäre meiner Mei­nung nicht sinnvoll.

Oder wenn du, Kollege Dönmez, das Recht auf Gesundheit ansprichst, dann muss ich dir sagen: Wir haben im Vertrag von Lissabon eine EU-Grundrechtscharta enthal­ten. Dort ist im Artikel 35 auch das Recht auf Gesundheit verankert. Also ist das Ver­fassungsbestand! Und wenn du die Übernahme von Bestimmungen, die in der UN-Kinderrechtskonvention stehen, wie im Artikel 40 zum Beispiel, verlangst, dann sei dir


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 54

gesagt: Das hätte zur Folge, dass wir auch in diesem Bereich unsere Judikatur nach unten nivellieren würden, weil die Bestimmungen des Artikels 40 unter unserem ge­setzlichen Standard liegen. Damit würden wir daher den Kindern wirklich keinen guten Dienst erweisen.

Nun zum Gesetzesvorbehalt, wie wir ihn im Verfassungsausschuss des Bundesrates von Herrn Dr. Lanner eindrücklich erklärt bekommen haben.

Warum ist dieser Gesetzesvorbehalt nötig? – Wer tatsächlich die UN-Kinderrechtskon­vention gelesen hat, dem ist klar, dass man diese nicht so einfach eins zu eins in die österreichische Verfassung übernehmen kann. Der Text dieser Konvention eignet sich nicht als Verfassungstext, sondern ist eine Deklaration mit Inhalten. Wir aber wollen vor dem Verfassungsgerichtshof durchsetzbare Rechte schaffen. Daher sind die Formu­lierungen auch präzise und klar gehalten. Grundrechte für die einen können aber zu Eingriffen in die Grundrechte anderer Menschen führen, und daher benötigen wir eben diesen Gesetzesvorbehalt, damit der Gesetzgeber in einer Güterabwägung ganz klar entscheiden kann, inwieweit Eingriffe gerechtfertigt sind beziehungsweise unterbleiben müssen.

Nun auch noch zu deinem Einwand, Kollege Dönmez, was die Fremdenrechte anbe­langt: Es geht hier nicht nur um das Fremdenrecht, sondern es geht hier um alle poten­tiell miteinander in Konkurrenz stehenden Rechtsgebiete. Und das ist ein ganz ent­scheidender Punkt!

Auch die richtige Anwendung des Gesetzesvorbehaltes durch den Gesetzgeber ist vom Verfassungsgerichtshof überprüfbar. Dieser könnte somit Gesetze aufheben, wenn sie der Intention des Gesetzesvorbehaltes nicht entsprechen.

Ich bin der Auffassung, dass wir in Österreich mit diesem Verfassungsgesetz die UN-Kinderrechtskonvention vollinhaltlich umgesetzt haben. So wie im Verfassungsaus­schuss des Bundesrates schon besprochen, sind im einfachgesetzlichen Bereich noch einige Adaptierungen erforderlich, aber da sind wir, Herr Staatssekretär, auf gutem Wege.

Das möchte ich gerne wiederholen: Ja, wir sind auf gutem Wege mit der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in unserer Verfassung, um für die Zukunft und zum Wohl unserer Kinder ein praktikables Rechtskorsett zu schaffen. Meine Fraktion wird daher dieser Vorlage sehr gerne ihre Zustimmung erteilen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zum Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.05.48

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Wie ja von meinen Vorrednern heute schon angesprochen wurde, hat es sehr lange gedauert, bis wir die Kinderrechte in die Verfassung aufge­nommen haben. Seit 20 Jahren wird schon darüber diskutiert, und man sollte eigentlich meinen, dass wir uns da schon viel früher hätten einigen können, abgesehen von ein paar unterschiedlichen Positionen.

Aber gut, wir haben es geschafft, und das ist auch gut so. Und es ist auch vollkommen in Ordnung, dass nicht alle Teile dieser UN-Kinderrechtskonvention in die österreichi­sche Bundesverfassung mit übernommen wurden beziehungsweise in den Verfassungs­rang erhoben worden sind.

Man kann bei einer UN-Konvention, wo viele Gebiete unterschiedlichster Art behandelt werden, denen verschiedene Gegebenheiten zugrunde liegen beziehungsweise die ver­schiedene Voraussetzungen haben, nicht einfach mit dem Rasenmäher drüberfahren


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 55

und sagen: Wir übernehmen das jetzt alles eins zu eins!, sondern man muss schon schauen, was da an einzelnen Punkten in unsere Verfassung passt.

Ich nenne jetzt nur ein Beispiel. Und zwar: In der UN-Kinderrechtskonvention ist in de­ren Artikel 20 Abs. 3 auch der Verweis auf das islamische Recht enthalten, wo ich doch meine, das hätte bei uns überhaupt keinen Platz. Warum ich das für erwähnenswert halte, ist unter anderem die Tatsache – vielleicht ist das dem einen oder anderen noch in Erinnerung –, dass wir in Österreich, obwohl, wie wir meinen, in unserem Land na­türlich österreichisches Recht gilt, in einem Fall, wo eine Frau geprügelt und dabei aufs Schwerste verletzt wurde, einen Richterspruch hatten, wo der Richter ein relativ mildes Urteil gesprochen hat, das dann quer durch die Parteien zu Recht kritisiert worden ist. Dieser Richter hat nämlich seinen Urteilsspruch damit begründet, dass man auf die Um­stände im Herkunftsland des Betroffenen, also des Täters, Rücksicht nehmen müsse.

Das kann doch wohl wirklich nicht möglich sein! Und da ist es, meine ich, vollkommen in Ordnung, dass man diese Dinge außen vor lässt. (Staatssekretär Mag. Schieder: Das spricht nur gegen den Richter!) Das ist nur ein Beispiel von mehreren! (Bundesrat Mag. Klug: Das ist themenfremd!) Nein, das ist nicht themenfremd, weil es durchaus ein Gegenstand der Diskussion war, und das muss man auch hier ansprechen dürfen.

Es ist ja ohnedies bedauerlich, dass das Ganze so lange gedauert hat, wie schon an­fangs von mir erwähnt wurde, weil unsere Kinder den höchsten Schutz bedürfen, sie sind unser wertvollstes Gut, denn sie sind unsere Zukunft. Daher müssen sie in allen Belangen unserem Schutz unterstellt sein. Es ist unsere Pflicht – auch wenn wir viel­leicht in Bezug auf einige Dinge nicht ganz einer Meinung sind –, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder in einer friedlichen, sie fördernden Umgebung aufwachsen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es freut mich sehr, dass im Gesetz festgehalten ist, dass für Kinder der Kontakt zu bei­den Elternteilen wichtig ist. Denn: Wir wissen, wie schwierig es ist und auch wie nach­teilig es sein kann, wenn nur ein Elternteil – meistens sind es die Frauen – die Kinder großzieht, ohne dass sie mit dem anderen Elternteil je konfrontiert werden. Auch von den Psychologen wissen wir, dass der Kontakt zu beiden Elternteilen für die Entwick­lung der Kinder äußerst wichtig ist.

Es hat mich auch gefreut, dass auch das Aufwachsen der Kinder in der familiären Um­gebung – und das war nicht ganz unumstritten, als die FPÖ das zur Sprache gebracht hat – ein wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzes ist. Das ist nicht von jedem gleich so ohne Weiteres akzeptiert worden. Und ich orte ja in der Diskussion leider nach wie vor immer wieder Darstellungen, als wäre die Familie der schlechteste Ort für Kinder zum Aufwachsen. Wir wissen, dass es Missbrauchsfälle in der Familie gibt, wir wissen, dass es Gewalt in der Familie gibt, aber man kann bei der Darstellung nicht nur allein das in den Fokus nehmen. – Wie gesagt, ich freue mich sehr, dass auch dieser Punkt in das Gesetz mit aufgenommen wurde.

Für mich unverständlich ist auch, dass explizit angeführt wird, dass die Kinder in einer ihrer Altersstufe und Entwicklung angemessenen Form befragt werden müssen, wo man doch eigentlich meinen möchte, dass das selbstverständlich sein müsste. – Auch das ist ein zentraler Punkt für uns gewesen.

Wir stehen selbstverständlich zu diesem Gesetzesvorbehalt. Denn, lieber Kollege Dön­mez, in aller oppositioneller Freundschaft: Dass die Rechte, die Kinder haben sollen und die wir jetzt in der Verfassung verankern, bei Asylanträgen und beim Fremdenrecht dann dazu missbraucht beziehungsweise die Kinder quasi in Geiselhaft genommen wer­den, um Aufenthalte erzwingen zu können und um Abschiebungen zu verhindern, leh­ne ich ab. Das habe ich immer abgelehnt, und daran hat sich nichts geändert! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 56

Bedauerlich ist aber – und das ist ein Wermutstropfen –, dass unser Antrag im Na­tionalrat, der auch den Schutz der ungeborenen Kinder mit einbeziehen hätte sollen, abgelehnt worden ist. Wir glauben, dass die lebenden und die noch nicht geborenen Kinder den gleichen Schutz haben müssen. Wir sollten, statt das einfach a priori ab­zulehnen, uns darüber unterhalten, was wir tun könnten – und da gibt es von den Frei­heitlichen viele Vorschläge –, um auch jungen Müttern Mut zum Kind zu machen und sie zu begleiten. Es genügt nicht, den Mutter-Kind-Pass auszustellen und die Untersu­chungen durchführen zu lassen, sondern es müsste zumindest in der ersten Zeit – und da kann man darüber diskutieren, wie lange dieser Zeitraum sein muss – für junge Mütter eine Begleitung geben, ihnen geholfen werden, dass sie mit der alltäglichen praktischen Lebenssituation zurechtkommen.

Dass wir so viele Abtreibungen haben, darf uns nicht mit Wurschtigkeit beziehungs­weise Gleichgültigkeit erfüllen, sondern wir müssen Frauen Hilfe zuteilwerden lassen, damit sie ihre Kinder auch tatsächlich bekommen. Wir werden immer wieder Vorstöße in diese Richtung unternehmen. Vielleicht gelingt es uns, das einmal durchzusetzen.

Es ist ja mit diesem Beschluss – und das ist heute auch schon angeklungen – noch nicht alles getan, sondern das ist lediglich ein erster Schritt, der mit Leben erfüllt wer­den muss. Das heißt, wir werden das auch in einfachgesetzliche Bestimmungen einflie­ßen lassen müssen.

Es gibt immer noch viel zu viele Missbrauchsfälle in Österreich – und die stammen nicht nur aus der Vergangenheit, sondern die gibt es auch in der Gegenwart –, wo Kin­der Opfer von sexuellem Missbrauch und von Gewalt werden. Und da möchte ich schon daran erinnern, dass es schon unzählige Anträge von der freiheitlichen Fraktio­nen gegeben hat, wo eine Anzeigepflicht gefordert wird. Das ist auch etwas, das immer sehr kontroversiell diskutiert worden ist, und letzten Endes wurden dann diese Anträge immer abgelehnt. Das finde ich wirklich bedauerlich.

Beim Fall „Luca“ – das ist einer der entsetzlichen Fälle, die es in der Vergangenheit gegeben hat, und zwar ein Fall, der aber auch Schlagzeilen gemacht hat, während es ja viele Fälle gibt, die nicht einmal den Weg an die Öffentlichkeit finden – kann man schon die Vermutung anstellen, um es vorsichtig zu sagen, dass, wenn es eine Anzei­gepflicht gegeben hätte, dieser Luca nicht hätte sterben müssen. Ich glaube, dass es schon sehr wichtig wäre, eine Anzeigepflicht in Augenschein zu nehmen beziehungs­weise zu prüfen, ob man nicht doch eine solche einführen sollte.

In diesem Zusammenhang muss auch gesagt werden, dass die Jugendwohlfahrt per­sonell mit mehr Ressourcen ausgestattet werden muss. Auch Volksanwalt Kostelka ist dieser Meinung. In einer APA-Meldung von heute heißt es – ich zitiere –

„Ein Teil der Fälle von Kindesmisshandlung wäre vermeidbar, wenn es mehr Kontrollen durch die Jugendwohlfahrt gäbe. Das sagte Volksanwalt Kostelka am Donnerstag im ORF-‚Morgenjournal‘ und kritisierte die mangelhafte Personalausstattung der Ämter.“

Ich zitiere weiter: „Es gibt zweieinhalb Mal so viele Gefährdungsmeldungen wie vor 15 Jahren, ...“ – Erschreckend eigentlich!

Und weiters: „Das hat sich jeder einzelne zuständige Landesrat, Finanzlandesrat und Landtag zu überlegen, sagte Kostelka, der den Beschluss des neuen Bundesjugendhil­fegesetzes urgiert, dessen Novellierung sich seit Jahren hinzieht“ – und da sind wir ja auch säumig! – „nicht zuletzt wegen der ablehnenden Haltung der Länder, die Mehr­kosten fürchten.“

Also es ist zu befürchten, dass es überhaupt zu keinem Beschluss kommt.

Ich darf weiter zitieren: „Der Personalmangel bei der Jugendwohlfahrt sei so groß“ – das sagt Volksanwalt Kostelka; das sage aber auch ich, da gebe ich ihm recht –, „dass


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 57

die Sozialarbeiter kaum Hausbesuche in Familien machen würden – nicht einmal dann, wenn Kinder als gefährdet gemeldet werden, kritisiert die Volksanwaltschaft.“ – Zitat­ende.

Das sagt euer Volksanwalt (in Richtung SPÖ), vielleicht redet ihr einmal mit ihm und übernehmt einmal diese Vorschläge! Ich meine, da hat er absolut recht.

Weiters sagt Volksanwalt Kostelka – ich zitiere –, „dass etwaige Misshandlungen in Pflegefamilien und in Wohngemeinschaften ermöglicht würden, weil nicht einmal pro Jahr nachgeschaut werde, wie es den Kindern dort gehe.“ – Zitatende.

Dass da nichts passiert, muss einen mit Entsetzen erfüllen!

Was den jüngsten Fall „Cain“ betrifft, der heute auch schon angesprochen worden ist, so hat die Behörde gewusst, dass der Lebensgefährte der Mutter drogensüchtig und gewalttätig ist, aber trotzdem ist nichts unternommen worden.

Also da kann man nur von einem Versagen der Jugendwohlfahrtbehörde – aus wel­chen Gründen auch immer – sprechen! Da besteht akuter Handlungsbedarf, da muss dringend etwas gemacht werden!

Ob etwas gemacht wird, das darf nicht vom Standort abhängen – Jugendwohlfahrt ist ja Sache der Bundesländer –, das darf nicht davon abhängen, ob eine Jugendwohl­fahrtsbehörde besser ausgestattet ist oder schlechter.

Es wird aber ganz sicher auch eine vermehrte, verstärkte und verbesserte Schulung der Behördenmitarbeiter geben müssen, denn da liegt auch einiges im Argen, wobei ich sagen möchte, dass ich die Mitarbeiter nicht runtermachen will, die tun ihr Bestes, nämlich so gut sie es halt können. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, dass sie es noch besser können, damit sie auch auf solche Fälle eingehen können.

Und, wie wir es heute in der Fragestunde mit der Frau Justizministerin schon bespro­chen haben: Es muss auch eine bessere Vernetzung der Behörden untereinander ge­ben. Es stimmt nicht, dass die Menschen in diesem Lande generell keine Zivilcourage haben und bei Missbrauchs- und Gewaltfällen einfach wegschauen. Es gibt genügend Beispiele, wo die Menschen, wo die Bevölkerung die Behörden sehr wohl darauf auf­merksam gemacht hat.

Ich erinnere an dieser Stelle an den Fall „Pöstlingberg“ aus Oberösterreich, wo eine Mutter ihre drei Töchter jahrelang eingesperrt hat. Da gab es sehr wohl Hinweise da­rauf aus der Bevölkerung. Es ist aber leider nur sehr wenig passiert. Die Behörde war zwar nicht untätig, aber es ist zu wenig passiert, und es gab keinerlei Absprachen der Behörden untereinander – aus Datenschutzgründen! So wichtig uns der Datenschutz auch sein mag, da hat er nichts verloren! Da muss die Vernetzung absolut verbessert werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir stimmen dieser UN-Kinderrechtskonvention in der Form, wie sie jetzt im vorliegen­den Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern übernommen wird, wirk­lich freudig zu. Aber eines sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP: Die Arbeit beginnt jetzt! (Beifall bei der FPÖ.)

12.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Gruber. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.18.16

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorerst muss ich mich beim Kollegen Mayer bedanken, denn er hat mir ein Stück Arbeit abgenommen, was die Ausführun­gen des Kollegen Dönmez betrifft. Ich brauche nämlich darauf nicht mehr zu replizie­ren, da er bereits darauf eingegangen ist.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 58

Zur Frau Kollegin Mühlwerth möchte ich ... (Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt kannst du dich auf mich konzentrieren!) Nein, ich möchte nur eines vorausschicken: Das Wort „Zi­vilcourage“ gefällt mir. Es gibt sehr wohl Zivilcourage, aber man muss Zivilcourage auch sozusagen annehmen (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, genau!), man muss den Hinwei­sen auch nachgehen, damit die Leute, die Zivilcourage unter Beweis stellen, dann nicht im Regen stehen gelassen werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Da sind wir eh einer Mei­nung!)

Was die Behörden und die Kontrolle betrifft, sind wir uns auch einig. Und auch mit dem Kollegen Kostelka werden wir sicher diesbezüglich reden. (Bundesrätin Mühlwerth: Gut!)

Nun zum vorliegenden Gesetz, und da ist zuvorderst zu sagen, meine Damen und Her­ren: Gut Ding braucht Weile! Es ist schon angeklungen, dass es 20 Jahre her ist, dass die UN-Kinderrechtskonvention in Kraft trat. Es ist auch schon gesagt worden, dass Österreich 1992 diese Konvention ratifiziert hat. Und seither wird im Hohen Haus über die Verankerung der darin enthaltenen Kinderrechte in unserer Verfassung diskutiert. Wir wissen, dass es in der XXII. und in der XXIII. Legislaturperiode des Nationalrates nicht gelungen ist, die Rechte von Kindern in Verfassungsrang zu heben, aber heute stehen wir unmittelbar davor.

Klar ist: Mit diesen Beschlüssen werden durchsetzbare Rechte geschaffen. Das heißt im Klartext, die Rechte der Kinder müssen in den betroffenen Gesetzen auf Bundes- und Landesebene überprüft und mit den bestehenden Grundrechtsgarantien in Ein­klang gebracht werden. Das heißt aber auch, in Zukunft ist der Gesetzgeber bei Schaf­fung von neuem Recht an diese Vorgaben gebunden.

Uns Sozialdemokraten ging es immer darum, die Rechtspositionen von Kindern zu stär­ken. Für uns sind daher folgende Vorgaben von besonderer Bedeutung – ich möchte diese Punkte kurz aufzählen –: Es ist der Anspruch von Kindern auf Schutz und Für­sorge sowie bestmögliche Entwicklung und Entfaltung. All diese Maßnahmen von öf­fentlichen und privaten Einrichtungen müssen dem Wohl der Kinder dienen. Außerdem soll das Recht auf regelmäßige Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Eltern­teilen gewährleistet sein, außer dies steht dem Wohl des Kindes entgegen.

Kinderarbeit ist – ich glaube, da sind wir uns alle einig – generell zu verbieten. Und Kin­der haben in Zukunft das Recht auf angemessene Berücksichtigung ihrer Meinung bei Angelegenheiten, die sie persönlich betreffen.

Genauso wichtig sind das Recht auf gewaltfreie Erziehung, das Verbot von körperlicher Bestrafung – das wissen leider viele in unserer Gesellschaft nicht – und die Zufügung seelischen Leides, das Verbot von sexuellem Missbrauch und anderen Misshandlungen.

Weiters haben Kinder Anspruch auf angemessene Entschädigung und auf Rehabilita­tion, wenn sie Opfer von Gewalt oder Ausbeutung werden. Behinderte Kinder haben Anspruch auf besonderen Schutz und Fürsorge. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Kindern.

Diese Vorgaben sind Meilensteine in der Umsetzung der Kinderrechte, Herr Kollege Dönmez. Das Kindeswohl als oberstes Prinzip bringt eine generelle verfassungsrecht­liche Wertung zum Ausdruck, die, wie ich bereits am Anfang erwähnt habe, in Zukunft in allen Bereichen der Vollziehung und Gerichtsbarkeit berücksichtigt werden muss.

Mit der heutigen Beschlussfassung setzen wir ein wichtiges gesellschaftspolitisches Signal und ein sichtbares Zeichen, wie wichtig uns der Schutz von Kindern ist. Ganz zufrieden werden wir Sozialdemokraten aber erst dann sein, wenn auch die sozialen Grundrechte für Kinder verfassungsrechtlich abgesichert werden, die zu unserem Be­dauern in dieser Vorlage leider keine Mehrheit gefunden haben.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 59

Trotzdem: Die positiven Punkte überwiegen bei Weitem! Daher werden wir Sozialde­mokraten diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Frau Bundesrätin Mag. Rausch zu Wort. – Bitte.

 


12.23.14

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist doch irgendwie ein historischer Moment. Historisch – das hat oft damit zu tun, dass Prozesse sehr lan­ge dauern und dann im Rückblick vielleicht doch nicht so lange erscheinen. Aber es ist 20 Jahre her, dass die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde – ein Zeit­raum, der immerhin zwei Drittel meines Lebens umfasst, also doch einige Zeit. Seitdem wird in Österreich darüber diskutiert, wie wir damit umgehen sollen.

Höchste Zeit also, dass endlich einmal ein nächster Schritt gesetzt wird und dass den vielen Diskussionen ein Beschluss des Nationalrates und heute hoffentlich ein Be­schluss des Bundesrates folgt.

Im Wesentlichen – wir haben inhaltlich schon sehr viel darüber gehört – geht es darum, dass die im Österreich-Konvent vereinbarten Ziele jetzt auch festgeschrieben, be­schlossen und realisiert werden. Die Tatsache, dass dem heutigen Beschluss im Natio­nalrat ein Vierparteienantrag zugrundeliegt, lässt darauf hoffen, dass wir auch in der Umsetzung gemeinsam vorgehen – auch diejenigen, die heute nicht mitstimmen kön­nen.

Es ist, wie ich meine, vollkommen in Ordnung, wenn man sich über die Vorgangsweise und die formale Umsetzung, was letztlich die formale Festschreibung und Beschluss­fassung betrifft, da und dort uneins ist. Was nicht möglich ist – ich glaube und hoffe auch nicht, dass das tatsächlich der Fall ist –, ist, dass wir, was die Inhalte betrifft, nicht einer Meinung sind, denn da geht es darum, die Kinder und Jugendlichen, die jungen Menschen zu schützen. Darauf hat man sich weltweit in der UNO geeinigt. Darauf hat man sich im Rahmen der Europäischen Menschenrechtscharta geeinigt. Darauf wer­den wir uns auch in Österreich in der Umsetzung einigen können und müssen.

Jetzt ist es besonders wichtig, dass wir gemeinsam vorgehen, wenn es darum geht, den Schutz für Kinder und junge Menschen umzusetzen, Kindern und jungen Men­schen eine faire Chance zu geben – und damit meine ich alle Kinder und Jugendli­chen!

Auf allen Ebenen können wir dabei etwas tun – ich möchte einiges wiederholen und et­was verstärken, was heute schon gesagt worden ist –, auf allen Ebenen können wir ge­meinsam Gesetze verabschieden und Taten setzen, die dieser heutigen Willens­erklärung letztlich zur Umsetzung verhelfen –

ob es etwa um die Zurverfügungstellung von Mitteln und Möglichkeiten geht – ich den­ke da etwa an die heute schon besprochene und wieder aufgeflammte Diskussion über die Rechte, Rollen und Ressourcen der Jugendwohlfahrt –;

ob es um das Mitdenken des Wohles von Kindern und Jugendlichen in allen einfachge­setzlichen Regelungen geht – von der Bildungsreform bis zur gemeinsamen Obsorge liegt da eine Menge auf dem Verhandlungstisch –;

oder ob es um unser eigenes Tun als Politikerinnen und Politiker, aber auch als Men­schen geht, wo – und davon bin ich überzeugt – heute mehr denn je Respekt vor und Rücksicht auf Kinder, junge Menschen und Familien gefordert sind und wo es um Zivil­courage geht, wenn Kinder und junge Menschen geschützt werden müssen.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 60

Lassen Sie mich abschließend zitieren. In unserer Bundesverfassung heißt es:

Es „ist Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden, die be­fähigt sind, an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwor­tung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende Generationen zu über­nehmen.“

Wenn uns das allen wirklich wichtig ist – und mit „wirklich wichtig“ meine ich nicht nur Reden, derer es heute sehr viele zu diesem Thema gibt; das hat mich auch nicht ge­wundert –, also wenn uns das allen wirklich wichtig ist, auch in unseren Taten, dann wird es auch gelingen, Kinder und Jugendliche in Zukunft so gut wie jetzt und noch besser vor all dem Missbrauch zu schützen, das in unserer Welt auf sie zukommt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.27.08

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man auf einer Rednerliste ganz hinten steht, dann ist klar, dass schon sehr viel gesagt wurde.

Ich denke aber, dass mit diesen Bestimmungen, die wir heute beschließen, einfach einklagbare Rechte beschlossen werden, und diese Bestimmungen dienen insgesamt dem Schutz und der Förderung der Entwicklung der Kinder. Die Rechte werden auch in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gestellt.

Mit diesem Bundesverfassungsgesetz werden, wie gesagt, durchsetzbare Rechte ge­schaffen. Es sollten aber auch alle Gesetze auf Bundes- und Landesebene dahin ge­hend überprüft werden. Es geht um einheitliche Jugendschutz- und Kinderschutzbe­stimmungen.

Wie meine Vorrednerin Kollegin Posch-Gruska schon erwähnte, ist im „Standard“ vom 26. Jänner eine Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend herausgegeben wurde, aus dem Jahre 2009 zitiert, wonach Körperstrafen in 70 Prozent der Familien in Österreich üblich sind, die sogenannte „g’sunde Watsch’n“ zum Erziehungsrepertoire der Österreicher gehört und 16 Prozent der Eltern das „Hin­ternversohlen“ mit der Hand für legitim halten. Nur 32 Prozent der Erziehungsberech­tigten wissen, dass Gewalt in der Erziehung verboten ist.

Es geht aber meiner Meinung nach beim Thema „Erziehung“ nicht nur um körperliche Gewalt und um Missbrauch – davon ist in den Medien sehr oft zu lesen, und das hinter­lässt oft auch sichtbare Spuren –, sondern es geht auch um seelische Misshandlungen.

Ich war leicht schockiert, als ich Auszüge aus dem Bestsellerbuch „Die Mutter des Er­folgs“ – so lautet der deutsche Titel – gelesen habe. Das klingt so, als wäre es ein Er­ziehungsratgeber. Der Titel heißt übersetzt „Schlachtgesang der Tigermutter“. Es han­delt sich um ein Buch der US-Chinesin Amy Chua, die binnen Wochen zur Bestseller­autorin wurde. Zu den Erziehungsmethoden der Tigermutter zählen nicht nur Fernseh­verbot oder das Verbot von Computerspielen, sondern auch der Entzug der sozialen Kontakte.

Jede schlechtere Note als ein „Sehr gut“ wird nicht akzeptiert. Aber das ist noch harm­los im Vergleich zu ihren anderen Erziehungsmethoden, die sie dort beschreibt. Das dreijährige Kind hatte etwa die Wahl zwischen Klavierspielen oder bei Minustempera­turen ins Freie zu gehen, oder es wurde angedroht, alle Kuscheltiere zu verbrennen, wenn das Klavierstück nicht perfekt gespielt wird.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 61

In diesem Buch wird also ein Psychokrieg im Kinderzimmer beschrieben, und ich hoffe, dass die vielen Leute, die dieses Buch gekauft haben, dieses nicht als Erziehungsrat­geber sehen. Es scheint zwar etwas überzogen, aber ich glaube, dass in abge­schwächter Form auch in österreichischen Kinderzimmern das eine oder andere zu fin­den ist.

Daher bin ich sehr froh, dass in Artikel 5 festgehalten wird:

„(1) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten.

(2) Jedes Kind als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung hat ein Recht auf angemessene Entschädigung und Rehabilitation.“

Eine Erziehung mit Härte und Drill, die auf dem Irrglauben aufbaut, es müsste der Wille des Kindes gebrochen werden, um es zu Höchstleistungen zu bringen oder gefügig zu machen – auch dies ist in diesem Gesetz geregelt.

Ebenso ist im Gesetz die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Kindern geregelt. Dies müsste in einem Land wie Österreich eigentlich eine Selbstver­ständlichkeit sein.

Kinder haben Rechte. Sie haben den Anspruch auf Schutz und Fürsorge, auf Respekt und Würde. Kinderrechte sind Menschenrechte – das haben wir heute schon des Öfte­ren gehört.

Mit dieser Beschlussfassung sind wir auf dem richtigen Weg, und ich freue mich für die nächste Generation. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Astleitner zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.31.33

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heu­te die Rednerliste beschließen und möchte mit einem Zitat von Janus Korczak begin­nen, das lautet:

„Wenn ich mich mit einem Kind beschäftige, habe ich zwei Empfindungen: Zuneigung für das, was es heute ist, und Achtung vor dem, was es werden kann.“

Zuneigung und Achtung: Eine Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit den Schwächsten ihrer Mitglieder umgeht. Zu den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft, sehr geehrte Damen und Herren, zählen zweifellos die Kinder. Sie brauchen daher un­seren besonderen Schutz.

Der nunmehrige Gesetzesvorschlag – das ist heute schon mehrfach betont worden – verankert das Wohl des Kindes in der österreichischen Verfassung. Ich möchte die ein­zelnen Punkte jetzt nicht mehr aufzählen.

Aus meiner beruflichen Tätigkeit mit Kindern und aus der engen Zusammenarbeit mit Jugendwohlfahrt, Schulpsychologie und Schulsozialarbeit weiß ich, wie wichtig in diesem Zusammenhang auch die Unterstützung der Familien und die Hilfe den Erzie­henden gegenüber ist. Manche Eltern zeigen sich in Gesprächen total überfordert mit den Problemen des täglichen Lebens und der Erziehung ihrer Kinder oder der ihnen Anvertrauten. Zerrüttete Familienverhältnisse spielen dabei nicht selten eine Rolle.

Es ist unsere Aufgabe, einerseits Familien zu stärken und ihnen zu helfen, andererseits aber auch genau hinzuschauen – das ist heute auch schon mehrfach angesprochen worden –, wenn der Verdacht besteht, dass das Kindeswohl gefährdet ist.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 62

Natürlich hat es Kinderrechte bis jetzt auch schon gegeben. Beispielsweise – das ist heute auch schon angesprochen worden; das ist halt, wenn man als Letzte dran­kommt, so – sind in Oberösterreich alle SchulleiterInnen und LehrerInnen verpflichtet, Kindeswohlgefährdungen über den Bezirksschulrat an die Bezirksbehörde zu melden und anzuzeigen. Diese Zusammenarbeit – Frau Kollegin Mühlwerth, das hast du auch angesprochen – der Behörden finde ich ganz, ganz wesentlich in diesem Bereich.

Nur in enger Kooperation und unter Nutzung aller Netzwerke – ich habe es schon an­gesprochen: Schule, Jugendwohlfahrt, Schulpsychologie, Schulsozialarbeit und im Vor­feld natürlich auch vor der Schule – kann es uns gelingen, Sicherheit und Schutz für die Kinder zu gewährleisten. Deren Rechte in der Verfassung zu verankern ist ein wich­tiger Schritt dazu.

Erlauben Sie mir, weil heute schon sehr viel gesagt wurde und auch der Herr Landes­hauptmann von Oberösterreich hier war und über Bildung gesprochen hat und heute Lehrerinnen und Lehrer im Hohen Haus sind, einen seiner Lieblingssprüche, wenn er vor Lehrern spricht, zu zitieren. Er stammt von Dante Alighieri und passt eigentlich sehr gut zum heutigen Tag. Er heißt:

„Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder.“

Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatsse­kretär Mag. Schieder. – Bitte.

 


12.35.06

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verankerung von Kin­derrechten in der Verfassung ist, wie bereits in der Debatte ausführlich diskutiert, ein langjähriges Diskussionsthema in Österreich.

Ich glaube aber, dass wir heute einen wichtigen Punkt in diesem Bereich setzen. Mei­ner Meinung nach ist es ein großer Wurf, nicht nur aufgrund der langjährigen Diskus­sion, sondern auch aufgrund der Inhalte. Aber, Herr Bundesrat Dönmez, auch wenn es aus Ihrer Sicht nur ein kleiner Wurf ist, verstehe ich nicht, warum Sie dann sagen, bei dem kleinen Wurf – aus meiner Sicht ist es ein großer Wurf – möchte ich nicht dabei sein. Wenn Sie es als Wurf eigentlich anerkennen, dann raffen Sie sich auf und seien Sie auch dabei, wie groß auch immer Sie selbst diesen Wurf einschätzen.

Ich meine, dass wir neben der verfassungsrechtlichen und politischen Diskussion stär­ker in unserer Gesellschaft eine generelle Diskussion darüber brauchen, wie wir als Gesellschaft mit unseren Kindern umgehen. Schreckliche Fälle im privaten Haushalt, in den Familien aufgrund von zerrütteten Familienverhältnissen sind erwähnt worden. Wir sind auch mit schrecklichen Erlebnissen in sogenannten Bildungs- und Betreuungsein­richtungen staatlicher Natur, konfessioneller Natur konfrontiert. Wir haben hier in Ös­terreich, aber nicht nur in Österreich in den letzten Jahren leider eine schmerzhafte Diskussion zu vollziehen gehabt, und zwar nicht deshalb, weil sich so viel verschlech­tert hat, sondern weil auch immer mehr bekannt wird. Daher ist es, wie ich meine, auch ein wichtiges Zeichen der Politik, dass sie sich über die Verfassung, aber nicht aus­schließlich in der Verfassung dem Thema Kinder in diesem Land widmet.

