BundesratStenographisches Protokoll795. Sitzung / Seite 105

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

die zwar arbeiten, aber davon nicht leben können. Ein Mindestlohn stellt nur einen Teil eines umfassenden Maßnahmenpaketes dar, das wir von der Bundesregierung einfordern.

Der Begriff der Erwerbsarbeit beziehungsweise der ArbeitnehmerInnenbegriff bedarf einer Überarbeitung. Wir sind immer mehr mit prekären Arbeitsverhältnissen konfron­tiert. Freie DienstnehmerInnen oder neue Selbständige, wie sie auch genannt werden, verfügen über eine schlechte soziale Absicherung. Es ist ja nicht so, dass die Sozial­partner nicht darauf reagiert hätten. Es gibt eine Sozialpartnereinigung, die branchen­weise kollektivvertragliche Regelungen für Einkommen über 900 € bis zum Jahr 2008 beziehungsweise für Einkommen unter 900 € bis 2009 vorsieht. Durch diese Mindest­lohnregelung sollen je nach Quelle zwischen 20 000 und 50 000 Beschäftigte pro­fitieren.

Aus unserer Sicht ist diese Maßnahme völlig unzureichend, um das Problem der Working Poor in Österreich in den Griff zu bekommen. Zum einen ist der geforderte Mindestlohn von 1 000 € brutto – das wären 820 € netto – viel zu niedrig, zum anderen erreicht die Regelung besonders betroffene Gruppen gar nicht. Ich möchte noch zu bedenken geben, dass Österreich zur Minderheit jener Länder in Europa gehört, die keinen gesetzlichen Mindestlohn haben. Tatsache ist, dass die Lohnquote trotz höherer Beschäftigungsquote nicht gestiegen ist, und das gibt Anlass zur Sorge.

Wir Grüne unterstützen die Sozialcharta des Europarates jedenfalls und hoffen und fordern, dass die Ratifizierung eindeutige Verbesserungen in Österreich nach sich zieht. – Danke. (Beifall der Bundesrätinnen Kerschbaum und Dr. Kickert und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

15.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Kemperle. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.07.01

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Wertes Präsidium! Ich werde mich ein wenig mit technischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Sozialcharta befassen. Da Kollege Mayer diesmal vor mir gesprochen hat und wir uns die Punkte im sozialen Bereich meistens teilen, habe ich mir heute gedacht, ich gehe es einmal von der anderen Seite an, nehme es eher von der rechtlichen Situation in Augenschein und bewerte die Artikel. (Bundesrat Mayer: ... Schennach!)

Mit der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta wird die Europäische Sozialcharta aus dem Jahre 1961 modernisiert und an die geänderten Bedingungen angepasst. Die revidierte Europäische Sozialcharta ist ein umfassender völkerrechtlicher Vertrag. Der Beschluss dazu ist ja bereits am 31. März 2011 im Nationalrat erfolgt.

Da durch die revidierte Europäische Sozialcharta Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, die davon betroffen sind, bedarf diese der Zustimmung des Bundesrates. Gemäß den Erläuterungen trägt das österreichische Recht sechs von neun Kernartikeln beziehungsweise 73 nummerierten Absätzen der bereits 1999 unterzeichneten Sozialcharta Rechnung.

Um nur einige grundlegende Neuerungen durch die revidierte Sozialcharta zu nennen: Art. 3 Abs. 1 ist zum Beispiel neu und verlangt eine kohärente nationale Politik, die die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit verbessert. Ebenso wurde Art. 7 Abs. 2 geändert. Die revidierte Fassung kennt im Gegensatz zur ursprünglichen ein konkretes Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung in bestimmten Berufen, die als gefährlich oder gesundheitsschädlich gelten. Das Mindestalter wurde auf 18 Jahre


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite