Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

800. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 6. Oktober 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

800. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Oktober 2011: 9.02 – 13.01 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsge­richtshofes für das Jahr 2010

2. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­ge­richtshofes für das Jahr 2009

3. Punkt: Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2010

4. Punkt: Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2009

5. Punkt: Jahresbericht 2010 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz 2000 geändert wird

7. Punkt: Protokoll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

8. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen

9. Punkt: Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Inves­titionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Re­publik Kasachstan

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschi­kistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit dem Verei­nig­


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 2

ten Königreich von Großbritannien und Nordirland zum Abschluss eines Ab­kommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen .................................................................................... 28

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 29

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität durch den Herrn Bundespräsidenten ............. 31

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Fragestunde (156.)

Bundeskanzleramt ......................................................................................................... 7

Ana Blatnik (1788/M-BR/2011); Martina Diesner-Wais, Johann Ertl, Elisabeth Kerschbaum

Gottfried Kneifel (1784/M-BR/2011); Mag. Gerald Klug, Cornelia Michalke

Monika Mühlwerth (1787/M-BR/2011); Josef Saller, Reinhard Todt, Efgani Dönmez, PMM

Johann Schweigkofler (1789/M-BR/2011); Martin Preineder, Mag. Reinhard Pisec

Dr. Magnus Brunner LL.M (1785/M-BR/2011); Monika Kemperle, Hermann Brückl

Elisabeth Kerschbaum (1791/M-BR/2011); Werner Stadler, Friedrich Hensler, Peter Mitterer

Ewald Lindinger (1790/M-BR/2011); Karl Petritz, Gerd Krusche

Mag. Bettina Rausch (1786/M-BR/2011); Michael Lampel, Hans-Jörg Jenewein, Dr. Jennifer Kickert

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ..................................................................... ..... 34

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 33


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 3

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichtshofes für das Jahr 2010 (III-443-BR/2011 d.B. sowie 8576/BR d.B.) ................................................... 34

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 34

2. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichtshofes für das Jahr 2009 (III-421-BR/2010 d.B. sowie 8577/BR d.B.) ................................................... 34

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 34

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 35

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 36

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 38

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 40

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 40

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 42

Franz Wenger .......................................................................................................... ..... 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, den Bericht III-443-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 45

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, den Bericht III-421-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 45

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2010 (III-444-BR/2011 d.B. sowie 8578/BR d.B.) ................................................................................................................. 46

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 46

4. Punkt: Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2009 (III-422-BR/2010 d.B. sowie 8579/BR d.B.) ................................................................................................................. 46

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 46

Redner/Rednerinnen:

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 46

Christoph Kainz ...................................................................................................... ..... 48

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 50

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 51

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 53

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 54

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, den Bericht III-444-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-422-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 55

5. Punkt: Jahresbericht 2010 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-439-BR/2011 d.B. sowie 8580/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 55

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 55


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 4

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 55

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 57

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 58

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 61

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-439-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 64

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz 2000 geändert wird (1275 d.B. und 1400 d.B. sowie 8571/BR d.B.)                64

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 65

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ..... 65

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ..... 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 67

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Protokoll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Ab­kommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (1331 d.B. und 1401 d.B. sowie 8572/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 67

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 67

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1332 d.B. und 1402 d.B. sowie 8573/BR d.B.) ..................... 67

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 67

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasachstan (1333 d.B. und 1403 d.B. sowie 8574/BR d.B.)                       67

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 67

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1334 d.B. und 1404 d.B. sowie 8575/BR d.B.) ............................................................. 67

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 67

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .............................................................................................. ..... 69

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ..... 70


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 5

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 70

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ............................................................... ..... 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 75

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Dr. Jennifer Kickert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Abschiebung mit Militärmaschine (2837/J-BR/2011)

Georg Keuschnigg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausschreibung und Vergabe der digitalen Dividende (2838/J-BR/2011)

Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Vermeidung von ungerechtfertigten Vorsteuerabzügen (Vorsteuerbetrug) (2839/J-BR/2011)

Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Vereinbarung über eine Weiterführung der stabilitätsorientierten Budget­politik (Österreichischer Stabilitätspakt 2001) (2840/J-BR/2011)

Martina Diesner-Wais, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend Bundesheer-Zentralküchen (2841/J-BR/2011)

Elisabeth Greiderer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern aus Tiroler Randbezirken (2842/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Streichung von Zugsverbindungen zwischen Graz und Salzburg beziehungsweise Innsbruck unter besonderer Berücksichtigung von Leoben (2843/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend bauliche Maßnahmen zur Herstellung der Tunnel­sicherheit im hochrangigen Straßennetz (2844/J-BR/2011)


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 6

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundes­räte Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Behinderung des Dienstleistungsverkehrs durch die Liechtensteinische Regierung (2620/AB-BR/2011 zu 2829/J-BR/2011)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „BSE-Sperrgebiete für Zuchtrin­der­exporte in die Türkei“ (2621/AB-BR/2011 zu 2833/J-BR/2011)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Bundesräte Dr. Jennifer Kickert, Kolleginnen und Kollegen betreffend inkohärente Menschenrechtspolitik des Außenministeriums in Bezug auf Unterstützung von PRIDE-Veranstaltungen am Beispiel Bratislava und Tallinn (2622/AB-BR/2011 zu 2830/J-BR/2011)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Ferdinand Tiefnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Allgemeinmediziner/innen: notwendige Verbesserungen für Haus- und Landärzte (2623/AB-BR/2011 zu 2832/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Franz Wenger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schulreform, die Klags­einbringung Salzburgs gegen den Bund und die Fortschritte der Neuen Mittelschule in Salzburg (2624/AB-BR/2011 zu 2831/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend mögliches Mobbing durch die Direktorin Maria Kornfeld am BG Babenbergerring Wiener Neustadt (2625/AB-BR/2011 zu 2834/J-BR/2011)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausschreibung und Vergabe der digitalen Dividende (2626/AB-BR/2011 zu 2836/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Jennifer Kickert, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Causa Michail Golowatow (2627/AB-BR/2011 zu 2835/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Jennifer Kickert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschiebung mit Militärmaschine (2628/AB-BR/2011 zu 2837/J-BR/2011)


 


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 7

09.02.27Beginn der Sitzung 9.02 Uhr

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne hiermit die 800. Sitzung des Bundesrates.

Es ist mir eine große Freude, zu dieser 800. Sitzung des Bundesrates den Herrn Bun­deskanzler bei uns begrüßen zu dürfen. Werner, herzlich willkommen bei uns im Bun­desrat! (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 799. Sitzung des Bundesrates vom 21. Juli 2011 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. Muna Duzdar, Manfred Gruber, Johann Kraml, Stefan Schennach und Franz Perhab.

09.03.24Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.03 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundeskanzleramt

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Blatnik, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Bundeskanzler! Gospod zvezni kancler!

1788/M-BR/2011

„Wie stehen Sie dazu, dass die Länder Schweden und Tschechien weiterhin auf den Ausbau von Atomenergie setzen?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Wertes Präsidium! Sehr verehrte Mitglieder des Bundesrates! Frau Bundesrätin! Tatsächlich ist in Fragen der Atomenergie in einigen Ländern Europas so etwas wie eine positive Umkehr oder eine Änderung der Haltung in unsere Richtung passiert – leider nicht bei unserem direkten Nachbarn, der Tschechischen Republik. Auch in Schweden ist noch nicht absehbar, ob die Diskussion eine derartige Wendung nimmt, wie das etwa in Deutsch­land oder in der Schweiz der Fall ist.

Das heißt für uns, dass die Informationsarbeit, die Aufklärungsarbeit über die Gefah­ren, Risken und Kosten der Atomtechnologie auf europäischer Ebene mit großem Tempo und großer inhaltlicher Intensität weiterzuführen ist, denn hätte vor zwei Jahren jemand gesagt, Fukushima sei möglich, dann wären die Atomexperten aus allen Ländern der Welt zusammengetroffen und hätten gesagt, das sei nur Angstmache.

Die Realität hat uns hier überholt und wir müssen die Diskussion dazu nützen, auch unseren direkten Nachbarn, aber natürlich auch Schweden und andere, die heute noch


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 8

immer sehr auf Atomtechnologie setzen, wie Frankreich, in diesen Prozess einzu­beziehen. Das ist eine Diskussion, die uns die nächsten Jahre beschäftigen wird; das ist eine Diskussion über den Atomausstieg, wo wir Österreicher eine klare Haltung haben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Bundeskanzler! Welche energie­politischen Maßnahmen halten Sie konkret für sinnvoll, um einen Ausstieg aus der Atomenergie voranzutreiben?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wir haben sowohl in der Bundesregierung einen Aktionsplan als auch natürlich in den zuständigen Ministerien darüber hinausgehende Aktionen und Maßnahmen beschlossen. Dazu gehört, dass wir derzeit intensiv über einen wichtigen Schritt, die Stromkennzeichnungsverordnung, verhandeln als Einstieg in die Frage: Können wir überhaupt technisch-rechtlich den Import von Atomstrom stoppen?

Wir arbeiten hier sehr eng mit den NGOs zusammen und suchen nach Wegen, das Ziel zu erreichen, nicht nur ein Land zu sein, das selbst keine Atomkraftwerke baut, sondern auch ein Land zu werden, das mit eigener erneuerbarer Energie und jeden­falls ohne Kernenergie das Auslangen findet. Wenn das rechtlich-technisch gelingt, dann wäre das ein weiterer Schritt zu sagen, wir Österreicher haben keine Atomtech­nologie und wir benötigen auch keinen Import von Atomstrom. Das wäre zur Gesamt­heit der Glaubwürdigkeit und damit zur Stärkung unserer Position in Europa ein wich­tiger nächster Schritt.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Diesner-Wais zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats enthalten in den letzten drei Jahren allem Anschein nach keinen Hinweis auf Ihre Initiative zum europaweiten Atom­aus­stieg.

Wann haben Sie das Thema zuletzt beim Europäischen Rat angesprochen und wie haben die anderen Mitgliedstaaten darauf reagiert?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es vergeht nahezu kein europäisches Treffen, egal, ob bilateral oder in informellen Sitzungen und damit bei Tagungen im Zuge des Europäischen Rats, aber auch darüber hinaus bei Staatsbesuchen und bei vielen informellen Kontakten, die es bei den verschiedensten Gipfeln gibt, wo wir nicht sehr deutlich unseren Standpunkt klarmachen. Die letzte Möglichkeit war gemeinsam mit anderen Regierungsverantwortlichen in Warschau, als die Frage der Ostpartnerschaft auf der Tagesordnung gestanden ist. Auch dort war genau diese Frage ein Thema: Wie können wir Energiesicherheit, Diversifikation schaffen, um nicht international auf Kohle setzen zu müssen, die ja im Rahmen des CO2-Reduktionsprogramms einer jener Stoffe ist, die nicht zu den Zukunftstechnologien gehören, und wie können wir anderer­seits erneuerbare Technologie auch mit unseren Nachbarn in der Region, auch außerhalb der Europäischen Union vorantreiben mit einem ganz klaren Ziel, nämlich die Kernenergie zurückzudrängen?

Wir haben hier auf allen Ebenen einen sehr aktiven Einsatz, weil wir in Österreich – und das unterscheidet uns von anderen – durch eine Volksentscheidung sehr früh


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 9

erkannt haben, dass es sich um eine Technologie ohne Zukunft, wenn man von Nach­haltigkeit spricht, handelt.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ertl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! In den Medien tauchen immer wieder Zahlen auf, dass Österreich Atomstrom impor­tiert.

Dazu meine Frage: Wie viel Atomstrom, in Prozenten gerechnet, importiert Österreich tatsächlich?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Da kann ich nur auf die Rechnungen des Wirt­schafts- und Umweltministers verweisen, die immer deutlich geringer sind als jene in den Medien, aber ich sage Ihnen, wirklich feststellen wird man das erst, wenn eine Kenn­zeichnungsverordnung dies auch ermöglicht. Verhindern kann man es, wenn technisch-rechtlich diese Möglichkeit der Verhinderung besteht. Bis dahin wird in einem Netz, in dem die Unterscheidung gar nicht so leichtfällt, eine Bandbreite zwischen den Experten, selbst innerhalb der Experten bestehen; und da rede ich noch gar nicht von den Medien, die sind, was Bandbreiten betrifft, dann noch großzügiger.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie vertreten auch den Haupteigentümer des VERBUNDs Österreich, welcher ja im Ruf steht, einer der größten Atomstromimporteure des Landes zu sein.

