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796. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 12. Mai 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

796. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 12. Mai 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Mai 2011: 9.01 – 19.37 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 112/2009, geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Lan­desvertragslehrpersonengesetz 1966 geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Trilaterales Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweize­rischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film

7. Punkt: Kulturbericht 2008 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

8. Punkt: Kulturbericht 2009 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

9. Punkt: Strategische Jahresplanung 2011 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der spanischen, belgischen und ungarischen Präsidentschaften

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 – TKG 2003 geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Sicherheits­polizeigesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2011)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird

15. Punkt: Übereinkommen über das Central European Exchange Programme for University Studies („CEEPUS III“)


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16. Punkt: Jahresvorschau des BMWF 2011 auf der Grundlage des „Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission“, des „Achtzehnmonatsprogramms des Rates“ sowie des informellen Programms der polnischen EU-Präsidentschaft

17. Punkt: Jahresvorschau des BMWF 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogramms des Rates

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden (Fremden­rechtsänderungsgesetz 2011 – FrÄG 2011)

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird

20. Punkt: Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa

21. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden

*****

Inhalt

Bundesrat

Erklärung des Vizekanzlers Dr. Michael Spindelegger gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung der neuen Mitglieder der Bundesregierung – Bekannt­gabe ........................................... 11

Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger ....................................................................... 11

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 13

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 15

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................... 16

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ................................................................... 18

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner ....................................................................... 20

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ....................... 11

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 21

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 24

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 26

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 29

Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger ....................................................................... 31

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit dem Fürsten­tum Liechtenstein zum Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Ver­mögen          ............................................................................................................................... 49

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen, die Jahresvorschau des BMWF 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitspro­


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gramms des Rates (III-367-BR/2009 d.B.) gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vor­beratung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – An­nahme ........  51, 51

Personalien

Verhinderungen .......................................................................................................  11, 66

Fragestunde (155.)

Unterricht, Kunst und Kultur ...................................................................................... 32

Johann Schweigkofler (1778/M-BR/2011); Kurt Strohmayer-Dangl, Johann Ertl, Dr. Jennifer Kickert

Notburga Astleitner (1781/M-BR/2011); Christian Füller, Mag. Reinhard Pisec

Monika Mühlwerth (1777/M-BR/2011); Notburga Astleitner, Ana Blatnik, Elisabeth Kerschbaum

Elisabeth Grimling (1779/M-BR/2011); Josef Steinkogler, Franz Pirolt

Günther Köberl (1782/M-BR/2011); Inge Posch-Gruska, Cornelia Michalke

Ewald Lindinger (1780/M-BR/2011); Josef Saller, Peter Mitterer

Franz Wenger (1783/M-BR/2011); Stefan Schennach, Mag. Reinhard Pisec, Ef­gani Dönmez, PMM

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Amtsenthebung des Bundesministers für Finanzen und Vizekanzlers Dipl.-Ing. Josef Pröll, der Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, der Bundes­ministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner, der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Beatrix Karl, des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold Lopatka und der Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Mag. Verena Remler sowie gleichzeitige Ernennung des Bundesministers für europäische und inter­nationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger zum Vizekanzler, von Mag. Dr. Maria Theresia Fekter zur Bundesministerin für Finanzen, von
Mag. Dr. Beatrix Karl zur Bundesministerin für Justiz, von Mag. Johanna Mikl-Leitner zur Bundesministerin für Inneres, von Dr. Karlheinz Töchterle zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, von Dr. Wolfgang Waldner zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parla­mentarischen Vertretung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten und von Sebastian Kurz zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesminis­terin für Inneres durch den Bundespräsidenten               ............................................................................................................................... 48

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .......................................................  50, 50

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 48

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 50


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz geändert wird (1113 d.B. und 1141 d.B. sowie 8484/BR d.B.)                    51

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ........................................................................ 52

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 112/2009, geändert wer­den (1112 d.B. und 1142 d.B. sowie 8485/BR d.B.) .......... 51

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ........................................................................ 52

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Landesver­tragslehrpersonengesetz 1966 geändert werden (1114 d.B. und 1140 d.B. sowie 8486/BR d.B.) ............................................................. 51

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ........................................................................ 52

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 52

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 55

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 55

Johann Schweigkofler ................................................................................................. 57

Josef Saller ................................................................................................................... 58

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 60

Christian Füller ............................................................................................................. 62

Karl Petritz .................................................................................................................... 63

Notburga Astleitner ..................................................................................................... 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 65

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 65

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 65

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hoch­schulen geändert wird (1063 d.B. und 1138 d.B. sowie 8487/BR d.B.) ................................................................................................................. 65

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 66

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird (1070 d.B. und 1139 d.B. sowie 8488/BR d.B.)                            65

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 66

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 66

Notburga Astleitner ..................................................................................................... 67


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 5

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 67

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 67

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 68

Johanna Köberl ............................................................................................................ 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 69

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. März 2011 betreffend Trilaterales Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regie­rung der Republik Österreich und der Regierung der Schweizerischen Eidgenos­senschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film (1072 d.B. und 1107 d.B. sowie 8489/BR d.B.) ...................................................................................................... 69

Berichterstatterin: Johanna Köberl .............................................................................. 69

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 70

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Kulturbericht 2008 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kul­tur (III-378-BR/2009 d.B. sowie 8490/BR d.B.) ................................................................................................................. 70

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ........................................................................ 70

8. Punkt: Kulturbericht 2009 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kul­tur (III-405-BR/2010 d.B. sowie 8491/BR d.B.) ................................................................................................................. 70

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ........................................................................ 70

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 70

Ana Blatnik .................................................................................................................... 72

Günther Köberl ............................................................................................................. 74

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, den Bericht III-378-BR/2009 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, den Bericht III-405-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 78

9. Punkt: Strategische Jahresplanung 2011 des Bundesministeriums für Unter­richt, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der spanischen, belgischen und ungarischen Präsidentschaften (III-433-BR/2011 d.B. sowie 8492/BR d.B.)                       78

Berichterstatterin: Johanna Köberl .............................................................................. 78

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 78

Stefan Schennach ........................................................................................................ 80

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................... 82

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 85

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 86


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-433-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 87

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 – TKG 2003 geändert wird (1074 d.B. und 1157 d.B. sowie 8493/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 87

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 88

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Sicherheitspolizei­gesetz geändert werden (1075 d.B. und 1124 d.B. sowie 8483/BR d.B. und 8497/BR d.B.) ......................................................................... 88

Berichterstatter: Stefan Schennach ............................................................................. 88

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ......................................................................................................  88, 101

Manfred Gruber ............................................................................................................ 90

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 92

Christoph Kainz ............................................................................................................ 93

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................... 95

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 95

Hermann Brückl ........................................................................................................... 97

Franz Wenger .............................................................................................................. 100

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 101

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 102

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 102

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (23. StVO-Novelle) (1504/A und 1135 d.B. sowie 8494/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 102

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 102

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 103

Manfred Gruber .......................................................................................................... 104

Elisabeth Kerschbaum .....................................................................................  106, 115

Friedrich Hensler ........................................................................................................ 109

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................. 110

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 112

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 113

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 114

Gregor Hammerl ........................................................................................................ 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 116

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2011) (1116 d.B. und 1137 d.B. sowie 8495/BR d.B.) ............................................................................................................... 116

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 117


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 117

Werner Stadler ............................................................................................................ 118

Anneliese Junker ........................................................................................................ 119

Hermann Brückl ......................................................................................................... 120

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 121

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird (1115 d.B. und 1158 d.B. sowie 8496/BR d.B.)                         121

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 122

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 122

Karl Boden .................................................................................................................. 122

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 123

Martin Preineder ......................................................................................................... 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 124

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend Überein­kommen über das Central European Exchange Programme for University Studies („CEEPUS III“) (1087 d.B. und 1149 d.B. sowie 8498/BR d.B.) ............................................................................................................... 124

Berichterstatter: Günther Köberl ................................................................................ 125

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Junker ........................................................................................................ 125

Stefan Schennach ...................................................................................................... 126

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................. 127

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ................................................................. 127

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 128

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Jahresvorschau des BMWF 2011 auf der Grundlage des „Arbeits­programms der Europäischen Kommission“, des „Achtzehnmonatsprogramms des Rates“ sowie des informellen Programms der polnischen EU-Präsidentschaft (III-431-BR/2011 d.B. sowie 8499/BR d.B.) .............. 128

Berichterstatter: Günther Köberl ................................................................................ 128

17. Punkt: Jahresvorschau des BMWF 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitspro­gramms des Rates (III-367-BR/2009 d.B.)                     128

Berichterstatter: Günther Köberl ................................................................................ 128

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................. 129

Franz Wenger .............................................................................................................. 131

Reinhard Todt ............................................................................................................. 133

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 135

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ................................................................. 136


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, den Bericht III-431-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 137

Annahme des Antrages zu Punkt 17, den Bericht III-367-BR/2009 d.B. zur Kenntnis zu nehmen           ............................................................................................................................. 137

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremden­polizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden (Fremden­rechtsänderungsgesetz 2011 – FrÄG 2011) (1078 d.B., 35/A und 1160 d.B. sowie 8500/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 137

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................. 137

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (1161 d.B. sowie 8501/BR d.B.) .................... 137

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................. 137

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 138

Franz Perhab ............................................................................................................... 140

Efgani Dönmez, PMM .......................................................................................  141, 154

Christian Füller ........................................................................................................... 144

Dr. Angelika Winzig .................................................................................................... 145

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 146

Dr. Jennifer Kickert .................................................................................................... 148

Christoph Kainz .......................................................................................................... 149

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .......................................  151, 155

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 156

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 156

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend Konven­tion über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa (915 d.B. und 1168 d.B. sowie 8502/BR d.B.) ..... 156

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 157

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII (895 d.B. und 1169 d.B. sowie 8503/BR d.B.) ................................ 157

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 157

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 157

Edgar Mayer ................................................................................................................ 158


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 9

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 159

Franz Pirolt .................................................................................................................. 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 161

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 161

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Insol­venz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (1502/A und 1170 d.B. sowie 8504/BR d.B.) ............................................................... 161

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 161

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 161

Mag. Gerald Klug ....................................................................................................... 162

Edgar Mayer ................................................................................................................ 163

Juliane Lugsteiner ...................................................................................................... 165

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 165

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 168

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 169

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Greiderer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Brustkrebs-Screening – Pläne des Gesundheitsministers (2827/J-BR/2011)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Abschaffung von Gerichtstagen an Standorten ehemaliger Bezirksgerichte (2828/J-BR/2011)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Energiesparlampen (2589/AB-BR/2011 zu 2802/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verfahrensdauer in Zivilrechtssachen (2590/AB-BR/2011 zu 2798/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Muna Duz-
dar,
Kolleginnen und Kollegen betreffend
gemeinsame Obsorge (2591/AB-BR/2011 zu 2799/J-BR/2011)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Umsetzung einer Modellregion Vorarlberg im Gesundheitsbereich (2592/AB-BR/2011 zu 2800/J-BR/2011)


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ener­giesparlampen (2593/AB-BR/2011 zu 2801/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst auf die Anfrage der Bundes­räte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Zahl der Bundesbediensteten in den Ländern (2594/AB-BR/2011 zu 2804/J-BR/2011)


 


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09.00.54Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich eröffne die 796. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 795. Sitzung des Bundesrates vom 14. April 2011 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Verhindert ist das Mitglied des Bundesrates Mag. Susanne Neuwirth.

Ich begrüße sehr herzlich den Herrn Vizekanzler und Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger und die neu ernannten Mitglieder der Bundesregierung beziehungsweise Staatssekretäre heute bei uns in der Länderkammer. (Allgemeiner Beifall.)

Ankündigung einer Erklärung des Vizekanzlers Dr. Michael Spindelegger
gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich gebe bekannt, dass der Herr Vizekanzler seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung anlässlich der Ernennung der neuen Mitglieder der Bundesregierung gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates ab­zugeben.

Bevor ich dem Herrn Vizekanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Vizekanzler abge­gebene Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres statt­geben.

Ich erteile nun dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe seiner Erklärung das Wort.

09.02.26Erklärung des Vizekanzlers Dr. Michael Spindelegger anlässlich der Ernennung der neuen Mitglieder der Bundesregierung

 


9.02.28

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute auch als neuer Vizekanzler und ÖVP-Teamleader in der Bundesregierung meine neue Mannschaft vorstellen darf. Wir haben das vor genau drei Wochen beim Herrn Bundespräsidenten in Form einer Ange­lobung der neuen Regierungsmitglieder über die Bühne gebracht. Ich habe dann ge­meinsam mit dem Herrn Bundeskanzler im Nationalrat die neuen Regierungsmitglieder vorgestellt und möchte heute Ihnen als Bundesrat, als Länderkammer dieser Republik, diese neuen Persönlichkeiten präsentieren.

Lassen Sie mich eingangs darauf hinweisen, dass es unsere feste Absicht ist, jetzt in Richtung der Arbeit bis 2013, bis zur nächsten Nationalratswahl, verschiedene Themen anzugehen. Wir arbeiten derzeit an der Vorbereitung einer gemeinsamen Regierungs­klausur, die Ende dieses Monats stattfinden wird, und dort möchten wir auch diese Klammer bis 2013 herstellen, um damit den Österreicherinnen und Österreichern zu zeigen, was diese Bundesregierung will und woran sie arbeitet.

Ich darf zunächst einmal die neben mir sitzende Frau Bundesministerin Dr. Karl vor­stellen. Sie hat bisher das Wissenschaftsministerium geleitet und ist jetzt neue Justiz­ministerin geworden.


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Warum habe ich genau sie gebeten, dieses Ressort zu übernehmen? – Sie ist jemand, der als Wissenschaftsministerin Erfahrung in einem Regierungsamt gewonnen hat. Sie hat daher auch politische Erfahrung gewonnen in der Bundesregierung und hat jetzt das Justizressort in einer Situation übernommen, die es notwendig macht, auch mit den Richtern, mit den Staatsanwälten, mit der Justizverwaltung wieder Ruhe in dieses Ressort hineinzubringen. Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, die dort zu klären sind. Sie ist eine ausgezeichnete Juristin, sie hat an der Universität ihre Habilitation vorge­legt, sie ist Universitätsprofessorin und weiß daher in rechtlicher Hinsicht ganz genau, was da auf uns zukommt.

Schwerpunkte ihrer Arbeit werden sein, dass wir jetzt einmal in Aufarbeitung dessen, was auch in Österreich geschehen ist, einiges in Richtung eines Lobbyistenregisters, in Richtung von Antikorruptionsbestimmungen möglichst rasch auch in Gesetzesform bringen. Ich freue mich daher, dass Beatrix Karl als neue Justizministerin ihre Arbeit bereits voll aufgenommen hat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich darf fortsetzen mit Bundesministerin Dr. Maria Fekter. Sie hat als Innenministerin ein schwieriges Ressort geführt, auch mit einer sehr konsequenten Linie, und sie hat jetzt ein neues Ressort übernommen, das Bundesministerium für Finanzen. Sie wird auch dort einen sorgsamen Umgang mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher gewährleisten. Und sie hat eine besondere Aufgabe übernommen, näm­lich auch eine neue Steuersystematik für Österreich zu erarbeiten, die künftig folgen­den drei Eigenschaften unterliegen soll: Wir wollen zukünftig weniger Grundsätze, wir wollen es einfacher und wollen unser Steuersystem leistungsgerechter gestalten. Ich freue mich daher sehr, dass Maria Fekter bereits drauf und dran ist, diese Arbeit umzusetzen, und begrüße sie herzlich als neue Finanzministerin. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte Ihnen gerne auch den neuen Wissenschaftsminister vorstellen: Es ist Dr. Karl-Heinz Töchterle, der als Rektor der Universität Innsbruck eine breite Erfah­rung gesammelt hat bei der Führung einer Universität, aber vor allem auch im Umgang mit Professoren, mit dem Mittelbau und den Studenten. Er weiß daher auch um die Fragen, die im Wissenschaftsressort in nächster Zeit zu klären sind. Er ist ein Fach­mann und hat diesen Dialog bereits zügig aufgenommen, wie Sie alle als Zeitungsleser bereits in Erfahrung bringen konnten.

Seine große Aufgabe wird es sein, einen neuen Hochschulplan für die österreichischen Universitäten aufzustellen. Das ist notwendig, damit wir auch in Zukunft genau markt­gerecht ausbilden, damit wir in Zukunft genau die Berufsbilder, die wir brauchen, auch durch eine entsprechende Ausbildung unterlegen können. Ich freue mich daher sehr, dass Karl-Heinz Töchterle dieses Ressort übernommen hat und in seiner Arbeit bereits entsprechende Zeichen setzt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich darf hier auf der Regierungsbank auch den neuen Staatssekretär in meinem Res­sort, dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, be­grüßen. Dr. Wolfgang Waldner hat dieses Staatssekretariat übernommen. Er ist ein erfahrener Diplomat, er hat das auch beruflich gelernt, hat aber auch Erfahrung ge­sammelt im Kulturbereich. Er war Geschäftsführer des Museumsquartiers und weiß da­her ganz genau auch um die Fragen, die jetzt in der Auslandskultur zu regeln sind, Be­scheid. Und er hat eines bereits gewährleisten müssen, nämlich die Koffer ständig ge­packt zu haben, um auch mich auf dem internationalen Parket vertreten zu können. Er kommt gerade aus Istanbul zurück, wo eine Europaratskonferenz stattgefunden hat. Ich freue mich sehr, einen so kompetenten Staatssekretär in meinem Ressort zu ha­ben, und begrüße ihn herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Zwei Mitglieder dieses neuen Teams sind heute nicht anwesend, weil sie beide im Aus­land sind. Das eine ist die neue Innenministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner. Sie ver­


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tritt gerade Österreich beim Rat der Innen- und Justizminister in Brüssel. Sie hat acht Jahre lang Regierungserfahrung in einem Bundesland gesammelt und hat dieses Res­sort jetzt übernommen, um es auch mit einer ganz konsequenten Linie weiterzuführen. Es ist notwendig, dass wir in Fragen der inneren Sicherheit auch dem Bedürfnis der österreichischen Bevölkerung Rechnung tragen. Sie hat sich einen Schwerpunkt ge­setzt: Das ist die Sicherheit auch im Internet, die deshalb immer notwendiger wird, weil viele Berufstätige in Österreich tagtäglich mit diesem Internet arbeiten und Sicherheits­bedürfnisse daher heute einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Ich freue mich, dass sie das mit voller Tatkraft bereits angegangen ist. Gerade Fragen der Aussetzung des Schengen-Abkommens bezüglich Reisefreiheit beschäftigen sie sehr, und sie wird diese Aufgaben hervorragend erledigen, davon bin ich überzeugt.

Ich darf auch den neuen Staatssekretär für Integration Sebastian Kurz, der heute in Serbien auf Dienstreise ist, vorstellen. Er war nicht von allen von Anfang an geliebt als neuer Staatssekretär, aber ich habe ihn ausgewählt, weil er in Fragen der Integration etwas anderes in Österreich zu bewerkstelligen hat: neue Ideen, einen intensiven Kon­takt zu den Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich. Seine Aufgabe wird es sein, den Nationalen Aktionsplan für Integration mit Leben zu erfüllen und auch zu zei­gen, dass uns das auch als Bundesregierung ein sehr wichtiges Anliegen ist.

Beiden Mitgliedern dieses neuen Teams wünsche ich dabei auch sehr viel Erfolg.

Wir haben weitere drei Mitglieder in der Bundesregierung, deren Aufgaben gleich blei­ben: Das ist Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Landwirtschafts- und Umweltmi­nister Nikolaus Berlakovich und meine Wenigkeit als Außenminister dieser Republik. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingen wird, die Erwartungen zu erfüllen und mit voller Tatkraft das anzugehen, was Österreich braucht.

Ich habe jetzt einige Schwerpunkte bei der Vorstellung der neuen Regierungsmitglieder hier aufgezählt, aber Sie können sicher sein, meine Damen und Herren: Das, was alle Mitglieder der Bundesregierung verbindet, ist, dass wir für Österreich voll und ganz ar­beiten und bis 2013 eine gute Regierungsarbeit an den Tag legen wollen, um unser Land zu modernisieren, um es fit zu machen für die Anforderungen der heutigen Zeit – und das werden wir voller Tatkraft gerne auch in diesem Hause hier vertreten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.10


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Oster­mayer. Ich erteile es ihm.

 


9.11.05

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Schülerinnen und Schüler! Sehr geehrte Frau Lehrerin! (Heiterkeit.) Ich möchte kurz mit einem Rückblick beginnen und das gleichzeitig mit einem Dank an die ausgeschiedenen Regierungsmitglieder verbinden, und diesen Dank überbringe ich natürlich auch stellvertretend für den Herrn Bundes­kanzler.

Wir haben Ende 2008 in einer Situation mit der Arbeit in dieser Bundesregierung be­gonnen, wo es in vielen Bereichen, nicht nur in Österreich, sondern international, sehr krisenhafte und kritische Erscheinungen gegeben hat. Ich erwähne in diesem Zusam­menhang etwa die Finanzkrise, die dann in eine Wirtschaftskrise überging und jetzt in manchen Staaten in eine Budgetkrise gemündet ist. Da gab es ein paar Bereiche, ei­nen, der mich unmittelbar in meiner Tätigkeit als Medienstaatssekretär betroffen hat, als nämlich davon die Rede war, dass der ORF ein Schicksal wie die AUA erleiden könnte.


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Weiteres Beispiel: Die Krankenkassen wurden damals immer auch als kranke Kassen bezeichnet. Ich könnte noch viele weitere Bereiche aufzählen, für die es extrem düste­re Prognosen gab, etwa auch was die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes an­langt und damit im Zusammenhang auch die Frage der Entwicklung der Arbeitsplätze beziehungsweise das Thema Arbeitslosigkeit.

Wenn man sich sozusagen zur Halbzeit dieser Bundesregierung die Ergebnisse an­schaut, dann kann man feststellen: Der ORF hat nicht das Schicksal der AUA erlitten; die Krankenkassen budgetieren positiv; was die Arbeitsplätze betrifft, ist Österreich in­ternational gesehen abwechselnd Erster oder Zweiter, jedenfalls immer ganz im vor­deren Feld. Österreich hat also die niedrigste Arbeitslosenrate. Und die Wirtschaftspro­gnosen – auch jene, die diese Woche veröffentlicht wurden – zeigen nach oben.

In Summe kann man also sagen – ohne dass man jetzt vor Selbstlob strotzt –, wir ha­ben in Österreich die Krise bisher sehr gut bewältigt, auch in Relation zu anderen Staa­ten und im internationalen Vergleich.

Das ist auch ein Moment, in dem ich meine, dass es notwendig ist, Dank zu sagen, denn bewältigt wurde das natürlich von der Wirtschaft, von den Menschen dieses Landes, aber natürlich auch von der Regierung. Und das ist aber auch der Moment, in dem man den Regierungsmitgliedern, die ausgeschieden sind, Dank sagen soll für ihre bisherige Arbeit, Josef Pröll als Vizekanzler und Finanzminister an der Spitze, Claudia Bandion-Ortner, mit der ich einige Verknüpfungspunkte hatte, etwa im Zusammenhang mit den Themen Medienfreiheit, Pressefreiheit, Redaktionsgeheimnis.

Ebenso danken möchte ich Reinhold Lopatka, mit dem ich gemeinsam mit der nun­mehrigen Frau Finanzministerin Fekter – vorher Innenministerin – in unserer Rolle als Koordinatoren dieser Bundesregierung und gemeinsam mit Andreas Schieder die Bud­gets vorweg verhandeln durfte, jetzt auch das Bundesfinanzrahmengesetz. Und da gab es immer eine sehr gute Zusammenarbeit. Mit Frau Staatssekretärin Remler hatte ich in meiner Funktion weniger zu tun, sondern primär Kollegin Heinisch-Hosek.

Jedenfalls meine ich, das ist ein guter Anlass, Dank zu sagen für die bisherige Tätig­keit, und gleichzeitig wünsche ich mir – nach den ersten Gesprächen, die ich mit den neuen Regierungsmitgliedern hatte, glaube ich, dass mein Wunsch in Erfüllung gehen wird –, dass wir auch in Zukunft sehr gut zusammenarbeiten. Auch mit jenen Mitglie­dern der Bundesregierung, die jetzt andere beziehungsweise zusätzliche Funktionen übernommen haben, kann ich nur eine sehr gute Zusammenarbeit bestätigen: mit Frau Dr. Fekter in unserer Koordinationsfunktion, wo wir seitens der Medien beide immer wieder gefragt werden, warum das so gut funktioniert, wo wir doch so unterschiedliche Persönlichkeiten sind. Dazu kann ich nur sagen: weil wir alles auf sachlicher Ebene abzuhandeln versuchen. Auch wenn wir unterschiedliche Ausgangspositionen haben, versuchen wir immer, Argumente auszutauschen und am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, das sinnvolle Lösungen für Österreich darstellt.

Mit Herrn Vizekanzler und Außenminister Dr. Spindelegger habe ich etwa im Bereich der Sicherheitsstrategie, aber auch im Zusammenhang mit den Ortstafeln extrem gute Erfahrungen gemacht, und ich habe keinerlei Zweifel daran, dass das so gut weiter­gehen wird. Mit den anderen, neuen Regierungsmitgliedern kann ich das in dieser De­tailliertheit natürlich noch nicht sagen.

Mit Johanna Mikl-Leitner hatte ich bereits diese Woche einen Termin, und ich kann sa­gen, dass unser Gespräch sehr konstruktiv und positiv gelaufen ist. Ich sehe also dies­bezüglich mit großer Zuversicht in die Zukunft.

Herr Vizekanzler und Außenminister Dr. Spindelegger hat ja schon erwähnt, dass wir in etwas mehr als zwei Wochen eine Regierungsklausur haben werden, bei der wir einer­seits einen Rückblick machen wollen, was wir bisher geschafft haben, aber natürlich


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und umso wichtiger einen Ausblick, was wir in der zweiten Halbzeit dieser Bundesre­gierung vorhaben, so etwa im Bereich Bildung, im Bereich Internationalisierung, im Be­reich Infrastruktur, also eigentlich in allen Bereichen quer durch Österreich, weil wir natürlich ein Ziel haben, dass wir nämlich dort, wo wir in Benchmarks sozusagen an sehr guter Stelle liegen, auch an dieser bleiben, und dass wir dort, wo wir nicht an so guter Stelle liegen, unsere Position für die Zukunft Österreichs, für die Menschen in Österreich verbessern.

Ich freue mich also auf eine gute Zusammenarbeit, und ich bin zuversichtlich, ja über­zeugt davon, dass die Umsetzung unserer Vorhaben im Sinne unseres Landes gelin­gen wird.

Abschließend: Jemandem, mit dem ich bisher nur kurz gesprochen habe, nämlich mit dem Herrn Wissenschaftsminister Dr. Töchterle, darf ich von dieser Stelle aus bereits jetzt alles Gute zum Geburtstag wünschen; wobei Herr Dr. Töchterle zwar erst morgen Geburtstag hat, aber ich darf, wie gesagt, von dieser Stelle aus schon jetzt vorweg gra­tulieren. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

9.17


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Fekter. Ich erteile es ihr.

 


9.17.48

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Regierungskolleginnen und -kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren des Bundesrates! Werte Gäste! Als Finanzministerin ist es meine oberste Aufgabe, in Österreich für stabile Finanzen zu sorgen, und das heißt, dass wir danach trachten müssen, das Defizit weiter zurückzuführen, den Schuldenberg im Auge zu haben, der uns unter Umständen, wenn er noch weiter explodieren sollte, bei den Zinsen den Ge­staltungsspielraum von morgen nimmt. Daher ist es mein Ziel, diesen Schuldenberg abzubauen.

Zur stabilen Finanzlage gehört auch unsere Währung, eben danach zu trachten, dass der Euro stabil bleibt, und das in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern.

Ziel ist es, hier in Österreich den Wohlstand zu vermehren. Das wollen wir dadurch, dass wir das Wirtschaftswachstum im Auge haben, nämlich die Stärkung des Wirt­schaftsstandortes, und zwar deshalb, weil ein starker Wirtschaftsstandort Arbeitsplätze sichert.

Wir in Österreich sind derzeit in der guten Lage, Höchstbeschäftigung zu haben. Es waren noch nie so viele Menschen in Beschäftigung wie derzeit. Und erfreulich ist auch, dass wir im Hinblick auf die Jugendarbeitslosigkeit sozusagen Europameister sind. Das heißt, in ganz Europa agiert in Bezug auf Jugendbeschäftigung niemand so effizient wie wir. Das gilt es zu erhalten beziehungsweise weiter auszubauen.

Österreich ist aber auch ein Hochsteuerland. Die Abgabenquote ist ausgesprochen hoch, und vor allem ist derzeit die Situation so, dass die überwiegende Steuerlast auf wenigen Schultern lastet. So erbringen beispielsweise 10 Prozent der Lohnsteuer­pflichtigen 60 Prozent der Lohnsteuerleistung. Das heißt, die Leistungsträger sind in Österreich ausgesprochen stark belastet.

Wir schröpfen die Leistungsträger, die diesen Staat finanzieren, allerdings dreifach. Wir schröpfen sie erstens mit der Progression und einem hohen Einstiegssteuersatz. Da immerhin 2,7 Millionen Menschen in Österreich keine Leistungssteuern zahlen, müs­sen diejenigen, die Steuern zahlen, gleich einmal mit einem relativ hohen Einstiegs­steuersatz ihren Beitrag leisten.


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Das zweite Mal schröpfen wir dann dieselben Leistungsträger noch einmal bei den Transfers, weil sie aus den Transfers herausfallen. Wir geben ihnen aufgrund ihres Einkommens nicht die Transferleistungen, die jene mit niedrigeren Einkommen bekom­men, die keine Leistungssteuer zahlen.

Und dann schröpfen wir die Leistungsträger ein drittes Mal, und zwar insofern, als es eine Menge Steuern gibt, die überhaupt nur Leistungsträger treffen. Denken Sie an die neue Wertpapierertragssteuer, die Wertpapier-KESt, die wir gerade eingeführt haben!

Ich sehe daher keinerlei Spielraum nach oben, diese Leistungsträger noch mehr zur Kasse zu bitten, und erteile daher all jenen, die noch mehr neue Steuern gerade für diese Gruppe des Mittelstandes erfinden wollen, eine Absage. Mit mir als Finanzminis­terin wird es das nicht geben, denn das ist standortschädlich und absolut ungerecht, weil wir die Leistungsträger ohnedies schon überproportional belasten! (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz im Gegenteil: Wir brauchen ein neues System, das entlastend wirkt und we­sentlich einfacher gestaltet ist, denn die derzeitige Komplexität des Steuersystems ist ungerecht und auch unfair, weil jemand, der sich keinen Steuerberater leisten kann, die Vorteile des Systems auch nicht lukrieren kann. Das erkennen wir beispielsweise beim Lohnsteuerausgleich oder bei der Arbeitnehmerveranlagung. Viele Möglichkeiten kön­nen gar nicht lukriert werden, weil das Ganze viel zu kompliziert ist. Hier müssen wir zu einem wesentlich einfacheren System kommen, dieses dann auch leistungsgerechter ausgestalten und vor allem einen Schwerpunkt – wie der Herr Vizekanzler gesagt hat – für die Familien in dieses neue System einbauen, denn unsere Kinder sind jene, die uns dann einmal die Pensionen sichern, und daher müssen wir auf diese Kinder schau­en. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir erkennen derzeit im System eine starke Lastigkeit, nämlich dass wir die Zuwächse bei den Einnahmen zu über 90 Prozent nur für die Vergangenheit ausgeben, das heißt für Pensionen und Zinsen. Dieses System, in welchem, wenn wir mehr erwirtschaften und mehr Geld hereinkommt, alles schon für die Vergangenheit verplant ist, nimmt uns den Gestaltungsraum von morgen. Auch daran müssen wir arbeiten, dass sich diese Lastigkeit in Richtung Vergangenheit in eine Gewichtung in Richtung Zukunft wandelt, und zwar in Richtung Zukunft für die Kinder, für die Bildung, für die Wissenschaft und Forschung. Wir haben daher im Budgetpfad, den wir gemeinsam mit dem Koalitions­partner verhandelt haben, für diese Bereiche einen Schwerpunkt gelegt, denn wir müs­sen darauf achten, dass unsere Finanzen nicht nur stabil bleiben, sondern auch schwerpunktartig in die Zukunft gerichtet sind und nicht zu 90 Prozent in die Vergan­genheit.

Als Ministerin bemühe ich mich, in diesem Sinne vorzugehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

9.24


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Dr. Karl. Ich erteile es ihr.

 


9.25.05

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen auf der Regie­rungsbank! Sehr geehrte Bundesräte! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit einem weinenden und einem lachenden Auge habe ich meine neue Funktion als Jus­tizministerin angenommen. Mit einem weinenden Auge deshalb, weil ich sehr gerne Wissenschaftsministerin war und heute eigentlich mehr denn je davon überzeugt bin, dass Wissenschaft und Forschung für die Zukunft dieses Landes von ganz zentraler Bedeutung sind.


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Wenn Sie sich erinnern: Es ist noch nicht sehr lange her, dass ich hier vor Ihnen ge­standen bin und Ihnen meine zukünftigen Programmpunkte präsentiert habe und wir hier auch Gelegenheit hatten, darüber ausführlich zu diskutieren. Ich habe dann auch viele Projekte auf den Weg gebracht. Ich darf Sie daran erinnern: Wir haben vor Kur­zem über den österreichischen Hochschulplan diskutiert, ebenso über die Qualitätssi­cherung und auch über die FTI-Strategie, die ich gemeinsam mit Regierungskollegin­nen und ‑kollegen in die Wege geleitet habe und für ein sehr erfolgreiches Projekt halte.

Ich hätte natürlich all diese Projekte sehr gerne fortgeführt und auch vollendet, bin aber davon überzeugt, dass diese Projekte und auch viele andere Projekte, die noch anste­hen, bei Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle in sehr guten Händen sind, und ich wünsche ihm dabei viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)

Aber ich kann Ihnen versichern: Mittlerweile überwiegt die Freude über meine neue Herausforderung. Es ist eine sehr spannende neue Herausforderung. Es ist natürlich für mich auch als Juristin sehr reizvoll, nun wieder mehr juristisch tätig sein zu dürfen. Aber auch für eine Politikerin gibt es kaum etwas Ehrenvolleres, als für die Justiz in Österreich verantwortlich sein zu dürfen.

Und da bin ich gleich bei der Verantwortung: Es ist ein wichtiges und zentrales Amt und es ist eine ganz zentrale Funktion für Österreich, die ich nun ausüben darf. Dabei stehen für mich vor allem drei Werte im Vordergrund, nämlich Ehrfurcht, Respekt und Vertrauen. Ehrfurcht, Respekt und Vertrauen sind die Werte, die mein Amtsverständnis prägen.

Ich empfinde Ehrfurcht vor der Justiz, die quasi als institutionalisierte Gerechtigkeit ein ganz wesentlicher Eckpfeiler, ja in Wahrheit die Basis für unsere Gesellschaft ist, aber auch Ehrfurcht vor den großen Aufgaben, die nun in dieser Funktion vor mir liegen.

Respekt bringe ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb der Justiz, den Richtern und Richterinnen, Staatsanwälten und Staatsanwältinnen, den Rechtsanwäl­ten, Notaren, Justizwachebeamten, aber natürlich auch den Beamtinnen und Beamten in meinem Haus entgegen. Ich habe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb der Justiz kennengelernt, die sich wirklich durch große Fachkenntnis und großes Engage­ment auszeichnen, aber nicht nur dadurch. Es handelt sich hier um Persönlichkeiten, die tagtäglich vor Aufgaben stehen, die auch ein großes menschliches Gespür erfor­dern, und auch das bewältigen sie mit großer Bravour.

Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass dieser Respekt diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz gegenüber leider nicht mehr in dem Maße vorhanden ist, wie sie ihn sich eigentlich verdienen. Ich bin der Meinung, dass es diesen Respekt vor ihnen wiederherzustellen gilt.

Aber ich habe auch das Vertrauen angesprochen, nämlich Vertrauen darin, dass unsere Justiz besser ist, als sie zuletzt dargestellt wurde. Das Vertrauen in die Justiz hat gelitten, und das ist mehr als nur besorgniserregend, denn die Justiz spielt einfach eine ganz zentrale Rolle in einer Demokratie. Ich habe das bereits angesprochen. Vor allem müssen wir in einer Demokratie auf eine unabhängige Rechtsprechung vertrauen können. Dieses Vertrauen muss einfach vorhanden sein, und dieses Vertrauen wieder­herzustellen – das sich unsere Justiz auch ganz einfach verdient hat – sehe ich als ei­ne meiner zentrale Aufgaben als zuständige Ministerin.

Es geht aber natürlich auch darum, das Vertrauen innerhalb der Justiz wieder zu ver­bessern. Dafür bedarf es zuerst einmal ganz vieler Gespräche mit den Beteiligten in­nerhalb der Justiz. In diesem Zusammenhang möchte ich gleich anmerken, dass mein Stil der Stil des Dialogs ist, weil wir es nur gemeinsam schaffen werden, die –zumin­dest in der öffentlichen Wahrnehmung – erschütterte Instanz der Gerechtigkeit wieder in das richtige Licht zu rücken.


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Als Wissenschafterin bin ich es gewohnt, zuzuhören, Argumente auszutauschen, zu diskutieren und dann natürlich eine Entscheidung zu treffen. Das ist auch der Weg, den ich in der Justizpolitik gehen möchte. Als Ministerin sehe ich mich aber vor allem auch dafür verantwortlich, das Funktionieren der Justiz in Österreich sicherzustellen. Das heißt aber natürlich auch, dass wir die Justiz unabhängig und in Ruhe arbeiten lassen müssen. Die Justiz braucht keine Zurufe von außen, und ich fordere auch die Un­schuldsvermutung für die Justiz ein. Lassen wir die Justiz in Ruhe arbeiten! Ich bin da­von überzeugt, dass die Justiz, wenn wir sie wirklich in Ruhe und unabhängig arbeiten lassen, ihre Arbeit sehr verantwortungsvoll wahrnehmen wird.

Die Justiz besteht aber nicht nur aus prominenten Großverfahren, wie es leider in letz­ter Zeit den Anschein erweckt. Viele dieser prominenten Großverfahren stehen natür­lich auch im Schussfeld der Kritik, aber ich versichere Ihnen – davon konnte ich mich schon in den ersten Tagen meines neuen Amtes wirklich überzeugen –: Die Justiz kann mehr, und das muss man auch öffentlich besser darstellen. Es geht jetzt wirklich auch darum, das Bild von der Justiz, das leider im Moment etwas in Schieflage ist, wie­der geradezurücken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Sie alle als Verantwortungsträ­ger für unseren Rechtsstaat Österreich sind natürlich eingeladen, mich bei dieser eh­renvollen Aufgabe zu unterstützen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

9.30


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Töchterle. Ich erteile es ihm.

 


9.31.05

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich habe mit Überraschung festgestellt, dass ich links der Mitte sitze, aber der letzte freie Stuhl befand sich hier aus Ihrer Sicht rechts der Mitte. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist ein guter Platz! – Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Ich glaube, das ist eine treffende Einleitung, denn das Ressort Wissenschaft, For­schung und auch Bildung im weiteren Sinne, das ich zu vertreten habe, ist – wie ich und vermutlich alle gemeinsam denken, was auch heute wieder mehrfach angeklungen ist – mit der Zukunftsthematik dieses Landes befasst.

Ich meine, dass wir betreffend die diesbezüglichen Grundanliegen hier alle weitgehend übereinstimmen. Es sind dies wichtige Bereiche, die zu fördern und weiterzuentwickeln sind, und ich glaube, dass wir vielfach auch in der Problemanalyse übereinstimmen, dass die Differenzen erst beginnen, wenn es um die Problemlösungen geht, aber sogar da nicht sehr tief sind. Bisweilen sind Differenzen lediglich Etiketten, die wir auf die Lö­sungsansätze kleben.

Deswegen habe ich zum Motto meiner Arbeit gewählt: „viribus unitis!“ – Versuchen wir mit gemeinsamen und gebündelten Kräften, diese Probleme anzugehen und zu lö­sen und damit einen ganz wesentlichen Beitrag – und diesbezüglich herrscht eben Übereinstimmung – für die Zukunft unseres Landes zu leisten.

Ich habe auch den Bereich Bildung angesprochen, weil natürlich auch der Bereich Bil­dung sehr stark in mein Ressort hereinspielt. Die Abgänger der Schulen kommen an die Universitäten. Wir wünschen uns sehr studierfähige Abgängerinnen und Abgänger. Die Auszubildenden und die Unterrichtenden werden auch an den Universitäten ausge­bildet, das heißt, auch die anstehende Reform der Lehrerinnenbildung und Lehrerbil­dung ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam zu bewältigen haben.


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Meine Kernaufgaben liegen in Wissenschaft und Forschung. Dort ist die schon ange­sprochene FTI-Strategie eine sehr gute Basis, die gelegt wurde, um die Forschung ins­gesamt weiterzubringen, um unser Land innovativer zu machen und um auf diese Wei­se auch die Wirtschaft unseres Landes zu stützen. Es geht darum, die Forschung in die Betriebe zu bringen und die Wirtschaft mit Forschung und Wissenschaft noch enger zu vernetzen.

Ein großes Feld, in dem ich mich – wie schon gesagt wurde – sehr gut auskenne, sind die tertiären Bildungseinrichtungen. Es war in den Medien in den letzten Tagen immer wieder zu lesen und zu hören, dass vor allem genügend Mittel für die Universitäten und Fachhochschulen bereitgestellt werden müssen. Ich bin optimistisch, dass das gelin­gen wird! Die Finanzministerin hat gerade heute ein Bekenntnis zu Wissenschaft, Bil­dung und Forschung abgelegt. Wir müssen entsprechende Mittel bereitstellen, und wir werden versuchen, das in kluger und reformorientierter Weise zu tun.

Dabei wird uns der schon in Angriff genommene Hochschulplan helfen. Es ist unser Bemühen, die Institutionen der tertiären Bildungseinrichtungen stärker zueinander zu führen und miteinander zu verknüpfen. Ich habe in Tirol durch die Tiroler Hochschul­konferenz schon einen Weg gewiesen, dass sich allen tertiären Bildungseinrichtungen gemeinsam an einen Tisch setzen und versuchen, aus einem früheren Neben- oder gar Gegeneinander ein Miteinander zu machen, und das wollen wir nun auf ganz Ös­terreich ausdehnen.

Ein zweiter wichtiger, großer Bereich, den es anzugehen gilt und durch welchen erneut mehr Mittel für die Hochschulen bereitgestellt werden können, ist die Studienplatzfi­nanzierung. Wir werden uns bemühen, hier ein Modell aufzustellen, gemäß welchem wir den Hochschulen sagen können – die Fachhochschulen haben das ja schon –, also den Universitäten sagen können, wie viele Studienplätze wir von öffentlicher Seite fi­nanzieren können und finanzieren wollen, um damit eine klarere und planbarere Mittel­vergabe in die Universitäten zu bringen. Auch das ist ein Projekt, das schon weit gedie­hen ist und das seiner Vollendung harrt. Ich glaube, auch hier sind wir auf einem guten, erfolgreichen und zukunftsträchtigen Weg.

Ein wichtiges Anliegen ist mir – auch im Sinne des Mottos „viribus unitis!“ –, dass alle Kräfte und alle Beteiligten am tertiären Bildungsprozess möglichst konstruktiv und pro­duktiv eingebunden werden. „Universitas“ ist ja ein unvollständiger Begriff. Er wird erst vollständig, wenn er mit Genitiven angereichert wird. Der ursprüngliche Genitiv dazu ist „Magistrorum et Scholarium“, also die Gemeinsamkeit der Lehrenden und der Studie­renden. – Diese Gemeinsamkeit konnte ich als Rektor der Universität Innsbruck in ei­nem permanenten Dialog mit den Studierenden leben, und ich habe versucht, diesen Dialog jetzt auch als Minister fortzusetzen. Bis jetzt ist mir das gut gelungen. Es ist ganz wichtig, dass die Studierenden ebenso wie alle an den Universitäten und Hoch­schulen Beschäftigten in diesen Prozess und in die Weiterentwicklung der tertiären Bil­dung mit eingebunden sind, ganz gleich, ob sie nun wissenschaftlich oder administrativ dort tätig sind.

Resümierend darf ich der Hoffnung Ausdruck geben, dass die Beschreitung dieses gemeinsame Wegs, der Appell zur Gemeinsamkeit, der Blick auf das Einende und der Versuch, das wenige Trennende zu überwinden, dazu beitragen werden, dass in den nächsten Jahren möglichst viele so konstruktiv und erfolgreich wie möglich an diesem für unser Land so wichtigen Zukunftsthema mitarbeiten. – Ich danke Ihnen für Ihre Auf­merksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

9.37


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Staatssekretär Dr. Waldner. Ich erteile es ihm.

 



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9.37.41

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Ange­legenheiten Dr. Wolfgang Waldner: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es ist mir eine Ehre und Freude, Ihnen sagen zu dür­fen, dass ich auch in meiner neuen Funktion das zu machen gedenke, was ich in den letzten 30 Jahren gemacht habe, nämlich für Österreich und für die Interessen Öster­reichs zu arbeiten.

Ich darf mich kurz vorstellen: Ich bin in Kärnten geboren, in Tirol aufgewachsen, habe in Wien studiert, in Niederösterreich gelebt und lebe jetzt in Wien. Es finden sich also gewisse föderale Elemente in meiner Biographie. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mayer: Auch internationale!)

Ja, auch internationale Elemente! Ich habe im Ausland studiert und bin vor 30 Jahren ins Außenministerium eingetreten, wo ich in verschiedensten Funktion im Inland und im Ausland gearbeitet habe. Die letzten elf Jahre war ich im MuseumsQuartier – der Herr Vizekanzler hat das schon gesagt –, aber auch im Auftrag der Republik tätig, wobei ich gewisse sehr vertiefende Einblicke ins Kulturmanagement bekommen habe und sehr viel Steuergeld jenseits der 100 Millionen € verwalten durfte. Die Frau Bundesminis­terin als meine ehemalige Chefin wird mich hoffentlich in dieser Funktion noch entlas­ten!

Die Hauptaufgaben in meinem neuen Job sind in erster Linie Unterstützung und Ver­tretung des Außenministers. Ich habe jetzt anlässlich der Reise in den letzten Tagen schon einen ersten Vorgeschmack bekommen. Ich vertrete ihn in allen Geschäftsbe­reichen, auch im Parlament und natürlich auch im Bundesrat, wenn es notwendig ist.

Die österreichische Außenpolitik wird weiterhin so verlaufen, wie sie bis jetzt verlaufen ist: verlässlich und bewährt. Die Hauptaufgaben sind ganz kurz damit zu umschreiben, dass wir vor allem die österreichischen Interessen in der EU zu vertreten und in allen Bereichen einzubringen haben. Dabei ist natürlich die Zusammenarbeit mit den Bun­desländern, mit den Landesregierungen, mit den Landtagen, mit den Gemeinden und mit dem Bundesrat besonders wichtig.

Ich hatte auch in Istanbul schon eine erste Gelegenheit, mit Vertretern des Kongresses der Gemeinden und Regionen Kontakte aufzunehmen, und habe gesehen, wie wichtig es ist, dass diese Stimmen gehört werden. Ich meine, es ist besonders wichtig, dass wir alle die politische Verantwortung dafür tragen, die Vorteile der Mitgliedschaft in der EU viel näher an die Bürger heranzubringen; auch auf diesem Gebiet müssen wir eng zusammenarbeiten.

Es geht aber auch um die österreichischen Interessen außerhalb der EU, auf der gan­zen Welt, in den Bereichen Wirtschaft, Energie, Klima, Umwelt und so weiter. Es geht um die weitere Schärfung unseres Profils bei den Vereinten Nationen. Österreich hat eine erfolgreiche Mitgliedschaft im Sicherheitsrat hinter sich, wo wir viele Initiativen darunter auch einige wesentliche gestartet haben, auf die wir jetzt aufbauen können, an denen wir weiterarbeiten können und im Zuge derer wir großes Know-how erworben haben.

Es geht um die Stärkung Wiens als Amtssitz von internationalen Organisationen  na­türlich in erster Linie der Vereinten Nationen, aber es gibt mehr als 20 weitere inter­nationale Organisationen, die in Wien angesiedelt sind –, und wir können noch sehr viel mehr tun, um Wien auch als Drehscheibe für den internationalen Dialog in allen möglichen Themenbereichen zu fördern.

Es geht um das Völkerrecht, um verschiedene Kandidaturen bei internationalen Orga­nisationen, zum Beispiel im Menschenrechtsrat dem höchsten Gremium der Verein­ten Nationen in diesem Bereich , wo wir hoffentlich in Kürze erstmals einen Sitz be­


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kommen werden. Es geht um eine Kandidatur für die OSZE-Generalsekretärin. Es geht um eine Kandidatur für den Generaldirektor der FAO, der Food and Agriculture Orga­nization. Im UNESCO-Bereich wollen wir ebenfalls für eine wichtige Spitzenposition kandidieren.

Es geht um den großen Bereich konsularische Sicherheit, Schutz der Interessen der Österreicher im Ausland. Gerade in den letzten Tagen und Wochen haben wir wieder erlebt – denken Sie nur an Tunesien, Ägypten, Libyen oder jetzt Syrien! –, wie wichtig unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind, die übrigens phantastisch arbeiten. Ich freue mich sehr, wieder zu den KollegInnen zurückzukommen, die gerade in solchen Situationen wirklich tolle Arbeit leisten und die österreichische Interessen und die Inter­essen österreichischer StaatsbürgerInnen im Ausland schützen und in Krisensituatio­nen sehr oft als Letzte das Land verlassen.

Das Thema Auslandskulturpolitik wurde schon erwähnt. Das liegt mir natürlich be­sonders am Herzen. Da ist es uns ein Anliegen, in der ganzen Welt ein modernes, kreatives, zeitgenössisches Bild von Österreich zu vermitteln. Auch dafür ist Istanbul ein gutes Beispiel. Ich habe bei dem Besuch dort alles erlebt – die ganze Palette der Außenpolitik. Ich konnte eine große Ausstellung eröffnen, konnte für unsere Kandida­turen werben, konnte im Rahmen des Europarats bereits an die 40 Außenminister ken­nenlernen – ich habe noch nicht berichten können, Herr Minister (Heiterkeit) –, und ich konnte auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit Lobbying machen, denn es fand in Istanbul gleichzeitig eine andere große Konferenz statt – sie ist noch immer im Gange –, die Least Developed Countries Conference, die nur alle zehn Jahre stattfin­det. Also Sie sehen, da ist genug zu tun.

All das mache ich natürlich im Auftrag des Herrn Bundesministers, im Einklang mit den Leitlinien der österreichischen Außenpolitik und in Kooperation mit Ihnen im Parlament. Ich freue mich schon darauf, Ihnen laufend berichten zu können und Ihnen Rede und Antwort stehen zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

9.43


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


9.43.10

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich darf zunächst auch jenen Regierungsmitgliedern, die aus der Regierung ausge­schieden sind, meinen Dank aussprechen, allen voran Josef Pröll. Ich weiß schon, dass anschließend von der Opposition der eine oder andere kritische Ton kommen wird; das ist ja auch in Ordnung.

Es ist heute bereits erwähnt worden, dass auf die Finanzkrise vonseiten der österrei­chischen Bundesregierung unumstritten – zumindest aus meiner Sicht – hervorragend reagiert worden ist, und daran war Josef Pröll maßgeblich beteiligt. Österreich steht viel besser da als viele andere Länder. Natürlich ist das, was wir bei den Konjunkturpa­keten an Vorgriffen gemacht haben, jetzt auf der Finanzseite wieder entsprechend ein­zuholen, weil Geld eben die Eigenschaft hat, dass man es nur einmal ausgeben kann. Aber für die Erreichung des Ziels, zu diesem Zeitpunkt, in dieser Situation die Beschäf­tigung zu sichern, den Standort zu sichern, ist wirklich sehr gute Arbeit geleistet wor­den.

Ich persönlich habe mich bei der letzten Regierungsbildung über zwei Berufungen auf­seiten der ÖVP-Mannschaft besonders gefreut, und zwar über jene von Michael Spin­delegger und Reinhold Mitterlehner, weil ich es generell immer hervorragend finde, wenn der Umstand, dass man etwas kann und etwas gelernt hat, auch irgendwann ein­


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mal – damit verbunden, dass man schon länger dabei ist – dazu führt, dass man mehr Verantwortung übernehmen darf und nicht der Originalität geopfert wird. Da war ich sehr froh darüber, dass Michael Spindelegger und Reinhold Mitterlehner, die weder noch ganz jung noch schon ganz alt waren, in die Regierung eintreten durften.

In der momentanen Situation, in der Josef Pröll aus persönlichen Gründen, die jeder respektiert, andere Wege eingeschlagen hat, sind wir sehr froh, dass wir diese Option mit Michael Spindelegger in der Führung gehabt haben und jetzt realisieren.

Ich möchte mich auch sehr herzlich bei Staatssekretär Ostermayer und bei der Frak­tion der Sozialdemokraten für den fairen Umgang während dieser Zeit der Umbildung der ÖVP-Regierung bedanken. Es ist ja bereits angesprochen worden, dass man ge­meinsam einiges weiterbringen kann.

Es ist nicht meine Absicht, nur mehr Milch und Honig fließen zu lassen (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Warum?), aber ich darf gerade anlässlich des Beispiels Ortstafellö­sung anmerken, dass hier schon auch gesagt werden darf, dass der Landeshaupt­mann von Kärnten, der bekanntlich weder der SPÖ noch der ÖVP zuzuordnen ist, eine hervorragende Rolle gespielt hat und dass es eigentlich schon schön ist, wenn man auch einmal über die Parteigrenzen hinweg für das Land etwas weiterbringen kann. Ich selber bin kein Kärntner (Bundesrat Mitterer: Das merkt man!), aber ich muss sagen, die Debatte habe ich schon lange nicht mehr ausgehalten. Ich habe es persönlich nie verstanden, wie man um die Tafeln so lang herumreden kann, aber ich habe auch eine große Freude damit, dass die Politik hier ein Zeichen setzt, dass man gemeinsam et­was weiterbringen kann.

Zu den neuen Ministern wird sicherlich auch noch vieles gesagt werden. Ich möchte ein paar Ergänzungen machen.

Zur Justiz: Die Ministerin hat gesagt: Ehrfurcht, Respekt, Vertrauen – sehr wichtig. Gerade in diesem Bereich kann man das alles nur unterstreichen. Ich beobachte im­mer wieder mit einem gewissen Amüsement, wie gerade auch hier im Parlament von Parlamentariern mit Vorurteilen agiert wird – so lange, bis man selber einmal von et­was betroffen ist, wo dann andere – zum Teil medial – Vorurteile transportieren. Dann hat man natürlich wieder das Bedürfnis nach einer fairen Justiz. Die brauchen wir alle. Wir brauchen eine Justiz, vor der jeder Mensch gleich ist und in der jeder jeman­den findet, der vorurteilsfrei mit Fairness und Gerechtigkeit agiert.

Zur Finanz: Das ist ein ganz zentrales Ressort, wie wir wissen. Ich glaube, dass wir dort gerade mit Maria Fekter jemanden haben, der nicht nur die betriebswirtschaft­lichen und volkswirtschaftlichen Hintergründe kennt, sondern es ist ja bekannt, dass in der Finanz die Themen nicht nur intellektuell zu lösen sind. Intellektuell sind wir ja nicht schlecht, aber in der Frage, wie man dann wirklich die Reformen zwischen den einzel­nen Ministerien und mit all den Gebietskörperschaften auf die Reihe bringt, liegt natür­lich sehr viel Arbeit, und da hat Frau Ministerin Fekter jede Menge Politikerfahrung, die ihr dabei helfen wird.

Zur Wissenschaft: Ich persönlich bin recht froh darüber, dass ich Latein schon abge­hakt habe, und müsste mich, wenn weitere Zitate kommen, wieder ein bisserl einlesen, aber ich bin sehr froh darüber, dass wir gerade im Wissenschaftsbereich so einen kon­tinuierlichen Übergang haben.

Es ist ja bei dieser Regierungsbildung sehr interessant gewesen, dass der Staatsse­kretär für Integration, glaube ich, derjenige war, der die größte Medien-Coverage ge­habt hat. Er wird ja sicherlich auch noch einmal hier in den Bundesrat kommen, und dann werden wir die Möglichkeit haben, mit ihm zu sprechen. Folgendes habe ich aber schon interessant gefunden: Wir wählen ab 16, alle Parteien buhlen um die Jugend, und wenn dann jemand mit Mitte 20 Verantwortung übernimmt, sind viele dabei, den


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Versuch zu unternehmen, ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Auf Karikaturen wird er auf einem Dreiradler dargestellt, weil er ja noch so klein ist.

Dieselbe Medienrealität verkennt, dass es zum Beispiel, gerade wenn wir bei dem Vergleich mit dem Dreiradler bleiben, einen anderen Sebastian gibt, der, glaube ich, noch ein Jahr jünger ist (Bundesrat Gruber: Mit einem „Vierradler“!) und in der For­mel 1 Weltmeister ist. Also wenn wir schon so sind: In dieser Welt können junge Men­schen hervorragende Leistungen vollbringen, und das wird auch Sebastian Kurz zei­gen.

Ich denke, dass das ein starkes Signal ist, dass der Vizekanzler Außenminister bleibt, auch für die Wichtigkeit der Außenpolitik. Es ist uns ja wohl bewusst, dass die Außen­politik auch etwas ist, das für Österreich gemacht wird und auch für uns in Österreich relevant ist. Der Schutz der Währung, der Frieden, die Energieversorgung sind für uns alle wichtig und sind zentrale Punkte für uns.

Als Menschen, die gewisse humanistische Grundwerte haben, kann es uns auch nicht egal sein, wenn ein Friedensnobelpreisträger inhaftiert wird, wenn ein Künstler wie Ai Weiwei in China nicht frei seine Meinung äußern kann, wenn Menschen ihr Leben ris­kieren, wie zum Beispiel in Nordafrika, um in Frieden und in Freiheit leben zu dürfen. Das darf nicht etwas sein, was uns nicht bewegt, genauso wie es uns als zivilisierter Welt nicht gleichgültig sein darf, dass wir die Thematik des Hungers in der Welt noch nicht gelöst haben. Deswegen ist ja wohl Außenpolitik ein ganz zentraler Bereich, und bin ich froh, dass wir mit Staatssekretär Waldner eine so kompetente Unterstützung für unseren Außenminister haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich könnte man noch vieles über die unterschiedlichen Geschäftsbereiche und die Ziele der Bundesregierung sowie über die Aufgabenstellungen für die neuen Minister und Staatssekretäre sagen. Lassen Sie mich aber einen Vergleich ziehen – weil Herr Kol­lege Ostermayer heute schon den Sport als Beispiel strapaziert hat, indem er gesagt hat, wir haben jetzt ungefähr Halbzeit –: Wenn ich den Vergleich aufstelle, dass wir in Österreich in der Politik eine Liga sind – Nationalrat, Bundesrat und die Landtage sind so eine Liga wie die österreichische Bundesliga, und dann gibt es halt eine englische Liga und eine spanische Liga und so weiter –, dann muss ich sagen: Es ist Gott sei Dank nicht so, dass wir im Vergleich so stark hinter den anderen nachhinken wie im Fußball, aber es ist natürlich so, dass wir trotzdem gemeinsam in einer Liga spielen, und zwar in dem, was wir insgesamt an Level für dieses Land erreichen – und ich glau­be, das ist das, was uns verbinden sollte.

Gemeinsam – auch mit der Opposition – entscheiden wir, in welcher Qualität wir über die Themenstellungen diskutieren und was wir gemeinsam für das Land weiterbringen. Selbstverständlich wird dabei die aktuelle Bundesregierung immer mehr Verantwortung haben als die Opposition, aber auch die Opposition hat die Möglichkeit, Themen­schwerpunkte zu setzen, mit denen sie die Bundesregierung wirklich herausfordert und zu inhaltlichem Handeln zwingt. Man kann sich natürlich auch dafür entscheiden, sich bei Reformen jeweils bei denjenigen zu beschweren, die durch den jeweiligen Reform­schritt gerade einen minimalen oder einen kleinen Nachteil haben.

Da können wir schon auch gemeinsam unsere Spielklasse bestimmen und gemeinsam auch Interesse dafür zeigen, dass das Ansehen der Politik steigt. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass die Matches nicht spannend sein können, und es ändert auch nichts an den Gewinnchancen, ob der eine oder der andere gewinnt.

Eines, muss ich sagen, hat mich schon persönlich bewegt, obwohl ich ein so fröhlicher Mensch bin, dass ich auch darüber lachen kann. Ich habe zum Beispiel, als ich vor ein­einhalb Jahren als Obmann der Wiener ÖVP gehandelt worden bin, zwei Beiträge mit­


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einander verglichen. – Ich hebe mir das sonst nicht auf, aber das war das Tollste, das Sensationellste, was ich medienmäßig erlebt habe. Es hat mich ein und derselbe Jour­nalist porträtiert. Das erste Mal, als ich Generaldirektor geworden bin: super Bild, super G’schicht, toller Harry, junger Mann, g’scheit  alles! Dann, als zur Diskussion ge­standen ist: Der könnte ÖVP-Obmann in Wien werden!, hieß es: Noch nicht viel er­reicht, Versager, schon einmal am Bundestag verloren, oje, oje, oje! (Heiterkeit. Ruf bei der ÖVP: „Jung“ ist auch schon vorbei!)

Das heißt, wir tragen schon selber dazu bei und lassen zu, dass die Klasse der Poli­tiker immer heruntergemacht wird. Ich weiß nicht, ob ich ihn da falsch zitiere, aber der ehemalige Landeshauptmannstellvertreter des Burgenlandes Sauerzopf hat einmal ge­sagt, bevor er in die Politik gegangen ist, war er Notar, Magister, Doktor und so ge­scheit, und als er dann Obmann der ÖVP Burgenland wurde, war er ein „depperter Bur­genlandler“ und Politiker. (Heiterkeit.)

Also es ist einfach so: In der Wirtschaft haben wir auch viele Wettbewerber, und wir ha­ben jeden Tag einen harten Kampf um einen wirklich sehr kompetitiven Markt, aber wir laufen nicht durch die Gegend und denunzieren einander persönlich, sondern wir figh­ten beim Kunden. Sagen wir einmal: Der Kunde ist König! – Das ist in der Politik ein noch viel hehreres Ziel, weil da der Kunde der Bürger ist. Es geht am Ende des Tages um den Bürger, um unsere Qualität, um unsere gemeinsame Liga, und in diesem Sin­ne wünsche ich mir eine hohe Qualität für unsere österreichische Politik-Liga. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.55


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


9.56.08

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Es ist fast schwer, da jetzt zu star­ten. Mit „Generaldirektor“ und so weiter kann man nicht ganz mithalten – aber Spaß beiseite. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber das Verbindende!)

Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren des neuen bezie­hungsweise geänderten Regierungsteams – herzlich willkommen! Herr Präsident Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Ganz offen gesprochen: Der personelle Wechsel bei un­serem Regierungspartner ÖVP erfolgte meines Erachtens in einem überschaubaren, zumutbaren Zeitraum und signalisiert für die Bundesregierung Stabilität. Dass wir sei­tens der SPÖ-Bundesratsfraktion uns, wie es Kollege Himmer schon angesprochen hat, als fairer Partner in dieser für die ÖVP sehr schwierigen Zeit bewiesen haben, war für uns eine Selbstverständlichkeit. Das setzt partnerschaftliches Arbeiten voraus.

Diese Stabilität, werte Kolleginnen und Kollegen, ist für mich im Zusammenhang mit unserer Arbeit hier im Bundesrat insofern von großer Bedeutung, als auf den Zeitpunkt, wann diese personelle Änderung stattgefunden hat, ja schon hingewiesen wurde.

Werte Kolleginnen und Kollegen, es wäre eine wunderbare Gelegenheit, eine lange, ausführliche Debatte über eine erfolgreiche Zwischenbilanz zu führen. Unser Herr Staatssekretär Ostermayer hat es schon angesprochen. Erlauben Sie mir zwei kurze Ergänzungen: Rekordbeschäftigung in Österreich – 3,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben derzeit Beschäftigung – und, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist mit 30 000 € als Wohlstandsfaktor für unsere Re­publik – wir sind in ganz Europa an dritter Stelle – ein Zeichen, das nicht nur herzeig­bar ist, sondern auch nicht madig gemacht werden soll. Daher sage ich an dieser Stelle entgegen allen Unkenrufen: Die SPÖ- und ÖVP-Bundesregierung hat dieses Land gut und erfolgreich durch die Krise geführt! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesra­tes Zangerl.)


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Sehr geehrter Herr Vizekanzler, der Teamleader muss Gesamtverantwortung überneh­men; Sie haben das angesprochen. Auch in unseren Rollen passiert es uns gelegent­lich, dass wir Aufgaben übernehmen müssen, die uns nicht leichtfallen, die sich dem oder der Einzelnen vielleicht nicht sofort in ihrer Gesamtwahrnehmung erschließen, aber wenn man eine Gesamtverantwortung trägt, dann muss man diese auch wahr­nehmen.

Ich sage daher an dieser Stelle, sehr geehrter Herr Vizekanzler: Die sozialdemokrati­sche Bundesratsfraktion hätte sich gefreut, wenn wir heute Ihr gesamtes neues Team kennengelernt hätten. Das ist ein kleiner Schönheitsfehler, weil wir natürlich auch ger­ne über Fragen der Integration und Sicherheit diskutiert hätten. Aber ich bin mir sicher, es gibt eine Gelegenheit, das nachholen zu können. (Bundesrat Mag. Himmer: Das geht sich im Sitzungssaal nicht aus!) – Wir hätten Sitzplätze gefunden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir jetzt zwei kurze Gedanken zu zwei Ressortzuständigkeiten.

Ich bin froh, dass wir heute seitens unserer neuen Frau Finanzministerin vertiefende Aspekte einer bevorstehenden Steuerreform und vertiefende Aspekte zum Thema Leistungsbegriff hören durften.

Sehr geehrte Frau Finanzministerin, Sie wissen, dass auch die sozialdemokratische Bundesratsfraktion keine Freude mit dem hohen Eingangssteuersatz hat. Da ich am Anfang gesagt habe, wir freuen uns, dass die ÖVP eine verlässliche Partnerschaft sig­nalisiert, darf ich an dieser Stelle sagen: Sehr geehrte Frau Finanzministerin, Sie wer­den die sozialdemokratische Bundesratsfraktion als verlässlichen Partner erleben, wenn es darum geht, neben einer Steuerreform nicht nur nach dem Motto „einfacher, weniger und leistungsgerechter“ neue Strukturen zu schaffen, sondern auch nach dem Motto „sozial gerechter“. (Beifall bei der SPÖ.) – Und das, werte Kolleginnen und Kolle­gen, sage ich nicht nur, weil ich aus einem Bundesland komme, in dem sich der Lan­deshauptmann in der Öffentlichkeit mehrfach für eine stärkere Vermögensbesteuerung und für mehr Verteilungsgerechtigkeit eingesetzt hat.

Zweiter Punkt: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ge­statten Sie mir zwei kurze Gedanken zum Thema Justizressort. Sehr geehrte Frau Justizministerin, ich darf ganz zu Beginn sagen: Sie wissen, einer so charmant formu­lierten Einladung kann man grundsätzlich nur schwer widerstehen; wir werden diese Einladung sehr gerne annehmen, und ich möchte daher an dieser Stelle kurz drei Punkte erwähnen.

Erstens möchte ich ausdrücklich sagen, weil wir das in der Vergangenheit auch schon anders erleben mussten: Ich bedanke mich für Ihre deutlichen Ausführungen im Zu­sammenhang mit Ihrer Einstellung zur Unabhängigkeit der österreichischen Justiz. Wir alle wissen, dass wir in der Vergangenheit gerade zu diesem Thema nicht immer den Eindruck hatten – mehrfach! –, ob das tatsächlich politisch auch so aufgefasst wird.

Zwei Gedanken vielleicht für die zukünftigen Arbeiten, sehr geehrte Frau Justizminis­terin:

Erstens: In der Vergangenheit sind diesbezüglich mehrfach Probleme zutage getreten, und daher auch unsererseits der Wunsch, das Ersuchen um mehr Sorgfalt in der Legisvakanz. Im Bereich der Justizverwaltung ist es wichtig, wenn neue Projekte auf die Reise gebracht werden, dass man sich intern darauf vorbereiten kann, dass man sich darauf einstellen kann und dass die Justizverwaltung auch dementsprechend ar­beiten kann.

Zweiter Gedanke, der der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion ein großes Anlie­gen ist: Sehr geehrte Frau Justizministerin, bitte helfen Sie im Bereich der Bekämpfung


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der Wirtschaftskriminalität mit! Wir alle wissen, dass wir da erhebliche Defizite haben. Es ist zu wenig, zu sagen, Planstellen wurden zur Verfügung gestellt, sondern wir müs­sen auch darauf schauen, dass richtig ausgebildete Staatsanwälte die Wirtschaftskri­minalität wirksam bekämpfen können und dass Kollege Geyer dementsprechend per­sonell unterstützt wird, damit das Projekt auch erfolgreich sein und gelingen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Folgende richtet sich jetzt vielleicht gerade in der Länderkammer ein bisschen an die steirischen Vertreterinnen und Vertreter. Gregor Hammerl und sehr geehrte Frau Justizministerin, es gibt in der Länderkammer zwei­felsohne immer so eine schwebende Grundsolidarität für das eigene Bundesland. Das ist völlig klar. Insofern sage ich ganz offen: Sehr geehrte Frau Justizministerin, ich hätte mich gefreut, wenn ich als Steirer Sie heute auch als neue Bundesobfrau des ÖAAB in dieser Runde hätte begrüßen können. (Bundesrat Mag. Himmer: Das geht dich wirklich nichts an! Heiterkeit.) Das hätte mich gefreut, aber es ist selbstver­ständlich klar, dass Ihnen diese Unterstützung im Nachhinein nicht behilflich ist. Ich zweifle allerdings daran, ob es dienlich gewesen wäre, hätte ich sie vorher geäußert. (Heiterkeit.) Inhaltlich kommentieren – und jetzt schließe ich den Reigen ab – möchte ich diese Wahl ohnehin nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Nochmals möchte ich an dieser Stelle – ich habe das schon einmal gemacht – den Dank der sozialdemo­kratischen Bundesratsfraktion vor allem gegenüber dem ausgeschiedenen Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll deutlich zum Ausdruck bringen, ihm für die Arbeit im In­teresse der Republik Österreich danken und ihm im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion auch die besten Genesungswünsche übermitteln. (Allgemeiner Bei­fall.)

Sehr geehrter Herr Vizekanzler, neue Mitglieder des Regierungsteams und Mitglieder des Regierungsteams in geänderter Funktion, ich darf Sie im Namen der sozialdemo­kratischen Bundesratsfraktion hier sehr herzlich willkommen heißen. Ich darf Ihnen bei dieser Gelegenheit 44 sozialdemokratische Hände zur konstruktiven Zusammenarbeit reichen.

Sehr geehrter Herr Vizekanzler, ich wünsche Ihnen für die Arbeit in der Regierung viel Erfolg und darf leise anmerken, Sie werden verstehen, wenn ich die Erfolgswünsche für Ihre andere Rolle in Ihrer Partei vielleicht nur zu 99 Prozent darbringen kann, aber Sie wissen, wie es gemeint ist. Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen sowie des Bundesrates Zangerl.)

10.05


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.05.54

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren der neuen Bundesregierung! Da Herr Kollege Himmer ja schon so erwartungsvoll gesagt hat, die Opposition wird ei­nige kritische Anmerkungen machen, möchte ich Sie natürlich nicht enttäuschen. Aber auch die Freiheitlichen möchten voranstellen: Wir stehen heute hier, weil der Vizekanz­ler und Finanzminister Josef Pröll aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden ist. Wir finden es natürlich sehr bedauerlich, dass ein Mensch schon in so jungen Jahren mit so massiven gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat. Daher wünschen wir ihm, dass er vollständig genesen möge, und wir wünschen ihm auch für die weitere Zu­kunft alles Gute! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie präsentieren sich heute hier als neues ÖVP-Regierungsteam, das aber natürlich nicht in allen Bereichen so neu ist. Sie sind von Ihrem Koalitionspartner dafür gelobt


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worden, dass der Wechsel in einem relativ überschaubaren Zeitrahmen vonstattenge­gangen ist, was nicht alle in der ÖVP erfreut hat, wie wir den Zeitungen entnehmen durften. Wir haben einmal mehr festgestellt, dass – nicht nur unter Ihrem Vorgänger Josef Pröll – der Onkel maßgeblich die Politik beeinflusst hat, sondern auch der ÖAAB. Erwin Pröll hat also gesagt, wo es langgeht, wer was werden darf, und so schaut Ihr neues Regierungsteam heute aus.

Nicht alle sind neu. Ihr „neuer“ Integrationsstaatssekretär, an dessen Alter ich mich überhaupt nicht stoße – das ist ja völlig richtig gesagt worden: wenn man mit 16 schon wählen kann, kann man auch mit 24 Verantwortung übernehmen –, ist halt auch nicht so neu, zumindest nicht in Wien. Im Wiener Wahlkampf hat er sich ja schon sehr expo­niert gezeigt, als er mit dem Slogan „Schwarz ist geil“ mit einem sogenannten „Geilo­mobil“ durch Wien getourt ist, mit einem Hummer, von dem man weiß, dass das ein benzinfressendes Ungetüm ist, was ich in Zeiten der Wirtschaftskrise schon etwas merkwürdig finde und was dann sozusagen ein echter Hammer war.

Sebastian Kurz hat da ja auch „wirklich“ Erfolg gehabt, hat er doch die Wiener ÖVP von „lichten“ 18 Prozent vorher in „lichte“ 14 Prozent nachher geführt. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Mag. Himmer: Er war nicht der Spitzenkandidat!) – Er war nicht der Spitzenkandidat, aber maßgeblich am Wahlkampf beteiligt. – Also das ist einmal ein er­folgversprechender Start!

Bisher habe ich ja von Herrn Kurz noch nicht viel Konkretes gehört. Das, was er sagt, sagt er zwar sehr eloquent, aber das sind doch Allgemeinplätze. Wir hören auch immer wieder, er muss sich das alles erst anschauen, bevor er überhaupt etwas sagen kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Also wir werden sehen, wie es mit der Integration weiter­gehen wird.

Wir haben auch von der neuen Innenministerin nur wenig Konkretes gehört. Die neue Innenministerin Mikl-Leitner, die ja vorher oberösterreichische Landesrätin war ... (Bun­desrätin Diesner-Wais: Niederösterreichische!) – Mikl-Leitner, ja, Niederösterreich. (Bundesrat Mag. Himmer: Du hast gesagt, „oberösterreichische“! Und ÖAAB!) – Ent­schuldigung, gemeint habe ich niederösterreichische. Wahrscheinlich war ich geistig schon im Finanzministerium.

Jedenfalls: Landesrätin ist nicht das Gleiche wie Ministerin mit so einem Megaressort, wie es das Innenministerium ist. Die neue Finanzministerin weiß ja, was das bedeutet. Bis jetzt haben wir von ihr eher konkrete Aussagen als neue ÖAAB-Chefin gehört, was ja auch wieder für Unruhe in der ÖVP gesorgt hat. Einer von euch hat gesagt, das Ganze sei zu ostlastig, aber Konkretes habe ich bis jetzt, was das Innenressort betrifft, noch nicht gehört.

Zur neuen Finanzministerin Dr. Fekter. Ich habe es heute wirklich sehr interessant gefunden, Frau Dr. Fekter, dass Sie beklagt haben, dass die Leistungsträger in dieser Republik dreifach geschröpft werden. – Da gebe ich Ihnen zwar recht, denn ich finde das auch nicht in Ordnung, aber ich frage mich jetzt schon: Wo waren Sie die ganze Zeit? Haben Sie in der ÖVP nichts mitzureden gehabt, auch wenn Sie bislang das In­nenressort und nicht das Finanzressort geleitet haben? Wo war die ÖVP insgesamt bei diesem Thema? Da höre ich zum ersten Mal, wie arg das ist und es wird ... (Bundesmi­nisterin Dr. Fekter: Die höchste Abgabenquote hat der Grasser gehabt!)

Es ist aber nicht besser geworden, oder? Das haben Sie ja selbst gesagt. Das hat nie­mand von Ihnen geändert.

Und bei der SPÖ gibt es diesbezüglich auch verstärkten Widerstand. Da wünsche ich Ihnen viel Vergnügen, mit der SPÖ einig zu werden, wenn wir nur die heutigen Zeitun­gen hernehmen, was die Vermögensteuer anbelangt. Die Reichensteuer will die SPÖ,


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Sie von der ÖVP sagen, nein, das wollen wir nicht, weil die Leistungsträger einen wirk­lich großen Teil der Steuerlast tragen.

Der Wirtschaftsminister – einer der wenigen, die aus dem Wirtschaftsbund der ÖVP kommen – ist geblieben. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) – Ja, aber der Wirtschaftsbund hat bei euch nicht eine große Plattform. Das haben wir fest­gestellt.

Dass Sie, Herr Vizekanzler Spindelegger, meiner im Dezember erhobenen Forderung nach der Abschaffung des Familienstaatssekretariates so unverzüglich nachkommen, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet, aber schade ist es dennoch, auch wenn ich gemeint habe, dass Staatssekretärin Remler da auch nicht sehr viel gemacht hat, weil Sie von der ÖVP sich weiterhin von der Familienpolitik verabschieden. Wir brauchen uns nur die Budgetbegleitgesetze, die Sie im Dezember beschlossen haben, anzu­schauen, wo 80 Prozent der Familienleistungen für den Versuch, das Budget zu konso­lidieren, den Familien abverlangt worden sind.

Jetzt gibt es eine neue Diskussion. Da freue ich mich, dass der Herr Vizekanzler zu­mindest ansatzweise die freiheitliche Idee des Familiensteuersplittings aufgegriffen hat (Heiterkeit bei der ÖVP), aber auch da wird ja schon wieder kräftig zurückgerudert; ganz so meinen Sie es ja nicht.

Frau Finanzminister! Noch ein Wort dazu, dass Sie die Verwaltungsreform so quasi in die Ecke gestellt und gesagt haben, der große Wurf geht nicht, das kann man so nicht machen. Das finde ich bedauerlich, auch wenn Sie gesagt haben, Schritt für Schritt ist besser. – Schritt für Schritt wird zu wenig sein, weil gerade da ein großer Brocken an Einsparungen vorzunehmen ist und auch vorgenommen werden kann. Bei dem Bud­getdefizit, das wir haben, müssen wir wirklich jede Möglichkeit des Sparens nützen.

Zum neuen Staatssekretär im Außenministerium Dr. Waldner. Ich bin aus dem 7. Be­zirk – ja, als Leiter des MuseumsQuartiers sind Sie mir bekannt, sonst kann ich jetzt noch nicht viel sagen. Ich hoffe, dass Sie den Außenminister bestens vertreten werden. Davon gehe ich auch aus. Nicht immer sind wir von der FPÖ mit der Außenpolitik so einverstanden, sodass ich Ihre Forderung, es möge so bleiben, wie es ist, nicht ganz unterstützen kann – wenigstens nicht in allen Bereichen. Wir werden sehen.

Zur neuen Justizministerin Dr. Karl. Das ist jetzt nicht abwertend gemeint (Bundesrat Mag. Himmer: Dann sag es nicht!), aber irgendwie sind Sie für mich so bisschen eine „Baustellen-Ministerin“ geworden. Sie haben seinerzeit das Wissenschaftsressort über­nommen, das eine Baustelle war. Sie übernehmen jetzt mit dem Justizressort auch wieder eine Baustelle, wo es viel zu tun gibt.

Dem neuen Wissenschaftsminister Dr. Töchterle wünsche ich viel Glück. Ihre Rek­torenkonferenz hat Ihnen ja schon ausgerichtet, wie viel Geld sie haben will, und sie er­wartet natürlich vom ehemaligen Kollegen im Besonderen – das wissen Sie sicher auch –, dass da Geld fließen möge, das es aber nicht gibt, denn das Finanzrahmenge­setz gibt Ihnen auch nicht mehr Geld. Also können wir gespannt sein, wie Sie das lö­sen werden.

Ihr ausgeschiedener Vizekanzler Pröll hat den Stillstand der Regierung bei seinem Abschied beklagt. Ich höre heute wieder, Sie sind zuversichtlich, voller Tatendrang und es wird toll werden. – Das hören wir seit 2008. Passiert ist nichts oder nur sehr wenig! Sie haben sich zwar eine fünfjährige Legislaturperiode gegeben, Sie haben sich Ihre Regierungszeit verlängert, das aber nicht entsprechend genützt, denn eines muss ich schon sagen – und das sage ich eben auch kritisch –: Was bis jetzt passiert ist, ist, dass Sie an der Bevölkerung vorbeiregiert haben. Ich glaube nicht, leider, dass sich daran etwas ändern wird, auch wenn es neue Köpfe gibt.


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Und das Rekord-Budgetdefizit, das sich 2014 noch einmal erhöhen wird, muss erst einmal abgebaut werden, aber auch unter der Prämisse, dass es In Österreich 1 Million Menschen gibt, die an der Armutsgrenze leben, die man natürlich auch mitberücksichti­gen und denen man helfen muss.

Ich bin also gespannt, ob Sie Ihren Worten auch Taten folgen lassen werden. Wir wer­den Sie daran messen, aber spätestens 2013 wird der Wähler Sie daran messen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

10.15


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


10.15.41

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Mi­nisterinnen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Auch von unserer Fraktion möchte ich dem Herrn Ex-Vizekanz­ler Pröll alles Gute wünschen. Es war für ihn sicher nicht ganz einfach, zwischen den zahlreichen Interessen und Spannungsfeldern – Bünde, Länder – bestehen zu können. Wir von der Grünen Opposition haben es ihm natürlich auch nicht einfach gemacht, aber auch unsererseits alles Gute und gute Besserung. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrter Herr Vizekanzler Spindelegger! Wir haben Sie – und mit „wir“ meine ich die österreichische Öffentlichkeit – in der Vergangenheit als eine der wenigen Stimmen in der ÖVP wahrgenommen, die das Thema Migration und Integration sehr konstruktiv und lösungsorientiert angegangen sind. Dafür möchte ich Ihnen recht herzlich danken. Das habe ich auch in der Vergangenheit schon öfter in den Diskussionen zur Sprache gebracht.

Jedoch: Sie bieten nun zwei sehr große Angriffsflächen. Der eine Angriffspunkt ist, dass Sie dieses wichtige Integrationsressort im Innenministerium angesiedelt haben, wo von Haus aus – das wissen wir aus der Geschichte heraus – sicherheitspolitische Aspekte und Integrationsaspekte immer wieder vermischt werden. Wir werden auch heute wieder unter dem Tagesordnungspunkt 18 noch über die Auswirkungen, die das Fremdenrechtsänderungsgesetz mit sich bringen wird, ausführlicher diskutieren.

Der zweite Angriffspunkt ist, mit welcher Person Sie dieses Amt besetzt haben. Da schließe ich mich der Kollegin Mühlwerth an: Für mich ist das absolut keine Frage des Alters, denn auch in jungem Alter kann man über Kompetenzen und Erfahrung verfü­gen, wenn man zum Beispiel schon als Zivildiener in einer NGO, die in diesem Bereich tätig ist, seinen Dienst abgeleistet hat, oder ehrenamtlich tätig ist, oder sein Studium in dieser Fachrichtung absolviert hat, aber die Person, die Sie mit diesem Amt betraut ha­ben, verfügt über keine Fachkompetenz und über keine Erfahrung; und das ist aus ih­rem Lebenslauf ersichtlich.

Nichtsdestotrotz wünsche ich Herrn Staatssekretär Kurz wirklich alles Gute. Ich habe mit ihm auch schon ein persönliches Gespräch gehabt. Auch ich, wir werden ihm die Hand reichen und wir werden ihn nur an den Taten und Handlungen, die er setzen wird, messen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Taten und Handlungen, die er setzen wird, werte Kolleginnen und Kollegen! Er ist genauso wie wir kein Zauberer, sondern er kann sich nur in dem Rahmen bewegen, der ihm zur Verfügung gestellt wird. Und wenn ich mir diesen Rahmen ansehe, die Mit­tel, die dieses Ressort zur Verfügung gestellt bekommt, so ist das recht wenig. Da möchte ich den Kollegen Himmer zitieren, der gesagt hat: Das ist der Sebastian, der 24 Jahre und um ein Jahr jünger ist als der, der in Formel 1-Rennen mitfährt. – Das stimmt, das ist ein sehr gutes Bild.


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Ich bin froh darüber, dass wir überhaupt einmal als österreichische Politik den Weg in die Formel-1-Arena im internationalen Wettbewerb gefunden haben, aber dieses Ren­nen treten wir neben McLaren und Ferrari in einem Eselskarren an (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Mit Red Bull!), und zwar wenn ich mir ansehe, welche Ressourcen da zur Verfügung gestellt werden! Der Herr Staatssekretär bekommt für das Jahr 2012 aus dem nationalen Topf 1,2 Millionen € für Maßnahmen beim Spracherwerb.

Wisst ihr, was er damit machen kann? – Gar nichts! 20 Millionen insgesamt gibt es, aber rein für den Spracherwerb, sehr geehrte Frau Ministerin Fekter, 1,2 Millionen. Die­se Zahlen hat der ÖIF in Linz präsentiert.

Wenn ich mir die Zahlen von Dänemark im Jahre 2004 ansehe, wo 192 Millionen € für Integrations- und Sprachmaßnahmen zur Verfügung gestellt wurden, muss ich sagen, dann ist vorprogrammiert, dass da bei uns nichts herauskommen kann.

Werte Kolleginnen und Kollegen, es wird bei diesem Rennen nur einen Gewinner ge­ben – und das ist HC Strache. Mit dieser Politik machen wir ein Förderprogramm für die rechten Parteien in diesem Land.

Wenn Sie sich die jüngsten Umfragewerte im „Standard“ ansehen, werden Sie sehen, dass das nur ein Vorgeschmack dessen ist, was uns erwarten wird. – Also ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, aber die Art und Weise, wie er gemacht worden ist, war nicht die beste Wahl.

Ich hoffe, dass Herr Staatssekretär Kurz mit den wirklich sehr knappen ihm zur Verfü­gung gestellten Ressourcen das Bestmögliche für unser Land, für das gesellschaftliche Klima, für das gute gesellschaftliche Klima erreichen wird können. Wir Grüne bezie­hungsweise ich persönlich werde ihm sicher dabei die Hand reichen. – Das ist der eine Punkt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Vizekanzler Dr. Spindelegger, der zweite Bereich – da spreche ich nur Sie an – ist für mich absolut nicht nachvollziehbar. Offensichtlich kann man unter dem Deckmantel des interkulturellen Dialoges und des interreligiösen Austausches wirklich jeglichen Humbug machen, den Gott verboten hat. Ein Beispiel: Ich verstehe nicht, was Sie dazu bewegt, dass Sie sich in Österreich für ein saudisches Institut ein­setzen, das hier errichtet werden soll, obwohl wir wissen, dass wir keine Migranten und Migrantinnen, keine wahrnehmbaren Migranten und Migrantinnen aus Saudi-Arabien in Österreich haben, in dem Wissen, welche Form des Islams aus diesem Land verbreitet wird. Und drittens wissen wir, dass es überall dort, wo diese Institution in anderen Län­dern gegründet worden ist, wirklich nur Probleme gegeben hat. (Vizekanzler Dr. Spin­delegger: Das ist ein völliger Irrtum!)

Ich weiß nicht, was Sie da mit dem derzeitigen Präsidenten der Islamischen Glaubens­gemeinschaft Herrn Schakfeh besprochen und vereinbart haben, aber ich ersuche Sie im Interesse Österreichs, Abstand davon zu nehmen, eine derartige Institution in Öster­reich zu forcieren. Da werden Sie nicht nur den Gegenwind der FPÖ spüren, sondern auch von unserer Seite. (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie des Bundesrates Beer.)

Sehr geehrter Herr Vizekanzler, erlauben Sie mir, weil Sie auch in Ihrer Funktion als Außenminister hier sind, etwas zu sagen! Ich habe das auch beim Europatag der Bun­desrätinnen und Bundesräte, der veranstaltet worden ist, gesagt. Bei dieser Gelegen­heit möchte auch ich unserem Herrn Präsidenten recht herzlich danken, der diese großartige Konferenz mit sehr interessanten Inputs organisiert und in Linz durchgeführt hat. (Allgemeiner Beifall.)

Einen Punkt möchte ich noch einmal herausgreifen. Da muss ich ein bisschen Selbst­kritik an der österreichischen Außenpolitik üben, und zwar was die Beitrittsverhandlun­gen mit der Türkei betrifft. Sich hier hinter ergebnisoffenen Diskussionen und Volksbe­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 31

fragungen zu verschanzen ist nicht ehrlich. Reden wir Klartext! Was wir hier brauchen sind Klarheit und Transparenz. Mit unserer Vorgehensweise, so wie wir gegenüber der Türkei, aber auch gegenüber anderen Ländern auftreten, bestärken wir die rechten Ränder in diesem Land und auch in der Türkei – plus islamisch-islamistische Kräfte.

Ich glaube, das ist nicht im Interesse der EU und schon gar nicht im Interesse Öster­reichs. Hier würde ich von uns allen etwas mehr Klarheit einfordern – in welche Rich­tung auch immer. Ich sehe hier einige Kollegen und Kolleginnen, die mir zunicken, denn das hat sich die Türkei nicht verdient. Wir Österreicher machen uns auch mit die­ser Vorgehensweise unglaubwürdig.

Zu den anderen Punkten, was den Bildungsbereich, Forschungsbereich und Justizbe­reich betrifft, gäbe es natürlich sehr vieles anzumerken. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit. Wir Grüne werden Sie dabei mit konstruktiven Vorschlägen begleiten und unterstützen. (Bundesrat Mag. Klug: Da sind wir sehr gespannt!)

Ich hoffe, dass auch diese Vorschläge nicht irgendwo verschwinden, sondern aufge­griffen werden – aufgegriffen hat es Herr Staatssekretär. Ich sehe an seinen Wortmel­dungen, dass er hier sehr viele grüne Argumente aufgegriffen hat, und es freut mich, wenn wir hier sozusagen zum Wohle Österreichs gemeinsam etwas bewegen. – Herzli­chen Dank für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

10.24


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Dr. Spindel­egger. Ich erteile es ihm.

 


10.25.04

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Bundesrätinnen und Bundesräte! Da Herr Bundesrat Dönmez jetzt noch zwei Dinge angesprochen hat, möchte ich doch eine Richtigstellung und eine politische Wertung vornehmen.

Zunächst die Richtigstellung: Es handelt sich bei dem Religionszentrum, das wir in Wien ansiedeln wollen, nicht um eine Einrichtung von Saudi-Arabien, sondern es han­delt sich um ein Zentrum, das zum religiösen Dialog entstehen soll. Und dieses Zen­trum wird nicht nur von Saudi-Arabien, sondern auch vom Vatikan und auch von Spa­nien und Österreich betrieben. – Das ist daher etwas ganz anderes als das, was Sie hier als Eindruck vermitteln wollten. Das möchte ich daher richtigstellen.

Das Zweite ist eine politische Wertung von meiner Seite. Die Frage der Beitrittsver­handlungen mit der Türkei ist nicht ein Anlass, jetzt vielleicht Einzeläußerungen inter­pretativ in der Debatte zu machen, sondern die österreichische Haltung ist klar: Wir sind dafür, mit der Türkei zu einer maßgeschneiderten Partnerschaft zu kommen. Wir wissen, dass Österreich, dass Europa mit der Türkei zukünftig sehr viel zu tun ha-ben wird, aber es muss doch legitim sein, dass man auch dem Partner gegenüber sagt: Wir sind in Verhandlungen. Das ist klar. Das hat die Europäische Union beschlos­sen, und wir begleiten das konstruktiv.

Aber einen eigenen Entwurf und eine eigene politische Meinung dazu darf man schon haben, und die heißt – nochmals – maßgeschneiderte Partnerschaft. Daran arbeiten wir, das wird nicht morgen erledigt sein. Ich möchte dazu im Namen der Bundesregie­rung hier noch einmal klarstellen, dass das die Haltung Österreichs ist und auch zu­künftig bleiben wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.26


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 32

10.26.58Fragestunde

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 10.27 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich da­rauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit dem Herrn Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Frau Bundes­ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Schweigkofler, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gestern mit großer Freude in der „Tiroler Tageszeitung“ gelesen, dass mit heurigem Herbst alle Tiroler Standorte der Neuen Mittelschule genehmigt wurden.

Daher meine Frage an Sie:

1778/M-BR/2011

„An wie vielen Standorten kann im nächsten Schuljahr 2011/12 das Erfolgsmodell ,Neue Mittelschule‘ neu beginnen?“

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesräte! Zunächst auch einen schönen Guten Morgen von meiner Seite. Ich freue mich, dass ich heute die Gelegenheit habe, zu einzelnen politi­schen Fragen Stellung zu nehmen. Das ist eine ganz aktuelle Frage, die Sie an mich richten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie darüber informieren, dass ges­tern die Approbationskommission unter der Leitung von Bernd Schilcher getagt hat und es möglich ist, dass ab September 2011 114 Standorte der Neuen Mittelschule mit ers­ten Klassen neu beginnen werden. Diese 114 Standorte kommen zu den bereits beste­henden 320 Standorten dazu. Ich sehe das als einen wichtigen weiteren Schritt. Vor al­lem ist das sehr motivierend für jene Schulstandorte, die sich schon auf den Weg ge­macht und Entwicklungskonzepte bereits vorgelegt haben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Wenn dieses Modell jetzt in den ös­terreichischen Schulen so angenommen wird, wann wird dann die Neue Mittelschule ins Regelschulwesen übernommen? Wie kann dabei das niederösterreichische Modell integriert werden?

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wir sind hier in sehr konstruktiven politischen Gesprächen, vor allem mit Bildungssprecher Amon, und werden in den nächsten Tagen und Wochen die legistischen Vorbereitungen dafür treffen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 33

Nach unserem Plan – und es sind ja hier die Finanzmittel auch im Bundesfinanzrah­mengesetz bereits berücksichtigt – sollte es in einem Stufenplan möglich sei, bis zum Jahr 2016 zumindest alle Hauptschulstandorte auf Neue Mittelschulen umzustellen. Ich sage, die Einladung an die AHS-Unterstufen, sich zu beteiligen, bleibt weiter offen.

Das ist ein realistischer, vor allem auch im Budgetpfad abgebildeter Fahrplan, denn ei­nes – ich habe erst gestern wieder an einer bildungspolitischen Diskussion teilgenom­men – ist mir sehr wichtig: Der Ausbau der Neuen Mittelschule, die Abschaffung der Leistungsgruppen, mehr individuelles Eingehen auf die Schüler und Schülerinnen kos­tet mehr Geld und ist nur mit mehr Budgetmitteln darstellbar.

Was das niederösterreichische Modell betrifft, mache ich mir jetzt insofern keine Sor­gen, als uns die Praxis schon ein Stück einholt. Es gibt ja jetzt die Standorte, die schon in den dritten Jahrgang kommen, auch in Niederösterreich. Ich war gestern in Nieder­österreich unterwegs und konnte mich darüber informieren, dass dort niemand an den Standorten auf das Teamteaching verzichten möchte, auch nicht auf den vermehrten Lehrereinsatz.

Ich bin also sehr, sehr zuversichtlich, dass wir dieses vierjährige Modell österreichweit realisieren. Es ist mir aber auch wichtig festzuhalten, dass das Erfolgskriterium der Neuen Mittelschule die Energie, die Initiative am Standort ist und es daher wichtig ist, dass jede Schule auch ein individuelles Profil entwickelt. Das macht einen Großteil der Kraft dieser Standorte aus.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Stroh­mayer-Dangl.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desminister, was unternehmen Sie, damit die Mittelschule durch eine Weiterentwick­lung der Hauptschulen gemeinsam mit der Langform der allgemeinbildenden höheren Schule flächendeckend und durchlässig zur zweiten Säule der Mittelstufe werden kann?

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wichtig ist hier die Qualität, und ich sage, Qualitätsentwicklung braucht Zeit, daher dieser Stu­fenplan bis 2016, weil wir auch eine entsprechende Ausbildung, Fortbildung der Lehrer und Lehrerinnen durchführen müssen. Das ist ganz entscheidend. Jeder Standort muss für sich ein Entwicklungskonzept ausarbeiten. Besonders erfolgversprechend ist da auch die regionale Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit mit den Schulpart­nern, also es gibt Eltern-, Schüler-, Lehrervereinbarungen an den Standorten. Ganz zentral sind auch die wissenschaftliche Begleitung der Projekte und die Begleitung durch – unter Anführungszeichen – „Lerndesigner“, also Leute, die sich vor allem um das pädagogische Konzept kümmern.

Da gibt es regelmäßige Zusammenkünfte – ich glaube, es war erst letzte Woche in St. Johann wieder ein Treffen – all jener, die an den Neuen Mittelschulen mitarbeiten. Denn wichtig ist auch, dass die Standorte voneinander lernen, sich auch wirklich Netz­werke bilden und wir ein bisschen dieses hierarchische System verlassen und überwin­den und die Standorte selbst aktiv werden; also eine sehr starke Ermächtigung auch zur Eigeninitiative. Daher diese begleitenden Maßnahmen vor allem im Schulungsbe­reich und in der Schulentwicklung auch über die Pädagogischen Hochschulen.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben es ja schon angeführt: Bei einer flächendeckenden Einführung wird es zu Mehr­kosten, seien es Personalkosten, Kosten für Gebäudeadaptierungen oder Begleitmaß­nahmen, kommen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 34

Meine Frage: Wer wird diese Mehrkosten tragen? Wird die der Bund übernehmen, die Länder oder die Gemeinden?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Die Kosten für die Umstellung der Neuen Mittelschule betragen 220 Millionen €. Im alten Budgetpfad waren bereits 70 Millionen € budgetiert, das war noch im Rahmen der be­stehenden 10-Prozent-Grenze, sodass jetzt – das ist mir wichtig und darauf habe ich auch geachtet – im Bundesfinanzrahmengesetz der Budgetplan auch aufsteigend ab­gebildet ist. Das heißt, es werden die Mittel vom Bund aufgebracht, was die zusätz­lichen Lehrerkosten betrifft. Ansonst gelten die Regelungen der Schulerhalter, wo wir aber gerade jetzt auch an den Artikel-15a-Vereinbarungen arbeiten, in enger Abstim­mung auch mit Städte- und Gemeindebund, was Anschubfinanzierungen betrifft – Stichwort ganztägige Schulangebote –, wo es auch Anschubfinanzierung seitens des Bundes geben wird, also das sogenannte Loipersdorf-Paket mit den 80 Millionen € pro Jahr.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Kickert.

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Guten Morgen! Frau Minister, wer­den an diesen 114 neuen Standorten die Bedingungen einer Neuen Mittelschule laut Modellplan, also zum Beispiel auch schon mit dem angesprochenen Teamteaching und unterstützenden Lehrern, erfüllt sein?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ja, die Approbationskommission hat alle Anträge durchgeschaut, und es ist ganz entschei­dend, dass wir da die starren Leistungsgruppen auflösen, dass die Individualisierung gelingt, daher in Deutsch, Mathematik, lebender Fremdsprache der doppelte Lehrerein­satz.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Astleitner, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Werte Frau Bundesministe­rin, meine Frage lautet:

1781/M-BR/2011

„Wie werden Sie dem durch zahlreiche Pensionierungen in vielen Bundesländern ent­standenen Lehrermangel in einigen Fächern kurz- und mittelfristig begegnen?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich möchte zunächst einmal die Zahlen ein wenig relativieren, wenngleich mir sehr be­wusst ist, dass jeder einzelne Lehrer, der fehlt, zunächst natürlich ein großes Problem darstellt und unmittelbar Lösungen erfordert.

Wir beschäftigen insgesamt 120 000 Lehrer und Lehrerinnen und sprechen derzeit von einem Mangel in der Größenordnung zwischen 400 und 600 Lehrerinnen und Leh­rern – ich möchte das nur von der Relation und von der Größenordnung her sagen. Daher sind kurzfristig die wirksamsten und am einfachsten umzusetzenden Maßnah­men natürlich Mehrdienstleistungen, das heißt Überstundenleistungen der Lehrer und Lehrerinnen. Wir arbeiten aber auch sehr intensiv daran, jene Lehrer und Lehrerinnen,


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 35

die derzeit nicht die volle Lehrverpflichtung wahrnehmen, doch zu motivieren, für einen Zeitraum von zwei Jahren – dann wird es sich wieder entspannen – Mehrarbeit zu leis­ten.

Wichtig sind mir natürlich auch weiterhin die Modelle für Quereinsteiger, die vor allem im Bereich der berufsbildenden höheren Schulen sehr, sehr gut umgesetzt werden. Hier haben wir an den Pädagogischen Hochschulen berufsbegleitend auch pädago­gisch-didaktische Schwerpunktausbildungen, und wir prüfen gerade, ob wir das nicht auch auf einzelne Fachbereiche ausdehnen.

Auf mittlere Sicht ist natürlich ein flexibler Lehrereinsatz wichtig – wir werden heute auch ein Gesetz dazu diskutieren –, also dass wir ein bisschen flexibler werden in der Personalplanung. Wenn wir schon den großen Wurf, was Kompetenzen betrifft, nicht schaffen, dann sollte doch der Landeslehrer- und Bundeslehrereinsatz ein bisschen verschränkter möglich sein, was mit der heutigen Beschlussfassung dann auch gelin­gen wird.

Dann gibt es natürlich noch die bekannten Punkte wie attraktivere Ausbildung für Quer­einsteiger, mehr Durchlässigkeit, und wir brauchen – darüber werden wir sicher auch noch sprechen – ein attraktiveres Dienst- und Besoldungsrecht, damit auch wirklich al­le, die das Lehramtsstudium abschließen, dann auch in der Schule unterrichten und nicht von der Wirtschaft oder vom deutschsprachigen Ausland abgeworben werden.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Wir haben hier junge Men­schen als Zuhörerinnen und Zuhörer. Es wird notwendig sein, dass wir junge Men­schen finden, die den LehrerInnen- oder PädagogInnenberuf ergreifen.

Frau Minister, wie werden Sie im neuen Dienstrecht neue Anreize zum Einsteigen in den Lehrberuf schaffen?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Zunächst gleich eine positive Nachricht am Beginn: Die Pädagogischen Hochschulen verzeich­nen einen sehr, sehr großen Zustrom an jungen Studierenden, also in etwa 1 000 pro Jahr mehr, die das Studium beginnen. Ich habe erst in der letzten Woche erfahren, dass auch für das neue Studienjahr 2011/2012 die Anmeldungen wieder deutlich über dem schon um 40, 50 Prozent höheren Vorjahreswert liegen. Das hängt natürlich auch mit der wirtschaftlichen Situation zusammen, aber es zeigt uns doch, dass der Beruf des Lehrers, der Lehrerin schon wertgeschätzt wird.

Und da bin ich bei einem ganz wichtigen Punkt: Es muss uns gemeinsam gelingen, dass gesellschaftspolitische Achtung und Respekt gegenüber den Lehrern und Lehre­rinnen bestehen. Wertschätzung und Respekt haben immer auch mit Bezahlung zu tun, daher werden wir die Einstiegsgehälter sicher erhöhen müssen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Füller.

 


Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Frau Minister, haben Sie vor – ähnlich wie in der Schweiz –, eine Art beschleunigtes Ausbildungssystem für Quereinsteigerin­nen und Quereinsteiger anzubieten?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wir ha­ben derartige Angebote vor allem berufsbegleitend im berufsbildenden Schulwesen jetzt schon, und es ist Teil der neuen PädagogInnenbildung, hier für mehr Durchläs­


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sigkeit zu sorgen. Das hängt ja auch sehr eng zusammen mit den Entwicklungen auf europäischer Ebene, Stichwort nationaler Qualifikationsrahmen. Es geht darum, dass wir viel mehr anerkennen, was Menschen an Kompetenzen mitbringen, nicht nur an formalen Ausbildungen, sondern auch an praktischen Kenntnissen und Fähigkeiten.

Das ist sicher ein Weg, den wir gehen werden, aber ich sage, das wird nicht ausrei­chen. Wir müssen das auch mit dem Dienst- und Besoldungsrecht begleiten, denn Quereinsteigern, die vielleicht schon fünf Jahre, zehn Jahre in anderen Berufsfeldern erfolgreich tätig waren, dann im Dienst- und Besoldungsrecht vielleicht nur ein Jahr oder zwei Jahre an Vordienstzeiten anzuerkennen, das geht nicht. Also da müssen wir auch im Dienst- und Besoldungsrecht für Quereinsteiger die Systeme kompatibler ge­stalten.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Zahlreiche junge neu ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer wandern ins be­nachbarte Deutschland, vor allem nach Bayern, sowie in die Schweiz aus, um dort zu unterrichten, weil offenbar die Arbeitsbedingungen in Österreich nicht mehr entspre­chend sind.

Wie wollen Sie diesen Abwanderungstendenzen, diesem Brain-Drain entgegenwirken?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Mit der Schweiz werden wir es ein bisschen schwer haben, sage ich jetzt einmal, denn mit den Lebenshaltungskosten in Vorarlberg leben und mit dem Einkommensniveau in der Schweiz verdienen – mit diesem Umstand werden wir immer zu leben haben.

Generell ist natürlich auch – daher bin ich dankbar für die Frage – der Arbeitsmarkt für Lehrer und Lehrerinnen ein Markt mit Angebot und Nachfrage, und da müssen wir auch im internationalen Wettbewerb wettbewerbsfähig sein. Das heißt, das Dienst- und Besoldungsrecht wird da ein ganz, ganz wesentliches Element sein.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage. Ich bitte Frau Bundesrätin Mühlwerth um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister, meine Frage lautet:

1777/M-BR/2011

„Wie werden Sie die Lehrerinnen und Lehrer von Ihrem Wunsch nach längerer Arbeits­zeit für diese Berufsgruppe überzeugen?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Da wür­de ich natürlich gern Empfehlungen entgegennehmen. (Allgemeine Heiterkeit. – Bun­desrätin Mühlwerth: Gerne!)

Ich darf eines vorwegschicken – das ist mir sehr, sehr wichtig; Sie haben es sicher mit­verfolgt –: Der Beginn der Verhandlungen hat ja etwas gedauert, da es mir ganz, ganz wichtig ist, dass die Verhandlungen zum neuen Dienst- und Besoldungsrecht als Re­gierungsaufgabe wahrgenommen werden und nicht nur als Aufgabe der Fachministe­rin. Es ist mir sehr bewusst, dass natürlich der Großteil der Arbeit aus dem Fachressort kommen muss, aber wichtig ist auch die Implikation von Finanzministerium, Bundes­kanzleramt; die Zuständigkeiten sind bekannt.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 37

Mit den Vertretern und Vertreterinnen – das ist mir auch sehr, sehr wichtig – habe ich vereinbart, dass wir über die laufenden Verhandlungen Stillschweigen bewahren. Ich halte das für sehr wichtig, denn wenn wir jetzt beginnen, Dienst- und Besoldungs­rechtsverhandlungen auf offener Bühne zu führen, dann, glaube ich, wäre das nicht wirklich erfolgversprechend.

Ein paar Ansatzpunkte möchte ich bringen, denn es zeigen ja schon die internationalen Vergleiche, eben zum Beispiel auch mit Bayern, es hat natürlich etwas mit Bezahlung zu tun, mit mehr Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. Studien wie zum Beispiel Talis zeigen uns aber auch, dass wir uns schon überlegen müssen, ob wirklich alle Tätigkeiten unbedingt immer von Pädagogen und Pädagoginnen wahrgenommen wer­den müssen oder ob wir nicht ein Stück wegkommen müssen von dem Denken: „ich, meine Schule, mein Fach, meine Klasse“, hin zu: „wir und unsere Schule“.

Das beginnt schon bei administrativem Unterstützungspersonal. So gibt es etwa ganz viel große Pflichtschulstandorte, die nicht einmal eine Sekretärin haben, nicht einmal ein Sekretariat haben, und da rede ich noch gar nicht von arbeitsteiliger Vorbereitung von Unterrichtsstunden. Da, denke ich, sollten wir unbedingt in Unterstützungspersonal gehen, bis hin auch zum Bereich Freizeitpädagogik. Und was mir auch ganz, ganz wichtig ist: Managementausbildung für die Direktoren, damit wir auch mehr Verantwor­tung am Schulstandort leben können.

Es gibt hier also ein Bündel von Maßnahmen, aber ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mir jetzt noch nicht so ganz in die Karten schauen lasse.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Vielleicht können Sie auf die Zusatz­frage etwas konkreter antworten. Es gibt ja abseits der Gewerkschaften durchaus Leh­rerinnen und Lehrer, die sich mit dem Gedanken, längere Arbeitszeiten an der Schule zu verbringen, anfreunden können, aber – und das wissen Sie auch, Frau Minister – der Kritikpunkt sind die Rahmenbedingungen, sprich der Arbeitsplatz: ein Viertel Qua­dratmeter Schreibtisch, ein Viertel Fach für Unterrichtsmaterialien. Wie können Sie da Abhilfe schaffen?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Dazu ist mein Bild – es ist mir auch wichtig, das klarzulegen – nicht eines, dass der Lehrer, die Lehrerin von 8 bis 17 Uhr, von 8 bis 18 Uhr an der Schule ist. Ich habe mich selbst, als ich noch in der Bank gearbeitet habe, sehr vehement für flexiblere Arbeitszeiten einge­setzt, denn ich denke, wo die Vorbereitung stattfindet, wo korrigiert wird, das sollte doch individuell entschieden werden, aber in einem Punkt gebe ich Ihnen zu 100 Pro­zent recht: Wir brauchen Räume! Wenn wir jetzt von Teamteaching sprechen, wenn wir von Schulentwicklung sprechen, dann braucht es auch Vorbereitungsräume, Bespre­chungszimmer. In die Richtung müssen wir auf alle Fälle gehen.

Der zweite Punkt – bei einzelnen Standorten gelingt das schon; aber es sind ja auch Haltungen und Kulturen, die hier wirken –: Ich glaube, wir sollten uns langsam von den traditionellen Konferenzzimmern überhaupt verabschieden. (Beifall bei SPÖ und Grü­nen. – Bundesrat Dönmez: Genau!) Ich würde das ja auch gar nicht als Arbeitsplatz bezeichnen, sondern das sind eher Ablageflächen.

Da gibt es ja genug gute Beispiele, und ich möchte zu dem Thema, welche Beispiele es schon gibt, jetzt auch zu einer Konferenz einladen. Wir können uns Anleitungen von großen Beratungsunternehmen holen, wie die Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiter organi­sieren, die eben nicht ständig am Schreibtisch sitzen, aber dann doch wieder für be­


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stimmte Zeit für Vorbereitung, Nachbereitung Arbeitsfläche brauchen. Das heißt, hier muss es neue Konzepte geben.

Räumlich wird die Situation etwas entspannt durch die demographische Entwicklung, durch den Rückgang der Schülerzahlen, sodass wir in räumlicher Hinsicht nach und nach eine ein bisschen bessere Ausstattung bekommen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Astleitner.

 


Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Meine Zusatzfrage wäre auch in Richtung Arbeitsplätze gegangen, denn das ist ja immer ein Argument bei den Dienstrechtsverhandlungen, und diese Frage haben Sie eigentlich schon beantwortet. – Danke.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Dann kommen wir zur Zusatzfrage von Frau Kollegin Blatnik. – Bitte.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Bundesministerin! Im Rahmen der Beantwortung der Frage der Frau Kollegin Mühlwerth haben Sie meine Zusatzfrage bereits teilweise beantwortet. Ich werde trotzdem auf das Thema etwas genauer eingehen und stelle folgende Frage: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie die Lehrerinnen und Lehrer von nicht dem Unterricht zuzurechnenden Tätigkeiten entlas­ten?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Minister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Durch eine Fülle von verschiedenen Zusatzfunktionen und Tätigkeiten. Es beginnt wirklich schon bei der Sekretärin. Das „schon“ soll nicht abwertend klingen. Ich kann mir ja gar nicht vorstellen, wie eine Schule heute überhaupt funktionieren kann, wenn es nicht einmal jemanden gibt, der das Telefon betreut und Eltern begrüßt. Wir erwarten uns von den Schulen immer mehr Kooperationsprojekte, ob das jetzt Kooperationen mit Sportvereinen oder mit Kulturinitiativen sind. Da brauchen wir einfach viel, viel mehr Personen, die das Administrative hochschätzen und zu ihrer Aufgabe machen. Das ist sicher ein wichtiger Punkt.

Ich trete dafür ein – das spielt dann auch ins Dienst- und Besoldungsrecht hinein –, dass wir nach Funktionen bezahlen, also Bezahlung nach Funktion. Wir müssen hier – Schule ist eine Expertenorganisation – mehr differenzieren. Also wenn wir uns in Zu­kunft erwarten, dass junge Lehrer und Lehrerinnen in ihrem ersten Jahr gut begleitet werden, dann braucht es Mentoren, Mentorinnen, die über eine entsprechende Aus­bildung verfügen. Wenn aber jemand diese Funktion des Mentors wahrnimmt, dann soll sich das auch in der Entlohnung abbilden.

Genauso soll es sein, wenn wir mehr Verantwortung vom Schulleiter fordern. Es liegt heute auch eine Novelle vor, die in diese Richtung geht. Dann müssen wir in Zukunft auch die Schulleiter entsprechend honorieren und bezahlen, sonst werden wir nämlich in Zukunft keine finden. Also in diese Richtung geht es.

Schule ist eine – ich möchte das noch einmal wiederholen – Fachexpertenorganisation, wo man bei 120 000 Lehrern, 5 800 Schulstandorten nicht die Karriere in der Linie bieten kann, aber sehr wohl in der fachlichen Aufgabe. Da spielen PädagogInnenbil­dung, Fortbildung, Dienst- und Besoldungsrecht ganz eng zusammen, verbunden eben auch damit, für die Wahrnehmung von Verwaltungsagenden zum Beispiel Personen mit Handelsakademieabschluss zu beschäftigen. Wir müssen nicht für alle Tätigkeiten Pädagogen und Pädagoginnen einsetzen. In dem Maß können sich diese auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und haben dann vielleicht auch wieder mehr Freude da­ran.

 



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich komme zurück zum LehrerInnendienstrecht. Ist in den aktuellen Ver­handlungen zum LehrerInnendienstrecht vorgesehen, ein Jahresarbeitszeitmodell ein­zuführen, und, wenn ja, wie schaut der Vorschlag des Ministeriums aus?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Frau Minister, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich möchte wegkommen – ich formuliere es jetzt einmal so; jene, die sich im System aus­kennen, wissen, dass ich das jetzt nicht geringschätzig meine – vom „Töpfedenken“, davon, dass es heißt, ich arbeite jetzt im Topf A, im Topf B oder im Topf C, je nach­dem, welche Tätigkeit ich als Lehrer und Lehrerin ausübe. Wenn ich mir bei jeder Tä­tigkeit überlegen müsste, wie ich das abrechne, wie ich das dokumentiere, dann würde mich das lähmen.

Also das heißt, hin zu – egal, ob man das jetzt Jahresarbeitsmodell oder Gesamtar­beitsmodell nennt – Gehältern, die die Leistung abbilden und wo wir etwas wegkom­men von dieser Input-Steuerung, die uns ja durch das ganze Schulwesen begleitet. Das beginnt bei den Werteinheiten, Stellenplänen, Lehrplänen und setzt sich fort in Ab­rechnungen. Wir müssen das ein bisschen befreien und mehr in eine Gesamtbetrach­tung gehen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, und ich bitte Frau Bundesrätin Grimling um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1779/M-BR/2011

„Welche Initiativen setzt das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2011 bei der Kunst- und Kulturvermittlung?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Eine aus meiner Sicht besonders wirksame Maßnahme – und da bin ich sehr froh, dass wir diese im Jahr 2011 fortsetzen können, und ich möchte das auch 2012 so tun – ist mit Sicherheit der freie Eintritt in die Bundesmuseen. Ich war erst gestern in der Wagen­burg, wo wir den 19 000. Besucher unter 19 Jahren begrüßen konnten. Die Museen berichten über steigende Besucherzahlen, interessanterweise nicht nur im Segment der Unter-19-Jährigen, sondern generell, weil durch diese Vermittlungsaktivitäten die Attraktivität insgesamt erhöht wird und ganz, ganz viele Kinder und Jugendliche offen­sichtlich am Wochenende mit den Eltern, mit den Großeltern dann auch ins Museum kommen.

Das heißt, ein wichtiger Schritt ist für mich einmal die Seite der Kunst und Kultur, wo ich sehr froh bin über die Zuständigkeit Bildung, Kunst und Kultur, weil ich die Kultur­einrichtungen motivieren kann, in diese Richtung zu gehen. Ich freue mich, dass sich alle Institutionen nach und nach da einbringen, von der Jungen Burg über die Initiativen beim Volkstheater. Das ist also sehr erfolgversprechend.

Der zweite Punkt, der mir da wichtig ist: Wir haben an der Pädagogischen Hochschule eine neue interessante Ausbildung begonnen, eine Kooperation zwischen Albertina und Pädagogischer Hochschule, wo jetzt Vertreter, Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen des Museums und Lehrer und Lehrerinnen gemeinsam einen Fortbildungskurs machen. Das


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hat mehrere Effekte. Zum einen wird die Kunstvermittlung in den Schulen besser, zum anderen lernen die handelnden Personen einander kennen. Auf diese Weise soll auch da der Brückenschlag Schule – Kunst – Kultureinrichtungen gelingen.

Ein beispielgebendes Projekt haben wir in Graz mit Anna Badora, Schauspielhaus Graz, wo auch Lehrer zu, glaube ich, 50 Prozent am Theater mitarbeiten und auf der anderen Seite eben wieder die Brücke schlagen zu den Schulen. Es finden da Work­shops und Veranstaltungen statt. Das ist in Graz so erfolgversprechend, dass es jetzt in Salzburg seine Fortsetzung findet, auch in Bregenz. Es steigt jetzt auch das Volks­theater in dieses Projekt ein.

Weiters gibt es ganz viele Initiativen: Kunst macht Schule, die Partnerschaften über Kulturkontakt, das Schulkulturbudget, wo die Schulen selbst Künstler und Künstlerin­nen einladen können. Ich möchte gerade hier im Bundesrat auch betonen: Die Kultur­initiativen sind da besonders wichtig, weil sie auf Augenhöhe in regionaler Nähe zu den Schulen Kooperationen anbieten können.

Ich verweise auch auf die Programmkinos, wo wir Vermittlungsinitiativen im Laufen ha­ben. Bei den Filmen geht es zum Beispiel nicht nur darum, gemeinsam ins Kino zu ge­hen, das ist auch gut, aber es werden dann im Anschluss auch Diskussionen mit den Kunstschaffenden oder inhaltliche Diskussionen angeboten. Also eine breite Palette. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Stein­kogler.

 


Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin, Sie haben angekündigt, die Entscheidung bezüglich der Nachbesetzung von Direktor Noever im MAK ohne Auswahlkommission selbst treffen zu wollen. Ist diese bereits erfolgt?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Nein!

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Pirolt.

 


Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Integra­tion ist notwendig. Wie hoch sind die Mittel, welche für Maßnahmen der Integration, für interkulturellen Dialog oder Cultural Mainstreaming aufgewendet werden, und wie ziel­führend sind sie letzten Endes oder am Ergebnis messbar?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Da möchte ich ein bisschen weiter ausholen, weil für mich der interkulturelle Dialog jetzt gar nicht so messbar ist an einer einzelnen Maßnahme, sondern das ist generell, auch wenn wir über das Thema Integration sprechen, ein Thema, das in Wirklichkeit uns alle betrifft, alle in allen Ressorts bei allen Maßnahmen.

Ich möchte da einen Vergleich anstellen – Sie verzeihen, der Vergleich hinkt, aber nur um das etwas deutlich zu machen –: Das ist wie mit dem Thema Qualität. Mit dem Einsatz eines Qualitätsmanagers haben Sie das Thema Qualität einer Institution nicht gelöst, sondern das muss sich jeder Einzelne, der in der Institution ist, zur Aufgabe ma­chen.

Genauso sehe ich das Thema Integration, interkultureller Dialog. Das muss die Auf­gabe von uns allen sein.

Ich habe – das darf ich hier kurz schildern – gerade in den letzten Wochen wieder eine persönliche Wahrnehmung gehabt, die mich sehr nachdenklich stimmt. Es ist über die Universität Graz und die dort angestellten Gedanken, ein Lehramtsstudium Türkisch ein­


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zuführen, die Diskussion entstanden, ob wir Türkisch als zweite lebende Fremdsprache in der Sekundarstufe II als Maturafach anbieten wollen.

Vielleicht nur zur Erklärung: Wir haben ein ganzes Portfolio an Sprachen, das wir als zweite lebende Fremdsprache anbieten, bis hin zu Russisch, Bosnisch, Serbisch, Kroatisch, Rumänisch, also eine ganz breite Palette. Und jetzt ist es darum gegangen, ob Türkisch in diesen Kanon der zweiten lebenden Fremdsprache aufgenommen wird. Es hat niemand davon gesprochen, Deutsch als Unterrichtssprache plötzlich ersetzen zu wollen. Ich bin darauf angesprochen worden – ich glaube, das war bei einem Mi­nisterratsfoyer – und habe gesagt, ja, das müssen wir uns anschauen, ob Nachfrage da ist. Je mehr Sprachen jemand beherrscht, desto besser. Darüber sollte man nach­denken.

Was ich dann in den nächsten Tagen an Post bekommen habe, auch an E-Mails! Da ist es aber nicht mehr um die Frage gegangen: Soll Türkisch zweite lebende Fremd­sprache werden?, sondern da wurden ganz andere Bilder transportiert. Und das zeigt mir, wenn wir über interkulturellen Dialog sprechen, wenn wir über Integration spre­chen, dann müssen wir uns vor allem auch mit der aufnehmenden Gesellschaft befas­sen, mit den – unter Anführungszeichen, ich formuliere es jetzt so – „Österreichern und Österreicherinnen“, auch mit ihren Sorgen und Ängsten, und müssen vielleicht über­haupt generell das Thema Zusammenleben entsprechend artikulieren und zur Sprache bringen. Und da hat für mich die Schule eine ganz wichtige Aufgabe. Daher sehe ich, vor allem auch was Kunst-/Kulturprojekte betrifft, sehr viele Anknüpfungspunkte auch zum interkulturellen Dialog.

Oder denken Sie an die Ethik-Enquete, die wir vor acht Tagen im Parlament gehabt haben. Es geht genau in Richtung des Dialogs, der Auseinandersetzung, aber vor al­lem auch der Wertschätzung der Kulturen. Daher tue ich mir ein bisschen schwer da­bei, das jetzt auf Einzelmaßnahmen herunterzubrechen, sondern das müssen wir ge­samthaft sehen. Die Frage ist: Wo finden wir den Zugang? Wo kann hier der Anschub gelingen?

Für mich ist ein wesentlicher Ort dabei die Schule. Und da müssen wir, auch was die Schulpartnerschaft betrifft, gerade auch die Elternvereine motivieren, auch die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund gut zu integrieren und mit einzubeziehen.

Es sind hier beide Seiten gefordert, aber ich glaube, wir müssen vor allem auch die aufnehmende Gesellschaft stärken, im Sinne der Wertschätzung, des Respekts und der Bewusstseinsbildung. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Köberl um deren Verlesung.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesminister, meine Frage lautet:

1782/M-BR/2011

„Wie stellen Sie beim Ausbau von ganztägigen Betreuungsangeboten in unseren Schu­len in den kommenden Jahren sicher, dass bei den Angeboten auch auf regionale Ge­gebenheiten, insbesondere die Einbindung von Vereinen aus Sport oder Kultur, Rück­sicht genommen werden kann?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wir sind jetzt gerade dabei, auch mit den Bundesländern, mit Städte- und Gemeindebund, ein Gesamtpaket auszuarbeiten, Ausweitung der ganztägigen Schulangebote. Die Koope­


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ration mit den Vereinen, mit den Musikschulen, Sportvereinen, Kulturinitiativen ist da ein ganz wesentlicher Bestandteil. Wir dürfen, wie ich meine, im Interesse der Kinder, der Schüler und Schülerinnen gar nicht auf diese Vielfalt der Möglichkeiten verzichten.

Was tun wir von den Rahmenbedingungen her? – Wichtig scheint mir die Qualifikation der Personen, die zum Beispiel im Kunst- und Kulturbereich arbeiten, die in den Sport­vereinen arbeiten, zu sein. Wir haben schon berufsbegleitende Lehrgänge an den Pä­dagogischen Hochschulen im Angebot zum Freizeitpädagogen, sodass die Aufgabe dann auch direkt an den Schulen wahrgenommen werden kann. Wichtig wird natürlich auch die Finanzierung sein. Da werden die Schulerhalter im Wege der Anschubfinan­zierung, Artikel-15a-Verträge, die wir jetzt gerade dabei sind zu verhandeln, auch Mittel des Bundes zur Verfügung gestellt bekommen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Als einer, der aus einer Gemeinde kommt, wo es schon solch ein Ganztagsangebot gibt, frage ich: Was bedeutet dieser Ausbau für schon derzeit bestehende Betreuungseinrichtungen von Gemeinden?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Das ist ein sehr guter Punkt, weil wir natürlich zusätzliche Tagesbetreuungsplätze haben wol­len. Aber selbstverständlich sind in dieser Anschubfinanzierung, das wird dann über die einzelnen Bundesländer abgewickelt werden, natürlich auch Refundierungskosten, was das Personal betrifft, für den einen Teil enthalten. Was also zum Beispiel ver­schränkte Formen betrifft, Lehrereinsatz, habe ich im Bundesbudget entsprechend vor­gesorgt. Freizeitpersonal wird dann über die Schulerhalter finanziert werden.

Ich möchte auf einen Punkt besonders hinweisen, der uns, glaube ich, auch noch be­schäftigen wird, der auch gestern am Abend bei einer Diskussion zur Sprache gekom­men ist. Wir wollen ja das Ganze im Wege einer angebotsorientierten Bildungspolitik organisieren, das heißt, nicht Ganztagsschule an jedem Schulstandort, sondern – wir haben das gemeinsam so formuliert – das Angebot für die Eltern, das in Anspruch zu nehmen.

Da müssen wir uns aber – ich weiß, dass das eine heikle Diskussion ist – auch über das Thema Sprengel unterhalten, denn Wahlfreiheit für die Eltern heißt, dass ich wäh­len kann. Dann muss ich aber auch zwischen einzelnen Standorten wählen können, aber nicht, gibt es Nachmittagsbetreuung, ja oder nein. Das wäre mir dann zu wenig des Angebots und würde nicht meinem Verständnis einer angebotsorientierten Bil­dungspolitik entsprechen.

Wir haben das Thema nicht in Wien, weil ja Wien quasi ein Schulsprengel ist, aber selbstverständlich und insbesondere im ländlichen Raum. Darüber müssen wir, wie ich meine, wirklich noch intensive Gespräche führen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Posch-Gruska.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Ministerin! Bevor ich Ihnen die Zusatzfrage stelle, möchte ich mich wirklich für diese vielen innova­tiven Projekte bedanken, die an unseren Schulen für unsere Schülerinnen und Schüler durchgeführt werden. Es war jetzt wirklich absolut toll, Ihnen zuzuhören und zu hören, was alles geschieht.

Ich würde gerne wissen – einen Teil haben Sie schon beantwortet –: Welche Neue­rungen gibt es im Freizeitteil der schulischen Tagesbetreuung? Einen Teil haben Sie schon erwähnt, aber vielleicht gibt es noch etwas.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau


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Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Der wichtigste Teil aus meiner Sicht ist die Öffnung der Schule, um regionale Angebote bestmöglich zu nützen. Wichtig wird in diesem Zusammenhang die Ausbildung zum Freizeitpädagogen berufsbegleitend an den Pädagogischen Hochschulen sein. Ich weiß schon von ganz vielen Vertretern der Kulturinitiativen, der Sportvereine, dass sie sich auf diese Möglichkeit freuen. Wir müssen das ja auch anders sehen: Das bedeutet natürlich auch Einkommensmöglichkeiten für die betroffenen Personen. Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt ist.

Ich möchte auf einen Punkt noch einmal zu sprechen kommen: auf regionale Beson­derheiten Rücksicht nehmen. Ich glaube, das ist ein Schlüssel zum Erfolg.

Es geht möglicherweise in der jetzigen Zeit gar nicht mehr so sehr darum, wieder et­was Neues zu erfinden und etwas Neues zu gründen, sondern wir leben jetzt, so denke ich, in einer Phase, wo es darum geht, die Stärken zu verbinden.

Ich war vor Kurzem in Oberösterreich, in Stadl-Paura. Es gibt dort ein europaweit be­kanntes Pferdezentrum, wo man die Ausbildung zum Pferdewirt und zum Reitwart ma­chen kann. Und in Lambach gibt es eine Handelsakademie. Lambach ist von Stadl-Paura 4 Kilometer entfernt. Es ist jetzt durch eine Kooperation dieser beiden Einrich­tungen gelungen, eine Ausbildung zum Pferdewirtschaftsmeister mit Handelsakade­mie-Matura anzubieten. Beide Institutionen sind dort. Es muss nichts neu gegründet werden, aber die beiden kooperieren. Es gibt jetzt ein, wie ich meine, europaweit ein­zigartiges Angebot, und die Nachfrage bestärkt mich.

Wir sind mit der Staatsoper in Kontakt, was das Ballett betrifft, ob wir nicht auch die Zu­sammenarbeit von Ballett und Ballettschule professionalisieren und wieder zu etwas Einzigartigem machen.

Ich glaube, genau darum geht es: zu schauen, wo Stärken in einer Region sind.

Ich war vor Kurzem in Gleisdorf, wo jetzt sehr, sehr viele innovative Unternehmen an­gesiedelt sind, die kaum Lehrlinge finden. Es gibt ein Gymnasium mit einem sehr enga­gierten Direktor, der sich jetzt mit ein paar Unternehmern zusammengetan hat. Wir ar­beiten jetzt daran, dass man Gymnasium und eine fachpraktische Ausbildung machen kann.

Dorthin müssen wir. Dafür müssen wir aber auch die Schulen befähigen, solche Ko­operationsprojekte leisten und dann auch abwickeln zu können.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Minister, ver­stehen Sie unter dem Ausbau von ganztägigen Betreuungsangeboten in unseren Schu­len auch die Ganztagsschule mit verschränktem Unterricht?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ja, es soll beides möglich sein. Gerade für berufstätige Eltern ist, denke ich, die verschränkte Form als Angebot sehr, sehr attraktiv, weil hiebei Lernen und Freizeit auch besser über den Tag verteilt werden können.

Das setzt dann allerdings schon eine All-in-Betrachtung voraus, während die andere Variante ja ein individuelleres Eingehen ermöglicht: Der eine geht in die Musikschule, der andere ist – ich weiß es nicht – im Tennisklub oder spielt Fußball.

Bei einer Ganztagsschule muss man das schon stärker als Campus entwickeln. Das ist dann ein – ich sage einmal – zwar in sich flexibleres, aber vom Angebot her standardi­sierteres Modell.

 



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Lindinger um deren Verlesung.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1780/M-BR/2011

„Wie viele budgetäre Mittel werden für den Ausbau der schulischen Tagesbetreuung zur Verfügung gestellt?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich möchte schon betonen, dass wir im Jahr 2006 67 000 Betreuungsplätze hatten und jetzt im schulischen Bereich bei etwa 100 000 Betreuungsplätzen sind. Wir haben in den letzten Jahren schon einiges investiert. Da geht es um Lehrerpersonal, aber natür­lich sind auch für die Schulerhalter entsprechende finanzielle Mittel notwendig.

Im Bundesbudget vorgesehen haben wir 80 Millionen €, jetzt auch im Bundesfinanz­rahmengesetz, und ich freue mich, dass diese 80 Millionen €, die in Loipersdorf bis zum Jahr 2014 beschlossen wurden, ein Jahr weitergehen und auch im jetzigen Budgetrah­men budgetiert sind.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Welche legistischen Verbesse­rungen sind hier geplant?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wir ha­ben jetzt gerade ein ganzes Bündel von Novellen zum Thema Attraktivierung der ganz­tägigen Schulangebote in Begutachtung. Wichtig ist hiebei vor allem – und da denke ich auch an den ländlichen Raum –, dass die Angebote auch schulartenübergreifend möglich sein sollen, also in Volksschule und Hauptschule in einer Gemeinde zum Bei­spiel. Warum soll man nicht gemeinsam etwas entwickeln und anbieten?

Es sollten – das ist schon ein erster Schritt zur Überwindung der Sprengelgrenzen – auch über Gemeindegrenzen hinweg Kooperationen möglich sein.

Ein großer Wunsch der Eltern ist es, dass der Freitag von den Abholzeiten her flexibler gestaltet wird, also dass man nicht starr bis 16 Uhr bleiben muss, sondern sich schon ein bisschen früher ausklinken kann.

Wichtig natürlich für die Qualität, aber auch für die Quantität ist die Senkung der Tei­lungszahlen, also der Gruppengröße. Wir haben geplant, von 15 auf 12 Schüler und Schülerinnen, die sich anmelden, herunterzugehen. Ich hoffe, dass da auch das Fi­nanzministerium mitzieht.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wie ist der Stand der dazu erforderlichen Verhandlungen bezüglich der Artikel-15a-Vereinba­rung mit den Ländern?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wir sind mitten dabei. Es finden jetzt nahezu täglich Gespräche statt, was den Artikel-15a-Ver­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 45

trag betrifft. Die Rückmeldungen auf Bearbeitungsebene sind sehr, sehr positiv. Ich hoffe sehr, dass ich einen in den Vorrunden schon akkordierten Entwurf Anfang nächs­ter Woche auch offiziell verschicken kann und dass dann in den Vorgesprächen schon so viel berücksichtigt wurde, dass wir zügig zur Umsetzung schreiten können. Ich bin zuversichtlich.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich begrüße sehr herzlich die Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse aus St. Georgen am Walde aus dem Bezirk Perg. Herzlich will­kommen hier im Bundesrat!

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die finanzielle Situation haben Sie ausreichend beantwortet, auch die legistische. Es gibt aber wahrscheinlich auch noch eine offene personelle Fra­ge. Es gibt schon Bundesländer, die heute über Lehrermangel klagen. Das wird sich bei einer flächendeckenden Einführung der Neuen Mittelschule möglicherweise noch verstärken.

Ist von Ihrer Seite angedacht, für diese Tagesbetreuung auch Nicht-Lehrer einzu­setzen?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Das ist ein ganz wichtiger Punkt – ich habe vorhin vergessen, das noch anzuführen –, der auch in den Gesetzesnovellen zur Begutachtung ausgesendet wurde, nämlich Einsatz von Freizeitpädagogen/Freizeitpädagoginnen mit entsprechender Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen. Das ist ein Schlüssel, um hiebei erfolgreich tätig zu sein. Ich glaube, es bringt auch ein bisschen Abwechslung.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Wenger um deren Verlesung.

 


Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1783/M-BR/2011

„Wie hoch ist – ausgehend vom vorliegenden Evaluierungsbericht – das Potenzial bei den Bundestheatern, das im System eingespart und stattdessen in die Kultur und in das Programm investiert werden könnte?“

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich darf bei der Beantwortung ein bisschen ausholen. Es ist nämlich diese Evaluierung, die der­zeit im Laufen ist, die bisher größte und intensivste Evaluierung eines Kulturbetriebes, eines Kulturkomplexes – so muss man fast sagen –, etwa zehn Jahre nach der Aus­gliederung. Es umfasst alle Bereiche, also sowohl den Bereich der Bundestheater-Hol­ding als auch die „ART FOR ART“, die Bühnengesellschaft, und natürlich die Theater­gesellschafen selbst.

Allein der Prozess ist schon ungeheuer wertvoll, weil die Gesellschaften intensiv einge­bunden sind und mitarbeiten. Ich freue mich sehr – ich möchte das an dieser Stelle auch sagen –, dass dieses gemeinsame Regierungsprojekt – denn die Evaluierung der Bundestheater ist ja auch ein Teil des Regierungsprogramms – in so guter Abstim­mung auch mit der Kultursprecherin der ÖVP, Frau Fuhrmann, gelingt. Wir sind nahezu wöchentlich in einem Austausch.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 46

Wir haben jetzt die Rohberichte. Die aktuelle Aufgabenstellung richtet sich an die Hol­ding, diese Berichte auszuwerten, mit Maßnahmen zu versehen, sie auch zu quantifi­zieren.

Das Ziel haben Sie klar angesprochen: möglichst viel Kraft und Finanzmittel in die Kunst und Kultur. Wir erwarten uns bis zum Sommer die entsprechenden Ausarbeitun­gen der Holding.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Wenger.

 


Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin, für den Fall, dass Sie im „NEWS“-Magazin vom 17. März 2011 richtig zitiert sind und aufgrund der Bun­destheaterevaluierung bereits jetzt zu dem Schluss kommen, dass eine höhere Basis­abgeltung notwendig sein wird: Wie werden Sie demzufolge Ihr Ressort budgetär um­gestalten, um die notwendigen Mittel hiefür zur Verfügung zu stellen? – Laut Bericht von „NEWS“.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Da muss man jetzt einmal abwarten, was bei den Endberichten herauskommt und wie die Vor­schläge ausschauen.

Klar ist – ich als Kulturministerin muss das tun –, dass wir für Kunst und Kultur ent­sprechende Finanzmittel vorsehen müssen. Wir haben gerade bei den großen Institu­tionen, ob das die Bundesmuseen oder die Bundestheater sind, 80 bis 90 Prozent an Personalausgaben, wo wir schon allein durch die Gehaltssteigerungen in entsprechen­den Kostendruck kommen.

Das heißt, wir werden das dann gesamthaft bewerten. Und ich hoffe, wir schaffen das alles so, dass eines nicht passiert: ein Einschnitt beim künstlerischen Angebot.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich orte heute bei den Fragen manchmal ein Sinnesproblem: Einmal wird Lehrermangel festgestellt und nun wird gefragt, ob die Bundestheater in Kultur investieren. Das ist so, als ob die Voest in Stahl oder die OMV in Erdöl investieren soll – und das bei einer 98-prozentigen Auslastung. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber möglicherweise geht es auch darum, ein bisschen Sand ins Getriebe eines ko­operativen Prozesses zu bringen, der ja von Effizienzanalyse, Planungseffizienz und auch Pouvoir-Abgrenzungen ...

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte zur Zusatzfrage zu kommen!

 


Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): ... innovativen Prozess, in welchen Be­reichen er stattfindet und wie die weiteren Schritte der Evaluierung sind, noch ein biss­chen ausführlicher berichten?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Vom Procedere läuft das, denke ich, ähnlich wie externe Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer ab. Wir haben ein Team beauftragt, die Evaluierung im Auftrag der Bundesregierung durchzuführen. Es sind Rohberichte erarbeitet worden.

Was mir aber jetzt ganz wichtig ist – und da gilt mein großer Dank vor allem den Büh­nengesellschaften –, ist, dass dieses gemeinsame Erarbeiten der Datengrundlage auch mit den Vertretern und Vertreterinnen der Bühnengesellschaften erfolgt ist. Das heißt,


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 47

wir werden dann einen Endbericht haben, wo wir uns nicht mehr unterhalten werden, ob die Zahlen stimmen oder nicht, sondern wo die Holding dann konstruktiv in Gesprä­che eintreten kann.

Sie haben vollkommen recht: Da geht es natürlich vor allem und in erster Linie auch um organisatorische Fragen, Ablauffragen, Planungsprozesse, Abstimmungsgesprä­che. Darum ist neben dem Fachlichen hiebei die Haltung so wichtig, dass das keine Evaluierung gegen jemanden ist, sondern mit dem gemeinsamen Ziel, eine gute Grundlage zu haben, die dann so gut ist, um mehr Budget darstellen zu können, bezie­hungsweise die uns Hinweise gibt, wo man das eine oder das andere besser machen kann.

Darum ist es wichtig, festzustellen: Das ist keine Evaluierung gegen jemanden, son­dern die Absicht ist, stärker, noch besser zu werden. Ich freue mich, dass sich alle hier so einklinken.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin, welche konkreten Posten sollen eingespart werden? Ist Ihnen das vielleicht schon bekannt? Es steigen ja diverse Kostenfaktoren, wie Personalkosten, Gebäudeerhaltungskosten. Oder müssen Sie nicht doch darauf zurückgreifen, dass am Programm, am operativen Bud­get eingespart werden muss?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Sie haben hier jetzt meine Ausführungen gehört. Bis zum Sommer werden diese Evaluie­rungsberichte von der Holding entsprechend bewertet. Dann wird man über Maßnah­men gemeinsam nachdenken. Es sind kein Streichkonzert und keine Kürzung geplant. Wir sind ein Kulturland, und darauf sollten wir stolz sein. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin, wie hoch werden die Kosten der Bundestheaterevaluierung sein? Gibt es da schon konkrete Zahlen, auch wenn diese noch nicht abgeschlossen ist? Seit 2007 wird ja evaluiert.