Zur verfassungsmäßigen Umsetzung sei nur kurz erwähnt: Auch die Europäische Men­schenrechtskonvention, die wir ja in der Verfassung umgesetzt haben, sieht in vielen Artikeln die positive Umsetzung von Gesetzen in der Realität vor. Und ebenso ist es mit der Kinderrechtskonvention, die 1992 in Kraft getreten ist. Es hat nicht nur viele An­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 63

läufe gegeben, sie in die Bundesverfassung zu integrieren, sondern dadurch, dass wir die Europäische Menschenrechtskonvention in der Verfassung haben, haben viele Punkte, die dort vorgesehen sind, bereits über die Europäische Menschenrechtskon­vention in unsere Verfassung Eingang gefunden.

Ich verweise zum Beispiel auf Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das Recht auf Leben und Überleben, aber auch das Recht auf Registrierung. All diese Punkte zeigen ja, dass über all diese Fragen schon länger eine Diskussion in Öster­reich geführt wird.

Trotzdem glaube ich, dass die acht Artikel dieses Gesetzes letztlich die wesentlichen Eckpfeiler auch im Verfassungsrang noch einmal klar und eindeutig festschreiben. „Je­des Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.“ – Das ist ein Satz, der natürlich in der politischen Feindiskussion noch einiges beinhaltet.

Er zeigt aber eines ganz klar: dass es darum geht, dass die Eltern eine Verpflichtung haben, sich dem Kind zu nähern und es zu beachten, und dass die Eltern auch die Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, dass ihr Kind die Möglichkeit erhält, regelmäßige persönliche Beziehungen zu pflegen.

Da stellt sich nicht nur die Frage der Rechtskonstruktion, der gemeinsamen Obsorge und ob es nicht doch eine Cooling-off-Phase braucht. Jetzt besteht ja auch schon für Leute, die Kinder nicht in einer ehelichen Gemeinschaft bekommen, die Möglichkeit, dass sie sich auch gemeinsam dieser Obsorge widmen, was ich für richtig halte. Aber es ist ganz wichtig, dass nicht die Kinder zum Zerr-Ball zwischen den Meinungsver­schiedenheiten der Eltern werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Artikel 4 normiert: „Jedes Kind hat das Recht auf angemessene Beteiligung und Be­rücksichtigung seiner Meinung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten“. – Auch das ist die Weiterentwicklung nicht nur des Gesagten, sondern auch in vielerlei anderen Fragen, genauso wie das Kind ein Recht auf gewaltfreie Erziehung hat. „Kör­perliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und an­dere Misshandlungen sind verboten.“ – Es ist traurig, dass man das festschreiben muss, aber es ist gut, dass wir das auch im Verfassungsrang festgeschrieben haben. Dies wird uns allerdings nicht der Pflicht entledigen, diesem verfassungsmäßigen Recht je­des Kindes in unserem Land zum Durchbruch zu verhelfen.

Lassen Sie mich das auch noch sagen: Ich bin schon überzeugt davon, dass den Kin­dern in unserer österreichischen Gesellschaft, auch in der generellen Weltgesellschaft nicht ausreichend Wertschätzung, Stellenwert, gesellschaftlicher Raum für ihre Gegen­wart, aber auch für ihre Zukunft gegeben ist. Es ist eine politische und eine gesell­schaftliche Aufgabe, auch darauf zu achten, dass diese Bestimmungen neben ihrer Ver­ankerung in der Verfassung auch umgesetzt werden.

Diese gesellschaftlich-politische Aufgabe wird durch die Festschreibung der Kinder­rechte im Verfassungsrang unterstützt, sie wird dadurch aber nicht ersetzt. Es wird wei­terhin auch eine politische Aufgabe bleiben, das umzusetzen, was so schön gesagt wird mit dem Satz: Kinder haben Rechte, Kinder brauchen aber auch Freunde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsge­setz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 64

Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Zunächst stelle ich die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksich­tigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

12.42.02 3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Protokolls über die Übergangsbestimmungen, das dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäi­schen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemein­schaft beigefügt ist (995 d.B. und 1053 d.B. sowie 8444/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Bitte um den Bericht.

 


12.42.34

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Protokolls über die Übergangsbestimmungen, das dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäi­schen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft bei­gefügt ist.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 50 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


12.43.51

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Dass unsere Liebe zum Vertrag von Lissabon vor allem im Zusammenhang mit der darüber verweigerten Volksabstimmung enden wollend ist, darf ich in diesem Haus als bekannt voraussetzen. (Die Bundesräte Kraml und Gruber: Rich­tig!)


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 65

Die europäischen Gremien haben für sich selbst beschlossen, dass es für diesen vor­liegenden Gesetzentwurf keiner Zustimmung des Konvents bedarf, sondern das dann auch von den nationalen Parlamenten durchgewunken werden kann.

Es wurde heute vom Herrn Landeshauptmann bereits mehrmals die Bürgernähe ange­sprochen. Diese geht ja schon allein aus dem Titel dieses Beschlusses, den wir heute fassen sollen, hervor. Er ist bereits zweimal verlesen worden, ich will Ihnen eine noch­malige Verlesung ersparen. So etwas Sperriges zeigt wieder einmal sehr plakativ, wie „bürgernah“ diese Europäische Union in Wirklichkeit ist. Wer jetzt glauben sollte, es gehe um Atomangelegenheiten oder um das Wiederaufsperren von Zwentendorf, der irrt. Es geht darum, dass zu den bereits im Vertrag von Lissabon beschlossenen Abge­ordneten drei zusätzliche – nämlich zu den 751 drei zusätzliche, also 754 – bis zur nächs­ten EU-Wahl im Jahr 2014 in Amt und Würden sein sollen.

Warum ist das Ganze notwendig? – Weil Deutschland auf die drei, die ihm eigentlich in Zukunft entzogen werden, nicht verzichten kann, da dieser Vertrag ja erst – nicht, wie ur­sprünglich geplant, nach den EU-Wahlen 2009 – jetzt im letzten Jahr in Kraft getreten ist und man ja nicht so böse sein kann, den Deutschen diese drei Abgeordneten weg­zunehmen. Daher haben wir eben jetzt um drei mehr, zumindest bis 2014. Notwendig geworden ist das, weil sich die „bösen“ Iren auch quergelegt haben, bis sie schluss­endlich von ihrer Regierung weichgeklopft worden sind. Bedankt worden sind sie hiefür damit, dass diese Regierung sie mehr oder weniger in den Bankrott geführt hat – aber das nur am Rande.

Wenn wir das Jahr 2014 schreiben und die nächsten Europawahlen stattfinden, dann haben wir voraussichtlich ohnedies schon wieder um 18 Abgeordnete mehr, denn dann kommen die zwölf Kroaten und sechs Isländer wahrscheinlich dazu. Und so geht das munter weiter in diesem Reigen.

Das kostet natürlich auch einiges. Wenn man das grob rechnet, kann man sagen, ein EU-Abgeordneter mit den Mitarbeitern, die ihm zur Verfügung stehen, mit den Spesen und Reisekosten, kostet Pi mal Daumen 500 000 € im Jahr. Das sind also für diese drei 1,5 Millionen € – auf drei Jahre, bis 2014 gerechnet, in etwa 4,5 Millionen €.

Man kann natürlich jetzt sagen, im Vergleich zu dem, was uns die überbordende EU-Bürokratie insgesamt kostet, ist das ein Klacks und gar nicht der Rede wert. So hat es ja auch die EU selbst definiert. Es geht hier aber nicht nur um die absoluten Beträge, sondern es geht vielmehr auch um die Signal- und Vorbildwirkung, die solche Be­schlüsse haben, meine Damen und Herren.

Wir in Österreich finanzieren mit dem Geld unserer Bürger immer wieder größer und breiter werdende Rettungsschirme für die EU, schnüren dafür Sparpakete ... (Bundes­rat Mag. Klug: Nicht „für die EU“!) – Für die einzelnen Mitgliedstaaten. (Bundesrat Mag. Klug: Und für die Bürger! – Bundesrätin Mühlwerth: Na, bei den Bürgern ist es aber ...!) – Es kommt meistens bei den Banken an und weniger bei den Bürgern, nicht wahr? Die Bürger werden mit Belastungspaketen zugeschüttet, und das ist ja auch in Österreich der Fall, obwohl wir diesen Schirm bis jetzt angeblich noch nicht benötigen. Man wird sehen, wie es weitergeht.

Es wird also bei den eigenen Leuten gespart. So wird beispielsweise in der Steiermark die geradezu selbsthypnotisch beschworene Reformpartnerschaft zwischen SPÖ und ÖVP in Kürze den Gratiskindergarten streichen, den Pflegeregress wieder einführen, Sozialleistungen kürzen – und auf der anderen Seite erhöhen wir ... (Bundesrat Mayer: Was hat das mit der EU zu tun?) – Das hat schon etwas damit zu tun! Ich habe gesagt, es geht um die Signalwirkung und die Vorbildwirkung. (Staatssekretär Mag. Schieder: Was die FPÖ alles gestrichen hat, als sie an der Regierung war, geht auf keine Kuh­haut!) Und der Herr Präsident hat heute gesagt, was er alles in EU-Angelegenheiten


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 66

vorhat. Wir unterstützen das, aber: Mit solchen konterkarierenden Maßnahmen werden wir die Akzeptanz der EU in der Bevölkerung nie steigern können, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wurde heute bereits vom Landeshauptmann von Oberösterreich gesagt, wir Abge­ordnete werden draußen in den Gemeinden von den Bürgern gewatscht. Und ich sage Ihnen, Sie von Rot und Schwarz bekommen diese Watschen auch zu Recht (ironische Heiterkeit der Bundesräte Kraml und Gruber), und wir werden ihnen erklären, warum ihr die Watschen zu Recht bekommt. (Bundesrat Mag. Klug: Darauf warten wir schon!) Deswegen werden wir auch diesem heute vorliegenden Antrag unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei der FPÖ. – Staatssekretär Mag. Schieder: Ich hab’ geglaubt, Sie erklären uns, warum diese Gewalt zu Recht erfolgt!)

12.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Mag. Klug. – Bitte.

 


12.50.08

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu Beginn et­was aus der Sicht unserer Fraktion sagen. Zuallererst, werter Kollege Krusche: Wir ha­ben das letzte Mal den Eindruck gehabt, dass du und einige Vertreter deiner Fraktion einen gewissen Tunnelblick entwickelt haben, als es um die Frage der Infrastruktur­maßnahmen gegangen ist. Dass der Tunnelblick (Ruf: Ist der schwarz?) sich aber auch dann fortsetzt, wenn es um die Europäische Union geht, war heute wie­der sehr ein­drucksvoll zu vernehmen. (Bundesrat Krusche: Ihr fahrt gegen die Wand! – Bundesrätin Mühlwerth: Das heißt aber, dass er wenigstens was sieht, im Gegensatz zu Ihnen, wenn er mit Blindheit geschlagen ist!)

Im Zusammenhang mit der Europäischen Union die Reformpartnerschaft der ÖVP und der SPÖ in der Steiermark zum Thema zu machen, ist eine besondere Kunst. Ich sage nur: Wir freuen uns in der Steiermark, dass es gelungen ist, mit der ÖVP gemeinsam zu einer Partnerschaft zu kommen (Bundesrätin Mühlwerth: Das glaube ich nicht!), die in der Lage sein wird, jene großen Probleme in der Steiermark anzugehen, die nur die beiden großen Kräfte alleine bewältigen können. (Bundesrat Jenewein: Das war ein­mal so! So groß sind sie nicht mehr! – Bundesrat Mitterer: Die Probleme haben sie auch vorher selbst produziert!)

Zum anderen möchte ich die Gelegenheit auch nutzen, auf etwas anderes hinzuwei­sen, denn das ist ein bisschen untergegangen: Die „tolle“ Sozialpolitik, die betrieben wurde, als von 2000 bis 2006 die Proponenten deiner Partei mit in der Regierung wa­ren (Bundesrat Kraml: Das weiß er gar nicht!), gemeinsam mit jenen Dingen, die unter sozial gerechtem Sparen in der Steiermark auf uns zukommen werden, auch nur in den Mund zu nehmen, dazu bedarf es schon einer ganz eigenen Sicht der Dinge. Denn, Kollege Krusche, wie in der Muppet Show von der Zuschauertribüne herunterzuschreien (Bundesrätin Mühlwerth: Hat die SPÖ etwas zurückgenommen von diesen Maßnah­men? – Nichts!) und zu sagen, ich trage keine Verantwortung, und all das, was – sozial gerecht – gemacht werden muss, ist zu kritisieren, das ist zwar grundsätzlich ein legiti­mes Recht der Opposition (Bundesrat Krusche: „Danke!“) – grundsätzlich ja –, es zeigt allerdings deutlich auf, dass man meilenweit davon entfernt ist, Regierungsverantwor­tung tragen zu können. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundes­rätin Mühlwerth: So ein Unsinn!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann es kurz machen – und zum vorliegenden Ta­gesordnungspunkt sage ich für die sozialdemokratische Fraktion ganz eindeutig: Ja­wohl, wir waren von Anfang an für den Vertrag von Lissabon. Jawohl, wir waren von An­


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fang an für eine Stärkung eines Zweikammersystems im Bereich der Mitgliedstaaten in der Bundesgesetzgebung auf nationaler Ebene. Jawohl, wir unterstützen auch die Stär­kung des Bundesrates im Bereich des Subsidiaritätsverfahrens. Das ist im Übrigen gestern bei dem Seminar auch von dir einmal zustimmend angemerkt worden, und heute seid ihr wieder gegen Lissabon. Irgendwie geht sich das alles nicht aus. Aber ist ja egal, die inhaltliche Sachpolitik war noch nie ein Steckenpferd der FPÖ.

Und jawohl, liebe GenossInnen und Kolleginnen und Kollegen, ich sage auch ganz deutlich: Wir freuen uns, wenn es heute gelingt, mehr Demokratie in Europa zu plat­zieren. Und wenn es mit dem Vertrag von Lissabon gelingt, zwei weitere direkt ge­wählte Politikerinnen und Politiker ins Europäische Parlament zu entsenden, dann wer­den wir das heute unterstützen. Und für die sozialdemokratische Fraktion kann ich sa­gen: Ich wünsche unserem neuen Abgeordneten zum Europäischen Parlament, Josef Weidenholzer, viel, viel Kraft, viel Erfolg für mehr Soziales in Europa. Er ist Präsident der Volkshilfe. Und das ist die sogenannte Auswahlverantwortung auf nationaler Ebe­ne: Wir freuen uns heute, dass wir für die Sozialdemokratie einen Vertreter nach Euro­pa entsenden, von dem wir felsenfest überzeugt sind, dass er dazu beitragen wird, in Europa für mehr Sozialpolitik zu stehen. (Bundesrat Krusche: Versorgt zu werden! – Die Bundesräte Gruber und Kraml: Da wär ich vorsichtig! – Bundesrat Gruber: Da kann ich dir listenweise aufzählen, ...!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu guter Letzt bleibt der Eindruck, da wir ja heute be­schließen, dass zwei neue Mitglieder ins Europäische Parlament entsandt werden, dass ein Teil der Opposition offensichtlich ein Problem mit dem Zweiten hat. (Bundes­rat Krusche: Ich hab den gar nicht erwähnt!) Nur, einen gesamten Staat, den gesam­ten Bundesrat in Geiselhaft zu nehmen, bis ihr mit euren Farbenspielen endlich einmal fertig seid – ob das BZÖ, FPÖ, FPK ist, oder wie immer die Truppe heißt (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein alter Hut! Weißt du nichts Neues? Das ist ja uralt!) –: Dass ihr sauer seid, dass der Zweite der Stadler ist, dafür können wir nichts! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Beschlussfassung schaffen wir mehr Demokratie in einem Organ (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!), nämlich dem Europäi­schen Parlament, durch direkt gewählte Abgeordnete. Wir freuen uns darüber, und da­her werden wir dieser Vorlage auch zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


12.56.19

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Krusche, es führt eine einfache Logik zum Protokoll betreffend die Umsetzung des Lissabon-Vertrages. Und wenn du dich da auch als Watschenmann, als EU-Watschenmann betätigst – ich mei­ne, du bist ja mutig: einen ganzen Bundesrat da mehr oder weniger mit Watschen zu bedenken?! (Bundesrat Krusche: Das hat der Herr Landeshauptmann gesagt! – Zwi­schenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Nein, nein, das hat nicht der Landeshauptmann ge­sagt! Dem Landeshauptmann ist eine derartige Rhetorik fern, Herr Kollege Krusche. Das möchte ich dir schon sagen.

Natürlich kann man es immer auch aus monetärer Sicht betrachten. Das ist in der Poli­tik überall so. Was macht die Freiheitliche Partei? – Sie schafft den Bundesrat ab. Da schaffst du dich übrigens auch selber ab. Die Landtage werden verkleinert. Irgendwann trifft es dann auch einige Mandatare von euch. Der Nationalrat wird verkleinert auf 100. Das sind eure „staatstragenden Ideen“, die ihr zur Bundesstaatsreform einzubringen habt.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 68

Ihr schafft die Politik ab, und hier geht ihr heraus und sagt, alles, was die EU gemacht hat, ist schlecht, der Lissabon-Vertrag ist schlecht, alles wird von euch schlechtgeredet! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Krusche, man kann natürlich auch persönlich auf sein Mandat verzichten (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug) – man muss ja ein Mandat nicht unbedingt an­nehmen. Oder man kann sein Gehalt auch einer karitativen Einrichtung spenden, auch das ist möglich. Ob es logisch ist, das bleibt dahingestellt. In aller Freundschaft, Herr Kollege, das bleibt dahingestellt.

Tatsache ist doch, bitte, dass sich seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages eini­ges zum Positiven gewendet hat. Da passt die stetige Verweigerungspolitik der Frei­heitlichen Partei und aller, die hier eingeschlossen sind – von BZÖ und BZÜ und FPK und KKK und weiß ich, was alles (Bundesrat Boden: FKK!) –, einfach nicht, weil das für Österreich nicht wirklich ein Vorteil ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es liegt, lie­ber Kollege Krusche, wirklich klar auf der Hand, dass die nationalen Parlamente mehr Mitspracherecht bekommen haben. Wir sind mit dem Europäischen Parlament jetzt gleichberechtigte Partner in der Gesetzgebung. Und das bedeutet im Klartext: Die Na­tionalstaaten haben durch ihre gewählten Abgeordneten die Möglichkeit, stärkeren Ein­fluss auf die europäische Gesetzgebung zu nehmen, und somit auch mehr Bürger­nähe, die von dir eingefordert wurde. Das ist mehr Bürgernähe und mehr Transparenz in der EU – einfach und logisch, Herr Kollege Krusche! (Bundesrat Krusche: Noch mehr Abgeordnete!)

Aus Sicht des Bundesrates, und Präsident Kneifel hat es heute schon erwähnt – und noch sind wir alle hier in diesem Saal Bundesräte, bis auf den Herrn Staatssekretär (Heiterkeit – Ruf: „Noch“? Was heißt „noch“?); bitte, auch die Mitarbeiter natürlich; so weit sind wir schon, Herr Kollege Ertl –, können wir wirklich nur mit Stolz vermerken, dass wir durch den Lissabon-Vertrag eine Aufwertung erfahren haben, weil wir mit der Subsidiaritätsprüfung direkt auf die EU-Gesetzgebung mit einwirken und daran mitwir­ken können. Das ist eine wesentliche Aufwertung. Es ist sogar die größte Verfassungs­änderung seit Beginn der Zweiten Republik. Und das geht an euch allen spurlos vorbei. Na guten Morgen! Irgendwann müsst ihr einmal aufwachen, liebe Kollegen! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Die Adaptierung der Mandatszahl im Änderungsprotokoll führt auch dazu, dass die klei­nen Staaten in Europa mehr Mandate als bisher und damit auch mehr Gewicht erhal­ten, um gegen die großen Staaten gestärkt hervorzugehen. Von der Änderung profitie­ren wir nicht nur durch zusätzliche Mandate, sondern speziell dadurch, dass dahinter auch – so wie Kollege Klug gesagt hat – eine demokratiepolitische Überlegung steht. Das ist auch ein wesentlicher Faktor.

Worum es im Lissabon-Vertrag geht – das haben Sie schon erwähnt, Herr Kollege Krusche –, ist, dass die Zahl mit dem Protokoll auf 751 erhöht wird. Bis 2014 haben wir insgesamt 18 Abgeordnete mehr, auch deshalb, weil man die Deutschen, die jetzt so­zusagen überzählig sind, nicht einfach aus dem Parlament entfernen kann. Die sind vom Volk gewählt und sollen ihr Mandat auch entsprechend ausüben.

Warum ist das geschehen? – Weil wir eben die Wahl noch nach dem alten Vertrag und nicht nach dem neuen Lissabon-Vertrag abgewickelt haben. So ist die Rechtslage. Die Europäischen Union ist auch ein gutes Rechtsgefüge, Herr Kollege Krusche, und daran haben wir uns zu halten.

Wir haben uns seit dem Beitritt 1995 sehr gut weiterentwickelt, und wir sind ein guter Partner in der EU. Wir haben in Österreich eine sensationelle wirtschaftliche Entwick­lung, und wir sind sehr, sehr gut aus der Krise herausgekommen, nicht zuletzt auch mit der Unterstützung in einem gemeinsamen großen Wirtschaftsverband, der Europäischen Union.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 69

Wir haben uns seit Anbeginn durch unsere Kommissare auch thematisch sehr stark eingebracht, und wir sind im Europäischen Parlament entsprechend vertreten. Wenn jetzt durch diesen Beschluss unsere Mandate von 17 auf 19 aufgestockt werden und ein Mandat, wie wir gehört haben, von den Sozialdemokraten besetzt wird, das zweite vom BZÖ, dann freuen sich sicher auch die Alt-BZÖler, so wie sie da sitzen, Herr Prä­sident Mitterer, und die Neu-Freiheitlichen. Das ist doch eine Aufwertung eurer Kärnt­ner Partei!

Jedenfalls ist vorgezeichnet, dass es sicher die eine oder andere tiefschürfende Aus­einandersetzung zwischen den beiden Exil-Vorarlbergern Hans-Peter Martin und Ewald Stadler geben wird (Heiterkeit bei der ÖVP) – ich habe gesagt: Exil-Vorarlberger –, ob­wohl wir uns wünschen, Herr Kollege Zwanziger, dass unsere Vertreter ihre eigentliche Aufgabe in der EU, nämlich Österreich nach bestem Wissen und Gewissen zu vertre­ten, wahrnehmen sollen. Da bin ich mir sicher, dass das bis auf wenige Ausnahmen auch alle machen werden. – Ich danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Schieder. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


13.02.40

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, ich gehöre nicht dem Bundesrat an, komme aber immer wieder gerne zu den Diskussionen. Das ist übrigens eines der wenigen parlamentarischen Gremien, denen ich noch nicht angehört habe. Ich habe vom Bezirksrat bis hinauf zum Nationalrat sogar allen angehört, so gesehen fehlt noch der Bundesrat.

Auf europäischer Ebene war ich auch im Ausschuss der Regionen – übrigens ein eu­ropäisches Gremium, worüber dem Kollegen Bundesrat, der hier die Watschen verteilt, schon auch eines gesagt sei: Auch zu Lebzeiten des Landeshauptmanns Haider war seine Aktivität, seine Ideen, die er vielleicht hatte oder nicht hatte, dort einzubringen, relativ eingefroren. Ich habe von allen anderen Landeshauptleuten oder den Landtags­präsidenten dort alle möglichen aktiv angetroffen, von Ihrer Fraktion nie.

Aber was ich noch kurz zum Wirtschaftspolitischen sagen möchte, weil Sie die Reform­partnerschaft in der Steiermark erwähnt haben: Helfe uns Gott, dass nicht eine ähnli­che Reformpartie kommt, so wie in Kärnten gewirtschaftet wurde! Helfe uns Gott, näm­lich der gesamten Regierung und dem gesamten Bundesgebiet!

Ich kann mich gut an die Resultate der Hypo Alpe-Adria-Geschichte erinnern: Das war eine Mega-Pleite, nämlich deshalb, weil eine verantwortungslose Wirtschaftspolitik ei­nes Landes, Ihres Landeshauptmanns und Ihrer Mehrheit im Landtag Kärntens (Zwi­schenrufe bei der FPÖ), dazu geführt hat, dass 18 Milliarden € an Haftungen übernom­men wurden, das Neunfache des Kärntner Landesbudgets! Ein Strick, den man sich um den Hals legt – in wirtschaftspolitischer Hinsicht – und ihn noch fünf Mal herum­schlingt, das ist nämlich die wirtschaftspolitische Folge! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Da braucht überhaupt niemand von Ihnen herauszugehen und irgendetwas über Ban­ken zu sagen, und da brauchen Sie auch nicht von Watschen zu reden. Zwar lehne ich diese Bilder ab, aber wenn wir in dem Bild bleiben, weiß ich nicht, was die Bevölkerung für diese Art der verantwortungslosen Politik zuerkennt – Watschen wären dann wohl das Gelindeste! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mitterer: ... Rede eine Schan­de im Bundesrat! – Bundesrat Todt: Das ist die Wahrheit! – Weitere Rufe und Ge­genrufe zwischen Bundesräten von FPÖ und SPÖ.)

13.05



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 70

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte um Ruhe im Saal! Auch ehemalige Präsi­denten bitte ich, zur Ruhe beizutragen!

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da durch den gegenständlichen Beschluss die vertraglichen Grundlagen der Europäi­schen Union geändert werden, bedarf dieser gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 2 in Verbin­dung mit Artikel 50 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesra­tes bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und ei­ner Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die zur Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Beschluss gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit Artikel 50 Abs. 4 Bundes-Verfassungs­gesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Be­schlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

13.06.504. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 und ein Pflanzenschutzgesetz 2011 erlassen werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2010) (896 d.B. und 1034 d.B. so­wie 8442/BR d.B. und 8451/BR d.B.)

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Bitte um den Bericht.

 


13.07.04

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzenschutzmittel­gesetz 2011 und ein Pflanzenschutzgesetz 2011 erlassen werden – Agrarrechtsände­rungsgesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Feber 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

 


13.08.02

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben heute


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 71

das Agrarrechtsänderungsgesetz auf der Tagesordnung, so gesehen auch das Pflan­zenschutzmittelgesetz. Erlauben Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein klares und deutliches Wort zu sagen: Ja, dieses Gesetz, diese Aktion, diese Aktivität ist heute wichtiger denn je!

Wir wissen und hören Tag für Tag von dem Dioxin-Skandal in Deutschland. Ich sage klar und deutlich: Das ist ein Futtermittelskandal, kein Lebensmittelskandal. Gerade dort sind die Bauern sehr schwer betroffen. Wir hören es ja: Betriebe werden geschlossen, gleichzeitig sind Existenzen gefährdet – ohne Verschulden der Landwirtschaft!

Es ist sicher unbestritten, dass dadurch die Konsumenten das Vertrauen verloren ha­ben. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir heute dieses Gesetz auf der Tagesord­nung. Die Novelle, die wir heute dezidiert beschließen, beinhaltet zwei zentrale Punkte, und diese möchte ich hervorheben. Erstens: höheres Niveau für Umwelt und Gesund­heit, für Mensch und Tier; ich glaube, das ist ein unheimlich wichtiger Faktor in diesem Gesetz. Das Zweite ist eine Verwaltungsvereinfachung; die Bürokratie wird hier zwei­felsohne abgebaut, Doppel- und Mehrgleisigkeiten werden abgebaut.

Notwendig geworden ist diese Neufassung des Pflanzenschutzmittelgesetzes, weil wir das sogenannte EU-Pflanzenschutzmittelpaket umgesetzt haben und umsetzen muss­ten. Das ist zweifelsohne in diesem Bereich der EU involviert. Demgemäß wird die Europäische Union in drei Zonen eingeteilt, in denen es jeweils ähnliche Bedingungen in der Landwirtschaft gibt, wie etwa beim Pflanzenschutz und hinsichtlich der Umwelt. Zwischen den Mitgliedstaaten einer Zone gibt es eine verpflichtende gegenseitige An­erkennung der Pflanzenschutzmittelzulassung.

Das hilft – und das sage ich hier klar und deutlich – den Bauern! Es muss nicht in je­dem einzelnen Staat ein Verfahren abgewickelt werden; ich habe schon erwähnt, dass dadurch die Bürokratie abgebaut wird. Im Gegenzug besteht erstmals die Möglichkeit, Wirkstoffe, die als Risiko eingestuft werden, aus dem Verkehr zu ziehen. Gesundheit für die Bürgerinnen und Bürger hat schlicht und einfach Priorität und Vorrang!

Abschließend möchte ich sagen, dass es, glaube ich, ein wirklich gutes Gesetz ist, weil nicht nur die Bauern davon profitieren. Es gibt Sicherheit nicht nur für die Bauern, son­dern zweifelsohne auch für die Konsumenten. Neben einer Überwachung ist die In-Verkehr-Bringung einer Verpflichtung zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen über Spritzmittel sicher ein wesentlicher Beitrag. Damit tragen wir wesentlich zu einer um­weltgerechten Produktion bei.

Geschätzter Herr Bundesminister, danke schön für diese Initiative, aber auch danke schön für dein Engagement für die Umwelt auf der einen Seite, und gleichzeitig danke schön im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten! Ich weiß als praktizie­render Bauer sehr wohl, dass wir in einer schwierigen Situation – und ich sage hier be­wusst: in einer schwierigen Situation – den Konsumenten brauchen. Wir sind gleich­wertige Partner, und ich weiß das Engagement von deiner Seite in diesem Dioxin-Skandal und vieles mehr im Interesse unseres Berufstandes zu schätzen.

Wir werden gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.12.50

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Es ist allseits bekannt, dass Österreich in der glücklichen Lage ist, auf her­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 72

vorragendes Trinkwasser in ausreichender Menge zurückgreifen zu können. Weltweit werden wir um unsere sprudelnden sauberen Quellen beneidet, und wir können mit Recht stolz auf unser Trinkwasser sein.

Betrachten wir aber die Probleme mit dem Trinkwasser vor einigen Jahrzehnten in der Mitterndorfer Senke, so muss festgehalten werden, dass sauberes Trinkwasser keine Selbstverständlichkeit ist und geschützt werden muss. Nur wo sauberes Grundwasser zur Verfügung steht, können wir eine hohe Trinkwasserqualität erreichen. Die Industrie musste infolge ihres sorglosen Umgangs mit dem Wasser bereits strenge Auflagen hin­nehmen. Doch die Auflagen allein haben nur im Zusammenhang mit Kontrollen ihre Wirksamkeit erreicht.

Nun ist es vor allem notwendig, der Verunreinigung des Grundwassers durch Pflanzen­schutzmittel entgegenzuwirken. Die gesetzlichen Grundlagen wurden diskutiert und re­flektiert, und entsprechende Maßnahmen wurden eingeleitet. Nichtsdestoweniger hat die Praxis gezeigt, dass gutgemeinte gesetzliche Auflagen nur dann voll zum Tragen kommen, wenn auf ihre Einhaltung geachtet wird. Nur dort, wo die Einhaltung gesetzli­cher Auflagen kontrolliert und eingefordert wird, können wir mit Verbesserungen rech­nen.

Ein wichtiges Ziel muss das Bestreben sein, derartige Schutzmittel in Zukunft so wenig wie möglich einzusetzen. Die Reduktion auf absolut Notwendiges muss angestrebt werden. Ob der Einsatz wirklich gezielt und effizient erfolgt, können wir nur durch Kon­trollen der Substanzen von der Erzeugungsphase bis zur Anwendungsphase gewähr­leisten. Sogar klare Verbote in hochsensiblen ökologischen Räumen dürfen kein Tabu sein.

Eine Kontrollstruktur muss erarbeitet werden, wobei den Bundeskompetenzen der Vor­zug zu geben ist. Die Übertragung der amtlichen Kontrolltätigkeit und der damit verbun­denen Labortests ist unabdingbar, sie sollte an juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts laut den Richtlinien präzisiert werden.

Für jene Landwirte, die aus Eigenverantwortung schon längst sorgfältig mit den Pestizi­den umgehen, ergeben sich keinerlei bürokratische Hürden oder Belastungen. Es geht ja nicht darum, mehr Auflagen zu schaffen, sondern darum, die Normen vernünftigen Umgangs festzulegen und deren Einhaltung zu beobachten. Das vorliegende Gesetz erstreckt sich auf die Behördenstruktur und die Koordinierung der Aufsichtsorgane. In der Regel liegt es den Bauern selbst nahe, hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen und zu vermarkten.

Pflanzenschutz und Naturschutz dürfen nicht miteinander im Widerspruch stehen. Es wäre paradox, einerseits Pflanzen schützen zu wollen und andererseits ein Artenster­ben von Flora und Fauna in Kauf zu nehmen. Die physiosanitär notwendigen Bestim­mungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes gehören als Grundsatzbestimmungen in ein solides Gesetz 2011 integriert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Zwanziger. – Bitte.

 


13.16.25

Bundesrat Peter Zwanziger (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Von der SPÖ sind Gott sei Dank noch ein paar hier, das ist schön. Herr Klubobmann Klug, bevor wir anfangen: Keine Fouls, das ist gut so! Jedes Mal, wenn Herr Staatssekretär Schieder hier ist, kann er keine Fragen beantworten; er setzt sich hin, redet nicht über das Thema, sondern er hat je­des Mal nur ein Thema – das ist sein Lieblingsthema –, und zwar die Hypo und Kärn­ten!


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 73

Ich glaube, jemand, der von so einer Partei kommt, selbst in einem Glashaus sitzt und selbst schon viele Steine geworfen hat, sollte das nicht ... (Bundesrat Boden: Die Wahrheit tut eben weh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist nur fürs Proto­koll, weil es überhaupt nicht gepasst hat, Herr Kollege, aber du kannst es ihm gerne ausrichten. – Nun möchte ich trotzdem zum eigentlichen Thema kommen.

Das Pflanzenschutzgesetz und das Pflanzenschutzmittelgesetz sind, so denke ich, na­türlich wichtige Gesetze, die uns auch in Zukunft helfen werden, die Qualität beispiels­weise beim Trinkwasser zu erhalten. Natürlich ist es wichtig, Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten so zu schützen, dass von diesen Mitteln auch die umliegende Umwelt keine Schäden davonträgt. Wichtig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, so wie bei allen Mitteln, dass die Voraussetzungen und die Kontrollen richtig funktionieren, wobei man auch sagen muss: Kontrolle braucht es gerade in der Landwirtschaft immer mehr!