Was unternehmen Sie, damit es hier eine Wende gibt und dass der VERBUND Strom liefert, so wie er es in der Werbung verspricht?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Der VERBUND war Teil unseres Atomgipfels und damit jener Verhandlungen und Besprechungen, die wir auch mit den NGOs hatten. Nun gibt es hier natürlich Unterschiede in der Diskussion. Es wird Sie nicht verwun­dern, dass Greenpeace ganz andere Argumente vorbringt als etwa der VERBUND. Aber eines muss man, insbesondere was den Wirtschaftsminister betrifft, der diese Gespräche maßgeblich führt, unterstreichen und voll anerkennen: dass auch er gesagt hat, er möchte, dass der VERBUND verstärkt auf Wasserkraft setzt.

Da gibt es ein engagiertes Ausbauprogramm, das nicht immer einfach ist, denn es ist relativ leicht zu sagen: Wir Österreicher setzen auf die Wasserkraft. Wenn man dann zu den konkreten Projekten und zu den Verfahren kommt, würde ich auch Sie alle um Unterstützung ersuchen, denn theoretisch die erneuerbare Energie auszubauen ist noch nicht praktisch ausgebaut.

Also ich vertraue dem VERBUND, dass er diese Alternativen, die sowohl in der Solar- und Windkraft, aber natürlich auch in der Wasserkraft bestehen, auch in der verstärk­ten Energieeffizienz von bestehenden Wasserkraftwerken, durch dieses Ausbau­programm voll vorantreibt, damit wir nicht auf Importe angewiesen sind und – wie gesagt, wenn es sich auseinanderhalten lässt – insbesondere nicht auf Atomstrom­importe.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Kneifel, um die Verlesung der Anfrage.

 



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 10

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Es ist für uns als Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung und Körperschaft wichtig, zum frühestmöglichen Zeitpunkt über Entscheidungen und Diskussionspunkte auf euro­pä­ischer Ebene informiert zu werden.

Deshalb frage ich Sie:

1784/M-BR/2011

„Welche genaue Position werden Sie beim Europäischen Rat am 17. und 18. Okto­ber 2011 im Zusammenhang mit den dort zu treffenden politischen Entscheidungen über notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise vertreten?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sie wissen, dass wir in einem Prozess sind, der mit bilateralen Hilfen für jene Länder der Eurozone begonnen hat, die nicht in der Lage waren, am Finanzmarkt ausreichend und mit leistbaren Zinsen Geld zur Bedienung ihrer Staatsschulden aufzunehmen.

Diese bilateralen Hilfen haben nicht ausgereicht und es war notwendig, einen Schutz­schirm im Rahmen des EFSF zu gestalten. Dieser ist in mehreren Ratssitzungen immer wieder erhöht, verbessert, konkretisiert worden – auch im Zusammenhang mit jenem Satz, der diesen EFSF zu einer Dauereinrichtung machen soll, dem ESM, über den wir ja noch bei einer anderen Frage zu befinden haben werden.

Das heißt, es wird auch dieser Europäische Rat in der konsequenten Linie der Aus­gestaltung des EFSF, wie wir ihn öffentlich vorgestellt haben, bleiben. Die Finanz­minister führen Verhandlungen zur Frage der Konditionalität, also ob die Bedingungen, die vorgegeben sind, eingehalten werden – und wenn nicht, wie man erreichen kann, dass diese Bedingungen im Falle Griechenlands eingehalten werden. Die Troika, die sich ja aus den unterschiedlichen Institutionen, die für diese Hilfen notwendig sind, zusammensetzt, wird einen Bericht liefern. Meine informellen Gespräche, aber mittlerweile auch die öffentliche Diskussion gehen in die Richtung, dass die Troika erst Ende Oktober/Anfang November tatsächlich fertig sein wird, sowohl mit ihren Erhe­bungen als auch mit ihren Vorschlägen, wie sie im Falle Griechenlands weiter vorzu­gehen gedenkt.

Also wird sich meiner Meinung nach die Diskussion im Europäischen Rat stärker auf eine grundsätzliche Diskussion beziehen, nämlich ob es allen Ländern gelingt, die Beschlüsse in ihren eigenen Parlamenten herbeizuführen, die notwendig sind, dass das, was wir beim EFSF und dann in der Umwandlung zum ESM vereinbart haben, im Fahrplan zu halten ist.

Wir Österreicher haben diese Beschlüsse zustande gebracht. Unser Nachbar, die Slowakei ist noch in heftigen Diskussionen. Also wird dieser Europäische Rat sicher dazu dienen, sich darüber auszutauschen, wie weit – 45 Parteien sind allein in den Regierungen der Eurozone involviert – dieser demokratische Prozess vorangegangen ist, um das, was wir uns fix vorgenommen haben, auch zu installieren.

Da sind wir noch nicht fertig. Es wäre vermessen zu sagen: Der Beschluss ist schon unter Dach und Fach, reden wir schon über den übernächsten! – Bekanntlich können ja die letzten Meter, die zwar nicht so weit ausschauen, sehr entscheidende Meter werden.

Das Zweite ist die Frage: Wie kann man generell in jenen Ländern – und da spreche ich jetzt nicht über Griechenland; das ist eine Sondersituation, die die Troika beurteilen


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 11

wird –, die in der Wettbewerbsfähigkeit ein Problem haben, die ja durch einfaches Kürzen im Staatshaushalt noch nicht wettbewerbsfähiger werden, sondern dann nur versuchen, ihre Zinsen oder ihre Schuldenlast bedienen zu können, mit einem Wettbe­werbspaket diese Wettbewerbsfähigkeit stärken?

Dazu gehört immer wieder die Frage der Investitionen. Ohne Investitionen, ohne For­schung, Entwicklung und Bildung wird es den Ländern, die ein notorisches Handels­bilanzdefizit haben, nicht gelingen, nur durch die Kürzung von Ausgaben wettbewerbs­fähig zu werden.

Daher geht es auch darum, wie wir im Rahmen des Haushalts der Europäischen Union, wie wir im Rahmen zusätzlicher gemeinsamer Einnahmen, wie der Finanz­transaktionssteuer, auch Mittel erschließen können, um diese Investitionen voran­zutreiben, die aus meiner Sicht ein wichtiges Standbein bei der Frage sind: Wie kann mittel- und langfristig dafür gesorgt werden, dass Länder, die heute in Schwierigkeiten geraten sind, aus diesen Schwierigkeiten herauskommen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Bei diesem bevorstehenden Europäischen Rat wird auch über die Grenzöffnung und Schengen-Erweiterung betreffend Rumänien und Bulgarien beraten werden.

