BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 14

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Politisch bin ich der Überzeugung, dass alle Länder, die noch viel mehr Kultur in der Frage von Referenden haben als wir, auch keine eingesetzt haben, weil sie sagen, dass dies die Fortsetzung einer Maßnahme ist, die sich bewährt hat, und keine grund­legende Änderung der Vorgangsweise, und vor allem keine grundlegende Vertrags­änderung. Die könnte eines Tages kommen. Es gibt politische Kräfte in Europa, die wünschen sich tatsächliche, umfassende, maßgebliche Änderungen, zum Beispiel maßgebliche wirtschaftliche und soziale Kompetenzverschiebungen – dann schaut die Diskussion ganz anders aus, aber nicht beim EFSF/ESM.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Aber der ESM ist ja der dauerhafte Rettungsschirm (Bundeskanzler Faymann: Ja!), und da stellt sich auch für Österreich die Frage, wie lange wir in welcher Höhe Haftungen übernehmen können beziehungsweise Mittel lockermachen können  wenn es denn notwendig sein sollte, was niemand hofft.

Jetzt droht uns aber eine Verschuldenserhöhung durch die ausgegliederten Schulden, wie etwa ASFINAG oder ÖBB. Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Schulden in unser Budget, in unsere Gesamtverschuldung hineingerechnet werden?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Man muss zwischen Maastricht-wirksam und der Beurteilung von Finanzmärkten unterscheiden. Die Verschuldung der ÖBB und der ASFINAG, die insbesondere dadurch entstand, dass man Investitionen tätigte in diesen Bereichen, die damals ausgegliedert wurden, ist ja nie geheim gewesen. Es ist ja nicht so, dass da etwas zusätzlich aufgetaucht ist, was jetzt zu berücksichtigen ist, sondern es ist damals im Finanzministerium entschieden worden, dass die Ausgliederung hinsichtlich der Maastricht-Beurteilung möglich ist und daher gemacht wurde.

Aber es ist den Finanzmärkten und den Analytikern, so wie Ihnen und mir, nicht verbor­gen geblieben, dass es sie gibt. Insofern ist es ja keine neue Verschuldung, sondern eine Bewertungsfrage. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir, den ESM, der ja eine Dauereinrichtung darstellt, und die Budgets in unserem Land betreffend, eine hohe Verantwortung haben, unser Budget mittel- und langfristig so abzusichern, dass wir den Triple-A-Status behalten. Also ich nehme alle diese Bewertungen sehr ernst, weiß aber, dass sie die Finanzmärkte schon seit Jahren kennen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Saller zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundeskanzler! Die Frage ist zwar teilweise beantwortet, ich möchte sie aber trotzdem noch einmal stellen. Sie haben vor der Wahl 2008 versprochen, dass in Österreich über jede Änderung des Vertrages von Lissabon eine Volksabstimmung stattfinden wird. Warum ist nun aus Ihrer Sicht die für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM notwendige Änderung des Artikels 136 des Lissabon-Vertrages keine Vertragsänderung?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich glaube, ich habe beantwortet, warum ich über­zeugt bin, dass wir keine Volksabstimmung zu diesem Thema brauchen, aber ich kann noch einmal sagen, dass in der Diskussion auch die Frage, wann eine stattfinden soll, sehr offen – auch vor der Wahl, mitten im Wahlkampf – diskutiert wurde. So ist zum Beispiel der Beitritt Kroatiens kein Grund für eine Volksabstimmung. Das wäre, wenn Sie es jetzt immer dem Buchstaben nach nehmen, auch eine Änderung. Es ist aber


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