Und wenn ich mir noch eine kleine Zusatzfrage erlauben darf: Wann wird der Bericht vorliegen?

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen die genaue Zahl schriftlich bekannt geben. (Bundesrat Dönmez: Ich bitte darum!) Ich möchte jetzt nicht etwas sagen, wovon ich dann mög­licherweise abweiche.

Was war der zweite Punkt? (Bundesrat Dönmez: Wann der Bericht ...!) – Ja. Derzeit haben wir den Status Rohbericht. Es wird bis zum Sommer zu jedem Teilbericht Kurz­berichte geben, die auch publiziert werden.

Ich möchte an der Stelle aber auch sagen: Das sind Hunderte Seiten, quasi bis hinein in Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Also da geht es in eine Detailanalyse unserer Theaterunternehmen. Das jetzt mir nichts, dir nichts zu publizieren und ins Netz zu stellen, könnte für die Bühnengesellschaften auch im internationalen Vergleich zu Nach­teilen führen, könnte sie beeinträchtigen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 48

Daher werden wir – wir stimmen das auch noch mit der Finanzprokuratur ab, wie die korrekte Vorgangsweise ist – natürlich jede parlamentarische Anfrage beantworten, das ist völlig klar, und einen Kurzbericht veröffentlichen, aber im Interesse der Gesell­schaften nicht in allen Details.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke. – Die Fragestunde ist beendet.

11.27.32 Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2589/AB bis 2594/AB und jenes Schreibens des Bundeskanzlers betreffend die Amtsenthebung und die gleichzeitige Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretären durch den Herrn Bundes­präsidenten

beziehungsweise

jenes Schreibens der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG be­treffend die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Fürstentum Liechtenstein über ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

sowie der Mitteilungen des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramts betreffend

den Aufenthalt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich am 12. Mai 2011 innerhalb eines EU-Mit­gliedstaates bei gleichzeitiger Wahrnehmung seiner Angelegenheiten gemäß Artikel 73 Abs. 3 B-VG durch den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle

und

den Aufenthalt der Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner vom 11. bis zum 15. Mai 2011 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung von Mitgliedern der Bundes­regierung sowie eines Staatssekretärs und einer Staatssekretärin sowie gleichzeitige Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretären:

                                                                                          „BUNDESKANZLERAMT: ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Gottfried KNEIFEL

Parlament                                                                                                          GZ 350.000/0002-1/4/11

1017 Wien                                                                                                         Wien, am 21. April 2011


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 49

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 21. April 2011, GZ 210.010/1-BEV/11, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungsgesetz den Bundesminister für Finanzen und Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef PRÖLL, die Bundesministerin für Inneres Dr. Maria FEKTER, die Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia BANDION-ORTNER, die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Dr. Beatrix KARL, den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold LOPATKA und die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Mag. Verena REMLER von ihren Ämtern enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Ab­satz 1 den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Mi­chael SPINDELEGGER zum Vizekanzler, Frau Dr. Maria FEKTER zur Bundesminis­terin für Finanzen, Frau Dr. Beatrix KARL zur Bundesministerin für Justiz, Frau Mag. Johanna MIKL-LEITNER zur Bundesministerin für Inneres und Herrn Dr. Karl­heinz TÖCHTERLE zum Bundesminister für Wissenschaft und Forschung ernannt.

Ferner hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Dr. Wolfgang WALDNER zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäfts­führung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten beigegeben sowie Herrn Sebastian KURZ zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur par­lamentarischen Vertretung der Bundesministerin für Inneres beigegeben.

Mit besten Grüßen“

*****

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                            „BUNDESMINISTERIUM

                                                                                                                                              FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Gottfried Kneifel

Parlament                                                                                                              Wien, am 6. Mai 2011

1017 Wien                                                                                    GZ: BMF-010221/0511- IV /4/2011

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 99. Sitzung des Ministerrates am 3. Mai 2011 Verhand­lungen mit dem Fürstentum Liechtenstein zum Abschluss eines Abkommens zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Insbesondere aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Gesamtrevision des derzeit in Geltung befindlichen Abkommens (BGB!. Nr. 24/1971) - unter anderem zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informations­austauschs von Bankauskünften - als erforderlich herausgestellt.

Mit freundlichen Grüßen“

*****


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 50

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT: ÖSTERREICH

Mag. Stephan Leitner

MINISTERRATSDIENST

                                                                                                                                                 Abteilungsmail:

                                                                                                      Sachbearbeiterin:Gabriele MUNSCH

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

                                                                                                              Telefon:01/53115/2217 bzw 2264

                                                                                                                                          Datum:5. Mai 2011

An den

Präsidenten des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl. lng. Nikolaus BERLA­KOVICH am 12. Mai 2011 in Brüssel aufhalten wird. Seine Angelegenheiten im Bun­desrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG lässt er an diesem Tag durch Bundesminister Dr. Karlheinz TÖCHTERLE wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

„BUNDESKANZLERAMT: ÖSTERREICH

Mag. Stepnan LEITNER

MINISTERRATSDIENST

                                                                                                       Geschäftszahl: 350.200/0069-1/4/11

                                                                                                                                                 Abteilungsmail:

                                                                                                    Sachbearbeiterin: Gabriele MUNSCH

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

                                                                                                            Telefon:01/531 15/2217 bzw. 2264

                                                                                                                                       Datum:10. Mai 2011

An den

Präsidenten des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bundesministe­rin für Inneres Mag. Johanna MIKL-LEITNER innerhalb des Zeitraumes vom 11. (abends) bis 15. Mai 2011 in Brüssel aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Darüber hinaus ist der 34. Bericht der Volksan­waltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2010) eingelangt, der dem Ausschuss für Bür­gerInnenrechte und Petitionen zur Vorberatung zugewiesen wurde.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 51

11.29.00 Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Kneifel, Klug, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bun­desrates vor, die Jahresvorschau des BMWF 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogramms des Rates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Kneifel, Klug, Kolleginnen und Kolle­gen, gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates die gegenständliche Jahresvorschau des BMWF 2009 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittel­bar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, die gegenständliche Jahresvorschau ohne Vorberatungen durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist mit der erforderlichen Zweidrit­telmehrheit angenommen, und diese steht somit als Tagesordnungspunkt 17 in Ver­handlung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, 4 und 5, 7 und 8, 10 und 11, 16 und 17, 18 und 19 sowie 20 und 21 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist ebenfalls nicht der Fall. Wir wer­den daher so vorgehen.

11.31.441. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz geändert wird (1113 d.B. und 1141 d.B. sowie 8484/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Schulunterrichtsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem das Schulun­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 52

terrichtsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 112/2009, geändert werden (1112 d.B. und 1142 d.B. sowie 8485/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966 geändert werden (1114 d.B. und 1140 d.B. sowie 8486/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kom­men zu den Punkten 1 bis 3, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 1 bis 3 ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte um die Berichte.

 


11.33.01

Berichterstatter Mag. Christian Jachs: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Ich bringe die Berichte des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz geändert wird;

zweitens betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, geändert werden;

drittens betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 geändert werden.

Nach Beratung der Vorlagen im Ausschuss stelle ich jeweils den Antrag, gegen die Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.33.23

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Wir haben jetzt drei Tagesordnungspunkte vor uns. Punkt 1 be­trifft das Schulaufsichtsgesetz, das ja eigentlich im Moment noch ein Vorläufer ist, denn: Das klingt zwar ganz gut, und es wird in schönen Worten dargelegt, wie toll alles werden soll, aber fix ist eben noch nix. Die Details müssen erst ausverhandelt werden.

Wir meinen allerdings, wenn man jetzt von einigen Punkten absieht, die tatsächlich neu sind, dass die bestehende Schulaufsicht bloß ein neues Namensschild bekommt und in Zukunft halt „Qualitätsmanagement“ heißt, was aber noch nicht so viel aussagt.

Wenn ich mir die Regierungsvorlage anschaue, so heißt es da: „Planungs- und Be­richtswesen: Sowohl die Schulen als auch die Ebenen der Schulverwaltung haben sich Ziele zu setzen, Maßnahmen zu formulieren und die Zielerreichung laufend zu überprü­fen. ... Zielvereinbarungen mit dem Qualitätsmanagement“ zu treffen.

Bei der Zielvereinbarung heißt es dann: Diese „werden zwischen der Unterrichtsminis­terin und den Qualitätsmanagerinnen und -managern auf Ebene der Landesschulräte, zwischen den Letztgenannten und den Qualitätsmanagerinnen und -managern auf Ebe­ne der Bezirksschulräte sowie zwischen den Qualitätsmanagerinnen und -mana­gern und den Schulleiterinnen und -leitern nach dem Prinzip der dialogischen Führung getroffen.“

Und dann geht es weiter zur Evaluierung: „Die Evaluierung hat unter Einbeziehung ex­tern erhobener Daten und der Rückmeldungen externer Experten im Sinne von ,Peers‘ oder ,Critical Friends‘ (zB qualifizierte Vertreter und Vertreterinnen anderer Einrichtun­gen des Bildungswesens oder Pädagogischer Hochschulen) nach definierten Qualitäts­standards zu erfolgen.“ – Und so weiter und so fort.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 53

Da zeigt sich schon, dass entgegen den Aussagen auch im Ausschuss nicht weniger Verwaltung stattfinden wird, sondern noch ein Vielfaches mehr auf die Schulen zukom­men wird.

Sie, Frau Ministerin Schmied, wollen eine Output-Steuerung. Das ist ja grundsätzlich richtig. Allerdings wird dieser Output – zumindest nach dieser Vorlage – wieder in ein sehr starres Korsett gezwängt. Und letzten Endes ist die Befürchtung, dass vieles beim Alten bleibt.

Was nicht angesprochen wird, gerade was das Qualitätsmanagement anbelangt, ist, dass das parteipolitisch geprägte System nach wie vor erhalten bleibt. Hier wünsche ich mir ja seit Jahren – und nicht nur ich oder die FPÖ –, dass endlich einmal diese Er­starrung aufgebrochen wird, nämlich dass nicht an erster Stelle das Parteibuch ent­scheidet und dann vielleicht die Qualifizierung (Bundesrat Boden: Das haben wir jah­relang erlebt in der FPÖ!), sondern dass es umgekehrt ist und das Parteibuch kein Ausschließungsgrund ist. Aber an erster Stelle sollte jedenfalls die Qualifizierung ste­hen. (Bundesrat Stadler: Die dünne Personaldecke der FPÖ haben wir ja gesehen in den vergangenen Jahren!)

Noch einmal zu einer wesentlichen Kritik, weil es sich so widerspricht. Einerseits sagt man, den Schulen sollen mehr Freiräume zugestanden werden, was ja grundsätzlich richtig wäre, denn ich denke, sie können das schon – natürlich mit Begleitung, und na­türlich dürfen sie nicht sich selbst überlassen bleiben. Aber es sollte dann bei diesen Freiräumen auch bleiben. Stattdessen wird ihnen aber immer wieder eine Legitima­tionsverpflichtung abverlangt.

Heute ist ja gerade in der Fragestunde das Wort „Evaluierung“ schon so oft gefallen; das ist ja überhaupt ein sehr beliebtes Wort, das bei allen möglichen Gelegenheiten angewendet wird. Und da darf jetzt ich Professor Konrad Paul Liessmann zitieren, der ja immer auch ein Querdenker ist und die Dinge etwas anders sieht, und ich finde, da hat er recht. Er hat in einer kritischen Analyse schon 2009 gesagt, und da zitiere ich jetzt:

„Evaluation gehört mit Begriffen wie Qualitätssicherung und Qualitätsoffensive, Interna­tionalisierung und Effizienz, Elitenbildung und Forschungsoffensive, Wettbewerb und Wissensbilanz, Drittmittel und Projektorientierung, Bologna-Architektur und PISA-Stu­die zu jenen Zauberworten, die gegenwärtig das bildungspolitische Denken in einer Weise blockieren, die es kaum mehr erlaubt, zu erkennen, was sich hinter dieser Be­griffsinflation tatsächlich verbirgt.“ – Zitatende.

Und da hat er recht! Also ich denke, wir sollten in unserem Drange, alles evaluieren zu wollen und alles kontrollieren zu wollen, vielleicht etwas zurückstecken. Ich sage nicht, es braucht keine Kontrolle. Ich sage auch nicht, man muss sich die Dinge nicht an­schauen, wie sie sich entwickelt haben und ob es den gewünschten Erfolg bringt be­ziehungsweise ob es so ist, wie es ursprünglich gedacht war. Aber ich glaube wirklich, dass da fast schon ein Regulierungswahn bei uns stattfindet.

Der Tagesordnungspunkt 2 ist ja mit dem Tagesordnungspunkt 1 unter einem zu se­hen, wo unter anderem die Aufgaben der Schulleitung definiert sind. Und da, muss ich sagen, habe ich mich beim Lesen schon gewundert, weil ich mir gedacht habe, alles, was da drinnen steht, müssen ja die Schuldirektoren jetzt schon machen, das ist ja wirklich nichts Neues. Dass es vielleicht einige nicht tun, ist wieder eine andere Sache. Da wäre die bisherige Schulaufsicht schon gefragt gewesen – und die ist auch sehr un­terschiedlich. Es hängt auch bei der jetzigen Schulaufsicht sehr davon ab, wie enga­giert ein Schulaufsichtsbeamter ist und wie sehr er sich um die Schulen, die er zu be­treuen hat, kümmert. Es gibt auch welche, die tun nichts! Wir wissen das von den Di­rektoren.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 54

Was ich gut finde und was für mich hier neu ist, ist der Aufbau einer Feedback-Kultur, die ich jetzt auch gemeinsam mit dem Qualitätsmanagement sehe, aber wo ich schon lange der Meinung bin, dass das die Direktoren ohnehin tun sollten. Es wundert mich, dass das jetzt erst kommt, denn im Grunde genommen ist der Direktor der Erste, der seine Lehrer sieht, ihnen bei ihrer Arbeit zuschauen sollte und ihnen ein entsprechen­des Feedback geben sollte – im Positiven wie im Negativen. Daran fehlt es nämlich sehr. Der Lehrer ist meistens ein Einzelkämpfer in einer Klasse, entweder kommt er gut zurecht oder nicht so gut zurecht, aber kaum jemand sagt ihm: Das hast du gut ge­macht, das läuft toll, und dort hast du Defizite, und da musst du auch etwas tun!, denn da gehört ja auch die Verpflichtung dazu, dass derjenige dann entsprechende Kurse besucht, um seine Defizite auszugleichen. Niemand ist perfekt, jeder hat irgendwo sei­ne Schwachstellen. Aber das wäre die erste Aufgabe des Direktors. Das ist durchaus etwas Positives.

Allerdings ist das leider in diesem Gesetz nicht so klar, es ist eine Nicht-Fisch-und-nicht-Fleisch-Regelung: Die Direktoren sollen mehr tun, ja, gleichzeitig wird ihnen in irgend­einer Form wieder das Misstrauen ausgesprochen, weil die Kontrolle wieder überbor­dend ist, womit ich wieder beim Tagesordnungspunkt 1 bin. Und da frage ich Sie schon: Glauben Sie nicht, dass Ihre Direktoren das können, was Sie von ihnen verlangen?

Ich gehe jetzt einmal im positiven Sinne davon aus – wiewohl ich weiß, dass es manchmal nicht so ist, aber ich gehe einmal davon aus –, dass die Direktorinnen und Direktoren ihre Arbeit gut machen. Ich war immer schon der Meinung, dort, wo es nicht der Fall ist, sollte man sie auch wieder abziehen, und zwar innerhalb dieser fünf Jahre, die ihnen gegeben sind. Aber wenn, dann sollten wir sie schon arbeiten lassen und nur so viel kontrollieren, wie unbedingt nötig ist.

Der dritte Tagesordnungspunkt betrifft das Dienstrecht. Die Regierungsvorlage zielt einzig und allein darauf ab, dass die Landeslehrer auch auf der Bundesebene unter­richten können, weil sich offensichtlich nicht genügend AHS-Lehrer finden, die in den Neuen Mittelschulen unterrichten wollen.

Weil in dem Gesetz steht, dass für „Unterrichtstätigkeiten im Bereich der Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Bundesschulen bis einschließ­lich der 8. Schulstufe und der Betreuung von körper- und sinnesbehinderten Schülerin­nen und Schülern“ eine Mitverwendung erfolgen darf, möchte ich schon auf eines hin­weisen, gerade was den sonderpädagogischen Förderbedarf anbelangt: Der sonderpä­dagogische Förderbedarf ist mit 2,7 Prozent gedeckelt. Wien sagt – ich bin ja nicht oft mit Wien einer Meinung, aber in dem Fall schon –, der Wiener Stadtschulrat sagt, dass die Schulen, seit das von Bundesministerin Gehrer gedeckelt worden ist, einen gleich bleibenden tatsächlichen Stand von 4,4 Prozent an SPF haben.

Jetzt frage ich mich: Wo ist da die soziale Wärme der SPÖ geblieben, die immer so viel beschworen wird, diese Deckelung entsprechend dem Bedarf anzuheben? Denn es gibt andere Bundesländer, die durchaus ähnliche Probleme haben, es kommen bei Weitem nicht alle mit den 2,7 Prozent aus. Jetzt kann man natürlich darüber disku­tieren, bis zu welchem Grad dieser sonderpädagogische Förderbedarf notwendig ist, was darunter im Detail zu verstehen ist, wo man ihn wirklich braucht und wo es viel­leicht andere Möglichkeiten gibt. Aber Tatsache ist, dass es hier ein Riesenproblem gibt, das die SPÖ bis jetzt überhaupt nicht bereit war aufzugreifen. Ich glaube, hier soll­te man tätig werden.

Zusammenfassend sind wir bei allen drei Regierungsvorlagen nicht davon überzeugt, dass sie so gut sind, wie sie sich darstellen. Wir meinen, sie sind nicht genügend, und deshalb werden wir dagegen stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.43



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 55

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grim­ling. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.43.49

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die österreichische Schulgesetzgebung unterliegt seit Jahren dem Bestreben um tiefgrei­fende Reformen. Eine umfassende Neuordnung mit den Schwerpunkten gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen und modernes Lehrerdienstrecht ist bisher mangels ei­nes weit gestreuten Konsenses noch nicht gelungen. Es darf aber nicht übersehen werden, dass in Folge des steten Bemühens der Schulverwaltung und ihrer politischen Führung immer wieder mit Erfolg versucht wurde und wird, in Teilbereichen zeitgemä­ße Änderungen einzuführen, die als Mosaiksteine das Gesamtbild verbessern.

Die vorliegenden Novellierungen von vier Bundesgesetzen – es handelt sich um das Bundes-Schulaufsichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz und das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 – beinhalten Maßnah­men, die insgesamt auf eine zeitgemäße Adaption der Regelungsinhalte abzielen, wie sie vernünftigerweise ein modernes Bildungswesen verlangt, sowohl von der inhaltli­chen Zielsetzung als auch von der praktischen administrativen Vollziehung.

Die vorliegende Änderung des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes schafft die Grundlage für den Aufbau eines bundesweiten Qualitätsmanagementsystems, das alle Ebenen der Schulverwaltung und die Schulen umfasst. Es soll mit ergebnisorientierten Instru­menten zu einer nachhaltigen Steigerung der Effizienz und der Effektivität des öster­reichischen Bildungssystems führen.

Dieses Qualitätsmanagementsystem umfasst auch die Durchführung der Schulinspek­tionen durch eine Neupositionierung der Organe der Schulaufsicht. Sie werden nun als Qualitätsmanagerinnen und -manager in den Landesschulräten und Bezirksschulräten tätig. Ein nationaler Qualitätsrahmen mit wissenschaftlich gesicherten Kriterien zur Schul- und Unterrichtsqualität wird mit Beteiligung der Qualitätsmanagerinnen und -manager, der Schulleitungen und der Schulpartner erstellt.

In dienstrechtlichen Angelegenheiten ist die Personalvertretung der Lehrerinnen und Lehrer mit einzubeziehen.

Durch regelmäßige Selbstevaluierung, Setzung von Zielvereinbarungen und Unterstüt­zungsangebote soll eine wichtige Grundlage für die pädagogische Entwicklungsarbeit am Schulstandort gesichert werden.

Im Schulunterrichtsgesetz werden ergänzend die erweiterten Aufgaben und Verant­wortlichkeiten der Schulleiterinnen und Schulleiter detailliert dargestellt. Sie umfassen Leitung und Schulmanagement, Qualitätsmanagement, Schul- und Unterrichtsentwick­lung, Personalführung und -entwicklung und die Kooperation mit Schulpartnern, Schul­aufsicht und Schulbehörden.

Zusammenfassend: Die vorgesehenen Neuregelungen sind gut gelungen und einer fortschrittlichen Gesetzgebung angemessen. Ich schlage daher vor, der Bundesrat möge den vorliegenden Novellierungen zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.48.48

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wünschen uns ein faires und effizientes Bildungssystem, ein Schulsystem, das modern ist, mög­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 56

lichst unbürokratisch, weitgehend autonom und auch wieder möglichst ohne partei­politische Einflussnahme. Darum wird seit Jahren gerungen – nein, nicht nur seit Jah­ren, seit Jahrzehnten, kann man inzwischen sagen. Und während um diese große Schulreform gerungen wird – Schulprofile werden erneuert, Schulautonomie wird wei­ter ausgebaut, viele der von Ihnen in der Fragestunde vorgestellten Projekte werden entwickelt –, während das alles passiert, werden uns hier Novellierungen vorgelegt, die – wortwörtlich – „im Rahmen der bestehenden Behördenstruktur eingebaut“ wer­den.

„Im Rahmen der bestehenden Behördenstruktur“, das ist aus meiner Sicht im besten Fall eine schlimme Drohung, oder es tritt der schlimmste Fall ein, nämlich dass sich nichts ändert. Bezirksschulräte und -schulrätinnen, LandesschulrätInnen, der gesamte bürokratische Apparat, der derzeit schon nicht gerade vor Flexibilität strotzt, also im Prinzip schon ein wenig erstarrt ist, und jetzt auch Ihre Initiativen, werte Frau Bun­desministerin, mehr behindert als fördert, sollen jetzt Ihr Qualitätsmanagement umset­zen.

Im Gesetzestext ist – sage ich jetzt einmal – hauptsächlich die Sprache modern. Mit wunderbaren Worten wird das Ziel beschrieben. Es wird von Effizienz und Effektivität geredet, von Qualitätsrahmen, vor allem von partizipativen Prozessen. All das kann ja tatsächlich nicht abgesprochen werden, all das wollen wir tatsächlich erreichen, nur: Wie das umgesetzt wird, das ist kein großer Wurf und – und da darf ich jetzt an die Worte des Kollegen Vizepräsidenten Himmer anschließen – zeugt nicht von der hohen Qualität, um die wir uns alle gemeinsam bemühen sollten.

In der modernen Sprache heißen die Schuldirektoren und Schuldirektorinnen jetzt Ma­nagerInnen, die InspektorInnen QualitätsmanagerInnen, aber die Aufgaben bleiben im Großen und Ganzen dieselben, auch die von den sogenannten Qualitätsmanage­rInnen. Es geht um eine strategische Begleitung, es geht um die Kontrolle der Rechts­konformität, und es geht um die Erklärung und um die Verwaltung. All das müssten sie jetzt schon tun – Kollegin Mühlwerth hat das schon angesprochen –, all das wird jetzt sozusagen nur mit modernen Worten umschrieben.

Das, was wir uns gewünscht hätten, und das, was wahrscheinlich auch sehr viele Fachleute erwartet und empfohlen haben, wäre eine externe Evaluation, und zwar tatsächlich außerhalb der Behördenstruktur und nicht mit so kleinen Maßnahmen wie Peers oder Friends, die angesprochen wurden. Diese Evaluierungskommissionen soll­ten mit den jeweils Betroffenen vor Ort tatsächlich in Gespräche eintreten, und zwar nicht nur mit den Lehrkräften und den Schulleitungen, sondern natürlich auch mit den Eltern und den SchülerInnen, also mit den Schulpartnern, aber auch mit dem Verwal­tungspersonal. Erst dann wäre das, was Sie ebenfalls schon als Kulturwandel ange­sprochen haben, aus unserer Sicht möglich. Die vorliegende Novelle lässt uns leider nicht hoffen, dass in irgendeiner Weise das Ende des parteipolitischen Einflusses auch nur annähernd erreicht werden kann.

Auch beim Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz beziehungsweise beim Landesvertrags­lehrpersonengesetz gehen wir nicht davon aus, dass es die gewünschte Kulturände­rung bringt. Im Moment scheint es nur das zu sein, was man braucht, um eine Rege­lung finden zu können, damit der Mangel an Lehrkräften auch nur ein bisschen ausge­glichen werden kann. Das, was es tatsächlich braucht – was Sie auch in der Frage­stunde angesprochen haben –, ist ein neues Bundeslehrerdienstrecht, ist ein neues Besoldungsrecht. Wir sind aber auch diesbezüglich wenig hoffnungsfroh, dass es zu einem positiven Abschluss kommen kann.

In all diesen Fällen möchte ich wieder auf die Aussagen des Kollegen Himmer ver­weisen und sagen, dass es jetzt an uns ist, an die Herausforderungen der großen Re­formen zu erinnern und leider unser Bedauern auszudrücken, dass mit diesen Novellen


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 57

die Bewältigung dieser Herausforderungen der großen Reformen nicht erreicht wird, keinesfalls erreicht wird, und wir daher die zur Debatte stehenden Punkte ablehnen müs­sen. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

11.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schweigkof­ler. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.54.36

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf jetzt ein wenig auf die Praxis eingehen, nachdem von den Vorrednern der Gesetzestext und die Theorie bereits dargestellt worden sind. Ich kann Frau Kollegin Mühlwerth – sie ist jetzt leider Gottes nicht im Saal – in einigen Punkten durchaus zustimmen, etwa darin, was die Parteipolitik be­trifft; allerdings betrifft das alle Parteien, und ich denke, auch die FPÖ hat in Kärnten ei­niges an Parteipolitik im Schulwesen betrieben. Ich darf an dieser Stelle an meine ei­gene Junglehrerzeit erinnern. Als ich mich für die Sozialdemokratie entschieden und erstmals im Gemeinderat kandidiert habe, hat mein damaliger Direktor zu mir gesagt: Dir ist schon klar, dass du nie Direktor werden wirst?! – Ich war mir zum damaligen Zeitpunkt natürlich klar darüber, und so ist es dann auch geschehen. Das ist so; in Tirol ist das nun einmal so. (Bundesrat Gruber: Im Heiligen Land!) Aber ich gebe die Hoff­nung einfach nicht auf, dass es besser wird.

Schon allein deshalb muss es besser werden, weil wir, gerade was die Schulleitungen betrifft, oft in der Situation sind, dass sich dann, wenn Schulleitungen ausgeschrieben werden, fast keine Lehrerinnen und Lehrer mehr finden, die sich um diese Stelle be­werben. Wenn ich zurückdenke, so mussten wir in den letzten Jahren bei den Ent­scheidungen im Bezirksschulrat oft sehr froh sein, dass wir wenigstens einen Bewer­ber oder eine Bewerberin hatten. In diesem Fall spielt dann das Parteibuch keine Rolle mehr, das muss ich auch dazusagen. Wir haben in unserem Bezirk sogar schon erlebt, dass es keine Bewerbungen gegeben hat und dass wir beispielsweise im Volks­schulbereich zwei Schulen mit einer Leitung betrauen mussten.

Kommen wir auf die vorliegenden Gesetzesänderungen zu sprechen! Dazu muss man sagen, dass sich schon im Vorfeld im Schulbereich sehr viel getan hat. In diesem Zu­sammenhang, Frau Ministerin, ein herzliches Dankeschön für Ihre – Gott sei Dank, muss ich sagen – große Hartnäckigkeit! Es ist wirklich sehr schwierig, im österreichi­schen Schulwesen etwas zu verändern, weil es eben leider Gottes so ideologisiert ist.

Für uns ein unheimlich wichtiger und großer Schritt war die Senkung der Klassen­schülerhöchstzahl auf 25. Das hat, glaube ich, schon einen Qualitätsschub gebracht. Man kann mehr im Kleingruppenunterricht bewältigen. Bei 26 Schülern gibt es bereits zwei 13er-Klassen – für einen Lehrer, das muss ich immer wieder sagen, schon eine Traumsituation.

In der Volksschule werden in den nächsten Jahren die Schulstandards verpflichtend sein. Ich denke, das ist ein Qualitätsschub, dass wir in den Volksschulen die Grundfer­tigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen wirklich vermitteln. Es soll ja der – wie das im­mer so schön auf Englisch gesagt wird – Output letztendlich stimmen.

Auch dazu eine kleine Anmerkung. Man muss schon immer wieder bemerken, dass gerade jene Lehrer und Lehrerinnen, die sich wirklich darauf verständigen, ihren Schü­lern die Grundfertigkeiten beizubringen, die in der Klasse bleiben und dort wirklich mit Akribie ihr Ziel verfolgen, oftmals in der öffentlichen Meinung oder auch in der Meinung der Eltern nicht unbedingt die guten Lehrer sind. Das sind die anderen, nämlich jene, die „bei jeder Gelegenheit“, sage ich immer, das Klassenzimmer verlassen und überall mitmachen. Es gibt ja sehr viele Gelegenheiten. Die Schule ist eine Institution, die im­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 58

mer sehr gerne angerufen wird, wenn es irgendwelche Aktionen und Aktivitäten gibt. Ich denke zum Beispiel an das Hahnenkammrennen. Wenn das stattfindet, ergeht im­mer die Einladung an die Hauptschule Kitzbühel, an die Volksschule Kitzbühel, an die Handelsakademie Kitzbühel, als Zuschauer am Freitag anwesend zu sein, um im Fern­sehen ein schönes Bild abzugeben. Das ist halt so. Aber ich muss sagen, es sollte je­ner Lehrer geschätzt werden – und der wird auch geschätzt –, der wirklich diese Grund­fertigkeiten weitergibt. Die Schulstandards geben diesem Lehrer, davon bin ich über­zeugt, in Zukunft recht.

Das greift über in die Novelle betreffend die Schulleitung. Die Schulleiter haben als „Überbau“ gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen die Schulaufsicht, sie sollen anhand des Monitoring und der positiven Rückmeldungen der Schulstandards erarbei­ten, wie man den Standard an der jeweiligen Schule heben kann.

Der dritte vorliegende Gesetzentwurf, die Verwendbarkeit von Landeslehrern an höhe­ren Schulen, ermöglicht sicherlich mehr Flexibilität in der Personalplanung. Wir von der sozialdemokratischen Seite können sagen, es geht wieder einen Schritt, es geht einen ordentlichen Schritt weiter in der Schule.

Ich denke, das Messen der Standards ist in Österreich ein bisschen ein Problem. Den­ken wir nur an PISA! Jedes Mal, wenn die PISA-Studie veröffentlicht wird, gibt es bei uns schon Wochen vorher eine fürchterliche Aufregung, fast eine Hysterie, muss ich sagen. Schaut man sich dann an, wie in anderen OECD-Ländern diese Studie begrüßt wird, wie man sich dort, wenn Schulen ausgewählt werden, dem Messverfahren ge­radezu hingibt, sieht man: Dort ist es eine Ehre, bei dieser Studie mitmachen zu dür­fen – und bei uns wird dagegen protestiert oder gar zum Boykott aufgerufen.

Daher: Eine neue Kultur des Messens von Leistungen sollte eigentlich schon möglich sein, und das müssen wir auch wieder bekommen, mit den neuen Aufgaben der Schul­leitungen und der Schulaufsicht. Es gibt neben PISA in der 9. Schulstufe ja auch in der Volksschule zum Beispiel PIRLS und TIMSS, womit in der 4. Klasse einerseits die Lesefähigkeit gemessen wird, andererseits das naturwissenschaftliche Können und die naturwissenschaftlichen Fertigkeiten. Wir sollten da weitermachen, wir sollten mitma­chen, denn ein internationaler Vergleich ist sehr wichtig.

Abschließend: Wir sind, glaube ich, auf dem richtigen Weg; es gibt aber noch sehr viel zu erledigen. Letztendlich sollte dann doch am Ende dieses ganzen Prozesses die ge­meinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen stehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Saller zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.01.36

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich speziell mit dem Punkt Schulleiter befassen, habe ich doch 17 Jahre lang eine große Hauptschule geführt. In Bezug auf meinen Vorredner darf ich vielleicht kurz anmerken: In Bischofshofen haben wir zwei große Hauptschulen, in der einen war der Direktor von der SPÖ und in der an­deren von der ÖVP. (Bundesrat Gruber: In Salzburg gibt es ausgeglichene Verhältnis­se!)

Ich möchte daher zu dieser Thematik auch ein bisschen meine persönlichen Erfahrun­gen mit einfließen lassen.

Die Änderung des Schulunterrichtsgesetzes bringt grundsätzlich mehr Struktur und Ord­nung in das Aufgabengebiet des Schulleiters – und das ist sicherlich als sehr positiv zu bewerten.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 59

Die fünf Hauptbereiche, die wir haben, sind erstens die Leitung und das Schulma­nagement. Die Schule ist ja längst ein Betrieb geworden, in dem Management grund­sätzlich gefragt ist; die Folge daher: viele Anforderungen an die Schulleitung – egal, ob das die Schule selbst ist, ein Amt, die Gemeinde, die Stadt und so weiter. Da geht es um Sport, Kultur, et cetera. Jeder stellt Anforderungen an die Schule – und irgendwo finalisiert sich das sozusagen alles beim Schulleiter, beim Direktor. Das ist einmal das Erste, das man feststellen muss. Und das ist in den vergangenen Jahren wesentlich verstärkter aufgetreten, als das vielleicht noch vor 20 Jahren der Fall war.

Zweites Thema: Qualitätsmanagement. – Jede Schule gestaltet die eigene Qualität. Das hat es natürlich auch in der Vergangenheit schon gegeben. Wir etwa haben an un­serer Schule Ende der achtziger Jahre Sport als Schwerpunkt eingeführt; in der Nachbarschule war das Musik. Diese Schulentwicklung ist nicht neu, aber ich glaube, man darf auch da nicht stehenbleiben, denn es gibt sehr viel Neues, sodass es stets zu Veränderungen nicht nur in der Hauptschule, sondern auch im Gymnasium ganz ein­fach kommen muss. Jede Schule hat also ihre eigene Qualität; das wissen wir. Qua­litätssicherung bedeutet: mehr Verantwortung, aber auch mehr Selbstbewusstsein. Wichtig ist auch ein durchgängiges System bei dem Ganzen.

Dritter Punkt: Schule und Unterrichtsentwicklung. – Schule funktioniert natürlich nur, wenn alle Beteiligten an dieser Weiterentwicklung gemeinsam mitarbeiten. Schulpart­ner müssen in standortbezogene Entwicklungsprozesse verstärkt eingebunden wer­den, das heißt, flexible Erfordernisse, Wünsche und Bedürfnisse der Eltern, Schüler und Lehrer gehören mit eingebunden. Das sagt sich so leicht, aber wir haben die Ver­änderung der Gesellschaft in den vergangenen Jahren miterlebt und wissen, das ist natürlich nicht so einfach für die Schulleiter; das ist auch festzuhalten.

Vierter Punkt: Führung und Personalentwicklung. – „Zentral“ bedeutet ja grundsätz­lich ein Mehr an Autonomie. Der Schulleiter soll es jedem recht machen; das war schon immer so und ist auch heute noch so. Die Eltern lassen Lehrer, Direktoren oft im Regen stehen – an dieser Stelle kommt mir die Frage nach der Verantwortung in der Familie in den Sinn –, die Schüler – es gibt ja viele Umfragen, die das belegen – wollen sich manchmal die Lehrer aussuchen, und die Lehrer sind auch oft nicht einfach. Leh­rer haben viele Wünsche, die der Direktor nicht alle erfüllen kann. Daher sind Führung und Personalentwicklung nicht sehr einfach, nicht alle Wünsche lassen sich umsetzen.

Fünfter Punkt: Außenbeziehung. – Das hat es immer schon gegeben. Die Schule ist keine Insel; sie war nie eine Insel und ist auch heute keine. Die Öffnung nach außen ist schon wichtig, und das bedeutet verstärkt schulübergreifende Projekte, die Einbindung der Medien; man könnte dazu eine ganze Liste aufzählen.

Alles in allem kann man sagen, der vorliegende Gesetzentwurf ermöglicht es, neu zu konstruieren und neu zu ordnen. Allerdings erfüllen mich drei Dinge mit großer Sorge, muss ich sagen.

Das Erste: Es bewerben sich – das ist ja schon angesprochen worden – immer weni­ger Lehrer als Schulleiter. In meinem Heimatbezirk zum Beispiel gibt es eine schöne große Sporthauptschule, aber keinen Bewerber. Eine Kollegin musste sanft gezwun­gen werden, diese Schule einmal vorübergehend zu führen. Für eine andere große Hauptschule im selben Bezirk gibt es einen Bewerber. Für viele Schulen gibt es höchs­tens zwei Bewerber; mehr als zwei, das ist die Ausnahme. Daher stellt sich natürlich schon die Frage: Warum ist das so? Damit müssen wir uns besonders befassen.

Das zweite Problem, das ich sehe und welches mich mit Sorge erfüllt, ist das Recht der Schulleiter, das wirkliche Recht. Ich möchte das in Fragen aufzeigen: Kann er Sank­tionen setzen? Wie kann er Dinge umsetzen? Welche Handhabe hat er, um all das um­zusetzen? Viele Schulleiter machen sich deshalb sicher große Sorgen.


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Das dritte Problem wurde auch schon einmal angesprochen, nämlich die finanzielle Abgeltung. Wie schaut es damit aus? Wir bilden die Direktoren und Schulleiter zu Managern aus. – Welcher Manager, der gut ausgebildet ist, geht heute in eine Schule? Der sucht sich doch allemal einen anderen Posten, geht in eine Bank oder sonst wo­hin. Das muss man sich auch überlegen.

Ich glaube, die Strukturierung und die Neuschaffung sind sehr gut geplant, aber wir dürfen die drei letztgenannten Argumente auch nicht aus den Augen verlieren. Das müs­sen wir weiterentwickeln und weiterbetreiben.

Alles in allem ist zu sagen, die vorliegenden Gesetzentwürfe sind sehr zu begrüßen und zu befürworten. Sie sind ein richtiger und wichtiger Schritt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort. – Bitte.

 


12.08.55

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte, ehe ich auf die Materie der Gesetze eingehe, auf einzelne Punkte, die Sie angesprochen haben, repli­zieren. Es ist leider schon im Nationalrat nicht geglückt, dass wirklich alle Fraktionen diesen Vorlagen zugestimmt haben, trotzdem möchte ich auch hier noch einmal ein paar Argumente von meiner Seite bringen.

Ich darf bei Ihnen, Frau Dr. Kickert, beginnen: Dass wir mit der Novelle zum Bundes-Schulaufsichtsgesetz nicht die große Verwaltungsreform schaffen, ist vollkommen klar. Darüber haben wir im Herbst im Unterausschuss zum Verfassungsausschuss sehr in­tensive Diskussionen geführt. Ich glaube, es haben auch ganz viele mitverfolgt, wie diese Diskussion ausgegangen ist, in welche Richtung die politische Diskussion letzt­endlich gelaufen ist.

Und da, muss ich Ihnen sagen, bin ich froh, wenn wir mit der bestehenden Behörden­struktur jetzt Schritte in die Zukunft setzen und die Weiterentwicklung machen, denn alles andere wäre ein Akzeptieren des Status quo und ein Negieren der weiteren Ent­wicklung.

Der große Wurf, so wie wir ihn ausgearbeitet haben, wie wir ihn diskutiert haben, ist nicht geglückt – in der Verwaltungsreform, sage ich aber dazu! Ich betone da aus­drücklich das Wort „Verwaltungsreform“ noch einmal und möchte gleichzeitig unter­streichen, dass ich persönlich da noch nicht wirklich den Zugang gefunden habe, wie wir das vermitteln. Vielleicht könnten Sie mich hier auch dabei unterstützen.

Es gibt ja die Bildungsreform nicht als die Reform oder das Instrument oder die Maß­nahme. Wir setzen die Maßnahme, und dann ist morgen alles gut: Das gibt es nicht, sondern das ist eine ganze Fülle von Maßnahmen! Das beginnt beim Kindergarten, bei der Sprachförderung, bei der Volksschule, bei den kleineren Klassen, die erwähnt wur­den, bei der Individualisierung, bei den Deutschkursen, bei den Bildungsstandards, bei der neuen Matura; man kommt sofort in eine Aufzählung der einzelnen Projekte.

Darum geht es: ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die wir jetzt gleichzeitig verwirk­lichen müssen! Ich glaube, darin liegt ein wichtiger Punkt: dass wir da auf dem Prinzip der Gleichzeitigkeit beharren und uns niemals in „Wenn-dann-Ketten“ drängen lassen! Also, wir besprechen das Thema Schulaufsicht erst dann, wenn wir das große Kapitel „Verwaltungsreform“ abgeschlossen haben. Da finden Entwicklungen nicht statt. – Das wollte ich Ihnen vermitteln. Das ist mein zugegebenermaßen pragmatischer Zugang zum Weg in die Zukunft.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 61

Wir haben auch schon im Ausschuss den Punkt „externe Evaluierung“ kurz diskutiert. Ich habe nichts gegen externe Überprüfungen, im Gegenteil, aber Qualität lässt sich – das ist meine Überzeugung – nicht über Qualitätsagenturen in ein System bringen, son­dern Qualität muss jeder, der in diesem System arbeitet, auch leben.

Dass man das dann vielleicht punktuell extern einmal überprüft, ist eine andere Frage, aber das Thema Qualität muss jeder Einzelne zu seiner Aufgabe machen, sonst ge­lingt es nicht und kann nicht gelebt werden. So etwas, wie wir es bei den Banken erlebt haben, wo dann die Beurteilung an Ratingagenturen delegiert wird – ich überzeichne das jetzt als Beispiel für ein neoliberales Konzept –, will ich auf gar keinen Fall, son­dern ich will ein System, das sich entwickelt, wo es einen Entwicklungsprozess gibt.

An dieser Stelle darf ich jetzt auf Ihre Ausführungen, Frau Bundesrätin Mühlwerth, zu sprechen kommen.

Die Schulaufsicht ist Bundeskompetenz; das ist so geregelt. Das heißt, wir haben es jetzt in der Hand, die Schulaufsicht neu zu gestalten. Dass wir da Handlungsbedarf ha­ben, darüber werden wir uns sehr rasch einig werden. Es gibt dazu auch sehr, sehr kri­tische Rechnungshofberichte.

Es gibt aber auch einen sehr positiven Rechnungshofbericht, und zwar zum Bereich der berufsbildenden höheren Schulen und zum QIBB-System. Das ist da durchaus ein Stück weit Pate gestanden, aber sicher ist, dass ich es nicht in dieser Ausprägung im ganzen Schulbereich haben möchte. Ich werde ganz genau darauf achten, dass wir eine andere Form der Steuerung und Regulierung haben, auf keinen Fall ein Mehr an Bürokratie, denn das würde wieder Innovationsprozesse hemmen.

Ich glaube, es ist jetzt – und ich bin davon überzeugt – ein guter Zeitpunkt, dieses The­ma in Angriff zu nehmen. Herr Bundesrat Schweigkofler hat ja darauf hingewiesen: 2012 kommen die Bildungsstandards! Also das ist der Moment, wo jetzt wieder jeder, der im System tätig ist – Schulleiter, Lehrer, Schüler, Schulaufsicht, Pädagogische Hoch­schulen, Schulpartner –, seinen eigenen Beitrag überprüfen kann. Und das ist aus mei­ner Sicht der Zeitpunkt, wo wir, wenn wir das gemeinsam wollen, den Paradigmen­wechsel schaffen: weg von Verordnungs- und Erlasskulturhaltungen hin zu einer Ver­einbarungskultur! Eine Vereinbarungskultur setzt aber voraus, dass man vorher mitein­ander redet, dass Dialoge geführt werden, dass man Zielvereinbarungen trifft, und da­her ist dieser Prozess auch so aufgesetzt.

Also es kommt jetzt nicht die Verordnung: So ist die neue Schulaufsicht!, sondern es sind dies die Rahmenbedingungen dafür, dass im Entwicklungsprozess 2011/2012 von Entwicklungsarbeit Betroffene zu Beteiligten werden und wir dann auch diese Zielver­einbarungskultur leben können. Ich halte das für einen richtigen Weg, aber ich bin mir auch dessen sehr bewusst, dass das einen Kulturwechsel bedeutet, einen Paradigmen­wechsel für die Schule, für alle Beteiligten.

Zum Schluss wollte ich noch etwas zum Herrn Bundesrat Saller sagen, weil mir das von ihm Gesagte so aus dem Herzen gesprochen hat, nämlich: Jeder stellt heute An­forderungen an die Schule! – Dazu darf ich eine kleine Geschichte erzählen.

Es hat, als die Finanzkrise ausgebrochen ist, nicht lange gedauert, da sind schon die Ersten zu mir gekommen und haben gesagt: Na bitte, Frau Ministerin, zu wenig wirt­schaftskundlicher Unterricht in den Schulen! Darauf sagte ich: Glaubt denn wirklich jemand im Ernst, dass wir dann, wenn wir jetzt neue Fächer kreieren, die Finanzkrise vermeiden? Ich wäre ja schon froh, wenn die Mitglieder des Aufsichtsrates einer Bank Soll und Haben auseinanderhalten könnten! – Das ist doch der Punkt! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Da weiß ich ein bisschen, wovon ich spreche. – Das ist der Punkt! Und daher ist es mir auch ganz wichtig, Folgendes zu betonen – auch wenn das heute hier jetzt in diesen


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 62

Stunden ein bisschen mit anderen Schwerpunkten stattfindet –: Ich glaube, wir sollten gemeinsam als für die Bildung Verantwortlichen daran arbeiten, dass Bildungspolitik Ge­sellschaftspolitik ist!

Bildungspolitik ist Gesellschaftspolitik – und wir dürfen Bildungspolitik nicht auf schul­politische Fragen reduzieren! Da haben wir noch viel zu tun, da müssen wir noch sehr, sehr viel Bewusstseinsarbeit, und zwar auch in der Öffentlichkeit, leisten. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Füller zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.17.45

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir heute hier mit der vorliegenden Materie eine Veränderung der bis jetzt sehr auf­sichtsbezogenen Tätigkeit von Bezirksschulinspektoren vornehmen, und zwar dahin ge­hend, dass wir einen Entwicklungsschritt setzen, mehr in Richtung Bildungsmanager/Bil­dungsmanagerin.

Schulaufsicht und Qualitätsmanagement als Bundessache werden mit diesem Ins­trument zeitgemäßer weiterentwickelt. Die bestehende Behördenstruktur – und wir ha­ben ja heute schon viel darüber diskutiert: Man kann das Glas entweder halb voll oder halb leer sehen – wird damit herangezogen, um Zielvereinbarungen und einen na­tionalen Qualitätsrahmen für das österreichische Schulsystem zu verwirklichen. Sämt­liche Schulpartner, inklusive der Landesschulräte, werden da umfassend mit einbezo­gen.

Im Jahr 2012 sollen – das wurde bereits mehrmals gesagt – die Bildungsstandards ein­geführt werden. Damit wird der Bereich Qualitätsmanagement ein zentrales und wich­tiges Thema an sämtlichen Schulstandorten. Für die Schüler, die an eine andere Schu­le wechseln, und deren Eltern ist es wichtig, dass es eine Vergleichbarkeit im System gibt, und zwar bundesweit. Neun unterschiedliche Regelungen wären für ein so großes Land wie Österreich einfach um acht Regelungen zu viel.

Weiters werden Funktion und Aufgaben klar definiert und im Gesetz genannt. Erstens: Leitungs- und Schulmanagement, zweitens: Qualitätsmanagement, drittens: Schul- und Unterrichtsentwicklung, viertens: Personalführung und Personalentwicklung, fünftens: Außenbeziehungen.

Dazu wurde von den Bundesrätinnen Kickert und Mühlwerth ins Treffen geführt, das seien Tätigkeiten, die die Schulleiter bereits machen. – Ja, da gebe ich Ihnen schon recht, aber ich meine, im Bereich Personalführung oder Personalentwicklung sind die Möglichkeiten von Schulleiterinnen und Schulleitern, da wirklich aktiv tätig zu werden, bis jetzt mehr als marginal gewesen. Ich denke da nur an die Ergebnisse der parla­mentarischen Enquete zum Thema Schulautonomie, die wir im Herbst im Bundesrat ab­gehalten haben.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist meiner Meinung nach die längst fällige Schaffung von Durchlässigkeit im System. Die Novelle des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes und jene des Landesvertragslehrpersonengesetzes 1966 schaffen die Möglichkeit, dass Lan­deslehrerinnen und Landeslehrer auf Basis ihrer Zustimmung an Bundesschulen zum Einsatz kommen können.

Der Einsatz von Landeslehrerinnen und Landeslehrern im Bereich der mittleren und höheren Schulen der Neuen Mittelschule sowie der punktuelle Einsatz von Berufs­schullehrern im fachpraktischen Unterricht ist hier besonders zu begrüßen. Ich denke


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 63

hierbei an einen zukünftigen, vielleicht noch viel weiter gehenden, größeren Schritt, nämlich, die Möglichkeit zu schaffen, dass Praktikerinnen und Praktiker aus verschie­densten beruflichen Bereichen ihre Erfahrungen und ihr Können den Schülerinnen und Schülern im berufspraktischen Unterricht weitergeben können und zum Beispiel in ei­nem Unterricht mit einem Pädagogen – als sogenanntes „Zweiergespann“ vielleicht – Theorie und Praxis des beruflichen Lebens den Schülern vermitteln können. (Präsident Kneifel übernimmt den Vorsitz.)

Hiermit schaffen wir die Möglichkeit, einerseits flexibel auf Veränderungen reagieren zu können und andererseits den in verschiedenen Regionen in manchen Bereichen be­reits existierenden Lehrermangel ausgleichen zu können, ohne Qualitätseinbußen be­fürchten zu müssen. Vielmehr kann dieser Weg eine Bereicherung für das österreichi­sche Schulsystem mit sich bringen.

Wir, die sozialdemokratische Bundesratsfraktion, wären bereit, zukünftig viele weitere Schritte schneller zu tätigen.

Abschließend bedanke ich mich bei der Frau Bundesministerin für ihre Hartnäckigkeit im positiven Sinne, die sie beim Verfolgen ihrer Ziele an den Tag legt. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.21


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Petritz. – Bitte.

 


12.21.41

Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundes­räte! Persönlich freue ich mich darüber und finde es absolut wichtig, dass wir das Schulsystem an die Anforderungen der Zeit anpassen.

Es wurde heute schon viel von der Neuen Mittelschule gesprochen, etwa betreffend die Schulstandorte, betreffend die Verwaltung und die Sekretäre, aber, sehr geehrte Frau Minister, vergessen wir bei all diesem unserem bildungspolitischen Auftrag, etwa der Qualitätsoffensive, nicht auf die vielen Kleinschulen in Österreich, wo die Direktoren viel Verwaltungsarbeit leisten müssen, obwohl sie andere Kernaufgaben zu erfüllen hät­ten.

Als Bürgermeister einer Landgemeinde kenne ich all diese Probleme und meine, man sollte bei all den bildungspolitischen Überlegungen sehr sensibel vorgehen. Bei uns in Kärnten – und Kärnten ist anders, lieber Kollege (in Richtung SPÖ) – gibt es derzeit 30 Kleinschulen und 34 Exposituren. Es gibt des Weiteren in Kärnten eine neue Schul­sprengelverordnung, die besagt: für jede Gemeinde ein Schulsprengel!, und man will das sogar auf den Bezirk ausweiten.

Es gibt auch bei uns in Kärnten an den Schulen, vor allem in ländlichen Bereichen, Probleme bei Schuldirektorenbesetzungen. Es wurde schon im Ausschuss über die bil­dungspolitische Situation, was die Kleinschulen und die Aufgabengebiete der Schullei­tung, das Management und die Strukturen zur Hebung der Qualität anbelangt, berichtet und diskutiert. Ich glaube, Qualitätssicherung kann nur gemeinsam gelebt werden. Da­her müssen alle Beteiligten, vom Direktor angefangen bis hin zu den Eltern, Schülern, Lehrern, der Schulaufsicht und den Schulerhaltern, da zusammenspielen.

Ich stelle immer wieder fest, dass hierzulande dieses Thema oft von der Gefahr einer möglichen Schließung oder Degradierung von Kleinschulen zu Exposituren und dem damit zusammenhängenden Kampf der Elternseite und verschiedenster anderer Orga­nisationen begleitet wird. In vielen Ländern rücken Kleinschulen wieder vermehrt in den Mittelpunkt örtlicher Interessen. Die Tendenz ist steigend.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 64

Es besteht eine große Wertschätzung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ge­genüber den wohnortnahen Kleinschulen, die einen wichtigen Bestandteil der örtlichen sozialen Infrastruktur darstellen. Daher sind für mich Kleinschulen keine Notlösungen, sondern wohnortnahe Ausbildungsorte, wo Schüler mittels bestem Qualitätsmanage­ment, welches jetzt geschaffen wird, gemäß den unterschiedlichen Leistungsfähigkei­ten und unterschiedlichem Alter sowie verschiedenen Schulstufen in gemeinsamer Klasse unterrichtet werden. Daher müssen wir Verantwortlichen, so glaube ich, bei Kleinschulen und kleinen Volksschulen in ländlichen Regionen und Gemeinden sehr vor­sichtig vorgehen.

Außerdem wird von den Fachleuten dem Unterricht in Mehrstufenklassen empirisch volle Gleichwertigkeit gegenüber dem Unterricht in homogenen Klassen bescheinigt. Daher sind die Ängste davor, dass dadurch verminderte Chancengleichheit bestünde, unbegründet. Man hat nämlich aufgrund topografischer Strukturen nur die Wahl zwi­schen einer Kleinschule, einer Expositur oder gar keiner Schule.

Ich vertrete die Auffassung, wenn wir unseren bildungspolitischen Auftrag ernst neh­men und die Qualität sichern wollen, dann sollten wir uns auch weiterhin den Bestand von Kleinschulen leisten. Für mich bietet die wohnortnahe Kleinschule verbunden mit der Hebung der Qualität enorme Chancen für die Zukunft. Ich weiß aber auch, sehr ge­ehrte Frau Minister, dass man nicht jeden Schulstandort wird erhalten können, aber ich glaube, wir sollten dabei Rücksichtnahme walten lassen, auch wenn es sich fürs Erste nicht zu rechnen scheint, denn irgendwann bekommen wir das wieder zurück.

Die wohnortnahe Kleinschule bietet viele Unterrichtsmöglichkeiten und hebt dadurch die Qualität. Ich betrachte die Schule neben der Entwicklung neuer Lehr- und Lernfor­men als einen pädagogischen Nahversorger im ländlichen Raum beziehungsweise in den ländlichen Regionen. Daher wird, so glaube ich, mit dem neuen Bundes-Schul­aufsichtsgesetz und dem neuen Schulunterrichtsgesetz mehr Qualität im schulischen Bereich stattfinden.

Ich werde dem vorliegenden Gesetzentwurf meine Zustimmung erteilen, weil ich glau­be, dass er eine Verbesserung in den Schulen bringen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.27


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Astleitner. – Bitte.

 


12.27.52

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte mich nur noch zu einem Punkt zu Wort melden, vor allem, weil ich Ihnen, Frau Bundesministerin, wirklich danken möchte für Ihre Aussage, die Qualität ließe sich nicht über Qualitätsagenturen machen. Als be­troffene Schulaufsichtsbeamtin kann ich dazu nur eines sagen: Das kann ich wirklich nur unterstreichen! Noch einmal: Danke!

Meine Damen und Herren, wir spüren in den Schulen eine Aufbruchsstimmung. Die Schulen wollen begleitet werden durch regionales Management – und nicht durch ex­terne Managementagenturen, wie Sie, Frau Bundesministerin, das auch gesagt haben. Die Schulen wollen begleitet und beraten werden durch Ansprechpartner und Ansprech­partnerinnen vor Ort.

Ich darf dafür ein Beispiel nennen: „OÖ Schule Innovativ“. Da wird von uns die Erfül­lung von Qualitätskriterien eingefordert. Wir gehen dort zu zweit als Bezirksschulinspek­torinnen/-inspektoren in die Schulen und fordern die Erfüllung vor Ort ein. Die Rück­meldungen dieser Schulen sind sehr, sehr positiv. Das heißt, sie sind mit der Art und Wei­se, wie wir das handhaben, sehr zufrieden.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 65

Frau Bundesministerin, Sie haben weiters gesagt, Bildungspolitik sei auch Gesell­schaftspolitik. – Ich meine auch, dass die Politik möglichst nahe an den Menschen sein soll, und das sind wir auch, wenn wir vor Ort tätig sind. – Das wäre mein zusätzlicher Beitrag gewesen.

Noch einmal danke, Frau Bundesministerin, für Ihre Aussage! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.29


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz und ein wei­teres Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsge­setz und ein weiteres Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.31.194. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geän­dert wird (1063 d.B. und 1138 d.B. sowie 8487/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird (1070 d.B. und 1139 d.B. sowie 8488/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Nun gelangen wir zu den Punkten 4 und 5 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 4 und 5 ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um die Be­richte.

 


12.31.51


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 66

Berichterstatter Christian Füller: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 10. Mai 2011 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Na­tionalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreife­prüfungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 10. Mai 2011 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte Sie, die Debatte darüber zu eröffnen.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile es ihr.

 


12.32.52

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die Frau Bundesministerin hat sich kurz entschuldigt. Noch zwei Gesetzesänderungen aus dem schulischen Bereich ergänzen die Novellen zur Schul- und Bildungsreform.

Das Prüfungstaxengesetz über die Gewährung von Prüfungsprämien für Schulen und Pädagogische Hochschulen enthält eine Verlängerung für das kommende Studienjahr für die Pädagogischen Hochschulen, und schließlich enthält das Berufsreifeprüfungs­gesetz die Einführung der teilzentralen standardisierten Reifeprüfung, wie sie im Schul­unterrichtsgesetz für die allgemeinbildenden und berufsbildenden höheren Schulen be­reits verankert ist.

Die Novelle eröffnet ferner für Absolventinnen und Absolventen von Konservatorien und Kunstuniversitäten sowie für jene mit abgeschlossener Ausbildung zum Heilmas­seur den Zugang zur Berufsreifeprüfung, und sie regelt auch das Angebot anerkannter Vorbereitungslehrgänge der Sicherheitsakademie beim Bundesministerium für Inneres. Außerdem wird die Anerkennung der Qualifikationserfordernisse für Vortragende für die Teilprüfungen Deutsch, Mathematik und Lebende Fremdsprache sowie die Anerken­nung von Teilprüfungen der Studienberechtigungsprüfung verbessert.

Ich schlage daher vor, der Bundesrat möge auch den vorliegenden Novellierungen die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.35


Präsident Gottfried Kneifel: Bevor wir die Debatte fortsetzen, darf ich mitteilen, dass für den Rest der heutigen Sitzung Frau Bundesrätin Posch-Gruska krankheitsbedingt entschuldigt ist.

Zu Wort ist nun gemeldet Frau Bundesrätin Astleitner. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 67

12.35.34

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Mit der Novelle zum Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pä­dagogische Hochschulen wurde eine Rechtsgrundlage geschaffen, die das Rektorat ermächtigt, Lehrenden für die Begutachtung einer Bachelorarbeit oder für besondere Leistungen spezielle Prüfungsprämien zu gewähren. Es handelt sich hier um einen Beitrag von 110 € jährlich pro wirksam an einer Hochschule für Agrar- oder Umwelt­pädagogik Wien beziehungsweise Pädagogischen Hochschule inskribierten Studieren­den, wie auch schon die vergangenen Studienjahre 2007/08 und 2009/10.

Meine Fraktion kann die Zustimmung erteilen, weil es sich erstens um eine Fortführung handelt, weil es zweitens sicherlich viel Arbeit für die Lehrenden ist und drittens keine Mehrkosten verursacht. Daher aus unserer Sicht Zustimmung.

Mit einer Novelle zum Schulunterrichtsgesetz erfolgte die gesetzliche Verankerung der teilzentralen standardisierten Reifeprüfung an den AHS, BHS und an höheren Anstal­ten der Lehrer- und Erziehungsbildung. Aus meiner Sicht, und das habe ich auch hier an dieser Stelle schon einmal gesagt, war dies die logische, konsequente Weiterfüh­rung der Bildungsstandards, die heute schon angesprochen wurden. Jetzt geht es da­rum, diese Maßnahmen auch auf die Berufsreifeprüfung anzuwenden. In Hinkunft sol­len auch die schriftlichen Teile der Externistenprüfung in den Fächern Deutsch, Mathe­matik und Englisch standardisiert abgehalten werden. Es ist vorgesehen, dass die Prü­fungen ab dem Haupttermin 2016 nach einheitlichen Vorlagen und Korrekturanleitun­gen des BMUKK erfolgen.

Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang – das ist auch schon erwähnt wor­den – die Änderung hinsichtlich der Vortragenden, dass diese Maßnahme auch ausge­weitet wurde, nämlich dass nicht nur LehramtsabsolventInnen das lehren können, son­dern auch solche Personen, die über ein einschlägiges Fachstudium und über eine mindestens 12-monatige Berufserfahrung verfügen.

Wenn heute viel von Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung, Stärkung der Standorte, Einbindung und dadurch auch gleichzeitig Mitverantwortung aller Beteiligten gespro­chen wurde und wird, so denke ich, dass beide Novellen wieder entsprechende Schrit­te in die richtige Richtung sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.38


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


12.38.40

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine beiden Vorrednerinnen haben jetzt wirklich so ausführlich erklärt, worum es in diesen beiden Gesetzen geht. Also selbst wenn ich es nicht ge­wusst hätte, spätestens jetzt wüsste ich es. – Ich danke euch dafür und ich kann Ihnen sagen, wir werden dem gerne zustimmen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Wow! Es geschehen noch Zeichen und Wunder!)

12.39


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert. Ich erteile es ihr.

 


12.39.09

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich habe zwar auch schon eine gewisse Erfahrung darin, mich kurz zu halten, aber Frau Kollegin Mühlwerth wer­de ich wahrscheinlich nicht unterbieten.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 68

Insgesamt kann ich aber sagen, dass alle in diesen Gesetzesvorlagen vorgenomme­nen Änderungen unsere Zustimmung erhalten. Auch ich werde sie jetzt nicht aufzäh­len, nachdem sie schon aufgezählt worden sind. Auch wir werden zustimmen. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

12.39


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Schmied. Ich erteile es ihr.

 


12.39.51

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Vielen Dank, Herr Präsident! – Es zeichnet sich eine einstimmige Beschlussfassung ab, und dafür möchte ich mich sehr, sehr herzlich bei Ihnen bedanken.

Ich möchte aber noch etwas besonders erwähnen und mich dafür bei Ihnen bedanken, nämlich die Flexibilität, weil das Prüfungstaxengesetz bis zum 30. September 2012 gül­tig sein wird, was die Verrechnung betrifft. Ich glaube, dass das sehr, sehr sinnvoll ist, das gleich bis zu diesem Zeitraum auszudehnen, weil wir mit den Verhandlungen zum neuen Dienst- und Besoldungsrecht für die Pädagogischen Hochschulen schon sehr weit sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir das dann nicht mehr brauchen, sondern dass dann, ab 1. Oktober 2012, auch schon das neue Dienst- und Besoldungsrecht für die Pädagogischen Hochschulen wirksam wird.

Was die neue Berufsreifeprüfung betrifft, möchte ich Sie nur aktuell informieren. Ich ha­be eine Dialogveranstaltung, eine Veranstaltungsreihe durch die Bundesländer absol­viert, und zwar gemeinsam mit den jeweiligen Landesschulräten, zu den beiden The­men Bildungsstandards und neue Matura, weil ja sowohl der AHS-Bereich als auch der BHS-Bereich und jetzt auch die Berufsreifeprüfung davon betroffen sind.

Es sind das die absoluten Großprojekte, vor denen wir derzeit stehen, und ich möchte nur, dass Sie auch wissen, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass wir hier den Informa­tionsstand – insbesondere jenen der Schulpartner – verbessern müssen, intensivieren müssen, vor allem was jetzt auch die teilstandardisierte Mathematikprüfung betrifft. Diesbezüglich werden ab September ganz intensiv Informationen an die Schulpartner gehen.

Ich wollte das jetzt einfach zum Anlass zu nehmen, um Sie hier aktuell darüber in Kenntnis zu setzen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.41


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Köberl. Ich erteile es ihr.

 


12.41.54

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie jetzt nicht mit einer längeren Debatte aufhalten, es ist nur sehr lobenswert, dass mit dem vorliegenden Ge­setzentwurf auch der Zugang für Absolventinnen und Absolventen der Kunstkonserva­torien und Kunstuniversitäten sowie für Absolventinnen und Absolventen mit einer Aus­bildung zum medizinischen und Heilmasseur geöffnet wurde.

Ich dürfte Sie diesbezüglich nur um eines bitten. In der Zwischenzeit ermöglicht es die Lehre mit Matura auch berufstätigen Menschen, eine höhere Ausbildung zu bekommen und dadurch die Chance auf einen beruflichen Aufstieg zu haben. Das ist zwar in der Zwischenzeit nicht mehr nur ein Schlagwort, sondern schon eine Selbstverständlich­keit, aber gerade im ländlichen Bereich merkt man, dass das noch nicht so wirklich an­genommen wird, weil es oft längere Fahrzeiten zum nächsten bfi oder WIFI gibt. Ich er­


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laube mir, Sie hier zu bitten, dass Sie das weiter kräftig bewerben und auch die finan­ziellen Mittel dafür absichern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.43


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Prüfungstaxengesetz – Schu­len/Pädagogische Hochschulen geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit an­genommen.

12.44.296. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. März 2011 betreffend Trilaterales Abkom­men zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweizerischen Eidgenossen­schaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film (1072 d.B. und 1107 d.B. sowie 8489/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen somit zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Köberl. Ich bitte um den Bericht.

 


12.44.55

Berichterstatterin Johanna Köberl: Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 31. März 2011 betreffend Trilaterales Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch­land, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweizerischen Eid­genossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher sogleich zur Antrag­stellung kommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort dazu? – Dies ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 70

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.46.20 7. Punkt

Kulturbericht 2008 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-378-BR/2009 d.B. sowie 8490/BR d.B.)

8. Punkt

Kulturbericht 2009 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-405-BR/2010 d.B. sowie 8491/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Nun kommen wir zu den Punkten 7 und 8 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 7 und 8 ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. Ich bitte um die Berichte.

 


12.46.27

Berichterstatter Mag. Christian Jachs: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Kulturbericht 2008 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 den Antrag, den Kulturbericht 2008 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Kulturbericht 2009 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleichfalls sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 den Antrag, den Kulturbericht 2009 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


12.47.06

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese beiden Berichte, die heu­te diskutiert werden, sind ja wie immer toll abgefasst. Ich danke den Beamten in Ihrem Ministerium für die Erstellung dieser Berichte.

Inhaltlich gibt es von uns schon kritische Anmerkungen bei diesen Berichten, wiewohl es natürlich auch positive Dinge gibt. Also die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre jetzt gratis in die Museen können, finde ich schon sehr positiv. Auf der anderen Seite muss das natürlich auch finanziert werden. Sie selber haben ja heute schon gesagt, wie hoch Ihre Personalkosten sind. Das betrifft ja diesen Bereich ge­nauso! Da ist es schwierig.

Wir haben ein paar Baustellen – nicht nur symbolische, sondern richtige Baustellen – wie das 20er Haus, wo ja auch noch nicht ganz klar ist, wie das jetzt durchfinanziert ist.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 71

Es ist noch ungeklärt, wie die Frage des Volkskundemuseums und des Völkerkun­demuseums gelöst werden wird, die ja beide – meiner Meinung nach zu Recht – auf ih­rer Identität bestehen.

Wenn man sich die Besucherzahlen ansieht, merkt man, dass die Museen oder auch die Theater mehr Geld bekommen, aber rückläufige Besucherzahlen haben. Da ist mir zum Beispiel Folgendes aufgefallen: Beim Burgtheater hat man 2008 gesagt, da sind die Besucherzahlen deswegen zurückgegangen, weil wegen der Fußball-EM das Burg­theater über eine gewisse Zeit nicht bespielt werden konnte. – 2009 waren diese aber auch rückläufig, auch ohne EM.

Nehmen wir zum Beispiel die Besucherzahlen beim MAK. Wenn man sich nämlich an­schaut, wie viele voll zahlen und wie viele Karten ermäßigt sind – ich lese die Zahlen jetzt nicht vor, weil diese stehen ja in den Berichten drinnen –, dann kommt man, wenn man die Basisabgeltung dazurechnet, darauf, dass eine Karte mit rund 52 000 € sub­ventioniert ist.

Das Gleiche oder Ähnliches haben wir beim Kunsthistorischen Museum: Hier wird eine Karte mit fast 15 000 € subventioniert, wenn man die Zahler mit Eintrittsermäßigung, die Nichtzahler und die Basisabgeltung dazurechnet. Und beim MUMOK wird eine Kar­te mit 38 157 € subventioniert.

Jetzt sage ich ja nicht, der Staat darf kein Geld für die Kultur oder auch für die Museen oder die Theater in die Hand nehmen, nur: Es ist immer eine Frage der Verhältnismä­ßigkeit. Und da denke ich, dass die Subventionen tatsächlich sehr hoch sind.

Ich möchte aber auf einen Teil der Kulturberichte zu sprechen kommen, der sich dort gar nicht findet, hinsichtlich dessen ich aber gerne hätte, dass er einmal darin aufge­nommen werden könnte, weil das ein Bereich ist, um den wir uns überhaupt nicht mehr kümmern. Das sind die Österreicher deutscher Muttersprache, die in den ehemaligen Ost- beziehungsweise Südostländern leben, also etwa im ehemaligen Jugoslawien, in Slowenien, Kroatien und so weiter; wir kennen all diese Länder. Das ist auch ein Teil unserer Kultur! Nur, darum hat sich bis jetzt, über die Jahrzehnte, muss man sagen, seit dem Zweiten Weltkrieg fast ausschließlich die Bundesrepublik Deutschland ge­kümmert. Österreich hat da wirklich sehr wenig gemacht. Wir kümmern uns zwar um die Minderheiten, die bei uns sind, was ja auch richtig ist – und das möchte ich auch nicht als Kritik verstanden wissen –, ich glaube aber schon auch, dass es unsere Pflicht wäre, uns um jene deutschen Österreicher zu kümmern, die in diesen Ländern geblieben sind und nicht ausgewandert sind.