Welche Position werden Sie im Einzelnen dazu aus welchen Gründen vertreten, insbe­sondere im Hinblick auf die vorgeschlagene teilweise Grenzöffnung und auf die Festlegung eines konkreten Termins?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Da sind die Vorbereitungen im entsprechenden Rat, in dem wir durch unsere Innenministerin vertreten sind, weit gediehen, aber nicht abgeschlossen.

Das heißt, es ist vom Grundsatz her klar, dass wir dann Außengrenzen festlegen, wenn wir auch davon überzeugt sind, dass die betreffenden Länder in der Lage sind, diese Außengrenzen so zu kontrollieren, wie es für Außengrenzen vorgegeben ist.

Also das ist nicht eine Frage, wo wir im Rat sagen: Wollen wir das politisch jemandem zutrauen oder nicht zutrauen?, sondern das ist eine Frage der harten Fakten: Sind die technisch-rechtlichen, die personellen Ressourcen stark genug? Und daraus ergibt sich der Zeitpunkt.

Daher gehe ich davon aus, dass das ausschließlich von den Berichten der Kommission ab­hängig ist und dass die politischen Rahmenbedingungen sowohl bei den Innen­ministern als auch bei den Regierungschefs dafür festgelegt sind.

Und bevor die Kommission nicht Klarheit darüber schaffen kann, zu welchem Zeitpunkt die Bedingungen gegeben sind, kann man es eben – das ist ja der Sinn von Bedin­gungen – noch nicht zeitlich festlegen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Klug zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wenn der Fraktionsvorsitzende der ÖVP zwei Fragen an Sie stellt, dann fühle ich mich schon instinktiv ein bisschen dazu animiert, auch eine Frage an Sie zu richten.

Meine Frage, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lautet daher wie folgt:

Wie beurteilen Sie den Stand der Umsetzung der Strategie „Europa 2020“?

 



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 12

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wir spielen bei der Umsetzung der „Europa 2020“-Strategie in einigen Bereichen eine vorbildliche Rolle. Das ist insbesondere im Bereich der Beschäftigung, das ist insbesondere im Bereich der verstärkten Ausgaben für Bil­dung so.

Nun weiß ich, dass wir noch viel mehr bräuchten, und würden wir jetzt eine Bildungs­diskussion führen, dann würde man darauf hinweisen, dass an allen Ecken und Enden immer alles zu wenig schnell geht. Aber im europäischen Vergleich sind wir in der Beschäftigung das Land mit der geringsten Arbeitslosigkeit und mit der geringsten Jugendarbeitslosigkeit – immer im Wettbewerb mit ein, zwei anderen Ländern.

Und in der Frage der Bildung reden wir über eine zusätzliche Finanzierung, etwa der Universitäten von 300 Millionen € pro Jahr über mehrere Jahre. Wir haben erst vor Kurzem in der Regierung den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen mit zentraler Anschubfinanzierung beschlossen, weil wir meinen, die Kinderbetreuungseinrichtung ist die erste Bildungseinrichtung.

Also wir gehören zu jenen Ländern, die mit Sicherheit in der Europäischen Union, was die Hauptfragen im Bereich der Forschung, der Bildung und der Beschäftigung betrifft, zu den vorbildlichen Ländern gehören. Das gesteht uns auch, ganz unabhängig von Parteigrenzen und Koalitionen in der Europäischen Union, sehr oft ein Redner zu und ist erst recht Berichten zu entnehmen.

Wo wir natürlich ebenfalls gefordert sind, ist, unsere Klimaziele und insbesondere im Bereich „fit2work“ die Erhaltung und auch nachhaltige Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu erreichen. Das heißt, es ist nicht so, dass wir sagen kön­nen, wir erreichen alle Ziele schon automatisch, aber in wesentlichen Punkten sind wir ein Vorbild in Europa, und in jenen Punkten, die noch offen sind, werden wir  ich bin überzeugt  in Zukunft auch zu den Vorbildern in Europa gehören.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Michalke zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Wie kommen Sie zu dem Schluss, dass ESM und EFSF, also die beiden Euro-Rettungsschirme, wörtlich „alternativlos“ seien, wenn doch von anerkannten Experten zahlreiche Alternativen aufgezeigt wurden?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Natürlich gibt es in jeder Diskussion auch andere Möglichkeiten. Das wäre eine traurige Debatte, wenn es überhaupt nur eine Möglich­keit gäbe. Aber es gibt keine anderen Möglichkeiten, die aufgezeigt wurden, die nicht in der mittel- oder langfristigen Perspektive mehr Nachteile als Vorteile beinhalten. Also so etwas wie eine bessere Alternative gibt es für mich nicht. Das hat einen sehr einfachen Grund: Auch den anderen Regierungsverantwortlichen – und hier reden wir von, wie gesagt, 44 Parteien aus ganz unterschiedlichen Bereichen – ist klar, dass die oft in der Öffentlichkeit dargestellte Einschätzung, es gäbe einen Weg, einfach Konkurse von Ländern zur Kenntnis zu nehmen, ohne davon betroffen zu sein, falsch ist.

Wenn man sich die Betroffenheit Österreichs, Deutschlands oder anderer Länder von Konkursen, Selective Default oder Default – allein in den Handelsbeziehungen, aber auch in den weiteren Maßnahmen, etwa den Finanzierungen des Wiederaufbaus – ansieht und die Karteneffekte berücksichtigt, die wie bei einem Kartenhaus dazu


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 13

führen, dass weitere Konsequenzen durch einen möglichen Konkurs von Ländern ent­stehen, ist das keine wünschenswerte Alternative.

Wir können nicht ein Gesetz verabschieden, in dem wir sagen, es darf nie wieder ein Land in Konkurs gehen – das geht nicht –, sondern wir gehen den umgekehrten Weg, wir versuchen, ihn mit Hilfe von Schutzschirmen, Bedingungen, Eingriffen, stärkerer Wirtschaftsregierung und so weiter zu beeinflussen. Aber wir können eines mit Sicherheit sagen: Jene Experten, die uns darauf aufmerksam machen, dass es ein schwieriger Prozess wird, haben recht. Aber jene Heilslehren, die uns sagen, wir sollen so tun, als hätten wir mit anderen Ländern der Eurozone nichts zu tun, die sollen bleiben, wo sie sind. Die liegen aus meiner Sicht deshalb falsch, weil sie der Bevöl­kerung nicht die negativen Konsequenzen sagen, die es hätte, wenn Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal, Italien oder andere in Schwierigkeiten kommen.