Wenn man bedenkt, dass die niedrigen Milchpreise auf den Überschuss, der zurzeit gegeben ist, zurückzuführen sind, dann fragt man sich schon: Warum gibt es über­haupt zurzeit einen Überschuss? – Wenn die Lebensmittelindustrie statt zu Milchpro­dukten immer mehr zu billigeren Ersatzprodukten greift, dann ist das eine traurige Wahr­heit, meine sehr geehrten Damen und Herren, und da muss sicher etwas getan werden.

Für den Konsumenten ist bei diesen Produkten meist kein Unterschied mehr zu bemer­ken, und natürlich wird jener Prozess beschleunigt, dass es immer weniger heimische Bauernhöfe gibt. Deshalb wird, so denke ich, auch die Kennzeichnung der Produkte immer wichtiger werden. Es ist zwar wichtig, dass wir Gütesiegel haben, aber die Kennzeichnung von Lebensmitteln, vor allem aus den Nachbarländern, aus dem EU-Bereich, ist nach wie vor nicht richtig gegeben und funktioniert auch noch nicht so.

Wir von den Freiheitlichen bekennen uns zu einer bäuerlich strukturierten Landwirt­schaft, wir wollen keine Agrarfabriken. Es soll auch nicht so sein, dass bei den Lebens­mitteln die Quantität zählt, sondern es soll die Qualität zählen. Wir sind gegen die Gen­technik und fordern deshalb vom Herrn Bundesminister ein Maßnahmenpaket, das selbstverständlich auch das Weiterbestehen der heimischen Landwirtschaft in ihrer tra­ditionellen Form mit sich bringt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Temmel. – Bitte.

 


13.19.35

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Her­ren! Das Agrarrechtsänderungsgesetz 2010, mit dem ein Pflanzenmittelschutzge­setz 2011 und ein Pflanzenschutzgesetz 2011 erlassen werden, hat mehrere Vorteile. Für die Landwirte bringt es eine tatsächliche Kostenreduktion und vor allem Sicherheit, für die Konsumenten die Schonung der Umwelt und so auch ein Mehr an Gesundheit.

Gerade nach dem Wirtschaftsjahr 2009, in dem Bauern Einkommensverluste von 28 Prozent hatten, aber die Aufwendungen für die Produktion, so zum Beispiel bei den Pflanzenschutzmitteln, vom Jahr 2008 auf 2009 um 9 Prozent gestiegen sind, ermög­licht es diese Novellierung jetzt, die Kostenvorteile eines größeren Angebotes zu nüt­zen und damit die explodierenden Betriebskosten zu senken. Neben Erleichterungen bei der fach- und sachgerechten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln werden auch Doppel- und Mehrgleisigkeiten abgeschafft.

Mit diesem Gesetz ist auch die Weiter- und Fortbildung für die Bäuerinnen und Bauern verbunden. Es ist nämlich nicht einfach und bedarf einer großen Sorgfaltspflicht, wenn


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 74

es darum geht, mit Pflanzenschutzmitteln umzugehen. Das wiederum bringt Sicherheit für die Menschen, für Tiere und für die Umwelt.

Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten haben wir es in vielen Bereichen bes­ser. Dass unser österreichischer Markt von Bauern so ordentlich bedient wird, sehen wir ganz konkret an den Auswirkungen der Dioxin-Katastrophe in Deutschland. Diese Ungereimtheiten, die dort passiert sind, richten der ganzen Landwirtschaft und damit auch dem ländlichen Raum echten Schaden an. Ich bin deshalb unserem Bundesmi­nister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich dankbar für die Initiative, dass die Europäische Uni­on Schweinefleisch in Lagerbestand nimmt.

Lobenswert erscheint mir in diesem Zusammenhang auch das Beispiel der Handels­kette Spar. Diese Firma hat ihre Lieferanten schriftlich angewiesen, nur Fleisch aus Österreich zu verwenden. Mit der Treue – das betone ich ausdrücklich – der österrei­chischen Konsumenten, die sich mit der Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes verbunden fühlen, kann dankenswerterweise immer gerechnet werden. Wich­tig für die Konsumenten ist bei diesem neuen Gesetz, dass es durch die Überwachung der Inverkehrbringung sowie durch eine Verpflichtung zur Aufbewahrung von Aufzeich­nungen von Pflanzenschutzmitteln zu einer Einschränkung von Wirkstoffen mit beson­ders negativen Eigenschaften kommt. Damit wird wesentlich zu einer umweltgerechte­ren Produktion beigetragen.

Ich bedanke mich bei allen, die zum Zustandekommen dieses Gesetzes beigetragen haben, insbesondere beim Minister Berlakovich und seinen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern. Wir werden diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.22.41

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute mit zahlenreichen Thematiken, die sich alle um das Thema Landwirtschaft drehen. Das ist sicher kein Zufall, denn die Landwirtschaft spielt eine sehr zentrale Rolle in sehr vie­len wichtigen Bereichen – und das, obwohl die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft seit vielen Jahren rückläufig sind, die Betriebe immer weniger werden und die Umstruktu­rierung zu immer größer werdenden Einheiten ungebremst weitergeht.

Ich möchte an dieser Stelle ein paar mir sehr wichtige grundsätzliche Dinge zum The­ma Landwirtschaft anbringen, bevor ich auf die Problematik des Pflanzen- und Boden­schutzes näher eingehe – wobei wir dazu bereits sehr konkrete Vorschläge erarbeitet haben.

Bäuerliche Traditionen tragen einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der kultu­rellen Vielfalt und des kulturellen Reichtums in unserer Gesellschaft. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) – Da freue ich mich, sehr gut. (Zwischenruf des Bundesrates Hens­ler.) Es wird noch besser:

Es waren in erster Linie die Bauern und Bäuerinnen, die die einzigartigen Kulturland­schaften bearbeitet und hervorgebracht haben. Gleichzeitig haben sie dabei die Basis für den gesellschaftlichen Reichtum geschaffen. Ohne die erfolgreiche Entwicklung der Landwirtschaft, ohne ausreichende Lebensmittel hätten sich niemals Handwerk, Ge­werbe oder später Industrie entwickeln können.

Obwohl die Aufgaben der Landwirtschaft vielfältig sind, betrachte ich die Lebensmit­telproduktion als ihre zentralste Aufgabe. Wir möchten nicht irgendwelche Lebens­mittel, bei denen man nicht weiß, welche Auswirkungen sie auf nachkommende Gene­


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rationen haben werden – ich meine da die Gentechnik –, sondern wir wollen Lebens­mittel, die ihren Namen verdienen und gesund sowie bekömmlich sind.

Gesunde Lebensmittel können nur auf einem gesunden Boden wachsen, daher bilden die land- und forstwirtschaftlichen Böden die zentrale Produktionsgrundlage auf viele Generationen hinaus. Dass wir unsere Anbauflächen schützen müssen, liegt daher klar auf der Hand. Der Politik kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Es liegt in erster Linie in der Hand der Politik, hier richtungsweisend zu agieren und der Landwirtschaft langfristig einen gedeihlichen Boden aufzubereiten – im wahrsten Sinne des Wortes.

Das vorliegende Bundesgesetz dient zur Vollziehung der Verordnung über eine nach­haltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Ich persönlich finde den Begriff Pflan­zenschutzmittel schon sehr problematisch, weil er beschönigend ist. Pflanzenschutz­mittel sind Herbizide, Fungizide, Pestizide und andere chemische Produkte, die jedoch für den Boden und das Wasser sicherlich keinen Schutz darstellen – ganz im Gegen­teil! (Beifall den Grünen.)

Wenn wir jedoch das wichtigste Kapital der Landwirtschaft, nämlich Boden und Was­ser, langfristig erhalten wollen, müssen wir auf jeden Fall das Inverkehrbringen von so­genannten Pflanzenschutzmitteln sehr, sehr streng kontrollieren. Deswegen werden wir dieser Regelung zustimmen.

Eigentlich sollten wir aber ganz darauf verzichten und den erfolgreichen Weg der öko­logischen Landwirtschaft in Österreich weitergehen und natürlich auch ausbauen – besonders in Regionen, wo die Grundwasserbelastung mit Nitraten schon so hoch ist, dass es für die Menschen ungenießbar geworden ist. Boden- und Wasserschutz steht für uns Grüne an oberster Stelle, und der Einsatz von chemischen Düngemitteln und Pestiziden hat eindeutig negative Auswirkungen auf die Umwelt, besonders auf das Wasser und auf den Boden.

Wie uns jetzt in Deutschland eindrücklich vor Augen geführt wurde, lösen sich diese Stoffe nicht einfach in Luft auf. Sicher handelt es sich beim Dioxin-Skandal in Deutsch­land um eine strafrechtlich relevante kriminelle Handlung. Die Lehre, die wir daraus ziehen können, ist jedoch, dass Giftstoffe, wenn sie erst einmal im System sind, nicht einfach verschwinden, sondern irgendwann auf unserem Teller landen.

In Österreich haben wir Gott sei Dank viele bäuerliche Betriebe, die sehr sorgfältig mit ihrem Boden umgehen. Die ökologisch bewirtschafteten Flächen nehmen zu. Was uns aber Sorge bereiten muss, ist die Tatsache, dass trotzdem der Einsatz von chemischen Substanzen ansteigt. Das heißt, auf weniger Fläche wird mehr gespritzt, und das kann nicht gesund sein.

Unsere Forderung ist daher, dass wir ökologisch und nachhaltig wirtschaftende Betrie­be noch viel mehr unterstützen und jenen, die mit dem Land rücksichtsloser umgehen, genau auf die Finger schauen müssen. Es sind die Bauern und Bäuerinnen, die die Sicherstellung unserer Lebensgrundlage in den Händen halten, und es ist Aufgabe der Politik, sie bei der Erzeugung von gesunden Lebensmitteln zu unterstützen. Wie ich se­he, nicken mir meine Kollegen von der landwirtschaftlichen Fraktion wohlwollend zu. Insofern werden wir diesem Gesetz auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Ber­lakovich. – Bitte, Herr Minister.

 


13.28.00

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 76

und Herren! Grundsätzlich zur österreichischen Landwirtschaft: Sie geht seit dem EU-Beitritt den Weg einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft. Wir wirtschaften im Ein­klang mit der Natur, denken in Generationen und bieten Programme an wie beispiels­weise das Österreichische Umweltprogramm – früher ÖPUL.

Das hat den Effekt, dass wir zwar im Fußball bedauerlicherweise nicht Weltmeister sind, aber bei der Bio-Landwirtschaft schon. Kein Staat der Erde hat im Verhältnis so viel biologisch bewirtschaftete Fläche wie Österreich, nämlich knapp 20 Prozent. Da macht uns niemand etwas vor! Das ist ein Effekt des Umweltprogrammes nach dem Motto: Der Bauer, der mehr für die Umwelt tut, bekommt mehr, und der, der weniger tut, weniger – oder gar nichts, wenn er nichts für die Umwelt tut. Das ist das Programm. Es geht um diese Leistungsanreize. Ich kämpfe deshalb so vehement für dieses EU-Prämiensystem, das leider immer wieder – auch aus ideologischen Gründen – bekämpft wird, weil der Förderanreiz da sein muss.

Wir haben gerade in den letzten Jahren erlebt, dass flächenstarke große Betriebe auf Bio umgestellt haben und daher eben auch eine finanzielle Unterstützung bekommen. Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, beispielsweise ab 2014, dann ist dieser Weg insgesamt in Frage gestellt. Daher ist es wichtig, dass es bei der gemeinsamen Agrar­politik ab 2014 auch eine ausreichende finanzielle Dotierung gibt – weil wir den ökolo­gisch nachhaltigen Weg in der Landwirtschaft Hand in Hand mit den Konsumenten wei­tergehen wollen.

Es muss unser Agrarsektor Lebensmittel produzieren, die die Menschen nachfragen, damit sie sich ordentlich ernähren können. Wahlfreiheit, sei es Bio, sei es konventionell, muss gewährleistet sein. Daher ist es mein Ziel und mein Interesse, dass alle Sektoren der heimischen Landwirtschaft wettbewerbsfähig sind und Lebensmittel in hoher Qua­lität und zu vernünftigen Preisen erzeugen können.

Der Dioxin-Skandal hat gezeigt, dass sich die österreichischen Bauern korrekt verhal­ten haben, aber sehr wohl unter Druck gekommen sind, dass nämlich durch Schweine­fleischexporte aus Deutschland bei uns ein Preisdruck entstanden ist.

Wir haben schnell reagiert. Ich habe für die Schweinebauern ein Fünf-Punkte-Sofort­programm aufgestellt. Ich habe bei der Kommission gemeinsam mit Belgien und Irland erreicht, dass kurzfristig in den Markt eingegriffen wird, also Schweinefleisch aus dem Markt gekauft wird – mit dem Effekt, dass die Preise steigen, sodass die Schwei­nebauern nicht unverschuldet zum Handkuss kommen.

Ich habe aber auch angeregt, dass wir auf der europäischen Ebene ernsthaft eine Dis­kussion zu einem neuen europäischen Lebensmittelmodell führen. Es kann nicht sein, dass sich die Bauern, die Lebensmittelindustrie, der Handel in mörderischen Preiskämp­fen aufreiben! Zur Gewinnmaximierung wird aus einem Lebensmittel der letzte Cent herausgepresst! Wobei ich überhaupt nicht dagegen bin, es sollen Gewinne gemacht werden, aber: Wenn dabei die Qualität leidet und der Konsument verunsichert wird, dann kann das nicht das Ziel sein.

Es ist ganz im Sinne einer ökosozialen Marktwirtschaft, dass jeder seinen Anteil be­kommt: der Bauer, der Handel, die Lebensmittelindustrie, die Verarbeitung – und zwar mit einer hohen, sicheren Qualität für die Konsumenten.

Wir stehen am Beginn der Debatte, aber sie ist absolut notwendig, denn: Heuer war es Dioxin, irgendwann einmal waren es BSE, Gammelfleisch, Schimmelkäse – immer wie­der hat es Skandale der Ernährungswirtschaft gegeben, die Auswirkungen auf Öster­reich gehabt haben, wobei auch wir zum Handkuss gekommen sind, ohne dazu selbst irgendetwas im negativen Sinne beigetragen zu haben. Daher brauchen wir in diesem Zusammenhang eine europäische Debatte, die ich auf der europäischen Ebene begon­nen habe.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 77

Das konkrete Agrarrechtsänderungsgesetz bringt zwei wesentliche Vorteile. Zum einen wird das Schutzniveau erhöht – nämlich für die Umwelt und für die Gesundheit von Mensch und Tier. Zum anderen gibt es Verwaltungsvereinfachungen – statt bisher drei Rechtsgrundlagen gibt es nämlich nur mehr zwei. Doppel- und Mehrgleisigkeiten wer­den abgebaut. Weiters gibt es einen rascheren Zugriff auf neue, umweltfreundliche Pro­dukte. Das ist gewährleistet.

Europa soll nach diesem System – das haben die Vorredner dankenswerterweise schon gesagt – in drei Zonen eingeteilt werden. Wenn ein Pflanzenschutzmittel in einer Zo­ne zugelassen wird, dann gilt die Zulassung für alle Staaten, die sich in dieser Zone befinden. Das hat einen Sinn bei der Anerkennung der Zulassung, weil es eben in je­dem Nationalstaat, wenn es erfolgt, zu Mehrkosten kommt, die die Industrie sozusagen darstellt und die letztendlich der Konsument und der Bauer bezahlen müssen.

Daher macht es Sinn, so vorzugehen. Erstmals möglich ist, dass Wirkstoffe, die nega­tive Auswirkungen oder negative Eigenschaften haben, gefahrenbedingt Ausschluss­kriterien unterzogen und so vorzeitig aus dem Verkehr gezogen werden. Das ist ein Qualitätsfortschritt für die Gesundheit von Mensch und Tier, das bringt sehr viel.

Weiters sind regelmäßige Kontrollen der Pflanzenschutzmittelgeräte vorgeschrieben, es gibt ein Verbot des Sprühens aus der Luft – das wird in Österreich ohnedies nicht angewendet – und viele andere Dinge mehr. Für den Landwirt, den Bauern bedeutet es Erleichterungen bei der fachlichen und sachgerechten Anwendung von Pflanzenschutz­mitteln, aber auch der Konsument profitiert.

In diesem Sinne herzlichen Dank für die Zustimmung! Wir haben in diesem Sektor ei­nen Qualitätsfortschritt zu verzeichnen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.33.395. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2011 gemäß § 9 LWG 1992 (III-414-BR/2010 d.B. sowie 8452/BR d.B.)

6. Punkt

Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grü­ner Bericht 2010) (III-415-BR/2010 d.B. sowie 8453/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Temmel. Ich bitte um die Berichte.

 


13.34.03

Berichterstatter Walter Temmel: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zum Tagesordnungspunkt 5: Der Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Was­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 78

serwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2011 gemäß § 9 LWG 1992, III-414-BR/2010 der Beila­gen, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; auf eine Verlesung kann deshalb verzichtet wer­den.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2011 gemäß § 9 LWG 1992, III-414-BR/2010 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Zum Tagesordnungspunkt 6: Der Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Was­serwirtschaft über den Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forst­wirtschaft (Grüner Bericht 2010), III-415-BR/2010 der Beilagen, liegt Ihnen in schriftli­cher Form vor; auf eine Verlesung kann deshalb verzichtet werden.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 den Antrag, den Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grüner Bericht 2010), III-415-BR/2010 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.35.25

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Der Grüne Bericht ist ein umfassendes Werk, für das ich den Beamten des Landwirtschaftsministeriums herzlich danke, er liest sich aber wie ein Un­tergangsszenario der österreichischen Bauern. Im Jahre 2009 hat sich die Einkom­menssituation in der Landwirtschaft dramatisch verschlechtert. Die Einkünfte in der Land- und Forstwirtschaft fielen durchschnittlich um bis zu 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Alle Betriebsformen verzeichnen im Vergleich zu 2008 gewaltigste Einbußen.

Der Grüne Bericht spricht davon, dass Betriebe mit einem Forstanteil von 25 bis 50 Prozent relativ glimpflich davongekommen sind, nämlich mit einem Minus von nur 9 Prozent, Betriebe mit einem Forstanteil von mehr als 50 Prozent haben ein Minus von 21 Prozent zu verkraften. Die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft aller Bergbauernbetriebe waren um 24 Prozent geringer als im Vergleichszeitraum des Vor­jahres. Insgesamt haben im Jahr 2009 über 1 480 Milchbauern ihren Betrieb für immer geschlossen.

Unter dem Bundesratspräsidenten Martin Preineder gab es einen gemeinsamen Aus­schuss mit Vertretern der tschechischen Wirtschaft. Dabei ist herausgekommen, dass in Österreich ein Durchschnittsbauer 20 Hektar bearbeitet und in der Tschechei (Bundesrätin Kerschbaum: Tschechien!) – Entschuldigung, in Tschechien ein Durch­schnittsbauer 180 Hektar bearbeitet.

Im Jahre 2009 wurden für die soziale Sicherheit der bäuerlichen Familien Leistungen im Wert von 2 775 Millionen € erbracht, davon sind 71 Prozent für die Pensionsversi­cherung benötigt worden. Aber die durchschnittliche Alterspension machte bei den Bauern lediglich 738 € aus. Dafür mussten diese Bauern ein Leben lang hart arbeiten und schuften. Die Bauern müssen auch nach wie vor bis zu ihrem Tod auf vieles ver­zichten.

Fraglich ist nur, wie bei einem Landwirt ein Durchschnittseinkommen berechnet wird, sind die Bauern doch pauschaliert. Dann stellt sich eben die Frage: Von welchen Zah­len wird bei einer Pauschalierung ein Durchschnittseinkommen berechnet? Sind das


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 79

die Zahlen jener Bauern, die um 150 000 € einen Traktor in der Scheune haben und vor dem Haus drei Mercedes? Oder sprechen wir hier von Durchschnittsbauern, die einen täglichen Überlebenskampf zu führen haben?

Für eine Durchschnittspension müssen die Bauern also ein Leben lang hart arbeiten, aber ein Asylant oder ein Bezieher der Mindestsicherung bekommt für eine Null-Leis­tung wesentlich mehr! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Die Bauern und damit auch de­ren Familien werden offensichtlich von der Politik vergessen. Veraltete Gesetze und neue EU-Richtlinien sorgen dafür, dass die Bauern weiter untergehen werden. Die Po­litik muss daher dafür sorgen, dass unsere Bauern nach einem langen, schweren Le­ben voller Arbeit auch den Ruhestand genießen können. Es darf nicht so weit kommen, dass Bauern, nur um ihre Zwangsumlagen bezahlen zu können, Grund und Boden ver­kaufen müssen!

Die Bauern haben Probleme, die Zwangsumlagen zu bezahlen, und die Wirtschafts­kammer hat Probleme, zu entscheiden, welches Dienstauto angeschafft werden soll: eines um 80 000 € oder eines um 135 000 €. Eine schnelle und zumindest kleine Hilfe wäre eine sofortige Befreiung aller Bauern von der Zwangsumlage.

Dieser Grüne Bericht liest sich leider tatsächlich wie ein Untergangsszenario des Bau­ernstandes. Der Agrarsektor, die Land- und Forstwirtschaft verringerte sich im Ergeb­nis um 11,5 Prozent auf rund 7,4 Milliarden €. Landwirtschaftliche Tätigkeit erfordert in vielen Betrieben mehrfache Nebentätigkeiten der Bauern, die mit der Land- und Forst­wirtschaft nichts zu tun haben. Viele Bauern sind gezwungen, anderwärts einer zweiten Beschäftigung nachzugehen, um ihre Familien zu erhalten. Die Situation der Bauern, egal ob Mischbauer, Waldbauer, Milchbauer, Biobauer, wird immer schlechter. Die Po­litik ist nicht willig, Voraussetzungen zu schaffen, damit der Bauer auch eine Zukunft hat.

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, den Bauern zu helfen. Ich darf nur in Erinnerung brin­gen: Umstellung auf erneuerbare Energie unter Einbindung der Landwirtschaft wäre zum Beispiel ein Vorschlag.

Die Landwirtschaft steht zurzeit, wie auch dieser Grüne Bericht anhand der Darstellung der Einkommen belegt, vor großen Herausforderungen. Billigkonkurrenz, globales Be­völkerungswachstum, Klimawandel, starke Preisschwankungen, Wirtschaftskrise – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Bauern brauchen in Zukunft wieder Perspekti­ven.

Unser Wasser ist Leben, unser Wasser ist Wirtschaft. Grundlegendes Ziel ist der Schutz und die nachhaltige Nutzung von Wasservorkommen und Gewässern. Das gilt auch für die Luft. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Ökosysteme sind Grenz­werte bei Schadstoffen, Emissionshöchstmengen einzuhalten. Und was unsere Böden anlangt: Der Nachhaltigkeitsstrategie gemäß ist die Funktionsfähigkeit und Verfügbar­keit der Böden in qualitativer Hinsicht dauerhaft zu sichern.

Meine Damen und Herren, reden wir kurz über einen politischen Saustall. Der Wasser­leitungsverband Nördliches Burgenland und die Stadtgemeinden Neufeld und Matters­burg haben wegen der Grundwassergefährdung große Bedenken gegen einen geneh­migten Schweinemassenzuchtbetrieb in Lichtenwörth, Niederösterreich.

Im Grenzraum zum Burgenland wurde in der Katastralgemeinde Lichtenwörth zu einem bestehenden Schweinemastbetrieb mit 1 990 Mastplätzen ein weiterer Standort in un­mittelbarer Nähe – zirka 300 Meter entfernt – mit weiteren 2 490 Mastplätzen durch das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung genehmigt. Dieser Standort liegt im Nahbereich des Grundwasserschutzgebiets mit mehreren Brunnenanlagen Richtung Neufeld. Das gefasste Brunnenwasser wird in das öffentliche Trinkwasserversorgungs­netz des Wasserleitungsverbandes Nördliches Burgenland eingespeist. Von dieser Was­serversorgung sind 65 Mitglieder und zirka 150 000 Personen abhängig.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 80

Die betroffenen Trinkwasserbezieher sind massiv besorgt, da bereits jetzt ein flächen­hafter Nitrateintrag vor allem aus Ackerböden feststellbar ist. Zu Recht besteht die An­nahme, dass es durch die mehr als Verdoppelung der anfallenden Gülle zu einer ver­mehrten Düngeraufbringung auf bewirtschafteten Ackerflächen kommen wird. Durch Auswaschung steigt daher die Gefahr von Stickstoffeintrag ins Grundwasser. Das ist im betroffenen Gebiet besonders problematisch, weil der vorhandene Grundwasserkör­per in einer Tiefe von zirka 1,5 Meter beginnt.

Der neue Betrieb hat eine Genehmigung für 2 490 Schweine erteilt bekommen; ab 2 500 Schweinen wäre eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. Wer zählt die Schweine und überprüft, wie viele tatsächlich gehalten werden? In einem Abstand von zirka 300 Metern befindet sich ebenfalls ein Schweinemastbetrieb mit über 1 990 Mast­plätzen.

In diesem Zusammenhang stellen sich schon einige Fragen: Warum konnte das Pro­jekt mit 2 490 Mastplätzen ohne Umweltverträglichkeitsprüfung Rechtskraft erlangen? Warum wurde im Zuge des Genehmigungsverfahrens nur eine einseitige Standortbe­trachtung vorgenommen, obwohl es sich doch um ein und denselben Besitzer handelt? Warum wurde die Niederösterreichische Umweltanwaltschaft trotz Kenntnis der Sach­lage nicht aktiv? Ist die Einspruchsfrist durch die Umweltanwaltschaft absichtlich nicht beachtet worden? Welche vorbeugenden gesundheitspolitischen Maßnahmen werden wegen der bereits jetzt schon erhöhten und in der Folge wie zu erwarten ist steigenden Nitratbelastung des Trinkwassers im betroffenen Gebiet und zum Schutz der Bürger gesetzt werden?

Herr Minister, wenn auch aus föderalistischer Sicht der Landwirtschaftsminister für das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren nicht zuständig ist und keine Kompetenzen hat, ist er für mich doch der politisch Verantwortliche für diesen Saustall. Eine Umwelt­anwaltschaft, die vergisst, einen Antrag auf Umweltverträglichkeitsprüfung einzubrin­gen oder diesen vielleicht bewusst zu spät eingebracht hat, brauchen wir nicht. Zum Schutz unserer Bevölkerung haben wir viele Gesetze erlassen, aber anscheinend braucht die dann keiner mehr einzuhalten, auch dann nicht, wenn eine Nichteinhaltung zur Gefährdung von über 150 000 Bewohnern führen kann.

Sehr geehrter Herr Minister, ich darf Ihnen noch von einer weiteren Gefährdung Mittei­lung machen: In Seibersdorf lagern zirka 11 000 Fässer mit radioaktivem Inhalt, zirka 5 000 Tonnen. Jährlich kommen 155 Tonnen dazu. Es handelt sich um radioaktiven Abfall, der zurzeit ausschließlich in Seibersdorf gelagert wird und nur dort gelagert wer­den kann.

Sehr geehrter Herr Minister! Sorgen Sie für eine sichere Endlagerung, damit wir uns um unsere Gesundheit auch in Zukunft keine Sorgen machen müssen! Für diesen Müll muss noch in dieser Legislaturperiode eine Lösung auf den Tisch! Herr Minister, sor­gen Sie dafür! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keusch­nigg. – Bitte.

 


13.47.23

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute den Grünen Bericht 2010 und die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft 2011 zur Beratung vorliegen. Kollege Ertl hat schon darauf hingewiesen, dass wir ein katastro­phales Jahr 2009 hinter uns haben. Es gab ein besseres Jahr 2010. Die Wortwahl je­doch – Untergangsszenario, Weltuntergang, Drehbuch für den Weltuntergang – ist eher


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 81

unpassend, würde ich eigentlich meinen. Die Frage ist ja, wie man mit schwierigen Si­tuationen umgeht. (Bundesrat Ertl: Indem man sie verbessert!) Es geht darum, ob man sie als Herausforderung betrachtet oder ob man mit einer Art Weltverdruss an diese He­rausforderungen herangeht. Wir sollten einfach beraten, was insgesamt zu tun und not­wendig ist, statt einen Sektor in die Krise zu reden.

Ich möchte mich heute eigentlich nicht so sehr auf die Details des Grünen Berichtes einlassen. Der Grüne Bericht ist wie immer ein sehr kompetentes Nachschlagewerk. Ich möchte allen sehr, sehr herzlich danken, Herr Bundesminister, die am Entstehen dieses Werkes mitgewirkt haben. Es enthält für jedermann nachlesbar diesen Mix der agrarpolitischen Strategien, die man für diesen Sektor entwickelt hat. Sie bestehen in einem Bündel von Ausgleichszahlungen, Investitionsförderungen, Maßnahmen für Bil­dung und Beratung. Vor allem zeigt sich aber auch ein starker Offensivgeist. Ich ver­weise in dem Zusammenhang auf das Maßnahmenpaket „Unternehmen Landwirt­schaft 2020“, auf diese Strategiearbeit, die unter der Federführung des Herrn Bundes­ministers stattfindet und die Professionalisierung des Sektors weiter vorantreiben soll.

Insgesamt sollten wir schon immer auch sehen, dass die Politik, die betrieben wird, am Ende doch sehr erfolgreich und in der Lage ist, den ländlichen Raum als Ganzes zu erhalten. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass es diese Art von ländlichem Raum nur mehr in Mitteleuropa gibt. Es gibt ihn in Österreich, in Deutschland, in Süd­tirol und vielleicht auch noch in der Schweiz. Außerhalb davon ist ein solcher Zugang zur Politik eigentlich eher nicht mehr gegeben.

Wir haben starke ländliche Räume. Wir waren im ökosozialen Sinne in der Lage, kleinststrukturierte Betriebe zu erhalten. Ich habe in diesem Haus schon einmal er­wähnt, dass wir laut Statistik unter den Milchlieferanten in Europa sogar noch hinter Portugal die kleinsten Betriebe haben. Wir haben aber gleichzeitig auch die jüngste Landwirtschaft in Europa, und das ist ein Hinweis auf den Optimismus in der Branche, im Sektor. Wir haben einen sehr niedrigen Altersdurchschnitt – diese Tabellen sind im Internet, also nicht alle in dem Buch da (der Redner hält das Schriftstück in die Höhe) nachlesbar –, also die jüngste und damit auch eine der vitalsten Landwirtschaften, die es gibt. Das muss man einfach dazusagen.

Auch ein weiterer Parameter hat sich günstig entwickelt: Seit 2005 hat die Anzahl der Betriebe in Österreich nur um 1,3 Prozent abgenommen. Auch das muss man einfach im Sinne einer gesunden Bilanz dazusagen.

Ich möchte heute aber eher in eine andere Richtung argumentieren und vom Interesse der Konsumenten ausgehen. Ich denke, dass wir insgesamt in einem größeren Zusam­menhang einen Paradigmenwechsel erleben und auf einen noch deutlicheren zuge­hen. Die Agrarpolitik als Frage nach der Sicherheit der Lebensmittelversorgung wird im globalen Maßstab zu einem ganz dramatischen Thema. Wir haben das in den letzten Tagen erlebt – Sie haben sicher selbst die Zeitungen gelesen –, ich zitiere nach der „Tiroler Tageszeitung“ vom Mittwoch, 2. Februar: „Weizenpreis im Höhenflug: Nudeln bis zu 15 Cent teurer“. – Wir haben gerade wahrgenommen, was sich in Tunesien ab­gespielt hat. Wir erleben im Moment, was sich an Dramatik in der 20-Millionen-Metro­pole Kairo abspielt.

Wir sind jahrzehntelang davon ausgegangen, dass der Zufluss von Lebensmitteln in die großen Metropolen wie selbstverständlich gegeben ist. Jetzt sehen wir, dass in den letzten 15 Monaten nach Daten der Vereinten Nationen die Weizenpreise um 136 Pro­zent gestiegen sind, die Reispreise um 217 Prozent und die Maispreise um 241 Pro­zent. Wir haben auch lesen können, dass ein einziger Händler von Agrarrohstoffen 11 Prozent der Weltkakaoernte aufgekauft hat.

Aus Sicht der Konsumenten ergibt das enorme Preisschwankungen, enorme Preisstei­gerungen. Es kommt auch zu Rohstoffverknappungen. Dazu kommt noch das schwie­


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rige Thema Spekulation. Bei der Lebensmittelsicherheit im Sinne von Versorgungssi­cherheit bewegen wir uns also auf eine nicht ganz einfachen Situation zu.

Zusätzlich gibt es auch noch andere Gefährdungspotenziale. Wir haben Energieproble­me im globalen Maßstab, aber auch bei uns, wir haben Wasserprobleme, wir haben Klimaprobleme. Ganze Landstriche auf dieser Erde veröden, vertrocknen. In unseren Breiten gibt es eine eigentlich ungehemmte Verbauung auch bester Böden. Man sollte auch diese großen Zusammenhänge sehen. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Fruchtbare Erde wird Mangelware. Wir brauchen da eine Politik, die die Gewichtungen, die Werte neu definiert. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Weltbevölkerung zu­nimmt, in etwa um 50 Prozent bis 2050.

Angesichts dessen wundert mich schon, und das sage ich jetzt kritisch, die Politik der Bundesarbeitskammer. Da diese ihnen ja eher nahesteht oder nähersteht, liebe Kolle­gInnen von der SPÖ, können sie da vielleicht gelegentlich ein Wort mit diesen Damen und Herren reden. Da wird teilweise mit Polemiken, mit parteipolitischen Störmanövern gearbeitet. Das wird für Politik gehalten. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Interes­senslage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also großer Teile der Konsumen­ten in Wahrheit ganz anders gelagert ist. Ich frage mich: Wo bleiben die Studien und Überlegungen der Bundesarbeitskammer zur Frage Nahrungsmittelsicherung, Ernäh­rung? (Bundesrat Todt: Es gibt aber im Prinzip schon eine Institution der Sozialpartner, die das machen müsste!)