Da gibt es ja auch ein Schmankerl, das zwar nicht Sie, Frau Minister, zu verantworten haben, aber Österreich insgesamt schon: Auswanderungswillige Österreicher deut­scher Muttersprache, ursprünglich aus Salzburg kommend, wollten nach Österreich kommen, und Österreich hat sie nicht genommen! Die sind dann nach Baden-Württem­berg ausgewandert, denn die haben sie als Einzige aufgenommen. – Also auch die Freu­de, diese Menschen, die ja volkszugehörig zu uns sind, aufzunehmen, ist offensichtlich nicht nur enden wollend, sondern gar nicht vorhanden.

Und da, glaube ich, könnten wir schon etwas tun. Es gibt ja vermehrt auch junge Men­schen, die die deutsche Sprache wieder lernen wollen. Es ist ja zum Teil schon so, dass die Sprache auch bei den Älteren nicht mehr so gut vorhanden ist, wie das einmal der Fall war, aber es gibt Junge, die wieder Deutsch lernen wollen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang als wirklich sehr positiv erwähnen, was uns diesbezüglich vor einigen Jahren gelungen ist. Wir haben da eine junge Dame in der Österreichischen Landsmannschaft, die ja immer als rechtsextrem hingestellt wird – ich kenne dort keinen Rechtsextremen, es sei denn, man bezeichnet die Volksverbunden­heit zu den früher zum Teil vertriebenen, zum Teil aufgrund der Religionskonflikte aus­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 72

gewanderten Österreichern als rechtsextrem; ich tue das nicht. Da hat uns der Stadt­schulrat für Wien wirklich sehr geholfen, weil er für diese Gebiete Schulbücher, die er nicht mehr gebraucht hat, zur Verfügung gestellt hat. Es war eine Aktion, die wirklich sehr unbürokratisch und sehr prompt erledigt worden ist, und dafür möchte ich mich heute noch bedanken, auch wenn es schon ein paar Jahre zurückliegt. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Mag. Klug und Kainz.)

Ich glaube also, dass das offizielle Österreich ganz gut beraten wäre, sich dieser Min­derheiten wieder verstärkt anzunehmen, denn dort wird das Kulturgut durch diese deut­schen Minderheiten noch hochgehalten, und dies nicht zum Schaden der Heimat­länder, die ja ihre Heimatländer sind – und das bestreiten sie ja auch nicht, sie fühlen sich ja dort absolut beheimatet, wollen aber natürlich die Teile ihrer Kultur und ihrer Sprache behalten, was ich richtig finde. Das gestehen wir jedem zu, auch wenn uns oft Gegenteiliges unterstellt wird. Das gestehen wir auch jenen zu, die zu uns kommen. (Heiterkeit des Bundesrates Gruber.) – Ich weiß, der Kollege Gruber lacht schon etwas verschmitzt. – Auch denen, die hier zuwandern, wollen wir weder ihre Sprache noch ihre Kultur nehmen. Das, worum es immer geht, ist die Anpassungsfähigkeit. Und da gibt es halt Auffassungsunterschiede zwischen uns. (Bundesrat Gruber: Wir sind gar nicht so weit auseinander!)

Ich glaube also, dass es wichtig ist, eigenes Kulturgut zu pflegen, was leider auch an unseren Schulen nur mehr eingeschränkt passiert, denn Volkslieder, die ich noch in der Schule gelernt habe, und zwar selbstverständlich, höre ich bei vielen Schulauffüh­rungen nahezu gar nicht mehr. Es ist ganz selten der Fall, dass einmal ein Volkslied „daherkommt“, und da bin ich dann eh schon ganz beglückt. Wenn man die eigene Kul­tur nicht mehr hochhält, dann trägt man sie zu Grabe. Das wollen wir nicht, und dage­gen werden wir uns auch immer aussprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.54


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


12.54.56

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Ge­schätzte Frau Ministerin! Gospa ministra! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese zwei Kulturberichte bieten einen Überblick über die aktuelle Entwicklung in den Bundes­museen, in den Bundestheatern, im Denkmalschutz und in anderen bedeutenden kul­turellen Institutionen in Österreich. Trotz der Wirtschaftskrise und dem Sparpaket ist es unserer Ministerin gelungen, dass es gerade in diesem Bereich zu keinen Kürzungen gekommen ist. Dafür, liebe Frau Ministerin, recht, recht herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kunst und Kultur sind eine Bewegung, kein Zustand. Eine Bewegung, das heißt, es bewegt sich etwas, es muss sich etwas entwickeln. Kunst und Kultur sind eine Reise und kein Hafen. Kunst und Kultur sind für mich eine Quelle von Inspiration, von Vertiefung und Erweiterung. Kultur und Kunst sind für die Gesellschaft eine Bereicherung. Und Kunst und Kultur bedeuten für die Gesellschaft auch Entwicklung. Und ich glaube, die Gesellschaft sollte der Kunst und Kultur mit Re­spekt, Anerkennung, Achtung und Toleranz begegnen.

Kunst- und Kulturförderung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich eine Investition in eine offene, neugierige Gesellschaft. Und jetzt bin ich bei der Verhältnismäßigkeit, dem, was meine Vorrednerin gesagt hat: Ich glaube nicht, dass man Kunst und Kultur nur unter dem betriebswirtschaftlichen Aspekt sehen kann. Ich glaube, in erster Linie muss man Kunst und Kultur als kulturellen Wert anerkennen und ansehen. Und diese eingesetzten Mittel, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehe ich als Gewinn an Freude, sehe ich als produktiven Widerspruch, sehe ich als Vielfalt und auch als Spannung.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 73

Im Vorwort zu diesem Kulturbericht schreibt unsere Bundesministerin ein Zitat, das Fol­gendes besagt – ich zitiere –:

„Ein Land ist reich, wenn es die Kultur fördert. Kultur ist Reichtum, nicht umgekehrt.“ – Zitatende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht alles, was im Kulturbericht 2008 und 2009 beschrieben worden ist, jetzt aufzählen, denn das können Sie wirklich im Kultur­bericht nachlesen, ich möchte mich aber auf drei Schwerpunkte konzentrieren, die in jedem Kulturbericht inkludiert sind und die jede Kultureinrichtung auch zu erzielen bestrebt ist – und das ist auch unser Ziel und auch ein Ziel unserer geschätzten Frau Bundesministerin –, nämlich die Kulturvermittlung, die Internationalisierung und die Nachwuchsförderung.

Was heißt Kultur vermitteln? – Kultur vermitteln heißt, den Menschen Kunst und Kul­tur näherzubringen. Es hat mich heute sehr gefreut, als in der Fragestunde unsere Bundesministerin gesagt hat, dass die Besucherinnen- und Besucherzahlen im Mu­seum gestiegen sind. Selbstverständlich müssen wir uns, was Eintrittskarten betrifft, fragen: Sind Eintrittskarten vielleicht zu teuer, sodass sich praktisch sehr viele Besu­cher und Besucherinnen eine Oper nicht leisten können? – Deswegen ist es wichtig, dass die Eintrittspreise den ökonomischen Möglichkeiten angepasst werden.

Der zweite Punkt bei der Kulturvermittlung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass man jungen Menschen Kultur näherbringen soll. Es wurde auch schon von meiner Vor­rednerin erwähnt: Was wirklich zu begrüßen und zu unterstreichen ist, ist der kostenlo­se Eintritt für Jugendliche bis zu 19 Jahren in die Bundesmuseen.

Ich glaube – und das ist der dritte Punkt –, wenn man jungen Menschen Kultur näher­bringen will, dann ist diese Partnerschaft, diese Kooperation, was heute auch in der Fragestunde angesprochen worden ist, zwischen Kultureinrichtung und Schulen ein unbedingtes Muss, eine Verpflichtung für uns. Die Frau Bundesministerin hat Projekte genannt in Salzburg, in Graz, in Bregenz. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich eine Hoffnungsperspektive, dass man die jungen Menschen von klein auf mit Kultur in Verbindung setzt – aber nicht nur, dass man da eine Kultureinrichtung be­sucht, dort durchgeht, sondern mittels Dokumentation, mittels Workshops diese Ko­operation auch unterstützt. Sie haben die Möglichkeit, mit den Kulturschaffenden mitzu­arbeiten, und daraus lernen sie sehr viel.

Der zweite Punkt ist die Internationalisierung. Es ist wichtig, dass Künstler und Künstlerinnen die Chance bekommen, im Ausland neue Perspektiven kennenzulernen, und sich mit Kunstschaffenden aus anderen Ländern vernetzen und auch gerade des­wegen neue Märkte für sich erschließen.

Der dritte Schwerpunkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Förderung des Nach­wuchses. Dies erfolgt – Berichte belegen es – durch Stipendien, durch Auslandsaufent­halte, durch Galerie- und Messeförderungen, und laut Bericht wurde 90 jungen Künst­lern und Künstlerinnen ein Staatsstipendium gewährt – wichtig, sehr wichtig, und zwar deswegen, weil man ihnen damit hilft, dass sie leichter in die internationale Kulturszene einsteigen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Vorrednerin hat auch von der traditionellen Kultur gesprochen. Ja, auch die muss bestehen – aber wir müssen auch offen für das Neue sein. Ich glaube, das Neue, die neue Kultur muss bei uns auch Platz finden. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist ja bei uns eher umgekehrt!) Ich glaube auch, dass dieses Neue eine konstruktive Auseinandersetzung hervorbringt, eine Irritation, eine Verblüffung, ein Widerspruch sein darf. Ich glaube auch, dass Kunst und Kultur zuspit­zen darf, dass Kunst und Kultur provozieren darf. (Bundesrat Mitterer: Die Herstellung von „Kinderschnitzel“ zum Beispiel oder die Zubereitung, ist das auch Kultur? ...?) –


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 74

Nein. Komm! Je nachdem, wer es zuspitzt und wie es zugespitzt wird. – Ich glaube, dass die Aufgabe der Kunst- und Kulturpolitik sein muss, an die Grenzen mitzugehen, Mut zu machen, Risiko einzugehen und Neuland zu betreten – und das nicht von vorn­herein zu blockieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube auch, dass Kunst und Kultur nicht immer die Masse begeistern können, weil es einfach individuell unterschiedlich ist, was ich als schön empfinde, was ich als zu­mutbar empfinde und was andere als zumutbar und schön empfinden. Und dafür stehe ich, und dafür steht, glaube ich, ganz sicher auch unsere Frau Bundesministerin. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kainz.)

Zum Schluss kommend möchte ich mich bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, auch bei dir, liebe Frau Bundesministerin, recht herzlich für diesen Bericht bedanken.

Die zweite Sprache ist auch Kultur. Ihr seid es ja von mir schon gewöhnt.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Mayer und Kerschbaum.)

13.04


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile es ihm.

 


13.04.47

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Auch die Kunst und Kultur sollen ihren Platz haben, auch in diesem Hohen Haus. Und in Anlehnung an meine Vorrednerin darf ich mit ei­nem Zitat beginnen, und zwar von Josef Albers, dem deutsch-amerikanischen Maler, der das ausdrückt, was Sie ausgeführt haben. Er hat gemeint: „Jede echte Kunst ist oder war in ihrer Zeit modern, herausfordernd und neu, wies hin auf den dauernden Wandel im Sehen und Fühlen.“

Richard von Weizsäcker, der ehemalige deutsche Bundespräsident, hat einen anderen Zugang gewählt. Er hat gesagt: „Unsere Kultur ist gewachsen wie ein kräftiger und viel­gestalteter Mischwald. Er leistet seinen Beitrag zur lebensnotwendigen Frischluft.“ – Auch so kann man Kultur sehen.

Auch ich möchte mich namens unserer Fraktion sehr, sehr herzlich für die Erstellung dieses umfangreichen Dokuments – ich spreche vor allem vom Kulturbericht aus dem Jahr 2009 – bedanken, bei der Frau Bundesministerin sowie bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Museen, wenngleich ich die kleine kritische Anmerkung vor­bringen darf: Ein Kulturbericht 2008 im Mai 2011 ist nicht mehr ganz taufrisch. Aber das mag andere Ursachen haben.

Unsere Frau Bundesministerin wurde in einem Interview am 17. März 2011 in „NEWS“ gefragt: „Haben Sie in den Stürmen der Schulpolitik für die Kulturpolitik überhaupt noch Zeit?“ – Und sie hat darauf gesagt: „Ja, und mit Freude.“ – Das ist nur zu begrüßen. Und sie hat das auch in ihrem Vorwort festgehalten, und ich darf ganz kurz daraus zi­tieren:

„Ich sehe es als die zentrale Aufgabe meines Hauses, die Rahmenbedingungen für Künstlerinnen und Künstler sowie für Kulturinstitutionen finanziell sicher zu stellen.

Dieses klare Bekenntnis zur Verantwortung des Staates für die Förderung der Kunst ist untrennbar verbunden mit einem solchen zur Wahrung der Autonomie von Kunst und Kultur. Es gilt zu fördern, zu unterstützen, zu ermutigen, aber all das, ohne in die Frei­heit der Kunst einzugreifen.“

Ich glaube, das kann man nur unterstützen und das ist im Sinne von uns allen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 75

Es wäre jetzt wahrscheinlich interessant, auf viele Kapitel dieses Kulturberichts einzu­gehen, aber ich möchte Sie nicht überstrapazieren. Ich darf aber doch einige Punkte herausgreifen.

Ein Überblick über die Kulturangelegenheiten: Beim Kulturbudget wurden, wie wir es gehört haben, die musealen Ausgaben von 135 auf 139 Millionen € erhöht. Schwer­punkt war, wie wir schon gehört haben, der generelle freie Eintritt bis 19 Jahre, aber auch die Erstellung neuer einheitlicher Museumsordnungen für die Bundesmuseen ab dem 1. Dezember 2009.

Aus dem Bereich der Bundesmuseen, die von der Albertina bis zum Pathologisch-ana­tomischen Bundesmuseum reichen, habe ich mir als Schwerpunkt das Belvedere he­rausgegriffen, das ja das Bundesmuseum für die österreichische bildende Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart beinhaltet. Die Sammlungstätigkeit legt den Schwerpunkt vor allem auf die zeitgenössische österreichische Kunst. 2009 gab es dort 13 Sonder­ausstellungen. Viel beachtet waren die Waldmüller-Ausstellung, die Schau „Wiener Musterzimmer“, ein Projekt zur Schnittstelle von Kunst und Design, aber auch die Re­trospektive von Herbert Boeckl, der zu den zentralen Figuren der österreichischen Mo­derne zählt.

Man hat sich dort aber auch bemüht, durch zusätzliche Angebote für spezielle Ziel­gruppen neue Besucherschichten anzusprechen. Mit Projekten wie „Im Visier“, „Kunst und Kulinarik“, „Nachmittagstreff“, bis hin zu „Vom Sehen zum Sprechen“ für Besucher mit Migrationshintergrund wurden dort neue – und man kann durchaus sagen, auch er­folgreiche – Wege beschritten.

Der Schwerpunkt der Investitionstätigkeit, wie es Frau Kollegin Mühlwerth schon ange­führt hat, lag im Bereich des sogenannten 20er Hauses, das ja bisher noch nicht ganz als Baustelle – so darf ich es formulieren – abgeschlossen wurde.

Zu den Bundestheatern: Hier darf ich auf den Bereich Evaluierung eingehen. In einem ersten Schritt wurde der mittelfristige Finanzbedarf der Bundestheater-Holding und ih­rer Tochtergesellschaften erhoben. In einer zweiten Etappe sollen die wirtschaftliche Situation und rechtliche Situation der Bundestheater ausgewertet werden.

Es wurde heute schon angesprochen, der Bericht wird ja derzeit von den Kulturspre­chern und -sprecherinnen der Regierungsparteien diskutiert, und wir sind alle sehr ge­spannt, was konkret verbessert werden soll beziehungsweise welche Vorschläge da­raus in welchem Zeitraum auch umgesetzt werden. Vielleicht können Sie dazu noch et­was sagen, Frau Bundesministerin.

Ich darf hier die Bundestheater, Burgtheater, Wiener Staatsoper, Volksoper Wien, das Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper und Arts herausgreifen, das Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper, das seit 2010 nicht mehr so heißt, sondern sich un­ter dem neuen Ballettchef Manuel Legris jetzt Wiener Staatsballett nennt. 2005 wur­den eben diese beiden Ballettteile der Wiener Staatsoper und der Wiener Volksoper zusammengelegt, und man kann das als sehr erfolgreiche Weiterentwicklung bezeich­nen.

Im Berichtszeitraum 2009 hat es 80 Vorstellungen mit über 100 Tänzern gegeben, und man hat im Durchschnitt 130 000 tanzbegeisterte oder interessierte Besucherinnen und Besucher zählen können. Interessant ist die Sitzplatzauslastung, denn diese be­sagt auch immer wieder: Ist das etwas Interessantes, wird das auch angenommen? Hier liegt der Bereich bei zirka 90 Prozent, was doch sehr, sehr erfreulich ist.

Weitere Schwerpunkte sind spezielle Kinder- und Jugendarbeiten beziehungsweise in­formative Werke, Einführungen im Vorfeld von Premieren.

Ein weiterer Bereich ist der Denkmalschutz. Dazu gibt es umfassende Berichte. Die Subventionen aus dem Bereich Denkmalschutz betrafen im Jahr 2009 rund 1 267 Pro­


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jekte in allen österreichischen Bundesländern, mit einem Gesamtbudget von rund 14 Mil­lionen. Es heißt immer, dass es vor allem Sakralbauten wären, die da gefördert wer­den, aber es sind weniger als die Hälfte davon Sakralbauten, mehr als die Hälfte sind sogenannte Profanbauten.

Ein weiteres Kapitel, das MuseumsQuartier, und auch der Punkt „Weitere Kulturange­legenheiten“ sind sehr interessant. Hier darf ich hoffentlich im Sinne von Präsident Kneifel die sogenannten EU-Kulturangelegenheiten herausgreifen. Im Jahr 2009 war ja Linz europäische Kulturhauptstadt, und man kann sagen, das ist eine große Erfolgsge­schichte geworden, mit einem Budget von zirka 69 Millionen; davon sind 20 Millionen vom Bund gekommen. Es wurden 3,5 Millionen Besucher in rund 7 700 Veranstal­tungen bewegt. Es hat 2 Millionen Tagesgäste gegeben, und der Raum Linz hat rund 10 Prozent mehr an Nächtigungen erzielt. Hier kann man also wirklich von einer echten Erfolgsgeschichte für Linz sprechen.

Die Volkskultur wurde von der Kollegin Mühlwerth schon angesprochen. Allein diese Volkskultur wäre ein abendfüllendes Thema, aber es gibt auch sogenannte Schman­kerln drinnen. Ich habe mir eine Projektförderung herausgegriffen – insgesamt hat es 141 000 € für Projektförderungen gegeben –, die sogenannten Schlernhexen, eine Volkstanzgruppe. Diese Gruppe war auf einer Kulturreise nach China zur Teilnahme am 11. China Shanghai International Arts Festival und wurde auch über dieses Projekt gefördert. All das kann man dem Kulturbericht entnehmen.

Etwas, was für die Jugendlichen interessant ist – und weil ich selbst Lehrer bin und es weiß, da ich mich noch selber an diese Aktion erinnern kann –, ist die Unterstützung der so genannten Wien-Aktion für die Schülerinnen und Schüler aus dem gesamten Bundesgebiet mit rund 24 000 Teilnehmern. Zirka 5 000 junge EU-Bürger sind nach Wien gekommen, um Österreichs Bundeshauptstadt kennenzulernen.

Das letzte Kapitel, das, glaube ich, doch ein ernst zu nehmendes und sehr wesentli­ches Kapitel ist, ist der sogenannte Bereich der Restitution. Wir wissen, dass das soge­nannte Kunstrückgabegesetz aus 1998 vorsieht, dass ein einjähriger Bericht des Bun­desministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur über die Rückgabe von Kunstgegen­ständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen vorgelegt werden muss; auch dieser ist angeschlossen. Unter dem Vorsitz von Präsident Clemens Jab­loner wurden diese Beratungen geführt, das Gesetz wurde 2009 noch einmal novelliert und den Erfahrungen entsprechend verbessert.

2009 hat das Kunstrückgabegremium in 22 Fällen eine Empfehlung auf Rückgabe aus­gesprochen. Wie in den Vorjahren ist in all diesen Fällen das Ministerium diesen Emp­fehlungen auch nachgekommen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine persönliche Anmerkung machen. Als ich 1998 einmal auf einer Reise in Peking war und zum Thema Österreich angesprochen wurde, das dort „Autili“ heißt, hat kein Mensch dort gewusst, wo Österreich ist. Es wur­de aber dann mit New Year’s Concert, Mozart oder Strauß sofort erklärt. Das heißt, Österreich ist weit über seine Grenzen hinweg als hochqualifiziertes Kulturland be­kannt. Ich glaube, es ist wichtig, dass es in Österreich auch die Rahmenbedingungen dafür gibt, dass die Kunst- und Kulturschaffenden in entsprechender Form unterstützt werden. Und wir wollen die Kultur und die Kunst in Österreich weiter als Fixstern erhal­ten, damit wir nicht mit einem Zitat von Karl Kraus enden müssen: Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen sogar Zwerge lange Schatten. – Ich bedanke mich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.15


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Schmied. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 77

13.15.55

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Zunächst herzlichen Dank für die Wertschätzung. Ich werde das gerne an meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weitergeben.

Der Kulturbericht ist auch für mich so etwas wie eine Bilanz über die Summe der Akti­vitäten, die stattgefunden haben. Sie haben es angesprochen, Herr Bundesrat Köberl: Da ist natürlich auch die Frage, wann wird Bericht gelegt, wichtig. Ich möchte Sie da­rüber informieren, dass das wirklich eines meiner ersten Ziele war, das zu beschleu­nigen. Wir arbeiten jetzt am Bericht für 2010, und es wurden auch die anderen Berichte schon jeweils vor dem Sommer des nächsten Jahres an das Parlament übermittelt, weil es einfach wichtig ist, hier die Dokumentation zu bekommen. Es wird, wie gesagt, Ende Juni so weit sein, dass der Bericht für 2010 an das Parlament übermittelt wird.

Was mir persönlich natürlich auch wichtig ist, das ist, dass die kulturpolitischen Ziele, für die ich stehe, die mir wichtig sind, auch ihren Niederschlag finden in den Berichten, in den Aktivitäten. Ich freue mich, dass es gelungen ist, die Bundeskultur-Einrichtungen abzusichern. Das war gerade in den wirtschaftlich schwierigen Jahren 2008 und 2009 möglich, sogar mit Steigerungen der Basisabgeltung und unter Inangriffnahme neuer Kulturinvestitionsprojekte; ich möchte das betonen.

Wichtig ist mir immer – und da sehe ich auch die schon programmatische Kraft der Verbindung der beiden Ressorts Unterricht, Kunst und Kultur – die Stärkung der Teil­habe an dem kulturellen Angebot, die Kunst- und Kulturvermittlung ganz stark in den Vordergrund zu stellen, und, was auch im Bericht dokumentiert ist, auch die Bereiche Denkmalschutz, öffentliches Büchereiwesen, Volkskultur und Museen-Förderung au­ßerhalb der Bundesmuseen entsprechend zu dokumentieren. Besonders wichtig und ja auch im Berichtszeitraum dokumentiert sind auch jeweils gute Personalentscheidungen für unsere Kultureinrichtungen, aber auch eine klare Public Governance, eine klare Wahrnehmung der Verantwortung, wenn da oder dort etwas nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen.

Großen Dank also für die gute Aufnahme der Berichte!

Ich möchte abschließend noch ganz kurz zu Ihnen, Frau Bundesrätin Mühlwerth, ein paar Worte sagen, was Minderheiten in Mittel-,Osteuropa betrifft. Da möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir ein sehr dichtes Netz an Bildungsbeauftragten in diesen Ländern haben, die auch sehr intensiv die Kontakte pflegen, und dass ich auch sehr, sehr großen Wert auf die österreichischen Schulen im Ausland lege, zum Beispiel die österreichische Schule in Prag, die österreichische Schule in Budapest, in Istanbul. Das sind auch ganz wichtige Orte, wo nicht nur die Sprache gepflegt wird, sondern auch Kunst und Kultur, und wo auch ein bestimmtes Bild von und über Österreich ver­mittelt werden kann. Das gelingt ganz besonders auch in den Schulen, die sehr weit weg sind: Ich denke etwa an Guatemala, wo schon ganze Generationen die öster­reichische Schule besucht haben, die dort einen ausgezeichneten Ruf hat. Und wir werden im September eine neue österreichische Schule in Querétaro, in Mexiko, eröff­nen. Darauf freue ich mich auch schon. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

13.19


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 78

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Kulturbericht 2008 der Bundesminis­terin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Kulturbericht 2009 der Bundesminis­terin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.21.059. Punkt

Strategische Jahresplanung 2011 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der spanischen, belgischen und ungarischen Präsident­schaften (III-433-BR/2011 d.B. sowie 8492/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Köberl. Ich bitte um den Bericht.

 


13.21.29

Berichterstatterin Johanna Köberl: Der Bericht über die strategische Jahrespla-
nung 2011 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der spani­schen, belgischen und ungarischen Präsidentschaften (III-433-BR/2011 d.B. sowie 8492/BR d.B.) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 den Antrag, die strategische Jahresplanung 2011 des Bundesministe­riums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der spanischen, belgischen und ungari­schen Präsidentschaften zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


13.22.31

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Strategische Jahrespla­nung stützt sich im Wesentlichen auf die „Europa 2020-Strategie“, was die Mobilität be­trifft, was die akademischen Abschlüsse und einiges mehr betrifft.

Die Mobilität der jungen Menschen ist durchaus zu begrüßen. Ich finde es richtig, wenn sich die österreichischen Jugendlichen ein bisschen den Wind der großen weiten Welt um die Nase wehen lassen und einmal schauen, wie es woanders mit Studienbedin­gungen ist, mit Lebensbedingungen und so weiter ist. Allerdings, und das sage ich hier nicht zum ersten Mal, muss man sich das auch leisten können. Das, was hier an För­derung an die Studenten gegeben wird, reicht bei Weitem nicht aus, im Ausland dann auch wirklich davon leben zu können. Für Familien, die mehr als ein Kind haben und wo mehrere Studenten dieses in Anspruch nehmen wollen, wird es natürlich umso schwieriger.

Ich weiß schon, dass in Zeiten wie diesen, wo gespart werden muss, das Geld knapp ist und man das nicht aus dem goldenen Füllhorn über alle ausschütten kann. Trotz­


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dem glaube ich, dass hier – und das ist heute schon öfters diskutiert worden – Inves­titionen in die Zukunft getätigt werden, die uns dann auch einen Mehrwert bringen, nämlich nicht nur einen ideellen oder geistigen, sondern auch einen tatsächlichen. – Das ist einmal der erste Kritikpunkt.

Mein zweiter Kritikpunkt ist – auch nicht zum ersten Mal –, es wird ja auch in dieser Strategischen Jahresplanung einmal mehr davon gesprochen, dass die Akademiker­quote auf 40 Prozent angehoben werden soll, gleichzeitig die Schulabbrecherquote auf unter 10 Prozent gesenkt werden soll, was ja gut ist, aber das Ziel der Erhöhung der Akademikerquote verfolgen wir jetzt schon wirklich lange Zeit.

Ich halte nach wie vor überhaupt nichts davon, aber nicht deshalb, weil ich der Mei­nung, dass es nicht mehr Akademiker geben darf. Ich sage: Ja, jeder, der es kann, und jeder, der es will, soll es auch erreichen können, egal, welche sonstigen sozialen oder finanziellen Voraussetzungen er oder sie hat. Eine Anhebung der Akademikerquote auf einen bestimmten Prozentsatz kann aber nur heißen, dass wir das Niveau senken müssen, wenn wir das erreichen wollen, oder wir vergeben an jeden eine Art akade­mischen Abschluss, was dann in Summe aber nicht heißt, dass die Krankenpflegerin oder der Krankenpfleger – dieses Beispiel habe ich schon einmal gebracht – nur des­halb besser ist, weil sie oder er einen akademischen Abschluss hat, oder die Kinder­gartenpädagogin, oder, oder, oder. Diese Quote plagt mich also jedes Mal aufs Neue.

Das Dritte ist – und da greife ich vielleicht meinem Kollegen Schennach ein wenig vor; er hat es nämlich erfunden, aber wir sind uns da wirklich einig – die Mobilität der Lehr­linge, die nie ein Thema ist. Gerade für die Lehrlinge wäre es auch sehr gut, aber die Lehre wird bei uns leider sehr stiefmütterlich behandelt. In Sonntagsreden heißt es im­mer, wie wichtig die duale Ausbildung ist, und das unterstütze ich auch, aber wenn es um Bildung geht, ist der Lehrling eigentlich immer das Schlusslicht. Über den wird am wenigsten geredet, und eigentlich kommt es immer so herüber: Das ist gar nicht er­strebenswert!

Wenn man sich aber unsere Lehrlinge in Österreich (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl) – gemach, bevor du dich aufregst! – anschaut und sieht, bei welchen Wettbe­werben diese wie gut abschneiden, dann kann ich nur sagen: Die Lehrlinge sollte man mindestens einmal in der Woche vor den Vorhang stellen und sagen: Schaut, wie toll die sind! (Beifall des Bundesrates Mitterer sowie Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Daher denke ich, dass auch bei der Mobilität der Lehrlinge entsprechend etwas getan werden sollte, damit auch diese Auslandserfahrungen sammeln können. Wir wissen noch – das ist jetzt Jahrhunderte zurück, aber nicht alles ist schlecht, weil es alt ist –, dass früher die Gesellen auf die Walz gegangen sind und es selbstverständlich war, dass die quer ... (Bundesrat Todt: Aber vom Prinzip ist das Wirtschaftsministerium ge­fordert!) – Jetzt reden wir über das Unterrichtsministerium, aber die „Europa 2020-Stra­tegie“ ist eine Querschnittsmaterie, die ja alle Bereiche, auch das Wirtschaftsministe­rium, betrifft. Ich denke, diese Tradition wäre ja auch für Lehrlinge wirklich begrüßens­wert.

Wir haben im Ausschuss gegen diese Strategische Jahresplanung gestimmt, und es gibt ja, wie Sie, Frau Minister, jetzt schon gehört haben, Kritik von uns. Wir haben es noch einmal diskutiert und haben gesagt: Na ja, es gibt zwar schon einige ganz heftige Kritikpunkte, aber so schlecht ist es jetzt auch wieder nicht. Daher bin ich zwar jetzt als Kontrarednerin, was ich ja in gewisser Weise auch bin, gemeldet gewesen, ich bin ja nicht nur pro, aber ich darf Ihnen sagen: Wir werden zustimmen! (Heiterkeit. – Beifall bei FPÖ, SPÖ und ÖVP.)

13.28


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 80

13.28.21

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Ich möchte jetzt auch nicht der Frau Bundesministerin vorgreifen (Heiterkeit), aber ich bedanke mich dafür sehr herzlich. Ich bedanke mich auch deswegen sehr herzlich, weil ich, glaube ich, hier an diesem Rednerpult und an anderen Rednerpulten seit Monaten, seit Jahren immer wieder eines predige: Vergesst nicht auf die Lehrlinge bei der Mobilität! Vergesst sie nicht, denn nur so kann euro­päische Integration funktionieren, so können auch die Ängste vor einem weiteren Euro­pa, von einem größeren Europa bewältigt werden, und so können alle, ganz egal, ob Schüler und Schülerinnen oder Studierende, partizipieren.

Und was mir wirklich ein ganz besonderes Anliegen ist: Ohne die Lehrlinge kann diese europäische Bildung und die europäische Kooperation und Integration nicht funktionie­ren, denn die Lehrlinge sind eine ganz, ganz wichtige Säule nicht nur unseres Bil­dungssystems, sondern auch unserer Wirtschaft. Ich weiß, dass das duale System in der Europäischen Union nicht so viele Nachahmungspartner hat. Deshalb können wir jetzt nicht sagen: Wir warten auf jene Staaten, die auch ein duales System haben!, denn dann sind wir und die Deutschen bald am Ende mit unserem Latein, sondern wir müssen schauen, dass wir hier andere Formen der Kooperation finden.

Dieses Programm, über das wir heute reden, wird erstellt am Vorabend des großen EU-Bildungsprogrammes, das für die Zeit von 2014 bis 2020 erstellt wird.

Liebe Frau Bundesministerin, ich habe es dem Kollegen Hundstorfer schon gesagt und sage es auch Ihnen: Wir müssen in dieses große EU-Bildungsprogramm die Lehrlinge verankern – als eine Säule und eine wichtige Initiative, die von Österreich aus kommt. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Mag. Pisec.)

Ich bin für die Einstimmigkeit dankbar. Worum geht es da? – Es geht um neue Kompe­tenzen, um neue Beschäftigungen, letztlich geht es mit diesem Programm um intelli­gentes Wachstum. Kollegin Mühlwerth hat gesagt, vieles davon stamme aus dem 2020-Strategiepapier. Ich möchte mich jetzt nicht gleich bei der Akademikerrate sozusagen einringeln, denn das ist eine eigene Diskussion. Den Anspruch finde ich trotzdem rich­tig. Wichtig ist: Es gibt für junge Menschen im Leben zwei Arten von großen Schleuder­traumata, die durch Bildung oder mangelnde Bildung erfolgen können.

Das eine ist, wenn ich meine Schulkarriere abbrechen muss und sozusagen eine Schulabbrecherkarriere habe; das andere ist, wenn ich als junger Mensch arbeitslos bin. Soziale Kälte und nicht abgeschlossene Bildung zerstört die Neugier und die Ver­ankerung junger Menschen. Dann gibt es Probleme. Dann haben wir extreme sozio­ökonomische Defizite und Folgeprobleme ohne Ende. Wichtig ist: Was passiert in der Psyche, im Herzen junger Leute, die vor der Situation einer gescheiterten Schulkarriere oder derjenigen einer Jugendarbeitslosigkeit stehen? Das ist wichtig, und das kommt in diesem Papier, in diesem Vorhaben vor, dass man sich genau um diese Senkung die­ser Schulabbrecherquote bemüht, und dass ist ein gemeinsames europäisches Pro­gramm.

Wenn ich die Schulabbrecherquote senke, erhöhe ich damit die Chance, entweder als Lehrling oder als Studierender mit einer abgeschlossenen Bildung – wo auch immer – dem Damoklesschwert der Jugendarbeitslosigkeit zu entgehen.

Ich halte es für besonders wichtig, dass auf die frühkindliche Bildung ein besonderer Fokus gelegt wird. Das verpflichtende Kindergartenjahr ist ein wichtiger Schritt. Persön­lich sage ich hier ganz ungeschminkt dazu: Für mich sind zwei Jahre das große Ziel.

Jetzt kommt der Punkt, wo wir uns in der Meinung wahrscheinlich trennen, aber des­wegen sollte nicht das Abstimmungsverhalten geändert werden: Irgendjemand hat heute in der vorhergehenden Debatte gesagt, es würden an die Schule immer mehr Anforde­


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rungen gestellt. Eine der wichtigsten Anforderungen – und das muss die Vizepräsiden­tin des Wiener Stadtschulrates wissen –, ist, dass die Schule den Schlüssel des Erfol­ges für die Integration darstellt. Das heißt, das ist entscheidend dafür, ob die jungen Menschen je nach dem, was die Bildung aus ihnen gemacht hat, entweder herausge­kickt oder integriert werden.

Jetzt kommt der Punkt, wo wir uns in der Meinung sicher trennen: Alle Pädagogen und Wissenschaftler – ich habe noch keine andere Studie darüber gelesen – sagen: Wich­tig ist, dass ich meine Muttersprache kann, um eine Fremdsprache zu erlernen. All die Herren von Do & Co, von den diversesten Klubs – Herr Kollege Dönmez schaut mich an; ich meine auch seine Kollegin Alev Korun – haben das Österreichische St. Georgs-Kolleg in Istanbul besucht. Das heißt, die haben eine solide muttersprachliche Ausbil­dung und wuchsen spielend und einfach in die nächste Fremdsprache hinein.

Deshalb ist es wichtig, dass wir in der frühen Kindheit, soweit es möglich ist, Migran­tenkindern, zumindest den großen Gruppen unter ihnen, ganz früh den Kodex ihrer eigenen Sprache beibringen, damit sie die Sprache des Gastlandes, nämlich Deutsch, leichter erlernen können. Wenn ich meine Muttersprache nur rudimentär kann, so tue ich mich unendlich schwer, die Struktur einer neuen Sprache zu erlernen. Deshalb ist das so wichtig, gerade am Anfang eines Bildungsweges, dort, wo der Geist wach ist und die Neugierde groß.

Schauen Sie sich einmal an, wie spielerisch Kinder Sprachen lernen! Mein Sohn hat plötzlich, nur weil das Nachbarkind in seiner Sitzreihe ein Koreaner war, 300 koreani­sche Wörter gekonnt. Ich habe nur so geschaut! Das heißt, das erfolgt spielerisch. Die­se spielerische Neugierde auf Sprache muss hochgehalten werden, und dazu ist auch die Verpflichtung des Kindergartens so wichtig.

Da wir heute eine Diskussion über die Forderung „Türkisch als Maturasprache“ geführt haben: Das beantwortet sich mit dem, was ich vorhin über das Österreichische St. Georgs-Kolleg in Istanbul gesagt habe. Die Europäischen Union wird sich letzen Endes um zwei ganz große Integrationsfragen zu bemühen haben. Nämlich erstens: Wie gehen wir mit den Roma im gesamten EU-Gebiet um, wie schaffen wir die bil­dungs- und arbeitsplatzmäßige Integration der Roma? Und zweitens: Wie schaffen wir die Integration der türkischstämmigen Mitbürger innerhalb der EU – die schon mehr sind, als es Österreicher gibt, als es Dänen gibt, als es Niederländer gibt –? Das ist ei­ne ganz wichtige Frage, und das alles hat etwas mit Bildung und Sprache zu tun.

Wir haben später einen weiteren Tagesordnungspunkt zum CEEPUS-Programm, und ich muss sagen: Ich bin sehr froh, dass auch durch die Donauraumstrategie in der Bil­dung diese Brücke zum Osten geschaffen wird. Da sind wir stark, da sind wir ein gro­ßer Player. Und die sollten wir wirklich ausfüllen.

Ich bin sehr froh darüber, dass die Bereiche „lebenslanges Lernen“ und „Mobilität der Jugend“ – „Jugend in Bewegung“ heißt das im „2020-Programm“ – EU-Schwerpunkte sind. Ich bin froh, dass es zu diesem lebenslangen Lernen kommt, und darüber, dass in Österreich, wie die Frau Ministerin im Bericht sichtbar macht, mit der Qualitätsent­wicklung – jetzt komme ich wieder zu meinem Lieblingsthema – an den Berufsschulen bereits ein erster und wichtiger Schritt gesetzt wird. Dafür möchte ich mich ganz herz­lich bedanken.

Meine Damen und Herren, was noch interessant ist: Diese Mobilität setzt etwas vo­raus. Unsere Eltern waren froh, eine Sprache zu können, nämlich unsere eigene. Das ist ja nicht immer so einfach, manchmal hat die Mundart, der Dialekt, das Deutsche gar nicht so hoch wachsen lassen. Wir hier sind schon froh, eine zweite Sprache zu be­herrschen. Die Kärntner und die Burgenländer haben es leichter, die haben gleich zwei Sprachen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


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In diesem neuen „Programm 2014 bis 2020“ kommt noch etwas vor: Die Mobilität wird ein Benchmark. Das bedeutet, dass wir uns in der Europäischen Union in eine Gesell­schaft hin zu bewegen haben, wo es eine gängige Zweisprachigkeit und im akademi­schen Bereich eine gängige Dreisprachigkeit gibt. An der Universität in Serbien gibt es schon Viersprachigkeit. Fahren Sie einmal ins Baltikum! Da fliegen Ihnen die Spra­chen nur so um die Ohren. Deshalb sind die Balten auch so stark innerhalb der Euro­päischen Union, weil sie eine unglaubliche Sprachkompetenz haben, neben den skan­dinavischen Ländern. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Ein letzter Punkt: Eines darf hier nicht zu kurz kommen, vor allem nicht, wenn ich da stehe, nämlich die Kultur. Meiner Überzeugung nach ist es ganz, ganz wichtig, dass die Europäische Union sich neben der Wirtschaftsunion nicht nur zu einer Sozialunion, sondern auch zu einer Kulturunion entwickelt – und diese Kulturunion braucht den Aus­tausch. Kultur braucht internationale Luft, internationale Begegnung. In diesem Zusam­menhang ist es natürlich schmerzhaft, wenn die Auslandskultur im Budgetansatz des Außenministeriums gekürzt wird.

Da muss ich ehrlich sagen: Diese ohnehin wenigen Mittel für die Darstellung der öster­reichischen Kultur noch mehr zu kürzen, ist bitter. Es ist wichtig, dass wir auch im Be­reich des kulturellen Austausches die Mobilität, die Begegnungsformen ganz nach vor­ne stellen, andererseits auch in unserem Land niemals den Bericht „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“ vergessen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass bei uns, einer Kulturnation, eine Musikerin durch­schnittlich 700 € im Monat verdient und ein männlicher Musiker 800 €, wobei da die Hochverdiener wie die Philharmoniker mit eingerechnet sind. Das reale Einkommen der meisten ist also deutlich niedriger.

Abschließend möchte ich sagen: Eine Kulturnation darf auch in Krisenzeiten bei Kultur nicht sparen. Sie darf auch nicht sparen beim Austausch von Kulturen, denn das be­deutet letztlich Begegnungen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.42


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


13.42.21

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn ist vielleicht erwähnenswert, dass es bei dem vorigen Tagesordnungspunkt um die Vergangenheit ging. Es ist immer seltsam, wenn man etwas aus der Vergangenheit, etwas, das weit zurückliegt, beurteilen soll.

Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es zwar nicht ganz um die Zukunft, vielmehr um die Gegenwart. Wir stehen mitten im Jahr 2011. Es ist auf jeden Fall zu begrüßen, dass wir uns hier auch mit zukunftsgerichteten Themen beschäftigen. (Bundesrat Perhab: Bravo!) Gleichzeitig ist klar, dass es jetzt nicht darum geht, die Vorschau an sich zu verändern oder freizugeben, wenn man so will, sondern vielmehr darum, sie zu beurteilen, zu interpretieren und zu schauen, wo wir in Österreich von gesamteuropäi­schen Entwicklungen profitieren können, wo wir im Vergleich stehen. Das haben auch meine Vorredner schon gemacht.

Auch wenn der Bereich Bildung nicht vergemeinschaftet ist, ist er doch ein zentraler Bereich, der eine Schlüsselrolle für andere Entscheidungen und Entwicklungsziele in der Europäischen Union hat, unter anderem für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähig­keit einzelner Menschen in den Regionen, in den Staaten, in der Europäischen Union, aber auch für die Regionen und Staaten und die EU insgesamt; er hat eine Schlüssel­


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rolle auch für den sozialen Zusammenhalt innerhalb dieser Union, aber auch innerhalb der Staaten und Regionen.

Ein Vorhaben – auch dieses wurde schon angesprochen – in diesem Bericht ist die Senkung der Schulabbrecher- und Schulabbrecherinnenquote. Ich denke, uns allen ist klar, dass man ohne eine fertige Ausbildung persönlich schlechtere Chancen hat, und zwar nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern in weiterer Folge auch im eigenen Leben. Ich denke, wir in Österreich stehen da im Vergleich zu anderen Ländern relativ gut da.

Umso mehr, meine ich, muss es uns ein Ansporn sein, in andere Bereiche, die damit zusammenhängen, zu investieren. Was meine ich damit? Es geht nicht nur darum, dass jemand irgendeine Schule abgeschlossen hat; vielmehr muss es uns darum ge­hen, dass jeder und jede die für sie und für ihn richtige Ausbildung, den passenden Ab­schluss macht – passend zu dem, was man im Leben vorhat, sowie zu dem, was man an Talenten mitbringt.

Im Bereich der Studien – wir setzen leider sehr oft am Ende der Ausbildungskarriere an – ist es gelungen, mit der Studieneingangsphase mehr Orientierung zu bringen und den jungen Menschen zu helfen, die richtige Ausbildung zu finden. Aus meiner Sicht haben wir noch viel zu tun, was den Beginn der Ausbildung betrifft. Bildungs- und Lauf­bahnberatung fängt nicht erst dann an, wenn ich kurz vor dem Eintritt ins Arbeitsleben stehe; sie muss dort anfangen, wo junge Menschen das erste Mal mit Bildung in Be­rührung kommen.

Es gibt schon das Projekt „TALENTE CHECK“, es gibt einige gute Modelle, die die Länder schon umgesetzt haben, doch muss da wesentlich mehr passieren. Auch die Wirtschaftskammer hat einiges umgesetzt (Bundesrätin Mühlwerth: Potenzial ...!) – im Bereich der Potenzialanalyse. Aber ich glaube, all diese Pilotprojekte dürfen keine Pilotprojekte und Versuche bleiben; sie müssen Realität werden, in das Regelschulwe­sen integriert werden. Sie müssen aus meiner Sicht im Kindergarten beginnen, damit ich da schon weiß, wo ich stehe, wo mein Weg hingehen kann, welche Möglichkeiten ich habe.

Ich denke, dass damit einerseits – nicht automatisch, es bedarf noch vieler Anstren­gung – einhergehen wird, dass Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher weniger wer­den, denn was mir Freude macht, was zu mir passt, kann ich auch viel eher zu Ende bringen. Andererseits werden wir damit auch die Akademikerinnen- und Akademiker­quote steigern können – nicht der Quote, sondern der Menschen wegen, die dann ei­nen zukunftsfähigen Arbeitsplatz haben.

Ein weiteres Vorhaben in der Vorschau besteht darin, besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass Elementarpädagogik – oder anders formuliert: frühkindliche Förde­rung – mehr Platz hat. Ich finde es gut, dass man diese Ansicht auch auf europäischer Ebene teilt.

In Österreich ist aus meiner Sicht – wir haben darüber hier oft debattiert – schon eini­ges weitergegangen. Das verpflichtende Kindergartenjahr ist ein richtiger Schritt; dass es auch für die frühkindliche Förderung gemeinsame Lehrpläne gibt, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt; zur Förderung der Elternbildung gibt es in vielen Ländern schon gute Modelle, auch das ist ein wichtiger Schritt. Ich glaube, man sollte hier festhalten, dass Bildung nicht nur in der Öffentlichkeit, in Einrichtungen, sondern auch zu Hause statt­findet.

Aber wir müssen hier weiter dranbleiben. Ich denke etwa an die Aus- und Weiterbil­dung von Pädagoginnen und Pädagogen im Kindergartenbereich. Ich finde es immer noch befremdend, dass gerade die, die in einer sehr entscheidenden Phase die meiste Auswirkung auf die Weiterentwicklung von Kindern haben, die, wenn man so will, am


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meisten richtig, aber auch am meisten falsch machen können, die kürzeste und oft die wissenschaftlich am wenigsten angesehene Ausbildung haben.

Ich glaube, da müssen wir sehr viel Hirnschmalz investieren und alles, was wir schon wissen, rasch umsetzen. Denn: Ähnlich wie in der Medizin gibt es auch in der Bildung sehr viel Evidenz, sehr viele Forschungsergebnisse; und jetzt gilt es, unabhängig von Ideologien und anderen Prädispositionen, die man so mit sich trägt, diese Erkenntnisse möglichst rasch umzusetzen, im Interesse der Kinder, der Familien und letztlich auch unserer Gesellschaft.

Abschließend will ich noch ein Vorhaben erwähnen, das auch in vielerlei Hinsicht mit Bildung zu tun hat. Das Thema Kultur wurde hier schon oft angesprochen: Was ist Kultur? Wo stehe ich selber mit meiner Kultur? – Nur wer ein festes Fundament hat, persönlich, sozial und kulturell, wer weiß, wo er oder sie steht, der oder die kann auch offen sein für andere, für Neues, für Zusammenarbeit in einem größeren Rahmen. Deswegen braucht die in der Vorschau, die wir heute debattieren, ausgeführte makro­regionale EU-Strategie für den Donauraum, wie es richtig heißt, natürlich auch Men­schen, die auf so eine Zusammenarbeit vorbereitet und dazu bereit sind.

Gleichzeitig ist die Donauraum-Strategie eine Chance für diese gesamte Region. Alle Staaten, die daran beteiligt sind, stehen sicherlich auf unterschiedlichen Niveaus, auf unterschiedlichen Entwicklungsschritten; doch jetzt haben wir eine Chance, wieder und neu zusammenzuwachsen.

Ich finde das persönlich sehr spannend, da ich selber aus der Donauregion, dem Nibe­lungengau, aus Niederösterreich stamme, aber meine Familie Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien weit stromabwärts hat. Da hat es viel gemeinsame Geschichte gegeben, auch viel gemeinsame Kultur, die der Verkehrsweg mit sich bringt; und ich finde, es ist eine großartige Chance, wenn man da gerade über Bildung, die eine wichtige Voraus­setzung ist, investiert und letztlich allen, die dort leben, mehr Bildung ermöglicht.

Bevor ich zum Abschluss komme: Es ist heute öfter angesprochen worden, dass auch Lehrlinge mehr Möglichkeit zu internationalem Austausch, zu Erfahrungen im Ausland bekommen sollten. Fein, es werden Lehrlinge so oft in Sonntagsreden erwähnt, dass ich oft nicht mehr weiß, wie ernst das jeder meint. (Ruf bei der ÖVP: Die Wirtschaft meint es ja!) – Bei der Wirtschaft habe ich auch keine Bedenken, aber die Lehrlinge werden immer dann angesprochen, wenn man sagen will, wir nehmen die Jugend eh ernst in ihrer Gesamtheit.

Ich finde es fein, wenn man sagt, Lehrlinge sollen mehr ins Ausland gehen, und man kann das auch ausbauen, keine Frage. Es wird sich strukturell immer schwieriger dar­stellen, jemandem, der bei uns in der dualen Ausbildung ist, einem Betrieb zugeteilt ist, diese Chance zu geben – bei allem guten Willen und bei allen Förderungen, die es gibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) – Vielleicht gibt es einen anderen Weg, das zu schaffen, um das allen zu ermöglichen, vielleicht kann man in den Pflichtschu­len stärker investieren. Warum nicht die Bratislava-Woche statt der Wien-Woche? Wa­rum nicht schon in den Pflichtschulbereich gehen?

Ich denke, je früher man Erfahrungen macht, desto offener ist man dafür und desto prägender können solche Erfahrungen werden. Warum investieren wir nicht mehr in Auslandserfahrungen, die über Vereine in der Freizeit organisiert werden können? Da erreichen wir nämlich alle. Das ist aus meiner Sicht der wahrscheinlich richtigere Weg, als immer aufzuteilen: Das können die Lehrlinge machen, das die Studierenden, das die Schüler. – Ich glaube, da dividieren wir junge Menschen mehr auseinander, als sie das selber empfinden. (Bundesrätin Mühlwerth: Da interpretierst du mehr hinein, als gesagt wurde!)  Aber das ist meine Interpretation der Sache. (Vizepräsident Mag. Him­mer übernimmt wieder den Vorsitz.)


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Abschließend möchte ich gemäß meiner Einleitung noch festhalten, dass aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion, die den Bericht und die Vorschau sehr gerne zur Kenntnis nimmt, die Vorschau in eine richtige Richtung geht, dass Österreich auf die­sem Weg auch in die richtige oder in diese Richtung gut unterwegs ist und dass wir  und ich glaube, das ist das, was wir mitnehmen können  die gesamteuropäische Perspek­tive mitdenken müssen, wann immer wir gerade in den Bereichen Bildung und Kultur Schritte setzen. In diesem Sinne: Los geht’s, wir sind ja schon mitten im Jahr 2011! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.50.58

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Grund, warum ich mich jetzt noch spontan zu Wort gemeldet habe, ist folgender: Ich habe so­eben ein E-Mail erhalten, dass der Oberösterreichische Landtag – der tagt ja heute auch – einen Beschluss gefasst hat, gemeinsam mit den Kollegen der Volkspartei  welche Fraktionen da noch mitgestimmt haben, weiß ich nicht, aber das können wir noch erfahren , der zu dieser Materie passt:

Es wurde vom Landtag in Oberösterreich beschlossen, dass das Nachholen von Pflichtschulabschlüssen stärker als bisher gefördert wird. Im vergangenen Jahr waren es in etwa 734 Schülerinnen und Schüler, die den Hauptschul-, den Pflichtschulab­schluss einfach nicht geschafft haben. Für diese Personen gibt es nun Beratung, für die im Feld tätigen Lehrerinnen und Lehrer und BildungsberaterInnen gibt es eine ver­stärkte Weiterbildung, und gemeinsam mit dem Ministerium gibt es ab September ei­nen Ausbau des Angebotes zum Nachholen von Schulabschlüssen.

Letztendlich ist es ja in der Praxis so, dass die Schüler und Schülerinnen erst nach einigen Monaten, wenn nicht Jahren, draufkommen, dass sie in ihrem Leben etwas nachzuholen haben, und daher wurden auch die AMS-BeraterInnen mit ins Boot he­reingeholt, nämlich dass sie, wenn sie Klienten, Klientinnen in der Beratung haben, ih­nen auch die Information weitergeben, dass die Möglichkeit besteht, den Pflichtschul­abschlusskurs nachzuholen. Das ist ja wirklich die Basis für jegliches berufliche Weiter­kommen, denn wenn man sozusagen das Fundament nicht hat, dann wird auch das Haus nicht lange stehen  sofern man es überhaupt erbauen kann.

Auf einen anderen Punkt möchte ich auch noch kurz eingehen, und ich danke der Kollegin Michalke, dass sie mich darauf aufmerksam gemacht und somit angeregt hat, auch einen kurzen Input zu geben. Es geht um die Zweitsprache; mein Vorredner, Kol­lege Schennach, hat das auch schon angesprochen. Ich glaube, es ist mittlerweile frak­tionsübergreifend unbestritten, dass die Sprache ganz, ganz wichtig und ein Schlüs­selelement jeglicher gesellschaftlicher Teilhabe ist.

Nur ist die Frage: Wie gestalte ich das? Welche Ressourcen stelle ich zur Verfügung? Da möchte ich Sie in Ihrem Kurs sehr, sehr bestärken, Frau Ministerin. Der Weg, den Sie eingeschlagen haben, ist ein vollkommen richtiger. Ich weiß auch nicht, wie in der Diskussion, als Sie den Vorschlag eingebracht haben, zum Beispiel Türkisch als zweite Fremdsprache zu etablieren, sofort der Spieß umgedreht und das so aufgefasst wor­den ist, dass der Eindruck erweckt wurde, Deutsch brauche man jetzt eh nicht mehr zu lernen.

Also, man soll sich die Realität nicht so hinbiegen, wie man sie gerne hätte, sondern sich auf die Fakten konzentrieren. Es soll mir bitte einer oder eine hier erklären, was an einer Zusatzsprache, welche auch immer, schädlich ist. Das ist ja eine Bereicherung.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 86

Ich selber spreche drei Fremdsprachen und würde am liebsten noch einmal drei dazu lernen, aber es geht sich halt zeitlich und ressourcenmäßig nicht aus  und je mehr Sprachen man kann, umso mehr Kompetenzen, Ressourcen hat man und umso mehr Möglichkeiten eröffnen sich.

Ein Punkt ist, dass und da, muss ich ehrlich sagen, sind die Probleme hausge­macht –, wenn wir diese Fremdsprachenangebote, die ja benötigt werden und wo auch die Kinder und Jugendlichen die Ressourcen mitbringen, nicht selbst an den Schulen, durch Lehrer und Lehrerinnen, die die Ausbildung in Österreich absolviert haben, an­bieten, Folgendes passiert: Vereinen unterschiedlicher Strömungen aus den Herkunfts­ländern wird durch diese Lücke, dieses riesengroße Scheunentor, das wir aufgrund un­serer verfehlten Bildungspolitik in diesem Bereich – keine Kritik an Ihnen, Frau Ministe­rin – geöffnet haben, einfach ein riesengroßes Betätigungsfeld eröffnet.

Wenn wir diese Lehrer und Lehrerinnen selber in Österreich ausbilden würden, dann hätten diese Vereine kein Betätigungsfeld. Ich glaube, ich brauche hier nicht im Detail zu skizzieren, welche Folgeprobleme es mit sich bringt, wenn nationalistische, islamis­tische Vereine als Bildungsinstitutionen auftreten und diese Lücke füllen. Zeigt mir ei­nen Politiker hier herinnen und auch im Nationalrat, der dann hingeht und sagt: Nein, nein, das ist nicht richtig. – Die kommen nämlich über die Bildungsschiene, und da wird sich kein Politiker hinstellen und das kritisieren, denn dann war er einmal Politiker.

Da werden Spielchen gespielt, die wirklich mit äußerster Genauigkeit zu beobachten sind; und es ist ein hausgemachtes Problem, dass diese Vereine da ein Betätigungs­feld haben. Daher lade ich insbesondere, wirklich, Kollegen und Kolleginnen der FPÖ ein, diesen Vorschlag der Frau Ministerin zu unterstützen, weil er wirklich sinnvoll ist und auch in eine richtige Richtung geht  denn genau durch diesen Schritt können wir diesen nationalistischen und islamistischen Vereinen den Wind aus den Segeln neh­men. Ich glaube, das ist unser aller Intention. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Allge­meiner Beifall.)

13.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


13.56.54

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst vielen Dank für die brei­te Zustimmung auch zu diesem Tagesordnungspunkt  dramaturgisch spannend ge­macht. Ich möchte mich aber auch, und ich meine das sehr persönlich, für die Art und Weise bedanken, wie hier im Bundesrat, vor allem auch im bildungspolitischen Bereich, diskutiert wird. Auch wenn es kontrovers ist, bleibt es immer respektvoll und wertschät­zend, und ich möchte hier einfach auch einmal aussprechen, dass ich das sehr, sehr schätze. (Allgemeiner Beifall.)

Zum Thema Europäische Union, es ist ja schon angesprochen worden: Beide Be­reiche  also sowohl der wichtige Kulturteil, aber auch der Bereich Bildung  sind ja Materien, wo ich jetzt in Brüssel nicht gewinnen muss, oder anders formuliert  wir jetzt in dem Sinn auch nichts verlieren können. Das sind Materien, wo  man nennt das technisch  im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung ein Erfahrungs- und Meinungsaustausch auf sehr, sehr gut vorbereitetem Niveau stattfindet. Jedenfalls sind all die Grundlagen, die dort diskutiert werden, für uns, denke ich, und vor allem auch für die Strategieentwicklung, für die Politikgestaltung ganz, ganz wesentlich.

Ich möchte hier aber auch eines betonen: Instrumente, Projekte, die zum Beispiel in Frankreich erfolgreich sind, müssen dann, eins zu eins in Österreich eingeführt, bei uns


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 87

nicht unbedingt auch zum Erfolg führen, weil es ja immer auch darauf ankommt, wie die Gesellschaft befasst ist und wie die Rahmenbedingungen sind. Aber diese Abstim­mung auf europäischer Ebene ist wertvoll und wichtig.

Ich kann einzelne Schwerpunkte herausgreifen, an denen wir jetzt unmittelbar arbeiten, zum Beispiel das Thema Nationaler Qualifikationsrahmen, das ganz wesentlich bei der gesamten Thematik PädagogInnenbildung, Quereinsteiger, Anerkennung von er­worbenen Kenntnissen ist; oder das Thema lebensbegleitendes Lernen. Es kam jetzt der quasi aktuelle Bericht, auch aus Oberösterreich. Wir sind ja gerade dabei, die 15a-Verträge mit den Ländern zu verhandeln, Stichworte sind das Nachholen von Bildungs­abschlüssen und Basisbildung.

Da wird auch der 19. Mai, der nächste Termin der Landeshauptleutekonferenz, ein sehr wichtiger sein, weil wir ja die Budgetmittel reserviert haben und jetzt im Wege der Kofinanzierung diese Programme auch realisieren wollen. Auch das Thema frühkind­liche Bildung, mit Auswirkungen auf die PädagogInnenbildung Neu, ist wichtig. Lassen Sie mich auch noch ein paar Punkte zum berufsbildenden Schulwesen anführen.

Es wurde die duale Ausbildung besonders erwähnt, und es hörte sich fast so an – oder zumindest ist es bei mir so angekommen –, als wäre es ein Manko, dass wir eines der wenigen Länder sind, wo es die duale Ausbildung gibt, und als müssten wir irgendwie darauf warten, dass andere nachziehen. (Die Bundesräte Mühlwerth und Schennach: Nein, nein!) Es ist das Gegenteil der Fall, also es vergeht keine EU-Ministerratssitzung, wo ich nicht von meinen Kollegen angesprochen werde, wie wir das machen.

Es kommen Delegationen zu uns, um sich das berufsbildende Schulwesen, das duale, bis hin zu den höheren Schulen anzuschauen, daraus zu lernen, Schlüsse zu ziehen, also da sind wir Spitzenreiter. Ich möchte auch die OECD-Studien erwähnen, wo wir den ersten Platz einnehmen. Es wird natürlich immer gern darüber berichtet, wo wir weit hinten sind, aber es gibt von der OECD Studien über das berufsbildende Schul­wesen, wo wir im Spitzenfeld sind; und da müssen wir alles dazu tun, damit das so bleibt und wir diese Position auch weiter ausbauen können. (Bundesrat Schennach: Da sind wir uns auch alle einig, das steht nicht zur Debatte!) – Okay.

Zum Schluss wollte ich nur kurz auf die Frau Bundesrätin Rausch eingehen, die einen für mich so wichtigen Satz gesagt hat, der sich vielleicht auch in Richtung Integration ausbauen lässt, nämlich dass eine eigene Identität die Voraussetzung für Integration ist. Ich glaube, es ist wichtig, dass man zu sich selbst eine gute Beziehung hat, dann geht es auch im Austausch mit anderen gut  und besonders eben auch dann, wenn der andere noch ein vermeintlich Fremder ist.  Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

14.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

14.02.2510. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 – TKG 2003 geändert wird (1074 d.B. und 1157 d.B. sowie 8493/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 88

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Sicherheitspolizeigesetz geän­dert werden (1075 d.B. und 1124 d.B. sowie 8483/BR d.B. und 8497/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen somit zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 10 ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um den Bericht.

 


14.02.51

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 10. Mai 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Berichterstatter zu Punkt 11 ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte um den Bericht.

 


14.03.47

Berichterstatter Stefan Schennach: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Sicherheitspolizeigesetz geän­dert werden. Das steht in Zusammenhang mit der vorhergehenden Berichterstattung zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich auch gleich zur An­tragsstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf außerdem zwischenzeitlich Frau Bundesministerin Bures sehr herzlich begrü­ßen, und es gibt ein Wiedersehen mit unserer Frau Justizministerin, und in Vertretung der Frau Innenministerin begrüße ich Frau Dr. Fekter. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche.  Bitte, Herr Kollege.

 


14.04.59

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerinnen! Sie haben jetzt die Frau Minister Schmied abgelöst, ich löse die Monika in der weiteren Debatte ab. Wir sollen ja heute ein Bündel von Gesetzen beschließen, was wir aber eigentlich nicht aus freien Stücken und aus eigenem Willen und Antrieb tun wollen, sondern weil es die EU so will – zumindest will sie es angeblich so, denn die Innenkommissarin der EU hat bereits angekündigt, mit Ende dieses Jahres – mit Dezember – eine neue Verordnung erlassen zu wollen.

Andere Länder, die noch zuwarten – wie beispielsweise Schweden, das in der Umset­zung dieser Richtlinie auch noch säumig ist –, fürchten sich nicht zu Tode vor EU-Stra­fen, sondern betrachten die weitere Entwicklung mit Gelassenheit. Jene Länder, die das bereits eingeführt haben, sind mittlerweile dabei, es wieder zu evaluieren.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 89

Wo liegt nun der Hauptkritikpunkt an diesem Gesetzentwurf, zusammengefasst unter dem Oberbegriff „Vorratsdatenspeicherung“? – Es gibt massive datenschutzrechtliche und damit auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Gesetze, und die kom­men nicht nur aus meiner Fraktion, sondern die werden auch von zahlreichen Experten geäußert.

Wenn ich dann im Ausschuss das Argument höre, dass die Daten ja von den Providern und Anbietern ohnehin schon gespeichert werden und dass das jetzt sozusagen nur in geregelte Bahnen gelenkt wird, dann, meine Damen und Herren, müssten eigentlich bei uns alle Alarmglocken schrillen und wir müssten hier und heute ein Gesetz be­schließen, das genau diese unkontrollierte Datenspeicherung verhindert oder zumin­dest auf jenes notwendige Maß einschränkt, das für verrechnungstechnische Zwecke notwendig ist. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Zudem verursacht das Ganze auch noch beträchtliche Kosten. Es wird geschätzt, dass allein die Investition, um das umsetzen zu können, in der Höhe von 15 Millionen € liegt. 80 Prozent davon soll der Bund tragen, den Rest die Anbieter. Zahlen werden es schlussendlich wir alle, als Konsumenten und Bürger. Die laufenden Kosten, die dann durch die entsprechenden Abfragen seitens der Exekutive anfallen, die sind in dieser Rechnung natürlich noch gar nicht berücksichtigt.

Wozu soll das Ganze gut sein? Was ist eigentlich die Gegenleistung, die wir für dieses Gesetz bekommen sollten?  Eine effizientere Terrorbekämpfung, das war ja die ur­sprüngliche Intention der EU, ein solches Gesetz zu verordnen; und nebenbei, das wird auch noch gesagt, kann man etwas gegen die Kinderpornographie machen. Schluss­endlich wird man aus jeglichem Grund vonseiten der Exekutive auf diese Daten zugrei­fen können. Aber die Ziele, meine Damen und Herren, werden nicht einmal ansatzwei­se erreicht werden, denn diese Datenflut, die da produziert wird, wird nicht dazu bei­tragen, dass unsere Welt, dass unser Land sicherer wird.

Wir haben bereits Beispiele aus der Vergangenheit. Wir erinnern uns alle noch – wir haben vor einem halben Jahr den Jahrestag gehabt – an 9/11, ein dramatisches, kata­strophales Ereignis, ein Terroranschlag, der die Welt erschüttert hat. Und wie war es denn dort?  Ein Großteil jener Terroristen, die die Anschläge ausgeübt haben, waren in den US-amerikanischen Datenbanken bereits als potentiell gefährlich gespeichert, und sie durften trotzdem ungehindert einreisen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, Daten müssen gepflegt werden, müssen gewartet werden, müssen dargestellt werden, denn sonst produziert man nur einen Datenfriedhof, aus dem keiner einen Nutzen ziehen kann.

Aber ganz wesentlich ist, dass diese Gesetze sehr leicht unterlaufen werden können. Erstens sind außereuropäische Provider und Anbieter davon überhaupt nicht betroffen. Zweitens gibt es kleine Anbieter, die bis zu einer gewissen Umsatzhöhe nicht dazu ver­pflichtet werden. Es besteht also auch die Möglichkeit, dass ein großer Provider sich in Töchter aufsplittet, die dann alle unter der ominösen Umsatzgrenze liegen und nicht verpflichtet sind, diese Daten zu speichern.

Aber es geht noch viel einfacher. Es gibt auf YouTube Anleitungen, wie man das Gan­ze innerhalb von zehn Minuten umgehen kann. Das verursacht Kosten von 1 € im Mo­nat. Man bediene sich eines sogenannten SSH-Servers, den man zwischenschaltet, dann wird nämlich nicht mehr die eigene IP-Adresse abgespeichert, sondern nur mehr diese SSH-IP-Adresse. Diesen Anbietern ist es sogar verboten, diese Daten zu spei­chern. Mit so einem Tunnel zu einem solchen Server kann man das sehr, sehr leicht um­gehen.

Wer also Böses im Schilde führt, wird von diesem Gesetz nicht gekratzt werden. Das steht fest. Die – so sage ich jetzt einmal – dummen und idiotischen Verbrecher werden


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 90

wir auch so erwischen, ohne dass wir dermaßen massive Eingriffe in die Persönlich­keitsrechte und in den Datenschutz vornehmen müssen.

Was handeln wir uns im Gegenzug aber ein? – Die intelligenteren unter den Verbre­chern werden vielleicht einen Nutzen daraus ziehen können. Sie werden sich illegal Zutritt zu diesen Daten verschaffen und damit ihre kriminellen Machenschaften abwi­ckeln. Das kann von missbräuchlicher Verwendung bis hin zu Erpressung reichen. Das Ganze schadet eigentlich nur jenen, die sozusagen ohne Argwohn keine Umgehung versuchen, die sich selber gläsern darstellen und nichts zu verschleiern versuchen. Sie werden die Opfer einer solchen Vorratsdatenspeicherung sein.

Wie leicht das geht, zeigen ja immer wieder Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. US-amerikanische Kreditkartenfirmen, Sony – das sind gute Beispiele in letzter Zeit. Glauben Sie im Ernst, dass jene 200 bis 250 österreichischen Anbieter bessere Sicher­heitsvorkehrungen haben werden als ein Weltkonzern wie Sony? – Das kann ich mir schlecht vorstellen. Auch das Prozedere hinsichtlich des Datentransfers, der Abfrage, der Kontrolle und der Löschung nach sechs Monaten ist noch nicht klar und muss erst in einer Verordnung, die es noch nicht gibt, geregelt werden.

Aber lassen Sie mich noch einmal ganz kurz auf die bisherigen Erfahrungen in anderen Staaten, die das bereits eingeführt haben, eingehen. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages sagt, dass „die Erfolge der Vorratsdatenspeicherung in einem sehr kleinen Rahmen“ bleiben werden und der Zweck und die Mittel „nicht in einem ausgewogenen Verhältnis“ stehen. Die EU-Kommission selber sagte im April, dass die Richtlinie keine Gewähr bietet, „dass die Daten im vollen Einklang mit dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten gespeichert, abgefragt und verwendet werden.“

Wir hätten hier die Chance, einen Fehler zu vermeiden, den andere schon gemacht ha­ben, aber genau das Gegenteil wollen wir in willfähriger Erfüllung von EU-Interessen, gegen die Interessen der österreichischen Bevölkerung tun, und das Ganze noch mit drei ineinander verschachtelten Gesetzen, die in letzter Konsequenz kaum nachvoll­ziehbar sind. Der Gesetzwerdungsprozess im Nationalrat mit zahlreichen Abänderungs­anträgen und Ausschussfestlegungen zeigt ja auch schon, dass das Ganze eine äu­ßerst holprige Sache ist.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, beweisen Sie den Österrei­chern, die keine Bespitzelung und kein solches Gesetz wollen, dass der Bundesrat selbständig und eigenständig denkt und handeln kann, dass das, was bei diversen Ver­anstaltungen immer wieder gesagt wird, und jene Argumente, die vorgebracht werden, um die Existenzberechtigung dieses Organs zu untermauern, keine Sonntagsreden sind, sondern dass Sie das wirklich mit Leben erfüllen wollen!