Da kann man in einer gemeinsamen Währungszone, aber auch ohne Währungszone in einer gemeinsamen Region, wo 85 Prozent unserer Exporte in Europa stattfinden, nicht die Augen verschließen und sagen, das geht uns alles nichts an. Daher sehe ich keine sinnhafte andere oder bessere Alternative.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mühlwerth, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1787/M-BR/2011

„Aus welchen Gründen wollen Sie die Maßnahmen zum Euro-Rettungsschirm nicht einer Volksabstimmung unterziehen?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich habe das schon so oft beantwortet und beantworte es immer mit großem Respekt dem Fragesteller gegenüber. (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug.) Ich bin auch deshalb dagegen, weil ich davon überzeugt bin, dass dieser ESM-Vertrag nichts anderes als eine rechtliche Fortsetzung von jenen Maß­nahmen ist, die wir im EFSF – alternativlos hinsichtlich einer besseren Alter­native – eingesetzt haben.

Ich habe da ein ganz einfaches Beispiel: Selbst Länder wie Irland, die Verpflichtungen zu einer Volksentscheidung in ihren Verfassungsbestimmungen haben, brauchen kein Referendum, weil die Maßnahme, eine bestehende Regelung zur Dauerregelung zu führen, in Österreich überhaupt keine Vertragsänderung auf europäischer Ebene not­wen­dig gemacht hätte. Es war insbesondere Deutschland, das aufgrund seiner Verfassungslage, um sich dauerhaft beteiligen zu können, diese Änderung im gemein­samen Vertrag braucht, nämlich die Genehmigung, wenn man so will, diese Einrich­tung zu schaffen.

Also hätten wir ja konsequenterweise nur darüber abstimmen können, ob sich Deutschland beteiligen darf oder nicht, denn wenn wir das ablehnen, wie geht es dann weiter? – Daher ist die Überführung einer Regelung wie jener der EFSF – die das ja auch in der Krise vorbildlich bewältigt hat – in einen ESM mit Sicherheit etwas, wo auch unsere Bundesverfassung sagt, dass da keine Volksabstimmung notwendig ist, weil es um keine Gesamtänderung geht.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 14

Politisch bin ich der Überzeugung, dass alle Länder, die noch viel mehr Kultur in der Frage von Referenden haben als wir, auch keine eingesetzt haben, weil sie sagen, dass dies die Fortsetzung einer Maßnahme ist, die sich bewährt hat, und keine grund­legende Änderung der Vorgangsweise, und vor allem keine grundlegende Vertrags­änderung. Die könnte eines Tages kommen. Es gibt politische Kräfte in Europa, die wünschen sich tatsächliche, umfassende, maßgebliche Änderungen, zum Beispiel maßgebliche wirtschaftliche und soziale Kompetenzverschiebungen – dann schaut die Diskussion ganz anders aus, aber nicht beim EFSF/ESM.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Aber der ESM ist ja der dauerhafte Rettungsschirm (Bundeskanzler Faymann: Ja!), und da stellt sich auch für Österreich die Frage, wie lange wir in welcher Höhe Haftungen übernehmen können beziehungsweise Mittel lockermachen können  wenn es denn notwendig sein sollte, was niemand hofft.

Jetzt droht uns aber eine Verschuldenserhöhung durch die ausgegliederten Schulden, wie etwa ASFINAG oder ÖBB. Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Schulden in unser Budget, in unsere Gesamtverschuldung hineingerechnet werden?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Man muss zwischen Maastricht-wirksam und der Beurteilung von Finanzmärkten unterscheiden. Die Verschuldung der ÖBB und der ASFINAG, die insbesondere dadurch entstand, dass man Investitionen tätigte in diesen Bereichen, die damals ausgegliedert wurden, ist ja nie geheim gewesen. Es ist ja nicht so, dass da etwas zusätzlich aufgetaucht ist, was jetzt zu berücksichtigen ist, sondern es ist damals im Finanzministerium entschieden worden, dass die Ausgliederung hinsichtlich der Maastricht-Beurteilung möglich ist und daher gemacht wurde.

Aber es ist den Finanzmärkten und den Analytikern, so wie Ihnen und mir, nicht verbor­gen geblieben, dass es sie gibt. Insofern ist es ja keine neue Verschuldung, sondern eine Bewertungsfrage. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir, den ESM, der ja eine Dauereinrichtung darstellt, und die Budgets in unserem Land betreffend, eine hohe Verantwortung haben, unser Budget mittel- und langfristig so abzusichern, dass wir den Triple-A-Status behalten. Also ich nehme alle diese Bewertungen sehr ernst, weiß aber, dass sie die Finanzmärkte schon seit Jahren kennen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Saller zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundeskanzler! Die Frage ist zwar teilweise beantwortet, ich möchte sie aber trotzdem noch einmal stellen. Sie haben vor der Wahl 2008 versprochen, dass in Österreich über jede Änderung des Vertrages von Lissabon eine Volksabstimmung stattfinden wird. Warum ist nun aus Ihrer Sicht die für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM notwendige Änderung des Artikels 136 des Lissabon-Vertrages keine Vertragsänderung?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich glaube, ich habe beantwortet, warum ich über­zeugt bin, dass wir keine Volksabstimmung zu diesem Thema brauchen, aber ich kann noch einmal sagen, dass in der Diskussion auch die Frage, wann eine stattfinden soll, sehr offen – auch vor der Wahl, mitten im Wahlkampf – diskutiert wurde. So ist zum Beispiel der Beitritt Kroatiens kein Grund für eine Volksabstimmung. Das wäre, wenn Sie es jetzt immer dem Buchstaben nach nehmen, auch eine Änderung. Es ist aber


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 15

umgekehrt gesagt worden – als Beispiel in der Diskussion, schon damals wie heute –, der Beitritt der Türkei wäre eine maßgebliche Veränderung der Europäischen Union, schon aufgrund der Stärke, der Unterschiede und aufgrund dessen, was sich in der Europäischen Union durch einen Beitritt der Türkei verändern würde. Auch da ist fest­gelegt worden, sogar im Regierungsabkommen, dass das ein Fall für eine Volksab­stimmung wäre.

Also ich glaube, wir werden nicht umhinkommen, von Einzelwörtern, die jeder ein bisschen anders in einen Zusammenhang stellt, wegzukommen und zu fragen: Wann ist eine Entscheidung so maßgeblich für die Zukunft unseres Landes, dass wir mit einem Referendum die Meinung einholen und damit die Akzeptanz der Bevölkerung herstellen müssen?

Das kann kommen, wenn sich jene durchsetzen, die für eine Vertragsänderung Rich­tung Wirtschaftsregierung mit starken Kompetenzverlagerungen eintreten. Das ist aber zur Stunde nicht auf der Tagesordnung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kneifel.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Todt zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Welche Auswirkungen hätte es, würde Österreich die im Rahmen des Europäischen Rates diskutierten Maßnahmen nicht mittragen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wenn eine Gemeinschaft ein Netz spannt, um die schwächsten Glieder zu unterstützen, auch im eigenen Interesse, aufgrund der Han­delsbeziehungen und der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsstabilität, dann hätte es aus meiner Sicht sehr negative Konsequenzen, denn wenn man eine Ret­tungs­maßnahme nicht durchführt, dann muss man sich auch über die Konsequenzen im Klaren sein. Die sind jedenfalls für die Länder der Eurozone um vieles schlimmer, als wenn man gemeinsam eine Rettung durchführt.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Nachdem Sie meine Zusatzfrage schon annähernd beantwortet haben, erlaube ich mir, eine etwas abgeänderte Frage zu stellen. Wir können heute und seit einigen Tagen den Medien entnehmen, dass ein weiteres Finanzvolumen im Ausmaß von ungefähr 200 Milliarden € für die Stützung dieses Bankensystems notwendig ist, wo sich eigentlich selbst die Experten nicht mehr auskennen. Meine Frage: Welche Überlegungen gibt es seitens Österreichs, da einen anderen, einen sozialeren, einen ökosozialeren Weg einzuschlagen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich fürchte, wir werden uns beiden Diskussionen stellen müssen: einerseits, wie in einer Banken- und Finanzwelt, die so etwas wie den Blutkreislauf der Wirtschaft darstellt, Faktoren der Stabilität abgesichert werden können. Also die Frage von Eigenmitteln, die Frage der Kapitalisierung von Banken werden uns auch in Zukunft beschäftigen. Da kann man natürlich sagen, uns wäre lieber gewesen, wir hätten das Geld, das die Wirtschaftskrise – beginnend von den Vereinigten Staaten über viele Finanzprodukte – in der ganzen Welt vernichtet hat, besser in Bildung, in Umwelt oder in anderen Bereichen investiert.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 16

Tatsache ist aber, dass wir eine Verantwortung dafür tragen, dass das Bankwesen eine gewisse Stabilität aufweist, denn ohne Banken wird jeder Sparer, jeder, der ein Sparbuch hat, jeder, der ein Wirtschaftsunternehmen leitet – ein kleines oder großes – und auf Finanzierungen angewiesen ist, in Schwierigkeiten geraten. Und unsere Aufgabe ist es, diese Schwierigkeiten zu verhindern. Also verhindern wir im Interesse der österreichischen Sparer und im Interesse der österreichischen Wirtschaft und damit auch der österreichischen Arbeitnehmer, dass es da zu Krisen kommen kann. Das ist ein harter Weg, den die Oesterreichische Nationalbank, gemeinsam mit den Banken, mit Ihren, unseren, allen Beschlüssen des Partizipationskapitals und anderer Vor­gangsweisen geschaffen hat – nicht weil man es sich aussucht, sondern weil es zu tun ist und weil es ein wesentlicher Kreislauf unserer Wirtschaft ist.

Das zweite Thema ist natürlich, was man dazu parallel an nachhaltigen Kriterien ein­setzen kann. Ich bin davon überzeugt, dass man ohne Sparen und ohne zusätzliche Einnahmen, wie die Finanztransaktionssteuer, nicht in notwendige Umstellungen inves­tieren kann – gerade im ökologischen Bereich, gerade im Bereich grüner Technologie. Man muss sowohl durch Sparen Mittel für Bildung und Forschung freimachen als auch zusätzliche Einnahmen generieren; und ich bin überzeugt, dass zur Diskussion der Nachhaltigkeit nicht nur die Stabilität des Bankensektors, sondern auch die Stabilität des sozialen, wirtschaftlichen und Beschäftigungssektors gehört.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 4. Anfrage. Anfragesteller ist Herr Bundesrat Schweigkofler. Ich bitte um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1789/M-BR/2011

„Wie beurteilen Sie den Kommissionsvorschlag zur Einführung einer Finanztrans­aktionssteuer?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ausgesprochen positiv! Ich bin auch stolz, immer wieder bei allen Diskussionen und Verhandlungen, auch auf europäischer Ebene, zu sagen, in Österreich handelt es sich um einen Beschluss aller Parteien. Das verwun­dert viele, da üblicherweise ja nahezu jeder Vorschlag so gezerrt wird, bis er eben nicht mehr die Zustimmung aller Parteien hat. Es ist eine Auszeichnung, Österreich bei dieser Frage als einen geschlossenen Unterstützer für diesen Vorschlag der Finanz­transaktionssteuer vertreten zu dürfen.

Es hat tatsächlich Kommissionspräsident Barroso auch mit dem Hinweis auf das besondere Engagement Österreichs – auch öffentlich, nicht nur mir gegenüber – darauf verwiesen, dass die Kommission einen Vorschlag, der nahezu unserem Entwurf entspricht, einmal vorgelegt hat: mit einem niedrigen Mindeststeuersatz von 0,1 Pro­zent auf Handel mit Aktien und Anleihen, oder 0,01 Prozent auf Handel mit Derivaten wie Termingeschäften, Kreditversicherungen; nicht besteuert werden Sparbücher, Überweisungen von Konten, Internetkäufe – also das, was wir eigentlich in unserem Vorschlag hatten, wo es uns darauf angekommen ist, eine breite Bemessungs­grundlage und dafür einen niedrigen Mindeststeuersatz zu haben und so trotzdem entscheidende Beträge erzielen zu können.