Wir brauchen die Zusammenarbeit, und ich habe in den letzten Wochen von der Bun­desarbeitskammer nur polemische Stellungnahmen zum Einheitswert und zu vielen an­deren Themen gehört. (Bundesrat Todt: Lesen Sie auch die Stellungnahmen zum Kon­sumentenschutz?)

Lieber Kollege, ich möchte ja und betone dessen Notwendigkeit, dass wir eine Achse Bauern-Konsumenten bauen und haben, aber das geht eben auch nur in einem ver­nünftigen Dialog miteinander. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Nicht so polemisch!)

Und diesen Dialog möchten wir führen. Ich beende damit also auch die Schärfe der Auseinandersetzung. Ich würde also wirklich um Mäßigung bitten, denn aus dieser Ecke wird die Auseinandersetzung sehr parteipolitisch geführt. (Bundesrat Todt: Die Land­wirtschaftskammern tun das nicht, oder? – Bundesrat Ertl: Die Landwirtschaftskam­mern sind ganz und gar unparteipolitisch!)

Die wirklichen Fragen, die uns eigentlich bewegen sollten in diesem Zusammenhang, spielen – jedenfalls derzeit noch – nur eine geringe Rolle. Das wird sich aber sehr schnell ändern, wenn sich die Probleme – hoffentlich nicht – zuspitzen. Wir waren bis­her in der Lage, eine bestmögliche Versorgung mit gesunden, frischen Lebensmitteln in ausreichender Menge sicherzustellen. (Bundesrat Ertl: Dafür sind die Bauern zustän­dig!)

Darum wird sich die österreichische Landwirtschaft weiterhin bemühen. Wir erwarten uns schon, dass die Härte des Existenzkampfes in der Landwirtschaft, wie sie auch Kollege Ertl angesprochen hat, gesehen und auch gewürdigt wird.

Wir lesen in diesem Grünen Bericht, dass wir ein Betriebsdurchschnittseinkommen von 19 000 € haben. (Bundesrat Ertl: Wie wird denn dieser Durchschnitt ausgerechnet? Wie wird denn das berechnet?) Das bedeutet: Pro Arbeitskraft arbeiten die in etwa um 1 000 € im Monat und weniger, denn das ist ein Durchschnittswert. Da würden wir uns eigentlich ein bisschen mehr Solidarität und Verständnis für die Situation der einzelnen Betriebe wünschen.

Abschließend noch: Ich rede von Partnerschaft mit den Konsumenten und auch mit der Bundesarbeitskammer. Wir sollten das Thema Bevorratung möglicherweise auch bei


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der Frage der Sicherheitsdoktrin mitdiskutieren. Es geht darum, wie die Versorgungs­situation in 20, 30 Jahren wirklich ausschauen kann. Wir sollten eine gemeinsame Poli­tik betreiben, die im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch im Sinne der österreichischen Bauern ist, die einen guten Job machen. (Beifall bei der ÖVP so­wie des Bundesrates Dönmez.)

13.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Konrad. – Bitte.

 


13.57.42

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Kollege Keuschnigg, die Bundesarbeitskammer, die Arbeiterkammern an sich sind natürlich sehr bemüht, im Rahmen des Konsumentenschutzes alles zu tun, damit die Konsumenten in Österreich gute Produkte auf den Tisch bekommen. Ich denke, dass wir auf diesem Gebiet sowohl Partner als auch Kontrollore der Lebensmittelproduktion und der Verarbeitung, Verede­lung sind.

Was die Bundesarbeitskammer, und da bitte ich wirklich um Verständnis, aber aus meiner Sicht nicht machen könnte – ich bin selbst Kammerrat in der Steiermark, zwar nicht Mitglied in der Bundesarbeitskammer, aber ich wüsste nicht, dass das Aufgabe der Bundesarbeitskammer wäre –, ist, die Nahrungssicherheit herzustellen oder Kon­zepte und Strategien zur Nahrungssicherheit in Österreich auszuarbeiten. Da gibt es andere Teile der Sozialpartnerschaft – ich denke da natürlich zum einen ans Ministe­rium und zum anderen natürlich auch an die Landwirtschaftskammer –, in deren Zu­ständigkeit das fällt. Es kann ja nicht Thema der Bundesarbeitskammer sein, wie wir die Nahrungssicherheit in Österreich gestalten.

Zu den Ausführungen des Kollegen Ertl: Er sprach von einem Untergangsszenario. – Ja, es ist ein düsteres Bild, das dieser Bericht teilweise zeichnet. Ich würde aber mei­nen, dass das natürlich auch durch den Strukturwandel bedingt ist, der in der Land­wirtschaft generell gegeben ist. Und der macht leider auch vor Österreich nicht Halt.

Dass die Milchquote gestiegen ist, wie in dem Bericht zu lesen ist, ist gleichfalls ein Teil dieses Strukturwandels. Dazu gehört dann ebenfalls, wie auch drinnen steht, dass sich 1 480 Landwirte aus der Milchproduktion verabschiedet haben. Das ist ein Zeichen da­für und macht deutlich, wohin die Reise in diesem Sektor geht. Natürlich ist vorrangig die Landwirtschaftskammer aufgerufen, hier aktiv zu werden, wie klarerweise auch das Ministerium. Wir müssen den Strukturwandel so begleiten, dass die Bevölkerung im ländlichen Raum auch entsprechend damit umgehen kann.

Dass es mehr dazu bedarf als nur der Produktion von Nahrungsgrundstoffen, ist auch jedem klar. Wenn man in den Bereich der Veredelung geht, die nebst der Energiepro­duktion quasi das zweite Standbein in der Landwirtschaft geworden ist, muss man sa­gen, es ist einfach wichtig, dass die Entwicklung im landwirtschaftlichen Sektor, näm­lich auch die Ausbildung, einen entsprechenden Stellenwert in der Politik hat.

In der Steiermark zum Beispiel verfügen wir über 22 landwirtschaftliche Fachschulen mit Schwerpunkt Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft und über elf Fachschulen mit Schwerpunkt Land- und Forstwirtschaft. Ich finde das ganz, ganz wichtig, und ich glaube, es ist ein grundlegendes Element. Wir unterscheiden uns eben in der Produk­tion und in der Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben, durch die Qualität. Die Ausbildung ist daher ein wichtiger Punkt, und es freut mich auch, wenn der Herr Mi­nister immer wieder dieses zweite Standbein so hervorhebt und sagt, wie wichtig die Ausbildung im ländlichen Bereich und im landwirtschaftlichen Sektor ist.


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Dass das Reden das eine und das Handeln das andere ist, müssen wir aber leider auch oft feststellen. Und da bin ich schon bei meiner Kritik, Herr Minister, und ich bitte schon darum, sie ernst zu nehmen, denn wenn wir im Fall der Steiermark zum Beispiel aus den Jahren 2005, 2006, 2008, 2009 Rückstände in der Höhe von 8,3 Millionen € haben, mit dem Jahr 2010 10,6 Millionen €, die das Landwirtschaftsministerium dem Land Steiermark allein aus dem Titel der Bildung im land- und forstwirtschaftlichen Be­reich schuldet, dann muss man sagen, Sie, Herr Landwirtschaftsminister, gefährden leider diese Entwicklung. Ich glaube nicht, dass es in Ihrem Interesse oder im Interesse der Landbevölkerung ist, dass Sie diese Bereiche finanziell nicht entsprechend aus­statten. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren der ÖVP! Das ist natürlich in der Steiermark jetzt in der neuen Harmonie, die es Gott sei Dank gibt, eine einstimmige Entscheidung der Landesregierung, dass der Bund die Beträge, die der Bund zu erbringen hat, quasi auch weiterhin erbringen muss. Das ist klar. Entsprechend der finanztechnischen Re­gelung zwischen Bund und Ländern ist es so geregelt, dass der Bund dafür aufzu­kommen hat. Es ist mehrmals schriftlich urgiert worden, aber, wenn ich richtig infor­miert bin, leider ohne Erfolg. Ich finde es immer ein Armutszeichen, wenn ein Land den Bund klagen muss, damit Geld fließt.

Sehr geehrter Herr Minister, ich würde daher wirklich bitten, dass diese 10,6 Millio­nen € entsprechend rasch überwiesen werden. Aus einem einfachen Grund: Es sind vier Schulen aus dem landwirtschaftlichen Bereich unmittelbar von Schließung bedroht. Und wenn wir bedenken, meine sehr geehrte Damen und Herren, dass es gerade für unsere jungen Mitbürgerinnen und Mitbürger wichtig ist, eine entsprechende Ausbil­dung zu haben, glaube ich, dass es auch im landwirtschaftlichen Sektor wirklich vor­rangig sein muss, diesen Bereich auch entsprechend weiter beizubehalten.

Herr Minister, ich bitte um positive Behandlung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


14.03.31

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir Grüne möchten den MitarbeiterInnen des Ministeriums, die an diesem Bericht mitgewirkt ha­ben, unseren Dank aussprechen. Natürlich gibt es da und dort immer noch etwas Opti­mierungsbedarf, darauf wird dann meine Kollegin noch eingehen.

Was ich, bevor ich in die Materie einsteige, anmerken möchte, geht in Richtung des Kollegen Ertl. Ich weiß nicht, wie oft ich das noch strapazieren muss in diesem Haus, aber, bitte, diese Vergleiche mit den Asylwerbern, die einfach nicht stimmen, die hän­gen mir schon zum Hals raus, und ich glaube, nicht nur mir, denn sie sind schlicht und einfach nicht richtig. Würden unsere Bauern und Bäuerinnen annähernd nur das ver­dienen, was Asylwerber an Taschengeld oder Verpflegungsgeld bekommen, dann hät­ten wir einen Bauernaufstand. Und den haben wir nicht. Sie verdienen nicht viel für das, was sie leisten, das wissen wir, und sie leisten hervorragende Arbeit,

Damit bin ich schon beim nächsten Punkt. Was ich nicht verstehe – und ich glaube, dieses Unverständnis teilen auch die anderen Kolleginnen und Kollegen –: Man kann ja einen Bericht, der die Zahlen oder die Situation nicht gerade beschönigt, nicht aus diesem Grund ablehnen, sondern seien wir doch froh, dass ein Bericht so gestaltet wird, dass er einfach das, was draußen tagtäglich gelebt wird, widerspiegelt! Das sind zwei unterschiedliche Sachen. Einen Bericht kann man zur Kenntnis nehmen – aber prinzipiell aufgrund dessen, was inhaltlich dargestellt wird, den Bericht abzulehnen, das verstehe ich nicht. Aber gut, sei es, wie es sei.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 85

Ich habe bei meinen Worten zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt bereits ange­merkt, welchen wichtigen Stellenwert die Landwirtschaft für unsere Gesellschaft und für unsere gesamte Wirtschaft einnimmt. Aber nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa spielt die Agrarpolitik eine entscheidende Rolle für zukünftige Entwicklungen. Grundsätzlich stellt sich uns allen die Frage, wie unsere Landwirtschaft zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen und gleichzeitig gesunde Lebensmittel erzeugen kann.

Die grünen Bauern und Bäuerinnen aus Oberösterreich hatten vor wenigen Tagen eine Veranstaltung zu diesem Thema in Linz und haben sich genau diesen Fragen gewid­met. Der Grundtenor bei der Veranstaltung war: Weg mit den Agrarfabriken, weg mit der Massentierhaltung und den Monokulturen! Hin zu überschaubaren Betrieben, die gesunde Lebensmittel produzieren, ohne die Umwelt zu belasten und zu gefährden! Um es in einem Satz zusammenzufassen: Die Landwirtschaft muss sich wieder auf ih­re Wurzeln besinnen.

Von da her leiten sich auch unsere grünen Forderungen ab. Monokulturen führen zu belasteten und minderwertigen Nahrungsmitteln. Daraus resultieren hohe Folgekosten vor allem in der Umwelt, aber auch im Bereich der Gesundheit. Man kann also sagen, dass die Gesundheit der Landwirtschaft in einem direkten Zusammenhang mit der Ge­sundheit der Menschen steht.

Deswegen arbeiten wir an einer Reform der Landwirtschaft, die sich in Richtung öko­logische Landwirtschaft entwickeln soll, und schlagen im Zuge dieser Reform einen Bioaktionsplan vor. Dieser beinhaltet aktiven Klimaschutz, Naturschutz, Lebensmittel­qualität, Sicherheit für bäuerliche Arbeitsplätze. Gleichzeitig müssen wir den Import von Futtermitteln aus anderen Erdteilen einbremsen.

Natürlich ist uns klar, dass wir hier auf europaweiter Ebene politische Maßnahmen set­zen müssen. Wir Grüne halten es für wichtig, eine gemeinsame europäische Agrarpo­litik zu finden, einerseits um faire Bedingungen für alle land- und forstwirtschaftlichen ProduzentInnen zu schaffen, und andererseits um mehr Fairness im globalen Gefüge durch außenpolitische Maßnahmen erreichen zu können. Eine gemeinsame europäi­sche Agrarpolitik muss die Versorgung mit Lebensmitteln garantieren und gleichzeitig Klima- und Umweltschutz gewährleisten.

Dafür müssen wir aber weiterhin Geld in die Hand nehmen. Produktionsnachteile müs­sen kompensiert werden. Da muss noch mehr geschehen, denn die Stärkung der Re­gion, das heißt die Regionalentwicklung, muss vorangetrieben werden. Wenn wir es schaffen, Agrarförderungen so zu gestalten, dass möglichst viel davon als Wertschöp­fung in der Region verbleibt, stärken wir gleichzeitig auch die gesellschaftliche Akzep­tanz dieser enormen Summen, die in und aus dem Agrarbereich fließen.

Aber was heißt das nun ganz konkret? – Europa und die europäischen Regionen sol­len sich durch ihre landwirtschaftliche Produktion weitgehend selbst ernähren können. Dabei sollen die kulturell verschiedenen Essgewohnheiten und regionale Traditionen re­spektiert werden. Dazu brauchen wir Maßnahmen gegen das Lebensmitteldumping auf den Weltmärkten, denn – Kollege Georg Keuschnigg hat es schon ganz richtig ange­merkt – auf der einen Seite importieren wir Futtermittel aus Staaten der Dritten Welt, auf der anderen Seite überschwemmen wir diese Märkte mit subventionierten Lebens­mitteln. Nur Lebens- und Futtermittel, die auch den EU-Qualitäts- und Umweltnormen, vor allem den Sozialstandards gerecht werden, sollen importiert werden dürfen. Dies wiederum geht nur, wenn wir hier innerhalb der EU einen gemeinsamen Weg finden.

Deshalb fordern wir die Umwelt- und AgrarpolitikerInnen auf, genau diese Rahmenbe­dingungen zu schaffen. Mit einer nachhaltigen Agrarwirtschaft beziehungsweise mit ei­ner Stärkung der ökologischen Landwirtschaft können wir gleichzeitig die Regionen stärken und die Wertschöpfungsketten in einem überschaubareren und vor allem kon­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 86

trollierbareren Rahmen halten. Gleichzeitig garantieren wir damit auch, dass die Ar­beitsplätze und das Einkommen nicht nur in der Landwirtschaft direkt, sondern allge­mein im ländlichen Raum erhalten beziehungsweise sogar ausgebaut werden können.

Ein weiterer zentraler Punkt unseres Bioaktionsplans ist der Klimaschutz, der bisher einfach vom Umweltminister unseres Erachtens noch nicht so ernst genommen worden ist. Unsere Bauern brauchen Anreize, um die Emissionen von Treibhausgasen zu re­duzieren. Ich denke da unter anderem an die riesengroßen Dachflächen, die zur Verfü­gung stünden, um Sonnenenergie zu nützen. Hier müssen wir auf lokaler Ebene regio­nale Energiestrategien entwickeln, um langfristig Energieautarkie zu erreichen.

Einige Gemeinden in Oberösterreich beschreiten sehr erfolgreich diesen Weg. Nur als kleines Beispiel: Die Gemeinde Utzenaich in Oberösterreich betreibt eine Biogas-Anla­ge. Da haben sich vier, fünf engagierte Landwirte zusammengeschlossen, die visionär waren und sich trotz starken Widerstandes zusammengetan haben, um eben diesen natürlich vorhandenen Rohstoff, und zwar Gras, für die Energiegewinnung zu nützen. In Kooperation mit unterschiedlichen Forschungs- und Lehreinrichtungen wie Kepler Universität, Joanneum Research oder auch der Fachhochschule ist es gelungen, bei diesem Prozess auch Materialien abzuspalten wie zum Beispiel Milchsäure und Amino­säure, die in der industriellen Produktion sehr aufwendig und teuer produziert werden müssen. Das heißt, hier fallen bei der Produktion auch sehr viele Nebenprodukte an, und dadurch kann man sehr viel an Kosten sparen und gleichzeitig auch die Umwelt schonen. (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Zukunft liegt genau in diesem Bereich, dass man immer mehr zu Betrieben geht, die null Emissionen produzieren. Hier sind unsere Forscher und Forscherinnen sehr engagiert daran, diese Entwicklungen verstärkt anzugehen, und wir PolitikerInnen müs­sen ihnen die Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Aber wenn wir im For­schungs- und Lehrbereich kürzen, dann trifft das natürlich immer die Falschen.

Was der nichtbäuerlichen Bevölkerung wahrscheinlich am meisten auffällt, ist die Biodi­versität, die bei biologisch bewirtschafteten Flächen wirklich jedem Laien auffällt, nicht nur was die Vielfalt der Pflanzen auf den Flächen betrifft, sondern auch die Gestaltung der gesamten Agrarlandschaft. Hier wurde zwar schon vor einigen Jahren die Not­bremse gezogen, und es werden Flurbereinigung und die Ausräumung der Landwirt­schaft zumindest nicht mehr gefördert, dennoch geht eine Art Kahlschlag langsam vo­ran, obwohl da bereits ein Umdenken eingesetzt hat.

Dieses Umdenken in Richtung Erhaltung ökologisch einmaliger und wertvoller Flächen müssen wir unterstützen. Eine schöne und reizvolle Landschaft ist nicht nur unser Ka­pital im Tourismus, sondern erhöht auch die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner. Gleichzeitig müssen wir dem Hausverstand der Konsumentinnen und Kon­sumenten gerecht werden, die gentechnisch modifizierte Tier- und Pflanzenarten ableh­nen. In Österreich haben wir es mit einer breiten Ablehnung zu tun, und die Politik muss den Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher auch nachkommen.

Wir Grüne nehmen den Bericht zur Kenntnis, vertrauen darauf, dass wir mit unserem Bioaktionsplan eine Zielrichtung vorgeben, die für die Leistungsträger in der Agrarwirt­schaft – diese Leistungsträger sind die Bauern und Bäuerinnen – nachvollziehbar ist, und dass vonseiten der Politik auch die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, bei denen die Biobauern nicht mehr länger benachteiligt werden. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Hensler: Die armen Biobauern! Die werden benachteiligt?)

14.13


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. Ich er­teile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 87

14.13.30

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Bevor ich zum Grünen Bericht Stellung beziehe, darf ich ein bisschen auf die Vorredner eingehen. Kollege Ertl hat da­rauf hingewiesen, dass sich die Landwirtschaft, vor allem im Jahr 2009, in einer sehr, sehr schwierigen Situation befunden hat und befindet. Da gebe ich ihm durchaus recht, aber aus einer schwierigen Situation ein Untergangsszenarium zu zeichnen, finde ich falsch.

Ich finde es auch falsch, wenn wir Kammerumlagen als Zwangsumlagen bezeichnen – die Schulpflicht bringt ja auch keine Zwangsschule mit sich –, sondern diese Umlage dient dazu, die selbständige Interessenvertretung der Bauern, der Berufskollegen, ent­sprechend zu fördern.

Wenn Sie meinen, dass die Politik der Landwirtschaft, den bäuerlichen Berufskollegen, eine Perspektive geben muss, dann können Sie diese Perspektive nicht im nächsten Atemzug absprechen. Wenn nämlich ein junger Bauer in meinen Bezirk, in Lichten­wörth, ein Stallgebäude errichten möchte, sich an alle Vorschriften hält, die das Bau­recht und die Umweltvorschriften vorgeben, und dann an diesem Neubau gehindert wird, weil man halt einen Stall nicht haben möchte, dann kann man nicht fordern, Per­spektiven aufzuzeigen, und auf der anderen Seite genau diese Perspektiven wieder absprechen.

Herr Kollege Konrad hat gemeint, dass Lebensmittelpreise ein wertvoller Aspekt für die Konsumenten und vor allem für die Arbeiterkammer in ihrer Arbeit sind, aber Lebens­mittelsicherheit und Versorgungssicherheit nicht. Das kann ich nicht ganz nachvoll­ziehen. Ich weiß nicht, ob für die Konsumenten in Österreich eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln nicht eine wichtige Grundlage ist und sie daher die Sicherheit der Versorgung vor den günstigen Preis stellen. Ich würde Sie einladen, dass wir uns wie­der in ein Boot begeben und uns vielleicht gemeinsam in die gleiche Richtung bewe­gen.

Unser Kollege Dönmez entwickelt sich ja richtig zum Agrarexperten, ich darf nur ent­gegnen, dass es in Österreich keine Monokulturen gibt, weil das gesetzlich gar nicht erlaubt ist. Also wir sind ein Land, das ökologische Vielfalt und eine gesunde Frucht­folge pflegt. Es freut mich, dass du Vertrauen in die Agrarpolitik hast, dass du mehr Geld für die Landwirtschaft forderst und dass du die Bauern für wichtig hältst. Damit entwickelst du dich zu einem Jungbauern, und ich darf dir deswegen den Jungbauern­kalender 2010 überreichen. (Der Redner überreicht Bundesrat Dönmez ein Exemplar des genannten Kalenders.) 2010 deswegen, weil der Grüne Bericht für 2010 ist, und ein Jahr hast du noch zum Lernen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dönmez: Da sind nicht nur Bauern drinnen!) Der heißt Jungbauernkalender, aber es sind die Bäuerinnen drinnen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich darf betreffend den Grünen Bericht ein Danke­schön all jenen sagen, die an der Erstellung dieses Berichtes gearbeitet haben, weil es eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Politik ist, sich zu orientieren, wo die Land­wirtschaft steht und wohin es gehen soll.

Es war das Jahr 2009 ein sehr schwieriges Jahr, ein sehr dramatisches Jahr mit Ex­porteinbrüchen, mit Produktionseinbrüchen, mit dramatischen Einbrüchen beim land­wirtschaftlichen Einkommen: minus 20 Prozent beim landwirtschaftlichen Einkommen, minus 28 Prozent beim Betriebseinkommen. Dies war bedingt zum einen, wie es in der Landwirtschaft oft ist, durch eine geringere Ernte, zum anderen – das hat uns beson­ders wehgetan – durch eine schlechte Marktsituation und niedrige Preise; sehr deutlich im Bereich der Milch mit minus 26 Prozent. Das alles ergab in dem Jahr eine Re­duktion der Betriebe um 1,3 Prozent, obwohl das – Kollege Keuschnigg hat schon da­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 88

rauf hingewiesen – an sich im europäischen Schnitt ein sehr, sehr guter Wert ist, vor allem in so einem dramatischen Jahr.

Damit darf ich zu den positiven Dingen kommen, die man auch aus diesem Bericht he­rauslesen kann, nämlich positiv deswegen, weil – das wurde auch schon gesagt – sich die Biolandwirtschaft in Österreich auch aufgrund deines Programms, Herr Bundesmi­nister, nämlich der Biooffensive, sehr, sehr gut entwickelt hat. Ein Plus von 4,6 Prozent bei den Betrieben und ein Plus von 5,4 Prozent bei der Fläche. Das heißt, wie wir es gehört haben, dass die eher größeren Betriebe in den Biolandbau eingestiegen sind. – Kollege, den Kalender vielleicht erst nachher anschauen. Der lenkt von der Arbeit ab. (Unruhe im Saal.)

Positives kann man auch entnehmen, was die Entwicklung der Bergbauernbetriebe und die Einkommen der Bergbauernbetriebe betrifft, was im gesellschaftlichen Kontext auch sehr wichtig ist.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich ersuche, die Aufmerksamkeit wieder dem Redner zu­zuwenden und nicht mehr dem Kalender.

 


Bundesrat Martin Preineder (fortsetzend): Hier hatten wir ein durchschnittliches Einkommensminus von nur 9 Prozent, während wir in der Zone 3 einen durchschnittli­chen Prozentsatz von 21 Prozent, in der Zone 2 von 25 Prozent und in der Zone 1 von 28 Prozent an Betriebseinkommen verloren haben. Das heißt, dass wir von der staatli­chen, von der öffentlichen Seite jene Betriebe, die es am meisten brauchen, auch am stärksten unterstützt haben. Und auch das ist, glaube ich, ein positives Signal.

Ein positives Signal aus der Sicht der Agrarpolitik ist auch, dass die Gelder, die für die Leistungsabgeltung der österreichischen Bäuerinnen und Bauern geflossen sind, um 5 Prozent zugenommen haben, um 5 Prozent deshalb, weil einfach mehr Programme im Bereich der ländlichen Entwicklung umgesetzt und verwirklicht werden konnten und dadurch der ländliche Raum an sich profitiert.

Kollege Keuschnigg hat auch schon darauf hingewiesen, dass wir in Österreich die jüngste Landwirtschaft haben, nämlich sozusagen Marktführer in Europa sind bei den jungen Betriebsführern unter 45 Jahren. Ich glaube, auch das ist ein Signal in die Zu­kunft, auch das ist ein Signal, das zeigt, dass von den Bauern Perspektiven in der Land­wirtschaft gesehen werden.

Geschätzte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wichtiger als die Analyse ist, welche Maßnahmen die österreichische Landwirtschaft braucht, wie es in Zukunft wei­tergehen soll, welche Ziele wir verfolgen wollen. Wir wollen klar die Erhaltung und die Weiterentwicklung des ländlichen Raums und damit eine nachhaltige, wettbewerbsfä­hige bäuerliche Landwirtschaft.

Um diesen Wettbewerb zu stärken und die Betriebe wettbewerbsfähig zu machen, ist es auch notwendig, den Markt seitens der Politik im Auge zu behalten und begleitende Maßnahmen setzen. Wichtig ist hier die klare Lebensmittelkennzeichnung, weil öster­reichische Konsumenten österreichische Nahrungsmittel schätzen und entsprechend honorieren, weil die Herkunft ein entscheidendes Kriterium ist und weil es wichtig ist, dass wir unsere Genussregionen, die es in Österreich gibt, den Konsumenten auch entsprechend darstellen, zeigen und darauf hinweisen.

Genauso ist es notwendig, sich wieder verstärkt mit dem Gedanken der Intervention, mit dem Gedanken der öffentlichen Lagerhaltung zu beschäftigen, nämlich in beide Richtungen, aus der Sicht des Produzenten, des Bauern, und auch aus der Sicht des Konsumenten. Wir hatten in den letzten Jahren extreme Preisschwankungen bei agra­rischen Produkten, was weder dem Konsumenten noch dem Produzenten dienlich ist. Eine öffentliche Lagerhaltung kann dem entgegenwirken.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 89

Wir brauchen auch eine noch stärkere Qualitätsorientierung. Wenn wir ins benachbarte Ausland schauen, zeigt sich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Deshalb ist es auch für mich unverständlich, wenn die Arbeiterkammer bei einem Einkommensverlust von 28 Prozent noch in Richtung Landwirtschaft und agrarische Preise interveniert und manchmal Preisvergleiche anstellt – was Nahrungsmittel kosten dürfen, was sie in Deutschland kosten, was sie in Österreich kosten –, nach dem Motto: In Deutschland sind die Lebensmittel billiger. – In Deutschland sind die Lebensmittel vielleicht billiger, aber in Österreich sind sie besser. (Zwischenruf des Bundesrates Zwanziger.) Das kann man getrost sagen.

Ich habe hier eine Tabelle, die zeigt, was der Konsument in Österreich für Lebensmittel ausgab und ausgibt: Im Jahr 1950 waren es 44 Prozent, 1980 waren es 26 Prozent, und momentan sind wir bei 13 Prozent. Ich glaube, das ist durchaus vertretbar und verkraft­bar.

Geschätzte Damen und Herren! Ein wichtiger Aspekt ist natürlich auch jener, dass die öffentlichen Gelder, die in die Landwirtschaft fließen, Transferleistungen sind, die zum einen – aufgrund der Vergangenheit – Einkommensverluste abgelten, zum anderen ein klares Entgelt für Umweltleistungen darstellen und niemals soziales Transfergeld sind, nie in den Bereich der sozialen Transferleistungen eingereiht werden können. Letztlich wird mit diesen Transferzahlungen dem Konsumenten die Chance gegeben, Lebens­mittel um einen Preis zu erwerben, zu dem sie nicht produziert werden könnten. Nie­mand in Österreich, niemand in Europa könnte ohne agrarische Ausgleichszahlungen Lebensmittel zu diesem Preis produzieren, zu dem sie momentan auf dem Markt sind.

Deshalb ist es wichtig und auch meine Bitte, dass alles darangesetzt wird, um diese öffentlichen Gelder auch weiterhin für Bauern planbar zu machen und fortzusetzen, um die Abwanderung zu reduzieren, um sichere inländische Nahrungsmittel auch weiterhin auf dem Markt zu haben, um die Landwirtschaft für die Pflege der Landschaft und da­mit für den Tourismus zu erhalten, um umweltgerecht zu produzieren, wie wir es tun, um letztlich aber auch für den Konsumenten heimische Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen.

Darum lautet meine Bitte, in Richtung gemeinsamer Agrarpolitik alle Anstrengungen zu unternehmen, um einen kontinuierlichen Weg, eine kontinuierliche Entwicklung fortzu­setzen. Die Bauern tragen maßgeblichen Anteil an der Kultur unseres Landes, und das sollen sie auch in Zukunft tun. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.24


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


14.24.57

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe – ganz kurz – nur zwei Punkte, die ich noch einbringen möchte. Wir haben im Ausschuss diskutiert über das Bienensterben und darüber, dass unser Entschließungsantrag im Nationalrat ab­gelehnt wurde, weil in Österreich dieses Problem ja offensichtlich nicht so groß ist. Die Antwort, dass nämlich das Problem des Bienensterbens in Österreich erst evaluiert werden müsse, bevor man weitere Schritte setzen könne, war für mich einfach unbe­friedigend, und das möchte ich hier auch noch einmal zum Ausdruck bringen.

Wenn es in anderen Ländern möglich ist, die Verursacher dieses Bienensterbens – nämlich das insektizidgebeizte Saatgut – aus dem Programm zu nehmen, dann muss das in Österreich auch möglich sein. Ich weiß schon, dass es andere Methoden gibt, das auszubringen, und dass bei uns nichts passieren kann. Tatsache ist, dass es aber


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 90

auch bei uns ein Bienensterben gibt. Es hat schon Herr Einstein anno dazumal gesagt, wenn die Bienen verschwunden sind, haben die Menschen noch vier Jahre zu leben. Ich denke mir, dieses Problem darf man nicht einfach in alle Ewigkeit evaluieren. Man sollte sich schon überlegen, was man grundsätzlich ändern muss, damit dieses Bie­nensterben endlich ein Ende nimmt.

Ich habe keinen Jungbäuerinnenkalender bekommen, was ich sehr nachtragend be­merken muss. (Allgemeine Heiterkeit und Ruf: ... Jungbauernkalender!) Trotzdem mein zweites Anliegen: Ich bin gestern zufällig mit den Vertretern der Bauernschaft in mei­nem Bezirk zusammengesessen und habe mit den wirklichen Grünen – wie sie sich selbst gerne bezeichnen –, nämlich dem Bezirksbauernkammerobmann und dem Land­tagsabgeordneten Haller den Grünen Bericht vorbesprochen.

Wir sind dabei auf ein Thema gekommen, bei dem mich der Herr Bezirksbauernkam­merobmann gebeten hat, dass ich Ihnen heute etwas ausrichte, und zwar, dass es ge­rade bei den eiweißhaltigen Futtermitteln und allgemein bei den Futtermitteln ein ganz wichtiges und erstrebenswertes Ziel wäre, zu einer Selbstversorgung zu kommen. Ich habe das im Ausschuss auch schon angesprochen, und ich habe mir gedacht, ich freue mich sehr, wenn ich in diesem Fall von den „schwarzen Grünen“ Unterstützung bekomme. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Für mich wäre es ein Anliegen.

Die Geschichte mit den Futtermitteln hat ja auch noch andere Hintergründe. Für mich ist das Thema AMA immer wieder ein Reizthema. Es ist schön, dass die AMA inzwi­schen die Richtlinien so geändert hat, dass 100 Prozent der Wertschöpfung mehr oder weniger in Österreich erzielt werden müssen; früher war es anders. Dass aber die Fut­termittel offenbar nicht zu diesen 100 Prozent zählen, ist etwas, das nicht wirklich klar und deutlich veröffentlicht wird.

Es wäre für mich einfach ein erstrebenswertes Ziel, und ich denke mir, das sollte auch im Interesse der Landwirtschaft liegen, dass wir Futtermittel nicht importieren müssen, denn dann könnten wir ja, wenn wir Pech haben, auch irgendwelche Futtermittel impor­tieren, die vielleicht GVO-Verunreinigungen aufweisen – oder wenn wir aus Deutsch­land etwas importiert hätten, dann hätten wir ebenfalls Pech gehabt.

Im Grünen Bericht wird immer so viel Wert auf die Feststellung gelegt, dass wir so su­per sind, weil wir so viel exportieren. Für mich persönlich wäre es ein weitaus wichti­geres Ziel, beim Selbstversorgungsgrad 100 Prozent anzustreben, damit die österrei­chische Bevölkerung auch wirklich mit österreichischen Lebens- und Nahrungsmitteln versorgt werden kann, wie du auch schon gesagt hast, Herr Ex-Präsident. (Rufe bei der SPÖ: „Ex-Präsident“? – „Außer Dienst“ heißt das! „Außer Dienst“!) – Ex-Präsident? – Entschuldigung! Herr Präsident außer Dienst!