Ich fordere Sie daher auf: Lehnen Sie diesen Antrag ab, und zwingen Sie den Natio­nalrat, sich noch einmal damit auseinanderzusetzen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Gegenruf der Bundesrätin Michalke.)

14.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gruber. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.15.50

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Bundesministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen – vor allem Herr Kollege Krusche! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich hätte mir Folgendes gewünscht: 2005 gab es eine Justizministerin – Gastinger hat sie geheißen, glaube ich (Zwischen­ruf des Bundesrates Krusche) –, und wenn diese Dame nur 10 Prozent von dem, was


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 91

Sie hier an Kritik geäußert haben, damals in Brüssel eingebracht hätte, dann stünden wir heute nicht vor dieser Misere.

Und wenn die Bundesregierung, der Sie damals angehört haben – 2006 –, im Minister­rat das nicht auch kritiklos übernommen hätte (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Mühl­werth und Michalke), dann hätten wir heute diese Probleme nicht. – So viel sei Ihnen einmal ins Stammbuch geschrieben. Schauen Sie nach, wer uns diese Misere einge­brockt hat, und dann stellen Sie sich her, dann kritisieren Sie! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Sie geben zu, dass es eine Misere ist!) – Das war die Vorge­schichte. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

An die Adresse jener, die sich jetzt mit Kritik überschlagen – ich habe schon geglaubt, Sie machen einen Purzelbaum –: Sie waren damals mit Ihren Regierungsmitgliedern die Wegbereiter für diese Brüsseler Vorlage, die wir heute erfüllen, die seit 2006 in Kraft ist.

Was ist die eigentliche Intention? Der Kollege hat es angesprochen. Warum müssen wir in Zukunft Telekommunikationsdaten speichern? – Diese gespeicherten Daten sol­len den Justizbehörden sowie den Polizeibehörden die Möglichkeit geben, schon im Vorfeld bei Verdacht mögliche Straftaten oder Verbrechen zu verhindern – Terroran­schläge, Bandenunwesen. Sie sollen aber auch helfen, bereits begangene Verbrechen und Straftaten möglichst schnell und datengestützt national und international aufzuklä­ren.

Da es sich aber – und da gebe ich Ihnen vollkommen recht – bei der Speicherung von Daten um einen sehr sensiblen Bereich handelt – Datenschutz, Bürgerrechte –, und auch Missbrauch, wie wir in der Vergangenheit schon gesehen haben, nicht auszu­schließen ist, wird bei uns eine stark abgespeckte Variante zum Tragen kommen.

Das heißt im Klartext: Speicherung nur sechs Monate und nicht 24 Monate wie ur­sprünglich vorgesehen. Bei uns geht es bei der Speicherung nur um Verbindungs- und Standarddaten. Es werden keine Inhalte gespeichert; auch das sei ganz klar zum Aus­druck gebracht.

Meine Damen und Herren! Um diese Daten vor Missbrauch zu schützen, gilt auch hier das Grundprinzip, dass sämtliche Datenabfragen nur nach richterlichem Beschluss er­folgen dürfen – Herr Kollege: nur nach richterlichem Beschluss.

Außerdem gilt in Zukunft bei der Staatsanwaltschaft, aber auch im Wirkungsbereich des Innenministeriums das Vier-Augen-Prinzip bei der Einholung von Datenauskünften. Neben eigenen Strafbestimmungen gegen rechtswidrige Veröffentlichung von Vorrats­daten wird auch eine Informationspflicht gegenüber jenen Bürgerinnen und Bürgern eingeführt, deren Daten abgefragt wurden.

Von all dem haben Sie nicht geredet. Ich glaube, dass das ganz wichtige Begleitmusik ist, um diesem Gesetz zustimmen zu können. Herr Kollege Krusche! All diese Maßnah­men und die Kontrolle durch die Datenschutzkommission werden dazu beitragen, dass es zu keinen missbräuchlichen Verwendungen von Vorratsdaten kommt.

Aus heutiger Sicht ist es zu begrüßen, dass man sich mit der Umsetzung der Richtlinie genug Zeit gelassen hat, die Bedenken der Bevölkerung sowie der Experten ernst ge­nommen wurden und es dabei zu einer verfassungskonformen Lösung gekommen ist.

Wir Sozialdemokraten werden daher diesen Gesetzesänderungen zustimmen, weil es den Verantwortlichen gelungen ist, trotz großer Probleme und des vorauseilenden Ge­horsams der Jahre 2005 und 2006 eine Lösung anzubieten, die mit unseren Grund­rechten und unserem Datenschutz noch kompatibel ist.

Sie haben es ja schon angesprochen: Der heutige Beschluss ist aber auch notwendig, um in Aussicht gestellten Strafzahlungen in der Größenordnung von 15 Millionen € zu


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 92

entgehen. (Bundesrat Krusche: Wie viel kostet uns ...?) Das wurde ausgelöst durch ein Urteil des EU-Gerichts, und ich glaube, wir sind Menschen, die in einem Rechts­staat leben, und für die auch die EU ein Rechtsstaat in diesem Sinne ist.

Ich glaube, dass trotz aller Probleme und Schwierigkeiten ein gangbarer Weg gefun­den wurde. Wir werden diesen Gesetzesänderungen unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ki­ckert. – Bitte.

 


14.21.36

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Ministerinnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es macht wahrscheinlich Spaß, bei Kritik von der Opposition darauf hinzuweisen, wer auch immer die Misere einge­brockt hat. Nichtsdestotrotz: Dazu gibt es Regierungswechsel, dazu gibt es Wechsel in der Koalition, dazu gibt es auch die Möglichkeit, Sachen besser zu machen. Das ist das erste und wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ verteidige, aber das war ein bisschen tief und unnötig. (Beifall bei Bundesrä­ten der FPÖ. – Bundesrat Gruber: Frau Kollegin, was war da „tief“? – Zwischenruf des Bundesrates Boden.)

Es ist so nachvollziehbar, es ist so langweilig, immer darauf hinzuweisen, was die an­deren nicht alles schlecht machen. (Bundesrat Gruber: Wenn die sich am meisten aufregen, die es eingebrockt haben, dann wird man wohl darauf hinweisen dürfen, oder?! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das kann man tun, aber es ist so ein­fach, sich immer nur darauf auszureden, als zu versuchen, es besser zu machen. (Bun­desrat Krusche: ... hinweisen, was ihr ... habt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Warten Sie, lassen wir sie einmal ein bisschen reden. (Die Rednerin tritt einen Schritt zurück.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Am Wort ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert!

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (fortsetzend): Sie können sich auch gerne nachher noch unterhalten.

Es wird Sie nach dieser Einleitung wohl kaum überraschen, dass wir Grünen diese Gesetzesvorlagen und vor allem die damit verbundenen Eingriffe – es sind aus unserer Sicht nämlich massive Eingriffe – in die Grundrechte der Menschen ablehnen.

Ich bleibe jetzt einmal bei der grundlegenden Problematik, die darin liegt, dass die Speicherung von Mobilfunk- und Internetzugangsdaten eine praktisch permanente Auf­zeichnung des Kommunikationsverhaltens der gesamten Bevölkerung darstellt. Es ist ein Screening. Diese gewonnenen Daten geben einen wirklich detaillierten Aufschluss über das Ausmaß und die Intensität aller sozialen Beziehungen, die über diese Tele­kommunikationsmöglichkeiten laufen, und ermöglichen daher ziemlich genaue Profile.

Das Risiko der missbräuchlichen Auswertung all dieser Daten steigt übrigens exponen­tiell zur Menge der gesammelten Information. Das sage nicht ich, das sagt der österrei­chische Datenschutzrat.

Der eben erwähnte Datenschutzrat, der bei den vorliegenden Novellierungen nicht be­fasst worden ist, sagt das auch noch in einer sehr höflichen Formulierung, indem er feststellt, dass die Vorratsdatenspeicherung „eine Abkehr vom Grundsatz der Vertrau­lichkeit der Kommunikation“ hin zu einem generellen Misstrauen gegenüber allen Men­schen ist.

Auch die verbesserten – wie soll ich jetzt sagen? – Rechtsschutzmaßnahmen, die Sie angesprochen haben, beziehungsweise die sogenannten technischen Sicherungen be­


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heben diese gerade skizzierte Problematik nicht, sondern mildern sie bestenfalls ab. Der Datenschutzrat hat übrigens auch aus diesem Grund bisher in all seinen Stellung­nahmen zur Vorratsdatenspeicherung diese abgelehnt.

Die wesentlichen Kritikpunkte noch einmal aufgezählt: Sie sagen, es wurden die mini­malsten Anfordernisse der EU-Richtlinie (Ruf bei der SPÖ: Umgesetzt!) umgesetzt. Das ist bei den sechs Monaten, die de facto sieben Monate sind, tatsächlich der Fall, weil es 24 Monate hätten sein können. Es werden tatsächlich auch keine Inhalte ge­speichert – so hoffen wir alle, denn bisher hätten bestimmte Daten über das Billing-Sys­tem hinaus nicht aufgenommen werden sollen, wir wissen aber, dass es trotzdem ge­schehen ist.

Es wurden aber auch andere Teile, die die Richtlinie keinesfalls vorgesehen hat, aufge­nommen. Die Grenze der schweren Straftat ist de facto entfallen, weil wir eine Auswei­tung auf allgemeine Gefahren haben – was auch immer das bedeutet. Das fordert die EU-Richtlinie nicht! Die Nutzung der Daten für präventive Zwecke ist übrigens auch nicht in der EU-Richtlinie enthalten.

Unserer Meinung nach – da sind wir nicht ganz Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, das sei die wichtige und richtige Begleitmusik – sind die Berichtspflichten sehr wohl unzu­reichend. Es sollten nämlich alle Nutzungen dieser Kommunikationsdaten offengelegt werden, um das, was jetzt vom Staat als eine Art Vorschussmisstrauen gegenüber der Bevölkerung dargestellt ist, in eine Form von Transparenz und Klarheit umzuwandeln.

Auch die Regelungen der Datensicherheit sind offengeblieben, weil sie einer Verord­nung überlassen werden. Unserer Meinung nach sollte dem mindestens genau so viel Aufmerksamkeit und Gewicht zugemessen werden, und das daher im Gesetz determi­niert – manchmal sollte ich nicht so komplizierte Worte auswählen –, also im Gesetz fest­gehalten, werden.

Abschließend muss ich sagen – das muss für Sie nicht zutreffen –: Meiner Meinung nach sind diese gesetzlichen Bestimmungen keinesfalls verfassungskonforme Lösun­gen. Unserer Meinung nach sind sie dazu angetan, sowohl die österreichische Verfas­sung als auch die Europäische Grundrechtecharta zu durchlöchern. Und aus genau diesem Grund werden wir sicher nicht zustimmen und bedauern es ausnehmend, dass so eine Vorlage überhaupt zur Abstimmung kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der FPÖ.)

14.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


14.27.43

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe jetzt nicht darauf ein, dass Kollegin Kickert mit dem Kollegen Krische die Regierungsverantwortlichkeit diskutiert hat, aber auf den Kol­legen Krische möchte ich schon ganz kurz eingehen. (Ruf bei der FPÖ: Krusche!) – Bitte? (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Krusche! Krusche!) Krusche, Entschuldigung, aber er hat sich trotzdem angesprochen gefühlt. Danke herzlichst! Krusche, Entschuldigung!

Ich möchte trotzdem darauf eingehen, weil er gesagt hat, dass bei dem furchtbaren Terrorangriff am 11. September die Datenspeicherung nicht gegriffen hat und die ver­antwortlichen Terroristen diese furchtbaren Terroranschläge trotzdem durchgeführt ha­ben. – Stimmt, ist in Ordnung (Bundesrat Krusche: Nein, ist nicht in Ordnung!), aber ich bringe ein Gegenbeispiel: Wenn die Feuerwehr einen Großbrand nicht löschen kann, wäre es auch der falsche Schluss, die Feuerwehren am nächsten Tag abzu­schaffen. Insofern hat das Instrument schon gegriffen, es war da, aber letztendlich hat


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es halt vielleicht um dieses Stückerl nicht funktioniert, dass man diese furchtbaren An­schläge im Vorfeld hätte verhindern können.

Dieses Telekommunikationsgesetz ist eigentlich ein Sicherheitsgesetz, und es bringt ein Mehr an Sicherheit. Ich denke, Sicherheit ist etwas, was die Bürger zu Recht auf der Liste ihrer persönlichen Vorstellungen und Werte ganz, ganz oben stehen haben. Verbrechensbekämpfung ist eine Kernaufgabe des Staates, nur muss man den Behör­den – nämlich der Exekutive und der Justiz – auch die richtigen Instrumente zur Verfü­gung stellen.

Die neuen Bedrohungen erfordern im wahrsten Sinne des Wortes auch neue Struktu­ren, um diese Verbrechensbekämpfung effizient und richtig anwenden zu können. Die ÖVP steht zur Sicherheit, die ÖVP ist die Sicherheitspartei! Mich wundert sehr, dass die Freiheitliche Partei, die ständig Sicherheitsthemen hochzieht, in diesem Fall nicht mitzieht, denn es bringt ein Mehr an Sicherheit.

Ja, es stimmt, es gibt manche Dinge, die man noch verbessern muss. Aber ich glaube, auch hier reagieren wir richtig in der Weise, dass wir einerseits diese EU-Richtlinie um­setzen und zum Zweiten aus der Kenntnis dessen, dass man jetzt auch auf europäi­scher Ebene überlegt, hier noch zu evaluieren, dieses Gesetz erst mit April 2012 in Kraft treten lassen, weil wir genau diese Bedenken, die durchaus berechtigt auch heute bereits angebracht wurden, noch einarbeiten und hier noch besser werden wollen.

Aber ich glaube, Sie werden mir auch darin recht geben, geschätzter Herr Kollege Kru­sche, dass man für Kinderschänder- und Kinderpornographie- Verbrechensbekämp­fung letztendlich die richtigen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Werkzeuge braucht. (Bundesrat Krusche: Taugliche!) Diese Datenspeicherung, diese Vergleichsdaten bie­ten dazu eine Möglichkeit. Ich glaube, das ist etwas, womit wir natürlich eine europäi­sche Richtlinie umsetzen, aber auch der Polizei ein richtiges Instrument geben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch kurz die Kriminalstatistik einbringen. Wir haben einen Rückgang in der Kriminalität. Der Rückgang in der Kriminalität kommt nicht davon, dass sozusagen die Bösewichte immer weniger geworden sind, sondern der Rückgang in der Kriminalität und die gute Kriminalitätsstatistik in Österreich kommt deshalb zustande, weil die Polizei, weil das Innenministerium, weil letztendlich der Ge­setzgeber, nämlich Nationalrat und Bundesrat, auch neue Instrumente der Verbrechens­bekämpfung beschlossen haben.

Ich bin Bürgermeister in Pfaffstätten im südlichen Niederösterreich – die Sonderkom­mission Ost ist so ein Instrument, und es gibt dafür auch noch viele andere Beispiele. Ich glaube, mit diesem Beispiel der Vorratsdatenspeicherung werden wir auch hier die richtigen Instrumente haben, damit im Rahmen der Terrorbekämpfung und im Rahmen der organisierten Kriminalität wirklich die richtigen Ergebnisse erzielt werden können.

Aber ich denke, die Bürger draußen sehen das deutlich entspannter als mancher Red­ner hier im Hohen Haus. Derjenige, der seinen Freund, die Mali-Tant‘ und sonst jeman­den anruft, hat kein Problem damit, wenn seine Daten gespeichert werden. (Bundes­rätin Mühlwerth: Es geht um den Missbrauch!) Unentspannt sind diejenigen, die letzt­endlich wissen, was auf sie zukommt! Ehrlich gesagt, ich bin auf der Seite der Bürger. Ich will die Sicherheit der Bürger erhöhen, und ich bin nicht auf der Seite derjenigen, die mit der Vorratsdatenspeicherung vielleicht ein Problem haben könnten. Die sollen das Problem zu Recht haben.

Wir wissen, dass hier vielleicht noch ein paar Drehungen an den Schrauben notwendig sind. Diese werden durchgeführt; das weiß die Europäische Kommission, das weiß auch sozusagen die ausführende Behörde. Aber aus diesen Gründen, um auch ein Mehr an Sicherheit zu gewähren, werden wir diesem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung mit voller Überzeugung die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.33



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 95

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Dr. Karl. – Bitte.

 


14.33.13

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und die stete Wahrung der Grundrechte sind ganz elementare Wer­te unserer Gesellschaft. Das ist auch heute schon in einigen Redebeiträgen zum Aus­druck gekommen. Natürlich werden Bürgerinnen und Bürger auch künftig geschützt miteinander kommunizieren können, denn nur auf diese Weise können das Recht auf Privatsphäre, aber auch die Diskussionsbereitschaft und die Teilhabe am öffentlichen Diskurs gewährleistet werden.

Wir müssen aber auch eines berücksichtigen: Wir sind dazu verpflichtet, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen und damit eine wirksame Strafverfolgung si­cherzustellen. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, auch bei der Nutzung moderner Kom­munikationswege die Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Das Internet kann dabei kein rechtsfreier Raum bleiben.

Denn eines muss uns klar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren: Rechtsstaat bedeutet auch, Bürgerinnen und Bürger mit angemessenen Mitteln vor Rechtsverlet­zungen zu schützen und dem Staat die Aufklärung von Straftaten zu ermöglichen. Das dient der Strafverfolgung, aber natürlich auch dem Opferschutz. Es geht um Sicherheit, aber auch um die erforderliche Ausgewogenheit und Verhältnismäßigkeit – eine Aus­gewogenheit zwischen dem Schutz der Privatsphäre als Eckpfeiler unserer Demokratie einerseits und wirksamer Strafverfolgung als Voraussetzung für mehr Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger andererseits.

Ich bin daher davon überzeugt, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzespaket diese notwendige Verhältnismäßigkeit mit Fingerspitzengefühl und Augenmaß hergestellt ha­ben. Ich nehme aber natürlich auch die geäußerten Bedenken gegen das vorliegende Gesetzespaket sehr ernst. Österreich betritt auch mit dieser Umsetzung der Vorratsda­tenspeicherung Neuland. Wir haben den Spielraum der Richtlinie genau ausgelotet, mit zahlreichen Experten und Expertinnen diskutiert und letztlich – davon bin ich über­zeugt – eine gute Lösung gefunden.

Beim Umgang mit Daten, nämlich mit persönlichen Daten, ist immer besondere Vor­sicht angebracht – auch das ist heute schon in mehreren Redebeiträgen angeklungen. So soll etwa das Vier-Augen-Prinzip uneingeschränkt zur Geltung gelangen, sodass eine Anordnung nur dann ergehen kann, wenn sie auch durch den Gruppenleiter be­ziehungsweise jeweiligen Leiter der Staatsanwaltschaft genehmigt wird. Ein weiteres wesentliches Element für das Vertrauen in dieses Instrument ist auch die Dokumen­tation, in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen Staatsanwaltschaft und Ge­richt auf Vorratsdaten zugegriffen haben.

Durch diese Vorgangsweise wird ein sensibler und datenschutzrechtlich einwandfreier Umgang mit diesen Daten sichergestellt. In diesem Sinne darf ich Sie einladen, das zur Beschlussfassung anstehende Paket auch mit zu beschließen. Insbesondere auf dem Gebiet der Datensicherung und des Rechtsschutzes wurde hier gute Arbeit geleistet. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Bures. – Bitte, Frau Minister.

 


14.36.41

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Meine Kolleginnen! Frau Ministerin Fekter! Ich glaube, dass es zu Recht eine


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 96

sehr ausführliche Diskussion rund um die Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht nur im österreichischen Nationalrat, nicht nur im Vorfeld, sondern auch heute hier gibt, weil auch ich dieser Auffassung bin: Wenn es um Grundrechtsfragen geht, ist das ein so sensibles Thema, dass es notwendig ist, dass wir uns damit auch intensiv befas­sen.

Erlauben Sie mir trotzdem, einleitend Bezug zu nehmen auf die Diskussion, die hier schon stattgefunden hat, was die Notwendigkeit der Umsetzung von Richtlinien der Eu­ropäischen Union betrifft, nämlich deshalb, weil wir sehr oft damit konfrontiert sind, dass wir in unseren Parlamenten europäische Richtlinien umsetzen. Was mir dabei nur wichtig erscheint – Herr Bundesrat Krusche, da richte ich mich an Sie –, ist, dass man nicht so tun kann, als wären wir nicht Teil Europas!

Wenn Sie sich hierher stellen und sagen, wir sind jetzt gezwungen, das umzusetzen, weil die EU es einfach will – so war Ihr Zitat –, dann entgegne ich Ihnen – und da bin ich nicht vergangenheitsverliebt; meine Verliebtheit in Hinblick auf Schwarz-Blau hält sich, wie Sie verstehen werden, ordentlich in Grenzen –, es ist nicht der Fall, weil die EU das so will, sondern weil wir Teil dieser Europäischen Union sind. Wir haben beim EuGH die inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen, weil Österreich und die damals poli­tisch Verantwortlichen dieser Richtlinie vor dem Hintergrund von Terroranschlägen – es war nicht nur 9/11, es waren auch die Terroranschläge in Madrid und in London – zugestimmt haben. Uns wird also nichts aufs Aug’ gedrückt, sondern wir sind Teil Euro­pas, und das ist gut so! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meinem Bereich kommt eine Teilumsetzung dieser Vorratsdatenspeicherung zu, nämlich im Telekommunikationsgesetz. Das ist ein technisches Gesetz. Es war eine große Herausforderung, Menschenrechtsfragen, Grundrechtsfragen teilweise in einem Gesetz zu implementieren, in dem es um Leitun­gen geht, in dem es um technische Verbindungsdaten geht.

Weil ich mir dessen auch von Anfang an bewusst war, habe ich das Ludwig-Boltz­mann-Institut für Menschenrechte gebeten, mit seiner Expertise beratend zur Seite zu stehen. Ich habe auch persönlich viele Diskussionen mit den Vertretern des Boltzmann-Instituts für Menschenrechte geführt. Was den Teil des Telekommunikationsgesetzes betrifft, glaube ich, mit reinem Gewissen sagen zu können, dass das, was meine Ziel­setzung war, nämlich größtmöglicher Schutz der Grundrechte und maximaler Rechts­schutz, in diesem Bereich gewährleistet ist, weil mir das auch persönlich wichtig ist, weil ich Grundrechte für unteilbar halte.

In der Diskussion stellt sich auch die immer wieder aufkommende Frage: Sind andere europäische Länder mittlerweile zu der Auffassung gekommen, diese Richtlinie wäre nicht grundrechtskonform? – Da möchte ich Sie auch berichtigen. Ich habe mir – weil Sie das erwähnt haben – ebenfalls diese Bewertung angesehen, die der Wissenschaft­liche Dienst des Deutschen Bundestages erstellt hat. Diese ist schon eindeutig! Sie zeigt eine kritische Haltung, aber sie ist eindeutig und besagt: Die Richtlinie muss um­gesetzt werden. – Das ist nicht besonders schwierig. Aber das Zweite, was der Wis­senschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages auch klar sagt, ist, dass die Vor­ratsdatenspeicherung nicht von vornherein unvereinbar mit dem Artikel 10 der Grund­rechte ist, sondern dass es die Frage ist, wie man sie implementiert.

Weil das so ist und weil ich das auch schon wusste, als wir in der Ausarbeitung unserer österreichischen Umsetzung waren, habe ich diese Kritikpunkte aufgenommen. Wir ha­ben, insbesondere was die Dauer der Speicherung der Daten betrifft, hier eine Mini­malumsetzung vorgenommen: Das sind sechs Monate.

Die Frage, ob es sechs oder sieben Monate sind, resultiert daraus, dass die Provider nicht jeden Tag die Daten des letzten Tages löschen können. Das heißt, so wie wir am


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Ersten das Geld bekommen, löschen sie eben am Ersten die Daten, und da mag es dann so sein, dass das bei einer geringen Datenmenge erfolgt; das ist technisch nicht anders möglich. Aber die politische Festlegung ist die Minimalumsetzung von sechs Monaten, und technisch so weit wie möglich tatsächlich keinen Tag länger!

Wir haben einen restriktiven Datenumfang, Inhalte werden nicht übermittelt. Das ist oh­nedies eine Selbstverständlichkeit, denn es geht um die Verbindungs- und Standortda­ten. Die Regelung sieht generell den Zugriff auf Daten nur mit Gerichtsbeschluss vor; Ausnahme sind die IP-Adressen. Da bin ich froh, dass das Parlament auch noch das Vier-Augen-Prinzip, also noch einmal eine Verbesserung, eingeführt hat. Wir haben auch die strenge Verwendungskontrolle, die Protokollierung von Datenzugriffen verein­bart, dass die Betroffenen einen Rechtsschutz haben.

Das heißt, ich möchte Ihnen damit nur sagen, dass es in Bezug auf alle Instrumente, die rechtsstaatlich vorhanden sind, meinerseits das größte Bemühen gegeben hat, das umzusetzen. Wir haben im Zuge der Begutachtung auch noch die Berufsgeheimnisträ­ger ausgenommen.

Wir haben einen Bereich – das stimmt –, in dem wir von einer Form der Übererfüllung sprechen könnten; das ist aber ein Punkt, den ich für richtig halte. Das ist nämlich dann der Fall, wenn es im Interesse der betroffenen Personen ist. Das heißt, wenn es um Leib und Leben geht, wenn etwa Ihr Kind einen Selbstmord ankündigt und man ver­sucht, es zu finden, oder wenn jemand vermisst wird, in einer Lawine oder sonst ir­gendwo, dann wird es einen Datenzugriff – auch mit nachträglicher Informationspflicht im Fall von Vorratsdaten – geben. Das ist gut so.

Insgesamt glaube ich, dass wir mit großem Bemühen, mit großem Augenmaß und höchstmöglichem Rechtsschutz und Schutz der Privatsphäre hier mit reinem Gewissen dieser Novelle zustimmen können. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


14.43.24

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gru­ber, ich muss auf das, was Sie gesagt haben, noch kurz eingehen, weil Sie jede Gele­genheit, die sich bietet, dazu nutzen, uns immer wieder vorzuwerfen: Ihr habt das ge­macht, ihr habt das nicht gemacht, das ist falsch gelaufen und so weiter.

Ich stehe hier, weil ich mich mit der Gegenwart beschäftige, weil ich mich mit der Zu­kunft und nicht mit der Vergangenheit beschäftige. (Bundesrat Gruber: Herr Kollege, ich habe von Ihren Vorgängern hundertmal ...!) – Herr Kollege Gruber, hören Sie auf zu träumen, beschäftigen wir uns mit dem, was kommt! (Bundesrat Gruber: Was die Vorwürfe betrifft ...!) Im Übrigen: Tun Sie nicht immer so, als hätte die SPÖ keine Vor­geschichte! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn jetzt diese gesetzlichen Vorgaben für die Vorratsdatenspeicherung beschlossen werden, dann muss jedem, der dafür in diesem Hause einsteht, klar sein, dass er damit alle Österreicherinnen und Österreicher in Wirklichkeit pauschal einem Generalver­dacht aussetzt, nämlich dem, Böses im Schilde zu führen! (Bundesrat Kainz: Ist ja nicht wahr! Bitte!)

Unter dem Titel des Kampfes gegen den Terrorismus führt man hier gesetzliche Ver­pflichtungen ein, dass man höchstpersönliche Daten eines jeden von uns, eines jeden Österreichers, einer jeden Österreicherin, für bis zu sechs Monate speichert – oder vielleicht sogar länger –, auch unter Außerachtlassung des Briefgeheimnisses. Tele­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 98

fonanrufe werden aufgezeichnet, wer mit wem verkehrt, SMS-Verkehr, E-Mail-Kontak­te, all das wird aufgezeichnet und für den Zeitraum von sechs Monaten gespeichert. (Bundesrat Kainz: Hast du ein Problem damit?) Jetzt frage ich mich ... (Bundesrat Gruber: Hast du ein Problem damit?)

Schauen Sie, das ist genau das! Da heißt es immer: Nur wer ... Das ist offensichtlich so eine Diktion von euch, ihr werft mir dann vor: Nur weil ich das jetzt kritisiere, stehe ich schon unter Verdacht. Ich meine, das kann es wohl nicht sein. Nur wer offen­sichtlich etwas zu verbergen hat, der wehrt sich gegen die Aufklärung – ich meine, das kann es nicht sein! Da geht es um ein Gesetz, und wir sind der Meinung, dass es falsch ist, dieses Gesetz so zu beschließen – und lassen Sie mich jetzt bitte auch be­gründen, warum! Ich habe kein Problem damit, dass Sie etwas einwerfen, aber so, wie Sie das jetzt machen, ist es nicht in Ordnung.

Ich frage mich einfach nur, ob es wirklich notwendig ist, das so zu beschließen, weil ich glaube, dass man hier weit über das Ziel hinausschießt. Man schießt hier über das Ziel hinaus, nur um ein vorgetäuschtes, ein subjektives Sicherheitsgefühl zu schaffen, eine Überwachungsdatenbank, die meines Erachtens in einem krassen Missverhältnis zu der verlorengehenden Freiheit hier im Land steht!

Missbrauch – das ist auch schon angeschnitten worden – kann nie ausgeschlossen werden. Das Beispiel Sony wurde genannt. Das ist ein Weltkonzern, ein Unterhaltungs­konzern, der eine Hundertschaft von Cyber-Spezialisten beschäftigt, die nichts anderes tun, als sich mit der Sicherheit dieses Konzerns zu beschäftigen – auch dort wurde erst vor wenigen Tagen oder Wochen eine Unzahl, Millionen von Daten geklaut! Die Sicher­heit werden wir auch hier in diesem Bereich niemals gewährleisten können.

Das ist für mich etwas ganz Schlimmes, das muss ich auch dazu sagen: In der ge­samten Diskussion darf man einfach nicht vergessen, dass, wenn ich alle diese Daten erst einmal gesammelt habe, wenn ich sie dann noch ordne und systematisch ver­knüpfe – das ist ja im Zeitalter des Computers kein Problem –, ich von jedem Einzel­nen, wenn ich das will, ein wunderbares Kommunikationsprofil kriege; ich kriege ein hervorragendes Bewegungsprofil; ich kriege ein hervorragendes Gewohnheitsprofil von jedem von uns, wenn ich das will. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich kann damit alles Mögliche machen: Ich kann Einkaufsgewohnheiten in Erfahrung bringen; ich erfahre, wer mit wem kommuniziert, wer seine Freunde sind, wo er sich aufhält – all das unter dem Motto „Kampf gegen den Terrorismus“. Das ist ja mittlerwei­le eines der Schlagworte unserer Zeit geworden, und ihm sollen wir jetzt alles unterord­nen, vor allem auch die persönliche Freiheit!

Auch das wurde angesprochen: Fünf europäische Länder haben die Vorratsdatenspei­cherung, wie sie von der Europäischen Union in der Richtlinie gefordert wurde, abge­lehnt, beziehungsweise wurden dann die jeweiligen Gesetzesbeschlüsse von den je­weiligen Höchstgerichten aufgehoben. Schweden zum Beispiel hat sich geweigert, das umzusetzen; das wurde heute schon gesagt, und es wurde auch gesagt, dass Schwe­den bestraft wurde. Aber wissen Sie, was die Strafe war? – Sie hatten die Verfahrens­kosten zu zahlen! Ich glaube, das wäre auch für Österreich ein guter Preis, um die Grundrechte der Menschen bei uns im Land zu wahren.

Auch dass die Europäische Kommission mittlerweile in ihrem Evaluierungsbericht fest­gehalten hat, dass die Datenspeicherungsrichtlinie in Teilen mit den Freiheits- und Grundrechten im Widerspruch steht, wurde gesagt. Mittlerweile kann man davon aus­gehen, dass diese Richtlinie noch heuer umgeschrieben werden wird. Aber trotzdem beschließen wir heute diese Vorratsdatenspeicherung – alles im Kampf gegen den Ter­rorismus, wie wir wissen! (Bundesrat Gruber: Die Evaluierung ...!)


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Im Übrigen bringt diese Gesetzwerdung auch eine Reihe nicht unproblematischer orga­nisatorischer Schwierigkeiten mit sich, denn da heißt es zum Beispiel in der Richtlinie: Der Betroffene ist zu verständigen. – Jetzt frage ich mich: Wie ist er zu verständigen? Mit RSa- oder RSb-Brief, oder durch die Sicherheitsbehörden? Was ist, wenn er nicht anzutreffen ist? Wenn er untergetaucht ist, was durchaus nicht unwahrscheinlich ist?

Auch die Frage der Kosten wurde heute noch nicht angesprochen. Es fallen nach Aus­kunft von Mitarbeitern des Ludwig Boltzmann-Instituts Einrichtungskosten von etwa 15 ... (Bundesrat Kainz: Untergetaucht – war das ein Argument?) – Schauen Sie, wenn ich heute auf der Flucht bin, dann tauche ich offensichtlich unter! Und vermutlich ist er eben ... (Bundesrat Kainz: Und den willst du verteidigen?) – Nein, ich sage dir ja nur, was unter „untergetaucht“ zu verstehen ist. Seid mir nicht böse, das werdet ihr doch wissen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wer zahlt das, bitte? – Es entstehen Kosten in Höhe von 15 bis 20 Millionen € für die­ses Projekt – Einrichtungskosten, bestätigt vom Ludwig Boltzmann-Institut. Wer zahlt das? – Und das halte ich für das komplett Perverse – das kann ich euch nämlich auch sagen –: Jene Bürger, die man ausschnüffelt; genau die müssen dafür zahlen. Das ist in einer Größenordnung, die nicht vertretbar ist. Das kommt dazu. Aber alles unter dem Titel „Kampf gegen den Terrorismus“. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wo liegt der Nutzen? – Die Datenaufzeichnung ist notwendigerweise vergangenheitsbezogen. Das ist einmal so. Für die Zukunft kann man es ja nicht aufzeichnen, Gott sei Dank. Das heißt, man kann es lediglich für die Aufklärung von Verbrechen und Vergehen einsetzen. Aber wo ist der Nutzen der Ter­rorabwehr? Denn dafür führen wir es offensichtlich ein. Es wurde ja schon gesagt, der 11. September, Anschläge in Madrid und London.

Wo ist der Nutzen für die Aufklärung? – Jene Staaten, die diese Vorratsdatenspeiche­rung schon verwenden, sagen mittlerweile, dass sich ein Einfluss auf das Kriminalitäts­niveau einfach nicht errechnen lässt. In Deutschland waren es, glaube ich, 0,006 Pro­zent. Also der Nutzen ist auch nicht da! Dass man die Terroranschläge der Vergangen­heit dadurch hätte verhindern können, auch dieser Nutzen – das wurde heute auch schon gesagt – ist nicht gegeben.

Also wozu schafft man hier Stück für Stück den gläsernen Menschen? Alles nur im Kampf gegen den Terrorismus? – Wir können uns sicher sein – auch das möchte ich noch sagen –, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist. Es gibt mittlerweile – das wissen wir alle – eine Unzahl an öffentlich zugänglichen und nicht zugänglichen Daten­banken, Melderegister, Grundbuch, EKIS, Strafregister, Exekutionsregister, SWIFT-Ab­kommen, Weitergabe von Bankdaten, Fluggastdatenspeicherung.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch kurz erwähnen, dass die Europäische Uni­on ein Forschungsprojekt, derzeit unter dem Titel „INDECT“, finanziert, das auch die Sicherheit garantieren soll. Dabei geht es um technische Überwachungsmethoden, die man bündeln und pauschal einsetzen will. Das geht so weit, dass man auch – unter Anführungszeichen – „abnormes“ Verhalten registrieren will, das heißt, wenn man auf der Straße läuft und sich abnorm verhält, soll das aufgezeichnet, registriert werden. Die Palette reicht hier von der Telefonüberwachung bis zum Einsatz von Drohnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das alles erinnert mich frappant an George Orwells Dystopie „1984“. Es geht hier um Bürgerrechte. Es geht um die Freiheit eines jeden Einzelnen von uns. Diese Rechte, diese Freiheiten müssen wir wahren und niemand kann uns Österreichern vorschreiben und dazu zwingen, dass wir Grundrechte, dass wir Bürgerrechte verletzen, nur um eine EU-Richtlinie umzusetzen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

14.52



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 100

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


14.52.58

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem. An und für sich hat man jetzt so das Ge­fühl, man hätte die Wortmeldung zurückziehen können, aber es ist mir schon einmal wichtig, meine Verwunderung darüber mitzuteilen, was man eigentlich für Begründun­gen erfindet, wie oft 9/11 herhalten muss, obwohl die Anschläge von Madrid der Aus­löser waren, dass es offensichtlich auf der Welt nur mehr Terror gibt und sonst gar nichts mehr und dass der gläserne Mensch von George Orwell, der offensichtlich nicht gelesen, sondern nur erwähnt wurde, sogar herhalten muss. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Brückl: Ich habe ihn gelesen – mehrmals!)

Datenmissbrauch. Also es können keine Sicherheiten mehr garantiert werden. Rund­herum interessante Begründungen. Da fällt mir eigentlich nur ein: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Wenn es um Sicherheit geht, erwähne ich: Es gibt in Amerika einen ganz elitären Klub von Informatikstudenten. Da ist man dann Mitglied, wenn man nachweislich die Daten­banken des Pentagon geknackt hat. Da sind einige „Cent“ drinnen.

Wovor kann man sich hundertprozentig sichern? (Bundesrätin Mühlwerth: Vor gar nichts!) – Aber dass es bei diesem Gesetz auch um die ganz banalen Niederungen des täglichen Internetlebens geht, nicht einmal um Terror, nicht um 9/11 und nicht immer um George Orwell und nicht immer nur ... (Bundesrat Brückl: Das war die Ursache!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht bitte auch um die täglichen Niederungen des Internetlebens. Da gibt es sehr wohl einiges zu erfahren, einiges zu schützen. Es sind wesentliche Beispiele schon erwähnt worden. Interessanterweise wurde von einem überhaupt nicht geredet. Es wurde überhaupt nicht der Konsumentenschutz erwähnt. Interessant: Es mutet komisch an, wenn man jetzt sagt, jene Dinge zum Schutz des Konsumenten, denn im Grunde genommen ist das ja nur ein Gesetz, das alles ver­teufelt.

Aber ich kann mich sogar daran erinnern, wie oft wir darüber geredet haben, dass der Konsument auch einmal geschützt gehört. Der Verbraucherschutz muss ausgebaut werden: zum Beispiel gerade diese kostenpflichtigen Warteschleifen, die wir x-mal bei jeder Gelegenheit erwähnen und die Schweinereien mit irgendwelchen Mehrwertnum­mern. Und es wurde überhaupt nicht erwähnt, dass im Zuge dieser Gesetze das alles auch, bitte gar schön, dementsprechend geregelt wird. Das muss man sich durchlesen: Warteschleifen und alle Arten von Sonderrufnummern bei Anrufen aus dem Festnetz und so weiter und so fort dürfen zukünftig nicht mehr verrechnet werden.

Die Weitervermittlung der Anrufe oder der Fall eines Umzuges ist auch diskutiert wor­den. Oder: Was tue ich zum Beispiel, wenn ich umziehe und meine Nummer mitneh­men will, und, und, und? – Also alles Dinge, wo man sich früher ausführlichst darüber beschwert hat, was denn, bitte gar schön, die Internetanbieter, die Anbieter von sol­chen Diensten für Gauner sind!

Es mag vielleicht für jene, die gegen das Gesetz stimmen, nur eine Kleinigkeit sein. Aber, bitte gar schön, wenn uns der tägliche Terror jetzt schon so ergreift, nicht das tägliche Internetleben, dann bin ich eher beim täglichen Internetleben. Und deshalb werde ich dem Gesetz zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 101

14.57.05

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ma­che es ganz kurz, es sind drei Punkte.

Kollege Gruber hat zuerst die Information angesprochen. Im Ausschuss habe ich per­sönlich festgestellt, dass die Kontrolle der Kontrolle offensichtlich noch nicht vernünftig geregelt ist, denn Anfragen bezüglich: Wie ist das mit dem Protokoll, wer wird dann er­fahren, wer wo angefragt hat?, sind folgendermaßen beantwortet worden: entweder mit: Das kommt noch in der Verordnung, oder mit: Das macht der Datenschutzrat. Und Nachfragen: Was ist mit dem Datenschutzrat; wenn er so viel mehr zu tun hat, be­kommt er dann mehr Leute? – Diese Nachfragen sind eigentlich überhaupt nicht beant­wortet worden.

Ich habe mir dann nachträglich die Stellungnahme der Datenschutzkommission ange­schaut, die da sagt, im Prinzip zusammengefasst: Wir sollen Aufgaben übernehmen, wo wir der Meinung sind, dass das gesetzlich gar nicht geht, dass wir das machen und andererseits haben wir personell die Ausstattung nicht, weder mengenmäßig noch vom Know-how her.

Die Datenschutzkommission sagt selber: Eigentlich können wir diese Überprüfung der Überprüfung zum Großteil so nicht bewerkstelligen. – Trotzdem behaupten Sie hier vorne, es sei sowieso alles mit den Experten abgesprochen und werde wunderbar funk­tionieren.

Für mich ist da ein grober Widerspruch. Und alle, die im Ausschuss gesessen sind, glaube ich, haben es auch so empfunden, dass die Auskunft darüber, wie das dann im Detail erfolgen wird, sehr mangelhaft war – sagen wir einmal so.

Ein zweiter Punkt, der auch schon einmal kurz angesprochen worden ist, ist dieses Si­cherheitsbedürfnis, das wir immer haben und dass durch diese Gesetzgebung jetzt die Sicherheit und die Aufklärungsquoten so gehoben werden würden.

Wie gesagt: Es gibt dieses Rechtsgutachten des Deutschen Bundestages, das sagt: 6 000stel Prozent. Bestenfalls! Das heißt, es ist in Wirklichkeit null im Vergleich zu dem, was man in dieses Mehr an Sicherheit investiert.

Da Kollege Kainz diesen Standardsatz gebracht hat: Wer nichts zu verbergen hat, wird sich auch nicht davor fürchten müssen. – Vor Kurzem ist der Tierschützerprozess zu Ende gegangen. Wenn du, Kollege Kainz, einen von denen gekannt und ihn vielleicht ein paar Mal angerufen hättest, dann wärst du vielleicht auch unter diesem Paragra­phen verhört worden. Möglicherweise hast du auch in der Presse mitverfolgt, wie es diesen Menschen gegangen ist. Also lustig ist das nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der FPÖ.)

Es geht in letzter Konsequenz um den Missbrauch, und den Missbrauch wirst du nicht verhindern können. Darum ist es besser, die Daten bestmöglich zu schützen. Darauf ist offensichtlich in diesem Gesetz leider vergessen worden. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

14.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Eine zweite Wortmeldung von Herrn Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


15.00.15

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): In aller Kürze: Ich habe mir die Pro-Reden mit Interesse angehört. Wenn der Kollege Wenger sagt, dass es gut ist, dass


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 102

man jetzt Warteschleifen nicht mehr zu bezahlen braucht, so entgegne ich: Das hätten wir auch einfacher lösen können, als dass wir alle Daten speichern. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Aber was mir interessanterweise gefehlt hat, und zwar auch bei den Redebeiträgen, die von der Regierungsbank gekommen sind, ist: Wie will man denn die von mir ge­schilderte sehr einfache Umgehung dieser Datenspeicherung verhindern? Gibt es da irgendwelche Konzepte?

Das würde ja das ganze Gesetz wirkungslos machen. Wie gesagt: Die Schurken, die wirklich Böses im Schilde führen, können leicht ein Schlupfloch finden.

Was planen Sie denn, um das zu verhindern? Das würde mich interessieren, damit das Ganze irgendeinen Sinn bekommt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Das bleibt unbeantwortet!)

15.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor. (Bundesrat Krusche: Es gibt keine Antwort darauf!)

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsge­setz 2003 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Ap­ril 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.02.3812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (23. StVO-Novelle) (1504/A und 1135 d.B. sowie 8494/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


15.03.01

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (23. StVO-No­velle).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 103

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 10. Mai 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


15.03.56

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister Bures, keine Angst, das ist ein weniger emotionales Thema. (Bundesrat Mag. Klug: Das glauben wir nicht!) Meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier ja ein Sammel­surium von Änderungen in der StVO, vornehmlich Radfahrer betreffend. Und der wohl am meisten diskutierte Punkt ist die Radhelmpflicht für Kinder bis zum 12. Lebensjahr. Das ist an sich grundsätzlich positiv zu sehen.

Ich frage mich nur: Was ist mit jenen Kindern und Jugendlichen, die älter als 12 Jahre sind, was ist mit Erwachsenen? Ist deren Leben weniger schützenswert oder haben die einen härteren Schädel? Ich weiß es nicht.

Und dann stellt sich natürlich die Frage: Was soll eigentlich ein Gesetz ohne jegliche Sanktionen? Es gibt keine Strafen bei Nichteinhaltung. Es sind auch ausdrücklich die Rechtsfolgen nach dem ABGB, den Versicherungsschutz betreffend, ausgeschlossen. Also ist das Ganze eigentlich nur ein Alibigesetz, das das Papier nicht wert ist. Das ist eine Empfehlung und hat meines Erachtens in dieser Form in einer StVO nichts ver­loren.

Auch gegen die Einführung des kombinierten Verkehrszeichens „Schutzweg und Fahr­radübergang“ ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Mutationen aber, die darauf hin­deuten, was zuerst kommt – Fahrrad oder Fußgänger? –, halte ich ein bisschen für übertrieben, denn im Verhalten des Kraftfahrers ändert sich dadurch eigentlich gar nichts. Das birgt nur die Gefahr, dass unter Umständen verkehrt aufgestellte Tafeln dann zur Rechtsunwirksamkeit führen und entsprechend bekämpft werden können.

Auch die Annäherung mit 10 km/h zu Fahrradübergängen erscheint auf den ersten Blick sehr sinnvoll. Es hat ja bisher diese Regelung schon beim Überqueren der Straße gegeben, dass man nun sagt, das Annähern ist eigentlich das Wichtigere, um recht­zeitig erkannt zu werden, gesehen zu werden. Das ist grundsätzlich richtig, aber auch das, sage ich, hat mehr oder weniger nur Empfehlungscharakter, denn ich glaube kaum, dass dann Polizisten mit Laserpistolen draußen stehen werden und die Geschwindig­keit der Radfahrer messen werden.

Es gibt auch keine Verpflichtung, am Fahrrad einen Tacho anzubringen. Ich frage mich: Wie genau muss ein Radfahrer seine Geschwindigkeit einschätzen können – ob er jetzt schneller ist, ob er 12 oder 15 km/h fährt? Das bleibt alles im Dunkeln. Schluss­endlich werden sich die Gutachter darüber freuen, die im Falle eines Unfalls umfang­reiche Expertisen erstellen werden. Das haben dann die Unfallgegner zu bezahlen.

Leider hat man bei diesem Gesetz grundsätzlich etwas versäumt, nämlich endlich mehr Klarheit in das rechtliche Wirrwarr im Verhältnis zwischen Autofahrer und Rad­fahrer zu bringen. Damit hätte man eigentlich erst einen wirklich wesentlichen Beitrag für die Sicherheit leisten können, denn – bei aller Liebe zum umweltfreundlichen Rad­fahren –: Auch dem anarchischen Verhalten mancher Fahrradfahrer gehört energisch Einhalt geboten.

Ich erlebe selber auf meinem Weg in die Arbeit, den ich witterungsabhängig und sai­sonabhängig mit dem Pkw oder mit dem Fahrrad zurücklege, wie viele unklare und


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auch gefährliche Situationen auf diesen kurzen drei Kilometern immer wieder mit Rad­fahrern entstehen.

Da gibt es zum Beispiel einen Radweg, der kreuzt, der aber dann nicht mehr als Rad­weg gekennzeichnet ist. Und da gibt es eine Stopptafel für Radfahrer mit dem Zusatz „für Radfahrer“ und in weiterer Folge gibt es einen Fußgängerübergang. Wenn ich selber mit dem Rad dorthin komme, habe ich immer Angst, dass ich einen Auffahrunfall produziere. Ich bleibe dort stehen, zwei Autos fahren durch, einer bremst, der Nächste fährt ihm fast hinten drauf. Es herrscht hier Unklarheit.

Das Abbiegeverhalten bei Kreuzungen, wo eigentlich vorgeschriebene Richtungen sein sollten, wird meistens nicht eingehalten. Sehr viele Radfahrer wenden einen besonde­ren Trick an, indem sie, wenn sie sich einem Fußgängerübergang aus einer Seiten­straße ohne Radfahrstreifen nähern, blitzartig zu Fußgängern mutieren, vom Fahrrad springen und plötzlich den Schutz des Zebrastreifens genießen würden.

Auch die Einhaltung diverser Richtungsfahrbahnen bei Radwegen wird nicht kontrolliert und führt immer wieder zu gefährlichen Situationen.

Noch kurz zwei Punkte, die nicht die Radfahrer betreffen. Erstens: das Kennzeichnen von Halte- und Parkverboten mit Bodenmarkierungen. Grundsätzlich ist alles zu begrü­ßen, was den Schilderwald eindämmt. Man wird sich anschauen müssen, wie das dann in der Praxis, in der Umsetzung vonstattengeht. Es gibt halt manchmal die Situa­tion, dass Bodenmarkierungen aufgrund von Schneefall nicht sichtbar sind.

Anders als bei Bodenmarkierungen für den fließenden Verkehr stellt sich folgende Frage: Wenn sich einer in der Früh dort hinstellt und es hat gerade geschneit und dann kommt die Sonne und der Schnee ist weg: Wie lange darf er dann dort stehen? Wie lange wird es dann toleriert, wenn er sagt: Ich habe mich bei Schneefall hingestellt, aber drei Stunden später ist schon lange alles wieder aper!? – Das sind alles so Sa­chen.

Auch die gegenseitige Rücksichtnahme, die im Gesetz verankert ist, ist eine so weiche Bestimmung. Wer legt jetzt beim Verhalten fest, was rücksichtsvoll ist? Also ich kenne das ganz anders. Es funktioniert auch. Ich nehme aber nicht an, dass es im Sinne dieser Bestimmung ist. Sechsspurige Kreisverkehre mit acht Abzweigungen, und da gilt eine ganz klare Regel – natürlich ohne irgendeine Bodenmarkierung –: Wer seine Nase einen Zentimeter weiter vorne hat, hat Vorrang. Funktioniert überraschender­weise! Aber summa summarum hat man den Eindruck, dass bei dieser Novelle die Lobby der Gerichtsgutachter und Rechtsanwälte Pate gestanden hat, aber nicht das Bestreben, mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Wir werden deshalb dieser Novellie­rung nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

 


15.11.28

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Kollege Krusche, es gibt Leute, die in jeder Suppe ein Haar finden. Manchmal müssen sie es auch selber vorher ausreißen. So kommt mir in etwa Ihre Stellungnah­me zu diesem Gesetz vor.

Meine Damen und Herren, ich glaube, unbestritten ist: Österreichs Straßen sind trotz ständig wachsenden Verkehrsaufkommens sicherer geworden, obwohl ich mir schwer tue, diesen Satz zu sagen, weil ich gestern ungewollt Zeuge eines schweren Verkehrs­unfalls auf der Autobahn in Salzburg geworden bin. Ich sage Ihnen, das Auto, das ich dort zwischen zwei Lkw gesehen habe, war nur mehr einen Meter lang. Das, was dem Fahrer passiert ist, und die Folgen dieses Unfalls sind schlimm.


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Trotzdem müssen wir uns, wenn man der Statistik Glauben schenken darf, glücklich schätzen. Im Vergleich mit dem Jahr 2010 sind auf Österreichs Straßen um 81 Men­schen weniger ums Leben gekommen, was ein Rückgang von 13 Prozent ist. Allein die Zahl der Todesopfer durch Alkohol am Steuer ist im Jahr 2010 um 28 Prozent gesun­ken. – Also Entwicklungen, die sehr erfreulich sind.

Aber trotz dieser erfreulichen Zahlen möchte ich auch festhalten, dass jedes Todesop­fer und jeder Verletzter einer zu viel ist.

Unsere erst im Vormonat beschlossenen strengeren gesetzlichen Bestimmungen be­züglich Alkolenker und unbelehrbare Raser lassen für die Zukunft bei entsprechenden Kontrollen natürlich noch bessere Ergebnisse erwarten. Waren es in der Vergangen­heit überwiegend Maßnahmen im motorisierten Bereich, so wird mit dieser Novelle ein weiterer Schwerpunkt gesetzt, nämlich ein Schwerpunkt, der die Gruppe der schwächs­ten Verkehrsteilnehmer trifft.

Wir werden heute Maßnahmen beschließen, die in Zukunft in erster Linie Fußgängern, Radfahrern und Kindern mehr Sicherheit und Schutz im Straßenverkehr bieten sollen – Maßnahmen, die einer leider negativen Entwicklung bei Rad fahrenden Kindern gegen­steuern sollen. Waren es in den letzten Jahren durchschnittlich 3 700 Kinder, die nach Unfällen in Krankenhäusern behandelt werden mussten, so stieg diese Zahl im letzten Jahr auf 4 800 – eine Entwicklung, der man gegensteuern muss.

Allein der Hinweis von Ärzten, dass durch das Tragen eines Fahrradhelms 900 Kinder vor schweren Kopfverletzungen geschützt werden können, ist ein nachhaltiger Grund, eine Radhelmpflicht für Kinder bis zum 12. Lebensjahr einzuführen. Ich denke, wenn Kinder bis zum 12. Lebensjahr – Kritik vom Kollegen Krusche – einen Radhelm tragen, dass sie ihn dann auch weiter verwenden werden. Wenn man das einführt, dann meine ich, sollte man eine Pflicht daraus machen, allerdings ohne Sanktionen.

Wir haben das ja auch bei Kindern, die Ski fahren, erlebt. Alleine das Aufsetzen eines Sturzhelms hat bei Ski fahrenden Kindern dazu geführt, dass die schweren Kopfver­letzungen um ein Vielfaches zurückgegangen sind. Eine ähnliche Diskussion haben wir bei Einführung der Gurtenpflicht gehabt. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Über 900 können nur verhindert werden. Den Rest kann man sich dann laut Statistik aussuchen.

Aber die Diskussion haben wir ja auch bei der Gurtenpflicht gehabt. Und die Diskus­sion haben wir auch bei Mopeds und Motorrädern wegen des Sturzhelms gehabt. Heu­te redet kein Mensch mehr darüber. Heute ist es selbstverständlich geworden, diese Dinge werden auch nicht mehr in Frage gestellt.

Genauso wichtig, meine Damen und Herren, ist die Verankerung des Rücksichtnahme­gebots in der Straßenverkehrsordnung. In Zeiten ständig zunehmenden Verkehrs wird mit diesem Gebot dazu aufgerufen, Menschen mit offensichtlichen körperlichen Beein­trächtigungen besonders rücksichtsvolles Verhalten entgegenzubringen. Also zum Ver­trauensgrundsatz ein Gebot, das uns alle miteinander auffordert, wenn wir Leute auf der Straße sehen, die offensichtlich körperlich beeinträchtigt sind, diese besonders zu schützen und diesen ein rücksichtsvolles Verhalten entgegenzubringen.

Weitere Neuerungen sind ein neues Verkehrszeichen, das wurde schon angespro­chen, das einen Schutzweg sowie einen Radfahrübergang gemeinsam anzeigt. Außer­dem dürfen sich Radfahrer so einem Radfahrübergang nur mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h nähern. Es gibt Räder mit einem Tacho und solche, die keinen haben. Vielleicht kommt noch die Verpflichtung, dass jedes Fahrrad einen Tacho haben muss, das wäre möglich. Wie immer es ist, auf jeden Fall wird da eine sehr geringe Ge­schwindigkeit angegeben, um möglichen Gefahren vorzubeugen.


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Eine zweite vorgezogene Haltelinie für einspurige Fahrzeuge soll die Gefahr bei Kreu­zungen entschärfen, und zwar zwischen einspurigen und mehrspurigen, indem die ein­spurigen vorher wegfahren können, um zu verhindern, dass im toten Winkel eines Lkw ein Radfahrer zu Schaden kommt.

Die letztgenannten Neuerungen sowie die Verankerung des Rücksichtnahmegebots und die Radhelmpflicht für Kinder werden in Zukunft den schwächsten Teilnehmern am Verkehr mehr Schutz bieten und hoffentlich auch die Unfallbilanz vor allem bei Rad fahrenden Kindern verbessern.

Wir Sozialdemokraten danken dir, Frau Bundesminister, dafür und allen, die an diesem Sicherheitspaket mitgearbeitet haben, und werden dieser Novelle unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


15.17.41

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man hin und wieder die Zeitung aufschlägt, dann könnte man ja meinen, Rad fahren ist in, denn es gibt diverse Minister und Ministerinnen, die sich gerne am Fahrrad abbilden lassen. Von Ihnen, Frau Ministerin, habe ich eigentlich nur ein Foto neben dem Fahrrad mit Kindern mit Helm gesehen, noch keines direkt auf dem Fahrrad. Aber ich weiß, andere Minister haben sich dabei  (Bundesministerin Bures: Gute Idee! Sie können in mei­ner PR-Abteilung beginnen!) – Im Google sieht man Sie nicht auf dem Fahrrad. Viel­leicht sollten Sie das noch nachholen. Sie sollten sich vielleicht draufsetzen, um auszu­probieren, wie das so ist, wenn man das Fahrrad als Allzwecktransportmittel in An­spruch nimmt. Das ist nämlich das Problem.

Ich denke, es ist vielen schon sehr wohl bewusst, dass das Radfahren auch im Alltags­verkehr sehr zur Entlastung unserer Straßen beitragen kann und unter anderem zumin­dest Verbesserungen herbeiführen kann, was Probleme hinsichtlich Klimaverschlechte­rung und auch mit anderen Schadstoffen betrifft. Das wird auch immer wieder gepre­digt. Es gibt einen Masterplan Rad, es gibt eine Klimastrategie, es gibt ein Regierungs­programm, ein Verkehrssicherheitsprogramm, und überall steht drinnen: Wir müssen den Anteil an Fahrrädern steigern, denn das ist ganz wichtig, dann sind wir ja klima­freundlich unterwegs und sicher sowieso.

Seit 2009 gab es eine Expertengruppe, die darüber beraten hat, wie man denn den Radverkehr stärken könnte. Es sind Ergebnisse herausgekommen, die eigentlich wei­testgehend im Konsens waren. Nur in der Novelle dieser StVO finden sich diese Er­gebnisse leider nicht.

Das ist einerseits die Freigabe der Radwegbenutzungspflicht, um da – wie soll man sa­gen? – klare Verhältnisse zu schaffen, andererseits die Fahrradstraße, wofür es jetzt im Gesetz zwar einen Namen gibt, aber es steht nicht wirklich drinnen, wie diese ge­nau geplant zu werden hat, et cetera. Ich denke, es fehlt auch eine vernünftige Rege­lung für das Fahren gegen die Einbahn. Das sollte an und für sich zur Förderung des Radverkehrs fast überall möglich sein, denn dann wird das Fahrrad nämlich wirklich in vielen Bereichen schneller unterwegs sein, also eine schnellere Alternative zum Kfz-Verkehr sein. Diese Maßnahmen fehlen.

Was drinnen ist, ist die Regelung mit der doppelten Haltelinie. Das klingt recht nett und gut. Im Prinzip ist es ja jetzt schon des Öfteren so, dass der Radweg ein Stückchen weiter vorne endet und man deshalb als Radfahrer auch vorfahren und vorne starten


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kann. Ich möchte darauf hinweisen, einen toten Winkel haben nicht nur die Lkw, son­dern den haben auch die Pkw. Das ist sehr oft ein Problem.

Das Problem, das wir jetzt mit dieser doppelten Haltelinie haben, ist Folgendes: Wenn die Mopedfahrer und die Motorradfahrer dort auch vorne stehen bleiben dürfen und sich einen Kavalierstart liefern, möchte ich als Radfahrerin nicht wirklich daneben ste­hen und mit starten müssen. Das, glaube ich, ist fast noch unangenehmer, als wenn ich neben dem Lkw wegfahren muss. Mit dieser Regelung, dass man auf dieser vorge­zogenen Haltelinie eben auch motorisierte Zweiräder starten lässt, denke ich, hat man der Sicherheit insgesamt eher Schaden zugefügt als einen Nutzen. (Präsident Kneifel übernimmt den Vorsitz.)

Da Herr Kollege Krusche vorhin ein paar so eigenartige Dinge aufgezählt hat, die dem Radfahrer und der Radfahrerin so passieren, wenn er beziehungsweise sie eben im Alltagsverkehr unterwegs ist, möchte ich auch noch etwas hinzufügen. Bei uns zum Beispiel gibt es eine Landesstraße B inzwischen mit einer ungeregelten Eisenbahn­kreuzung. Die Autofahrer dürfen ungeregelt drüberfahren, die Radfahrer haben eine Stange, damit sie ja absteigen und das Rad drüberschieben. Ein Radfahrer, der unter­wegs ist, hört den Zug, wenn er kommt, der Autofahrer nicht. Jetzt frage ich mich schon, was das für komische Verkehrssicherheitsvorstellungen sind, warum der Rad­fahrer abgehalten werden muss und der Autofahrer drüberbrausen darf.

Ein weiteres Problem für RadfahrerInnen. Der Radweg ist im Winter in vielen Berei­chen nicht geräumt. Dann fahre ich auf die Straße, was ich eigentlich nicht darf. Das sind lauter so Regelungen, wo man sich als RadfahrerIn nicht einmal sicher ist, wie man sich richtig verhält, wenn die Voraussetzungen so gegeben sind.

Da wäre sehr viel zu tun gewesen, und da hätte es viele Experten gegeben, die sich einig waren, was zu tun gewesen wäre. Leider ist es in diesem Bereich so gewesen, wie es gerade im Verkehrsbereich sehr oft der Fall ist, nämlich dass die Frau Ministerin ganz vernünftige Ansätze mit einbringt, dass aber dann die ÖVP kommt und sagt: Nein, das geht eigentlich alles nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meines Wissens war es von eurer Seite her schon so, dass viele dieser Maßnahmen, die da eigentlich geplant waren und wo sich die Experten einig waren, dann plötzlich mit einem Initiativantrag vom Tisch gewischt worden sind.

Und dann gibt es eben auch noch die Radhelmpflicht, die wir im Ausschuss auch schon sehr kontrovers diskutiert haben. Es ist ja nicht so, dass wir etwas gegen Rad­helme haben, wir haben nur etwas gegen die Verpflichtung, einen Radhelm zu tragen. Gegen diese Verpflichtung haben nicht nur wir etwas, sondern im Prinzip alle maßgeb­lichen Experten und alle Vereine, die etwas zum Radverkehr in Österreich zu sagen haben, wie zum Beispiel – der VCÖ sowieso – diverse Radfahrervereinigungen und je­mand, den ich üblicherweise nicht zitiere, der ÖAMTC.

Selbst der ÖAMTC sagt, so wie das im Gesetz geregelt ist, ist es eigentlich eher kon­traproduktiv, weil erstens nach wie vor nicht auszuschließen ist, dass sich im Falle ei­nes Unfalles ohne Helm Versicherungen dann schadlos halten. Andererseits ist es ein­fach so, dass, wenn ich verpflichtet bin, dem Kind einen Helm aufzusetzen, das auch tun werde. Als Elternteil ist man ja normalerweise schon bedacht darauf, Kinder richtig zu erziehen und nicht zu sagen: Na dann fahrt halt heute ohne!, sondern Gesetze muss man einhalten. Dann habe ich einmal vielleicht den Helm nicht bei der Hand, dann fährt das Kind vielleicht bei einem Freund Rad. Das sind lauter Ebenen, die man mit bedenken muss. Gerade Kinder unter zehn fahren üblicherweise auf der Straße nicht recht weit von A nach B oder nicht sehr oft weit auf der Straße von A nach B, sondern sie üben ganz einfach. Und wenn man dann immer einen Helm aufsetzen muss, dann ist es oft so: Wenn der Helm nicht da ist, dann fahre ich halt mit dem Auto.


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Wie gesagt, es geht nicht darum, dass wir ein Problem mit dem Tragen eines Fahr­radhelms haben, sondern wir haben ein Problem mit der Verpflichtung, diesen zu tra­gen. Und wenn die Kinder dann zehn sind (Bundesministerin Bures: Zwölf!), dann brauchen sie ihn plötzlich nicht mehr, dann ist der Kopf nichts mehr wert. 87 Prozent der Kinder fahren jetzt schon mit Helm, und im Prinzip hat sich das ja in den letzten Jahren gesteigert. Wer ist vor zehn Jahren mit Helm gefahren und wie viele fahren jetzt mit Helm? Es steigert sich ja. Wenn man an das Gewissen der Leute appelliert und ih­nen sagt: So und so solltet ihr es machen!, dann machen sie es auch so.

Aber sie zu verpflichten und zu sagen: Eigentlich verstößt ihr gegen ein Gesetz, wenn ihr den Helm nicht aufsetzt!, ist kontraproduktiv. Und das ist auch nicht vergleichbar mit dem Angurten, denn einen Gurt habe ich in jedem Auto. Einen Fahrradhelm kann ich einmal vergessen. Und was mache ich dann? – Dann darf ich eigentlich nicht fahren. (Ruf: Aber beim Skifahren funktioniert es auch!) – Naja, beim Skifahren funktioniert das auch, aber beim Skifahren ist es schon ein bisschen anders.

Da Kollege Himmer – jetzt ist er nicht mehr hinter mir – im Ausschuss so nett gesagt hat, es ist eindeutig, wenn man mit dem Kopf gegen eine Betonwand fährt, dann ist es besser, wenn er durch einen Radhelm geschützt ist, möchte ich ihm sagen: Die we­nigsten Kinder fahren mit dem Kopf gegen eine Betonwand. Das größte Problem für Kinder am Rad sind eigentlich die Autofahrer, die sie übersehen. (Zwischenruf des Bun­desrates Stadler.) – Die haben aber ein anderes Tempo.

Ich möchte nur ganz kurz zitieren, weil ich ja gesagt habe, dass die ganzen Experten das auch unterstützen. Also, wie gesagt, die ganzen Radexperten unterstützen die Radhelmpflicht nicht. Der VCÖ kritisiert zum Beispiel zehn Punkte und sagt, warum es keine zusätzliche Sicherheit bringen soll. Ich nehme einmal an, Sie kennen diese Mate­rialien, Frau Ministerin. (Bundesministerin Bures: Ist aber ein Blödsinn!) – Es ist kein Blödsinn (Bundesministerin Bures: Ja, leider!), weil nämlich – und ich glaube, das hat sich inzwischen herumgesprochen – das Wichtigste zur Hebung der Verkehrssicherheit für FahrradfahrerInnen möglichst viele Fahrräder auf der Straße sind, damit die Auto­fahrer sich daran gewöhnen.

In Holland war das einfach immer so. Da war man es immer gewöhnt, da sind die an­einander gewöhnt. Bei uns hat in letzter Zeit der Radverkehr zugenommen, und die Autofahrer haben sich noch nicht daran gewöhnt. Das ist ein Hauptproblem. Je mehr Räder unterwegs sind, umso sicherer wird es. Und dazu gibt es schon Studien, dass ein doppelter Radverkehrsanteil die tödlichen Unfallrisiken beim Radfahren um 37 Pro­zent verringert. Also möglichst viele Räder auf die Straßen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zu den 900 Kindern, die man angeblich durch den Helm vor Kopfverletzungen schüt­zen kann. Der Anteil der verletzten Kinder unter zehn Jahren im Straßenverkehr im Zu­sammenhang mit einem Fahrrad betrug in den Jahren 2005 bis 2010 9 Prozent. 9 Pro­zent der Rad fahrenden Kinder sind verletzt worden. Dagegen sind im Pkw 59 Prozent Kinder verletzt worden. Also müsste man eigentlich den Kindern im Auto einen Helm aufsetzen. Das wäre dann noch effizienter. Vielleicht solltet ihr das auch noch über­legen. (Rufe bei der ÖVP: Da sind nur die Grünen dagegen!) – Nein, es sind nicht nur die Grünen dagegen. Es sind eben nicht nur die Grünen dagegen.

Es gibt eine ganze Menge Gründe, warum das mit der Pflicht kontraproduktiv ist. Des­wegen würde ich schon wirklich bitten, dass ihr euch das überlegt, weil eine Verpflich­tung nicht immer dazu führt, dass es besser angenommen wird.

Und zum Schluss noch den Titel dieser Broschüre, denn den finde ich nämlich ganz besonders aussagekräftig und er gibt eigentlich das wieder, woran das Gesetz leider auch krankt, nämlich: „Radfahren ist die Lösung und nicht das Problem“. – Danke. (Bei­fall des Bundesrates Dönmez.)

15.27



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 109

Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. Ich erteile es ihm.

 


15.27.59

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ja­wohl, wir haben heute die Straßenverkehrsordnung auf der Tagesordnung. Geschätzte Frau Bundesminister, ich möchte mit einem Satz beginnen: Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Straßenverkehrsordnung betrifft jeden Einzelnen von uns. Es ist ein Thema, wir haben es hier im Bundesrat ebenfalls gehört, das diskutiert wird.

Zu den Ausführungen des Kollegen Krusche möchte ich Folgendes sagen: Wenn ich so zurückdenke – ich bin auch schon länger in der Politik –, dann hat es einen gewis­sen Gorbach als Verkehrsminister gegeben. Der hat am Montag beschlossen, es darf 160 km/h gefahren werden. Man hat nicht gewusst: Ist das in Kärnten? In Niederöster­reich? Dann hat er sich das überlegt und gesagt: In Kärnten ist es möglich. Am Diens­tag hat er gesagt: Nein, das ist ein Blödsinn, wir fahren wieder 130. Daran kann ich mich noch gut erinnern.

Oder da hat es gegeben Licht bei Tag. Dann haben die Experten errechnet, mehr Treibstoff wird verbraucht und die Nebenprodukte werden wesentlich mehr, was das Auto belastet. – Man hat es wieder abgeschafft. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und heute kritisieren Sie die Frau Bundesminister, die eine Novelle präsentiert – und ich sage es ganz wertfrei, geschätzte Frau Bundesminister –, die aus meiner Sicht in die richtige Richtung geht. Dieses Paket beinhaltet sehr viele Punkte, wobei in erster Linie die Betroffenen, die Teilnehmer am Verkehr, die es sehr schwer haben, nämlich unsere Kinder sind.