57 Milliarden €, sagt die Kommission, könnten durch diesen Vorschlag eingenommen werden, gäbe es eine europaweite gleichzeitige Beschlusslage in den Ländern. Das würde in Österreich zwischen 500 Millionen und 1 Milliarde € betragen. Das ist absolut


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 17

der richtige Weg, für den ich mich weiter engagieren werde – wissend, dass wir auf Ebene der Regierungsverantwortlichen viel mehr geworden sind, aber noch lange nicht alle dabei sind! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Bundeskanzler! Welche Effekte brächte eine solche Steuer?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die genannten 57 Milliarden € in Europa, wenn sie so beschlossen würden, wären ein entscheidender Beitrag, für Österreich wären es 500 Millionen bis 1 Milliarde. Wenn man bedenkt, dass wir in der Vergangenheit auch eine Reihe von anderen Beschlüssen gefasst haben, die bereits zusätzliche Ein­nahmen aus diesem Sektor gebracht haben, ist herzeigbar, dass in einer Krise – ich traue mich nicht zu sagen, nach einer Krise, weil noch nicht alles überwunden ist und weil die Wirtschaftsdaten in den nächsten Jahren noch nicht sagen, dass die Krise vorbei ist – nicht nur mit Kürzungen vorgegangen wurde, sondern auch mit zusätz­lichen Erträgen. Daher ist das der richtige Weg in Österreich und in Europa. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Preineder zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Die Finanz­transaktionssteuer – von Österreich breit mitgetragen – würde eine höhere Finanzierung beziehungsweise Finanzierungsmöglichkeit innerhalb der EU schaffen, damit die Aufgaben innerhalb der EU, besonders im Bereich der Landwirtschaft, in der bestehenden Höhe aufrechterhalten werden können.

Meine Frage ist: Die Transaktionssteuer wird nicht von allen EU-Ländern unterstützt; insbesondere Schweden, Großbritannien und die Niederlande sprechen sich dagegen aus. Welche Maßnahmen haben Sie bereits gesetzt und setzen Sie, um diese Länder auch ins Boot zu holen und von der Sinnhaftigkeit dieser Abgabe zu überzeugen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Zuerst muss ich ein bisschen auseinanderhalten: Die Finanztransaktionssteuer, so wie sie in der Planung besteht, ist eigentlich dazu gedacht, dass sie einmal in die Budgets der Länder fließt und nicht in die gemeinsame Bewältigung von irgendetwas. Das ist dann der nächste Schritt, der natürlich möglich ist. Wir können immer das Geld, das wir einnehmen, für etwas einsetzen, das ist immer möglich. Wir sind Nettozahler, und wenn wir uns woanders etwas ersparen, könnten wir dann für etwas, das wir gerne hätten, dieses Geld nehmen. Man kann ja alles gemeinsam vereinbaren, aber vom Grundsatz ist die Idee der Finanztransaktionssteuer nicht, die Einnahmen in die Landwirtschaft auf europäischer Ebene zu überweisen, sondern der Grundsatz der Idee ist, dass die Länder dann darüber verfügen. Das ist auch auf einem europäischen Level möglich. Aber die Länder verfügen darüber, da gibt es keine Direktabkürzungen. Darum habe ich Ihrer Frage auch so aufmerksam zugehört. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Zum zweiten Teil, den Sie gesagt haben: Sie haben recht, dass die Europäische Union, und zwar ihre Mitgliedsländer, mehr Einnahmen benötigt, weil gerade die Auf­gaben, die es gibt – der Haushalt der Europäischen Union ist ein Beispiel dafür, da ist die Landwirtschaft, da sind die Strukturen, da ist der Bereich des Gio Hahn ein wichtiger Bereich, aber auch Infrastruktur, Forschung, Entwicklung –, erhebliche Mittel benötigen. Aber auch die Länder selbst brauchen für ihre Investitionen, zur Erreichung


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 18

ihrer Ziele, zum Beispiel der CO2-Reduktion und anderer, erhebliche Mittel. Die Finanz­transaktionssteuer ist also wichtig.

Zweitens: Es gibt leider noch einige mehr, die nicht für die Finanztransaktionssteuer sind, etwa die heute schon einmal genannten Nachbarn, nämlich die Tschechische Re­publik. Die ist auch nicht gerade ein ausgewiesener Unterstützer der Finanztrans­aktionssteuer.

Also, ich verheimliche Ihnen nichts, wenn ich Ihnen sage: Es sind jetzt von den Regierungschefs um viele mehr dafür als am Beginn der Diskussion, wo die meisten gesagt haben: Was ist das? Was für eine Steuer soll das sein? Wieso reden wir jetzt über eine Steuer? – Mittlerweile, und das muss ich groß anerkennen, hat etwa unser Nachbar Deutschland in der Person der deutschen Bundeskanzlerin im Zuge der Diskussion gesagt: Ja, wir unterstützen das auch!, und Schäuble hat letztens in einer öffentlichen Erklärung gesagt, er könne sich das auch für die Eurozone allein vor­stellen.

Das heißt, man sieht, dass der Druck für die Finanztransaktionssteuer wächst. Aber die Gegner der Finanztransaktionssteuer – manche aus ideologischen Gründen, generell, denn es gibt ja manche, die schon dann, wenn das Wort „Steuer“ vorkommt, dagegen sind, andere aus Gründen des Standortwettbewerbs, weil sie dadurch Nachteile befürchten, und das sind die, die gerade im Bereich der Finanztransaktionen beson­ders führend sind – zu überzeugen, das wird noch ein harter Weg.

Aber dass es geht und dass man bis zu einer positiven Kommissionsentscheidung kommt und dass man bis zu einer positiven Debatte im Europäischen Parlament kommt und dass Länder wie Frankreich und Deutschland dafür sind, ist eigentlich ein gutes Zeichen für die bisherige Debatte und soll uns ermutigen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Pisec zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ziel der Finanztransaktionssteuer ist ja auch, dass der hochtechnisierte und computer­gesteuerte Frequenzhandel, das sogenannte Algo-Trading eingedämmt wird und damit die Spekulationsvolumina reduziert werden sollten.