Ganz kurz noch, weil du diese Schweinestallgeschichte jetzt auch noch einmal ange­sprochen hast: Das Problem haben wir ja immer wieder – ich weiß es aus Niederös­terreich; ich nehme an, in anderen Bundesländern auch. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Kollege Ertl hat die Schweinställe angesprochen. Das Problem mit dem UVP-Gesetz – in dem nun einmal eine Grenze festgelegt ist, und darunter gibt es keine UVP – ist, dass es ausgetrickst werden kann. Im Moment sitzt der Landwirtschaftsminister da, der Umweltminister kommt ein bisschen später, und es haben viele Menschen hier in die­sem Raum dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz zugestimmt. Dass es in diesem Fall offensichtlich ausgetrickst wurde, indem ein Besitzer zwei Schweineställe neben­einander gebaut und zweimal keine UVP gebraucht hat, das toppt das natürlich noch einmal.

Ich möchte nur darauf hinweisen, weil Kollege Preineder so betont hat, man dürfe die­sen Leuten nicht Unrecht tun: Bei den Schweinen haben wir einen Selbstversorgungs­grad von 105 Prozent. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.29



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 91

Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

 


14.30.02

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Minister! Der Grüne Bericht ist immer wieder Rückblick, und die Maßnahmen für das Jahr 2011 sind Ausblick. Als ich Kollegen Ertl vorher gehört habe, habe ich wieder den Wolf im Schafspelz gehört – wenn er zuerst von den Einbußen in der Landwirt­schaft spricht, dann von den reichen Bauern, die mit dem Mercedes herumfahren – und in dieser Hinsicht auch die Gegenargumente zur bäuerlichen Landwirtschaft, lieber Kol­lege Ertl. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl. – Gegenruf bei der SPÖ.) Sie haben sich wieder selbst aufgedeckt.

Sicherlich, 2009 war ein schwieriges Jahr für die Landwirtschaft. Nicht nur der nasse Frühling war sehr problematisch, sondern die Weltwirtschaftskrise, die Finanzkrise hat sich auf die Preise der Bauern niedergeschlagen. Die Blauzungenkrankheit hat sich in den Ställen breitgemacht, und die Impfungen mussten durchgesetzt werden. Die Markt­preise sind eingebrochen, und – wir wissen es alle noch – am 23. Juli, als wir von der Sitzung weggefahren sind, ist ein Unwetter von Vorarlberg über ganz Österreich hin­weggezogen und hat riesengroße Schäden angerichtet.

Es ist wirklich ein dramatisches Jahr vorübergegangen – Gott sei Dank. Auch die Ein­bußen bei den landwirtschaftlichen Einkommen wurden schon genannt, aber trotzdem sieht man, dass die Maßnahmen, die die Agrarpolitik in den letzten 15 Jahren seit dem EU-Betritt gesetzt hat, wichtig waren. Obwohl die Arbeitskrafteinkommen um 27 Pro­zent bei der konventionellen Landwirtschaft und um 21 Prozent bei den Biobauern zu­rückgegangen sind, hat es bei den Bergbauern der Zone 4 kaum Einbußen gegeben. Hier ist es wichtig, dass wir diese Standorte in der Landwirtschaft sichern, denn wir se­hen, dass hier die Marktpreise nicht ausschlaggebend sind, die sogenannte Preisvolatili­tät.

Da möchte ich dir, Herr Minister, ein herzliches Dankeschön sagen, denn du hast im Jahr 2009 ganz große Schritte im Bereich Milch gesetzt, mit dem Milchgipfel hier in Wien, dass dann die Lagerhaltung eingeführt wurde, die letztes Jahr im August wieder zu Ende ging. Es war wichtig, in diesem Sektor schnell effiziente Schritte zu setzen für unsere Milchbauern und Milchbäuerinnen.

Im Rindfleischbereich gab es in den Jahren zwischen 1995 und 2008 kontinuierliche Steigerungen bei der Produktion, weltweit um 0,5 bis 1 Prozent. Jetzt dreht sich das Rad rückwärts. Die Produktion im Rindfleischbereich nimmt ab, und somit wird es immer wichtiger, dass wir in Österreich die Eigenversorgung sicherstellen.

Auch im Geflügelbereich mussten im Jahr 2009 große Umstellungen vorgenommen wer­den. Die Käfighaltung fiel weg, die ausgestalteten Käfige und auch die Bodenhaltung wurden hier maßgeblich greifend, und wir sehen, in Österreich haben wir bei Eiern nur eine Eigenversorgung – von 70 Prozent.

Hier sehen wir aber auch, der Dioxin-Skandal in Deutschland hat sich auch auf die ös­terreichischen Geflügelbauern, auf die Eierwirtschaft ausgewirkt. Das Thema ist: Es ist nicht einmal die Eigenversorgung gegeben, und die Preise sind trotzdem zurückgegan­gen.

Zum Thema Soziales: Meine Kollegen haben es schon gesagt, dass wir die jüngste Landwirtschaft haben, und das ist positiv. Wir sollen die Landwirtschaft nicht krankreden, denn unsere Landwirtschaft hat Zukunft (Ruf bei der SPÖ: Warum hören denn dann so viele auf?), denn wir machen entsprechende Ausbildungsschritte.

Lieber Kollege Konrad, ich hätte noch kurz eine Frage an Sie: Sind die Schulen in der Steiermark landwirtschaftliche Fachschulen oder höhere Bildungsanstalten? Für land­


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 92

wirtschaftliche Fachschulen ist bei uns in Oberösterreich das Land zuständig – zum Beispiel –, und für die höher bildenden Schulen ist der Bund zuständig. Ist das auch so? – Der Herr Bundesminister nickt, also ist das Land Steiermark selber zuständig für diese landwirtschaftlichen Fachschulen. (Ruf bei der SPÖ: Das hast du falsch verstan­den!) – Nein. (Ruf bei der SPÖ: Finanzausgleichsgesetz, Kollege, 50 Prozent zahlt der Bund!)

Noch kurz zu den Ausgaben für die Landwirtschaft, weil immer wieder kritisiert wird, die Gelder für die Landwirtschaft seien nicht gerechtfertigt: Zirka 53 Prozent der Ausgaben für die Landwirtschaft fließen in die Wirtschaft und in die Industrie, das sind 4 Milliar­den € – eine riesige Summe, die auch Arbeitsplätze sichert. Das ist sicher auch für die Arbeiterkammer interessant, denn hier werden Arbeitsplätze in den Regionen, im länd­lichen Raum gesichert, und die ländliche Entwicklung ist ein Juwel, ein Modell, das von vielen Ländern Europas kopiert wird, denn in Österreich haben wir keine Ausdünnung des ländlichen Raumes, sondern eine Zuwanderung in den ländlichen Raum von 9 Pro­zent. In allen europäischen Ländern haben wir hier eine Abwanderung.

Die Energiestrategie ist ein notwendiger Schritt, den Sie auch immer sehr stark verfol­gen, Herr Bundesminister; auch in diesem Bereich ein herzliches Dankeschön dafür, dass immer wieder Schritte gesetzt werden, dass die Landwirtschaft als Energieversor­ger auftritt.

Noch ein Punkt zur Arbeiterkammer: Ich erinnere mich noch genau an das Jahr 2008, als die Arbeiterkammer aufgestanden ist und gesagt hat, wir müssten die Energiever­sorgung oder die Energieproduktion der Landwirtschaft sofort einstellen, die Menschen müssten verhungern, der Verbraucherpreisindex steige. Ich habe hier eine Grafik, die die Entwicklung des Verbraucherpreisindex vom Jahr 2005 bis 2009 zeigt. (Der Redner zeigt eine Graphik.) Der Verbraucherpreisindex ist hier von 100 auf 133 gestiegen, der Agrarindex ist auf 99,7 gefallen. Die gelbe Linie ist der Agrarindex und die rote der Ver­braucherpreisindex. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also die Landwirtschaft ist nicht zu­ständig für den Anstieg des Verbraucherpreisindex.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Grüne Bericht ist wieder ein umfangreiches Werk. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitern des Ministeriums, und ich sage auch dir Dan­keschön, lieber Herr Minister, denn es ist die Ausrichtung für die Zukunft. Und unsere Landwirtschaft hat eine große Zukunft, denn wir sind im Bio-Bereich die Weltmeister, wir sind bei der Lebensmittelsicherheit die Weltmeister, daher sind wir auch auf dem internationalen Markt gefragt. Ein herzliches Dankeschön und alles Gute der Land­wirtschaft! Ich bin überzeugt, dass der Bericht 2011 wieder dementsprechend positiver ausschauen wird, denn wir haben aus agrarpolitischer Sicht sehr viel dazu getan – auch unser Herr Minister. Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

14.36


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Ber­lakovich. – Bitte.

 


14.36.27

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf das Thema eingehe, möchte ich ein paar Dinge ausräumen, die die Sie hier in den Raum gestellt haben, damit kein falscher Eindruck entsteht. Sie sprachen vom Bienensterben und sagten, wir würden in Österreich evaluieren und nichts dage­gen machen. Bitte, Sie müssen sich genauer informieren!

Der Gesundheitskommissar hat im letzten Agrarministerrat berichtet, dass es in Teilen Europas Bienensterben gibt – und niemand weiß, warum das so ist. Niemand weiß das! Seriöse wissenschaftliche Studien können es nicht feststellen, ob es die Gentech­


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nik ist, ob es Umwelteinflüsse sind, ob es irgendwelche anderen Einflüsse sind. Über­zeugen Sie sich! Der Kommissar hat den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu­gesagt, Studien in Auftrag zu geben, wissenschaftlich zu ergründen, warum in Teilen Europas Bienenvölker zugrunde gehen. Es ist nicht geklärt. Ich bitte Sie, hier nicht eine Stimmung zu verbreiten, als ob wir nichts dagegen tun würden. Man weiß es in ganz Europa nicht, warum das geschieht.

Der zweite Punkt: Dioxin in Deutschland. – Die Deutschen übernehmen jetzt unser Kontrollsystem. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) In Deutschland waren 17 bis 19 Landesbehörden zuständig, eine völlig zersplitterte Struktur. Bei uns macht das die AGES, die Bundesbehörde. Man muss fairerweise dazusagen, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass – wie in Deutschland – kriminelle Handlungen stattfinden, das ist schon richtig. Dort waren es kriminelle Handlungen. Aber, die österreichische Futtermittelindustrie betreibt seit mehreren Jahren gemeinsam mit der AGES ein Dio­xin-Monitoring, das jetzt die Deutschen von uns übernehmen. Wir sind in diesem Be­reich sehr darauf bedacht, dem Konsumenten Sicherheit zu geben, weil in Wahrheit al­le draufzahlen.

Nächster Punkt: Eiweißstrategie. – Allen, mit denen Sie reden, können Sie mitteilen: Wir haben in Österreich eine Eiweißstrategie. Ziel ist es, möglichst eine eigene Eiweiß­futtermittelversorgung zu sichern. Wir sind auf dem Weg dorthin, und an diesem The­ma arbeiten wir.

Nächster Punkt: AMA. – Das AMA-Gütesiegel war und ist „100 Prozent Österreich“. Das war nie anders. Das AMA-Gütesiegel ist das einzige Gütesiegel, das „100 Prozent österreichisches Fleisch“, „100 Prozent österreichische Milch“, und, und, und garan­tiert. Kein einziges Gütesiegel garantiert das! Das war nie anders. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Ich weiß, dass oft behauptet wird, irgendwann einmal wä­ren es 50 Prozent gewesen. Das stimmt nicht! Es war immer so: Wenn das AMA-Gü­tesiegel drauf ist – da gibt es zusätzliche Kontrollen und Überprüfungen –, dann weiß man, dass das Tier in Österreich geboren, gewachsen, geschlachtet und verarbeitet wur­de. Das gilt bei der Milch und gilt bei allen anderen Dingen ebenso.

Das gibt dem Konsumenten Sicherheit, wobei man dazusagen muss, dass für die Le­bensmittelkennzeichnung der Herr Gesundheitsminister zuständig ist. Der Punkt ist: Wir wollen – und da hatte er es bis jetzt auf europäischer Ebene noch schwer –, dass wirklich Österreich drinnen ist, wo Österreich draufsteht. Das AMA-Gütesiegel garan­tiert das! Aber es gibt auch Lebensmittel, auf denen eine österreichische Fahne drauf ist, so dass der Konsument denkt, es komme aus Österreich, dem ist aber nicht so. Daher unterstütze ich den Gesundheitsminister in der Bestrebung, dass der Konsu­ment/die Konsumentin weiß, was er oder sie kauft. Auf der europäischen Ebene, auf der dieses Regelwerk gemacht wird, wurde das noch nicht erreicht, weil es dort massi­ven Widerstand gibt. (Bundesrätin Kerschbaum: ... Futtermittel!)

Wenn eine österreichische Konsumentin sagt, sie will italienische Salami kaufen oder eine belgische, dann soll sie es tun, aber sie soll es erkennen können. Daher unter­stütze ich den Gesundheitsminister ganz in den Bestrebungen, dass die Herkunfts­kennzeichnung vor allem beim verarbeiteten Produkt gewährleistet ist, zum Beispiel, dass dann, wenn Wurst verkauft wird, die Anteile etwa vom belgischen, vom österrei­chischen oder beispielsweise vom deutschen Schweinefleisch ausgewiesen sind. Da­für setzen wir uns ein in unserer Kompetenz und Zuständigkeit der Bundesminister!

Weil Sie das Thema Selbstversorgungsgrad angesprochen haben: Natürlich ist es in unserem Interesse, möglichst viele Lebensmittel im eigenen Land zu erzeugen. Wir ha­ben 140 Prozent bei der Milch. Wir sind auf den Lebensmittelexport angewiesen, weil wir im Stande sind, ohne großbetriebliche Strukturen mehr Milch zu produzieren, als wir in Österreich brauchen.


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Wissen Sie, was der Effekt ist? – Durch den Tourismus kommen Leute aus Westeuro­pa – Holland, Deutschland – und zunehmend aus Osteuropa, zum Beispiel aus Kroa­tien, nach Österreich. Sie wollen die Lebensmittel, die sie hier im Urlaub konsumieren, dann in ihrem Land kaufen. Deshalb war ich vor Kurzem in Kroatien, um mit der öster­reichischen Lebensmittelindustrie österreichische Lebensmittel zu bewerben. Wir wa­ren auch in Russland und anderen Staaten. Österreich genießt enormes Vertrauen im Bereich der Lebensmittelsicherheit – und dafür arbeiten wir!

Man muss dazusagen, dass das mit den Futtermitteln und Lebensmitteln natürlich kei­ne Einbahnstraße sein kann. Wenn wir Lebensmittel auf dem europäischen Markt ver­kaufen, dann kommen natürlich auch welche zu uns. Die Konsumenten und Konsu­mentinnen sollen auch vergleichen. Es soll ja Wahlfreiheit geben. Die Konsumenten werden dann erkennen, dass das österreichische Lebensmittel ein sicheres und qual­itativ hochwertiges ist, das natürlich auch seinen Preis hat. Von Produkten zum Nulltarif und zu Schleuderpreisen kann niemand leben. Es kann nicht das Ziel der österrei­chischen Lebensmittelproduktion sein, dass Schleuderlebensmittel gemacht werden, denn das ist nicht gut für die Volksgesundheit, und jeder Mensch soll und muss sich zu vernünftigen Preisen ordentliche Lebensmittel kaufen und leisten können. Das ist un­ser Ziel, daran arbeiten wir!

Zum Grünen Bericht: Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses für diesen Bericht, aber ich bedanke mich auch für die Gesetze und die Initiativen vor­her und nachher. Ich denke, das ist das umfassendste Nachschlagewerk, das es im Agrarsektor gibt. Mit einer Fülle von Daten wird objektiv festgestellt, wie die Lage ist, und nichts beschönigt. Niemand hat etwas davon, wenn man irgendetwas hin und her dreht. Die wirtschaftliche und soziale Lage des Agrarsektors soll dargestellt werden. Das ist der 51. Bericht. Es gibt keinen Sektor in Österreich, der dermaßen fundiert auf­geschlüsselt wird. Das ist ein klares Ziel.

Der Bericht zeigt auch, dass wir im Jahr 2009, auf das er sich bezieht, ein 28-prozen­tiges Einkommensminus gehabt haben. Das ist auch erklärbar. Einige Vorredner haben schon gesagt, dass die agrarischen Rohstoffe und die Lebensmittel zunehmend Opfer der Spekulation werden. In den Jahren 2007 und 2008 hat es einen Anstieg des Ölprei­ses gegeben, und die Agrarmärkte sind viel stärker, so stark wie noch nie, mit den Energiemärkten verbunden. Die Lebensmittelpreise wurden mitgezogen, deshalb wa­ren der Milch- und Getreidepreis 2007 und 2008 super. Die Bauern haben sich riesig gefreut, dass ihre Arbeit endlich etwas wert war. Dann ist die Blase geplatzt, und die Preise sind plötzlich heruntergerasselt – siehe minus 28 Prozent Einkommen! Das ist ganz eindeutig nachvollziehbar.

Im Vorjahr, als die Landwirtschaftsminister der OECD-Mitgliedstaaten in Paris nach zwölf Jahren wieder zusammengekommen sind, habe ich das thematisiert. Ich war mit dem neuseeländischen Agrarminister Vorsitzender dieser Konferenz, alle wichtigen Player der Welt im Agrarbereich waren beisammen. Damals hat interessanterweise der Ver­treter der FAO – also jener weltweiten Ernährungsbehörde der UNO, die sich der Er­nährung der Menschen annimmt – gesagt, die Spekulation sei nicht das Thema. Wenn aber die Lebensmittelpreise steigen, dann haben die Entwicklungsländer ein Problem. Sie haben ein Ernährungsproblem und können sich die Lebensmittel nicht leisten, weil sie sie noch nicht selbst produzieren können. Daher muss der Spekulation Einhalt ge­boten werden. Ich unterstütze die Franzosen sehr stark, die im Rahmen der G-20 das Thema Lebensmittel und Spekulation auf die Tagesordnung bringen. Mit Lebensmitteln darf nicht gezockt, darf nicht spekuliert werden. Das ist eine Grundmaxime, die wir in der Partei, in Österreich haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

In Österreich haben wir Herkunftskennzeichnungen; das habe ich bereits erwähnt. Das ist ein wichtiger Punkt!


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Ich möchte nun etwas zu der Schweinestallgeschichte in Lichtenwörth sagen. Wissen Sie, Herr Kollege Ertl, ich halte es für bemerkenswert, dass ein Vertreter einer Länder­kammer beklagt, dass es bei der Genehmigung eine Länderzuständigkeit gibt und möchte, dass der Bundesminister das regeln soll. Das halte ich für sehr bemerkens­wert. (Bundesrat Ertl: Wir handeln das aber nicht auf Länderebene ab!) Sie müssten als Ländervertreter sagen: Ja, wir wollen die Genehmigungen im eigenen Land haben!

Es kann doch nicht sein, dass man einer BH unterstellt – ob sie in Niederösterreich, in Tirol oder in der Steiermark ist –, dass sie das Verfahren nicht ordnungsgemäß durch­führt! Es kann doch nicht Aufgabe eines Ministers sein, einen Hühnerstall, einen Schweinestall oder einen Rinderstall zu genehmigen! Dann braucht man keine Landes­behörden, wenn wir das im Ministerium genehmigen! Also, ich gehe davon aus, dass eine BH das ordnungsgemäß genehmigt. Es steht hier so im Raum, dass einer dort manipuliert hätte. Meiner Information nach hat er eben die Möglichkeiten des Gesetzes genutzt und einen Schweinestall beantragt, um nicht in die UVP-Pflicht hineinzufallen. Dann muss man die Bestimmungen ändern. Aber natürlich hat die BH im Genehmi­gungsverfahren darauf zu achten, dass das Grundwasser saniert wird.

Jetzt einmal abgesehen von parteipolitischem Geplänkel, das Sie auf mich beziehen, Folgendes an die burgenländischen Kollegen: Nicht böse sein, aber niemand hält Lan­deshauptmann Niessl davon ab, mit Landeshauptmann Pröll zu reden und zu sagen, dass seine Bürger gefährdet sind und die niederösterreichischen Landesbehörden ord­nungsgemäß arbeiten müssen. Länderkompetenzen ja, ich bin sehr dafür, aber dann sollten sie auch wahrgenommen werden und Probleme bilateral gelöst und nicht an den Bund delegiert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist auf jeden Fall so, dass wir den Strukturwandel im ländlichen Raum begleiten. Deswegen kämpfe ich ja für die Zahlungen, die Prämien an die Bauern, weil das öko­logischer Leistungslohn und keine Sozialzahlung ist. Das ist erwähnt worden. Ein Bau­er, der nichts für die Umwelt tut, bekommt nichts. Im Berggebiet gibt es Erschwernisse, die abgegolten werden müssen. Daher habe ich die Neiddebatte um die Prämien, es fließe ein Haufen Geld in die Landwirtschaft und werde schlecht verwendet, immer wie­der abgelehnt.

Man muss schon sagen: Wenn die Arbeiterkammer sagt, dass da Nehmer am Werk sind, dann muss ich sagen: Das ist kein schöner Ausdruck! Das erweckt den Verdacht, dass jemand einfach in die Lade greift – und das ist nicht der Fall! Österreich ist ein Land, das kaum Gelder aus dem Agrarbereich an die EU zurückzahlt, weil wir sie eben korrekt verwenden. Da nimmt nicht irgendwer irgendetwas. Ich bitte Sie, in der Argu­mentation sauber zu sein, denn das schadet der Reputation Österreichs.

Das WIFO hat untersucht, dass die Zahlungen an die Bauern den Effekt haben, dass wir kleinbäuerliche Strukturen erhalten können. Wenn wir diese Prämien nicht hätten, dann müssten 50 Prozent der Betriebe sofort zusperren, im Berggebiet sogar noch mehr, dort sind es 60 Prozent.

Und dazu  der Kollege Bundesrat hat es erwähnt – kommt noch Folgendes: Weltweit, auch in ganz Europa, wachsen die Städte stärker als der ländliche Raum. In Österreich ist es umgekehrt. Durch das Programm der „Ländlichen Entwicklung“ wächst der länd­liche Raum laut WIFO eine Spur stärker als die Städte. Das ist genau das, was wir wollen!

Ich komme auch aus einer ländlichen Region mit starker Abwanderung. Es muss unser Ziel sein, dass auch die Leute im ländlichen Raum bleiben, und nicht nur, dass die Landwirtschaft mit allen Sektoren – Wirtschaft, Gewerbe, Arbeitnehmerschutz –ver­zahnt wird. Diesen Effekt haben wir, Gott sei Dank! Ich will das auch für die Zeit ab 2014 sichern, nämlich einen dynamisch ländlichen Raum – den städtischen Bereich sowieso, das kann man ja nicht losgelöst voneinander sehen.


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Nun zu den Schulen: Es ist schon erwähnt worden, dass die maturaführenden Schulen ausschließlich in die Bundeskompetenz, die landwirtschaftlichen Fachschulen in die Landeskompetenz fallen. Ja, es gibt eine Vereinbarung im Rahmen des Finanzaus­gleichs zwischen Bund und Ländern, dass der Bund 50 Prozent der Lehrerkosten der landwirtschaftlichen Schulen übernimmt. Aber der Effekt ist, dass die Bundesländer sagen: Aber Ihr sorgt nicht für alles und jeden! und dass manche von ihnen immer mehr Lehrer einstellen, den Bund vorher nicht fragen und dann sagen: Zahl! Aber das wird seit 2005 nicht mehr gemacht. Und das ist der Punkt! Denn: Sehr viele Länder haben ihre schulischen Strukturen neu organisiert.

Ich kann Ihnen eines sagen: Bei der Budgeterstellung habe ich auch im Agrarbereich sparen müssen. Ich habe bei der landwirtschaftlichen Schulbildung nicht gespart. Ich bin aber nicht bereit, zu akzeptieren, dass der Bund und ich dafür verantwortlich sein sollen, wenn die Steiermark ihre Hausaufgaben nicht macht! Jedem steht das Recht zu, den Bund zu klagen. Das muss im Rahmen des Finanzausgleichs ausgetragen wer­den. Aber viele Bundesländer haben, wie gesagt, ihre schulischen Strukturen neu or­ganisiert. In der Steiermark stellt man sich jetzt hin und sagt: Wir würden ja die Schulen gerne erhalten, aber das Ministerium zahlt nicht!

Dazu muss ich sagen: Ich kürze dort das Budget um keinen Euro, ich kürze dort nichts! Aber ich bitte, die Hausaufgaben in der Steiermark zu machen! Auch wenn das jetzt großkoalitionär ist und sich alle nach der Wahl wieder vertragen – mir ist das recht! –, aber man muss die Kirche im Dorf lassen und das dort regeln, wo es hingehört.

Darüber, dass das Bildungssystem ein wichtiges Anliegen ist, braucht man ja nicht zu reden. Wie gesagt, im Zuge der Budgetsanierung habe ich im schulischen Bereich die Mittel um keinen Euro gekürzt. Ich kann leider nicht mehr Geld dazugeben. Das muss ich teilweise aufgrund von Investitionen in den Schulen, aber Kürzungen hat es keine gegeben.

Herr Kollege, Sie haben angesprochen, ich würde für den Klimaschutz zu wenig ma­chen. Dieser Vorwurf ist ungerecht! Klar ist – das habe ich nie geleugnet –, dass wir beim Kyoto-Ziel Nachholbedarf haben. Aber der Klimaschutz ist keine One-Man-Show des Umweltministers. Es müssen die anderen Sektoren – Verkehr, Industrie, Raum­wärme – auch ihres dazu tun. Wir erreichen die Kyoto-Ziele in der Landwirtschaft, bei der Abfallwirtschaft, bei den fluorierten Treibhausgasen und in den anderen Sektoren nicht.

Da müssen alle mitgehen, und mir geht es darum, dass alle endlich Verantwortung übernehmen. Ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf, sondern sage es nur, weil ich mich für meinen Teil in meinen Sektoren bemühe, das umzusetzen. Wir tun alles Mög­liche in meinem Zuständigkeitsbereich, um die Klimaschutzziele zu erfüllen – über die Umweltförderung im Inland und neue Formen wie Elektromobiliät.

Da müssen alle anderen Sektoren mitgehen, inklusive der Bundesländer, die im Rah­men der Wohnbauförderung bei der Raumwärme viel zu tun haben. Deswegen bin ich so froh darüber, dass es gelungen ist, bei der Budgeterstellung die thermische Sanie­rung mit jeweils 100 Millionen € für die nächsten Jahre aufzustellen, weil wir im Raum­wärmebereich ein riesen Einsparungspotential haben.

Ich will ein energieautarkes Österreich, das unabhängig von der Energieversorgung aus dem Ausland wird, und ich will Green Jobs schaffen und Klimaschutz im eigenen Land machen. Auch wenn Sie darüber lächeln, für mich ist das ein  (Bundesrätin Mühl­werth: Kollege Mitterer hat gesagt, es ist der falsche Minister von der ÖVP, der !) – Na ja, sei es, wie es sei!

Ich habe auf jeden Fall vorige Woche eine wissenschaftliche Studie der Technischen Universitäten Innsbruck, Graz und Wien und auch ausländischer deutscher universitä­


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rer Einrichtungen präsentiert, und die sagen: Ja, die Energieautarkie ist 2050 machbar! Das würde Österreich auch viel bringen. Das bedeutet aber eine Umstellung, nämlich: Raus aus den fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energieformen! Das ist nicht nur ein Agrarthema, sondern das ist ein gesamtgesellschaftliches Thema.

Damit möchte ich schließen und sagen: Der Energiehunger in der Welt steigt gigan­tisch. Jetzt sieht man in Ägypten, dass der Ölpreis durch die Demonstrationen steigt. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wie kann sich eine österreichische Familie in Zukunft die Energiekosten leisten? Das ist eine zutiefst gesellschaftspolitische Fra­ge. Meine Antwort ist die Energieautarkie: dass wir unsere Energieversorgung rechtzei­tig auf nachhaltige Systeme, Energieeffizienz, Energieeinsparung umstellen! Wir posi­tionieren Österreich damit. Das bringt Green Jobs, ist eine Wirtschaftsbelebung, und Österreich hat damit jedenfalls die Nase vorne.

In diesem Sinne herzlichen Dank für die positiven Meldungen. Unterstützen wir ge­meinsam die Landwirtschaft, den Zukunftssektor! Denn wenn in wenigen Jahrzehnten die Weltbevölkerung um 2 Milliarden Menschen steigt, dann gibt es ein enormes Nah­rungsmittel- und Ernährungsproblem. Diese Herausforderung nehmen wir an, um die Menschen auch weiterhin zu ernähren! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.51


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Konrad. – Bitte. (Zwischenruf in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Konrad.)

 


14.51.47

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Herr Kollege! Ich habe zwar nur 10 Joch, bezeichne mich aber auch als Landwirt, weil ich selbst eine landwirtschaftliche Fach­ausbildung genossen habe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte schon noch einmal hier ans Rednerpult treten und sagen: Herr Minister, ich habe Verständnis dafür, dass Geld nicht in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht. Ich fin­de es ja toll, dass Sie für die Bildung im ländlichen Bereich da sind – Sie treten dau­ernd dafür ein, wie gesagt, das ist ja löblich. Aber bitte nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass – und da werde ich meine steirischen Kolleginnen und Kollegen der ÖVP auch mit einbinden – auch in den Ländern Geld nicht unbegrenzt vorhanden ist. Wenn es ein Bundesland gibt, das zusätzliche schulische Standorte im ländlichen Bereich hat, dann bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass dann, wenn Sie diese Zahlungen jetzt nicht leisten, Schulstandorte geschlossen werden. Das ist auch ein Faktum. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Aber andere Länder haben es doch schon organisiert, Ihre Schulen neu zu organisieren!) – Wie Sie glauben!

Ich bitte Sie nur, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie mit Ihrer Politik des Sparens in die­sem Sektor die ländliche Entwicklung bremsen beziehungsweise zurückschrauben. Wir reden da von 10 Millionen €, bei Ihrem Budget ist das ja nicht unbedingt eine unauf­bringbare Summe. Das möchte ich damit sagen.

Ich bitte, noch eines zur Kenntnis zu nehmen: Im sozialpartnerschaftlichen Zusammen­hang ist es so zu sehen, dass die Arbeiterkammer den Teil des Konsumentenschutzes überhat und nicht dafür verantwortlich ist, Konzepte zur Sicherung oder zur Produktion von Nahrung zu haben. Das würde ja bedeuten – wenn wir den Schluss daraus zie­hen –, dass wir auch für die Produktion im Kraftfahrzeugbereich und im Energiebereich Strategien entwickeln müssten.

Herr Kollege! Das sind klare Regelungen im Arbeiterkammergesetz. Wenn ihr das ma­chen wollt, dann sollen eure FCG-Kollegen in der Kammer einen diesbezüglichen An­


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trag stellen. Aber ich glaube nicht, dass das die Kernaufgabe der Arbeiterkammer in Ös­terreich ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.53


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2011 gemäß § 9 Landwirtschaftsge­setz 1992.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Grünen Bericht 2010.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.55.11 7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle 2010) (1005 d.B. und 1039 d.B. sowie 8446/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Konrad. Ich bitte um den Bericht.

 


14.56.01

Berichterstatter Klaus Konrad: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Umwelt­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-No­velle 2010).

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der erwähnte Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich bringe nun zu diesem Bericht eine Druckfehlerberichtigung zu 8446/BR d.B. zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates: Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle 2010).

Der Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, soll anstelle „mit Stimmeneinhelligkeit“ richtig „mit Stimmenmehrheit“ angenommen lauten.

Der Antrag lautet somit wie folgt:

Der Umweltausschuss stellt nach Beratungen der Vorlage am 1. Februar 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, in die Diskussion einzutreten.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile es ihm.

 



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14.57.01

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Eingangs möchte ich als Vorvorgänger dem Herrn Präsiden­ten alles Gute für die Übernahme der Präsidentschaft und Ihnen eine glückliche Hand wünschen. (Der Redner reicht Präsident Kneifel die Hand. – Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

Gleichzeitig möchte ich auch darum ersuchen, die Geschäftsordnung ein bisschen so­zusagen durcheinanderwirbeln zu dürfen. Ich möchte nämlich zunächst in ein paar Sät­zen auf einen anderen Tagesordnungspunkt Bezug nehmen, und zwar auf den Tages­ordnungspunkt 3, die EU-Debatte, die nicht gut geendet hat. Es stört mich nicht, dass der Herr Klubobmann kritisch gegenüber unseren Aussagen im Rahmen dieses Tages­ordnungspunkte ist. Es ist seine Aufgabe, zu antworten. Es stört mich nicht, dass Herr Bundesrat Mayer versucht, das als glühender Europäer darzustellen und uns zu kriti­sieren. Er muss ja froh sein, dass seine Vorfahren, die ja zur Schweiz wollten, nicht ge­wonnen haben. Dann wärst du jetzt Schweizer Ständerat und weit weg von der Euro­päischen Union. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Aber es stört mich wahnsinnig – und das war eine Entgleisung! –, wenn ein Regie­rungsmitglied hier null Aussagen zu dem Tagesordnungspunkt macht, sondern im Ge­genteil Beschimpfungen vorbringt. (Bundesrat Gruber: Das waren keine Beschimp­fungen, das waren Tatsachen! – Bundesrätin Mühlwerth: Nein, nein, nein!)

Wir Freiheitliche sind keine EU-Gegner, das stelle ich einmal klar, sondern EU-Kritiker. Wir haben mit unseren kritischen Aussagen oft auch schon recht bekommen. Nur zum Thema nichts zu sagen, eine Partei zu beschimpfen, ein Bundesland zu beschimpfen, das gehört sich für ein Regierungsmitglied hier nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Gruber: Der Herr Staatssekretär hat nur die Aussagen vom Kollegen !)

Herr Kollege, ein Bundesregierungsmitglied hat die Aufgabe, einer gesetzgebenden Körperschaft Rede und Antwort zu stehen, Auskünfte zu geben, und nicht die Aufgabe, einzelne Gruppen hier herinnen zu beschimpfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Zwanziger: Genau so ist es! – Bundesrätin Zwazl: Warum haben Sie das nicht vorher schon gesagt?! – Bundesrätin Grimling: Warum haben Sie sich nicht zu Wort gemel­det?!)