Die Helmpflicht trägt wesentlich dazu bei – ich sage das auch bewusst –, dass die Kinder das Gefühl haben ... Das ist keine Floskel, ich kann euch das klar und deutlich erklären. Ich war voriges Wochenende am Neusiedler See. – Das möchte ich auch sa­gen, und darum bin ich sehr dankbar, dass ich heute das Wort ergreifen darf. – Da wa­ren drei, vier Schulen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, geschätzte Frau Bun­desminister, kein einziges Kind war dabei, das keinen Helm getragen hat! Das sagt klar und deutlich aus ... (Bundesrätin Kerschbaum: Dass wir keine Pflicht brauchen, weil sie ihn eh tragen!) – Liebe Frau Kollegin, lassen Sie mich ausreden! In der Kirche redet auch nur einer. (Allgemeine Heiterkeit.) Es ist so. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist von meiner Warte aus gesehen ganz einfach ein Gesetz in die richtige Richtung, das auf der einen Seite denjenigen, die es brauchen, nämlich unseren Kinder, Ver­trauen bietet. Auf der anderen Seite bin ich wirklich der Meinung, dass Strafen da nicht notwendig sind. Es ist nicht notwendig, in dieser für mich persönlich sehr wichtigen Ma­terie das einzuführen.

Ich möchte noch etwas sagen – das ist bereits von meinen Kollegen präsentiert wor­den –: Im letzten Verkehrssicherheitspaket waren auch einige Punkte dabei, die Dis­kussionen hervorgerufen haben. Ich möchte die Problematik der Alkolenker erwähnen. Man hat klar und deutlich gemerkt, geschätzte Frau Bundesminister – ich habe mir das sehr wohl angeschaut, weil es mich persönlich als einen auch sehr interessiert, der in diese Problematik involviert ist, ich möchte es so formulieren (allgemeine Heiterkeit), nicht als Trinker, aber als derjenige, der vielleicht Alkohol erzeugt –, dass man sich sehr wohl über diese Entwicklung Gedanken macht. Dass da 28 Prozent weniger sind, ist eine großartige Sache.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 110

Auch bezüglich der Problematik der Raser haben wir schon gehört, dass da 13 Prozent weniger sind.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, hoher Bundesrat: Ich meine, das ist eine gute Novelle, eine Novelle in die richtige Richtung. Geschätzte Frau Bun­desminister, ich glaube, wir sind besser geworden! – Recht herzlichen Dank. (Beifall und Bravorufe bei ÖVP und SPÖ.)

15.33


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Bures. Ich erteile es ihr.

 


15.33.35

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja tatsächlich das dritte Ver­kehrssicherheitspaket, das wir in den letzten beiden Jahren diskutiert haben und heu­te – davon gehe ich aus – auch mit Mehrheit beschließen werden.

Das Positive dabei ist, dass die letzten Verkehrssicherheitspakete, die wir geschnürt haben – einige von Ihnen haben ja die Zahlen auch schon genannt –, wirklich Erfolg zeigen. Das heißt, überall dort, wo wir bei den ersten beiden Verkehrssicherheitspake­ten gesagt haben, wir müssen bei den Hochrisikolenkern etwas unternehmen – das ist die Gruppe der Raser, die die Hauptverkehrsunfallverursacher sind, und es ist die Gruppe der Alkolenker –, da gilt ganz klar: ob das höhere Strafen sind, ob das längerer Führerscheinentzug ist, ob das aber auch strengere Gesetze mit einer guten Kontrolle sind – eine enge Zusammenarbeit mit dem Innenressort, mit der Exekutive ist wichtig, und ebenso wichtig war mir auch eine Bewusstseinskampagne.

Ich sage es ganz offen: Mir geht es nicht darum, dass hohe Strafeinnahmen sozu­sagen fließen, sondern mir geht es darum, dass wir mit einer Veränderung im Stra­ßenverkehr, mit einer Bewusstseinsänderung dafür sorgen, dass wir weniger Leid auf Österreichs Straßen haben. Daher ist eine Bewusstseinskampagne wirklich wichtig.

Sie haben die Zahlen genannt, die einen deutlichen Rückgang von getöteten Men­schen durch Alkolenker zeigen: Wir haben einen Rückgang von 28 Prozent. Seit Auf­zeichnung der Unfallstatistik ist das die geringste Zahl, die wir erreicht haben.

Auch bei der Zahl der durch Raser auf Österreichs Straßen getöteten Menschen gibt es einen Rückgang von 13 Prozent.

Aber es sind noch immer 552 Menschen im letzten Jahr gewesen, die ihr Leben verlo­ren haben. Wir haben über 45 000 Menschen jedes Jahr, so auch im letzten Jahr 2010, die auf Österreichs Straßen schwer verunglückt sind.

Daher bin ich froh darüber, dass wir heute das dritte Verkehrssicherheitspaket diskutie­ren. Und auch dieses wird nicht das letzte sein, weil wir uns im Bereich der Verkehrs­sicherheit immer wieder anschauen müssen, ob die Maßnahmen greifen, ob wir die richtigen Maßnahmen setzen. Ich glaube, über alle Parteigrenzen hinweg ist das unser gemeinsames Ziel – so hoffe ich –, nämlich, wie gesagt: weniger menschliches Leid auf Österreichs Straßen.

In dem dritten Paket gibt es eine zusätzliche Schwerpunktsetzung, die wir in den ersten beiden Verkehrssicherheitspaketen nicht hatten. Da war der Schwerpunkt auf die Hochrisikolenker gelegt, und jetzt sind es die Schwächsten auf Österreichs Straßen. Wir werden auch im Verkehrssicherheitsprogramm 2020 vor allem den Schwerpunkt auf schwächere Verkehrsteilnehmer legen – das sind Radfahrer, das sind Fußgänger und Fußgängerinnen – und da schrittweise Maßnahmen setzen.

Sie wissen, ich bin mit einer StVO-Novelle auch in Begutachtung gegangen, wo es noch zusätzliche Vorschläge gibt. Auch ich bin der Auffassung, dass die Länder ermäch­


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tigt werden können, die Frage der Radwegbenützungspflicht aufzuheben, weil das vor Ort, in den Regionen besser beurteilt werden kann, ob und in welcher Form das abge­wickelt werden muss.

Ich unterstütze in meinem Bereich aus tiefer Überzeugung, auch im Wissen, wie sich in Zukunft der Verkehr entwickelt, wie sich Mobilität entwickelt, alles, was Intermodalität betrifft, alles, wo es darum geht, dass wir verschiedene Verkehrsträger stärker verknüp­fen.

Es ist nicht so, dass ein Mensch ein Verkehrsmittel hat und das immer nur das Auto ist. Es wird kombiniert. Umso mehr es uns gelingt, es mit umweltfreundlichen Verkehrs­trägern – ob das das Fahrrad ist, ob das der öffentliche Verkehr ist, ob das die Eisen­bahn ist – zu kombinieren, umso wichtiger und umso sinnvoller ist es. Das hat mit Ver­kehrssicherheit und auch mit einer umweltfreundlichen Mobilität sehr viel zu tun.

Daher unterstütze ich das und glaube, wir werden noch viele Diskussionen in Zukunft führen, wie wir auch den Radverkehr und das Miteinander auf Österreichs Straßen bes­ser gestalten können.

Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass wir diese noch zu führende Diskussion jetzt nicht einfach abwarten, sondern heute die Radhelmpflicht für Kinder einführen, weil ich nicht möchte, dass wieder eine Sommersaison vergeht, ohne dass wir das machen, was uns Experten sagen, nämlich unsere Kinder vor schweren Kopfverletzungen zu schützen. (Bundesrätin Kerschbaum: Welche Experten? Versicherungsexperten!)

Ich sage es Ihnen ganz offen: Ich werde nichts unversucht lassen. Wir werden uns das auch anschauen, genauso wie bei den ersten beiden Paketen. Wir evaluieren das im­mer wieder: Hat dieses Mittel auch dazu geführt, was unsere Zielsetzung war? Wir wer­den das auch bei der Radhelmpflicht machen.

Ich möchte Ihnen auch Folgendes sagen, weil ich mit dem VCÖ in vielen Gesprächen bin und wir auch einen sehr konstruktiven, manchmal auch einen kontroversen Aus­tausch haben:

Der VCÖ sagt in der Frage der Radhelmpflicht für Kinder in diesen zehn Punkten – Sie haben den Folder (den genannten Folder in die Höhe haltend), Sie haben ihn ja ge­habt –, er ist gegen die Radhelmpflicht, denn – ich lese Ihnen das jetzt vor –:

„Eine Helmpflicht verleidet Kindern das Radfahren“, eine „unnötige Einschränkung der Bewegung unserer Kinder“ schadet und geht „zu Lasten ihrer Gesundheit“, „aus Angst reagieren Eltern mit Einschränkungen für ihre Kinder“, „renommierte Ärzte und Wissen­schaftler sprechen sich gegen eine Radhelmpflicht“ aus.

Ich will jetzt nicht respektlos sein, aber ich halte das bei allem Verständnis für den VCÖ und allen Diskussionen wirklich für einen Blödsinn. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bun­desrätin Kerschbaum: Dort sind aber auch Experten!)

Ich sage Ihnen, worauf ich mich verlasse. Ich verlasse mich auf Untersuchungen zum Beispiel des Kuratoriums für Verkehrssicherheit. Ich verlasse mich auf die Aussagen von renommierten Unfallchirurgen und auf den Dachverband der Unfallchirurgen. Die sind nämlich diejenigen, die die verletzten Kinder dann im Spital sehen. Und ich verlas­se mich auf die Autofahrerclubs ÖAMTC und ARBÖ, die übrigens diese Radhelmpflicht begrüßt haben. Sie (in Richtung der Bundesrätin Kerschbaum) reden vielleicht von der Stellungnahme zur Begutachtung. Das hat dazu geführt, dass ich ausführliche Gesprä­che geführt habe. Es gibt Presseaussendungen, wo sie sagen, ja, sie haben sich von diesen Argumenten überzeugen lassen und sie sind für die Einführung der Radhelm­pflicht.

Auf die Fragen: Sind die Erwachsenen nicht zu schützen, sondern nur die Kinder?, Warum macht man das nur für Kinder?, ist es mir wichtig, Ihnen doch zu sagen, dass


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eben diese Analyse von Radunfällen und -verletzungen des Kuratoriums für Verkehrs­sicherheit klar aufzeigt: Kinder sind von Kopfverletzungen stärker betroffen.

Unfallchirurgen und Ärzte sagen, das hat mehrere Ursachen. Es gibt erstens entwick­lungsbedingte Defizite. Das bedeutet, die Motorik, die Reaktionsfähigkeit entwickelt sich im kindlichen Alter erst. Daher sind Kinder von Radunfällen stärker betroffen.

Was die Kopfverletzungen betrifft, haben diese bei Kindern deshalb so starke Auswir­kungen, weil sozusagen die Muskelmasse und die Kopfgröße bei Kindern in einem ganz anderen Verhältnis stehen als bei uns Erwachsenen.

Und die Folgen von Kopfverletzungen sind bei Kindern daher wesentlich schlimmer, sie sind nämlich manchmal mit nachhaltigen, langen, auch die ganze Motorik und den Be­wegungsablauf betreffenden Folgewirkungen verbunden, weil bei Kindern die Wachs­tumsphase noch nicht abgeschlossen ist. Ich bin keine Ärztin, aber jeder, der Kinder hat, weiß, dass die Schädeldecke der Babys oben offen ist. Sie befinden sich in dieser Wachstumsphase und sind daher von Kopfverletzungen stärker bedroht.

43 Prozent der Kinder, die bei Radunfällen schwer verunglücken, haben eine Kopfver­letzung. Das bedeutet, fast jedes zweite verunfallte Kind ist betroffen.

Daher bedanke ich mich bei all jenen, die heute hier zustimmen. Jedes Kind, das wir durch diese Maßnahme in diesem Sommer und in Zukunft in den nächsten Jahren vor Kopfverletzungen schützen, zeigt, dass das eine gute Initiative ist, die wir gesetzt ha­ben.

Ich denke, die Mopedhelmpflicht ist diskutiert worden, das Anschnallen ist diskutiert worden, heute diskutiert das niemand mehr. Bei der Radhelmpflicht wird das genau so sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.42


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lindinger. Ich erteile es ihm.

 


15.42.24

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Krusche hat sehr viel kritisiert, eigentlich alles: dass ein Radfahrer seine Geschwindigkeit nicht einschätzen kann und dass die Helmpflicht bei den Kindern ja nichts bringt und demotivierend ist.

Herr Kollege Krusche, Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, im Vorfeld mit Ihren Kol­legen aus dem Nationalrat zu sprechen, dass Sie sich dem Initiativantrag anschließen und beitreten, den die Kollegen Heinzl und Maier für Ergänzungen in diesem Sicher­heitspaket eingebracht haben. Aber wir wissen ja, das ist immer so: Man nutzt nicht alle parlamentarischen Möglichkeiten aus, um dann nicht die Zustimmung erteilen zu müssen, um dagegen sein zu können. Aber das sind wir gewöhnt. (Bundesrätin Mühl­werth: Ja, wir sind das auch gewöhnt, dass ihr alles ablehnt!) Das ist ja immer so.

Frau Kollegin Kerschbaum, du hast kritisiert, dass Fahrradfahrer behindert werden, in­dem da Bögen aufgestellt werden und der Fluss der Fahrradfahrer gerade im Kreu­zungsbereich oder im Bahnübergangsbereich eingeschränkt wird, denn Fahrradfahrer hören mehr. Ich weiß auch, dass Fahrradfahrer mit MP3-Playern fahren und weniger hören, und dadurch ist es ... (Bundesrätin Kerschbaum: Als ein Autofahrer in der zu­gemachten Schüssel?!) – Aber ich sage, es gibt auch bei den Radfahrern solche, die weniger hören. Und dadurch wird ihnen die Möglichkeit der akustischen Wahrnehmung genommen.

Zur Rede des Kollegen Hensler: Ich wäre vorsichtig mit dem Outing, das du da machst, dass du irgendwelche einschlägige Erfahrung hast! Heute Vormittag hatten wir 25 Poli­


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zistinnen und Polizisten hier. (Bundesrat Hensler: Ich habe mich nicht geniert für mei­nen Beruf!) Schon wegen Delikten, die nur seine Frau begangen hat, hat ein Abgeord­neter sein Mandat zurücklegen müssen. (Allgemeine Heiterkeit.) Also ich wäre hier vor­sichtig. (Bundesrat Hensler: Ich bin stolz auf meinen Beruf!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen, dass uns das gerade bei den Kindern das wert sein muss: Die Helmpflicht ist ganz wichtig. Wenn man sich den Bericht auf der Seite des ORF Oberösterreich anschaut, in dem zu den tödlichen Unfällen mit Kindern Stellung genommen wird, nämlich dass im Jahr 2011 bereits neun Kinder im Straßen­verkehr getötet wurden, dann ist das schon ein Auftrag für die Frau Bundesministerin, da zu handeln.

Es wird nicht nachträglich aufgrund von Anlässen gehandelt, sondern vorsorglich. Es gibt immer wieder Anlässe dazu. In diesem Bericht steht etwa, dass in Oberösterreich 600 Kinder verletzt wurden, und jedes fünfte Kind bei einem Unfall mit einem Fahrrad verletzt wird.

Wenn wir durch die Helmpflicht etwas verhindern können – es heißt, dass 75 Prozent der Kopfverletzungen bei Kindern durch die Helmpflicht vermieden werden können –, dann ist es sehr, sehr wichtig, dass die Kinder Motivation für das Tragen von Helmen auch für das spätere Leben mitbekommen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, als wir mit unseren Kindern Fahrradausfahrten ge­macht haben: Ab dem Alter, in dem sie Fahrradfahren konnten, ist es das Wichtigste, einen Helm zu tragen. Manche Eltern brauchen einen kleinen Motivationsschub durch den Gesetzgeber. Es ist ganz wichtig, dass da die Initiative ergriffen wurde.

Ein weiterer wichtiger Teil dieser Novelle ist, dass man aus mehreren Verkehrszeichen ein Verkehrszeichen machen kann, damit man den Schilderwald abbauen kann und hiefür einiges getan wird. Gerade im städtischen Bereich werden die Autofahrer sehr verunsichert, da sehr viele Schilder stehen. Wenn man den Schilderwald verringern kann, ist das gut.

Die sogenannte gelbe Linie, womit man Halte- und Parkverbot auch auf der Fahrbahn kennzeichnen kann, ist international in den Städten schon üblich. In Italien habe ich es vor Kurzem gesehen. Gerade in den Städten, in den engen Gassen, kann man auch ein­sparen, wenn man sich Verkehrszeichen erspart.

Eines ist noch zu sagen: Die Regionen in Tirol werden gut beraten sein, neben der Bodenmarkierung auch Verkehrsschilder anzubringen, denn sonst ist für zwei Monate das Parkverbot oder das Halteverbot nicht erkennbar. Aber das ist ja auch geregelt, dass es nicht untersagt ist, beides anzubringen.

In diesem Sinn sind sehr viele positive Maßnahmen in dem Sicherheitspaket enthalten. Wir schließen uns diesem mit der Zustimmung an. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

15.48


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.48.14

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wir haben es heute schon sehr oft gehört: Diese Straßenverkehrsnovelle ist wieder ein Schritt für mehr Sicherheit und weniger Leid. Wir haben heuer bereits zwei Novellen für Autofahrer beschlossen. Diesmal geht es eben um die Radfahrer; das ist schon überall durchgekommen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 114

Zu mir selbst: Ich bin Mutter von zwei Kindern, die bis zwölf Jahre alt sind, und ich bin der Meinung, es ist sehr wertvoll und wichtig, dass die Kinder beim Radfahren einen Helm aufhaben. Wenn ich von meiner Tochter erzählen darf: Sie fährt keinen Meter oh­ne Helm. Das ist sehr vorbildlich.

Ich bin aber auch der Meinung, dass es eine Verpflichtung der Eltern und ein Selbst­verständnis wäre, die Köpfe ihrer Kinder zu schützen und dies als ihre natürliche Ver­antwortung zu sehen – natürlich auch ohne gesetzliche Regelung, wie du (in Richtung der Bundesrätin Kerschbaum) es sagst –, aber die Unfallzahlen zeigen uns, dass das nicht der Fall ist. Sonst gäbe es nicht österreichweit 4 800 Kinder, die sich beim Rad­fahren Verletzungen zuziehen.

Ich glaube daher, dass man das Problem schon aufgreifen muss. Wir wissen, Helme können viele Kopfverletzungen verhindern oder zumindest mildern. Daher geht es um eine Bewusstseinsbildung – wie es die Frau Minister schon angesprochen hat – bei Kindern und auch Erwachsenen.

Dieses Gesetz soll eben nicht bestrafen, sondern soll einfach dazu erziehen oder er­mahnen, dass Kinder und später dann auch Erwachsene einen Helm aufsetzen. Gera­de im Bereich der Skihelmpflicht hat sich gezeigt, dass Kinder und Eltern dafür sensi­bilisiert worden sind. Wenn man heute auf die Pisten schaut, sieht man wenige, die ohne Helm fahren. (Bundesrätin Kerschbaum: Du hast aber keinen Alltagsskiverkehr!)

Wie ich dir schon gesagt habe, wenn man das gewöhnt ist – so wie meine Tochter, die setzt den Helm ständig auf, auch für ein paar Meter; da sage oft ich zu ihr, jetzt ist es nicht notwendig, aber sie setzt ihn auf –, dann stellt es kein Problem dar.

Wir in Niederösterreich – Elisabeth, hör zu! – haben schon den ersten Schritt gemacht, denn seit 1. Jänner 2010 gibt es in Niederösterreich bereits die Radhelmpflicht für Kin­der bis 15 Jahre, zwar nicht für die öffentlichen Flächen, aber für nichtöffentliche Flä­chen. Und es hat sich schon gezeigt, dass die Unfälle mit Kopfverletzungen bei Kin­dern bis 12 Jahre – diese Gruppe habe ich speziell erhoben – um 10 Prozent zurück­gegangen sind. Dies ist wirklich ein Ergebnis, dass man sagen kann, dieses Gesetz hat Sinn, es so zu verwirklichen, denn es zeigt uns, es bringt wirklich etwas.

Unser Landeshauptmann Erwin Pröll sagt ja immer – diesen Spruch darf ich euch auch näherbringen –: Die Köpfe unserer Kinder sind das wichtigste Kapital für unser Land Niederösterreich. In diesem Sinne sollen auch kluge Köpfe einen Helm tragen. So ha­ben wir in Niederösterreich schon seit 1996 die Fahrradhelm-Aktion. Es wurden in die­sem Rahmen bereits 150 000 Fahrradhelme weitergegeben; man sieht also, es findet Anklang.

Wir haben auch bereits gehört, positiv in diesem Gesetz ist weiters, dass der Schil­derwald eingedämmt wird. Und wenn du gesagt hast, dass in diesem Gesetz noch vie­le andere Dinge drinnen waren, so bin ich froh, dass aus dem ursprünglichen Entwurf, in dem eine Verschärfung bei der Genehmigung von Straßenfesten enthalten war, die­ser Punkt herausgenommen werden konnte, denn gerade bei uns im ländlichen Raum haben Straßenfeste Tradition, sind eine Bereicherung für die Gemeinden und auch für unsere Wirtschaft und Vereine. Sie sind wichtig und eine gute Sache.

So darf ich insbesondere die Oppositionsparteien einladen, sich einen Ruck zu geben und für mehr Sicherheit für unsere Kinder zu stimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.52


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.52.50

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die Gesetzesnovelle, die wir heute diskutieren, hat auch in der Öffentlichkeit sehr viel Auf­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 115

regung verursacht. Es geht dabei nicht um die vielen Maßnahmen, die gesetzt werden, sondern eigentlich nur um den Fahrradhelm für Kinder. (Bundesrätin Kerschbaum:
-pflicht!)
Um den Fahrradhelm für Kinder.

Experten treten auf, Parteien treten auf, um diese Bestimmung zu zerpflücken, uns zu erklären, wie schlimm, wie schlecht solch ein Fahrradhelm doch sein kann. Das be­ginnt mit Aussagen und Fragen wie: Was ist, wenn die Kinder Fahrradfahren üben und keinen Helm dabei haben? – Gerade beim Üben mit einem Fahrrad, wo man nicht so sicher ist, wo man doch leichter hinfällt, sollte man doch einen Helm tragen. Aber das ist nicht relevant, weil man einfach dagegen sein muss.

Weitere Aussage: Die Pflicht zum Tragen des Helmes schützt die Kinder nicht! – Selt­samerweise schützt derselbe Helm, wenn keine Pflicht besteht, das Kind auf einmal doch?! Ich verstehe es nicht, es ist für mich Unsinn.

Der VCÖ sagt, dass weniger als 10 Prozent der Fahrrad-Unfälle zu Kopfverletzungen führen. Der VCÖ listet auf, warum es schlecht ist, einen Helm zu tragen, wenn man ein Kind ist. (Bundesrätin Kerschbaum: Nein!) So könnte man verstehen, dass der VCÖ empfiehlt, keinen Helm zu tragen, was er indirekt ja auch tut.

Ich frage mich aber: Wenn er Kinder nicht schützt, warum soll ich dann als Erwach­sener einen Helm tragen? Dann schützt er mich als Erwachsenen auch nicht.

Oder, ein weiteres „Argument“: Wenn man Radfahrer mit Helm sieht, fährt man an ih­nen schneller vorbei! – Ich glaube, das haben die Autofahrer nicht wirklich so einpro­grammiert. Es ist ja nicht so, dass Kinder, die sich unter zwölf Jahren allein gar nicht im Straßenverkehr bewegen sollten, dass Radfahrer, die Helme tragen, automatisch das Ziel von Autofahrern werden.

Faktum ist auf alle Fälle, dass es eine Helmpflicht in Spanien, in Tschechien, in Austra­lien, in den USA, in Neuseeland, in Finnland und in Schweden gibt, und in einigen an­deren Ländern, die alle dafür sind, dass die Helmpflicht eingeführt wird, wird diese Fra­ge heftigst diskutiert.

Faktum ist auch, dass es seit dem Jahr 2005 einen Anstieg von 3 700 auf 4 800 Kinder gegeben hat, die im Spital behandelt werden mussten. Faktum ist auch, dass einige Unfallchirurgen sagen – das haben wir heute schon gehört –, dass wir uns 900 Kopf­verletzungen ersparen könnten.

Die Freiheitlichen sagen zu diesem Thema: Na ja, es ist nicht so schlecht, aber es ist auch nicht ganz gut. Was machen wir jetzt eigentlich damit? – Auf alle Fälle einmal da­gegen stimmen.

Es sind auch all die anderen Maßnahmen dieses Gesetzes nicht unwichtig, aber blei­ben wir einmal bei diesem existenziellen Thema der Experten und auch einiger, die im­mer dagegen sein müssen: Welchen Sinn soll diese Bestimmung haben? – Diese Re­gelung soll den Sinn haben, dass wir die Verhaltensmuster der Kinder in die Richtung lenken, automatisch einen Helm aufzusetzen, denn als Kinder werden wir geprägt, und als Erwachsene werden wir dann hoffentlich dieses Verhalten beibehalten und uns so weiterhin schützen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.57


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kersch­baum. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.57.29

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Nur eine ganz kurze Richtigstellung, weil du gesagt hast, der VCÖ lehnt das Tragen von Helmen ab.

Lies den Folder bis zum Schluss, denn da steht dezidiert: Der VCÖ befürwortet das freiwillige Tragen des Fahrradhelms, lehnt aber eine Helmpflicht ab.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 116

Ich habe das, glaube ich, auch fünfmal gesagt: Es geht nicht darum, dass ich sage, es soll niemand einen Helm aufsetzen, sondern es geht darum, ob es verpflichtend oder nicht verpflichtend sein soll. Wenn es verpflichtend ist, aber es bei Nichtbefolgung die­ser Bestimmung keine Strafe gibt, was produziere ich dann damit? – Dass die Leute, die ihren Kindern keinen Helm aufsetzen, in Wirklichkeit gegen ein Gesetz verstoßen. Das ist das Einzige, was dabei herauskommt, sonst leider nichts. (Bundesrat Beer: Ein reiner Justamentstandpunkt!)

90 Prozent der Erwachsenen setzen keinen Helm auf, wenn sie zum Beispiel zum Ein­kaufen von A nach B mit dem Rad fahren, weil es umständlich ist. Insofern ist es ja schön und gut, wenn den Kindern das nahegelegt wird, später wird man dann selbst entscheiden und wahrscheinlich bei längeren Ausfahrten, im Wald, dort, wo es heikel ist, einen Helm aufsetzen, aber auf kurzen Strecken weiterhin nicht.

15.58


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hammerl. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.58.59

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich bin ja noch nicht so lange hier im Bundesrat, aber ich muss eines sagen, mich wundert es, dass wir heute darüber diskutieren – wo es doch um die Sicherheit der Kinder geht –, dass die Fraktion der Grünen und auch der FPÖ gegen die Helmpflicht sind.

In der Steiermark hat die grüne Fraktion vor einem dreiviertel Jahr einen diesbezügli­chen Antrag eingebracht, der ganz ähnlich dieser Novelle ist, die die Frau Minister ein­gebracht hat.

Meine Damen und Herren, ich habe vor einer Stunde den zuständigen Primar in Graz, Herrn Dr. Müller, angerufen, der mir gesagt hat, im Vorjahr, 2010, hat es in Graz – Graz ist eine Stadt mit vielen Radfahrern, Gott sei Dank gibt es dort Radwege – 29 schwere Unfälle mit Kindern gegeben, davon waren zwei tödlich, und die zwei tödli­chen Unfälle waren Unfälle mit schweren Kopfverletzungen.

Wenn durch diese Novelle nur ein Kind, Frau Ministerin, davor bewahrt wird, dass ihm so etwas passiert, dann ist diese Novelle absolut gerechtfertigt, gar keine Frage. Gott sei Dank, dass sie beschlossen wird.

Frau Ministerin Bures, ich möchte Ihnen ein Danke zu Ihren heutigen Ausführungen sa­gen, Sie haben wirklich präzise Stellung genommen, unter anderem auch dargestellt, wie schwer Kopfverletzungen sein können und wie gefährdet Kinder im Speziellen sind. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.00


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.00.4713. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2011) (1116 d.B. und 1137 d.B. sowie 8495/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 117

Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen damit zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um den Bericht.

 


16.01.05

Berichterstatter Michael Lampel: Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird, Gefahrgut­beförderungsgesetz-Novelle 2011.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung am 10. Mai 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


16.01.55

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gefahrgutbeförderung ist sicher einer der sensibelsten Bereiche im Straßenverkehr, weil sich in diesem Bereich ein Fehler massiv auswirken kann, noch massiver als anderswo. Umso wichtiger ist es, dass gerade in diesem Bereich alle Beteiligten wissen, was sie zu tun haben, also so­wohl derjenige, der befördert, als auch derjenige, der die Sendung aufgibt, als auch der­jenige, der die Sendung empfängt.

Das Gefahrgutbeförderungsgesetz ist nicht unbedingt ein einfaches Gesetz, und es ist, glaube ich, uns allen hier bewusst, dass nicht jeder, der Gefahrgut empfängt, sich des­sen bewusst ist, was er da an Gefahrgut bekommt, weil das nicht etwas ist, das man alltäglich macht; damit wird man nicht groß.

Je komplizierter die Regelung wird, desto schwieriger ist es, sie zu verstehen, und des­to schwieriger wird es auch sein, dass sich jeder richtig verhält. Unser Hauptproblem mit dieser Novelle ist diese dynamische Anpassung an diverse internationale Rege­lungen. Das steht dann nicht im Gesetz, das kannst du dann im Internet googeln. Wenn du Glück hast, findest du es auf Deutsch. Es sind auf jeden Fall ziemlich viele Seiten.

Wie gesagt, als professioneller Gefahrgutbeförderer wird man wahrscheinlich jeman­den haben, der das alles durchackert und schaut, was zu tun ist. Beim Versender ist es dann vielleicht nicht mehr ganz so. Beim Empfänger ist es ziemlich sicher nicht mehr so, dass der zum Beispiel weiß, dass er, wenn er eine Heizöllieferung bekommt, auf­passen muss und den Lieferanten nicht warten lassen darf, weil er sich sonst straf­rechtlich schuldig macht.

Also je komplizierter das Gesetz ist, desto schwieriger wird es sein, gerade für die nicht so intensiv Beteiligten, sich an alle Regelungen zu halten. Das ist unser Kritikpunkt: eben diese dynamischen Anpassungen an internationale Richtlinien, die dann gar nicht mehr diskutiert werden. Da wird dann alle zwei Jahre eine Richtlinie geändert, was Ot­to Normalverbraucher nicht mitkriegen wird, und deshalb wird es schwierig sein, sich an diese Gesetze zu halten.

Im Ausschuss ist noch die tolle Bemerkung gekommen, an das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch müssen wir uns auch alle halten, auch wenn wir es nicht auswendig kön­nen, nur: Mit diesen Dingen sind wir groß geworden, das hört man schon in der Schule, wie man damit umzugehen hat, wenn man mit der Polizei ein Problem hat oder wie auch immer. Beim Gefahrgutbeförderungsgesetz ist es eben so, dass Otto Normal­


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bürger und Otto Normalbürgerin nicht ständig damit beschäftigt sind und deshalb auch die Information nicht haben. Uns erscheint das nicht sinnvoll.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob das gesetzlich in der Form überhaupt möglich ist, denn der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat sehr in Frage gestellt, dass diese dynamischen Anpassungen so in Ordnung gehen und verfassungsrechtlich pas­sen. Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass die Stellungnahme des Verfas­sungsdienstes 14 Seiten umfasst, während die Gesetzesänderung 16 Seiten umfasst. Auf den 14 Seiten steht eigentlich immer wieder: es ist unklar, es ist nicht genau defi­niert. Ich denke, das sollte schon ein Grund sein, darüber nachzudenken, ob man bei der Umsetzung solcher Richtlinien nicht vielleicht doch ein bisschen genauer arbeiten sollte. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.05


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile ihm das Wort.

 


16.05.46

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon beim vorhergegangenen Tagesordnungspunkt ausführlich über Verkehrssicherheit gespro­chen, mit Für und Wider. Wenn es um Verkehrssicherheit geht, so muss man selbst­verständlich auch, wie Kollegin Kerschbaum gesagt hat, wenn es auch oft schwierig zu verstehen ist, über Transporte von gefährlichen Gütern reden. Wir wissen ja aus der Vergangenheit aus so manchen Berichten im Fernsehen und der Zeitung, welche Aus­wirkungen speziell ein Transport mit gefährlichen Gütern haben kann, wenn da irgend­etwas Unvorhergesehenes passiert.

Da ja eines meiner Aufgabengebiete bei den ÖBB ist, Mitarbeiter des technischen Wa­gendienstes auszubilden, zu schulen, zu unterweisen in Bezug auf gefährliche Güter, Übernahme, Überprüfung von gefährlichen Gütern, traue ich mir schon zu, hier ein paar Worte zu diesen gesetzlichen Regelungen und Bestimmungen zu sagen, von de­nen ich schon meine, dass man sie richtig einschätzen kann, wenn es auch für manche schwierig ist.

Schade, dass Kollegin Kerschbaum jetzt nicht im Saal ist; muss ich halt noch ein biss­chen warten, um ihr etwas sagen zu können.

Wie schon angesprochen, ist die Novellierung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes die Umsetzung einer EU-Richtlinie, was bedeutet, dass im gesamteuropäischen Raum ein­heitlich geregelt ist, wie die Transporte zu erfolgen haben, sodass die Gefahren mög­lichst auf null reduziert werden. Ausschließen kann man gefährliche Zwischenfälle nie, da kann man noch so viele Gesetze machen, sich noch so stark bemühen. Ausschlie­ßen können wir das leider – wie so vieles andere auch – nicht.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Regelungen in diesem Gesetz sind von be­sonders großer Bedeutung. Warum? – Das Gesetz regelt die Transportnotwendigkei­ten, die Verantwortlichkeiten, die Norm der Begleitpapiere und die Kennzeichnung der gefährlichen Güter, aber auch die Kennzeichnung der Fahrzeuge, was besonders wichtig für jene Bereiche ist, wo die gefährlichen Güter mit den Fahrzeugen trans­portiert werden. Diese Regelungen im Gesetz sind besonders wichtig, denn sollte ein­mal, wie ich schon angesprochen habe – und das kann man nicht oft genug wieder­holen – irgendetwas Unvorhergesehenes passieren, muss man schließlich wissen, wie man damit umgeht, wie man es richtig handhabt und wie man sich richtig verhält. Das gilt auch – das hat Kollegin Kerschbaum schon angesprochen – für die Verlader und die Entlader.


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Ich kann Ihnen ganz kurz ein Beispiel schildern, leider ein negatives Beispiel aus mei­nem Berufsleben, wo ich verständigt wurde, weil es mit einem Gefahrguttransport Schwierigkeiten gegeben hat. Aus einem Eisenbahnfahrzeug ist Gefahrgut in Staub­form ausgetreten. Als ich dorthin gekommen bin, war es eigentlich das Schwierigste, zu klären: Was ist eigentlich in diesem Waggon, in diesem Fahrzeug drinnen? Wie kann die Feuerwehr vorgehen? Welche Maßnahmen kann man treffen?, denn der hun­dertprozentige Unfug war, dass das Fahrzeug deklariert war, die Begleitpapiere dekla­riert waren, sich aber die Deklarationen unterschieden haben. Das heißt, es ist im Be­gleitpapier etwas anderes gestanden, als am Fahrzeug deklariert war, in dem es be­fördert worden ist. Das Ganze wurde dann noch dadurch geschlagen, dass im Wag­gon, im Fahrzeug etwas drinnen war, was weder im Begleitpapier gestanden ist noch am Wagen deklariert war.

Wenn so etwas passiert, dann ist Schluss mit lustig. Es ist Gefahr in Verzug – nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Menschen, die dort beschäftigt sind, und die Menschen, die entlang von Bahnstrecken wohnen. Aber ich denke, das gilt nicht nur für den Eisenbahnverkehr, sondern auch auf Autobahnen, wo sehr viele Menschen, sicher auch jeder von uns, unterwegs sind. Wenn man immer wüsste, was die Lkws geladen haben, an denen man vorbei- beziehungsweise denen man hinterherfährt, würde man sicher oft nicht ganz so ruhig im Auto sitzen.

Ich kann jetzt nicht so lange reden, bis Kollegin Kerschbaum zurückkommt, vielleicht kann ja Kollegin Kickert sie darüber informieren. – Es ist heute schon ein paar Mal angesprochen worden, auch Kollege Krusche ist schon darauf angesprochen worden, und ich möchte jetzt Frau Kollegin Kerschbaum darauf ansprechen: Interessant ist die parlamentarische Diskussion zu diesem Verhandlungspunkt. Im Ausschuss am Diens­tag zum Beispiel sind – im Ausschuss natürlich berechtigt – Fragen gestellt worden, Einwände erhoben worden, ob dafür oder dagegen, das steht jedem frei und das ist auch notwendig, aber wenn dann mit Gewalt Argumente gesucht werden, die eben ge­gen dieses Gefahrgutbeförderungsgesetz sprechen, dann frage ich mich wirklich, ob solch eine Diskussion überhaupt noch sinnvoll ist. Am Dienstag sind im Ausschuss – ich sage es noch einmal – berechtigte Fragen gestellt worden, es sind kompetente Ant­worten von den Beamten des Ministeriums gekommen – und wenn man dann am Don­nerstag darauf, also heute, zwei Tage später, vergessen hat, welch kompetente Ant­worten man am Dienstag bekommen hat, und uns zu Beginn der Debatte sagt, es sei schwierig, zu verstehen, dann, glaube ich, ist es auch schwierig, die richtigen Argu­mente zu finden, um dagegen sein zu können. Man sollte ein richtiges Urteil abgeben können, das sollte man von einer Diskussion im Hohen Haus erwarten dürfen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.11


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Junker. Ich erteile ihr das Wort.

 


16.12.14

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesminister Bures! Meine Damen und Herren! Etwa 3 Prozent aller Güter­beförderungen sind Beförderungen mit gefährlichen Stoffen. Bis zu 150 Gefahrgut­transporte sind täglich auf unseren Autobahnen auf diversen Streckenabschnitten un­terwegs. Aber auch auf unseren Landes- und Gemeindestraßen werden gefährliche Güter transportiert: sei es bei der Belieferung von Tankstellen mit Treibstoff oder von Handelsunternehmen mit Farben und Lacken. Ebenfalls unter Gefahrgut fallen be­stimmte Abfallprodukte bei den Spitälern.

Angesichts der beachtlichen Mengen, die täglich auf der Straße, auf der Schiene, auf dem Wasser oder in der Luft befördert werden, ist es unbedingt erforderlich, dass die


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strengen Gefahrguttransport-Vorschriften eingehalten und damit die hohen Sicherheits­standards gewährleistet werden.

Ganz besonders schwerwiegende Unfälle mit Gefahrgütern sind Gott sei Dank in Ös­terreich eher selten, aber wir erinnern uns alle an den Unfall im Jahre 1999 im Tau­erntunnel, wo ein Gefahrguttransporter mit Spraydosen in einen Auffahrunfall mit 30 Personenkraftwagen verwickelt war. Es kam damals zu einem fürchterlichen Brand. Unsere Feuerwehren haben fast täglich mit kleineren Gefahrguttransport-Unfällen zu tun. Das Haupteinsatzgebiet der Feuerwehren ist nicht mehr das Feuer, sondern eben derartige Spezialeinsätze.

Meine Damen und Herren, ein hohes Fachwissen bei heimischen und ausländischen Frächtern, Spediteuren und Verladern, aber auch bei den Kontrollorganen und Einsatz­kräften ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung des hohen Sicherheitsstan­dards, den wir in Österreich haben. Aufgabe der Verkehrspolitik ist es, Bedingungen zu schaffen, unter denen Menschen und Güter sicher, pünktlich, preiswert und ökologisch vernünftig an ihr Ziel gelangen.

Die Novelle 2011 zum Gefahrgutbeförderungsgesetz nutzt weiters Möglichkeiten zur Entbürokratisierung. Davon können bestimmte Wirtschaftsbereiche wie zum Beispiel die Bauwirtschaft bei der Straßenmarkierung oder die Handelsunternehmen bei der Abgabe zum Beispiel von Reinigungsmitteln, Düngemitteln und Ähnlichem profitieren; ebenso auch andere Bereiche, wo Gefahrgüter in kleinen Mengen sowie geringerer Entfernung befördert werden.

Derzeit muss ein Unternehmer im Rahmen eines bürokratischen Einzelgenehmigungs­verfahrens beim Landeshauptmann eine firmenbezogene Ausnahmegenehmigungsbe­willigung beantragen, um vereinfacht Beförderungen durchführen oder Waren zur wei­teren Beförderung abgeben zu können. Künftig können in einer Verordnung bestimmte Aufgaben, sogenannte Sicherheitsstandards, festgelegt werden, und im Gegenzug können Transporte erleichtert durchgeführt werden, zum Beispiel mit vereinfachten Be­förderungspapieren.

Die Novelle 2011 zum Gefahrgutbeförderungsgesetz 1998 ist der Weg zu mehr Rechts­sicherheit für grenzüberschreitende und innerstaatliche Gefahrguttransporte. Setzen wir gemeinsam, wenn auch verspätet, diese Novelle um! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.16


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. Ich erteile es ihm.

 


16.16.35

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz trägt da­zu bei, die Sicherheit zu erhöhen. Es ist daher auch eine gute Sache und unterstüt­zenswert.

Herr Kollege Mayer, Sie haben mich jetzt so ang’schaut, als ob Sie erwarten würden, dass jetzt wieder etwas kommt von mir. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Ich bin ohnehin immer, wenn ich hier beim Rednerpult stehe, geradezu einem Hagel an Zu­rufen ausgesetzt, deshalb bin ich ganz froh und möchte das auch einmal genießen, dass ich in Ruhe sagen kann, dass wir diesem Antrag zustimmen werden. (Demons­trativer Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Jawohl! – Bundesrat Gru­ber: Lernfähig!) Ich bin ja auch als Pro-Redner zu Wort gemeldet. Also lassen Sie mich diesen Moment auskosten! Ich bin heute auch später noch einmal zu Wort gemeldet, und dann wird die Sprache vermutlich wieder eine andere sein. (Bundesrat Mag. Klug: Wie in der Früh: konstruktive Opposition!) – Ja, Herr Magister, genau so ist es.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 121

Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade die Beförderung von Gefahrgütern im tägli­chen Verkehr ist ein sehr sensibler Bereich – das wurde heute auch schon angespro­chen –, aber nicht nur ein sehr sensibler, sondern auch ein gefährlicher Bereich, in dem man einfach nicht genug vorsorgen kann. Solange nicht wirklich etwas passiert, ist der Gefahrguttransport in der öffentlichen Wahrnehmung kaum ein Thema, aber dann, wenn es zu Unfällen kommt, dann spricht man darüber. Die Folgen solcher Un­fälle sind meistens sehr fatal.

Die Änderung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, so wie sie jetzt vorliegt, ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil es immer wieder – die Vergangenheit hat das ge­zeigt – zu großen Problemen vor allem bei den Einsatzkräften gekommen ist. Wenn sie zum Unfallort kommen und die Fahrzeuge in Bezug auf ihren Inhalt nur schlecht oder, wie Kollege Stadler gemeint hat, zum Teil falsch oder gar nicht gekennzeichnet sind, dann führt das immer wieder zu sehr großen Problemen.

Ich selbst komme aus einem Bezirk, durch den die A 8, die Innkreis Autobahn, die so­genannte Balkanroute von Großbritannien in die Türkei, führt. Dort fahren täglich zwi­schen 9 000 und 10 000 Lkw über den Grenzübergang in Suben. Erst heute Morgen wieder passierte ein tragischer Unfall mit einem Lkw, bei dem ein Mensch tödlich ver­unglückt ist. Vor wenigen Tagen, an gleicher Stelle, ein paar Kilometer weiter, hat ein Lkw gebrannt, ist in Vollbrand gestanden. Kurz zuvor, ein paar Tage zuvor, ereignete sich ebenfalls ein Unfall mit einem Lkw mit einem großen Flüssigkeitsaustritt als Fol-
ge. Wenn dann die Feuerwehr kommt, muss sie wissen, wie sie reagieren soll, und
das kann sie nicht, wenn die Kennzeichnung nicht ausreichend, wenn sie falsch oder schlecht ist.

Es spielt sich schon etwas ab auf diesen stark befahrenen Straßen; diese Szenen sind zum Teil wirklich furchterregend. Es ist daher notwendig, sehr geehrte Damen und Her­ren, und es ist richtig und wichtig, das Gefahrgutbeförderungsgesetz anzupassen und unter anderem die Schulungs- und Kontrollbestimmungen zu erweitern. Es ist richtig und wichtig, Frau Minister, dass davon auch die Binnenschifffahrt und die Luftfahrt erfasst sind. Und es ist richtig und wichtig, dass es in verschiedenen Ländern auch gleiche Standards gibt.

Die vorliegende Änderung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes trägt dazu bei, die Sicherheit auf den Verkehrswegen zu heben, und zwar sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene, auch auf dem Wasser und auch in der Luft. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

16.19


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.20.3614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird (1115 d.B. und 1158 d.B. sowie 8496/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 122

Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nun zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


16.20.57

Berichterstatter Michael Lampel: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 10. Mai 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Bundesrat Krusche – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich tue dir diesen Gefallen nicht mehr heute!)

 


16.21.42

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben es jetzt wieder einmal mit einer Reparatur zu tun von etwas, das danebengegangen ist, das eigentlich schon bei den Budgetbegleitge­setzen hätte beschlossen werden sollen. Das Ganze steht in Verbindung mit Gebüh­renerhöhungen. Ich hätte mich gefreut – und dann würde ich dafür sprechen –, wenn wir heute Maßnahmen zur Stärkung der Innovationskraft und des Wirtschaftsstand­ortes Österreich hätten beschließen können. (Bundesrat Todt: Das machen wir auch noch! Es kommt noch ein Tagesordnungspunkt, wo das drauf ist!) – Da bin ich mir nicht sicher. (Bundesrat Gruber: Du bist ja auch dort dagegen!)

Ich hätte mich gefreut, wenn wir über eine Senkung hätten reden können oder zum Beispiel über eine teilweise Befreiung von Patentgebühren für Privatpersonen. So et­was wäre zielführend, aber das wäre von dieser Koalition wahrscheinlich zu viel ver­langt, denn eure Innovationskraft erschöpft sich in Gebührenerhöhungen – und die ist leider nicht patentwürdig. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, jeder, der einmal mit Patenten zu tun gehabt hat, weiß, wie kostspielig so etwas ist. Vor allem KMU verzichten häufig darauf, Patente anzumelden, weil sie mit den enorm hohen Kosten überfordert sind. Wenn man heute wirklich einen wirksamen Schutz haben will, dann reicht es nicht, das Patent in Österreich anzumel­den, sondern wenn man internationalen Schutz haben will, braucht man auch noch spezialisierte und entsprechend teure Patentanwälte. Das ist alles sehr aufwendig.

Frau Minister Karl hat in ihrer Abschiedsrede als Wissenschaftsministerin betont, dass Wissenschaft und Forschung von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Landes sind. Auch vom neuen Minister Töchterle wird das unterstützt, nur in der praktischen Umset­zung und bei den Taten merkt man davon nichts. Deswegen sind wir gegen diese Ge­bührenerhöhung. (Beifall bei der FPÖ.)

16.24


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. Ich erteile es ihm.

 


16.24.15

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Neue Patente, neue Innovationen tragen natürlich wesentlich zur Steigerung der Wertschöpfung in unserem Land bei. Da­


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her ist es wichtig, diesem Bereich der Patente, Innovationen und Erfindungen die gebüh­rende Aufmerksamkeit zu schenken und ihn zu fördern.

Trotz der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 ist die Zahl der Anmeldungen von Erfindungen in Österreich konstant auf hohem Niveau geblieben. Im Unterschied dazu haben das Europäische Parlament einen Rückgang von 8,3 Prozent, Deutschland einen Rück­gang um 4,5 Prozent zu verzeichnen, und in den Vereinigten Staaten ist ebenfalls ein Rückgang festzustellen.

Wir müssen langfristig denken und auch handeln. Der Erfindungsgeist junger Men­schen soll geweckt werden. Erfreulich ist, dass der Innovationsgeist und die Stärke der österreichischen Wirtschaft im europäischen Vergleich klar voranliegen. In Österreich ist es gelungen, 2 Prozent mehr Patentanmeldungen zu erreichen. Das heißt, die Un­ternehmungen haben trotz schwieriger wirtschaftlicher Situation in Forschung und Tech­nologieentwicklung investiert.

Selbstverständlich, Kollege Krusche, sind die Kosten im Auge zu behalten. Wir haben aber schon 15 Jahre lang keine Anpassung vorgenommen. Nach 15 Jahren gleichen wir jetzt zum ersten Mal die Preise an, und ich glaube, dass das ganz wichtig ist. Ich würde mir wünschen, dass die Preise nicht nur alle 15 Jahre angeglichen werden, denn dann würden die Erhöhungen nämlich wesentlich geringer gehalten werden kön­nen.

Wir stimmen dieser neuen Preisregelung gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.26


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr. (Bundesrat Gruber: Jetzt ist sie wieder da! – Bundesrat Todt: Auch wie­der kontra! Das geht ja nicht!)

 


16.26.45

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir leid, dass ich heute leider lauter Kontrareden halten muss, ich würde auch gerne einmal als Prored­nerin auftreten. Vielleicht sollte man die Gesetze dementsprechend vorlegen, dann wür­de mir das leichter fallen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Die Änderungen des Patentamtsgebührengesetzes sind ja, wie schon erwähnt, in ers­ter Linie nur Gebührenerhöhungen. Was mich ein bisschen irritiert, ist: Die Wirtschafts­kammer (Bundesrätin Zwazl spricht mit Fraktionskolleginnen) – die Präsidentin ist lei­der beschäftigt –, die Wirtschaftskammer spricht sich in ihrer Stellungnahme zum Pa­tentgesetz entschieden dagegen aus. Ich zitiere:

„Es kann nicht akzeptiert werden, dass KMU und EPU, die zu einem überwiegenden Teil die innovativen und kreativen Impulse am Wirtschaftsstandort Österreich setzen, durch diese zum Teil stark überdurchschnittlichen Gebührenerhöhungen davon abge­halten werden, (...)“

Offensichtlich habt ihr euch dann durch irgendetwas anderes überzeugen lassen. Ich finde nämlich die Stellungnahme der Wirtschaftskammer sehr spannend. Unter ande­rem geht es auch – weil vorhin von den Kosten gesprochen wurde – um die hohen Kosten der Verfahren – das mag schon sein – und die dagegen sehr niedrigen Gebüh­ren. Die Frage ist halt: Wie viele Verfahren gibt es wirklich? Zahlt es sich aus? Wider­spruchsverfahren sind derzeit laut Wirtschaftskammer Österreich elf bis 13 anhängig. Wenn man also die Kostenbeteiligung in Form der Gebühr – wahrscheinlich wird die Gebühr das wirklich nicht ganz abdecken – von 150 € auf 300 € anhebt, dann hat man vielleicht ein bisschen etwas gewonnen, aber nicht in dem Ausmaß, dass man sagen kann, das ist wirklich dringend notwendig. Das ist sicher eher eine Erhöhung einer Schranke, die unserer Meinung nach überflüssig ist.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 124

Da Kollege Lindinger vorhin davon gesprochen hat: Die letzte Erhöhung – ich habe im Ausschuss nachgefragt, eben auch wegen der Widerspruchsverfahren –, wurde mir dort gesagt, erfolgte im Jahr 2004, also nicht schon vor zehn Jahren. Insofern ist es nicht ganz verständlich, dass jetzt derart große Erhöhungen beschlossen werden; noch dazu wo es so wenig Verfahren gibt, dass die Erhöhung insgesamt nicht wirklich etwas bringt. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

16.29


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. Ich er­teile es ihm.

 


16.29.11

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Patentamtsgebüh­rengesetz hilft ausnahmsweise die Politik der Beamtenschaft, etwas zu reparieren, was bei der letzten Novellierung leider Gottes nicht miterledigt worden ist. Ich glaube, das ist schon etwas Wesentliches, um auf die „K.- und K.-“, auf die „Krusche- und Kersch­baum-Kritik“ zu reagieren. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist der Opposition natürlich unbenommen, zu fordern, Steuern und Gebühren zu senken und Leistungen zu erhöhen, nur: Die Quadratur des Kreises ist immer schwie­rig. Ich glaube, es ist wesentlich, dass Gebühren auch kostendeckend sind und den Verwaltungsaufwand entsprechend abgelten. Manchmal sollte man diese Kostende­ckung bei Verwaltungsverfahren einfach auf Gemeinde- und Bezirksebene überlegen.

Von einer extremen Kostenerhöhung und einer Verunmöglichung, Patente einzurei­chen, möchte ich nicht sprechen. Wer sich die Gebührensätze tatsächlich angeschaut hat – es geht um Gebührensätze von 40 bis 600 € –, wird mir beipflichten, wenn ich sa­ge, ich hoffe, dass eine Idee von jungen österreichischen Erfindern diesen Betrag wert ist, nämlich, ihre Idee langfristig zu schützen, um auch einen entsprechenden wirtschaft­lichen Erfolg zu erzielen.

In diesem Sinne hoffen wir, dass viele Menschen in Österreich Ideen für Forschung und Entwicklung einbringen und dass diese Ideen dank des Patentamtes auch gut ge­schützt sind.

Ich unterstütze diese Vorlage. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.30


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.31.1015. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend Übereinkommen über das Central European Exchange Programme for University Studies („CEEPUS III“) (1087 d.B. und 1149 d.B. sowie 8498/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl. Bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 125

Bericht.

 


16.31.28

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2011 betreffend Übereinkommen über das Central European Exchange Programme for University Studies („CEEPUS III“).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

(Bundesrat Schennach: Wo ist die Frau Minister? – Ruf bei der SPÖ – in Richtung des Bundesrates Schennach –: Der Herr Minister! – Bundesrat Schennach: Wo ist der Herr Minister?)

 


16.32.19

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Das bisher gültige CEEPUS II-Übereinkommen läuft heuer aus. Da das Interesse der Hochschulen für Kooperationen in Lehre und Forschung vor allem im Bereich der Doktorratsstudien stark angestiegen ist, soll mit 1. Mai 2011 das CEEPUS III-Übereinkommen nach unserer Zustimmung in Kraft treten.

Das Übereinkommen hat eine Laufzeit von sieben Jahren; seine Verlängerung auf wei­tere sieben Jahre ist möglich. Waren es beim Start 1995 unter unserem Wissen­schaftsminister Busek sechs Gründungsmitglieder – Österreich, Bulgarien, Polen, die Slowakei, Slowenien und Ungarn –, hat sich jetzt dieses Netzwerk auf 15 Mitgliedstaa­ten erhöht, sodass nunmehr der gesamte südosteuropäische Raum eingebunden ist.

Ziel des Übereinkommens ist es, die regionale Vernetzung der Hochschulen im Be­reich Lehre und Forschung mit der Schwerpunktsetzung im Doktoratsbereich zu unter­stützen. Es fördert die Mobilität von Lehrenden und Studierenden sowie die Entwick­lung von Joint Degree-Programmen, insbesondere von Doktoratsprogrammen, an den Hochschulen in den Unterzeichnerstaaten.

Österreich sieht sein Interesse des Übereinkommens in der Absicherung seiner füh­renden Rolle im wissenschaftlichen Bereich und in der Steigerung seiner Attraktivität als Hochschulstandort in dieser Region.

CEEPUS III fördert Kreativität und Innovation, fördert unsere Universitäten und unsere Forschungseinrichtungen, fördert aber auch die Wirtschaft, denn die Wirtschaft kann nur leben und sich weiterentwickeln, wenn die Menschen auch miteinander in Kontakt treten können, miteinander arbeiten und miteinander leben können. CEEPUS III leistet einen ganz wesentlichen Beitrag dazu.

Stimmen wir gemeinsam der Weiterentwicklung dieses Programmes zu! (Bundesrat Gruber: Ihre Rede hätte die Anwesenheit eines Ministers verdient! – Bundesminister Dr. Töchterle betritt soeben den Sitzungssaal. – Rufe bei der ÖVP: Er ist da! – Heiter­keit.)

Dann kann ich diese Gelegenheit dazu nützen, unserem neuen Minister Karlheinz Töchterle alles Gute für seine Arbeit im Wissenschaftsministerium zu wünschen. Viel Kraft und Erfolg! (Beifall bei der ÖVP.)

16.35


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 126

16.35.43

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Es scheint mir etwas Tirolerisch hier zu­zugehen, aber man sieht, dass die Tiroler offensichtlich immer sehr weltoffen waren. (Zwischenruf des Bundesrates Petritz.) Aber Vorarlberger haben ja auch schon eine Tiroler Landesrätin akzeptiert. Also, es geht irgendwie.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Dieses Central Eu­ropean Exchange Programme for University Studies, CEEPUS, kommt nun in seine dritte Phase. Das ist ein Austausch- und Stipendienprogramm, das jetzt genau den an­deren Teil wieder einmal fördert, nämlich die akademische Mobilität. Es fördert nämlich nicht nur die Mobilität von jungen, sich in Ausbildung befindlichen Studierenden, son­dern sogar auch jene von graduierten Akademikern und Universitätslehrenden.

Österreich stand an der Wiege, als dieses Programm gegründet wurde, und das Span­nende daran ist – wir haben so etwas schon in anderen Bereichen, etwa bei der Anna Lindh-Foundation –: Es ist ein Netzwerk, und zwar ein ziemlich komplexes Netzwerk mit unterschiedlichen Programmen, wo miteinander kommuniziert wird, wo optimale Aus­tauschbedingungen dadurch gegeben sind und wo die typischen Eigenschaften der un­terschiedlichen Regionen dabei betont werden und wo, von österreichischer Warte aus gesehen, Zentraleuropa, aber insbesondere unser osteuropäisches befreundetes Umfeld ganz stark einer Integration unterzogen wird.

Derzeit sind 14 Staaten dabei, und zwar neben Österreich Albanien, Bosnien-Herzego­wina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, die Slo­wakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn. Aber darüber hinaus gibt es auch Kooperationen mit der Universität von Priština und auch mit Molda­wien.

Diese Netzwerke – das sind zum Teil fachspezifische Einzelnetzwerke – haben in je­dem einzelnen Land eigene – wie soll man sagen? – nationale Büros. In Österreich ist es in der Liechtensteinstraße. Es müssen für eine Kooperation mindestens drei Univer­sitäten aus drei verschiedenen Staaten beteiligt sein. Die Vorlesungen erfolgen in Eng­lisch, in Französisch und in Deutsch. Jedes Mitgliedsland muss – das ist aber keine Frage; vielleicht ist das interessant, was Geldtransfers anlangt –100 Stipendienmonate zur Verfügung stellen. 100 Stipendienmonate heißt, man bezahlt den Aufenthalt jener Person, die sich sozusagen in diese Mobilität hineinbegibt.

Wichtig ist, dass man die Staatsbürgerschaft eines dieser CEEPUS-Länder hat bezie­hungsweise eine EU-Staatsbürgerschaft. Und was die Graduierung betrifft, muss man mindestens zwei Semester erfolgreich abgeschlossen haben. Die minimale Aufent­haltsdauer ist – um es von der Integration und von der Vertiefung her spannender zu machen – mit einem Monat bemessen.

Ich nehme jetzt die BOKU als Beispiel her. – Die BOKU wirbt ganz offensiv, sie richtet an die Adresse ihrer Studierenden den Slogan: Go East! Sie hat eine ganze Reihe von Programmen aufgelegt. Zum Beispiel: Die BOKU zusammen mit Zagreb und Sofia. Oder das Programm: Die BOKU zusammen mit Zagreb, Warschau, Budapest, Ljubl­jana und Bratislava. Oder ein anderes Programm: Die BOKU zusammen mit Krakau, Tirana, Suceava in Rumänien und Ljubljana. Oder zum Beispiel: Die BOKU mit Nitra in der Slowakei und Zagreb.

Das schafft eine unglaubliche Verbindung, ein unglaubliches Netzwerk und erhöht und fördert die Mobilität, die wir gerade in Zentraleuropa brauchen und die im Bereich der Studierenden, aber auch im Sinne der Wissenschaft notwendig ist.

Wir freuen uns, dass es nun mit CEEPUS III eine Fortsetzung von CEEPUS II gibt. Hiermit sind die nächsten sieben Jahre dieses Programms gesichert. Es schließt sich auch an das Mobilitätsprogramm zwischen Österreich und Serbien an, das wir erst letz­tes Mal diskutiert haben.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 127

Alles in allem: CEEPUS III dient der Integration auch mit jenen Staaten, die noch nicht Mitglieder der Europäischen Union sind. Damit wird Wissenschaft und der Austausch junger Menschen gefördert.

In diesem Sinne stimmen wir diesem Übereinkommen über CEEPUS III sehr, sehr ger­ne zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.41


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


16.41.43

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Zunächst einmal meine persönliche Gratulation, dass ein echter Wissenschafter an der Spitze des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung steht. Und im nachfolgenden Bericht werden wir sehen, dass meine Hoffnung auf Verbesse­rungen gegeben ist.

Das CEEPUS III-Programm, das wir unterstützen, ist ein gutes Programm, und zwar in dem Sinne, dass es die Mobilität der Studierenden unterstützt. Dies ist auch in der EU-Strategie 2020 vorgeschrieben.

Man sollte dieses Programm aber nicht überbewerten. Erstens geht es um keine gro­ßen Summen, und zweitens wird nur ein bestimmtes Segment bedient, nämlich, wie schon angesprochen, die südosteuropäische Region, speziell der Donauraum.

Es fehlt mir darunter Russland als großes Land mit einer langen Tradition in Wissen­schaft, Forschung und Innovation. Im Ausschuss wurde mir darauf geantwortet, es sei nicht erwünscht. Diese Meinung kann ich nicht teilen.

Es fehlen mir andere benachbarte Länder, wie etwa Deutschland, die Schweiz und Ita­lien. Dazu wurde mir im Wissenschaftsausschuss gesagt, da sei sehr wohl ein Ando­cken vorgesehen gewesen; diese Länder hätten dies aber abgelehnt. Da sollte man doch darüber nachdenken, warum diese Länder die Möglichkeit ablehnen, dass auch Österreicher sie besuchen können, denn das Gastland ist für die Stipendienzahlung zuständig. Es ist also eher zu erwarten, dass die südosteuropäischen Länder zu uns kommen, als dass Österreicher diese Länder besuchen beziehungsweise diese Mög­lichkeit beanspruchen, obwohl das sicherlich interessant wäre. (Bundesrat Schennach: Das stimmt überhaupt nicht!)

Interessant wäre sicherlich, Deutschland, die Schweiz und Italien mit an Bord zu neh­men. Es wäre daher angezeigt, die Verhandlungen auszudehnen, um diese Möglich­keit zu schaffen.

Etwas ist mir noch aufgefallen: das Verhältnis zwischen Stipendien und Verwaltungs­aufwand. Das ist 4 : 1. Das ist eindeutig zu niedrig. Besser wäre das Verhältnis: we­niger Verwaltungsaufwand und mehr Stipendien. Aber das ist wahrscheinlich ein ös­terreichisches Problem, nämlich, dass die Verwaltung bei uns immer aufgebläht wird.

Trotzdem ist es eine gute Chance, eine Chance, die Perspektiven hat und ausbaufähig ist, und daher stimmen wir dieser Gesetzesvorlage zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.44


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Töchterle. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


16.44.23

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist jetzt schon vieles über die Vorteile und über die Leistun­gen dieses Programmes gesagt und viel Treffendes hier vorgebracht worden. Lassen Sie mich zusammenfassen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 128

Es ist in der Tat einen Pionierleistung Österreichs, dieses Programm ins Leben gerufen zu haben. Es ist dies ein Programm, wo wir vor allem Studierenden aus Nicht-ERASMUS-Ländern, wenn ich das so technisch formulieren darf, die Möglichkeit geben, erhöhte Mobilität zu leben. Diese Möglichkeit haben bisher über 30 000 Studierende, aber auch Lehrende, die dieses Programm auch erfasst, genutzt, seit das Programm, nämlich seit 1995, in Kraft ist. Von diesen 30 000 Studierenden stammen aus Österreich an die 2 500.

Wir können, wie gesagt, zu Recht stolz darauf sein, dieses Programm ins Leben geru­fen und es mit Erfolg betrieben zu haben. Die Attraktivität dieses Programmes ist von Jahr zu Jahr gestiegen, und deswegen war es sinnvoll, dass meine Vorgängerin, Frau Bundesministerin Dr. Karl, den CEEPUS III-Vertrag letztes Jahr in Montenegro unter­zeichnet hat, der eine Weiterentwicklung dieses Rahmenvertrages darstellt und ein Mehr an Flexibilität bietet.

Für das Studienjahr 2010/11 standen insgesamt fast 6 000 der schon erwähnten Sti­pendien-Monate zur Verfügung. Die Studierenden, die an unsere Universitäten strö­men, kommen vor allem aus Rumänien und Ungarn – das sind Donauländer –, aber auch aus Polen. Diese drei Länder sind die beliebtesten Gastländer für österreichische Studierende und Lehrende innerhalb dieses Programmes.

Wir koordinieren auch die meisten Netzwerke. Insgesamt gibt es 55 Netzwerke zwi­schen den Universitäten. Wir koordinieren 13 davon.

Wir haben von 2011 bis 2013 auch den Vorsitz in dem das Programm steuernden ge­meinsamen Ministerkomitee. Auch das ist ein Anlass und ein Grund für mich, Sie zu er­suchen, der geplanten Weiterentwicklung dieses Programmes Ihre Zustimmung zu ge­ben. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

16.46


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.47.2116. Punkt

Jahresvorschau des BMWF 2011 auf der Grundlage des „Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission“, des „Achtzehnmonatsprogramms des Rates“ sowie des informellen Programms der polnischen EU-Präsidentschaft (III-431-BR/2011 d.B. sowie 8499/BR d.B.)

17. Punkt

Jahresvorschau des BMWF 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogramms des Rates (III-367-BR/2009 d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Nun gelangen wir zu den Punkten 16 und 17 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 16 ist Herr Bundesrat Köberl. Ich bitte um den Bericht.

 


16.48.03

Berichterstatter Günther Köberl: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 129

Forschung über die Jahresvorschau des BMWF 2011 auf der Grundlage des „Arbeits­programms der Europäischen Kommission“, des „Achtzehnmonatsprogramms des Ra­tes“ sowie des informellen Programms der polnischen EU-Präsidentschaft. (Vizepräsi­dent Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher sogleich zur Verlesung des Antrages kommen.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 den Antrag, die Jahresvorschau des BMWF 2011 auf der Grundlage des „Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission“, des „Achtzehnmonatsprogramms des Rates“ sowie des informellen Programms der polnischen EU-Präsidentschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.49.01

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Im Text des insgesamt 200 Seiten dicken Jahresberichts des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung sind nur vier bis fünf Seiten mit einem Österreich-Bezug enthalten, der Rest ist der Appendix der Europäischen Union. Man sollte sich vielleicht doch in Zukunft eine bessere Relation überlegen. Ich hoffe, dass der nächstjährige Bericht mehr Tiefgang und mehr Wertigkeit besitzt und vor al­lem ausführlicher gestaltet ist.

Nun zu diesem Bericht: In diesem Bericht geht es in erster Linie um die Mobilität im Rahmen der EU-2020-Strategie der Studierenden, der Universitätsangehörigen, und es geht um die Kooperation von Hochschule und Wirtschaft mit Stärkung des Wirtschafts­standortes Österreich.

Zunächst zur Mobilität: Grundvoraussetzung der Mobilität war und ist das Bologna-Sys­tem mit dem dreistufigen Studienweg von Bachelor über Master zum PhD. Dies war Grundvoraussetzung, damit die Mobilität überhaupt stattfinden kann, und das ist gut so, denn dadurch ist eine wechselseitige Anerkennung von ECTS-Punkten möglich. Beim alten System, dem Diplomsystem ist – und das muss man auch einmal sagen – diese Nostrifikation schwierig, wenn nicht fast unmöglich gewesen, und wenn über­haupt möglich, dann mit großem Bürokratieaufwand verbunden.

Ein Problem – um bei den neuen Lehrplänen zu bleiben – des Bachelor-Systems sind die Erweiterungscurricula. Wenn ich mich hier auf die Universität in Wien beziehen darf, so kann ich sagen: Da gibt es 160 Curricula, und fast die gesamten 160 Curricula werden auch als Erweiterungscurricula im Rahmen eines Bachelor-Studiums angebo­ten.

Ein Bachelor-Studium hat bekanntlich 180 ECTS-Punkte, davon können also 60 fa­kultätsfremd absolviert werden. Wenn jetzt zum Beispiel jemand Philosophie studiert, kann er 60 ECTS-Punkte mit Wirtschaft auffüllen; umgekehrt, wenn jemand Wirtschaft studiert, kann er 60 Punkte zum Beispiel mit Philosophie auffüllen. Es ist also manch­mal im absolvierten Studium nicht mehr drinnen, was eigentlich draufsteht: Ein Bache­lor of Arts hat eigentlich nur zwei Jahre, um beim Thema zu bleiben, Philosophie stu­diert, ein Bachelor der Sozialwissenschaften mit zwei Jahren Diplomstudium hat vier Jahre Wirtschaftsausbildung.

Mit diesen vielen Erweiterungscurricula in der Wirtschaft eine Anerkennung des Bache­lor-Systems zu finden, das wird schwierig, wenn nicht fast unmöglich. Daher mein Er­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 130

suchen, vielleicht die Erweiterungscurricula zu trennen nach Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften. Sonst sind es einfach zu viele und es ist unübersichtlich.

Der zweite Punkt – das ist ein Anliegen der Europäischen Kommission – ist, dass die klassischen Aufgaben der Universitäten, also Forschung, Bildung und Innovation, um unternehmerische Tätigkeiten erweitert werden. Und dazu darf ich zitieren, dass die Europäische Kommission selber dazu schreibt, dass das Unternehmertum der Univer­sitäten und Studierenden gefördert werden soll. Das ist ein hochinteressanter Satz, da offensichtlich bei der Europäischen Kommission angekommen ist, dass es ohne eine funktionierende Wirtschaft und einen funktionierenden Unterbau keine funktionierende Wissenschaft und Forschung und damit innovative Produkte geben kann.

Nicht angekommen ist dies in Österreich. Warum? – Weil wir nicht die entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen können. Hier geht es vor allem um Jungunternehmer und Jungunternehmerinnen, um Start-up-Unternehmen. Wir sind, sieht man, wenn man die Statistik anschaut, im Ranking Europas mit den Un­ternehmensgründungen im unteren Bereich und bei der Drop-out-Quote, um in der Uni­versitätssprache zu bleiben, also bei den Liquidationen, im obersten Bereich innerhalb der ersten drei Jahre, und das sind die kritischen Jahre. Da sollte man zu denken an­fangen!

Wenn Frau Finanzministerin Fekter heute eingangs gesagt hat, sie möchte die Leis­tungsträger fördern, dann muss ich sagen: Ich warte, wir Freiheitliche warten auf kon­krete Handlungen und auf konkrete Ergebnisse! Die Aussage allein ist mir zu wenig, Zeit hatten Sie bis jetzt genug.

Die hohen Lohnnebenkosten – und das ist das Hauptproblem für Jungunternehmer, das sagt eine Studie – sind der Hauptgrund dafür, dass keine Beschäftigten angestellt werden. Deswegen haben wir auch so viele EPUs, so viele Ein-Personen-Unterneh­men: nicht deswegen, weil jeder so gerne allein arbeitet, sondern deshalb, weil es uns die Kosten unmöglich machen, dass wir Mitarbeiter anstellen. Die Lohnnebenkosten betragen über 90 Prozent und haben einen europäischen Spitzenwert erreicht. Es wäre besser, statt der Staatswirtschaft, der Bankrottwirtschaft das Geld nachzuschmeißen, es bei den Unternehmen zu lassen, mit seinen Mitarbeitern, dann haben wir alle mehr davon. (Bundesrat Todt: Was meinen Sie damit?)

Es ist besser, mit weniger Steuern eine effizientere Wirtschaft zu erzielen, als mit vie­len Steuern über das Förderunwesen die Ungerechtigkeit zu bringen. (Bundesrat Todt: Das habe ich schon verstanden, aber das Erste?!) – Das habe ich, glaube ich, eindeu­tig gesagt: dass wir mit einer Senkung der Steuern mehr Effizienz erzielen und die Start-up-Unternehmen unterstützen müssen. Wir brauchen mehr Unternehmen, und das schreibt uns ja die Europäische Kommission vor. (Bundesrat Todt: Gehört das ei­gentlich nicht in ein anderes Ressort?) – Ja, da sind wir bei einem guten Punkt. Ich ha­be eingangs gesagt, drei Viertel des Berichtes ist Wirtschaft, daher muss ich darauf eingehen. Es sind leider nur vier, fünf Seiten, die sich mit der Wissenschaft beschäf­tigen, und diese habe ich hier genannt. Aber danke für den Ansatz.

Ein Wissenschaftsthema fällt mir noch ein – bleiben wir bei der Universität Wien, drei Gehminuten von hier entfernt –: Zirka 500 Millionen € ist das Gesamtbudget; davon werden nur zirka 15 Prozent durch den Verkauf, durch die Vermarktung der eigenen wissenschaftlichen Leistung erwirtschaftet. Das ist im europäischen Schnitt zu wenig! Die Differenz trägt bekanntlich der Steuerzahler.

Besser wäre es, die Vernetzung der Wirtschaft mit den Universitäten zu fördern, besser wäre es, die Dienstleistungen besser zu vermarkten, wie zum Beispiel die Hörsäle, die fünf Monate im Jahr leer stehen. Hier könnte man sich sicher etwas einfallen lassen!


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Da fällt mir auch ein, dass ich vor Kurzem auf der Sternwarte in Wien Währing war. Die Sternwarte gehört der Universität Wien, ein Juwel aus der Jahrhundertwende. Diese verfällt leider, aber es muss doch möglich sein, zumindest das zu erwirtschaften, dass man dieses Gebäude erhalten kann! Das kann doch einfach nicht so schwer sein. (Bundesrätin Dr. Kickert: Eine Sternwarte!) – Eine Sternwarte.

Ich muss aber trotzdem bei der Wirtschaft bleiben – das Ministerium hätte das anders entscheiden müssen und dann diesen Aspekt des Textes nicht in dieser Fülle aus­senden sollen –, weil es eben bei drei Viertel nur um Wirtschaft geht. Hier geht es um Unternehmertum, hier geht es um Stärkung, Förderung und Verbreitung des Unterneh­mertums, damit die Wissenschaft die Innovationen und ihre Leistung selbständig er­bringen kann.

Leider – wenn man das im gesamten Kontext zusammenfasst – besteht eine große Dif­ferenz zwischen dem Anspruch und den Vorgaben der Europäischen Kommission und der Umsetzung, denn Österreich ist ja bereits mit der Lissabon-Strategie 2010 geschei­tert. (Ruf: Wo?) Aus folgenden Gründen – erstens wegen der verkürzten Darstellung des Berichts und zweitens wegen der Diskrepanz, ich hoffe auf Verbesserungen im nächsten Jahr – lehnen wir Freiheitliche diesen Bericht ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Wenger. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.57.42

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Auf der Grundlage des Arbeitsprogrammes 2011 der Europäischen Kom­mission hat das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung einen Bericht be­treffend die Vorhaben der Europäischen Kommission im Bereich Forschung und Hoch­schulbildung vorgelegt. Hier vertrete auch ich ausnahmsweise einmal die Meinung des Kollegen Pisec, weil auch ich der Meinung bin, dass die Haltung Österreichs in diesen Berichten wesentlich mehr Niederschlag finden sollte. Ich kann mich erinnern, wir ha­ben das übrigens auch bereits im vorigen Jahr erwähnt. Es wäre schon gut, wäre die österreichische Haltung verstärkt wiederzufinden.

Beim Themenbereich Forschung konzentriert sich die Kommission im Wesentlichen auf die Schwerpunkte Umgang mit der Wirtschaftskrise, Unterstützung der wirtschaft­lichen Erholung Europas, Vorantreiben der Europa-2020-Strategie, die uns in den Be­richten ja immer wieder unterkommt, und auch Start der Verhandlungen über das neue EU-Budget.

Für die Forschungspolitik sind vor allem Aktivitäten im Zusammenhang mit der Europa-2020-Strategie von Bedeutung. Mit den europäischen Innovationspartnerschaften ver­tieft die Kommission die seit einigen Jahren sich entwickelnde Verbindung von nationa­len und EU-Maßnahmen. Dabei sollen möglichst rasch innovative Produkte und Dienst­leistungen entwickelt werden, die der europäischen Gesellschaft zugutekommen und der europäischen Wirtschaft Wettbewerbsvorteile auf den globalen Märkten verschaf­fen. Auch Österreich beteiligt sich aktiv an diesen Innovationspartnerschaften.

Ziel der Kommission ist es, bis Ende 2011 einen Vorschlag für das 8. Forschungsrah­menprogramm vorzulegen. Zudem wird die Kommission im Rahmen des „Europäi­schen Semesters“ die nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten bewerten und länderspezifische Empfehlungen ausarbeiten.

Zu den forschungspolitisch bedeutenden Schwerpunkten, auf die das Arbeitsprogramm der Kommission für 2011 setzt, zählen vor allem Aktivitäten, die mit der Europa-2020-Strategie in Verbindung stehen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 132

Österreich unterstützt hier alle Maßnahmen, die helfen, den europäischen Forschungs­raum zu verwirklichen. Die von der Kommission vorgeschlagenen europäischen Inno­vationspartnerschaften haben allerdings aus österreichischer Sicht nur dann einen Sinn, wenn sie mit den bestehenden Vernetzungsaktivitäten der Mitgliedstaaten verbun­den sind.

Die Vorbereitung für das 8. Forschungsrahmenprogramm verfolgt Österreich mit gro­ßem Interesse und auch mit dementsprechendem Engagement. Die damals zustän­dige Bundesministerin hat der Europäischen Kommission erste Überlegungen Öster­reichs für die Gestaltung der künftigen EU-Forschungspolitik bereits übermittelt, und das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ist – meinen Informationen nach – gerade dabei, seine prioritären Maßnahmen für das österreichische nationale Reformprogramm im Bereich Forschung zu formulieren.

Mit der Strategie der Bundesregierung für Forschung, Technologie und Innovation hat sich Österreich zum Ziel gesetzt, die Forschungsquote bis 2020 um einen Prozent­punkt auf 3,76 Prozent anzuheben. Diese Strategie stellt zumindest, würde ich sagen, ein Bekenntnis zur Förderung von Forschung, technologischer Entwicklung und Inno­vation dar. Trotzdem leistet sie damit einen wichtigen Beitrag für die Wettbewerbs­fähigkeit und das Wachstums der österreichischen Wirtschaft. Damit verbunden ist na­türlich auch die Schaffung dementsprechender Arbeitsplätze.

Zudem ist die Gestaltung der künftigen EU-Förderlandschaft und eine Schwerpunktset­zung im Bereich Forschung im Gemeinschaftshaushalt 2014 bis 2020 der Bundesre­gierung generell ein wichtiges Anliegen.

Die Arbeiten der Europäischen Kommission im Hochschulbereich stehen vorrangig im Zusammenhang mit der EU-Strategie 2020 und fokussieren die im Rahmen der Leitini­tiativen „Jugend in Bewegung“, “Neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglich­keiten“ und „Innovationsunion“ angekündigten konkreten Vorschläge und ergänzende Maßnahmen.

In Hinblick auf die Kernziele der EU-Strategie 2020 haben auch das im Jänner 2011 gestartete „Europäische Semester“ und die Bewertung der nationalen Reformprogram­me für den Hochschulbereich Priorität. Beim „Europäischen Semester“ handelt es sich um einen alljährlichen Zeitraum von sechs Monaten, in dem die Haushalts- und die Strukturpolitik der Mitgliedstaaten überprüft werden, um Unstimmigkeiten und entste­hende Ungleichgewichte aufzudecken. So soll die Koordinierung schon in der Vorberei­tungsphase von wichtigen haushaltspolitischen Entscheidungen verstärkt werden.

Bezüglich der Steigerung der Attraktivität der Hochschulbildung wird die Kommission eine Mitteilung hinsichtlich einer neuen, erweiterten Agenda für die Hochschulbildung ausarbeiten, verbunden mit dem Ziel, die Reform und die Modernisierung der europäi­schen Hochschulbildung zu fördern.

Eine mehrjährige strategische Innovationsagenda wird die Prioritäten für die Hoch­schulbildung und Forschung aufstellen. Auch plant die Kommission, eine Mitteilung über die neue Generation des EU-Bildungsprogrammes für lebenslanges Lernen in der zwei­ten Jahreshälfte zu veröffentlichen.

Bildung ist ein Kernstück der EU-2020-Strategie, um die strategisch formulierten Priori­täten, wie etwa intelligentes Wachstum, zu erreichen. Österreich setzt sich dafür ein, dass dies im Rahmen der Verhandlungen über den neuen EU-Haushalt entsprechend berücksichtigt wird.

Das österreichische Interesse gilt vor allem der Mitteilung der Europäischen Kommis­sion über die neue Generation des EU-Bildungsprogrammes für lebenslanges Lernen. Hiezu wurde die Position Österreichs hinsichtlich der künftigen Programmgeneration von


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 133

den Bundesministerinnen Schmied und damals noch Karl in einem zwischen den bei­den Ministerien akkordierten Schreiben an die Kommission übermittelt.

Besonders unterstützt Österreich alle Aktivitäten, die die Mobilität der Studierenden so­wohl im Europa der EU als auch in den Drittstaaten fördern, weil sie wesentlich zum Erwerb von grundsätzlichen Kompetenzen und dadurch auch zur Förderung der Be­schäftigungsfähigkeit beitragen.

Mobilität ist ein prägendes Merkmal des europäischen Hochschulraumes. Sie intensi­viert die Zusammenarbeit und den Wettbewerb unter den Hochschuleinrichtungen. Zu­dem engagiert sich Österreich auf europäischer Ebene, um ausbalancierte Mobilitäts­flüsse in Europa zu erreichen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bildung stellt das Fundament für wissensorien­tierte Ökonomien dar und leistet einen wesentlichen Beitrag zur sozialen und ökonomi­schen Entwicklung unserer Gesellschaft.

Die Qualifikation der Menschen ist entscheidend für das Entwicklungspotenzial unse­res Gemeinwesens. Sie beeinflusst und fördert die Fähigkeit der Unternehmen, Innova­tionen zu entwickeln und umzusetzen, und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirt­schaft. Die Qualität des Humanpotenzials bestimmt die Qualität der Forschung, die neues Wissen schafft, und sie ist die Voraussetzung, um neues Wissen und neue Tech­nologien, die woanders entstanden sind, zu adaptieren und auch in Anwendung zu brin­gen.

In diesem Sinne wird die Jahresvorschau der EU-Kommission für das Jahr 2011 von der ÖVP-Fraktion zur Kenntnis genommen.

Zum Pro-forma-Tagesordnungspunkt 17 möchte ich lediglich festhalten, dass es na­türlich keinen Sinn ergibt, im Jahr 2011 eine Jahresvorschau 2009 im Ausschuss zu beraten und dann im Plenum darüber zu berichten.

Hier möchte ich lediglich einmal die Anmerkung loswerden, dass es so sein sollte, dass wir die Berichte generell früher zur Beratung vorgelegt bekommen, weil wir zum Zeit­punkt der Beratung meist schon ein halbes Jahr hinter uns haben, und diese Berichte sollten letztendlich Vorschau sein und keine historische Nachschau. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

17.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.07.45

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, ich möch­te Ihnen zunächst einmal zu Ihrem neuen Amt gratulieren und viel Erfolg wünschen, damit Sie auch gute Arbeit im Sinne der Studierenden in Österreich leisten können.

Herr Kollege Wenger hat im Prinzip schon alles Wesentliche, was so in diesem Kon­volut drinnen ist, erklärt, und die wichtigsten Eckpunkte sind ja in diesem Bericht, der allen vorliegt, genannt.

Wenn ich mir ein bisschen angeschaut habe, was da für mich wichtig ist, dann denke ich, das betreffend den Umgang mit der Wirtschaftskrise, die Unterstützung der wirt­schaftlichen Erholung und das Vorantreiben der Strategie Europa 2020 sind wesentli­che Punkte.

Ich denke mir, dass genau das ein sehr wichtiger Punkt ist: etwas zu tun, um Ar­beitsplätze zu schaffen, und da kommt natürlich Ihre Kritik zu Recht, was die Unter­nehmen betrifft. Ich gebe Ihnen da auch zum Teil recht, weil selbstverständlich Unter­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 134

nehmen Arbeitsplätze schaffen und die Unternehmen in diese Fragen mehr mit einbe­zogen werden müssen beziehungsweise zur Zusammenarbeit mit den Universitäten animiert werden müssen. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Teil ist. Nur können diese Bemühungen nicht einseitig sein, indem sie nur vonseiten der Universität kom­men, sondern sie müssen natürlich auch von den Unternehmen kommen, um sich hier einzubringen.

Im Prinzip bedeutet das im Wesentlichen die Stärkung des Europäischen Wirtschafts­raumes, es bedeutet eine Standortsicherung für Unternehmen, und es bedeutet in Wahrheit etwas ganz Wichtiges: die Schaffung neuer Arbeitsplätze in allen europäi­schen Ländern. Vielleicht sind dann auch die Krisenentwicklungen in den Ländern, von denen jetzt immer wieder berichtet wird, hintanzuhalten, und vielleicht sollten die Por­tugiesen und auch die Griechen sich genau um diese Strategien bemühen, damit es weitergeht. Denn: Menschen, die arbeiten, verdienen auch Geld, zahlen Steuern, schaf­fen Werte und ermöglichen es auch ihren Kindern, zu studieren, und ermöglichen es erst, von dieser Mobilität, von der gesprochen wird, Gebrauch zu machen.

Der „Aufbau eines Raumes“ – das steht nämlich auch in diesem Bericht, und dieser Satz gefällt mir – „für Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit“: Gerechtigkeit schafft Frei­heit und Sicherheit!

Wesentlich ist, dass es in Europa zu Verhandlungen kommt – und das halte ich für sehr wichtig, Herr Bundesminister – über Fragen einer Ungleichverteilung – und damit meine ich, dass es bei uns in manchen Studien sehr viele Anmeldungen aus anderen europäischen Staaten gibt; Stichwort: Medizin-Universitäten –, zum Beispiel bilaterale Verhandlungen mit den Deutschen, Verhandlungen auf dem Gebiet der Europäischen Union, wie das mit den Ausgleichzahlungen ist, und vieles andere mehr. Hier gibt es eine Menge offene Fragen, die in diesem Bereich zu diskutieren und zu bewältigen sind.

In der EU-Strategie 2020 werden die Leitinitiativen „Jugend in Bewegung“ und „Neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten“ genannt. Ich nehme an, Öster­reich wird hier genügend Studienplätze und genügend Möglichkeiten für die europäi­sche Jugend, aber auch für die österreichische Jugend zur Verfügung stellen und auch schaffen. Das ist auch eine wesentliche Aufgabe im Rahmen dieser Initiativen. Innova­tion kann nur dann entstehen, wenn es auch den entsprechenden Austausch gibt.

Herr Bundesminister, ich habe mir auch angeschaut, wie es sich mit Europa verhält, und ich begrüße sehr, dass Sie zum Europatag eine Rede gehalten beziehungsweise auch eine Presseaussendung gemacht haben, in denen Sie sich mit den Forschungs­programmen auseinandergesetzt haben. Österreich ist in den EU-Forschungsraum sehr stark eingebunden, Österreich ist sehr stark eingebunden im Erasmus-Programm. Immerhin haben 5 200 Studentinnen und Studenten voriges Jahr daran teilgenommen.

Erfreulich ist auch – und das erscheint mir als ganz wesentlich, und damit bewältigen wir auch diese Fragen –, dass seit 1995 1,4 Milliarden € durch heimische Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Rahmen der europäischen For­schungsprogramme eingeworben wurden. Das heißt, wir haben 1,4 Milliarden € aus der EU für diese Forschung in Österreich verwendet. Jeder vierte Euro im Bereich der Forschungsförderung stammt aus dem EU-Rahmenprogramm.

Herr Bundesminister, Sie sind weiter gefordert, wenn es darum geht, der EU auf lokaler Bühne Gewicht zu verleihen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 135

17.14.37

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es kommt ja nicht immer auf den Umfang an, aber der Umfang des Berichtes ist nicht wirklich großartig: Es sind neun Seiten. Inhaltlich ist es nicht übermäßig konkret, des­halb kann man auch nicht allzu viel darüber streiten – was ja positiv ist, denn damit habe ich heute endlich einmal eine Pro-Rede. Wir werden diesem Bericht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Gruber.) Bitte, jetzt aber lauter! (Bundesrat Hensler: ...! Die Frau ist lernfähig!)

Ich möchte aber trotzdem dem neuen Herrn Minister eine Bitte mit auf den Weg geben, nämlich betreffend ein Thema, das weder bei uns im Lande noch auf EU-Ebene wirk­lich ausgiebig diskutiert wird. Es handelt sich um ein Projekt der Grundlagenforschung, und zwar das Projekt ITA, wo seit letztem Jahr bekannt ist, dass es eine massive Kos­tenexplosion gibt, wo für 2012 und 2013 allein 1,3 bis 1,4 Milliarden € mehr benötigt werden. Finanzieren werden wir dieses Mehr jetzt mit 460 Millionen € aus der For­schung und mit 814 Millionen € aus der Landwirtschaft. Wenn wir es so nebenbei hät­ten, wäre es gut und schön, aber nebenbei haben wir es leider nicht. Das heißt, was da jetzt in das ITA-Projekt aus Forschung und Landwirtschaft hineinläuft, wird auf der an­deren Seite bei der Forschung, nämlich bei den Programmen für das lebenslange Ler­nen, bei ERASMUS, bei den Investitionsprogrammen für kleinere und mittlere Unter­nehmen einfach fehlen.

Mir wäre es ein wichtiges Anliegen, dass man auch einmal hier in diesem Lande da­rüber diskutiert – in Deutschland gibt es viel mehr Diskussion darüber –, wie sinnvoll dieses Projekt wirklich ist. Wir wissen genau, vor 2050 gibt es sicher überhaupt keine Ergebnisse. Und ob es jemals so sein wird, dass man aus diesem Kernfusions-For­schungsreaktor irgendwelche Ergebnisse erzielt, die dann vielleicht auch noch wirt­schaftlich verwertbar sind, das ist sowieso ungewiss. Mir wäre es also ein wichtiges Anliegen, dass wir sowohl auf österreichischer Ebene einmal besprechen, wie wir wei­ter zu diesem Projekt stehen, als auch auf europäischer Ebene.

Es ist leider weder im Bericht der Ministerin noch in den Unterlagen von Kommission und Rat ein Wort über ITA enthalten. Ich finde das schade, denn es handelt sich ja doch um riesige Geldmengen, und ich denke, darüber sollte man auch einmal diskutie­ren, was da wirtschaftlich zu machen ist und was nicht.

Was die mögliche Wirtschaftlichkeit der Sternwarte betrifft, so würde ich den Kollegen Pisec auffordern, dass er vielleicht einmal einen Kaufantrag stellt und dann schaut, wie er so etwas wirtschaftlich sinnvoll führt. Ich glaube, das ist einfach nicht möglich, bei aller Liebe und Freundschaft.

Zum Bericht 2009: Da tut es mir ein bisschen weh, wenn wir jetzt einen Bericht über das Jahr 2009 diskutieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Eine Jahresvorschau!) Wir disku­tieren ihn ohnehin nicht, aber zur Kenntnis nehmen will ich ihn, ehrlich gestanden, auch nicht, denn das kommt mir ein bisschen lächerlich vor, wenn wir das jetzt im Nach­hinein machen. Da würde ich mir wünschen, dass man auch in der Präsidiale mit die­sen ganzen Berichten beziehungsweise mit der Tagesordnung ein bisschen sorgfälti­ger umgeht.

Wir haben heute eine gesteckt volle Tagesordnung, wir haben einige Themen, wo vor­her bekannt war, dass die Diskussionen dazu nicht unbedingt kurz sein werden – und wenn dann in der Präsidiale gerade heute noch ein paar EU-Berichte und ein paar andere Berichte dazugeschoben werden, dann wird das eben explodieren. Und dann gibt es wieder andere Sitzungen, wo wir um zwei Uhr schon sagen: Wir sind jetzt fertig und können heimfahren!


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 136

Ich denke mir, das lässt sich von der Tagesordnung her in der Präsidiale – das ist jetzt nicht an das Präsidium gerichtet – künftig vielleicht besser einteilen, dass wir in Sitzun­gen, wo weniger Programm ist, mehr Berichte dazunehmen. Die Diskussion der Be­richte wäre nämlich wirklich wichtig und interessant – das unterscheidet uns zum Glück vom Nationalrat.

Und, wie gesagt, Ihnen, Herr Bundesminister, würde ich ans Herz legen: Bitte schauen Sie sich das einmal an, vielleicht kann man einmal eine Diskussion darüber in Gang bringen, ob das Projekt der Kernfusion in Europa wirklich so viel Geld aus anderen Be­reichen wert ist, wie derzeit für seine Finanzierung aufgewendet wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Töchterle. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


17.19.02

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Vielen Dank für die Anregungen, die ich gehört habe. Erlauben Sie mir aber, dass ich jetzt nicht auf sie eingehe und mich an die Tagesordnung halte.

Zur Kritik an der Länge der Appendices: Es ist in der Tat so, dass ein Appendix kürzer sein sollte als das, woran er hängt. Unser Bestreben war es aber, einen schlanken Text zu liefern und uns auf das Wesentliche zu beschränken.

Es gibt einen Beschluss des Ministerrates aus dem Jahr 2004, wonach diese Berichte, auch der von 2009, vorzulegen sind, und an diesen Beschluss habe ich mich natürlich zu halten. Entsprechend ist dieser Bericht so, wie er ist. Er zeigt die Arbeiten der Europäi­schen Kommission im Hochschulbereich im Zusammenhang mit der EU-Strategie 2020 und deren Implementierung in der weiteren europäischen Umsetzung. Er zeigt sehr schön, dass auch hier – und das ist auch in den Vorreden betont worden – ein ganz starker Fokus auf dem Zukunftsthema schlechthin, auf der Bildung liegt, aber auch, und das ist Europa gemäß, auf der Mobilität im Rahmen der Hochschulausbildung. Das ist ein prägendes Merkmal jeglicher Hochschulausbildung, die von der Internationalität nachgerade abhängt.

Österreich engagiert sich auf europäischer Ebene, um eine ausbalancierte Mobilität zu bekommen. Wir haben sie nicht überall, das wissen wir. Aber die Förderung der Mobi­lität insgesamt muss natürlich auch uns ein großes Anliegen sein.

Im Achtzehnmonatsprogramm des Rates liegt einer der Schwerpunkte in der Umset­zung der EU-2020-Strategie und der Leitinitiativen. Das österreichische Reformpro­gramm, das Ende April an die Europäische Kommission übermittelt wurde, enthält eben Maßnahmen, die zur Erreichung der nationalen Ziele im Hochschulbereich beitra­gen können.

Im Forschungsbereich sind im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission be­sonders die europäischen Innovationspartnerschaften hervorzuheben – auch das wur­de schon angesprochen –, wo nationale Maßnahmen mit EU-Maßnahmen rund um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen Europas verbunden werden. Auch die Innovation ist natürlich ein ganz bedeutendes Thema, die Verbindung mit der Wirt­schaft. Diese stehen in engem Zusammenhang mit den Joint Programming Initiativen, woran auch wir in Österreich ganz aktiv beteiligt sind.

Ende 2011 wird die Kommission ihren Vorschlag für das 8. Rahmenprogramm vorle­gen. Hier besteht für die Bürgerinnen und Bürger und die Parlamente die Möglichkeit, online an einem Konsultationsverfahren teilzunehmen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 137

Bezüglich des Achtzehnmonatsprogramms des Rates werden die Mitgliedstaaten auf­gerufen, ihre Vorstellungen zur Umsetzung der EU-2020-Strategie im Rahmen von na­tionalen Reformprogrammen zu präsentieren.

Im Dezember 2010 hat die österreichische Bundesregierung das Reflexionspapier zum 8. Rahmenprogramm verabschiedet. Und das ist, kann man eindeutig sagen, im euro­päischen Raum auf großes Interesse gestoßen.

Ich danke nochmals für Ihre Anregungen, und ich danke Ihnen auch für Ihre Aufmerk­samkeit für die Berichte. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über die Jahresvorschau des BMWF 2011 auf der Grundlage des „Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission“, des „Acht­zehnmonatsprogramms des Rates“ sowie des informellen Programms der polnischen EU-Präsidentschaft.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über die Jahresvorschau des BMWF 2009 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitsprogramms des Rates.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist eben­falls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.24.0018. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeige­setz 2005, das Asylgesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden (Fremdenrechtsänderungs­gesetz 2011 – FrÄG 2011) (1078 d.B., 35/A und 1160 d.B. sowie 8500/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (1161 d.B. sowie 8501/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun kommen wir zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 18 und 19 ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte um die Berichte.

 


17.24.27

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 138

Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden (Fremdenrechts­änderungsgesetz 2011).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird, vorbringen.

Der Beschluss liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich darf auch hier gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.26.10

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Wir haben es hier mit der insgesamt sechsten Novellierung der Fremdenrechtsgesetze in den letzten Jahren zu tun. Die Lesbarkeit ist entsprechend. Es ist schade, dass die neue Innenministerin – also Ihre Nachfolgerin, Frau Bundesministerin Fekter – heute nicht hier ist. Es wäre vielleicht eine gute Gelegenheit gewesen für sie, hier etwas Neu­es zu schaffen, statt etwas Altes immer weiter fortzustoppeln. Das ist jetzt kein persön­licher Vorwurf an Sie, Frau Bundesminister, aber es ist nun einmal so (Bundesrat Gru­ber: „Wir wissen es halt besser!“ – Heiterkeit bei der SPÖ), dass Dinge, die immer wieder repariert, geflickt werden, einmal zum Wegschmeißen sind und man die Gele­genheit ergreifen sollte, dann etwas Neues zu machen. Und diese Gelegenheit wäre jetzt natürlich sehr gut gewesen.

Ich hatte ja bereits in der letzten Sitzung Gelegenheit, auf einige Kritikpunkte bei der Rot-Weiß-Rot-Card einzugehen, ich kann daher auf die Erörterung dieser Punkte heute ver­zichten. Ich werde aber trotzdem einige wesentliche Punkte aus unserer Sicht aufgrei­fen und beginne mit diesen hochgelobten Deutschkenntnissen, die ja bereits sozusa­gen vor der Einreise nach Österreich vorzuweisen sind, was man hier so darstellt, als ob das ein wesentlicher Beitrag zur Integration dieser zukünftigen Zuwanderer aus Dritt­staaten wäre.

Ich möchte nicht absprechen, dass diese Rot-Weiß-Rot-Karte für wirklich Höchstquali­fizierte – für Professoren, Uni-Professoren, Wissenschaftler – eine gewisse Berechti­gung hat. Aber auf diesem Niveau, auf das wir es hier herunterbrechen, auf dem Fach­arbeiterniveau, ist das, glaube ich, nicht mehr das Wahre. Und wenn man sich diese Deutschkenntnisse anschaut, die da verlangt werden, und wie sie verlangt werden, so stellt sich das als Chimäre heraus. Man spricht vom Niveau „A1“. Wer weiß eigentlich, was das Niveau „A1“ ist? – In Alltagssituationen kurze, ganz einfache Fragen und An­


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weisungen und Mitteilungen zu verstehen (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ganz unten!), relevante Informationen auf öffentlichen Hinweisschildern und Kleinanzeigen entnehmen zu können (Bundesrat Mag. Klug: Das können wir abkürzen: Wir wissen es!), Zahlen, Mengen, Uhrzeiten zu verstehen und so weiter. – Meine Damen und Her­ren! Das ist ungefähr das, was man sich anhand jedes besseren Reiseführers an Fremd­sprachenkenntnissen aneignen kann!

Hinzu kommt noch, dass das Ganze in der Praxis ja nicht einmal notwendig ist, denn das Punktesystem bringt zwar Punkte für diese Deutschkenntnisse, sie sind aber nicht Voraussetzung dafür. Und in sogenannten Mangelberufen, die sich aber im jährlichen Rhythmus ändern können, verhält es sich wie folgt: Ich versetze mich jetzt fiktiv in einen jugendlichen Tschetschenen, dann brauche ich 50 Punkte. Da ich unter 30 bin, habe ich schon 20 davon. Dann habe ich irgendeinen schwindligen Nachweis vom Freund eines Freundes aus meiner Heimat über eine Berufsausbildung und habe damit die nächsten 20 Punkte. Und derselbe Freund bestätigt mir dann auch noch, dass ich fünf Jahre bei ihm gearbeitet habe, und damit habe ich die fehlenden 10 Punkte – und hurra, ich bin stolzer Besitzer einer Rot-Weiß-Rot-Karte, kann aber kein Wort Deutsch! – So wird die Realität aussehen.

Dann, meine Damen und Herren, nimmt derjenige einem älteren Arbeitnehmer den Ar­beitsplatz weg, kostet seinen Arbeitgeber nur halb so viel wie vorher ein Inländer und verdient immer noch mindestens doppelt so viel wie in seiner Heimat; und als Beloh­nung für das Ganze darf er dann auch noch seine fünf Kinder mitbringen und bekommt auch für sie eine Rot-Weiß-Rot-Karte. (Zwischenrufe bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es da zu einer Verdrängung kommen wird. Ich kann Ihnen zum Beispiel zitieren aus einer Informationsbroschüre des Vorarlberger Betreuungspools – dessen Träger unter anderem das Land Vorarlberg und der Ge­meindeverband Vorarlberg sind. Da steht zum Thema Kosten für die Betreuung Fol­gendes: „Ausländische 24 H Betreuung Tag & Nacht ca. 75.- Euro (...) Inländische Per­sonenbetreuung Tag & Nacht ca. 120.- Euro“ – und das für dieselbe Leistung!

Dass vor allem Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, die Sie sich selber immer als Hüter der Arbeitnehmerinteressen auftun ... (Zwischenru­fe der Bundesräte Zwazl und Mag. Klug.) – Ich rede jetzt nicht zu Ihrer Fraktion, Frau Kollegin, sondern zu den Sozialdemokraten. (Bundesrat Mag. Klug: Macht nichts! – Heiterkeit im Saal.) Dass Sie solchen Gesetzen zustimmen, verblüfft schon sehr. Schlussendlich werden wir eine Zuwanderung in unser Sozialsystem erreichen. (Bun­desrat Mag. Klug: Ja, ja!) – Ja, mit der Plus Card. Nicht mit der von Kastner & Öhler, sondern mit der in Rot-Weiß-Rot erwirbt man ja auch Leistungen aus den Ansprüchen der Mindestsicherung. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug. – Bundesrat Prein­eder: K. und K., Krusche und Klug! – Allgemeine Heiterkeit.)

Auch andere Punkte in diesen Gesetzen sind teilweise äußerst merkwürdig. Ich frage mich, wozu es notwendig ist, dass ein angeblich Hochqualifizierter ein Sechs-Monate-Visum erhält, um in Österreich einen Arbeitsplatz zu suchen; den müsste er eigentlich schon haben, wenn er überhaupt nach Österreich kommen will, wenn er so eine Spit­zenkraft ist. Wer sechs Monate durch Österreich tingeln und Türklinken putzen muss, damit er einen Job bekommt, der kann nicht so besonders qualifiziert sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein besonderer Rückschritt ist auch die Aufenthaltsverfestigung für die, die schon von klein auf hier waren, die legal und rechtmäßig im Land waren. Bisher hat man die Mög­lichkeit gehabt, solche, wenn sie mehr als zwei Jahre Haft ausgefasst haben, abzu­schieben, nach dem neuen Gesetz wird das nicht mehr möglich sein. Der Mörder des Cain aus Vorarlberg wird also nicht mehr abgeschoben werden können. Das ist ein Punkt, der uns besonders stört, weil wir immer, von jeher, dafür eintreten, dass straffäl­


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lig gewordene Ausländer raschest abgeschoben werden – und nicht ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht erhalten! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die kostenlose Rechtsberatung bei einem Verfahren zur Erlassung einer Rück­kehrentscheidung oder eines Rückkehrverbotes ist unserer Meinung nach überschie­ßend und unverhältnismäßig. Der grundsätzlich begrüßenswerte und positive Ansatz mit der Aufenthaltsverpflichtung und der Mitwirkungspflicht im Asylverfahren bei der Erstaufnahme ist, wie gesagt, ein Schritt in die richtige Richtung, gilt aber leider nur im Zulassungsverfahren. Unserer Auffassung nach sind die Möglichkeiten, die dadurch geschaffen werden, nicht weitreichend genug und die Sanktionsmaßnahmen bei Ver­stößen nicht ausreichend.

Das waren nur einige Gründe. Ich könnte noch lange darüber sprechen (Rufe bei SPÖ, ÖVP und Grünen: Nein!) – erspare euch das aber heute, weil ich so nett bin und das Wochenende vor der Tür steht. Ich bedanke mich für die vielen Zwischenrufe, die im­mer davon zeugen, dass ihr wenigstens aufmerksam zuhört und nicht einschlaft. (Bei­fall bei der FPÖ. – Ruf bei den Grünen: Lei lei!)

17.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


17.35.01

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr geehrte Frau Ministerin! Ich glaube, es ist Schicksal, dass ich immer nach dem Herrn Kollegen Kru­sche drankomme. (Heiterkeit im Saal.) Ich muss wohl ein paar Gebete zum Himmel richten, dass das in Zukunft nicht mehr der Fall sein möge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim Thema Fremdenrechtsänderungsge­setz ist der Bundesratssaal wieder voll, es sind, glaube ich, acht Redner auf der Red­nerliste. Ich glaube, das zeugt von der Bedeutung und von der Sensibilität dieser Ge­setzesmaterie. Als Vertreter der Österreichischen Volkspartei darf ich hier befriedigt feststellen: Wenn es im Nationalrat eine vereinte Opposition von FPÖ, Grünen und dem BZÖ gibt, dann können wir beziehungsweise die Regierung mit unserem Geset­zesvorschlag nicht so schlecht liegen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Gru­ber und Mag. Klug.)

Wir werden es zu diesem Tagesordnungspunkt noch erleben, dass der nächste Red­ner, Efgani Dönmez, ganz andere Argumente dazu anführen wird, warum die Grünen dagegen sind. Seine Argumente und jene des Kollegen Krusche könnten unterschied­licher nicht sein, nicht wie Äpfel und Birnen, sondern wie Ebbe und Flut. Wir von der Volkspartei, unsere Fraktion ist natürlich stolz. Es ist ein Zufall, dass die neue Innen­ministerin heute schon eine erste Verpflichtung in Brüssel hat und die Frau Finanzmi­nisterin hier sitzt, aber wir möchten betonen: Dieses Produkt, dieses Fremdenrechtsän­derungsgesetz trägt die Trade Mark: Powered by Maria Fekter – und wir sind stolz da­rauf! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir hoffen nicht nur, sondern wir sind sehr zuversichtlich, dass sie auch im Zuge ihrer neuen Funktion den Euro des österreichischen Steuerzahlers mit Konsequenz und Härte verwalten wird, sowohl in Brüssel als auch in Wien – gegenüber Ländern, Ge­meinden, Einrichtungen –, sodass wir, glaube ich, unseren Budgetpfad bis 2015 er­reichen werden!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Efgani Dönmez hat natürlich schon im Aus­schuss sehr intensiv zu diesem Thema diskutiert und wird es jetzt wieder tun. Es ist unbestritten, dass deine Kompetenz, was Integration betrifft, was Migration betrifft, vor­handen ist. Du bist ein lebendes Beispiel dafür, du bist natürlich ein in Österreich blen­dend integrierter Mensch, geboren in der Türkei. Ich glaube, du bist ein positives Bei­spiel dafür, wie es gegangen ist und wie es in Zukunft geht.


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Ich möchte aber darauf hinweisen, dass du die Österreicher nicht überfordern darfst. Wenn du sagst, 20 Millionen € für Integrationsaufgaben, Sprachausbildung und so wei­ter, das seien Peanuts, ein Klacks, dann möchte ich dir erzählen, dass wir in der Stei­ermark 40 Millionen € für die gesamte Wirtschaftsförderung der Steiermark ha­ben. Ich würde dir empfehlen, im Wahlkampf 2013 zu fordern, dass Österreich wie Dä­nemark 190 Millionen € für Integration ausgibt, dann tun wir uns bei der nächsten Na­tionalratswahl in dieser Beziehung ein bisschen leichter. (Allgemeine Heiterkeit. – Bun­desrätin Mühlwerth: ... mit der Finanzministerin!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Fremdenrechtspaket der Volkspartei beziehungsweise der Regierung, so wie es heute zur Beschlussfassung vorliegt, hat in Wirklichkeit drei große Punkte. Herr Kollege Krusche, du bist zum ersten Mal im Leben medial berühmt geworden, indem du das Schubhaftzentrum Leoben verhindert hast, das jetzt vielleicht in Eisenerz gebaut wird (Heiterkeit im Saal – Ruf: In Vordernberg!) – Pardon, in Vordernberg gebaut wird, wenn wir es überhaupt brauchen werden.

Die Maßnahmen, die Frau Bundesministerin Fekter getroffen hat, wirken bereits so, dass wir einen tatsächlichen Rücklauf der Asylanträge haben, dass durch den Asylge­richtshof die ausständigen Akten abgearbeitet wurden, dass die Verfahrensdauer kür­zer geworden ist, dass wir auf einem guten Weg sind, in Zukunft diese Probleme bes­ser in den Griff zu bekommen; vielleicht ersparen wir uns auch das Schubhaftzentrum, alles ist möglich.

Herr Kollege Krusche, die Rot-Weiß-Rot-Karte auf einen Universitätsprofessor zu redu­zieren, das ist Ihre Sache. Sie kommen aus einer Universitätsstadt, auf die wir sehr stolz sind – auf die Stadt und auf die Montanuniversität Leoben, die ist international aufgestellt. Es müsste Ihre Verpflichtung sein als Leobner, die Internationalität dieser Universität auch weiter, für die Zukunft zu unterstützen, zu propagieren und zu fördern! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir von der Wirtschaft wissen aber, dass wir die Rot-Weiß-Rot-Card dringend brau­chen. Kollegin Winzig wird sich in ihrem Redebeitrag darauf konzentrieren, und Kollege Kainz wird die anderen Behauptungen, die Sie aufgestellt haben, meine ich, eindrück­lich widerlegen.

Abschließend möchte ich noch einmal erwähnen, warum wir zu diesem Gesetzesvor­schlag nur positiv stehen: Die Volkspartei, unsere Fraktion und unser neuer Regie­rungschef, Vizekanzler Spindelegger, hat diese Problematik erkannt und Sebastian Kurz zum Staatssekretär ernannt. Sie werden sich noch wundern, was der alles zuwe­ge bringt. Ich hoffe, dass du, Efgani Dönmez, hier einmal konstruktiv beweist, dass du die Integration auch über die Parteigrenzen hinaus betreibst. Gehen wir in diesem Sinn einer guten Zukunft entgegen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­rätin Ebner.)

17.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Krusche: Wir wissen eh schon, was er sagen wird!)

 


17.40.58

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werter Kollege Perhab! Danke für den Pass, den du mir zugespielt hast, ich werde gleich daran anknüpfen. Deine Beiträge waren sehr ermunternd und erfrischend. Da die ÖVP ja auch aus dem christlich-sozialen Eck kommt (Bundesrat Mag. Klug: Oje!): Fragt einmal die Leute, die im kirchlichen Bereich tätig sind, die gerade vorgestern einem Asylwerber kirchliches Asyl angeboten haben (Zwischenrufe bei der ÖVP) – wobei Caritas und Hilfswerk der Volkspartei ja nicht un­bedingt sehr fern sind –, wie sie mit dieser Materie umgehen!


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Aber es ist egal. Es ist, wie es ist. Kollege Krusche hat zu Beginn vollkommen richtig angemerkt: Es ist eines der am öftesten novellierten Gesetze in diesem Land, und die Beamten, die in diesem Bereich tätig sind, müssen schauen, wie sie all diese zahlrei­chen Änderungen irgendwie auch in die Praxis umsetzen können. Kaum ist die eine Schulung fertig, muss schon wieder die nächste gemacht werden, weil sich andauernd etwas ändert. Es ist, wie wahr, ein Flickwerk.

Meine Kritik oder unsere Kritik geht in mehrere Richtungen. Jetzt muss ich meine Stim­me an meine Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion richten. Es gibt von drei Landesorganisationen einen Beschluss ... (Bundesrat Gruber: ... christ­lich-sozialen!) – Ich bin gerade bei der Sozialdemokratie, nicht ablenken! (Heiterkeit.) Es gibt einen Beschluss bei euch. Dieser Beschluss hat für sehr intensive Diskussionen gesorgt, und selbst der Chef von Oberösterreich, Landesrat Ackerl (Bundesrat Kraml: Parteivorstand!), hat gesagt: Unsere Abgeordneten werden da nicht mitstimmen.

Wie das bei euch dann in der Praxis im Nationalrat ausgeschaut hat, habe ich gese­hen. Ihr beziehungsweise die oberösterreichischen, die Tiroler und die Wiener Kolle­ginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion haben heute noch die Möglich­keit, bei dieser Frage Rückgrat zu beweisen (Bundesrat Todt: In Wien gibt es kei­nen ..., das kann ich bezeugen!); denn dieses doppelbödige Spiel, wie es die SPÖ seit Jahren und Jahrzehnten in diesem Bereich spielt, ist echt zum Kotzen. (Bundesrat Mag. Klug: Schön sprechen!) Ich kann euch sagen, warum. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist eines der am öftesten geänderten Gesetze. Bei jeder Änderung stimmt ihr mit – und gleichzeitig, über die Hintertür, seid ihr diejenigen, die die nationalistischen Kräfte, die die islamistischen Kräfte in diesem Land salonfähig gemacht haben; und dann wundern wir uns, warum es mit der Integration nicht hinhaut. Das ist die Politik, die ihr betreibt, und ich habe zahlreiche Belege dafür. So werdet ihr nur den H.-C. Strache unterstützen! Schaut euch nur die Umfragewerte an! Das ist der beste Weg, die FPÖ stark zu machen, wobei diese dazu nicht einmal irgendetwas beitragen muss. (Heiter­keit bei der SPÖ.) – Das ist eine wirklich ernstzunehmende Kritik. Nehmt euch das zu Herzen, denn in den NGOs und in diesen Communities, die ihr bisher unterstützt habt, da rumort es. Ich bin wirklich gespannt, wie es 2013 für euch ausgehen wird. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Nun zum Inhaltlichen: Beim Asylrecht wurde von mir im Ausschuss ein Bereich ange­sprochen und kritisiert, der nicht nur für mich, sondern auch für viele andere nicht nachvollziehbar ist: Warum muss man, sehr geehrte Frau Ministerin, wenn man die Verfahren beschleunigen möchte, gleich beim ersten negativen Bescheid mit den Her­kunftsländern in Kontakt treten? Es hat Herr Mag. Taucher vom Bundesasylamt zu Recht gesagt: Na bitte, von uns kriegen sie keine Information!

Er hat recht, das stimmt. Es ist auch nicht die Aufgabe des Bundesasylamts, Leute au­ßer Landes zu bringen oder die Abschiebung zu organisieren, das ist Aufgabe der Fremdenpolizei. Nur: Aus Sicht des Asylwerbers, der verfolgt wird, ist es egal (Zwi­schenruf bei der ÖVP) – das sind Fakten, das ist Sache –, von wem die Information an sein Herkunftsland gegeben wird. Bei Ländern wie Tschetschenien, China oder Iran können sich diese Leute dann zwischen Galgen und Kopfschuss entscheiden! Und das ist nicht lustig!

Wenn man Verfahren beschleunigen will, dann hätte es auch die Möglichkeit gegeben, dass man in den Instanzen das notwendige Personal zur Verfügung stellt und Rechts­berater und -beraterinnen einsetzt, die eine rechtliche Grundausbildung haben! Das größte Problem haben wir in diesem Bereich, weil die Verfahren so lange dauern, weil eben zum Beispiel in erster Instanz viele Fehler gemacht werden. Dann geht es in die Berufung und so weiter, und dann sind diese Leute jahrelang hier ... (Zwischenbemer­


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kung von Bundesministerin Dr. Fekter) – Es ist eben die Aufgabe der Behörde, das zu prüfen.

Dann sind die Leute aber jahrelang da. Nach einem Jahr zum Beispiel kann man ei­nem Asylwerber zumuten, dass man ihm sagt: Positiv, du kannst hier bleiben, du be­kommst ein ordentliches Integrationsprogramm – oder: Du kannst nicht hier bleiben, du musst wieder nach Hause fahren. Aber nach Jahren, wenn Leute zehn Jahre lang und noch länger da sind, wenn sie schon integriert sind, die Kinder hier geboren sind und das Herkunftsland gar nicht mehr kennen, diesen Schritt zu setzen, ist menschlich ge­sehen eine wirkliche Fehlentscheidung!

Das ist auch ökonomisch gesehen eine Fehlentscheidung, denn diese Leute sind hier in die Schule gegangen, haben hier meistens eine Ausbildung gemacht – und dann schicken wir diese Leute heim, obwohl wir sie brauchen (Beifall bei den Grünen), und gleichzeitig schauen wir dann, dass wir gut qualifiziertes Personal in dieses Land be­kommen!

Nur ein Beispiel aus dem Asylbereich: Manfred Nowak hat gesagt, er versteht es nicht, warum Österreich, was zum Beispiel diese Anwesenheitspflicht betrifft, gerade noch die verfassungsrechtliche Kurve gekratzt hat. Es wäre auch anders gegangen. Diese Mitwirkungspflicht – Kollege, du hast es im Ausschuss angesprochen – gibt es nicht erst seit dieser Novellierung, die hat es immer schon gegeben. Wenn ein Asylwerber beim Asylverfahren nicht mitwirkt, dann wird das Asylverfahren eingestellt. Es wirkt zu seinem Nachteil. Also tun wir nicht so, als ob da großartige Neuerungen eingeführt wor­den wären.

Was den Bereich der Rot-Weiß-Rot-Card betrifft: Da hat es auch schon zahlreiche Stellungnahmen, Inputs von unterschiedlichen Institutionen, Organisationen, politischen Fraktionen gegeben. Es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Dafür möchte ich danken. Jedoch, wenn wir uns ansehen – und das war mein Kritikpunkt, Kollege Perhab –, mit welchen Ressourcen wir diesen Schritt tätigen, im internationalen Wett­bewerb um die besten Köpfe der Welt, dann sind das Peanuts, auch wenn es 20 Mil­lionen € sind. Denn: Wenn wir die besten Leute haben wollen, müssen wir ihnen auch etwas bieten. Genauso wie wenn ich heute ein Hotel habe und 5 Sterne darauf picken habe und der Gast kommt, dann erwartet er sich auch entsprechenden Komfort und nicht eine schäbige Bude, wo nichts funktioniert.

Wenn wir die Länder miteinander vergleichen, dann sind wir nicht gut aufgestellt. Wir sind für bestqualifizierte Leute nicht attraktiv genug. Das sehen wir, das sagt euch jeder Experte. Da könnt ihr jetzt sagen, okay, lasst diesen grünen Spinner reden, aber das sind belegte Sachen. Ich mache mir echt ernsthaft Gedanken darüber, wie wir diese Leute und Österreich zukunftsfähig halten können; denn die einzige Ressource, die wir haben, ist hier (der Redner deutet auf seinen Kopf) angesiedelt, da müssen wir investieren.

Natürlich, ein Schritt vorher in unsere eigenen Kinder und Familien und so weiter, und der nächste Schritt wäre dann, den Zuzug organisiert in Rahmen und Bahnen zu len­ken. Aber es ist nicht eine Frage eines Entweder-oder, wie es die freiheitliche Fraktion immer darstellt, sondern eines Sowohl-als-auch, es muss eine gute Kombination ge­funden werden.

Sehr viele Dinge könnte man jetzt noch bis ins Detail diskutieren, das Lämpchen auf dem Rednerpult blinkt aber bereits. Wir werden diesem Gesetz so nicht zustimmen, und ich bin der Überzeugung, weil ich auch in der Praxis tätig bin, dass mit dieser No­vellierung weiter menschenrechtliche Härtefälle produziert werden (Bundesrat Mag. Klug: Nein!) und wir wieder zahlreiche Diskussionen und mediale Auftritte haben werden, die


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 144

wir uns alle ersparen könnten, wenn es da einmal eine gescheite, vorausblickende Lö­sung gäbe. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Füller. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.50.01

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin – heute zwar als Ersatz oder in Vertretung hier, dennoch nicht ganz unbeteiligt! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Perhab hat das mit der Trademark gebracht; ich würde sagen, das überdehnt den Begriff der Bauchpinselei ein bisschen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von ÖVP und SPÖ. Ruf bei der SPÖ: Das passt!) Aber Nichtsdestotrotz passiert mit der heutigen Fremden­rechtsnovelle ein Gesetz aus einem besonders heiklen und sensiblen Bereich den Bun­desrat.

Zum Teil werden in der Debatte immer wieder bewusst oder auch unbewusst Sachen einfach vermischt. Ich wundere mich beim Redebeitrag vom Kollegen Dönmez, wie sehr er sich um die Sozialdemokratie Sorgen macht. (Bundesrat Mayer: G’schimpft hat er, aber wie!) Wenn zum Beispiel die Kollegin Korun im Nationalrat von Lagerhaft spricht, so wird meines Erachtens in der ganzen emotionalen Debatte einfach argu­mentativ sehr, sehr weit über das Ziel hinausgeschossen.

Herr Kollege Krusche, Sie haben das A1-Niveau, A2-Niveau angesprochen. Es ist re­lativ leicht im Internet zu finden, was man da als Zielvorgabe können muss. Der Kol­lege Staatssekretär Kurz, als Integrationsstaatssekretär, hat es schon angesprochen: Es ist mehr oder weniger die Fähigkeit, eine einfache Postkarte zu schreiben. Man fin­det das einfach, was letztendlich das Ziel beim A1-Niveau sein wird.

Die fünf Tage beziehungsweise in Ausnahmefällen sieben Tage Anwesenheit im Rah­men der Mitwirkungspflicht sollen und werden dafür Sorge tragen, dass die Verfahren in Zukunft einfach schneller und rascher abgewickelt werden können und die Men­schen nicht in andauernder und monatelanger Unsicherheit belassen werden. Dieser Umstand trägt ebenso den asylsuchenden Menschen Rechnung.

Erstmals wurde der Bereich Zuwanderung, neben den Asylangelegenheiten, einer kla­reren Regelung zugeführt und nicht, wie es in den letzten Jahren immer wieder pas­sierte – und es wurde ja heute angesprochen –, vielleicht einmal hier und dort an der Schraube gedreht. Wir alle hier im Saal können uns zum Beispiel an die Diskussionen über die anstehenden Verfahren und die sich wegen fehlender Entscheidungen tür­menden Akten auf den Schreibtischen im Asylgerichtshof erinnern. Mittlerweile sind diese Verfahren zu etwa 70 Prozent abgearbeitet, und unseren Informationen zufolge wird dieser Rückstand im Frühjahr 2012 aufgelöst sein.

Die Praxis, dass viele jahrelang auf Entscheidungen warten mussten, war für diese Menschen einfach unerträglich. Ich möchte hiermit die Gelegenheit nutzen und mich auch bei den Damen und Herren vom Asylgerichtshof für ihren Einsatz bedanken. Die Installierung der Rot-Weiß-Rot-Card ist meiner Meinung nach ein weiterer wichtiger Schritt. Viele der Vorschläge in dieser Novellierung wurden massiv kritisiert. Seit der Begutachtung wurden im Parlament einige Punkte verbessert. Andererseits möchte ich aufgrund von persönlichen Erlebnissen auf einen Umstand, der für mich nicht ganz nachvollziehbar ist, hinweisen.

Ich bin Leiter einer Volkshochschule im oberen Murtal, und wir führen – wie viele an­dere Erwachsenenbildungseinrichtungen – in den Bezirken Judenburg, Knittelfeld und Murau Kurse im Rahmen der Integrationsvereinbarung für Deutsch als Fremdsprache


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oder Deutsch als Zweitsprache mit dem Österreichischen Sprachendiplom Deutsch, kurz ÖSD, durch. Dieses Sprachendiplom ist Mitte der 90er-Jahre aus einer Koope­ration von Unterrichts- und Wissenschaftsministerium, Vertretern des Außenministeri­ums, Sprachexperten der Uni Wien und Vertreterinnen und Vertretern der Volkshoch­schulen, und vielen anderen mehr, entstanden und war sehr erfolgreich.

Im Herbst 2010 hat der Österreichische Integrationsfonds eine Ausschreibung für die Entwicklung eines neuen Prüfungsformates auf dem Niveau A2 veranlasst. Dafür haben sich, neben dem ÖSD, dem Österreichischen Sprachendiplom Deutsch, auch TELC, mit Sitz in Frankfurt, beworben. Trotz jahrelanger guter Zusammenarbeit zwi­schen dem ÖSD und dem Goethe-Institut hat TELC in der Bundesrepublik den Zu­schlag für die Erarbeitung einer – man höre und staune – austrofizierten Variante der deutschen Prüfung erhalten.

Gleichzeitig wächst das Unbehagen bei vielen Vertreterinnen und Vertretern von NGOs, aber auch von Deutschkursleiterinnen und Deutschkursleitern, über die Rolle des Österreichischen Integrationsfonds als Kurs- und Programmanbieter einerseits und als Zertifizierungsstelle andererseits, sowie außerdem als Abwickler des Programms des Europäischen Integrations- und Flüchtlingsfonds hier in Österreich.

Das ist eine Entwicklung, die meiner Meinung nach die Neutralität des Österreichi­schen Integrationsfonds in Frage stellt. Eine diesbezügliche Anfrage wurde vom Abge­ordneten Gerhard Köfer am 30. März, damals noch an Sie als zuständige Innenminis­terin, gestellt. (Bundesministerin Dr. Fekter: Hervorragende Arbeit leistet der Integra­tionsfonds!)  Wir werden es sehen, also die Praxis wird es nachher beweisen.

Daher meine Bitte an die jetzt zuständige Innenministerin oder an den Integrations­staatssekretär, die heute nicht hier sind und der Debatte beiwohnen, sich diese Sache nochmals genau anzusehen und Alternativen dazu zu prüfen, zumal mit dem ÖSD gute Erfahrungen gesammelt wurden.

Zusammengefasst kann ich für meine Person feststellen, dass ich dieser Novelle, trotz der jetzt von mir persönlich vorgebrachten Bedenken, zustimmen werde.  Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Win­zig. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.55.39

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja im letzten Plenum ausführlich die Arbeitsmarktöffnung diskutiert, und der Herr Krusche hat uns ja vorausgesagt, dass 220 000 Polen an der Grenze stehen werden, die am 1. Mai zu uns ins Land kommen. (Bundesrat Krusche: Das habe ich nicht gesagt! Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.) Das haben Sie letztes Mal gesagt, und ich weiß nicht, vielleicht sind sie in der Steiermark gelandet, aber wenn sie bei Ihnen sind, dann schicken Sie sie bitte in das Industriebundesland Nummer 1, nach Oberöster­reich, denn wir haben die niedrigste Arbeitslosenrate in Österreich und wir brauchen dringend Facharbeiter. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

Ich finde es sehr arrogant von Ihnen zu sagen, dass Facharbeiter bei der Rot-Weiß-Rot-Card die Einreisenden zweiter Klasse sind, wo sie bei uns in der Wirtschaft fehlen und auch in Zukunft fehlen werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er aber auch nicht gesagt!)

Unter anderem deshalb werden wir heute das Fremdenrechtsänderungsgesetz be­schließen, das aus mehreren Gründen der richtige Weg ist. Asylverfahren effizienter


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 146

und schneller abzuwickeln, ist nicht nur aus Kostengründen für die Steuerzahler, son­dern auch für die Perspektive der Asylwerber wichtig. Die Frau Minister Fekter und ich kommen aus dem Bezirk Vöcklabruck, in dem das Erstaufnahmezentrum Thalham liegt. Wir kennen beide die Situation im Zentrum und auch in der unmittelbaren Umge­bung, nämlich in St. Georgen im Attergau.

Gerade diese verpflichtende Anwesenheit in der Erstphase wird das Untertauchen in die Illegalität verhindern und beschleunigt die Verfahrensabwicklung. Dies vermittelt auch der Bevölkerung in der Umgebung von St. Georgen eine gewisse Sicherheit, denn auch diese hat ein Recht darauf. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass solch ein Erstaufnahmezentrum in den letzten Jahren gezeigt hat, dass es eine Sogwirkung für kriminelle Personen – sowohl Inländer als auch Ausländer – hat, die sich ganz gern in der Anfangsphase um Asylwerber „kümmern“, und auch dem wird damit etwas ent­gegengesetzt.

Was mir vor allem am Herzen liegt, ist im Rahmen dieses Fremdenrechtspakets die Rot-Weiß-Rot-Card. Nicht nur weil wir von den Sozialpartnern am Entstehen beteiligt waren, sondern weil es ein kriteriengeleitetes Zuwanderungssystem ist, das auch Transparenz schafft. Wie oft hat man als Unternehmer schon versucht, einen ausländi­schen potenziellen Mitarbeiter zu beschäftigen und dazu um eine Bewilligung ange­sucht, hat viele Behördenwege auf sich genommen und ist aber dann doch gescheitert, weil die Wege eigentlich nicht durchsichtig waren.

Mit der Rot-Weiß-Rot-Card vollziehen wir auch eine Systemänderung in der Zuwande­rung, denn es wird viel stärker auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes abgezielt und wir entschärfen dadurch in Zukunft auch den Fachkräftemangel und erhöhen die Inves­titionsbereitschaft der heimischen Wirtschaft.

Zum Thema Deutsch vor Zuwanderung, auch darüber haben wir letztes Mal schon gesprochen: Es ist einfach für das Arbeitsklima wichtig, dass bei Arbeitsbeginn Deutsch­kenntnisse vorhanden sind, denn dann kann die Integration sofort beginnen. Gerade das Arbeitsklima ist für die Produktivität eines Unternehmens sehr wichtig – und somit auch für den Erfolg unserer Betriebe.

Sehr geehrte Frau Minister, ich bedanke mich bei dir, aus Sicht der Wirtschaft, für dieses Paket, vor allem für die Rot-Weiß-Rot-Card. Es stellt sich noch die Frage, von wem die zusätzlichen Kosten getragen werden. Wie wird die Refundierung der Kosten für die zusätzlichen 50 Dienstposten im UVS erfolgen? Die Länder waren ja beim Initia­tivantrag nicht eingebunden und bestehen daher darauf, dass die zusätzlichen Kosten jährlich unabhängig vom Finanzausgleich abgerechnet werden.

Im Namen des Kollegen Perhab darf ich mich noch für den Integrations- und Migra­tionsbericht bedanken, das war ihm noch ein ganz wichtiges Anliegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.00.02

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Als Bundesrätin aus dem Bundesland Niederösterreich gestat­ten Sie mir doch auch einige Ausführungen zum neuen Fremdenrechtsänderungsge­setz. In Niederösterreich liegt ja das große Flüchtlingslager Traiskirchen, und wir wis­sen natürlich auch um diese Problematik.

Neben der Rot-Weiß-Rot-Card sowie der Diskussion um die Pflicht zum Nachweis von Deutschkenntnissen vor Zuzug ist diese umfassende Fremdenrechtsnovellierung eine


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 147

sehr wichtige und auch eine weitreichende, wo diese doch auch Änderungen der Ge­setzgebung im Asyl- und Fremdenrechtsbereich mit sich bringt. In der Novelle sind Än­derungen bei der Schubhaft und auch die Schaffung eines neuen Rechtsberatungs­systems, sowohl im fremdenpolizeilichen Verfahren als auch im Asylverfahren, enthal­ten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle wissen, dass Gesetze immer wieder von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet werden können: Gesichtspunkte der Befür­wortung sowie der Ablehnung. Wir wissen aber auch, dass Gesetze notwendig sind, um ein friedvolles Miteinander zu ermöglichen. Der vorliegende Entwurf des Fremden­rechtsänderungsgesetzes soll in Zukunft mehr Fairness in den Bedingungen für Zu­wanderer sowie Verbesserungen im Umgang mit illegal in Österreich aufhältigen Per­sonen bringen.

Vorgesehen ist künftig eine Rechtsberatung auf allen Verfahrensebenen, sowohl in den Zulassungsverfahren als auch in den erst- und zweitinstanzlichen Verfahren und auch in der Schubhaft und bei Rückführungsentscheidungen. Dass Kinder bis zu einem Alter von 14 Jahren zukünftig nicht mehr in Schubhaft kommen, ist begrüßenswert. Viel Dis­kussion brachte jedoch die Bestimmung über die Möglichkeit, dass betroffene Kinder ihre Eltern auch in Schubhaft – unter Anführungszeichen – „begleiten“ können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es stellt sich da schon die Frage, ob es bes­ser ist, die Kinder von Personen, die in Schubhaft sind oder in Schubhaft kommen, in die Obsorge des Staates zu übergeben und somit sich selbst zu überlassen, oder ob diese doch die Möglichkeit haben sollen, mit ihren Eltern gemeinsam – auch wenn an­dere Voraussetzungen vorhanden sind – zu leben. Über das Wohl des Kindes wird in­dividuell, aufgrund der gegebenen Familiensituation der Eltern sowieso, gesondert ent­schieden werden können.

Ein Punkt, den ich noch kurz ansprechen möchte, ist der des Spracherwerbes. Nach wie vor unterscheidet die Gesetzgebung zwischen den sogenannten EU-Bürgern und den Bürgern von Drittstaaten, jedoch ist die sprachliche Kompetenz für Zuwanderer ein wichtiges Erfordernis. Die vorgesehene Aufteilung der Sprachkurse in zwei Module, und zwar in das Modul A2, Erreichung der Sprachkenntnisse, wie zum Beispiel die des Österreichische Sprachdiploms Deutsch, innerhalb von zwei Jahren, oder das Mo­dul B1 werden eine wichtige Grundvoraussetzung für Integration darstellen. Das Ni­veau A1, sprich Sprachkenntnisse vor Einreise nach Österreich, ist ein weiterer wichti­ger Anforderungspunkt an MigrantInnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei diesen Grundkenntnissen der deutschen Sprache vor Einreise nach Österreich ist in erster Linie an die Länder außerhalb der EU zu denken. Wir wissen alle, dass oftmals die Frauen aus diesen Ländern persönlich keine Möglichkeit haben, sich zu entscheiden, sich Deutschkenntnisse anzueignen und diese zu sammeln  auf die näheren Gründe möchte ich aber hier nicht eingehen , und darum wird diese Bestimmung, speziell für diese Frauen aus diesen Ländern, auch im Hinblick auf die Familienzusammenführung eine sinnvolle Vorschrift sein. Es ist zu befürworten, dass Menschen, die bei uns leben wollen, auch unsere Sprache sprechen sollten.

Hohes Haus, mir ist sehr wohl bewusst, dass es in dem vorliegenden Gesetz Bestim­mungen gibt, die kritisch zu beobachten sein werden. Jedoch muss uns auch bewusst sein, dass nur, wenn klare Rahmenbedingungen geschaffen werden und vorhanden sind, ein Zusammenleben in einem Rechtsstaat möglich sein wird.

Es wurde in dem Gesetz auch darauf geachtet, dass die neuen Bestimmungen der Eu­ropäischen Menschenrechtskonvention entsprechen. Unsere Fraktion hat durch viele Anträge dafür gesorgt, dass wesentliche Elemente geändert wurden, so etwa die ra­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 148

schere Anerkennung der Qualifikationen oder die Änderung der Durchsuchungsbestim­mungen.

Weiters ist die Regelung der Anwesenheitspflicht keine Haftmaßnahme und entspricht auch unserer Verfassung. Sie sieht vor, dass sich Asylwerber während der ersten sie­ben Tage nicht ohne guten Grund aus der Erstaufnahmestation entfernen sollten. In dieser Zeit wird geprüft, ob Österreich oder ein anderes Land für den Asylantrag zu­ständig ist. Diese Tage werden von der Behörde auch benötigt werden, um Informa­tionen beziehungsweise Grunddaten zu sammeln, um auch eine korrekte Erstbeurtei­lung des Asylwerbers zu ermöglichen.

Hohes Haus, es müssen faire Bedingungen im Fremdenrecht vorherrschen, und es wurde versucht, diese in das vorliegende Gesetz einzuarbeiten. Unsere Fraktion wird daher ihre Zustimmung geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht noch einige Worte zur Änderung des Landarbeitsgesetzes. Es ist diese Änderung wichtig, denn ab 1. Mai gibt es das neue Gesetz, wo EU-Bürger aus den Ländern, die 2004 beigetreten sind, auch bei uns am Arbeitsmarkt arbeiten können. Eine Beschäftigungsbewilligung beziehungsweise eine Freizügigkeitsbescheinigung ist ab diesem Zeitpunkt für den Zugang zum österrei­chischen Arbeitsmarkt nicht mehr erforderlich, mit einer Ausnahme: Für Bürger aus Ru­mänien und Bulgarien wurde eine Übergangsfrist bis 2013 gemacht.

Trotz der Tatsache, dass in Österreich nahezu alle Arbeitnehmer von Kollektivverträ­gen erfasst sind, kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmern das ihnen zuste­hende Entgelt für die erbrachten Arbeitsleistungen vorenthalten wird. Auch die Arbeit­nehmer in der Land- und Forstwirtschaft sind davon betroffen, und das Gesetz soll in Zukunft auch da seine Anwendung finden. Dementsprechende Lohnunterlagen müs­sen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden.

Es wird eine Kontrollstelle durch ein Sozialdumping-Bekämpfungszentrum bei der Wie­ner Gebietskrankenkasse eingerichtet, die diese Verfehlungen auch kontrollieren und dementsprechend auch Maßnahmen setzen beziehungsweise Strafen verhängen wird. Es kann auch nur zu hoffen sein, dass diese Kontrollen durch das Gesetz dementspre­chend durchgeführt werden und die vorgesehene Strafe auch vollzogen wird.

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht auch vor, dass die betroffenen Arbeitgeber mit Sitz in Österreich ebenfalls nach den Bestimmungen verfolgt und bestraft werden kön­nen. Bis dato war dies nur für Dienstgeber mit Sitz im Ausland möglich. Wir werden auch dieser Korrektur des Gesetzes unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ki­ckert. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.08.14

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ein bisschen an Schönreden hat mich der jetzige Beitrag schon erinnert, also Worte wie friedvolles Mit­einander, Verbesserung im Umgang mit Einwanderern und Einwanderinnen oder faire Bedingungen.

Ich mache es kurz: Die Mitwirkungspflicht ist Freiheitsentzug, darin sehe ich keine faire Bedingung. Bei dem jetzt schon sehr stark strapazierten Erwerb der Deutschkennt­nisse möchte ich die Rahmenbedingungen, die Sie als Verbesserung bezeichnet ha­ben, noch einmal kurz anführen. Die Anforderungen werden erhöht, gleichzeitig wird die Zeitspanne, in der diese Anforderungen erfüllt werden müssen, um mehr als die Hälfte reduziert, genauso wie zusätzlich dazu auch noch die finanzielle Unterstützung.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 149

Also wenn wir sagen, dass wir Personen, die hier in Österreich arbeiten wollen und arbeiten können, haben wollen, dann können wir natürlich eine soziale Selektion ma­chen. Das passiert in diesem Fall, denn – sagen wir, wie es ist – Deutschkenntnisse vor Zuzug ist und bleibt eine soziale Hürde für finanzschwache Personenkreise und auch für bildungsferne Personen.

Als ich im Jahre 1970 nach Österreich eingereist bin, habe ich kein Wort Deutsch ge­sprochen. Ich glaube, meine Deutschkenntnisse sind inzwischen perfekt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Das liegt unter anderem auch am österreichischen Bildungssystem. Da kann ich also meinen Dank abstatten. Nichtsdestotrotz empfinde ich es manchmal als – wie soll ich sagen? – ziemlich realitätsfern, wenn Sie solche Regelungen machen. Dadurch haben Menschen, die vielleicht – anders als ich; ich war aufgrund meiner familiären Verhält­nisse weder bildungsfern noch finanziell sehr schwach gestellt – kein Wort Deutsch können, aber trotzdem über ein hohes intellektuelles und soziales Potenzial verfügen, keine Chance, in dieses Land zu reisen. (Präsident Kneifel übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben auf der einen Seite eine Partei, die ständig alles, was auch nur ein bisschen fremd ausschaut – da habe ich ja den Vorteil, dass ich das nicht tue – in Bausch und Bogen verteufelt (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt nicht!), und auf der anderen Seite Parteien, die dem immer nachrücken und nachhinken und nachlaufen müssen, damit sie ja noch irgendwie im Mainstream dieser komischen Volksmeinung sind.

Dann kommen solche Gesetze heraus, die weder für Österreich gut sind noch für die Menschen, die daran teilhaben wollen, in Österreich zu leben, und nicht nur Sozial­schmarotzer sind, sondern auch etwas beitragen und ihre Pflichten in diesem Land leis­ten wollen würden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.11


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kainz. – Ich erteile es ihm.

 


18.12.10

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Frau ehemalige Sicherheitsministerin und jetzige Fi­nanzministerin – eine sehr gute Doppelrolle. Ich weiß nicht, welche Vorrednerin oder welcher Vorredner dich als Ersatzspieler bezeichnet hat. Ich denke, wenn alle anderen Parteien solche „Ersatzspieler“ – unter Anführungszeichen – hätten, könnten sie stolz darauf sein. Ich glaube, Frau Minister Fekter ist ein gutes Beispiel dafür, dass sie die Sicherheitsministerin der Republik war, und jetzt einen ganz hervorragenden Job als Finanzministerin machen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Ebner.)

Frau Kollegin Kickert als meine Vorrednerin hat jetzt durchaus berechtigt ein bisschen beschrieben, welchen unterschiedlichen Zugang die Parteien zu diesem Thema haben. Sie hat sich – natürlich auch durchaus berechtigt – an die Freiheitliche Partei gewandt und gemeint, sie sei ganz rechts stehend und das sei bei diesem sehr sensiblen The­ma der falsche Zugang.

Dem kann ich mich natürlich durchaus ansatzweise anschließen (Bundesrätin Kersch­baum: Ansatzweise!), aber sie hat in der Beschreibung des unterschiedlichen Zugangs der einzelnen politischen Gruppierungen zu diesem sehr sensiblen Thema ein zweites Extrem vergessen, nämlich den Zugang, den die Grünen haben. (Zwischenruf des Bun­desrates Dönmez.)

Ich glaube, Asyl- und Fremdenrechtspolitik verträgt auf gar keinen Fall die rechten Het­zer (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), verträgt aber auch auf gar keinen Fall die linken Träumer. Ich glaube, es braucht eine sehr sachliche, menschliche Asylpolitik,


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und dafür ist die ÖVP der einzige Garant. (Oh-Rufe bei FPÖ und Grünen.) Das haben wir in den letzten Jahren auch immer wieder bewiesen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Ja, es stimmt, die Asylgesetzgebung hat sich in den letzten Jahren oft verändert, aber ich glaube, sie hat sich zum Wohle der Menschen verändert, nämlich zum Wohle der Betroffenen, weil wir heute Berechenbarkeit haben, weil wir raschere Asylverfahren haben. Und ich glaube, wir haben auch jene Veränderungen durchgeführt, die die Ös­terreicherinnen und Österreicher sich erwarten.

Wenn heute in diesem Fremdenrechtsänderungspaket auch ein Mitwirkungsrecht be­schlossen wird (Bundesrätin Dr. Kickert: Pflicht!) – Mitwirkungspflicht, noch besser, richtig formuliert –, um sieben Tage im Erstaufnahmezentrum verfügbar zu sein, dann ist das etwas, von dem ich glaube, dass die Asylwerber das auch selber verstehen, dass sie da ihren Beitrag leisten wollen und sollen. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Es verstehen vor allem auch die Bürger in unserem Land, weil eines nicht verstanden wird, nämlich dass man in Österreich um Asyl ansucht und dann in die Anonymität un­tertaucht und nicht verfügbar ist. Das kann es bitte wohl nicht sein! (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Kerschbaum und Dr. Kickert.) Es gibt diese Fälle. Im Ausschuss wur­de auf meine Frage sehr genau geantwortet, dass im Jahr 2010 2 964 Personen unter­getaucht sind.

Wenn von 2 964 Asylwerbern 70 Prozent im Rahmen der Erstzulassung untertauchen, dann besteht Handlungsbedarf, glaube ich (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez), und dann entscheidet der Gesetzgeber vollkommen richtig, wenn er sich überlegt: Okay, wenn diese Menschen Asyl wollen, dann sollen sie auch mitwirken, dann ist das zu­träglich und auch verträglich. Ich glaube, das ist der richtige Schritt. Die, die wirklich Asyl wollen, verstehen das auch.

Ich bin Bürgermeister in der Weinbaugemeinde Pfaffstätten, in unmittelbarer Nähe ist das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Die Kollegin von der SPÖ aus Niederöster­reich hat gesagt, es sei das größte Asylzentrum Österreichs. – Ja, das stimmt. Von der Gebäudestruktur und Kubatur her ist es das größte, aber auch aufgrund der Asylge­setzgebung der letzten Jahre haben wir heute einen Stand von rund 300 Asylwerbern in Traiskirchen.

Ich kann mich gut an Zeiten erinnern, in denen es über 1 700 waren, in denen wir ge­rungen haben. Es wurde diese magische Grenze von 900 eingezogen, das war ein Er­folg. Bürgermeister Knotzer aus Traiskirchen war sehr froh und stolz auf die gute sach­liche Zusammenarbeit, auch mit den Innenministern. Ich glaube, ihr alle wisst, wo Bür­germeister Knotzer politisch steht und wo die Innenminister der Republik Österreich der letzten Jahre politisch gestanden sind, aber in dieser Frage hat er uns oft recht ge­geben – und auch öffentlich unterstützt –, dass der Weg, den wir hier beschritten ha­ben und den vor allem die zuständigen BundesministerInnen beschritten haben, ein rich­tiger war und ist. Das ist auch in dieser Form nachvollziehbar.

Ich glaube, mit diesem Fremdenrechtsänderungspaket setzen wir in vielen Bereichen die vollkommen richtigen Schritte. Ich möchte nur nochmals auf den Asylbereich einge­hen, weil ich auch ganz klar sagen möchte, was Asyl wirklich ist. Als ich mir die Bei­träge der letzten Redner angehört habe, habe ich oft gemerkt, dass man Asyl und Nie­derlassung ein bisschen vermischt. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kickert.)

Asyl ist ganz klar definiert. In Wikipedia steht: „Unter der Bezeichnung Asyl versteht man Zufluchtsort, Unterkunft, Obdach und Freistatt bzw. Freistätte, aber auch Schutz vor“ Gewalt „und Verfolgung. Im speziellen meint man damit die temporäre Aufnahme Verfolgter.“ (Zwischenrufe der Bundesräte Dönmez und Mühlwerth.) Das ist Asyl, und deswegen haben wir mit dem Asylgerichtshof sichergestellt, dass wir eine raschere Ab­


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wicklung der Asylverfahren durchsetzen. Wir haben mit der Mitwirkungspflicht sicher­gestellt, dass das auch durchgeführt werden kann.

Ich glaube, das ist der richtige Schritt in die richtige Richtung, weil wir ganz klar dazu stehen, dass der, der verfolgt wird – aus politischen und religiösen Gründen –, in Ös­terreich immer um Asyl ansuchen kann (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) und mit einem auch immer rechnen kann und darf und muss, nämlich mit einem sicheren, rechtsstaatlichen und menschlichen Asylverfahren. Diese Asylgesetzgebung stellt das sicher. In diesem Sinne werden wir dieser Verbesserung, dieser Novelle des Fremden­rechtsänderungsgesetzes sehr, sehr gerne die Zustimmung erteilen.

Ein Abschlusssatz noch zur Rot-Weiß-Rot-Card. Ja, sie ist in diesem Paket auch da­bei, aber die Rot-Weiß-Rot-Card hat mit Asylwerbern überhaupt nichts zu tun. Es geht darum, den Zuzug zu regeln. Das ist auch etwas, was wir immer wollten, und ich bin bei allen jenen Vorrednern, die sagen, wir brauchen Zuzug. Wir brauchen Zuzug, das ist überhaupt keine Frage. Wir brauchen aber den Zuzug, den wir brauchen, und den müssen wir definieren. Wenn man sich Freunde einlädt, dann definiert man das. Ähn­lich ist das auch mit der Rot-Weiß-Rot-Card zu sehen.

Hier gibt es auch wieder Kritikpunkte: Für manche ist die Grundlage der Deutschkennt­nisse auf A1-Niveau zu hoch, für mache ist sie zu niedrig. Wie man es macht, ist es falsch. Ich denke, dass wir gut liegen, es so zu definiert zu haben, wie wir es definiert haben.

Die Rot-Weiß-Rot-Card trägt den Namen zu Recht. Österreich steht im Mittelpunkt, die Menschen in diesem Land stehen im Mittelpunkt, und jeder, der hier seinen Beitrag leisten möchte, ist herzlichst eingeladen. Wir geben diesem Gesetz sehr gern die Zu­stimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

18.19


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Fekter. Ich erteile es ihr.

 


18.19.40

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Hohe Beamtenschaft! Es ist mir eine Freude, dass dieses Paket heute den Bundesrat passiert und dass es im Hinblick auf die vier Punkte – Anwesenheitsverpflichtung, Rot-Weiß-Rot-Card, Deutsch vor Zuzug und Umsetzung der Rückführungsrichtlinie – doch zu einem sehr breiten Kon­sens gekommen ist.

Als Innenministerin war mir dieses Werk ein enormes Anliegen, um Schlepperorganisa­tionen, die geglaubt haben, dass Österreich der Markt für ihr schlechtes Geschäft ist, mit der Anwesenheitspflicht eine organisatorische Maßnahme entgegenzusetzen. Ös­terreich ist für Schlepperorganisationen – das hat sich schlagartig geändert – nicht mehr so attraktiv, seit sie wissen, dass sich die Personen sieben Tage im Erstaufnah­mezentrum aufhalten müssen. Denn es ist richtig, dass jene, die in die Illegalität un­tertauchen, in den Fängen der Schlepperorganisation bleiben und dort dem Business Vorschub leisten. Diese Maschinerie, diese Spirale wollte ich unterbrechen.

Ein Beispiel ist jener türkische Schlepper-Container, in dem 64 Personen waren. 58 von ihnen haben „Asyl“ gesagt, die anderen sechs sind in Schubhaft gekommen, weil sie ja illegal eingereist sind. Die 58 sind noch in der Nacht nach Traiskirchen gebracht worden. Die Beamten haben Überstunden machen müssen, die Erstaufnahmeprozedur hat sofort begonnen. Nur: Binnen 48 Stunden waren alle 58 weg!

Einige Wochen später sind einige von ihnen aufgegriffen worden – in Norddeutschland, in Dänemark –, wie viele von ihnen sich irgendwo hier in Wien befinden, wissen wir nicht.


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Diese Spirale wollte ich mit diesem System unterbrechen. Die Schlepper können sich nicht mehr an diesen Personen bereichern, weil wir sie auch schützen. Das ist ein Ele­ment. Das wesentlich bessere Element ist die Verkürzung der Verfahren, und das dritte Element ist, dass alle, die kooperativ sind, die sagen, woher sie kommen, wie sie zu uns gekommen sind, wie sie heißen, und deren Angaben plausibel sind, relativ rasch in die Grundversorgung kommen können, wo sie eine Anwesenheitspflicht in diesem Aus­maß nicht mehr haben.

Das Problem besteht aber darin, dass es eine Zeit lang – wie soll ich sagen? –, wahr­scheinlich auch durch die Schlepperorganisationen motiviert und beraten, „in“ war – unter Anführungszeichen –, nicht zu sagen, woher man kommt, nicht zu sagen, wie man nach Österreich gekommen ist, nicht zu sagen, welche Sprache man spricht, nicht zu sagen, was die tatsächlichen Asylgründe sind, das heißt also, das Verfahren zu er­schweren. Auch dagegen hilft dieses Instrument. Daher bin ich sehr froh, dass es dies­bezüglich zu einer Beschlussfassung kommt.

Zur zweiten Sache, Rot-Weiß-Rot-Card und kriteriengesteuertes Zuwanderungssys­tem: Ich halte es für ausgesprochen notwendig, dass wir besser als bisher darauf schauen, mit welcher Qualifikation die Menschen zu uns kommen, weil wir das über das Quotensystem nicht steuern konnten. Dazu kommt ja auch, dass in Österreich 460 000 Ausländer in Beschäftigung sind. Im Verhältnis dazu ist also die Zahl der 11 000 Asylwerber keine, die beängstigend auf uns wirken muss. Damit können wir in­zwischen sehr gut umgehen.

Herr Dönmez, daher möchte ich auch, dass mit diesem Vorurteil endlich aufgeräumt wird. Immer wieder zu behaupten, die erstinstanzlichen Bescheide wären qualitativ schlecht und deshalb dauerten die Verfahren so lange, ist inzwischen nicht mehr eine Geschichte von gestern, sondern von vorvorvorgestern. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Wir haben derzeit in der ersten Instanz eine durchschnittliche Verfahrensdauer von sechs Wochen. Die Bescheide haben eine dermaßen gute Qualität – gute Qualität! –, dass sie von der nächsten Instanz, dem Asylgerichtshof, in weit mehr als 90 Prozent der Fälle bestätigt werden. Man kann nicht auf der einen Seite kritisieren, dass der Asylgerichtshof die Erstinstanz immer bestätigt, und auf der anderen Seite kritisieren, dass die Erstinstanz keine gescheiten Bescheide macht. Da ist die Argumentation nicht schlüssig.

Die Qualität der asylbehördlichen Bescheide in erster Instanz ist sehr gut. Wir sind zer­tifiziert, im Bundesasylamt. Wir haben ein Qualitätssicherungsmanagement in allen Ver­fahrensschritten – für die Übersetzer, für die Bescheidqualität, für die Einvernahmen, für die Betreuung, für die ärztliche Untersuchung –, wir sind ein Best-Practice-Beispiel für UNHCR.

Wie wir im Hinblick auf das Prozedere die Asylverfahren abwickeln, nämlich Erstauf­nahme, Polizei, Befragung, ärztliche Untersuchung, Dolmetsch et cetera – schauen Sie sich an, wie das funktioniert! –, wird von UNHCR als weltweit bestes Beispiel genannt. Der Chef des Bundesasylamtes, Herr Mag. Taucher, ist Vizechef von der Asylagentur Europas – auch deswegen, weil seine Expertise so exzellent ist.

Bitte, beten Sie dieses alte Vorurteil, die Erstinstanzen wären schlecht und bräuchten so lange, nicht mehr nach! Und zwar deshalb, weil wir, wie gesagt, Verfahrensdauern von durchschnittlich sechs Wochen haben. In der zweiten Instanz, Asylgerichtshof, dauern über 94 Prozent der Verfahren unter einem Jahr.

Es gelingt aber auch, den alten Rucksack abzubauen. Es ist halt schwierig, wenn Per­sonen nicht sagen, woher sie sind. Wenn wir anhand kompliziertester Spracherken­nungstests ermitteln müssen, woher sie ungefähr kommen, wird es natürlich schwierig, weil dann die Verfahren etwas länger dauern.


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Daher bitte ich, das nicht mehr zu sagen. Wir sind rasch, und weil wir in den Verfahren so rasch sind, sind wir auch für die Schlepperorganisationen schlagartig unattraktiver geworden, und zwar deshalb, weil der Schlepperlohn durch illegalen Aufenthalt nicht mehr verdient werden kann. Auch das war mir ein Anliegen. Ich will nicht, dass Ös­terreich der Markt für die Schlepper ist. Ich will ein humanitäres Asylrecht, wodurch die Verfolgten sehr rasch zu ihrem Recht kommen. Diesen humanitären Auftrag habe ich immer erfüllt, aber ich will nicht die Schlepper als Markt bedienen.

Die Rot-Weiß-Rot-Card wurde schon erwähnt. Im Zusammenhang mit der Rot-Weiß-Rot-Card wird auch Deutsch vor Zuzug eingeführt. Ich glaube, Deutsch vor Zuzug ist das größte emanzipatorische Projekt, das wir für Migrantinnen jemals gemacht haben. Ich habe das zufällig von der deutschen Integrationsbeauftragten gelernt, die mir ihre Erfahrungen mit Deutsch vor Zuzug in Deutschland erläutert hat.

In Deutschland gibt es diese Bestimmung schon seit dem Jahr 2006, daraufhin ist Fol­gendes geschehen: Jene Gruppierungen mit sehr patriarchalischen Strukturen und aus sehr bildungsfernen Schichten, die ihre Frauen partout nicht Deutsch lernen lassen woll­ten, sind nicht mehr nach Deutschland eingewandert, sondern nach Österreich.

Das heißt, wir hatten dann doch einen starken Zuzug von Personen – auch im Zusam­menhang mit der Familienzusammenführung –, die überhaupt kein Wort Deutsch kön­nen und vonseiten des Familienverbandes gar keine Deutschkurse besuchen durften. Die Integrationsbeauftragte Deutschlands hat zu mir gesagt, damit bekämen Frauen erstmals ein Bildungsangebot, das ihnen sonst nie zustehen würde.

In diesen Deutschkursen im Goethe-Institut, die sie dann natürlich besuchen, wenn sie nach Deutschland kommen wollen – wenn sie beispielsweise auch einer arrangierten Ehe zugeführt werden sollen, müssen sie ja Deutschkenntnisse haben –, müssen sie nicht nur die Sprache lernen, sondern auch die Lerninhalte im Hinblick auf unser Leben hier. Dort lernen sie beispielsweise Demokratie, dort lernen sie, dass Gewalt bei uns in der Gesellschaft verpönt und kein Disziplinierungsmittel ist. In diesen Kursen lernen sie, dass es auch Hilfestellungen gibt, dass es Institutionen gibt, an die sich Frauen wenden können. Sie lernen auch, dass sie nicht zwangsverheiratet werden müssen, sich das nicht gefallen lassen müssen. Dort lernen sie auch, dass sie, wenn sie beim Deutschkurs nicht durchkommen, nicht einreisen dürfen und so der Zwangsehe viel­leicht entgehen.

Dieser emanzipatorische Ansatz hat mir so gut gefallen, dass ich gesagt habe: Was die Deutschen haben, was die Dänen haben, was die Schweden haben, das möchte ich für Österreich auch haben! Ich finde es gut, dass es inzwischen in diesem Hohen Haus in allen Fraktionen Konsens darüber gibt, dass Deutschkenntnisse der Schlüssel für die Integration sind. Das war im Jahr 2001 – daran erinnere ich mich noch gut –, als wir bei der Integrationsvereinbarung erstmals Deutschkenntnisse gefordert haben, noch ganz, ganz anders. Da war die Debatte in Richtung damaliger Regierungsfraktionen, als wir Deutschkenntnisse gefordert hatten, eine ganz aggressiv dagegen auftretende! Gott sei Dank, nach zehn Jahren sind wir so weit, dass darüber im Hohen Haus Kon­sens herrscht.

Jetzt noch zum Abänderungsantrag im Nationalrat, der den Instanzenzug verändert hat, nämlich von den Sicherheitsdirektionen zu den UVS: Es ist richtig, dass damit ein bürokratischer Aufwand von einer Bundesbehörde hin zu einer Landesbehörde wan­dert. Es handelt sich hier um etwa 900 Fälle, davon beispielsweise in Oberösterreich 400. Ich sage, das andere teilt sich in der Quantifizierung wahrscheinlich zwischen Nie­derösterreich und Wien auf.

In der Sicherheitsdirektion in Oberösterreich machen die 400 Fälle derzeit zwei Perso­nen – genau eineinhalb, aber sagen wir eben, zwei Personen. Daher werden wir, liebe


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Frau Bundesrätin, österreichweit nicht 50 dafür brauchen. Aber der Aufwand, der bis­her damit verbunden war, wird selbstverständlich von Bundesseite den Ländern refun­diert. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Da gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Finanzministerium und Innenministe­rium, budgetiert im Innenministerium, und wir werden im Rahmen einer der nächsten FAG-Novellen dafür die rechtliche Grundlage schaffen.

Damit, hoffe ich, steht einer Zustimmung des Bundesrates zum Gesamtpaket nichts mehr im Wege. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.33


Präsident Gottfried Kneifel: Ich bedanke mich bei Frau Bundesministerin Dr. Fekter für die Klarstellung, dass den Bundesländern aus dieser Fremdenrechtsgesetz-Novelle bei den Personalkosten beim UVS keine zusätzlichen Aufwendungen erwachsen wer­den. Damit können, glaube ich, alle Bundesländer leben, und ich bedanke mich noch einmal für diese Information.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Mag. Klug: Kommt jetzt noch die Unterscheidung zwischen den Wirtschaftsflüchtlingen?)

 


18.34.26

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich glaube, es handelt sich hierbei um ein kleines kom­munikatives Missverständnis. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, ja, nicht nur eines!) Ich glau­be, es sind mehrere, da hast du vollkommen recht.

Wenn ich von lang dauernden Asylverfahren spreche, dann meine ich all jene Verfah­ren, die seit vor 2004 schon anhängig sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da gäbe es die Möglichkeit, Frau Ministerin, wenn Sie das Wort „menschengerecht“ strapazieren, für diese Leute ein Bleiberecht auszusprechen – auch davon haben Sie Abstand ge­nommen –, und zwar für jene ein Bleiberecht auszusprechen, die hier integriert sind, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen (Bundesministerin Dr. Fekter: Und das sollte ich jetzt?) und die auch diese Voraussetzungen der Integration, sprich Sprach­erwerb, erfüllen. Aber auch da haben Sie sozusagen keinen Bewegungsspielraum ge­zeigt.

Was ich kritisiere, ist: In der zweiten Instanz im Asylverfahren wurden 30 Prozent der Beamtinnen und Beamten abgebaut. Das ist ein Faktum. Und wenn ich mir die aktuelle Statistik anschaue – bitte, das ist die Statistik vom Innenministerium: Asylverfahren in Bearbeitung per 1. Mai 2011 in erster Instanz –, dann sind 20 506 Verfahren offen und am Laufen!

Jetzt erklären Sie mir einmal, bitte, wie Sie innerhalb von sechs Wochen mit diesem Personalstand die Berge, die sich da im Laufe der Jahre angehäuft haben, abbauen werden! Das ist realistisch nicht möglich. Lügen wir uns nicht ins Fäustchen: Es wird lang dauern. Und weil es lang dauert, haben wir eben Folgeprobleme, und es ist die politische Diskussion darüber zu führen: Nehmen wir das in Kauf oder nicht? (Bundes­rat Mag. Klug: Sag das den Anwälten!)

Mein oder unser persönlicher Zugang wäre wirklich eine qualitative, rasche Beschleuni­gung der Asylverfahren, damit die Leute auch Rechtssicherheit haben, denn es ist ja für die Betroffenen nicht lustig, wenn sie jahrelang im luftleeren Raum sind und nicht wissen, ob sie hier bleiben dürfen oder nicht, ob sie arbeiten gehen dürfen oder nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann reden Sie einmal mit den Anwälten darüber!) Das ist eine psychische Belastung, und es schafft viele Folgeprobleme, denn die Leute müs­sen betreut werden (Zwischenrufe bei der ÖVP), sie müssen in der Grundversorgung untergebracht werden, sie müssen ärztlich versorgt werden. Die Polizei ist beschäftigt,


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 155

das Asylamt ist beschäftigt, die Behörden sind beschäftigt. Das zieht ja einen Ratten­schwanz nach sich, das ist schon rein ökonomisch ein Wahnsinn! (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb: Unterstützen wir bitte die Beamten und Beamtinnen in den Entscheidungsin­stanzen (Bundesrätin Mühlwerth: Dann redet mit euren Vereinen!), damit qualitätsvol­le rasche Asylverfahren gewährleistet werden und sich nicht diese Berge anhäufen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Das ist der Punkt. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

18.37


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Fekter. Ich erteile es ihr.

 


18.37.16

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sehr geehrter Herr Dönmez, ich schätze Sie normaler­weise, weil Sie immer sehr sachliche Beiträge bringen. Diese durchschnittlichen sechs Wochen – durchschnittlich, habe ich gesagt – sind natürlich auf die Neuverfahren bezogen! Ich kann leider keinen Einfluss auf den Verwaltungsgerichtshof nehmen, denn der ist der Hauptverursacher in Hinblick auf die Dublin-Fälle, wo die Entschei­dung, ob Österreich oder Budapest zuständig ist, gelegentlich über fünf Jahre gedauert hat. Das heißt, diesbezüglich haben wir noch eine Fülle von Altfällen.

Wir haben auch noch Altfälle, die im Hinblick auf ihr Vorbringen in manchen Bezirks­hauptmannschaften nicht in dem Ausmaß fremdenrechtlich betreut worden sind. Wir haben immerhin 84 BHs, 13 BPDs oder 16 BPDs und sechs Magistrate, die da unter­schiedlich zuständig sind. Manche können es besser, manche können es weniger gut. Daher gibt es ja das Projekt, eine einheitliche Struktur für alle fremdenrechtlichen An­gelegenheiten im Bundesamt für Migration und Asyl zusammenzubringen und dann da­rauf den Asylgerichtshof als zweite Instanz draufzusetzen.

Das heißt, mit all den Maßnahmen ist es uns gelungen, dass wir neue Verfahren sehr rasch abwickeln können. Wir haben aber bei den Altfällen natürlich noch Problembe­reiche, Problemfelder, wo uns die Personen abhanden gekommen sind, dass wir ihnen die Bescheide nicht zustellen können, wo beispielsweise nicht klargestellt ist, woher jemand wirklich ist. Er sagt, er ist ein Marokkaner, aber die Sprachforscher sagen: Nein, er kommt aus Mali.

Das heißt, das alles sind ausgesprochen schwierige Situationen, die wir aber sehr pro­fessionell und mit hohem humanitären Anspruch abwickeln. In ganz Europa gibt es die­ses individuelle Recht der Individualprüfung in allen Verfahrensschritten nicht so, wie wir das haben. Daher bin ich auch dafür, dass wir das so beibehalten und nicht dann, wenn es uns passt, in ein Pauschalverfahren kommen.

Herr Dönmez, Sie wissen ganz genau, im Gesetz steht dezidiert drin, wann jemand ei­nen humanitären Aufenthalt in Österreich bekommt. Das ist ganz klar geregelt, näm­lich: unbescholten, integriert, und, und, und, es sind alle Fälle angeführt. Wir haben ei­ne Fülle dieser Fälle humanitär positiv erledigt, in den letzten eineinhalb Jahren, seit die­ses Gesetz gilt.

Ich bin aber immer gegen eine Pauschalregelung aufgetreten, weil die internationale Regelung zeigt, dass alle, die solch eine – unter Anführungszeichen – „Pauschalam­nestie“ gemacht haben, binnen kürzester Zeit wieder ein neues Problem hatten, weil die Schlepper die Leute ins Land geschleppt und ihnen gesagt haben: Tauch ein wenig illegal unter, halt dich ein, zwei, drei Jahre dort auf, denn dann kommt die nächste Am­nestie! – Dagegen bin ich immer aufgetreten.


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Wenn man die Individualprüfung als System hat, dann prüfen wir auch den humani­tären Aufenthalt individuell. Das ist fairer, das ist gerechter und entspricht der jeweili­gen einzelnen Situation am besten. Ich bin dagegen, dass man da eine Pauschalrege­lung macht. Ich bin auch dagegen, dass man eine Stichtagsregelung macht, denn beim Stichtag hat man schlagartig den, der zufällig zwei Tage später kommt – wieder Unge­rechtigkeiten!

Die jetzige Regelung ist so flexibel, ist so gut anwendbar, und inzwischen können es auch die Behörden etwas besser. Inzwischen hat, hoffe ich, auch die BH Steyr endlich gelernt, wie es geht. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.41


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Ap­ril 2011 betreffend ein Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011.

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsge­setz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der ab­gegebenen Stimmen.

Ich stelle zuerst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksichti­gung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

18.44.1820. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa (915 d.B. und 1168 d.B. sowie 8502/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 157

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staats­grenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII (895 d.B. und 1169 d.B. sowie 8503/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Nunmehr gelangen wir zu den Punkten 20 und 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 20 und 21 ist Herr Bundesrat Kainz. Ich bitte um die Berichte.

 


18.45.03

Berichterstatter Christoph Kainz: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich berichte zuerst über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters erstatte ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


18.46.14

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem TOP 21, dem Ver­trag zwischen Österreich und Slowenien, werden wir zustimmen – ich mache es jetzt schnell –; dem TOP 20, der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Süd­osteuropa, werden wir nicht zustimmen.

Warum dem bei diesen zwei Punkten so ist: Auf der einen Seite sehen wir es als Pro­blem, dass personenbezogene Daten, wenn es um eine Verbindung zu kriminellen Or­ganisationen geht, auch bei bloßen Verdachtsfällen erfasst werden. Ich persönlich den­ke mir, gerade wenn ich mir Länder wie zum Beispiel Ungarn und die demokratische Entwicklung dort anschaue – auch wenn wir jetzt vielleicht den Tierschützerprozess in diesem Fall einmal ausklammern, was kriminelle Organisationen betrifft –, dass gerade solche Entwicklungen wie in Ungarn et cetera auch dazu beitragen, dass Skepsis bei diesem Paragraphen sehr wohl angesagt ist.

Der zweite Punkt ist der Datenschutz, der zwar einerseits schon gegeben ist, der aber auf der anderen Seite im Abs. 4 wieder aufgeweicht wird. Wenn schwerwiegende Be­drohungen der öffentlichen Sicherheit vorliegen oder eine schwere Straftat verhindert werden soll, dann werden eben einerseits die Datenschutzbestimmungen aufgeweicht, und andererseits fehlt uns auch das Weitergabeverbot der Daten an Drittstaaten.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 158

Aus diesen Gründen werden wir dem Punkt 20 nicht zustimmen, dem Punkt 21 schon. – Danke. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

18.47


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


18.47.59

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, jetzt haben wir schon ein bisschen eine Zäsur, vom Frem­denrecht zu dieser Konvention, das gebe ich zu. Aber es sind trotzdem wichtige Maß­nahmen, weil sie natürlich auch einiges im präventiven Bereich mit sich bringen und sozusagen auch diesem Fremdenpaket zuarbeiten, weil Verträge mit Staaten wie zum Beispiel Albanien oder Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Mol­dawien, Bulgarien, Rumänien einfach auch auf eine neue Basis gestellt werden.

In diesem Bereich gibt es wirklich einige Maßnahmen, bei denen es um die Bekämp­fung von organisierter Kriminalität, um Geschichten wie illegale Migration geht, und das hat natürlich auch im Fremdenpaket seinen Niederschlag gefunden. Auch Maßnahmen in diesem Bereich sind ganz wichtig und entscheidend, wie der Austausch von Verbin­dungsbeamten – ich möchte jetzt ein paar aufzählen –, der Zeugenschutz, die Nach­eile, grenzüberschreitende Observation, verdeckte Ermittlung, Gefahrenabwehr, Ermitt­lung und Abgleich von verdeckten DNA-Profilen et cetera, et cetera, also wichtige kri­minalpolizeiliche Maßnahmen, eine ganze Palette davon.

Ich denke, wir haben natürlich insbesondere in der grenzüberschreitenden Krimina­lität – im Bereich des organisierten Schlepperwesens, worüber wir heute schon einiges von der Frau Ministerin gehört haben, mit dieser illegalen Migration – entsprechende Maßnahmen zu setzen. Österreich hat über die Bemühungen der EU hinaus natürlich längst auch viele bilaterale Verträge mit allen Anrainerstaaten von Österreich ge­schlossen. Das alles sind also wesentliche und wichtige Maßnahmen. Frau Kollegin Kerschbaum, natürlich ist es richtig und logisch, dass hier Datenschutzbestimmungen enthalten sind. Aber diese entsprechen dem guten österreichischen Standard, das muss ich hier schon anführen. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Interessant ist, dass sich gerade die grüne Fraktion immer auf den Datenschutz beruft, allerdings nur dann, wenn es nicht um eigene Argumente geht, denn was Kollege Na­tionalrat Pilz an geschütztem Datenmaterial schon durch dieses Parlament gejagt hat, das geht wirklich auf keine Kuhhaut. In diesem Fall geht es euch dann nicht um den Datenschutz, das muss ich in aller Form hier einmal erwähnen.

Mit den Tierschützern müssen Sie jetzt nicht kommen, obwohl Sie von diesem Mafia­paragraphem freigesprochen worden sind. Aber was alles unter dem Deckmantel des Tierschutzes angestellt oder aufgeführt worden ist, das ist einfach, um es mit einem Satz zu sagen, kriminell, und das werden die Gerichte auch noch entsprechend zu be­urteilen haben. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Ja, da brauchen Sie nicht nur zärt­lichen Applaus zu geben, da kann man auch fest applaudieren, denn das ist natürlich ein entsprechendes Faktum, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Und jetzt noch einen letzten Satz zu dem, was Sie gesagt haben, was die Vertraulich­keit von Information durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes betrifft. Das ist eben auch gedeckt durch das Gesetz über die internationale polizeiliche Kooperation. Das ist also nicht richtig angefügt, das muss ich hier dementieren.

Es ist diese Konvention dann auch weiters offen für andere Staaten, nicht dass man darüber wieder extra verhandeln muss; ich denke da zum Beispiel an Kroatien, die da noch nicht dabei sind.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 159

Die gute Arbeit, die die österreichische Polizei und die österreichischen Polizeibehör­den leisten, kann man hier wirklich auch einmal deutlich unterstreichen. Das spiegelt sich natürlich auch in der Kriminalstatistik wider. Die österreichische Polizei ist da in gutem Zusammenwirken mit Polizeibehörden, mit denen wir, wie gesagt, längst bilate­rale Verträge haben.

Deshalb ist diese Konvention, die wir hier heute beschließen, eine gute Konvention, weil sie sehr viele zusätzliche Möglichkeiten und Maßnahmen, die ich bereits aufge­zählt habe, in diesem Bereich mit sich bringt. Da kann man nur zustimmen, wenn man diese Dinge ernst nimmt, auch in gut nachbarschaftlichen polizeilichen Beziehungen. Das muss sein.

Wir können nicht nur einfach immer die grünen Thesen und die grünen Maßnahmen hier nachbeten (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum), denn das führt nicht zum Ziel, liebe Kollegin Kerschbaum, das führt einfach nicht zum Ziel.

Kurz zum Staatsvertrag mit Slowenien. Er bildet die Grundlage für die Erstellung neuer Grenzdokumente, weil die bestehenden Grenzdokumente aufgrund ihres Alters den technischen und praktischen Anforderungen ganz einfach gesagt nicht mehr entspre­chen, also der neuen Zeit nicht mehr entsprechen.

Meine Fraktion wird dieser wichtigen Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa und dem Staatsvertrag mit Slowenien natürlich gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

18.52


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Lin­dinger. Ich erteile es ihm.

 


18.53.14

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute die Konvention über die poli­zeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa beschließen, dann ist das auch ein Schritt. Und es ist nicht so, wie es in der Vorlage, im Bericht steht, dass das Bedrohungs­potenzial so sehr angewachsen ist – ich weiß, so war die Debatte im Ausschuss – und dass es höchst notwendig ist. Aber es ist an der Zeit, dass wir jene Länder mit ins Boot nehmen, die bei dieser Konvention noch nicht mit dabei sind.

Ich höre immer wieder, dass gerade die in Österreich verübte Kriminalität durch Süd­osteuropäer am höchsten ist, und ich weiß, dass das immer das Argument des rechten Flügels im Parlament ist. Wenn wir nach dem Kriminalitätsbericht gehen, nach der Sta­tistik „Fremdenkriminalität“, dann geht daraus hervor, dass die Tatverdächtigen und die größten Täter bei uns in Österreich die Deutschen sind. Bei allen fremden Tatverdäch­tigen sind 12,4 Prozent deutscher Herkunft, und der Anteil an allen Tatverdächtigen ist 3,4 Prozent deutscher Herkunft. Erst dann kommen abgestuft Serbien, Türkei, Ru­mänien. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Daran sieht man also, dass es not­wendig ist, alle mit ins Boot zu nehmen. Deutschland hat schon lange ein bilaterales und multilaterales Übereinkommen mit Österreich abgeschlossen. Dazu ist es auch notwendig, dass wir hier dieser Konvention die Zustimmung erteilen.

Was den Vertrag über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien betrifft, kann ich nur sagen, das ist eine Anpassung an den technischen Stand. Wir werden auch diesem zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.55


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Pirolt. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 160

18.55.45

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich darf, da ich heute das erste Mal hier am Rednerpult stehe, Ihnen, Herr Präsident, symbolisch die Hand reichen stellvertretend für alle hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen. (Der Redner reicht Präsidentem Kneifel die Hand.)

Kurz zu meiner Biographie: Ich komme aus Straßburg. Wenn man heute von Wien nach Straßburg fährt, dann kommt man zuerst nach Straßburg, und 4 Kilometer nach Straßburg ist Gurk. Damit, glaube ich, ist das aufgeklärt. In der Stadt Straßburg bin ich auch seit zwei Jahren Bürgermeister. Ich verhehle nicht, dass es mir an einer gewissen Spannung nicht fehlt. Herr Bundesrat Hensler, glaube ich, heißt er, ist nicht mehr hier. Es ist ungefähr so spannend wie in einer Kirche zu reden, alleine, versteht sich, so wie er gemeint hat. (Bundesrätin Zwazl: Wir reden hier nicht drein!) – Sehr selten, habe ich heute festgestellt, natürlich, ich habe es auch insgesamt sehr selten feststellen können.

Zum Tagesordnungspunkt 20: Dass Globalisierung natürlich auch Folgen und Auswir­kungen auf die Wirtschaft, auf die Kultur, auf Warenverkehr und Finanzverkehr hat, ist klar. Das ist durchaus auch erwünscht. Aber eine weitere Auswirkung ist natürlich auch spürbar im Personenverkehr, Schlepperunwesen, im Bereich der Kriminalität und bei allem, was damit zusammenhängt.

Wenn man den Sicherheitsbericht anschaut, dann muss man sagen: Es stimmt schon, dass vielleicht ein bisschen weniger an Kriminaltaten insgesamt zu verzeichnen ist, aber die Schwere der Delikte nimmt ständig zu, und auch die Schadenssummen wer­den auf keinen Fall geringer, sondern steigen proportional. Das ist ein Faktum.

Die Konvention – und dieser werden wir auch hier zustimmen  wird hoffentlich auch ein bisschen präventive Wirkung haben, wenngleich sie für meine Begriffe ein wenig der Ersatz dafür ist, dass wir keine Grenzkontrollen mehr durchführen können und ähn­liche Dinge, was uns ja auch die Verfolgbarkeit im Falle von Kriminalität durchaus, glaube ich, erleichtern würde, so nach dem Motto: Haltet den Dieb! Aber diesen Schrei muss man dann machen, wenn man den Dieb noch sieht, und nicht, wenn er weg ist.

Zum Tagesordnungspunkt 21: Dieser Vertrag – das hat ja auch mein Vorredner schon gesagt – ist rein formal begründet und kartografisch, weil eben neue Werkzeuge zur Verfügung stehen. Da möchte ich vielleicht als Kärntner darauf verweisen, dass wir mit Slowenien durchaus gute Verhältnisse pflegen, wenngleich ich nicht verstehe, dass die AVNOJ-Bestimmungen für einen EU-Staat noch immer Gültigkeit haben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

18.58


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südost­europa.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates, keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 161

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Ap­ril 2011 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slo­wenien über den Verlauf der Staatsgrenze in den Grenzabschnitten VIII bis XV und XXII bis XXVII.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.01.0322. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Insolvenz-Entgelt­sicherungsgesetz geändert werden (1502/A und 1170 d.B. sowie 8504/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir kommen nunmehr zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kemperle. Ich bitte um den Bericht.

 


19.01.29

Berichterstatterin Monika Kemperle: Herr Minister! Frau Ministerin! Geschätztes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen Bundesräte! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Fi­nanzierungsgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sofort zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Bundesrat Brückl. Ich erteile es ihm.

 


19.02.22

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Insolvenz-Entgelt-Fonds ist das Geld ausgegangen oder, um das ein bisschen plakativer oder volkstümlicher zu sagen: Der Pleitefonds ist selber pleite.

Das Problem war bekannt. Im Jahr 2009 hat der Abgang des Fonds 88 Millionen € be­tragen. 2010 belief sich der Abgang auf 113,1 Millionen €. Das war auch der Anlass dafür, dass man vor wenigen Monaten den Budgetbegleitgesetzen Artikel 112 hinzuge­fügt hat, in dem es geheißen hat, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, die AUVA, wird ermächtigt, dem Insolvenz-Entgelt-Fonds Mittel in Höhe von 60 Millionen € als zin­senloses Darlehen zur Verfügung zu stellen.

Ich bin der Meinung, dass das keine gute Idee war und, wie sich jetzt zeigt, war es das ja auch tatsächlich nicht. Ich meine, es ist ganz klar, die AUVA ist keine Bank. Dass es


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 162

nicht geht, dass die so einfach 60 Millionen € aus dem Hut zaubert, ist mir klar. Dazu kommt, dass man in diesem Fall ja auch – erstmals nämlich – Dienstnehmerbeiträge hätte anzapfen müssen, denn in den Topf zahlen ja nur die Dienstgeber ein. Das heißt, ich glaube, auch hier ist manchen das Eisen etwas zu heiß geworden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nach mir reden Gerald Klug und Edgar Mayer, und der Herr Minister kann sich auch noch zu Wort melden. Die können es mir dann ohnehin warm und kalt geben, aber bitte lasst mich jetzt einfach reden. (Bundesrat Mayer: Jawohl!)

Also die Beiträge werden von den Dienstgebern geleistet, plus einen Zinsgewinn, den es auch gibt. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Am Wort ist der Redner!

 


Bundesrat Hermann Brückl (fortsetzend): Danke, Herr Präsident!

In Wirklichkeit stellt sich ja auch jetzt heraus, dass es tatsächlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein gewesen wäre, denn mit den 60 Millionen € hätte man gut einmal die Hälfte des Abgangs aus dem Jahr 2010 bedienen können. Es ist ja auch die Eigen­schaft eines Darlehens, die ihm anhaftet, dass man ein Darlehen auch zurückzahlen muss. Bei der derzeitigen Entwicklung ist es durchaus vorstellbar, dass das nicht so leicht möglich gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang frage ich mich jetzt aber schon auch, warum man das nicht so wirklich ernst genommen hat. So kommt mir das vor. Das war schlecht vorbereitet und offensichtlich auch eine wirkungslose Maßnahme. Also das muss man, bitte, zu­künftig besser machen.

Dazu kommt – und das muss ich auch sagen – ein gewisser unsozialer Aspekt, den dieses Gesetz aufweist oder der diesem Gesetz anhaftet, und zwar in der Hinsicht, dass man durch die Streichung der Befreiung bei älteren Arbeitnehmer vom Arbeits­losenversicherungsbeitrag den Arbeitgebern, die ja diesen Beitrag eben bezahlen, so wie ich vorhin schon gesagt habe, den Anreiz nimmt, dass man ältere Arbeitnehmer behält beziehungsweise auch einstellt. Ältere Arbeitnehmer werden es deshalb unter anderem vielleicht schwerer haben, dass sie wieder in Arbeit kommen, wenn sie zum Beispiel arbeitslos waren. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Noch etwas, Frau Kollegin: Gleichzeitig wird immer wieder betont, dass die Menschen bei uns länger arbeiten sollen, dass sie später in Pension gehen sollen, damit wir das Pensionssystem finanzieren können. Wenn ich das will, wenn ich das wirklich will, dann muss ich auch dafür sorgen, dass ich älteren Arbeitnehmern auch die Möglichkeit gebe, dass sie ausdienen können. Ich muss Anreize für sie schaffen und muss sie dabei unterstützen, damit das auch der Fall ist. Ältere Arbeitnehmer haben ohnehin schon den „Nachteil“ – unter Anführungszeichen – des Alters.

Alles in allem, so wie der Vorschlag jetzt vorliegt und auf dem Tisch liegt, gleicht es eher einem Pyrrhussieg. Man stopft zwar das Pleiteloch im Pleitefonds, gleichzeitig aber entzieht man den älteren Arbeitnehmern eine notwendige und richtige Unterstüt­zung bei der Arbeitsplatzsicherung und Arbeitsplatzfindung. (Beifall bei der FPÖ.)

19.06


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile es ihm.

 


19.06.57

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der Redne­rInnenliste zu diesem Tagesordnungspunkt können wir heute eine „klassische“ Rollen­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 163

verteilung machen. Wir werden den Arbeitnehmerflügel abdecken, ihr (in Richtung ÖVP) deckt den anderen Flügel ab.

Kollege Brückl, in der Sprache sind wir natürlich sensibel. Insofern war es verständlich, dass Franz Perhab eine kurze Schrecksekunde gehabt hat. Aber ich konstatiere einen Sprechfehler bei der Frage, wer die Beiträge zahlt. Ein Sprechfehler kann uns allen einmal passieren, aber da Franz Perhab zahlt, verstehe ich, dass er aufgeregt war.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich sage das in diesem Zusammenhang deshalb, weil wir im Sozialausschuss immer wieder durchaus zur Kenntnis genommen haben, dass, wenn Kollege Brückl anwesend war, das immer inhaltlich interessante Diskussionen waren. Daher bin ich mir ganz sicher, dass das ein Sprechfehler war. Aber, wie gesagt, das kann jedem einmal passieren. Es war diesbezüglich nicht wirklich ein Stress.

Wenn ich von „klassischer“ Rollenverteilung spreche, dann darf ich sagen, dass sich seitens der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion auch noch meine liebe Kollegin Juliane Lugsteiner zu Wort gemeldet hat, die viele Details dazu sagen wird. Deshalb beschränke ich mich auf das Generelle.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erreichen mit dieser heutigen Maßnahme eine un­seres Erachtens wichtige sozialpolitische Zielsetzung, nämlich jene, dass jener Fonds wieder gut dotiert wird, der dann zur Verfügung steht, wenn Unternehmen in Österreich in Schwierigkeiten gekommen sind und nur mehr schwer bis gar nicht mehr in der Lage sind, Löhne und Gehälter auszuzahlen. Ich sage das deshalb so entspannt, weil gera­de auch durch die Wirtschaftskrise deutlich zutage getreten ist, dass Insolvenzen in der Betriebsführung nicht immer selbst verschuldet entstehen müssen. (Bundesrätin Zwazl: Fast nie!) Da wird man stark strapaziert. Jetzt wollte ich eine „klassische“ Rollenver­teilung machen, aber da wird man wirklich stark strapaziert. Also auch nicht selbst ver­schuldet.

Uns von der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion ist es in diesem Zusammenhang ein großes Anliegen, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewährleistet wird, dass sie trotzdem ihre Lohn- und Gehaltsansprüche erhalten. Insofern freue ich mich, dass diese Maßnahme heute gemeinsam gelingt. Was die näheren Ausführun­gen betrifft, kann ich mich auf meine liebe Kollegin verlassen. – Vielen herzlichen Dank. Glückauf! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.09


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich als Nächster Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


19.10.02

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gelernt, man muss sehr auf die Wortwahl achten. Herr Kollege Brückl, „Pleitefonds“ war dann offensichtlich ein Versprecher (Bundesrat Brückl: Nein, das war keiner!), oder zumindest war es abge­kupfert vom Kollegen Kickl, der das bereits im Nationalrat erwähnt hat. Jetzt gibt schon zwei Kriterien: Versprecher und Abkupferer. Okay. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Plagiat! – Bundesrat Mag. Klug: Genau!)

Tatsächlich reden wir vom Insolvenz-Entgelt-Fonds, der seine Bedeutung vor allem für jene Kolleginnen und Kollegen hat – darum geht es uns als Arbeitnehmervertreter na­türlich –, die aufgrund einer plötzlichen Insolvenz ohne Löhne, ohne Gehälter, sehr oft natürlich auch ohne Abfertigung dastehen, weil sie aus der Insolvenzmasse nichts be­kommen und überhaupt keine Absicherung haben. Ich denke, wenn eine derartige Fir­ma insolvent ist, dann soll in einem Sozialstaat wie Österreich auch ein Fonds, eben der Insolvenz-Entgelt-Fonds einstehen, damit die Mitarbeiter zu ihrem verdienten Geld und zu ihrer Entlohnung kommen.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 164

Das wundert mich dann schon, Herr Kollege Brückl, dass die glorreiche oder glori­fizierte soziale Heimatpartei sich dann hier herstellt und das Ganze boykottiert. Da geht es um viel Geld, und da sind oft die Ärmsten der Armen mit dabei. Das ist dann schon schwer zu begründen, warum man einen derartigen Fonds nicht entsprechend dotieren soll. Da habe ich dann schon meine Probleme damit, Herr Kollege.

Wir wissen auch, warum das so weit gekommen ist. Ich meine, die Wirtschaftskri-
se 2009/2010 ist gerade überwunden. Da sind natürlich auch sehr viele Unternehme­rinnen und Unternehmer aufgrund dieser Krise eben auch in Konkurs gegangen. Der Fonds hat deshalb auch entsprechende Finanzierungsprobleme.

Deshalb ist es wichtig, dass hier neues, frisches Geld zufließt. Natürlich werden auch andere Maßnahmen damit gesteuert, Mittel für andere Maßnahmen zur Verfügung ge­stellt.

Das ist auch ein wichtiger Punkt, so denke ich, dass es zu keiner Erhöhung der Lohn­nebenkosten kommt. Ich möchte nicht die Frau Präsidentin Zwazl erschrecken, die sehr genau zuhört. (Bundesrätin Zwazl: Schon vorher ...!) Also, es kommt nicht zu ei­ner Erhöhung der Lohnnebenkosten. Ich denke, da sind die ArbeitnehmerInnen und Ar­beitgeber auf einer Linie. Das kann man gut so nachvollziehen, Frau Präsidentin!

Wie sich das verhält, woher sich das Geld dann entsprechend rekrutieren wird, woher wir das Geld bekommen, wie das mit den 58-Jährigen und 57-Jährigen ist, wird dann Frau Kollegin Lugsteiner entsprechend darstellen, wie ich denke. (Allgemeine Heiter­keit.) Ich kann nur sagen, dass in diesen Fonds in den nächsten Jahren insgesamt 800 Millionen € zusätzlich nach einem entsprechenden Aufteilungsschlüssel fließen sollen: jeweils 41 Prozent davon in den Insolvenz-Entgelt-Fonds und als Rücklage in den Arbeitsmarkt, und die restlichen 18 Prozent werden dann zur Arbeitsabgangsde­ckung in der Arbeitsmarktpolitik verwendet.

Wie wir im Ausschuss gehört haben, der übrigens sehr informativ war, soll auch eini­ges Geld in die Jugendbeschäftigung fließen. Ich denke, dass wir da nach dem Abgang von Kommerzialrat Egon Blum doch einiges an Problemen, einiges an Defiziten nun haben, weil jetzt mit der Abschaffung des Qualitätsbonus zusätzlich auch die letzte Maßnahme aus diesem großen Egon-Blum-Projekt oder -Programm gestrichen wurde. Die Vorarlberger haben sich ja da entsprechend artikuliert und haben das natürlich auch nach Wien kommuniziert.

Ich kann mich erinnern, Herr Bundesminister, dass wir einmal bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Vorarlberg noch zu deinen glorreichen Zeiten als ÖGB-Präsident über eine Facharbeiteroffensive gesprochen haben. Da sind wir jetzt wieder angelangt, weil wir nach der Wirtschaftskrise in einigen Bereichen große Probleme haben, Fachar­beiter zu finden, insbesondere auch in den metallverarbeitenden Berufen. Da herrscht bereits ein eklatanter Facharbeitermangel. Ich denke, eine Facharbeiteroffensive ist wichtig: Facharbeiter rekrutieren wir eben nur über eine entsprechende hochwertige Lehrlingsausbildung.

Ich denke, wir sind aufgerufen, hiefür wieder sehr, sehr aktiv mit den UnternehmerIn­nen und Unternehmern zusammenzuarbeiten. Jeder zusätzliche Lehrling, jeder, der ei­ne duale Lehrlingsausbildung macht, ist eine Investition in die Zukunft. Das muss man hier in aller Deutlichkeit anfügen, wobei Österreich – das haben wir heute schon mehr­mals gehört und das kann man nur unterstreichen – seine Hausaufgaben im Bereich der Arbeitsmarktpolitik gemacht hat.

Wir haben eine der geringsten Arbeitslosigkeitsraten in Europa – mit den Holländern zusammen –, und wir haben auch die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Ich denke, da ist auch ein ausschlaggebender Faktor, dass wir rechtzeitig entsprechende Impulse auf dem Arbeitsmarkt gesetzt haben und dass wir auch entsprechende Hilfe­


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 165

stellung geboten haben. Dazu gehört auch ein entsprechend dotierter Insolvenz-Ent­gelt-Fonds, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir werden deshalb selbstverständlich der Neuzuführung von Mitteln für den Insol­venz-Entgelt-Fonds gerne unsere Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.15


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Lug­steiner. Ich erteile es ihr.

 


19.15.45

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dankens­werterweise haben mich die Kollegen schon angekündigt. Ich darf sehr viel dann der Frau Präsidentin für die Arbeitnehmerseite überlassen. (Allgemeine Heiterkeit. – Bun­desrätin Zwazl: Wieso wollt ihr unbedingt, dass mich alle beißen? Die wollen alle schon heimgehen!) Ich werde mich auch sehr kurz halten.

Zum Insolvenz-Entgelt-Fonds, der im Jahr 1978 gegründet wurde und dazu dient, Be­schäftigten, deren Unternehmen insolvent geworden sind, Löhne, Gehälter oder auch Abfertigungen auszuzahlen: Die Wirtschaftskrise, nicht von der Realwirtschaft verur­sacht, hat leider bei mehreren Firmen Zahlungsunfähigkeit, sprich Insolvenz ausgelöst. Dieser Umstand führte zum Initiativantrag von Nationalrätin Csörgits, Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, um die Zufuhr zusätzlicher Mittel an den Insolvenz-Entgelt-Fonds zu sichern.

Die Finanzierung erfolgt durch den Entfall der Befreiung des Arbeitslosenversiche­rungsbeitrages bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nach dem 1. Juli dieses Jahres das 58. Lebensjahr vollenden. Bis 2015 werden 800 Millionen € aufgrund dieser Maßnahme erwartet. Für heuer sind es noch 9,7 Millionen €, für 2012 82,6 Millionen €, für 2013 155 Millionen €, für 2014 273,3 Millionen € und für 2015 279 Millionen €. Die Aufteilung der Mittel hat mein Kollege bereits genannt: für den Insolvenz-Entgelt-Fonds, für betriebliche Lehrlingsförderung und für arbeitsmarktpolitische Projekte.

Wenn man die Zahlen hört und wenn man zu den Ländern mit den geringsten Arbeits­losen gehört, dann kann man sagen: Es ist richtig, rechtzeitig Maßnahmen zu setzen, um den Menschen, wenn Hilfeleistung notwendig ist, diese auch angedeihen zu las­sen. In aller Kürze: Danke schön! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.17


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Kommerzialrätin Zwazl. – Bitte. (Rufe: Präsidentin!)

 


19.18.10

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt die Chance, mich heute beliebt zu machen, indem ich mich kurz fasse; aber ein paar Worte erlauben Sie mir trotzdem.

Wir alle wissen, dass wir in der Wirtschaft durch die Finanzkrise eine schwierige Zeit gehabt haben. Das Jahr 2008/2009 haben wir noch nicht ganz überwunden. Wenn ich mit meinen Unternehmerinnen und Unternehmern rede und sage: Na, wie schaut jetzt die Situation aus?, heißt es: Ja, die Aufträge sind gut, aber im Gegensatz zu früher sind wir unsicher, weil wir nicht wissen, wie die zukünftige Entwicklung sein wird!

Die Unternehmer sind deshalb etwas vorsichtiger und zurückhaltender mit neuen In­vestitionen. Das muss uns schon zu denken geben. Darüber muss man nachdenken,


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 166

denn das gehört zum Einmaleins der Betriebswirtschaft, weil Investitionen auf der an­deren Seite wieder wichtig für den Aufschwung sind und den Aufschwung sichern. In diese Richtung gehört ganz einfach unser Engagement gelenkt.

Dass wir in Österreich gute Arbeit geleistet haben, wissen wir. Davon sind wir über­zeugt. Man hat auch gesehen, dass unsere Unternehmen die schwierigen Jahre sehr gut überbrückt haben.

Was mir wichtig ist, heute noch dazuzusagen, ist, dass wir in Österreich den drittnied­rigsten Wert beim Anstieg der Insolvenzen in Westeuropa gehabt haben. Während durchschnittlich in Westeuropa ein Zuwachs an Insolvenzen von 19 Prozent war, ist er bei uns in Niederösterreich 9 Prozent gewesen. Wenn ich nach Skandinavien schaue, dann sehe ich: Dort ist der Anstieg zwischen 21 und 54 Prozent gewesen, also sehr beachtlich. Im Jahr 2010 haben wir schon eine spürbare Entspannung gehabt, die In­solvenzen sind um 7,6 Prozent gesunken.

Im Jahr 2008 waren knapp 21 000 Beschäftigte von Insolvenzen betroffen. Im Jahr 2009 waren es über 28 000, und im letzten Jahr waren es 24 000 Beschäftigte.

Dass sich angesichts dieser Entwicklung abgezeichnet hat, dass der Insolvenz-Entgelt-Fonds durch sinkende Einnahmen und durch steigende Ausgaben an die Grenze sei­ner Finanzierbarkeit gestoßen ist, ist uns auch allen klar.

Eines muss ich sagen, damit man das ein wenig ins rechte Licht rückt: Man soll auch ein bisschen über die Einbringungsquote in das Sozialsystem wissen. Ich habe immer den Eindruck – zumindest bin ich der Meinung –, dass man es nicht weiß und dass es nicht bekannt ist, dass die Unternehmen jährlich 25 Milliarden € in die sozialen Töpfe zahlen und die Einbringungsquote bei 99,51 Prozent liegt.

Wir haben das heute schon einmal gesagt: Es gibt leider auch bei Unternehmen Fälle eines redlichen Scheiterns. Für die 0,49 Prozent, die durch das Insolvenzverfahren nicht eingebracht werden können, springt der Insolvenz-Entgelt-Fonds ein und leistet die nicht abgeführten Dienstnehmerbeitragsanteile an die Sozialversicherungen. Aber dieser Fonds wird ausschließlich von den Unternehmen finanziert.

Es ist ja bekannt, dass der Beitrag zum Fonds im Jahr 2008 zur Entlastung der Lohn­nebenkosten von 0,7 auf 0,55 Prozent herabgesetzt wurde. Das wollen wir auch so ha­ben. Es wäre das schlechteste Signal, wenn wir jetzt wieder eine Beitragserhöhung vornehmen, denn das verhindert, dass unsere Unternehmen wieder besser in Fahrt kommen. Höhere Lohnnebenkosten steigern nicht die Wettbewerbsfähigkeit.

Wir sind in Österreich ohnehin und waren bis jetzt zumindest auf dem Weg, Europa­meister zu werden, was die Höhe der Steuerabgaben betrifft, während drei Länder, die noch vor uns liegen – wir hätten jetzt bald einen Stockerlplatz – die Abgaben senken. Wir haben heute gehört – da setze ich sehr viel Hoffnung in die neue Finanzministe­rin –, dass das Steuersystem weniger, einfacher und leistungsgerechter wird. (Bundes­rat Mag. Klug: Und sozial gerechter!) – Sozial gerechter auch! Ich hoffe nicht, dass wir da wirklich in die Gelegenheit kommen, hiebei einen Stockerlplatz zu kriegen.

Zur Sicherung der Finanzkraft des Insolvenz-Entgelt-Fonds ist es uns wichtig, dass die Beiträge nicht erhöht werden und – das ist ein ganz wesentlicher Punkt für uns in der Wirtschaft – wir nicht auf die Basisförderung für die duale Berufsausbildung verzichten müssen, Herr Minister. Diese ist für die Unternehmer ganz einfach ein wesentlicher Beitrag zur Unterstützung der Lehrlingsausbildung, weil unsere Betriebe ja nichts an­deres wollen als eine Abgeltung der Berufsschulzeit.

Wir haben auch dadurch in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Entwicklung der Lehrlinge relativ stabil halten können. In Zukunft haben wir ohnehin größere Probleme durch die demographische Entwicklung. Fachkräfte sind uns ganz einfach wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 167

Jetzt komme ich zum Wegfall der Befreiung von den Arbeitslosenversicherungsbei­trägen für ältere Arbeitnehmer bis Ende 2015. Es ist klar, durch den Wegfall werden die Lohnnebenkosten für ältere Beschäftigte wieder höher, aber über die arbeitsmarkt­politischen Effekte dieser Befreiung gibt es ja ohnehin unterschiedliche Meinungen.

Eines möchte ich auch sagen: Mich hat ein wenig die Wortwahl irritiert, Herr Kollege Brückl! Bei uns „dienen“ die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht, sie arbeiten. (Bun­desrat Brückl: Was habe ich gesagt?) – Sie haben gesagt, sie „dienen“. (Bundesrat Brückl: „Ausdienen“!)

Unsere Unternehmen sind nur deshalb so gut unterwegs, weil die Unternehmerinnen und Unternehmer gut sind, aber wir brauchen gute, professionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kein Unternehmer setzt freiwillig eine exzellente Fachkraft, nur weil sie 58 Jahre alt ist, auf die Straße und nimmt sich jemanden, der vielleicht ein bisschen weniger kostet, aber wo die Einschulungskosten ja ein Vielfaches ausmachen!

Also, Sie dürfen schon Vertrauen in die Unternehmer haben, dass wir wissen, was wir an unseren erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben. Wir wollen keine Lohnnebenkostenerhöhungen haben, aber da sind wir bereit, es zu machen, weil wir wissen, dass wir das Geld brauchen.

Wir brauchen auch die Finanzierung. Wir müssen auch schauen, dass wir unser Pen­sionssystem finanzieren. Deshalb ist es uns auch wichtig, dass wir die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer länger im Arbeitsprozess halten. Schauen wir uns das an! Da­rüber müssen wir schon auch reden. Die Erwerbsquote älterer Menschen liegt in Ös­terreich bei knapp 41 Prozent. Wir haben damit eine der niedrigsten in der Europäi­schen Union.

Wir sollen nicht immer wieder sagen: Bitte schön schau, dass du ältere Arbeitnehmer behältst! Man soll ihnen nicht immer das Alter umhängen und sagen, dass sie nichts bringen. Ich kratze jedem die Augen aus, wenn er sagt: Die ist alt und bringt keine Leistung mehr! – Na hallo, so ist es ja nicht! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth. – Bundesrat Brückl: Ich habe das nicht gesagt!)

Ältere Arbeitnehmer soll man nicht immer so hinstellen, als wenn das eine Gnade wä­re, dass sie noch irgendwo arbeiten dürfen. Sie bringen ihre Leistung, und in der Wirt­schaft zahlen wir für die Leistung. Wir brauchen das auch, damit wir auf der anderen Seite wieder schauen, dass wir uns das bei der Pension und bei der Finanzierung un­serer Pensionen leisten können. (Bundesrätin Mühlwerth: Warum ... wir das dann?) – Bitte? Ich weiß nicht, was ihr da überhaupt für einen Zugang zu den Mitarbeitern habt! (Bundesrätin Mühlwerth: Du hast gesagt, nur 40 Prozent sind im Erwerb! Woher kommt das?) – 41 Prozent! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Weil wir den Leuten einreden (Bundesrat Brückl: „Einreden“!) und sagen, wann sie in Pension gehen können, und das ganz einfach bei uns eine Zeitlang in war und noch immer in ist, früh in Pension zu gehen.

Aber wir, die Wirtschaft legen Wert darauf, dass wir die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter länger im Arbeitsprozess haben, weil wir auf der einen Seite wissen, dass das auch ungerecht der jungen Generation gegenüber ist. Auf der anderen Seite müssen wir auch schauen, dass wir uns dieses Pensionssystem erhalten können. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) Ja, also! Wir sind dafür. (Bundesrätin Mühlwerth: Es gibt auch an­dere Fälle, wo die Arbeitnehmer länger arbeiten wollen und nicht dürfen!) – Ja, du wirst immer jemanden finden, der das anders haben will.

Wichtig ist mir aber: Wenn wir schon darüber reden, ältere Arbeitnehmer auch länger im Arbeitsprozess zu halten, dann müssen wir halt schauen, dass wir weiter gut auf Qualifizierung setzen, dass wir bei der betrieblichen Gesundheitsförderung etwas ma­chen. Und die Nutzung des Erfahrenwissens von älteren Erwerbstätigen ist für uns ein ganz wesentlicher Faktor.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 168

Für mich ist es ein sinnvoller Weg, die Befreiung des Arbeitslosenversicherungsbeitra­ges für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die nächsten Jahre auszuset­zen, damit Finanzmittel zur Sicherung des Insolvenz-Entgelt-Fonds lukriert werden können. Es ist ja schon gesagt worden, wie die 800 Millionen € Mehreinnahmen ver­wendet werden. Ich denke, es war bezüglich des Insolvenz-Entgelt-Fonds ganz einfach ein rasches Handeln nötig. Die Regierungsparteien haben hier mit einer vernünftigen und raschen Lösung reagiert, und zwar zur Wahrung der Leistungsfähigkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.29


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Hundstorfer. Ich erteile es ihm.

 


19.29.27

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte jetzt natür­lich der beliebteste Minister des Bundesrates werden. (Allgemeine Heiterkeit. – Bun­desrat Mag. Klug: Das bist du sowieso!) Ich bin konzeptmäßig auf eine halbe Stunde vorbereitet (allgemeine Heiterkeit), aber das möchte ich nicht so halten.

Ich werde mich kurz fassen, aber ein paar Dinge muss man schon sagen.

Punkt eins: Wir haben einen schönen Tag. Wir haben mit heute 17 Uhr um 22 018 Ar­beitslose weniger als ein Jahr davor. Das ist einmal grundsätzlich ein schöner Tag. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Damit Sie das wissen: Täglich um 17 Uhr „reden“ ein paar Computer miteinander über den Hauptverband, und wir kriegen dann um 17 Uhr immer die statistischen Zahlen. Das sind natürlich Tageszahlen, ist keine Frage, aber trotzdem, wir sind im 14. Monat im Minus. Nicht, dass wir Pleite sind, sondern im Minus bei der Arbeitslosigkeit. Grund­sätzlich ist im Wirtschaftsleben ein Minus nichts Erfreuliches, vor allem nicht bei Bilan­zen, aber in diesem Fall ist es etwas sehr, sehr Erfreuliches. Das ist Punkt eins.

Punkt zwei: Ich darf ein bisschen in die Geschichte schauen. Meine Damen und Herren der Freiheitlichen! Missverstehen Sie mich jetzt nicht, aber ich habe jetzt ein paar Tage mit Ihnen verbracht, so auch gestern im Sozialausschuss sechs Stunden: Wenn Sie wirklich eine arbeitnehmerfreundliche Partei wären, dann müssten Sie dem Ganzen zu­stimmen. Ich habe das schon im Nationalrat gesagt, denn: Worum geht es?

Es geht darum, dass wir mit diesem Insolvenz-Entgelt-Fonds zwei Elemente befriedi­gen: Das eine Element ist schon des langen und breiten erklärt worden: das sind die Insolvenzen. Und das zweite Element ist, dass wir rund 160 Millionen für betriebliche Lehrstellenförderung drinnenstecken haben und dass es erstmalig 2008 in Sozialpart­nerverhandlungen geglückt ist – ich war damals noch als ÖGB-Präsident dabei –, ei­nen Ausgleich zu haben zwischen jenen Betrieben, die ausbilden, und jenen Betrieben, die nicht ausbilden, weil alle in den Fonds einzahlen. Dieser Ausgleich wurde 2008 end­lich einmal herbeigeführt.

Wenn Ihnen von der FPÖ Lehrlinge wichtig wären, dann könnten Sie da nur ja sagen und nicht nein sagen und nicht mit fadenscheinigen Argumenten daherkommen, wir schädigten jetzt die Älteren.

Wir haben es uns nicht leichtgemacht und wir haben nicht gepfuscht. Wir haben lange gebraucht, um einen Kompromiss zu erzielen. Und die AUVA-Ermächtigung war eine reine Ermächtigung, die die AUVA hätte ziehen können oder nicht hätte ziehen kön­nen. Unter uns gesagt: Die AUVA hätte sich das leisten können. Die AUVA ist gut ge­führt, die AUVA steht gut da.


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 169

Die AUVA hat das aus vielen Gründen nicht gezogen. Das sind legitime Gründe, das sind nachvollziehbare Gründe. Das ist überhaupt nicht das Thema. Aber das Thema ist, dass wir uns dann hingesetzt haben, lange, komplizierte Verhandlungen geführt ha­ben – die Frau Präsidentin Zwazl war auch öfters dabei – und versucht haben, der Kollege Mitterlehner und ich, auf Sozialpartnerebene gemeinsam einen Kompromiss zu erzielen, bei dem es weiterhin möglich ist, die Insolvenzen zu erfüllen und gleichzeitig die betriebliche Lehrstellenförderung aufrechtzuerhalten. Und gemeinsam mit der Ar­beitnehmerseite haben wir einen Kompromiss erzielt, nämlich die Absicherung im In­solvenzfall bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Lehrstellenförderung.

Wir haben uns das nicht leichtgemacht, weil das natürlich alles nicht einfach ist, wenn du sagst: Du zahlst bitte in Zukunft weiter einen Beitrag! Aber es ist im Interesse der Jugend dieses Landes und auch im Interesse der älteren Arbeitnehmer in diesem Land, weil wir auch vereinbart haben, dass jenes Geld, welches von der Arbeitneh­merseite in das AMS kommt, natürlich verwendet werden muss für ganz spezielle Pro­gramme: einerseits für Programme, um die qualitative Lehrstellenförderung noch bes­ser zu machen, noch exakter zu machen, und auf der anderen Seite für noch bessere, noch exaktere Qualifizierungsprogramme für ältere Arbeitnehmer.

Noch zur Lehrstellensituation ganz kurz. Wir haben derzeit rund 122 000 Lehrverträge in unserem Land, und von diesen 122 000 Lehrverträgen, die wir jetzt im Mai haben, sind 10 000 in überbetrieblichen Lehrwerkstätten, der Rest ist in Betrieben, dort, wo sie hingehören. Es gibt auch den klaren Auftrag: Die überbetrieblichen Lehrwerkstätten müssen, sollen die Lehrlinge nach einem Jahr in betriebliche Lehrverträge hinein ver­mitteln.

Dieser Kreislauf funktioniert, weil uns natürlich klar ist, dass wir weiterhin qualifizierte Facharbeit brauchen. Und um das alles zu bewerkstelligen, ist dieser Kompromiss er­zielt worden, ist diese Konstruktion gewählt worden. Es ist weder ein Pfusch noch sonst etwas, sondern halt das Ergebnis auch, offen und ehrlich gesagt, einer guten ös­terreichischen Tradition – ich bin gleich fertig (Heiterkeit) –: Die Sozialpartner haben sich gemeinsam mit der Regierung hingesetzt und haben etwas zusammengebracht.

In diesem Sinne danke ich allen, die diesem Gesetzesbeschluss zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.35


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erledigt.

19.35.57Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 2827/J und 2828/J, einge­bracht wurden.

*****


BundesratStenographisches Protokoll796. Sitzung / Seite 170

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, der 1. Juni 2011, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 31. Mai 2011, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.36.49Schluss der Sitzung: 19.37 Uhr

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1017 Wien