Er hat sich damit disqualifiziert. Mich wundern auch die letzten Umfragen in Bezug da­rauf, wen man wählen würde, wenn es Nationalratswahlen gäbe, umso weniger. (Zwi­schenrufe der Bundesräte Gruber, Zwazl und Grimling.) Herr Präsident! Danke, dass ich diese paar Sätze anbringen durfte.

Nun zum Abfallwirtschaftsgesetz: Die Zielsetzung dieses Abfallwirtschaftsgesetzes, EU-Konformität herzustellen, ist insgesamt zu begrüßen. Es gibt aber leider einige Dinge, die aus der Sicht der Freiheitlichen besser hätten gelöst werden können.

Erstens wird unserer Ansicht nach der Aspekt der Müllvermeidung zu wenig beachtet. Das wurde auch im Nationalrat bereits deponiert.

Zweitens ist der gute Vorsatz „Transport auf der Schiene“ zwar auf dem Papier etwas wert, aber nicht in der Umsetzung. Wenn man auf unsere ländlichen Räume und so weiter Rücksicht nehmen will, dann wird es nicht funktionieren. Viele Nebenbahnen werden eingestellt. Das heißt, es ist schon ein richtiger Ansatz da, aber es wird in der Summe nicht der große Wurf werden.

Der dritte Bereich – und das ist für uns der wichtigste – ist die Kostenrechnung. Hier gibt es ja zu dieser Gesetzesnovelle insgesamt 45 Stellungnahmen, die durchwegs kri­tisch sind und auch viele Fehlentwicklungen aufgezeigt haben. Es gibt Befürchtungen, dass es für den Konsumenten zu Kostensteigerungen kommen wird, sprich für den, der die Müllentsorgung mehr oder weniger zu bezahlen hat. Der Rechnungshof meint, Mehr­


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kosten werden für die Bürger entstehen, der Österreichische Gemeindebund befürchtet Gebührenerhöhungen, in einer Stellungnahme des Verbands Österreichischer Entsor­gungsbetriebe steht, es gibt einen Mehraufwand bei den Verwaltungskosten in der Grö­ßenordnung von 750 000 €.

Beim vorliegenden Gesetzentwurf sind die Mehrkosten, die ich jetzt zuletzt angeführt habe, nicht berücksichtigt, diese 750 000 € zum Beispiel. Was bei diesem Gesetzent­wurf jedoch sehr wohl aufgelistet wurde, und zwar sehr penibel, ist das Einsparungs­potential. Das liest sich dann so, dass in Summe 2 607 798 € eingespart werden kön­nen. Also das muss man mir einmal auf Heller und Pfennig beziehungsweise auf Euro und Cent genau vorrechnen, wie das möglich ist.

Die Frage im Ausschuss, woher diese große Einsparung kommt, wurde im Großen und Ganzen so beantwortet, dass der Großteil dieser Einsparung eigentlich durch den Weg­fall von Ersatzvornahmen des Bundes entsteht. Das heißt: Früher war es so, wenn die Firmen nicht mehr im Bereich von Sanierungen fähig waren, das zu machen, hat der Staat das gemacht. Das fällt jetzt also weg. Dieser Betrag wurde aber bis dato nicht bei der Berechnung von Gebühren mitberücksichtigt. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Wir alle wissen, dass Abfallwirtschaft einen Gebührenhaushalt darstellt. Viele von Ih­nen sind ja ebenfalls in den Kommunen tätig, nicht nur hier im Bundesrat. Jetzt wird es also in diesem Fall zu Erhöhungen kommen, denn die Einsparungen werden aufgrund des Wegfalls dieser Ersatzmaßnahmen marginal sein, währenddessen die Mehrkosten voll auf die Kommunen zukommen werden. Die Befürchtungen in den Stellungnahmen werden wir wahrscheinlich dann auch als Tatsachen zu spüren bekommen.

Gebührenerhöhungen für unsere Bürger und für die Wirtschaft werden also unumgäng­lich sein. Das ist auch der Grund, warum wir Freiheitliche dieser Gesetzesnovelle nicht zugestimmt haben, und zwar weder im Nationalrat noch im Ausschuss des Bundes­rates, wo ich selbst mitgewirkt und erwirkt habe, dass es mehrstimmig war. Auch der Obmann des Ausschusses hat ja dort bei der Abstimmung festgehalten, dass es mit Stimmenmehrheit war. Es ist passiert, das ist sozusagen hineingerutscht, dass gesagt wurde, das es einstimmig war. Es war aber, wie gesagt, nicht einstimmig. Wir haben auch dort nicht zugestimmt und werden auch heute im Plenum des Bundesrates die­ser Gesetzesnovelle nicht zustimmen, denn Mehrbelastungen für unsere Bürger schwä­chen die Kaufkraft dieses Landes. (Beifall bei der FPÖ.)

15.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesrat Klug hat eine Wortmel­dung zur Geschäftsordnung. – Bitte.

 


15.04.21

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): In der gebotenen Kürze möchte ich ganz kurz etwas ansprechen, sehr geehrter Herr Bundes­minister! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich festhalten, dass es bei einer korrekten Hand­habung unserer Geschäftsordnung überhaupt keinen Sinn macht, vier Tagesordnungs­punkte, nachdem ein Regierungsmitglied anwesend war, inhaltliche Kommentierungen einer Wortmeldung dieses Regierungsmitglieds, von welcher Partei auch immer, vorzu­nehmen. Es ist dabei völlig gleichgültig, ob es jemand aus den Koalitionsparteien oder aus den Oppositionsparteien ist.

Es ist nicht nur geschäftsordnungswidrig, sondern auch völlig sinnlos. Ich mache in diesem Zusammenhang ganz bewusst darauf aufmerksam, weil es natürlich dem Peter Mitterer als ehemaligem geschäftsführenden und vorsitzführenden Präsidenten selbst­verständlich vollkommen bewusst ist, dass das geschäftsordnungswidrig war. Darüber


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hinaus ist es auch in der politischen Debatte völlig daneben, weil das zuständige Re­gierungsmitglied wegen seiner Abwesenheit nicht mehr in der Lage ist, inhaltlich darauf zu reagieren. (Bundesrat Ertl: Aber schimpfen ist drin!) Daher erspare ich mir auch eine inhaltliche Kommentierung dieser einleitenden Wortmeldung des Kollegen Mitterer.

Aber auch de facto sofort für die Zukunft gedacht, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Geschäftsordnung in diesem Zusammenhang hat ihre guten Gründe. Es hat nichts da­mit zu tun, dass das ein Regierungsmitglied der SPÖ oder der ÖVP betrifft. Wenn das entsprechende Regierungsmitglied da ist, dann handhaben wir die Geschäftsordnung und die RednerInnenliste so, dass man sich jederzeit zu Wort melden kann. Vier Ta­gesordnungspunkte später ist es nicht nur geschäftsordnungswidrig, sondern auch völ­lig sinnlos. (Bundesrat Mitterer: Das ist bei jeder Bundesratssitzung mindestens zehn­mal so!) – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Es gibt eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsordnung, und zwar von Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


15.06.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Klubobmann der SPÖ! Also wenn wir das jetzt so genau handhaben wollen, wie Sie es jetzt vorgeschlagen haben, müssten wir bei jeder Bun­desratssitzung mindestens fünfmal unseren Protest erheben, denn ihr haltet euch an die Geschäftsordnung und an den Tagesordnungspunkt in sachlicher Hinsicht auf kei­ne Art und Weise. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Also sich da jetzt so „aufzupudeln“, ist wirklich lächerlich. (Beifall bei der FPÖ.)

15.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Präsidentin stelle ich fest, dass wir hier unsere Diskussion immer im Rahmen der Geschäftsordnung abwickeln – und nichts anderes geschieht.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


15.07.15

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 2010 setzen wir nicht nur die EU-Abfallrahmenrichtlinie um, sondern behandeln ein Thema des all­täglichen Lebens, wobei das Thema Abfallvermeidung eines der obersten Prinzipien darstellt.

Ich möchte eingangs feststellen, dass wir heute im Hinblick auf das Thema Abfall­wirtschaft ein gut organisiertes System haben, das zu leistbaren Kosten unsere Abfälle dort hinbringt, wohin sie auch gehören. Natürlich gehört jedes System immer wieder verbessert, daran und bis hin zur EU-Konformität wird aber auch gearbeitet.

Mit der heutigen Beschlussfassung der Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle wird der Fokus noch stärker auf Abfallvermeidung gesetzt. Bisher haben wir in der Hierarchie auf Ver­meiden, Verwerten und Beseitigen gesetzt. In Zukunft wird die Rangfolge so lauten: noch mehr Vermeiden, Vorbereiten zur Wiederverwertung, Recycling, sonstige Verwen­dung, und dann erst Beseitigung. Das bisher gültige dreistufige Abfallverfahren wird auf eine fünfstufige Hierarchie ausgeweitet, die, wie schon gesagt, die Vermeidung an die erste Stelle setzt.

Im Gesetz gibt es die wichtige Verpflichtung zur Erstellung von Abfallvermeidungspro­grammen, die diese Vermeidung noch mehr in den Vordergrund stellen. Weitere Verbes­


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serungen hinsichtlich einer grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen werden ein­geführt wie zum Beispiel, dass Begleitdokumente elektronisch mitgeführt werden. Das gibt eine gewisse Sicherheit. Herr Kollege Mitterer, ich glaube, das ist die Sicherheit, dass die Tonne nicht von einem illegalen Entsorger um 30 € ins Ausland verfrachtet wird und wir 160 € für den Entsorger in Österreich zahlen müssen.

Weiters gibt es klimaschutzrelevante Maßnahmen wie Bestimmungen, dass Abfall­transporte mit einem bestimmten Gewicht über eine bestimmte Strecke, nämlich 400 Ki­lometer, von der Straße auf die Schiene verlegt werden. Die sind ebenfalls im Gesetz enthalten und stellen auch eine gewisse Sicherheit dar.

In Österreich ist die Abfallwirtschaft ein gelebtes Ressourcenmanagement. Wenn wir auch in manchen Bereichen des Klimaschutzes Nachholbedarf haben, so erreichen wir bei der Abfallwirtschaft ganz eindeutige Ziele, weil bei uns Abfall erst dann deponiert wird, wenn er sonst nicht mehr verwertbar ist. In Österreich werden keine unbehandel­ten Abfälle mehr deponiert. Das war einer der wichtigsten Schritte hin zu einer nachhal­tigen Abfallbewirtschaftung. 60 Prozent unseres Abfalles werden wiederverwertet be­ziehungsweise recycelt. Das ist ein enormer Aufwand, wobei die Gemeinden, die Bun­desländer und auch die Bundesstellen zusammenarbeiten. Diese 60 Prozent sind ein absoluter Spitzenwert.

Wir Österreicher sind beim Mülltrennen wirklich vorbildlich. Wir sind quasi Mülltrenn­weltmeister. 116 Kilo pro Kopf werden gesammelt und in diesem Zusammenhang gibt es zwei positive Wirkungen.

Auf der einen Seite wurde die Wiederverwertung verbessert, auf der anderen Seite wurde die energetische Nutzung verbessert. Es gibt, wie gesagt, keine Ablagerung von unbehandelten Abfällen mehr auf Deponien. 90 Prozent unserer Siedlungsabfälle wer­den wiederverwertet: 50 Prozent stofflich, 40 Prozent thermisch. Wir sind bei der Wie­derverwertung von Altfahrzeugen Spitzenreiter. Bei Elektro- und Elektronikabfällen über­treffen wir den Wert vieler EU-Länder um Meilen.

Zwei Themen, die jedoch nur mit starker Bewusstseinsbildung zum Positiven bewegt werden können, sind der Müll beziehungsweise der Abfall in der in der Landschaft, ent­lang unserer Straßen, sowie Lebensmittel im Müll. An diesen beiden Themen muss schon im Kindes- und Schulalter, speziell bei der Erziehung gearbeitet werden, um die­ses leidigen Problems, das über das ganze Land verbreitet ist, Herr zu werden. Die Umsetzung einer ordentlichen Abfallentsorgung fängt, wie bei vielen Sachen in dieser Republik, in den Gemeinden an.

Ich als Bürgermeister und Obmann eines bezirksweiten Abfallverbandes bekenne mich zur Umweltpolitik und lebe diese auch vor. Im Bezirk Waidhofen an der Thaya zeigen wir eindrucksvoll und vorbildlich, wie man Abfallwirtschaft betreibt. Von insgesamt 15 Gemeinden haben wir in zwölf Gemeinden ein eigenes Altstoffsammelzentrum mit vorgegebenen Öffnungszeiten und personeller Betreuung. Diese Zentren erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und tragen zur optimalen Mülltrennung und zu der damit ver­bundenen Wiederverwertung bei.

Sehr geehrte Damen und Herren, größtmögliche Müllvermeidung, Wiederverwertung und Wiederverwendung sind die wichtigsten Themen unserer Abfallwirtschaft. Mit die­ser Novelle tragen wir gemeinsam zur positiven Weiterentwicklung des Systems bei. Wir brauchen Vermeidung und Aufklärung, müssen aber auch die Kosten im Griff ha­ben. Wir werden dieser Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle gerne unsere Zustimmung ge­ben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 



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15.12.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die Abfallvermeidung sollte an erster Stelle stehen, da gebe ich dir vollkommen recht. Das Problem, das ich habe, ist, dass im Gesetz für Abfallvermeidung eigentlich nur steht, dass der Herr Bun­desminister einen Plan erstellen wird, wie wir künftig den Abfall vermeiden. Das ist ein Programm.

Ich denke, es wäre schon lange an der Zeit, dass diese Ziele und dieses Programm am Laufen sind. Ich habe mich im Ausschuss auch noch erkundigt, wie das mit den Mehr­wegquoten et cetera weitergehen soll und habe dann gehört, die Sozialpartner werden jetzt einen Plan vorlegen. Ich glaube, da steht, dass der Herr Bundesminister einen Plan vorzulegen hätte. Bei dieser Entwicklung, die wir gerade im Bereich Einweg/Mehr­weg in Österreich haben, nämlich dass man fast keine Mehrwegprodukte mehr be­kommt, zumindest im Getränkebereich, gäbe es dringenden Handlungsbedarf. Da wür­de ich mir wünschen, dass Sie das in die Hand nehmen und auch in Ihrem Plan mög­lichst bald berücksichtigen. Für mich ist das nicht der große, weite Wurf. Wenn in der jetzigen Gesetzesnovelle die Ankündigung eines Programms als großer Meilenstein ge­feiert wird, kann ich das nicht verstehen.

Ein weiteres Problem, das wir mit dieser Novelle haben, ist eine Sache der EU-Abfall­richtlinien, nämlich dass die Müllverbrennung nun als thermische Verwertung gilt. Das bedeutet: nicht mehr entsorgen. Wir können auch importieren, wir können auch expor­tieren – wie auch immer wir es brauchen.

Es ist ein Schritt in die falsche Richtung. Es gab im Burgenland Probleme mit Überka­pazitäten von Müllverbrennungsanlagen und es gibt auch in Niederösterreich Proble­me. Ich denke, man muss das schon ein bisschen unter Kontrolle haben und sich fra­gen, welche Kapazitäten man braucht. Letztendlich, wenn ich den zu verbrennenden Müll exportiere, ist das für mich einfach ein Müllexport; das brauche ich nicht noch an­zukurbeln.

Es ist als weiterer Pluspunkt der Novelle angeführt worden, dass der Transport von Ab­fällen bei einer Gesamtstrecke von 400 Kilometern künftig auf der Schiene zu erfolgen hat. Es war interessant, im Ausschuss zu hören, dass es möglicherweise ja dann auch andere Verkehrsmittel geben könnte, das Schiff möglicherweise oder vielleicht auch der Lkw. Wenn im Gesetz steht „durch andere Verkehrsmittel mit gleichwertigem oder geringerem Schadstoff- und Treibhausgasemissionspotential“, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass das laut Gesetzestext jemals auf Lkws transportiert werden können soll, wenn dann nicht nachher noch stehen würde „sofern dies nach Maßgabe der ver­fügbaren Kapazitäten und im Vergleich zum Transport über die Straße zusätzlich ent­stehender Kosten und des zusätzlich entstehenden Zeitaufwands zumutbar ist“.

Das ist dann wieder so eine weiche Formulierung, bei der man in Wirklichkeit immer sagen kann: Na gut, okay, jetzt ist die Bahn um 10 € teurer geworden. Ist das jetzt noch zumutbar oder nicht zumutbar? Oder man nimmt die Zeit her: Das dauert mit der Bahn eben zwei Tage länger. Ist das jetzt zumutbar oder nicht zumutbar?

Also meiner Ansicht nach ist das eine sehr weiche Formulierung und kann in Wirklich­keit – wir werden sehen, wie es sich entwickelt, aber ich befürchte es – sehr leicht um­gangen werden. Ich hätte mir da schon gewünscht – natürlich ist auch das Verkehrs­ministerium dafür zuständig, dass man Schienen hat, damit der Zug darauf fahren kann –, dass das Umweltministerium solche Dinge viel stärker einfordert und nicht mit so wei­chen Formulierungen dann Möglichkeiten gibt, dass man relativ leicht aus diesen Maß­nahmen wieder herauskommt.

In diesem Sinne, weil die Abfallvermeidung zwar angesprochen wird, aber nicht wirk­lich in Angriff genommen wird, weil das mit der Müllverbrennung und dem Export und


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vor allem dem Import ein großes Problem ist, und weil die Formulierung mit der Schie­ne eben eine sehr weiche ist, werden wir diesem Gesetzestext nicht zustimmen. (Bei­fall bei den Grünen.)

15.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


15.16.56

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Novelle des Abfallwirtschafts­gesetzes passen wir das nationale Gesetz der neuen europäischen Abfallrahmenricht­linie an. Das ist ein großer Schritt in Richtung Abfallvermeidung in Österreich bezie­hungsweise in Europa.

Wir hoffen, dass die europäische Richtlinie auch bis Neapel ihre Wirkung zeigt und dort auch die Leute erfahren, dass es eine neue Richtlinie gibt. Gerade die neue Auflage, dass der Mülltransport, Frau Kollegin Kerschbaum, bei großen Entfernungen mit der Bahn erfolgen soll, ist ein wichtiger Punkt dieser Novelle und es ist ein erster Schritt, der gemacht wurde, dass man sagt, der Müll soll mit der Bahn über große Entfernun­gen transportiert werden und das ist auch richtig so. Ich verstehe die Haltung nicht, wa­rum es aus diesem Grund zu weich ist oder, wie auch immer, zu wenig formuliert wur­de. Wir werden sehen, wie viel Müll mit der Bahn transportiert wird, und dann kann man ja das Gesetz nachjustieren, wenn es vielleicht zu oft umgangen wird.

Ein wesentlicher Bestandteil der Novelle ist natürlich die fünfstufige Abfallhierarchie: die Vermeidung, die Vorbereitung zur Wiederverwertung, Recycling, sonstige Verwer­tungen, die Beseitigung.

Zur Vermeidung darf ich kurz als Beispiel einen Einkauf im Großmarkt schildern. Be­ginnen wir bei Obst und Gemüse: Gemischter Salat wird in Kunststoffgefäßen ange­boten, schon fertig hergerichtet, man braucht nur noch das Dressing darüber zu leeren, das auch schon in Kunststoffverpackungen oder Flaschen angeboten wird. Bananen sind im Plastiksackerl verpackt und schon gewogen, die Äpfel sind in Folie verpackt und verschweißt, die Karotten sind im Kunststoffsack, der Eissalat ist in Folie gut ein­gewickelt, damit er auch von fremden Händen ferngehalten wird.

Bei den Milchprodukten kann sich das auch jeder bildlich vorstellen, wenn man beim Regal mit den Milchprodukten vorbeigeht, dass die einmal grundsätzlich in Kunststoff­bechern verpackt sind und beim Joghurt noch vielleicht mit einer Folie darauf und dann wird vielleicht noch die Milch im Tetrapak ganz frisch angeboten.

Sie sehen, es gibt eine große Palette. Und dass sechs Käseblätter einzeln verpackt werden, fein geschnitten für den Toast schon hergerichtet, das ist auch im Sinne der Verpackung. Es wird sehr viel Verpackung in den Märkten angeboten.

Aber dann gehen wir rüber zum Brot, zum Feingebäck: Das Brot ist auch noch in Kunststoff gewickelt, damit jeder den Härtetest machen kann und das Brot nicht betas­tet wird.

Es wäre vielleicht besser, wenn jeder Konsument beim Eingang mit dem Einkaufswa­gen Kunststoffhandschuhe und Mundschutz bekommen würde, damit man nicht in den Gemüseladen hustet.

Sie sehen, überall Verpackung, Verpackung und Kunststoff. Dann wird noch die Wurst 10 Deka-weise verpackt und gut verschweißt; beim Fleisch ist noch so eine kleine Saugfolie drunter, damit auch das Blut frisch aufgesaugt wird und nicht tropft. (Bun­desrätin Mühlwerth: Der Mann geht einkaufen, der kennt sich aus!) Sie sehen, die Tasse, in die das Fleisch verpackt wird, ist aus Porit und muss auch wieder getrennt entsorgt werden.


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Bei all diesen wissenschaftlichen Details muss die Familie, die den Müll trennt, gut ge­bildet sein, denn jeder Kunststoff ist nicht gleich, jeder eignet sich nicht; das eine ist ei­ne Raschelfolie, eine Ziehfolie, das andere eignet sich als Dämmmaterial, und so wird das dann in den Abfallsammelzentren wirklich gut getrennt.

Von der Wurst gehen wir weiter und haben schon Durst, weil wir schon lange einkau­fen sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Beim Bier können wir uns noch mit dem Glas an­freunden, aber sehr viel und vor allem die billige Ware  und das ist für Konsumenten oft eine Entscheidungsgrundlage – wird in Dosen angeboten. Dosenbier wird in den Märkten verstärkt angeboten.

Beim Wein kann man sich noch freuen, indem sehr viel guter Wein in Glasflaschen angeboten wird, die man ja dann wegwirft und nicht mehr zurücknimmt, denn es ist ja einfacher, den Wein jedes Mal in eine neue Flasche abzufüllen, als vielleicht das Glas und die Flasche noch einmal zu waschen; das verunreinigt ja unsere Gewässer.

Dann wird der Wein vielleicht noch im Tetrapak geliefert. Das ist eine Form, die wir Konsumenten überhaupt nicht wünschen, den Wein so wie die Milch auszugießen. Und man sieht dabei nicht einmal die Farbe des Weins. Wir wissen ja nicht, ob er rot oder weiß ist oder welche Farbe auch immer dieser Wein hat. Man sieht es erst im Glas, wenn man nicht schon einen Plastikbecher zum Trinken benützt.

Aber dann kommt noch die Spitze, dann kommen wir zu Mineralwasser und Frucht­säften: Hier kommen wir zu Paletten voll Kunststoff – Flaschen, Flaschen, Flaschen. So viele Kunststoffflaschen, die beim Mineralwasser angeboten werden, und die brau­chen auch sehr viel Platz in den gesamten Müllbergen und in den gelben Säcken. Die Säcke werden nicht zusammengeknüpft, gehen über und es braucht so viel Volumen in einem Sack, aber: kein Reststoff!

Mit diesem Beispiel wollte ich aufzeigen, dass es nicht immer nur am Gesetzgeber liegt, um zur Müllvermeidung beizutragen, sondern der Konsument hat es in der Hand, wo er einkauft, wie er einkauft und was er einkauft. Hier kann auch das zu erstellende Abfallvermeidungsprogramm wirken.

Ich hoffe, Herr Minister, Sie werden das Abfallvermeidungsprogramm auch in diesen Bereich einfließen lassen, und dann werden wir mit dieser Novelle einen Beitrag zur Abfallvermeidung geleistet haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Blatnik: Bravo Ewald!)

15.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schweigkofler. – Bitte.

 


15.24.16

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Bundesratskolleginnen und Bundesratskollegen! Ich kann eigentlich nur an die Ausführungen einiger meiner Vorredner anschließen. Kollege Stroh­mayer-Dangl, ich habe bemerkt, dass wir sehr viele Gemeinsamkeiten haben.

Ich bin wie Sie Bürgermeister und ich bin auch wie Sie Obmann eines Abfallwirtschafts­verbandes, allerdings im Westen Österreichs, im Bezirk Kitzbühel, und Sie können sich denken, dass es gerade in unserem Bezirk in der Hochsaison sehr, sehr viel Müll gibt. (Zwischenruf des Bundesrates Strohmayer-Dangl.) Ich bin mit Ihnen einer Meinung und brauche dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Ich möchte allerdings auf diese Novelle eingehen, indem ich meine, es gibt einen ganz wichtigen Punkt für uns Gemeinden, dass nämlich nun Abfallsammler und Abfallbehand­ler einer behördlichen Genehmigung bedürfen. In den letzten Jahren sind auf uns Ge­


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meinden und auf die Abfallverbände sehr viele Firmen zugekommen und wir wussten nicht, ob sie tatsächlich die Berechtigung hatten oder nicht. Das ist absolut positiv zu bemerken.

Angesichts der Tatsache, dass diese Abfallrahmenrichtlinie, die nun in das nationale Recht übernommen wird, im Dezember 2008 beschlossen wurde, ist festzuhalten, dass das Land Tirol im Dezember 2008 noch 140 000 Tonnen Müll deponierte. Wir hatten ei­ne Ausnahmesituation, eine Ausnahmegenehmigung, und bis zum 31. Dezember 2008 durften wir noch – leider Gottes, muss ich sagen – das Unsinnigste in der Müll- und Ab­fallwirtschaft tun, nämlich in unseren Deponien im Land Tirol Müll deponieren.

Dann gab es eine große Ausschreibung, 140 000 Tonnen Müll wurden europaweit aus­geschrieben, und wir dachten, da es ja in Österreich genügend Müllverbrennungs­anlagen gibt, dass unser Müll irgendwo in Österreich verbrannt wird. Es war dem aber leider Gottes nicht so, sondern eine deutsche Firma, die Firma SITA, gewann diese Ausschreibung und unser Müll – und da sieht man, wie Realität und Gesetz oft ausein­anderklaffen – wurde an den Niederrhein 600 Kilometer weit an die deutsch-belgische Grenze befördert; interessanterweise auch nicht mit einer österreichischen Bahnfirma, sondern mit einer Schweizer Bahnfirma.

2009 gab es das – Gott sei Dank! – nicht mehr, denn an und für sich gibt es ja auch eine EU-Richtlinie, die besagt, wenn im eigenen Land genügend Verbrennkapazitäten vorhanden sind, dann darf der Müll nicht mehr außer Landes gebracht werden. Ich muss sagen, ich bin froh, seit 2009 geht der Tiroler Müll nach Oberösterreich und wir sind so weit, dass wir in unserem Land diesen Müll verbrennen.

Wir sind nun dabei, da Tirol keine Abfallbehandlungsanlage, keine Müllverbrennung hat, sondern nur einige Bezirke eine mechanische Trennung haben, in unserem Ver­band wieder auszuschreiben. Ich hoffe, dass nun auch die österreichischen Müllbehand­ler entsprechend Preisangebote legen.

Frau Kollegin Kerschbaum, eines muss ich jetzt auch noch als Obmann eines Abfall­wirtschaftsverbandes zum Mülltransport auf der Schiene beziehungsweise auf der Stra­ße sagen. Ein Beispiel: Wir haben unseren Müll 2009, mit der Rail Cargo nach Wels ge­bracht. Heuer hat uns die Firma SITA, die die Müllausschreibung gewonnen hat, ange­boten, sie könnte uns den Preis ordentlich nachlassen, wenn sie die Transportlogistik selber wählen kann. Auf meine Frage, wie es denn mit dem Preis ausschaut, ist he­rausgekommen: pro Tonne 30 €. Das sind bei 10 000 Tonnen, die der Abfallverband Kitzbühel jedes Jahr produziert, 300 000 €.

Soll nun der Abfallverband hergehen und sagen, 300 000 € schicke ich in den Kamin oder damit sponsere ich die ÖBB, oder die Gebühren der Bürger sind günstiger, weil die einzelnen Gemeinden das dann teilweise weitergegeben haben? – Wir haben uns für den Transport auf der Straße entschieden und konnten dabei 300 000 € sparen.

Ein weiteres Problem gibt es noch, und ich weiß nicht, ob das in Ihren Bundesländern auch so ist, dass nämlich in der letzten Zeit, im letzten halben Jahr und auch schon heuer im Winter, an den Haustüren, vor allem im Bezirk Kitzbühel, immer wieder ein schöner Zettel hing, auf dem stand: Schreiben Sie bitte „Freunde der Ungarn“ drauf – und dann eine ganze Liste an Sammelgegenständen.

Das ist nichts anderes als eine Sperrmüllsammlung, diese Ungarn sind mit ihren Klein­transportern gekommen. Ich muss leider Gottes sagen, die Menschen bei uns haben diesen Sperrmüll hinausgestellt, weil sie gesagt haben, na, bequemer kann ich meine alten Schier oder meine Schischuhe gar nicht entsorgen.

Dies ist ungesetzlich, das wissen wir. Deshalb bin ich neugierig, wie die Ungarn die Ge­nehmigung bekommen, dass sie den Abfall sammeln dürfen. Gerade für die Ressour­


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cenwirtschaft in unserem Land, wo wir wissen, dass die Rohstoffpreise so hoch stei­gen, wo wir wissen, wie der Kupferpreis gestiegen ist, brauchen wir im Prinzip jedes al­te Gerät, das wir letztlich wiederverwerten können, das wir zerlegen können in den Be­handlungsanlagen, die eben unsere Firmen haben.

Summa summarum kann ich sagen, dieses AWG 2010 ist ein weiterer und ein großer Fortschritt in der Abfallwirtschaft in Österreich, wiewohl wir ja wissen, dass wir Öster­reicher in der Trennung große Weltmeister sind. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


15.30.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist viel zum Gesetz gesagt worden, und daher kann ich mich auf Wesentli­ches beschränken.

Natürlich ist die Abfallvermeidung ein zentraler Punkt, aber gleichzeitig – Sie haben es angesprochen – muss man erkennen, dass sich das Konsumentenverhalten auch ge­ändert hat. Wir haben zum Beispiel in der österreichischen Lebensmittelstudie festge­stellt, dass die Hälfte der österreichischen KonsumentInnen in Richtung Convenience geht, also Fertigprodukte annimmt. Die andere Hälfte geht in Richtung Regionalität, Frische, Geschmack, Qualität, eben das, was wir versuchen, über die Genussregionen abzudecken. Aber Tatsache ist, dass durch die berufliche Situation einfach Convenien­ce gewinnt. Wie Sie richtig festgestellt haben, mit all den Verpackungsmaterialien, die damit verbunden sind.

Daher muss das Ziel klar sein, und das ist hier definiert: Abfall zu vermeiden, Abfallver­meidungskonzepte zu erstellen und mit dem neuen Abfall auch sorgsam umzugehen. Das hat oberste Priorität. Aber genauso ist es mit dem Mehrweg-Sackerl.

Ich als Umweltminister verschließe mich überhaupt nicht dem Mehrweg, in keiner Wei­se. Tatsache ist, dass oft die KonsumentInnen eben zu anderen Systemen greifen, sich in ihrem Konsumentenverhalten so einstellen. Das muss man schon auch berück­sichtigen.

Es ist richtig gesagt worden: Der Konsument ist das Maß der Dinge unter Begleitung der Rahmengesetzgebung. Daher auch die Initiative des Nationalrates, dass die So­zialpartner – konkret Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer – sich zusammensetzen und Modelle entwickeln, wie man eventuell mehr Mehrweg machen kann. Da bin ich sehr dafür, ich unterstütze das, denn es kann ja nur auf dieser Basis funktionieren. Es macht keinen Sinn, zu verordnen, jetzt muss es Mehrweg geben, und der Konsument oder die Konsumentin nehmen es nicht an, weil sie, ältere Menschen, schwere Flaschen ein paar Stockwerke in Wien hinauf schleppen müssen. (Bundesrätin Kerschbaum: Das ist genau das Problem!)

Das alles muss man schon berücksichtigen. Noch einmal: Ich bin ja nicht dagegen, aber ich bin sehr wohl dafür, dass man das vernünftig macht und geordnet abführt.

Zum Transport: Es ist Intention des Gesetzes, dass mehr über die Schiene transpor­tiert wird, was nicht heißt, dass es eine Monopolstellung der Bahn geben kann und die jetzt sozusagen viel verlangt. Das hat mein Vorredner richtig gesagt. Es soll die Bahn favorisiert werden, aber natürlich muss das in einer vernünftigen Kosten-Nutzenrelation stehen, denn am Ende zahlt das alles jemand. Und es zahlt der Konsument, es zahlen die Menschen, also muss das in einem vernünftigen Maß sein. Aber wir wollten aus Klimaschutzgründen sehr wohl der Bahn Priorität zugestehen.


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Ich möchte einen Punkt besonders erwähnen, weil es noch nicht gemacht wurde, die EMAS-Zertifizierung. Sie wissen – europäisches Umweltmanagement –, wenn Betriebe mehr für die Umwelt tun und sich einem strengen Regime EU-seitig unterwerfen – EMAS-Zertifizierung –, bekommen sie das EMAS-Zertifikat. Diese Betriebe werden be­sonders unterstützt, denn zukünftig müssen Unternehmen Abfallwirtschaftskonzepte erstellen und jene, die EMAS-zertifiziert sind, müssen es nicht machen, weil sie eben schon Vorleistungen erbracht haben. Es soll so ein positiver Wettbewerb für Unterneh­men entstehen, die freiwillig mehr für die Umwelt tun, die sollen belohnt werden. Da gibt es Einsparungen im Ausmaß von 800 000 €, die hier zu lukrieren sind.

Abschließend: Österreich ist ein Umweltmusterland. Wir haben in manchen Berei­chen manches zu tun und Klimaschutz steht außer Frage. Aber in den übrigen Berei­chen sind wir ein Umweltmusterland. Wir sind frei von Gentechnik, wir sind frei von Atomkraft. Die ganze Welt, auch unsere europäischen Nachbarn wollen den steigen­den Energiebedarf über die Atomkraft abdecken. – Wir nicht.

Unsere Seen haben Trinkwasserqualität, wir haben eine 92-prozentige Abwasserent­sorgung. Da ist viel geschehen in den Gemeinden österreichweit mit den Bundeslän­dern. Der Steuerzahler, die Bürger haben das ja alles gezahlt.

Das, wofür ich plädiere, ist, dass wir positive Motivation im Umweltschutz erreichen. Denn früher hat es geheißen, wenn man eine Deponie hat, ist man ein gemachter Mann, verdient man sehr viel Geld. Heutzutage haben wir zu viel Deponieraum, weil es in Österreich keine Ablagerung mehr von unbehandelten Abfällen gibt. Ist simpel nicht mehr zugelassen.

Das heißt, 60 Prozent des Abfalls wird recycelt, also wiederverwendet, ein enorm ho­her Anteil. Wir sind Mülltrennweltmeister, da gilt das Lob den Österreicherinnen und Österreichern, die aktiv mittun bei all der Schwierigkeit, wo was hingehört; da ist Be­wusstseinsbildung gefragt. Danke an die Gemeinden und an die Abfallwirtschaftsver­bände, die Organisationen, dass sie bei den vielen neuen Materialien aufklären, die es gibt.

Aber es hat zum Beispiel den Effekt, dass die getrennte Sammlung in den Haushalten seit 2004 um 24 Prozent gestiegen ist. Das heißt, es passiert sehr viel Positives, und ich danke allen, die etwas dazu beitragen.

Bei den Elektro- und Elektronik-Altgeräten ist Österreich Umweltmusterland. Österreich übertrifft die EU bei Weitem. Dort werden 4 Kilogramm Elektro- und Elektronik-Altge­räte pro Einwohner gesammelt, in Österreich 9,3 Kilogramm, also viel mehr.

Zuletzt wurden wir im Jänner dieses Jahres gelobt. Wir sind die Besten bei der Wieder­verwertung von Altfahrzeugen. Die Europäische Union hat ein Ranking gemacht und bewertet, wenn Altfahrzeuge wiederverwertet werden: Österreich hat den Spitzenplatz mit 97 Prozent, die Deutschen sind mit 93 Prozent vertreten, Schweden mit 92 Pro­zent.

Zur vernünftigen Verwertung von Lebensmitteln. Sie kennen die Debatte, dass viele Lebensmittel im Müll landen. Wir bemühen uns darum, Bewusstseinsbildung zu ma­chen, das hängt auch vom Konsumentenverhalten ab. Ich will nicht moralisieren, aber wenn der Konsument oder die Konsumentin um sechs Uhr am Abend knapp vor Ge­schäftsschluss ein knuspriges Semmerl haben will und dann wird gesperrt, dann landet eben viel im Müll.

Noch einmal – ich stelle nur fest, ich moralisiere nicht –: Da muss man halt auch damit umgehen. Jedenfalls aber sind wir dort auf einem guten Weg. Eine Studie in Brüssel sagt, dass Österreich gemeinsam mit Deutschland und Schweden auch hier voran auf einem guten Weg ist, zu einem Ideal zu kommen, dass Lebensmittel eben nicht im Müll landen. Das ist ein sehr sensibles Thema.


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Jedenfalls bedanke ich mich bei allen, die sehr viel dazu beitragen, Bewusstseinsbil­dung zu machen, dass wir Abfall vermeiden, möglichst viel wiederverwerten und nur das, was eben nicht mehr geht, dann deponieren, inklusive der Verbrennung.

Abschließend: Die thermische Verwertung von Abfall hat ja den Sinn, dass wir in Städ­ten über die Fernwärme sozusagen erneuerbare Energien nutzen – Wien beispielswei­se. Da kann man schwer andere erneuerbare Energieformen machen. Sonne ja, es gibt ja auch ein Biomasseheizkraftwerk. Aber die Fernwärme ist in den großen Städten schon ein Thema, wo es über die energetische Verwertung des Restmülls funktioniert. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.37.20 8. Punkt

Neunter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-408-BR/2010 d.B. sowie 8447/BR d.B.)

9. Punkt

IV. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft über die Anwendung der EMAS-Verordnung und die Vollziehung des Umweltmanagementgesetzes (III-411-BR/2010 d.B. sowie 8448/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen somit zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 8 und 9 ist Herr Bundesrat Boden. Ich bitte um die Be­richte.

 


15.37.46

Berichterstatter Karl Boden: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Da­men und Herren! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Neunten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich beschränke mich daher auf die Antragsformel.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 den An­trag, den Neunten Umweltkontrollbericht des Bundesministers zur Kenntnis zu nehmen.

Weiter bringe ich den Bericht des Umweltausschusses über den IV. Bericht des Bun­desministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die An­wendung der EMAS-Verordnung und die Vollziehung des Umweltmanagementgesetzes.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 den An­trag, den IV. Bericht des Bundesministers zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 110

15.38.43

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Der Umweltsituation in Österreich wird im vor­liegenden Neunten Umweltkontrollbericht ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. In der Ab­fallwirtschaft, Gewässerreinhaltung, beim Einsatz erneuerbarer Energien oder beim Bio­landbau wurden positive Entwicklungen beziehungsweise deutliche Verbesserungen in dieser umfangreichen Dokumentation festgestellt. Natürlich sind in gewissen Teilberei­chen in Österreich noch entsprechende Arbeiten und Maßnahmen notwendig, wie zum Beispiel bei der Reduktion der Schadstoffbelastung, der Erhaltung der Artenvielfalt und im Klimaschutz. Das sind große Herausforderungen, die der Herr Bundesminister be­reits angeführt hat.

In diesem Bericht wurden aktuelle Schutzmaßnahmen bewertet und Handlungsoptio­nen abgeleitet. Zentrale Bewertungsgrundlage sind dabei neben den Rechtsnormen das Konzept der Nachhaltigkeit und der Schutz der menschlichen Gesundheit.

Und auch beim europäischen Umweltmanagement- und Umweltbetriebsprüfungssys­tem EMAS nimmt Österreich einen internationalen Spitzenplatz ein. 256 Unternehmen, Organisationen und öffentliche Einrichtungen auf insgesamt 640 Standorten und rund 76 000 Beschäftigte wenden dieses zukunftsweisende System an.

Im vorliegenden Bericht über die Anwendung der EMAS-Verordnung und die Vollzie­hung des Umweltmanagementgesetzes wurde nach einer Umfrage unter EMAS-Teil­nehmern auch positiv vermerkt, dass durch eine Novelle aus dem Jahr 2004 mit dem Verfahren für den konsolidierten Bescheid alle geltenden Bescheide für ein Unterneh­men in einem einzigen Bescheid zusammengefasst werden können, dadurch Rechtssi­cherheit und Transparenz erhöht und Zeitaufwand und Verwaltungskosten geringer wur­den. Es wurde bereits gesagt: Einsparungen von etwa 800 000 €.

Deshalb werden die beiden vorliegenden Berichte von unserer Fraktion wohlwollend zur Kenntnis genommen, verbunden mit einem Dank an das Umweltministerium, den Herrn Umweltminister und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


15.41.28

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Neunte Umweltkontrollbericht stellt, wie bereits mein Vorredner gesagt hat, ein gutes Zeugnis aus. Die umfangreiche Dokumentation – dafür sei den Personen und Institutionen, die an der Erstellung dieses Werkes mitgearbeitet haben, herzlich gedankt – registriert in vielen Bereichen bereits deutliche Verbesserungen, aber auch, dass in anderen Berei­chen noch Handlungsbedarf gegeben ist, wobei ich auf zwei Punkte des Umweltkon­trollberichtes näher eingehen möchte.

Erstens zum Verkehr: Die Mobilität gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Der Verkehrssektor hat seit jeher große soziale und wirtschaftliche Bedeutung, verur­sacht aber erhebliche Umweltauswirkungen.

Die Motorisierung hat seit 1990 kontinuierlich zugenommen. Ende 2008 waren bereits rund 4,3 Millionen Pkw zugelassen. Das entspricht 514 Pkw pro 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Zum Vergleich: 1990 waren es noch 363.

Die Verkehrsleistung im Personenverkehr ist im Inland seit 1990 um fast 28 Prozent gestiegen, wobei der Anteil der Pkws an der gesamten Verkehrsleistung im Personen­


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verkehr 2008 bei rund 69 Prozent lag. Der Umweltverbund – dazu zählen der öffentli­che Verkehr, Bahn, Bus, elektrifizierter Personennahverkehr sowie Fuß- und Radver­kehr – erbringt eine Verkehrsleistung von 21 Prozent. – Diese Daten sind den meisten wahrscheinlich bereits bekannt.

Einen wesentlichen Grund für den überproportionalen Anstieg der Verkehrsleistung auf der Straße stellt vor allem auch die derzeitige Kostenstruktur dar. Den unterschiedli­chen Verkehrsträgern werden nach wie vor nicht jene Kosten angelastet, die sie ver­ursachen. Dies führt natürlich auch zu verzerrten Marktbedingungen für Straßen- und Schienenverkehr. Daher soll es durch Optimierung der einzelnen Verkehrsträger, durch entsprechende Förderungen, wie zum Beispiel die Förderung umweltfreundlicher und energieeffizienter Antriebstechniken, beziehungsweise Steuerungsmaßnahmen, aber auch durch eine entsprechende Förderung der Kombination von Verkehrsträgern, wie zum Beispiel die Forcierung des umweltfreundlicheren Kombinierten Verkehrs, möglich sein, die Verkehrsleistung des zuvor erwähnten Umweltverbundes zu steigern.

Zweitens – und daher musste ich mich dazu melden – zur Landwirtschaft: In Österreich besteht seit Jahrzehnten gesellschaftlicher Konsens dahin gehend, dass die kleinstruk­turierte, kleinbäuerliche Landwirtschaft in Form von Familienbetrieben die Grundlage für die Sicherstellung rückstandsfreier, hoch qualitativer, regionaltypischer Lebensmittel darstellt. Dafür sind auch die Konsumentinnen und Konsumenten in unserem Land be­reit, durch ausreichende Fördermittel jene hart arbeitenden Bäuerinnen und Bauern durch Förderungen zur Erhaltung ihrer kleinen Betriebseinheiten zu unterstützen. Der überdurchschnittlich hohe Anteil an Biobauern, die erfreulich hohe Teilnahme an Um­weltprogrammen, wie zum Beispiel ÖPUL – ebenfalls durch Fördermittel in beträchtli­chem Ausmaß unterstützt –, sollen Umwelt, Trinkwasser und Böden schützen.

Förderungen für diverse Modellregionen, die die Lebensqualität der Menschen in länd­lichen Lebensräumen nicht nur entscheidend verbessert haben, sondern den Regionen mit Tourismus einen weiteren Wirtschaftszweig eröffnet haben, haben heute ein erfreu­lich hohes Niveau erreicht.

Daher stimmt es mich besonders nachdenklich – das habe ich im Ausschuss auch schon gesagt –, dass im Neunten Umweltkontrollbericht in den letzten Jahren eine Tendenz zu größeren landwirtschaftlichen Betrieben, insbesondere auch bei Tierhaltungen, zu verzeichnen ist. Die Zahl der Betriebe mit höheren Stückzahlen steigt deutlich. Zwar lag 2007 der Durchschnitt bei 25,7 Rindern und 71,1 Schweinen pro Betrieb, aber spe­ziell bei Schweinemastbetrieben mit über 2 000 Schweinen pro Betrieb hat es ein An­steigen um mehr als 56 Prozent gegeben. Meinen Informationen nach wird die Zahl dieser Betriebe auch weiter steigen.

Mir ist schon klar, dass sich Österreichs Landwirtschaft dem Globalisierungsdruck und dem europaweiten Wettbewerb nicht ganz entziehen kann und es dadurch zu einem besonders hohen Konzentrationsgrad auch bei der Schweineproduktion in unserem Land kommt. Jedoch sollte der Bau dieser großen Tierstallungen im Einklang mit der Umwelt, damit meine ich auch den Schutz des Grundwassers, stehen.

Daher kann eine Region, wo unmittelbar das größte Grundwasservorkommen Mitteleu­ropas ist, wo der Zustrombereich zu Trinkwasserbrunnen verschiedener Wasserversor­ger Ostösterreichs ist, niemals als geeignetes Gebiet für industrielle Massentierhal­tungen, das heißt die Ansammlung von Mastbetrieben mit jeweils weit mehr als 2 000 Schweinen, angesehen werden beziehungsweise sollte in derartigen Fällen ers­tens von Beginn an den betroffenen Wasserversorgern entsprechende Parteienstellung in allen Verfahren ermöglicht werden sowie zweitens durch entsprechende Schonge­biete dieser Einklang mit der Natur nicht gestört werden, damit die Wasserversorger weiterhin beste Qualität an Trinkwasser liefern können und nicht teure Wasseraufberei­


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tungsanlagen notwendig sind, da, wie im Umweltkontrollbericht nachzulesen ist, erhöh­te Nitratgehalte im Grundwasser unter anderem auf intensive wirtschaftliche Bodennut­zungen zurückzuführen sind.

Ich weiß schon, die Länder sind zuständig, heißt es, aber meiner Meinung nach macht es sich da der Umweltminister als oberstes Umweltorgan zu einfach.

Das bedeutet schlussendlich, dass in einigen Bereichen, wie auch der Herr Umweltmi­nister in seinem Vorwort zum Umweltkontrollbericht mitteilt und die zwei Beispiele zei­gen, Handlungsbedarf besteht. Da aber der Neunte Umweltkontrollbericht, wie eingangs erwähnt, Österreich in der Gesamtheit ein positives Zeugnis ausstellt, Fortschritte auch erzielt werden, wird meine Fraktion diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.48.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden den Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen.

Da das Vorwort des Ministers heute schon zweimal zitiert worden ist, brauche ich es nicht mehr zu zitieren. Ich habe es gewagt, im Ausschuss nachzufragen, wo dieses gu­te Zeugnis, das der Umweltsituation in Österreich hier ausgestellt wurde, genau und definitiv zu finden wäre. Handlungsbedarf habe ich nämlich in sehr vielen Bereichen gefunden, das gute Zeugnis jedoch ist, wie gesagt, ein bisschen weniger leicht zu fin­den. Es waren dann vier Punkte, die mir genannt wurden: der Gewässerbewirtschaf­tungsplan – prinzipiell ein Plan, der begrüßenswert ist, der Ziele bis 2015 enthält, die sehr toll und ambitioniert sind. Weniger sicher ist, ob diese Ziele auch wirklich einge­halten werden können, denn wenn man sagt, dass man haben möchte, dass alle Fließ­gewässer, bis auf die ganz, ganz schlechten, bis 2015 auf dem Status „gut“ sind, dann heißt das, dass wir 66 Prozent der Fließgewässer bis 2015 verbessern müssen.

Wenn man bedenkt, dass dazu noch ein Sanierungsprogramm des Landes notwendig ist und dass mögliche Verursacher dann zwei Jahre Zeit brauchen, um ein Sanierungs­konzept zu machen, und dann eventuell noch um eine Fristverlängerung ansuchen kön­nen, ist fraglich, ob es wirklich möglich ist, mit diesem Gewässerbewirtschaftungsplan die sehr hehren Ziele zu erreichen. Das ist ein bisschen in Frage zu stellen.

Der zweite Punkt, der mir genannt worden ist, was ein so großer Fortschritt wäre, sind die ersten Schritte in Richtung Klimawandel-Anpassung. Es sind erste Schritte – das ist auch sehr zögerlich gekommen.

Der nächste Punkt war dann die Erfassung der Altlasten. – Das stimmt, in den letzten Jahren, insbesondere im letzten Jahr, wurden sehr viele Altlasten erfasst. Das Problem ist: Wir haben beim letzten Budgetgesetz mitbeschlossen, dass der Altlastensanie­rungsbeitrag jetzt teilweise nicht mehr zweckgewidmet ist. Das heißt, wir haben jetzt die Altlasten erfasst, aber bis sie saniert werden können, wird sich möglicherweise ein bisschen verzögern, weil das Geld ja jetzt nicht mehr geworden ist. Im Ausschuss ha­ben wir gehört, es wird auf jeden Fall ein paar Jahrzehnte dauern, und davon gehe ich auch aus.

Der letzte Punkt, der mir als großer Fortschritt und als Grund für das besonders gute Zeugnis genannt wurde, ist der Biolandbau. – Prinzipiell ja, und es ist schon wahr, dass wir Weltmeister im Biolandbau sind, wir haben aber auch das Problem, dass der Pflan­zenschutzmitteleinsatz in Österreich nicht wirklich zurückgeht und im Umweltkontroll­


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bericht auch beim Landbau noch einige Anregungen zu finden sind, die Sie sich als Landwirtschaftsminister vielleicht zu Herzen nehmen könnten.

Was mir im Bericht fehlt, ist irgendetwas zum Thema Atomenergie oder zum Thema Radioaktivität. – Sie haben gesagt: Wir sind atomstromfrei. Ganz so, das wissen wir alle, ist es nicht. (Ruf: Atomkraftfrei!) – Atomkraftfrei, okay: atomkraftfrei; wir haben hier kein eigenes Atomkraftwerk. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Es ist aber so, und das wissen wir ganz genau, dass sehr wohl auch Atomstrom importiert wird. Natürlich werden wir das immer mit dem Herrn Wirtschaftsminister ausdiskutieren müs­sen, trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass auch im Umweltbericht etwas dazu steht.

Zum Thema Radioaktivität – das ist heute schon angeschnitten worden; Seibersdorf –: Es wäre schön, wenn dazu auch im Umweltbericht ein paar Worte zu finden wären, es gibt nämlich gerade über diesen Bereich aus irgendeinem Grund kaum Berichte. Auch der Atomhaftungsbericht, der ja eigentlich vorzulegen wäre, ist seit Jahren in Verzug, und ich weiß nicht, wann er endlich den Weg in die Gremien findet. Inzwischen ist er online, aber er ist noch nirgends besprochen worden.

Wir werden den Bericht natürlich gerne zur Kenntnis nehmen. Er ist wie immer sehr gut erstellt, mir ist nur aufgefallen, dass diese Berichte schon einmal umfangreicher und auch ein bisschen inhaltsvoller waren. Mag sein, dass es daran liegt, dass die Umwelt­kontrollmittel in den letzten Jahren eingefroren waren – möglicherweise sollte man da überlegen, ob man diese nicht wieder ein bisschen anzieht.

Nun noch kurz zum EMAS-Bericht: Dieser Bericht ist seit Jahren eher ein bisschen gleichlautend. Es tut sich nicht sehr viel in diesem Bereich – leider, denn es wäre er­strebenswert, dass wir mehr Betriebe hätten. Was in diesem Bericht positiv hervorzu­heben ist, ist, dass angestrebt wird, dass es auch für EMAS eine globale Anwendung geben wird und dass Umweltleistungskennzahlen erstellt werden. Diesbezüglich glau­be ich, dass das ein ganz wichtiges Thema ist, dass man sich da einmal irgendwo ei­nigt und etwas festlegt, damit man auch Vergleiche machen kann, was erfolgreich ist und was weniger erfolgreich ist.

Ich habe es schon im Ausschuss erwähnt, und ich möchte es hier noch einmal beto­nen: Es ist ja so, dass bei EMAS nicht durch das Amt überprüft wird, sondern durch pri­vate Gutachter; dagegen ist jetzt prinzipiell nicht großartig etwas einzuwenden. Es wä­re nur schön, wenn die Berichte dieser Peer-Audits, die offensichtlich jährlich durchge­führt werden, sprich: die Gutachter werden von Gutachtern aus anderen Ländern über­prüft, auch irgendwo zur Verfügung stünden. Im Bericht steht nur drinnen: Das Ergeb­nis war positiv. – Ich denke mir, das ist eine sehr kurze Fassung. Es wäre schon inter­essant, auch in diesem Bereich Näheres zu erfahren.

Ansonsten werden wir natürlich auch dem EMAS-Bericht zustimmen. – Danke. (Beifall der Bundesräte Dr. Kickert und Blatnik.)

15.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


15.53.53

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Danke für die Ausführungen. Es ist tatsächlich so, und ich möchte das vorher Ge­sagte wiederholen: Österreich ist ein Umweltmusterland, weil wir in vielen Bereichen einfach voran sind. Atomkraftfrei zu sein ist ein Wert, der an Bedeutung gewinnt, wenn die halbe Welt verstärkt auf Atomkraft setzt, wenn jetzt Länder wie Italien, die bisher AKW-frei waren, ebenfalls auf Atomkraft setzen, die Deutschen die Laufzeit der AKWs verlängern, die Slowaken, die Tschechen, die Schweizer die Atomkraft ausbauen wol­


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len, die Slowenen überlegen, in die Atomkraft einzusteigen, die Ungarn überlegen, in die Atomkraft einzusteigen. Sie müssen doch sehen, was sich in der Welt tut! Aber Ös­terreich sagt trotzdem: Wir machen das nicht, wir gehen mehr in Richtung erneuerbare Energien. Das ist schon ein Thema!

Und wenn es heißt, dass wir Atomstrom importieren, dann stimmt das. Laut Experten der unabhängigen Institution Umweltbundesamt sind es in etwa 3 bis 5 Prozent, je nach Berechnungsmethode. Es hat nie jemand gesagt, dass Österreich ein gallisches Dorf ist, das sich abschließen kann. Das ist völlig unrealistisch! Es ist niemand glücklich da­rüber, aber wir exportieren auch sehr viel Strom, und das Ziel muss natürlich ein ener­gieautarkes Österreich sein, dass wir alles im eigenen Land produzieren.

Aber auch das wird keine Insellösung sein, weil ein energieautarkes Land kann nicht heißen, dass wir abgeschottet sind, wenn bei den großen Offshore-Windparks an der Nordsee riesige Strommengen anfallen und zum Beispiel unsere Pumpspeicherkraft­werke diesen Strom eben konservieren und dann abgeben, wenn er gebraucht wird. Das ist ein offenes System. Aber Energieautarkie für Österreich halte ich für ein zentra­les Konzept.

Es ist schon so, dass wir stolz darauf sein können, dass wir in Österreich den Wasser­hahn aufdrehen und das Wasser trinken können. Da rede ich nicht einmal von Afrika, sondern das ist in vielen Teilen Europas so, dass Sie das nicht können. Manchenorts schmecken Sie so viel Chlor heraus, dass Sie gleich wissen, was los ist. – Ich meine, das ist ja nicht mein Verdienst, sondern unser aller Verdienst über die Jahre.

Ich will – noch einmal – eine positive Motivation, denn wenn immer nur gesagt wird, al­les ist so schlecht, dann fragen sich irgendwann einmal der Österreicher und die Öster­reicherin: Wo ist mein ganzes Geld hingegangen, wenn hier ... (Bundesrätin Kersch­baum: ... Handlungsbedarf!) Ich weiß schon, Sie haben das nicht so extrem gesagt, und es sollen ja Dinge auch verbessert werden, aber ich meine nur, dass wir auf vieles stolz sein können.

Wir haben jetzt in Nagoya im Rahmen der UNO-Konferenz erstmals weltweit Spielre­geln betreffend die Biodiversität zum Schutz der Artenvielfalt festgelegt. Österreich er­füllt das bereits, weil wir 16 Prozent unserer Fläche in irgendeiner Form unter Schutz gestellt haben, beispielsweise durch Natura 2000 unter Schutz gestellt.

Zur Abfallwirtschaft: Wir sind Kaiser – in Anlehnung an eine Fernsehsendung –, wir sind Abfallkaiser, weil wir Müll wirklich vorbildlich trennen und recyceln. Also positiver Zu­gang zu diesen Dingen.

Mein Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Umweltbundesamtes. Das ist ein objektiver Bericht, der Qualität ausdrücken soll.

Es ist erwähnt worden: Der Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan besagt, dass un­sere Seen Trinkwasserqualität haben, aber die Fließgewässer sind in keinem guten ökologischen Zustand, weil eben die Fischdurchgängigkeit nicht gewährleistet ist. Laut EU-Recht müssen sie aber für Fische passierbar sein, und Querbauwerke – auch Was­serkraftwerke oder sogar Hochwasserrückhalteanlagen – sind oft irritierend, sodass die Fische nicht passieren können.

Daher habe ich getreu meinem Motto, dass man Ökologie und Ökonomie vereinbaren kann, mit der Energiewirtschaft und auch den NGOs den Nationalen Gewässerbewirt­schaftungsplan gemacht; wir haben das auch gemeinsam präsentiert. Das Ziel ist – und dafür nehmen wir Geld in die Hand –, dass Fischaufstiegshilfen wie beim Kraft­werk Freudenau, ganz unten sehen Sie eine solche, gemacht werden. Das kostet enor­mes Geld, das kostet sehr viel, aber wir erfüllen damit EU-Recht. Es ist schon richtig, dass viel Geld in die Hand genommen werden muss, aber es soll eben der gute öko­


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logische Zustand der Flüsse wiederhergestellt werden. Das wird Jahre dauern, und der Endausbau, auch das ist immer wieder gesagt worden, ist nicht für 2015, sondern für 2027 geplant, weil es durch die stufenweise Herangehensweise einfach gar nicht an­ders geht.

Viele Schadstoffe – Schwefeldioxid, saurer Regen oder Blei – waren noch vor Jahr­zehnten ein Riesenthema und sind heute in Österreich kein Thema mehr, weil es ge­lungen ist, sie einzudämmen.

Immissionsschutzgesetz-Luft, Feinstaub – jetzt ist der Kollege nicht da –: Die Steier­mark ist säumig. Die Feinstaubbelastung in der Steiermark ist enorm. Jetzt hat Graz natürlich eine schwierige Lage durch die Inversionslage, aber die Feinstaubbelastung ist wirklich hoch. Es haben alle österreichischen Regionen, auch die Steiermark, eine Frist bis Juni des heurigen Jahres bekommen, Maßnahmen umzusetzen.

Die Landeshauptleute sind für die Luftreinhaltung zuständig und müssen Maßnahmen setzen. Ich habe im Vorjahr das IG-Luft gemacht. Das ist ein Werkzeugkoffer, aus dem das Land das Werkzeug, von dem es glaubt, dass es sinnvoll ist, herausnimmt und Maßnahmen setzt, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren. Da geht es, ganz simpel, um die Gesunderhaltung der Menschen, insbesondere der Kinder. Ich habe den Lan­deshauptmann der Steiermark seitens des Ministeriums aufgefordert, aktiv zu werden, weil es um die Volksgesundheit geht und Maßnahmen zu setzen sind.

Beim Klimaschutz müssen wir Dinge nachholen, das ist unbestritten.

Das energieautarke Österreich ist ein Endziel. Die thermische Sanierung, die wir heute gestartet haben und die wir auch im Rahmen einer Enquete im Nationalrat vorgestellt haben, ist ein wichtiges Beispiel dafür, aber auch, dass ich ein Förderprogramm für die Gemeinden und Regionen initiiert habe. Güssing ist die erste energieautarke Stadt. Ich habe BürgermeisterInnen aus allen politischen Lagern aus vielen Gemeinden in Öster­reich getroffen, die gesagt haben: Ich will auch energieautark werden!

Gemäß diesem Motto habe ich 2009 ein Programm gestartet und es 2010 fortgesetzt, durch das ganze Regionen, Städte, Gemeinden energieautark werden sollen. – Herr Bürgermeister, du bist, glaube ich, mit dabei, auch etliche andere Anwesende. Es gibt ja mittlerweile 66 Regionen in Österreich, die an dem Thema arbeiten, weil Bürger­meisterInnen betreffend den eigenen Bereich sagen: Ja, auch ich will meine Region le­bensfähig gestalten. Ich war selbst in einem Gemeinderat, ich weiß, wie das ist, wenn man seinen Lebensbereich unmittelbar gestalten kann.

Ich danke allen, die da mittun, weil wir damit Österreich voranbringen. Das ist keine parteipolitische Frage, das ist eine nationale Frage, nämlich: Wie sichere ich Lebens­qualität und Wohlstand auch in den kommenden Jahrzehnten? – So viel dazu.

Zur Mobilität, und damit will ich noch nicht ganz schließen, weil ich die Landwirtschaft auch noch erwähnen muss. Mir als Umweltminister ist es wichtig, dass die Mobilität umweltfreundlicher wird: dass – natürlich – der öffentliche Verkehr forciert wird, aber gleichzeitig muss der Individualverkehr umgestellt werden, und zwar weg von den fos­silen Energieträgern. Ich fahre jetzt ein Elektroauto, mittlerweile ist es ein neuer, ein viersitziger Mittelklassewagen. Das heißt, die Autoindustrie bietet Derartiges an! Natür­lich müssen wir die Forschung intensivieren, aber für den städtischen Bereich ist das ei­ne Antwort.

Daran arbeiten ja viele Institutionen, unter anderem jetzt drei Ministerien – neben mei­nem das Verkehrsministerium und das Wirtschaftsministerium –, damit wir Elektromo­bilität auch zusammen mit der Wirtschaftskammer stärker forcieren. Das ist eine Rie­senchance, dass Österreich die Nase vorne hat! 250 000 Fahrzeuge bis 2020 wäre das Ziel.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 116

Zur Landwirtschaft: Bitte, ich ersuche Sie, nicht den Begriff industrielle Massentier­haltung zu verwenden. Es steht Ihnen natürlich zu, aber wir haben das in Österreich nicht. Wenn wir von 2 000 Schweinen reden ... (Bundesrätin Posch-Gruska: Aber es gibt die Massentierhaltung!) Das ist eine Frage des Standpunktes. Wenn einer 50 Schwei­ne hat und der andere hat 100 Schweine, dann sagt der: Massentierhaltung! (Bundes­rätin Posch-Gruska: 20 000 ...!) Es spielen sich europaweit Größenordnungen von 20 000, 30 000, 50 000 Einheiten ab. – Ich will ja nur die Kirche im Dorf lassen, damit wir hier vernünftig diskutieren.

Natürlich haben die Landesbehörden – in dem Fall die Bezirkshauptmannschaft in Wie­ner Neustadt – die Aufgabe, ein ordnungsgemäßes Verfahren zu machen, sodass das Grundwasser gesichert ist. Es kann doch etwas, egal, ob es ein Schweinestall ist oder ein Industriebetrieb, keine Genehmigung bekommen, wenn das Wasser kontaminiert wird! Das ist ja wohl außer Frage, das muss ich ja in einem Gremium wie diesem hier nicht diskutieren! Das ist einzuhalten – egal, wie man zu der Sache steht.

Richtig ist aber, dass die Strukturen größer werden. Wir sehen das ja: Es wird viel Schweinefleisch aus Deutschland nach Österreich importiert, weil es dort einfach bil­liger produziert wird – und das findet sich dann in der Verarbeitungsware. Daher wollen wir ja, wie richtig bemerkt wurde, eine Produktkennzeichnung. Aber Faktum ist, dass dort billiger produziert wird, und weil der Preis durch das Dioxin in Deutschland jetzt noch stärker gesunken ist, ist kurzfristig noch mehr Schweinefleisch nach Österreich ge­kommen.

Da geht es schon um Konkurrenzfähigkeit und darum, dass Betriebe in Österreich am Leben gehalten werden müssen; ich bitte, das auch so zu sehen. Natürlich müssen Umweltschutz und Grundwasserschutz gewährleistet sein, darüber brauchen wir nicht zu reden.

Abschließend zur Biodiversität und auch zum Artenschutz: Österreich ist eines der ar­tenreichsten Länder der Welt. Die vielfaltleben-Kampagne, die ich 2009 gestartet habe, um das Bewusstsein der Bevölkerung zu bilden, damit die Menschen sagen: Es ist wichtig, in meinem unmittelbaren Lebensbereich Tiere und Pflanzen zu schützen!, ist die beste Kampagne von ganz Europa gewesen. Sie wurde prämiert, und ich bin stolz darauf, weil wir dieses Thema gemeinsam mit den NGOs fortsetzen werden.

Die Bevölkerung gehört eingebunden! Ich habe viele Gemeinden und auch hier die Wirtschaft als Partner durch das vielfaltleben-Netzwerk mit der Wirtschaft. Auch viele Gemeinden, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aller politischen Gruppierungen nehmen an dem Netzwerk teil, um in Österreich flächendeckend Artenschutz zu be­treiben. Die Sicherung der genetischen Ressourcen ist nicht nur in Brasilien oder in Af­rika wichtig, sondern auch hier bei uns. Dazu können wir sehr viel beitragen. Ich danke allen, die da unterstützend wirken und dass wir das Thema gemeinsam bearbeiten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Neunten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 117

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den IV. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-Verordnung und die Vollziehung des Umweltmanagementgesetzes.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich begrüße Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Sozialminister Rudolf Hunds­torfer ganz herzlich bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

16.04.2310. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungs­kommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behinderteneinstel­lungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden (938 d.B. und 1047 d.B. sowie 8449/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (1048 d.B. sowie 8441/BR d.B. und 8450/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 10 und 11 ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Ich bit­te um die Berichte.

 


16.04.43

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Gleichbehand­lungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gleichbehandlungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bun­des-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher auch hier gleich zur Antragstellung.

Der Gleichbehandlungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 118

16.06.01

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Vizepräsiden­tin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Reform des Gleichbehandlungsgesetzes soll den Diskriminierungsschutz erweitern und mehr Transparenz bei der Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen schaf­fen.

Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen werden laut aktuellem Ein­kommensbericht des Rechnungshofes vor allem durch unterschiedlich hohe Einstiegs­gehälter, ungleiche Anrechnungen von Vordienstzeiten sowie durch außerordentliche Gehaltserhöhungen, Prämien, Zulagen oder auch Überstundenabgeltungen verursacht. Daher erachtet die Regierung erhöhte Transparenz der Gehälter in Unternehmen als unerlässlich, um innerbetrieblicher Einkommensdiskriminierung entgegenzuwirken. Dies soll alle zwei Jahre in Form einer Gehaltsoffenlegung in Betrieben mit mehr als 150 Ar­beitnehmern geschehen.

Dieser Vorstoß hat meiner Meinung nach einige Tücken, denn erstens werden die Ge­hälter anonym und nur betriebsintern dargelegt, und zweitens wird es per Strafe für die Angestellten verboten sein, darüber zu sprechen. Jemand, der jetzt eine ungerechte Einkommensverteilung in einem Betrieb öffentlich macht, soll mit 360 € bestraft wer­den. Demzufolge wird meiner Meinung nach der Nutzen dieser angestrebten Gehalts­offenlegung äußerst gering ausfallen.

Ein weiteres Problem besteht in unzulänglichen Berechnungsmethoden der Statistik Austria, wo die Einkommensdaten der Bürger lediglich aus den Lohn- und Einkommen­steuerdaten der Finanzämter zur Berechnung übernommen werden. Die Ausbildung oder Qualifikation wird der Datensammlung der Sozialversicherungsträger zur Berech­nung entnommen, zum Beispiel ob es sich um einen Arbeiter handelt, ob jemand eine Facharbeiterprüfung oder Maturaniveau hat, einen akademischen Grad et cetera. Aus der höchsten bekannten Ausbildung und dem Jahreseinkommen werden dann Statis­tiken errechnet, die mit den Berichten der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Bereich Diskriminierung beim Entgelt kaum zusammenpassen.

Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern ergibt sich also unter anderem aus diesen möglichen Berechnungen der Statistik Austria, aber auch aus der traditio­nellen Berufswahl von Mädchen und Burschen.

Hier wäre meiner Meinung nach die Politik ebenfalls stark gefordert, zum Beispiel die Mädchen nicht nur darauf hinzuweisen, dass sie nicht zu frauenspezifischen oder -ty­pi­schen Berufen oder Branchen tendieren, sondern vermehrt technische Berufe anstre­ben sollten. Vielmehr wäre es politische Aufgabe, eben auch in diesen bekannten Bran­chen für entsprechende Entlohnungen zu sorgen, anstatt es nur dem Verhandlungs­geschick der Gewerkschaften zu überlassen, welche Kollektivlöhne mindestens zu be­zahlen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist diskriminierend und absolut nicht nachvollziehbar, wieso es derart große Unter­schiede von zum Beispiel der Metallbranche zur holzverarbeitenden Industrie über die Textiler bis hin zum Handel gibt.

Auch die Informationsverpflichtung zur Lohnangabe bei Stellenausschreibungen, die künftig Informationen über den kollektivvertraglichen Mindestlohn, allfällige Überzah­lung und Zulagen enthalten sollen, wird in der Realität nur beschränkt wirksam sein. Großhandelsketten gehen bekanntermaßen mit den Angestellten nicht sehr zimperlich um, und wenn eine Frau oder ein Mann auf den Job angewiesen ist, wird sie oder er natürlich auch eine niedrigere Entlohnung akzeptieren, zumal ja auch Verschwiegen­heitspflicht besteht und Betroffene natürlich nur selten das Risiko des Jobverlustes ein­gehen.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 119

Das österreichische Arbeitsrecht regelte auch bisher schon die Gleichstellung im Beruf. Für dieselbe Tätigkeit ist dieselbe Entlohnung zu entrichten, und zwar geschlechtsneu­tral. Dieses Recht ist zwar niedergeschrieben, aber noch lange nicht als vollstreckt zu betrachten. In vielen Bereichen der Arbeitswelt wird dieses Recht nicht angewandt, denn: Wo nicht kontrolliert wird, werden auch keine Mängel aufgezeigt. Die Hemm­schwelle für Arbeitnehmerinnen in Österreich liegt sehr hoch, wenn es darum geht, die Kommission anzurufen und auf einen Missstand aufmerksam zu machen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hängt daran der Job und zudem noch ein langwieriges Verfahren gegen den Arbeitgeber. Diese Umstände verleiten die Arbeitnehmerinnen in Öster­reich, Unrecht über sich ergehen zu lassen, sich mit den Missständen abzufinden oder durch eine Selbstkündigung den Job zu wechseln.

Meiner Meinung nach hätte die Einrichtung einer stetigen Gleichbehandlungskommis­sion, die das Recht hat, in ganz Österreich selbständig und unangemeldet Kontrollen durchzuführen, Signalwirkung für viele Arbeitgeber in Österreich. Die Anonymität der Be­schäftigten wäre dadurch ebenfalls gegeben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.11


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


16.11.31

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Die vorliegende Novellierung des Gleich­behandlungsgesetzes wird Anfang März dieses Jahres in Kraft treten, einen weiteren Schritt in der Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau bedeuten und auch mehr Einkommenstransparenz darstellen. Das Gesetz wird dazu beitragen, die teilweise mas­siven Einkommensunterschiede, die zwischen Männern und Frauen nach wie vor be­stehen, abzubauen.

Diskriminierung von Frauen im Einkommensbereich, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellt auch eine Form des unlauteren Wettbewerbs dar, weshalb auch die Wirt­schaft daran interessiert sein müsste, sie zu beseitigen. Erstmals werden jetzt die Be­triebe angehalten, geschlechtsspezifische Einkommensberichte zu erstellen, obwohl es meiner Meinung nach Aufgabe des Betriebes sein sollte, von vornherein für eine Gleich­stellung bei den Einkommen zu sorgen und nicht erst durch die gesetzlichen Maß­nahmen. 15 bis 18 Prozent Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern bei gleicher Arbeitsleistung ist nicht erklärbar und sollte auch im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr finden.

Immer mehr Länder in Europa erkennen, dass Frauen in Führungspositionen gut für die Wirtschaft sind. Daher ist es an der Zeit, dass der Frauenanteil in den Führungsposi­tionen und bei den Aufsichtsräten gehoben wird. Der Anteil der Frauen bei den öster­reichischen Aufsichtsräten liegt bei nur zirka 9 Prozent. Warum ist das so? – Wir Frau­en müssen uns nach wie vor zwischen Kindern, Familie und Karriere entscheiden, und so haben vier von zehn Frauen einen Teilzeitjob, nur 4,5 Prozent der Kindergeldbezie­her sind derzeit Männer, obwohl laut einer Studie gerne zwei Drittel für einige Zeit bei ihren Kindern bleiben möchten. Was steht dem im Wege? – Im Wege stehen für die meisten Geld- und Karrieresorgen.

Diskriminierung der Frauen gibt es in den verschiedensten Bereichen, so zum Beispiel auch bei der Arbeitsbewerbung, wenn Frauen gefragt werden, wer das Kind zu Hau-
se betreut, oder wenn jüngeren Frauen überhaupt Fragen hinsichtlich einer möglichen Schwangerschaft gestellt werden.

Es gibt auch Diskriminierung durch den Vater des Kindes, wenn dieser seinem Kind we­der Betreuungszeit noch Geld für eine angemessene Betreuung – damit die Mutter viel­


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leicht auch arbeiten gehen kann –, für angemessene Kleidung, Ausrüstung et cetera zur Verfügung stellen will.

Diskriminierung gibt es auch bei der Justiz, wenn nachweislich hauptsächlich Frauen Opfer von Gewalt sind, aber nicht immer den notwendigen Schutz durch die offiziellen Stellen erhalten. Wie wäre es sonst möglich, dass Frauen von ihren Ex-Partnern miss­handelt werden und manchmal auch zu Tode kommen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Leitgedanke einer fairen Politik stellt gleiche Chan­cen für Männer und Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft vor allem im Erwerbs­leben auf eine Schiene. Dabei geht es beispielsweise um Entgeltgleichheit, gleiche Karrierechancen und den Schutz vor Altersarmut. Um diese Ziele zu erreichen, setzt die Politik bei den Ursachen ungleicher Chancen an.

Dazu gehören die Strukturen der Arbeitswelt. Insbesondere Frauen bezahlen familien­bedingte Auszeiten im Beruf mit Gehaltseinbußen und eingeschränkten beruflichen Ent­wicklungsmöglichkeiten. Wenn der Zusammenhalt in der Gesellschaft gestärkt werden soll, dann darf nicht zugelassen werden, dass in erster Linie Frauen die Verantwortung für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige übernehmen müssen.

Echte Gleichberechtigung setzt die Gewissheit voraus, ohne Angst vor Gewalt leben zu können. Das beginnt bei der häuslichen Gewalt und reicht bis zu Zwangsheirat und Zwangsprostitution. Deshalb gehören zu einer modernen Gleichstellungspolitik nicht nur Frauenpolitik, sondern auch eine Politik, die die männlichen Rollenbilder fördert.

Wir brauchen Unternehmen, die sich im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter mit fa­milienfreundlichen Arbeitsbedingungen und fairen Aufstiegschancen und Verdienst­möglichkeiten für Frauen positionieren. Diesen notwendigen Wandel in der Arbeitswelt fördert unsere Frauenministerin, sie fördert damit den Erfolg für Frauen und Männer in ihren Berufen – gleichzeitig mit der Verantwortung, dass Familie und Beruf verbunden werden können.

Noch einige Worte zum Bundes-Behindertengleichstellungs- und Behinderteneinstel­lungsgesetz. Ziel des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes ist es, die Diskrimi­nierung zu beseitigen oder zu verhindern und damit die gleichberechtigte Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Aufgrund einer Behin­derung darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person mit einer Behinderung in einer vergleich­baren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere erfährt oder erfahren würde.

Das Behinderteneinstellungsgesetz sieht vor, dass Menschen mit Behinderungen be­günstigt werden können. Das sind aber nicht nur Behinderungen mit vorübergehender körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung von mindestens 50 Prozent, sondern auch Personen mit einer anderen Einschränkung können dazu gehören, wenn sie zum Bei­spiel schwer zuckerkrank sind oder große Lernschwierigkeiten haben. Als begünstigte Behinderte gelten nur jene Personen, die nicht mehr in die Schule gehen, nicht stu­dieren und nicht schon in dauernder Pension sind.

In diesen beiden letztgenannten Gesetzen sind ebenfalls wichtige Forderungen und Voraussetzungen enthalten und wurden Richtlinien für die Gleichbehandlung der Bür­gerinnen und Bürger, vor allem aber der Bürgerinnen mit Behinderung festgeschrieben. Unsere Fraktion stimmt diesen Vorlagen jedenfalls zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten von ÖVP und FPÖ.)

16.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte.

 



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16.18.40

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister Hundstorfer! Ich werde mich wieder kurz fassen – vielleicht nicht ganz so kurz wie bei meinem ersten Statement heute in der Früh –, vor allem um unsere geschätzte Aufmerksamkeit und Konzentra­tion nicht länger in Anspruch zu nehmen, denn diese sinkt rapide. Die Zeit geht schon langsam in Richtung Beamtendienstschluss, also das Zuhören geht nicht mehr so lo­cker. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Na, na, na! Einspruch!)

Ich stehe nicht an, anzuerkennen, dass in Sachen Einkommenstransparenz dieses Ge­setz möglicherweise tatsächlich ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich sehe es auch als positiv an, dass anfänglich große Unternehmen, dann durchaus auch mittlere Un­ternehmen dazu verpflichtet werden, alle zwei Jahre Einkommensberichte zu erstellen.

Das, was uns – und jetzt fasse ich mich tatsächlich kurz – an dieser Gesetzesvorlage sozusagen als Kritik aufstößt, ist, dass auf der einen Seite die Einkommenstransparenz erhöht werden soll, auf der anderen Seite aber Arbeitnehmerinnen – nehmen wir an, dass es hauptsächlich sie sind, und hie und da auch Arbeitnehmer – und auch Be­triebsrätinnen bestraft werden sollen, falls sie über diese Einkommen und vor allem über die Einkommensunterschiede sprechen sollten.

Meiner Meinung nach wird das dem Ziel, zu mehr Einkommenstransparenz zu kom­men, leider widerlaufen und ist das auch eine etwas problematische Einschränkung der Meinungsfreiheit. Ich weiß, in der Fragestunde Mitte Dezember haben Sie (in Richtung Bundesministerin Heinisch-Hosek) gesagt, dass Ihnen dieser Strafrahmen auch ein Dorn im Auge ist und Sie es immerhin geschafft haben, die Strafandrohungen zu senken. Das rechne ich Ihnen an, nichtsdestotrotz sind sie da und treffen in dem Fall diejeni­gen, die sich wohl am wenigsten dagegen wehren können.

Gleichzeitig wurde dann aber entgegen dem ursprünglichen Entwurf die Ausdehnung des Gesetzes auf Diskriminierungen außerhalb des Arbeitsbereiches wieder zurückge­nommen. Das ist ein Punkt, den wir auch sehr bedauern und der mit ein Grund dafür ist, dass wir diesem Antrag nicht werden zustimmen können.

Zum Abschluss – weil wir ja zwei Gesetze in einer Debatte behandeln – möchte ich kurz darauf eingehen, warum wir der Änderung des Bundes-Gleichbehandlungsgeset­zes sehr wohl unsere Zustimmung geben können. Wir sehen die künftige Verpflichtung des Bundes, ebenfalls Einkommensberichte abzugeben, als positiv an. Dort gibt es üb­rigens keine Verschwiegenheitspflicht. Selbst wenn wir uns strengere Kriterien für die Erstellung dieser Berichte gewünscht hätten, vor allem im Bereich Überstundenpau­schalen, Zuschläge, die größtenteils sehr oft schwer zu vergleichen sind, werden wir dem zweiten vorliegenden Beschluss des Nationalrates unsere Zustimmung nicht ver­wehren. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


16.22.12

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Es mag Ihnen vielleicht seltsam erscheinen, dass ich als Unternehmerin diese Gesetzesnovelle zu mehr Einkommenstransparenz unter­stütze, die ja zunächst einmal mehr Bürokratie und Kosten für die Unternehmen verur­sacht. Das sind immerhin 520 000 €. Der Grund dafür, dass mir diese Gesetzesnovelle so wichtig ist, liegt darin, dass mir die Vorurteile gegen uns Unternehmer schon derma­ßen auf die Nerven gehen und dass ich froh bin, dass endlich Transparenz geschaffen


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wird. Es wird uns ja in der öffentlichen Diskussion offensichtlich unterstellt, dass wir so dumm sind, schlechtere Leistungen von Männern besser zu bezahlen als gute Leis­tungen von Frauen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich kann Sie aber beruhigen, wir sind nicht so dumm, denn sonst würden wir mit unserer österreichischen Wirtschaft nicht im euro­päischen Spitzenfeld liegen.

Apropos Leistung: Erstaunt haben mich die Ausführungen von Nationalratsabgeordne­tem Öllinger, der ja ein Problem mit leistungsgerechter Entlohnung hat. Ich habe selbst ein Unternehmen, und ich kann sagen, ich habe noch keine bessere, gerechtere Ent­lohnungsform gefunden als Leistung. Meine Mitarbeiter sehen das auch so. Ich glaube, auch im 21. Jahrhundert werden wir um Leistung nicht umhinkommen.

Die Gründe für die Einkommensdisparenz von Männern und Frauen sind, wie auch die aktuelle Studie von Neumann International zeigt, vielschichtiger. Frauen sind in schlech­ter bezahlten Branchen wie im Non-Profit-Bereich, im Bereich Soziales, Gesundheit, Tou­rismus sowie innerhalb der Unternehmen in Abteilungen wie Marketing, PR, Perso­nal überrepräsentiert. Hier besteht natürlich ein kausaler Zusammenhang zur Ausbil­dung. Wie Sie, Frau Ministerin, in Ihrem Frauenbericht feststellen, konzentriert sich fast die Hälfte aller Lehrabschlüsse von Frauen auf drei Berufe, nämlich Einzelhandelskauf­frau, Bürokauffrau und Frisörin. Aber auch im universitären Bereich liegt der Anteil der Studentinnen bei technischen Studiengängen nur bei 20 Prozent.

Diese Ausbildungs- und Gehaltssituation zeigt sich nicht nur bei unselbständig Be­schäftigten, sondern auch bei Unternehmerinnen, die geringere Umsatzgrößen haben, geringere Unternehmensgrößen, da sie ja vorwiegend im Bekleidungsgewerbe und als Frisörin tätig sind, wie der Mittelstandsbericht von Herrn Minister Mitterlehner aufgezeigt hat.

Der Einkommensbericht wird sicherlich ganz deutlich die Folgen von Ausbildung und Berufswahl von Frauen aufzeigen. Diese Gesetzesnovelle kann daher durch Sensibi­lisierung bei der Gehaltseinstufung nur ein Baustein sein, um Ungleichheiten abzubau­en. Es müssen aber im Bereich Information, Motivation, Unterstützung bei der Berufs­wahl für Mädchen und Frauen noch einige Bausteine folgen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


16.25.31

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Bundesminister! Poštovane gospa predsed­nica! Poštovane gospa ministrica! Poštovane gospod minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fakt ist, dass seit 30 Jahren gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit gesetzlich festgeschrieben ist. Fakt ist aber leider auch, dass Frauen für gleiche Arbeit noch im­mer weniger bezahlt bekommen. Im europäischen Ranking liegen wir im untersten Drit­tel, aber auch im Vergleich zu anderen Staaten sind wir nicht an erster Stelle, sondern eher bei den Letzten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss sich fragen – das wurde heute schon ein­mal gesagt, aber es ist mir so wichtig, dass ich es noch einmal betone –: Wie kommt es zu diesen Einkommensunterschieden? – Ein Teil ist erklärbar: durch andere Einstu­fung, durch unterschiedliche Anrechnung der Vordienstzeiten, durch unterschiedliche Gehaltserhöhungen, durch Prämien, Zulagen und so weiter, der andere Teil, und das sind 15 bis 18 Prozent, ist eigentlich nicht erklärbar. Frau verdient weniger, weil sie Frau ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es herrscht oft nicht das richtige Bewuss­tsein vor, nicht das richtige Wissen darüber, was jeder Einzelne aufgrund seiner Vor­


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dienstzeiten, aufgrund seiner Zulagen wirklich verdient. Ich sage außerdem, dass eini­ge Frauen, auch sehr gut ausgebildete Frauen, nicht wissen, wie viel sie für ihre Arbeit verlangen können, und auch nicht wissen, wie viel ihre Arbeit wert ist. Daher ist hier ei­ne Informationsoffensive notwendig.

Ich bin mir sicher: Wenn endlich auch über Gehälter geredet wird – ich meine jetzt nicht nur die individualisierten Gehälter, sondern die gesamte Struktur –, dann kommt es zu einer Debatte. Endlich wird einmal darüber geredet, was wer wo in welcher Bran­che und in welchem Beruf verdient, in der Kantine, am Stammtisch, überall. Ich glaube, diese Debatte ist der erste Schritt dahin, Bewusstseinsbildung zu betreiben, Sensibili­sierung zu betreiben – und das ist der richtige Schritt. Wenn dieses Geheimnis, dieses bestgehütete Geheimnis, was man verdient, gelüftet wird, dann haben wir einen gro­ßen Beitrag zur Behebung dieser Einkommensunterschiede geleistet.

Dieses Gesetz, welches wir heute beschließen, ist ein wichtiges Teilstück auf dem Weg zur Einkommensgerechtigkeit. Die nunmehr zu beschließenden Maßnahmen zur Ein­kommenstransparenz, die ab 1. März 2011 in Kraft tritt, sind ein wichtiger Schritt dahin gehend, dass Frauen zu fairen Gehältern kommen, denn in Zukunft sind Betriebe in­tern verpflichtet, sich mit den Einkommensunterschieden zwischen Mann und Frau zu beschäftigen. Sie müssen alle zwei Jahre einen Einkommensbericht innerbetrieblich of­fenlegen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Weil das, liebe Frau Kollegin Michalke, dein Einwand oder dein Kritikpunkt war: Ich glau­be nicht, dass Frauen über Facebook oder über die Medien verkünden werden, wie groß der Einkommensunterschied in ihrem Betrieb ist. Ich glaube eher, dass Frauen dort hingehen, wo es etwas bringt, nämlich zu den Betriebsräten und Betriebsrätinnen, und dass sie da gemeinsam eine Lösung finden werden.

Zum Einkommensbericht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieser gilt als Beweismittel bei Interessenorganisationen. Dort kann man den vorlegen. Das ist für die Frauen ein ganz wichtiges Dokument, ein Beweisstück, womit man den Einkommensunterschied aufzeigen und belegen kann. Man kann mittels dieses Einkommensberichtes bis zu drei Jahre im Nachhinein bei Gericht seine Ansprüche einklagen. Und das ist auch we­sentlich.

Was bedeutet dieser Einkommensbericht, in dem die Einkommensdifferenzen aufge­zeigt werden, in der Realität? – Man kann anhand dessen vergleichen, was verdient wer, man kann vergleichen, was verdient man in welcher Branche, und man kann auch vergleichen, was verdient man in welchem Beruf. Und ich bin mir sicher – meine Vor­rednerin hat diese drei typischen Berufe genannt, die sich Frauen auswählen –, das kann auch ein Schritt dazu sein, dass diese Frauen vielleicht einen anderen Beruf aus­wählen.

Dieser Einkommensbericht wird stufenweise eingeführt. Das heißt konkret, ab 2011 müssen Unternehmen mit mehr als 1 000 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ihre Gehälter offenlegen, 2012 Unternehmen mit mehr als 500, 2013 Unternehmen mit mehr als 250 und 2014 Unternehmen mit mehr als 150 Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern. Das heißt, 2014 sind davon 1,2 Millionen Beschäftigte erfasst, und das sind über 40 Prozent.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe vorhin schon erwähnt, es ist mir sehr wichtig, dass bei Stelleninseraten in Zukunft auch angegeben werden muss, wie viel man ver­dient.

Der nächste Punkt: Strafen; auch das wurde erwähnt. Ja, das ist ein Wermutstropfen. Wenn man mit diesem Gesetz an und für sich am richtigen Weg ist, wenn es einen Mindestschadensersatz bei sexueller Belästigung festschreibt, wenn damit der Einkom­mensbericht eingeführt wird, der eine Voraussetzung zur Beseitigung der Ungerechtig­


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keiten in der Entlohnung ist, wenn bei Stellenausschreibungen nun angegeben werden muss, wie viel man verdient, dann kann man doch nicht sagen, das ist nichts, da kann man sich doch nicht einen Punkt herauspicken, nur um dieses Gesetz abzulehnen.

Diese Strafe ist ein Wermutstropfen, und auch mir würde es besser gehen, wenn es diese Strafe nicht gäbe. Aber man muss schon dazusagen, dass ursprünglich eine Ver­waltungsstrafe von über 2 000 € vorgesehen war – und jetzt sind es 360 €.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eine erhöhte Transparenz bei den Gehältern in Unter­nehmen ist eine wirklich unerlässliche – ich betone: wirklich unerlässliche – Voraus­setzung dafür, dass man der Einkommensdifferenz zwischen den Gehältern von Män­nern und Frauen entsprechend entgegentreten kann.

Ich möchte mich hier bedanken bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, bei dir, lie­be Frau Ministerin, bei dir, lieber Herr Minister, für dieses Gesetz. Es ist der erste wich­tige Schritt, der sicherlich seine Fortsetzung finden wird.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Astleitner. – Bitte.

 


16.35.06

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute schon zum zweiten Mal, dass ich sozusagen als letzte Rednerin drankomme. Es ist wirklich schon sehr viel gesagt worden, ich darf aber noch einmal den einen oder anderen Aspekt aus meiner Sicht einbringen.

Es wurde schon betont, dass Frauen für gleiche Arbeit noch immer um bis zu 18 Pro­zent weniger verdienen als Männer, und ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass diese Einkommensschere geschlossen werden muss. Dazu ist es notwendig, genaue Daten und Fakten zu erhalten. Mit dem Gleichbehandlungsgesetz wird nun endlich ei­ne Möglichkeit – das ist auch schon angesprochen worden – zur Herstellung von Ge­haltstransparenz geschaffen.

Die ÖVP kämpft seit Jahren für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, und daher ist der im Gesetz enthaltene Einkommensbericht aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt in die rich­tige Richtung. Natürlich wird es ein Bündel von Maßnahmen brauchen, um diese Ein­kommensschere zu schließen, aber, Frau Bundesministerin, Sie haben das auch so ähn­lich formuliert, auch einzelne Schritte ergeben einen Weg.

Zugleich – das wurde auch schon von meinen Vorrednerinnen betont – geht es um das Sensibilisieren, wie viel die Arbeit einer Frau eigentlich wert ist. Auch das halte ich für sehr wesentlich.

Betonen möchte ich auch, dass nicht die Strafe im Vordergrund stehen soll, so wie das heute schon erwähnt wurde, sondern das Wichtigste ist es, dass Frauen ein Druck­mittel in die Hand gegeben wird, um gegen Ungleichbehandlung vorgehen zu können.

Wenn ich vorhin von einem Bündel von Maßnahmen gesprochen habe, so erscheint es mir auch sehr wichtig, Mädchen bei der Berufswahl – Mädchen, betone ich, nicht Frau­en in späterer Folge, sondern wirklich Mädchen – noch verstärkter, noch mehr zu hel­fen. Verschiedenste Aktionstage wie beispielsweise der Girls’ Day sind sehr wichtig, aber ich erachte auch den Berufsorientierungsunterricht als eigenen Unterrichtsgegen­stand, unterrichtet von entsprechend ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern, sowie so­


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genannte Realbegegnungen als sehr bedeutend. Auch Kooperationen wie beispiels­weise Schule und Wirtschaft tragen dazu bei, Mädchen besseren Einblick in die zu­künftige Arbeitswelt zu geben.

Eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes wird nicht von heute auf morgen die Lohnunterschiede beseitigen helfen, aber es wurde ein wichtiger Schritt gemacht. Und wenn wir heute über die Rechte der Kinder gesprochen haben, so, denke ich, erwarten sich auch die Frauen von uns, vielleicht gerade von uns Frauen, dass wir uns für sie einsetzen. Ich bedanke mich daher und stimme wie meine ÖVP-Fraktion gerne dieser Gesetzesnovelle zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Hei­nisch-Hosek. – Bitte, Frau Ministerin.

 


16.38.20

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass jetzt ein guter Überblick in den einzelnen Redebeiträgen geschaffen wurde, was die Gesetzesnovelle beinhaltet und wo noch die eine oder andere Schwäche verborgen oder gar nicht so verborgen ist.

Ich glaube, dass es wichtig ist, hier an dieser Stelle zu betonen, dass ich vor mehr als eineinhalb Jahren begonnen habe, meinem Auftrag nachzukommen, nämlich dafür zu sorgen, mit den Sozialpartnern und Ressortkolleginnen und -kollegen gemeinsam, dass wir jede Maßnahme, die dazu beiträgt, die Gleichstellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt sicherzustellen, in Angriff nehmen und prüfen. Und so haben wir es von Mai 2009 bis jetzt kurz vor Weihnachten geschafft, dass wir zu diesem Ergebnis gekommen sind, diese Novelle betreffend, die ein Schritt, ein Baustein, ein Puzzleteil, wenn Sie so wollen, in einem Gesamtkonzept sein soll.

Es geht darum, dass wir erstens ein Bewusstsein dafür bekommen, dass Einkommens­unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht immer erklärbar sind, wie es heute auch schon gesagt wurde, dass es auch unerklärliche Prozente gibt, wo wir nieman­dem unterstellen wollen und unterstellen werden, dass sich hier absichtlich jemand Lohnkosten spart. Davon ist keinesfalls die Rede. Auch bei Betriebsbesuchen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Personalisten, Personalistinnen, dass Geschäftsführer, Geschäftsführerinnen sich auseinandergesetzt haben mit den Gehaltsrollen in ihrem Betrieb und sich gefragt haben, wieso das wirklich so ist, dass in der gleichen Verwen­dungsgruppe Männer und Frauen doch unterschiedlich verdienen.

Ich glaube, allein dieses Bewusstsein würde hier schon sehr viel bringen. Mit dieser Novelle besteht nun die Möglichkeit, dass alle zwei Jahre diesbezüglich nachgeschaut werden kann, von den Betriebsräten, Betriebsrätinnen, von einzelnen ArbeitnehmerIn­nen, falls ein Betriebsrat nicht vorhanden ist, und notfalls Maßnahmen und Mittel zu ergreifen, um den Ausgleich dieser Unterschiede, wenn sie nicht mehr erklärbar sind, einzuklagen, als letzten möglichen Schritt. Aber natürlich wollen wir alle, dass diese Un­terschiede innerbetrieblich behoben werden, wenn sich tatsächlich herausstellt, dass es reine Geschlechterdiskriminierung ist.

Diese Novelle beinhaltet auch andere wichtige Bereiche. Nicht nur das Gleichbehand­lungsgesetz für die Privatwirtschaft, sondern auch das Gleichbehandlungsgesetz des Bundes ist hier involviert. Es werden ja beide Materien heute vom Bundesrat be­schlossen. Einkommensberichte im Bundesbereich wurden ja schon vor diesem Be­schluss gelegt, aber wir wollen hier noch Anpassungen vornehmen, damit wir gleichge­schalten sind mit den Berichten in der Privatwirtschaft.


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Wir haben jetzt den großen Unternehmen ein Angebot gemacht, haben noch einmal Sozialpartnerrunden gemacht, und es ist anhand eines sehr einfach gehaltenen Frage­bogens – das ist kein hoher bürokratischer Aufwand, verursacht keine Mehrkosten – sehr leicht feststellbar im Personalsystem, wie es denn in den einzelnen Verwendungs­gruppen mit der Bezahlung ausschaut. Wir wollen auch Schulungen anbieten, wir kom­men auch in die Betriebe und gehen diese Fragebögen durch, wenn sie angenommen werden. Das heißt, wir wollen auf jeder Linie helfen, damit wir diese Einkommensunter­schiede so schnell wie möglich feststellen, falls sie überhaupt vorhanden sind, denn es gibt auch sehr viele Unternehmen, die mir sagen, es gibt sie nicht, wir bezahlen für gleich­wertige Tätigkeit auch gleich viel.

Sollte sich das herausstellen, werden wir bald nicht mehr den vorletzten Platz belegen, sondern unter den ersten drei hoffentlich sein. Das ist aber leider noch nicht so, und daher, denke ich, ist diese Novelle ein einzelner guter und wichtiger Schritt in die rich­tige Richtung.

Es war ein langer Weg bis dorthin, wo ich es natürlich, wenn ich alleine hätte ent­scheiden können, das eine oder andere Mal, bei dem einen oder anderen Inhalt etwas anders angelegt hätte, aber ich setze sehr auf die Tradition der Sozialpartnerschaft, und es ist ein Aufeinanderzubewegen gewesen. Es gab Ängste vonseiten der Wirt­schaft, die Berücksichtigung gefunden haben, weil man es eben nicht gerne sieht, dass nach außen hin darüber gesprochen wird, wie viel in den einzelnen Gruppen verdient wird. Daher diese Regelung. Zuerst gibt es noch die Androhung, dann die Möglichkeit des Aussprechens einer Verwaltungsstrafe, wobei ich überzeugt bin, dass das kaum geschehen wird. In den letzten 15, 20 Jahren ist nie in dem Sinne eine Strafe ausge­sprochen worden. Die Verschwiegenheitspflicht für Betriebsräte gibt es ja schon immer und ist auch ein anderes Paar Schuhe als diese Verschwiegenheitspflicht für Arbeit­nehmerInnen, und das sollten wir auch getrennt betrachten. Aber ich glaube, dass es kaum so sein wird, dass sofort Strafen ausgesprochen werden, ich glaube eher – das wurde heute auch schon gesagt –, dass sich die einzelnen Arbeitnehmerinnen gemein­sam mit den BetriebsrätInnen darum kümmern werden, dass diese Unterschiede be­hoben werden, wenn diese festgestellt wurden.

Ich freue mich sehr über den Beschluss dieser Novelle heute. Es sitzen hier Kolle­gInnen, MitarbeiterInnen aus den Ministerien, aus den einzelnen Sektionen, die we­sentlich dazu beigetragen haben, dass Sie dieses Produkt heute hier beschließen kön­nen, das einen ersten wichtigen Schritt setzt und für mich auch ein Meilenstein auf dem Weg in Richtung Gleichstellung mit kleinen Schritten ist. Sie wissen, ich bringe sehr gerne den Vergleich mit dem Marathon: Frauen- und Gleichstellungspolitik ist wie ein Marathon: langer Atem, Ausdauer, sehr konsequentes Training, und dann kommt man doch zum Ziel. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hunds­torfer. – Bitte, Herr Minister.

 


16.44.14

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon alles gesagt, und ich möchte das alles nicht wiederholen, aber die Verwaltungsstrafe möchte ich schon noch ansprechen. Das ist ein Instrumentarium aus der Arbeitsverfassung, und bis zur Stunde wurde keine einzige Verwaltungsstrafe ausgesprochen. Warum nicht? – Weil die Menschen damit umgehen können, weil die Betriebsrätinnen und Be­triebsräte wissen, wie sie mit dem Instrumentarium arbeiten müssen. Und genau das Gleiche ist es hier.


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Ich finde es sehr traurig, dass sich die Grünen splitten, das sage ich ganz offen. Und das, was die Freiheitliche Partei hier mit einer neuen Schnüffelpolizei will, kann ich nicht ganz nachvollziehen, aber vielleicht habe ich es auch nicht ganz verstanden, mag schon sein. (Bundesrat Zwanziger: Das wäre kein Wunder!) Mag schon sein. (Bundes-rat Gruber: Das geht uns auch so!)

Ich danke aber trotzdem allen, die hier beteiligt waren, und allen, die hier mitgemacht haben. Es ist halt gesellschaftspolitisch immer noch ein schwieriges Thema in Öster­reich, wenn es darum geht, was der Einzelne verdient. Mit Ausnahme der Politiker, da ist es kein Thema, weil unsere Gehälter öffentlich und transparent sind. Tagtäglich steht in irgendeiner Zeitung unser Einkommen. Aber das sonstige Einkommen ist halt in Österreich immer noch ein sehr, sehr sensibles Thema, und ich hoffe, dass dieses Gesetz mithilft, zumindest die innerbetriebliche Transparenz, die innerbetriebliche Gleich­stellung, vor allem die Gleichstellung im materiellen Bereich, herbeizuführen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jän­ner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und wei­tere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jän­ner 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist ebenso angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.46.30Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 2794/J bis 2797/J, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 17. März 2011, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 15. März 2011, ab 14 Uhr vorge­sehen.


BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 128

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.47.27Schluss der Sitzung: 16.47 Uhr

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