Interessanterweise ist aber von dieser Finanztransaktionssteuer der Devisenhandel ausgenommen. Was sind Ihrer Meinung nach die Beweggründe dafür, dass der Devi­senhandel nicht für die Finanztransaktionssteuer vorgesehen ist?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich glaube, dass die Finanztransaktionssteuer vom Prinzip her gewisse Lenkungseffekte hat. Aber ich habe diese Lenkungseffekte nie so in den Vordergrund gestellt, weil ich natürlich weiß, dass für jemanden, der im Devisenbereich oder gar in der Spekulation tätig ist, und das auch für andere Trans­aktionen, eine Steuer von 0,1 oder 0,01 Prozent noch nicht das ist, was man als die endgültige Lösung im Hinblick auf Steuerbarkeit bezeichnen kann.

Ich würde sagen, die Finanztransaktionssteuer hat mit Sicherheit auch von der Rich­tung her einen korrekten Effekt. Aber dass die Fragen von Spekulation, dass die Fragen von Spekulationsprodukten, ganz gleich, in welchem Bereich, stärker über Richtlinien und Kontrolle der Richtlinien zu regeln sind und nicht einfach die Finanzt­ransaktionssteuer alle Probleme beseitigt, so wie der Tafelschwamm auf der Tafel alles auslöscht, ist klar. Ich möchte, dass die Diskussion seriös geführt wird, weil ich weiß, dass man dann, wenn man in einer Diskussion zu viel Erwartungshaltung weckt und so


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 19

tut, als wäre die Finanztransaktionssteuer ein Geheimcode für die Lösung aller Prob­leme, die Menschen nur enttäuscht.

Ich bin überzeugt, dass es gerade zu Fragen der Devisen, zu Fragen anderer Bereiche mehr Maßnahmen brauchen wird als die Finanztransaktionssteuer.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 5. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Brunner, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundeskanzler! Die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ja schon länger und jetzt auch wieder aktuell diskutiert. Meine Frage deshalb:

1785/M-BR/2011

„Wann werden Sie dem Parlament eine Regierungsvorlage zur Einführung der zwei­stufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, mit der auch an die 100 Sonderbehörden im Bund und in den Ländern abgeschafft werden sollen, vorlegen?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Regierungsklausur im Mai hat diesbezüglich Ziele vereinbart. Staatssekretär Dr. Ostermayer gemeinsam mit Experten von Bund und Ländern führt diese Gespräche. Als Nächstes wird man das bei der Lan­deshauptleutekonferenz am 11. Oktober in Kaprun diskutieren. Die Verhandlungen finden natürlich täglich statt, aber für 11. Oktober ist ein weiterer gemeinsamer Gesprächstermin mit den Vertretern der Länder vereinbart. Der nächste Schritt ist dann, im Bundeskanzleramt die legistische Umsetzung und Feinarbeit vorzubereiten. Es wird dann auch auf Regierungsebene mit den Landeshauptleuten Ende Oktober noch ein Treffen geben, das auch schon vereinbart wurde.

Es soll dann der erste konsolidierte Text der Novelle des Bundes-Verfassungsgesetzes im November erstellt werden. Und der fertige Vorschlag soll dann – das wäre unser Wunsch; wenn man Partner hat, muss man natürlich immer von einem Wunsch sprechen, denn der Partner muss ja auch dafür sein – unserem Wunsch entsprechend im Laufe des Dezembers beschlussreif vorgelegt werden.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Der Verwaltungsgerichts­hof hat in seinem jüngsten Bericht als Zwischenlösung bis zur Einführung dieser zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit auch zur Entlastung des Gerichtshofes vor­geschlagen, den Grenzwert für die Ablehnung einer Beschwerde auf 2 000 € anzu­heben. Der bisherige Wert wurde seit 1991 nicht mehr angehoben und beträgt derzeit 750 €.

Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag als Zwischenlösung zur Entlastung?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich weiß, dass eine Reihe von Vorschlägen, die zu einer Vereinfachung oder zu einem geringeren Anfall von gemeinsamer Bewältigung der Arbeit und der Entscheidungen führen soll, auf dem Tisch ist.

Ich möchte jetzt nicht zu jedem Detail Stellung nehmen, weil das Teil der Verhand­lungen ist, die Dr. Ostermayer führt. Meiner Meinung nach gibt es da noch viele andere Fragen, wie zum Beispiel: Wie ist die konkrete Kompetenzabgrenzung in Zukunft, wer verzichtet worauf, beziehungsweise worauf lässt es sich verzichten? Wie sind dann die


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 20

gesamten Kostenfragen abzuwickeln, und entsprechen durch diese Reform die Einsparungen den Mehrkosten oder gibt es da eine Differenz? Das alles ist Teil der Verhandlungen, und dem möchte ich nicht vorgreifen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Kemperle zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Wie soll die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Zukunft überhaupt aussehen und gegliedert sein?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Das sogenannte „9+2-Modell“ kennen Sie ja: In jedem Land soll ein Verwaltungsgerichtshof eingerichtet werden, der die Agenden der Landesverwaltung und der mittelbaren Bundesverwaltung erledigt.

Das ist ein großer Fortschritt, denn wenn man bedenkt, wie viele Sonderbehörden heute in Bund und Land tätig sind, dann merkt man, dass es sich hier um eine deut­liche Effizienzverbesserung handelt. Das wird seit vielen Jahren diskutiert, und da haben wir nun eine gute Chance – so wie bei anderen Themen auch –, das Ganze noch im heurigen Jahr unter Dach und Fach zu bringen.

Sie wissen, dass das allgemeine Verwaltungsgericht aus dem Asylgerichtshof hervor­gehen soll und die Agenden der unabhängigen Rechtsmittelbehörden des Bundes und die Rechtsmittelkompetenz der Bundesministerien übernehmen soll. Das Bundes­finanzgericht soll aus dem Unabhängigen Finanzsenat hervorgehen und sich mit dem Bereich des Steuer- und Zollwesens befassen. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof bleiben bestehen, wobei der Verwaltungsgerichtshof nur bei Vorliegen grundsätzlicher Rechtsfragen anzurufen ist. Dazwischen gibt es hunderte Prozesse, die im Bereich des Baurechts, des Gewerberechts, des Fremdenrechts et cetera abzustimmen sind, wo sowohl die Kompetenzen der Gemeinden zu beachten sind als auch die berechtigten Wünsche in der Diskussion. Aber was mich an dieser Diskussion sehr positiv stimmt, ist – und deshalb getraue ich mich dieses Vorhaben, dass das im Dezember beschlussreif sein soll, auch so offen anzusprechen –, dass auch von den Ländern eine große Bereitschaft existiert, dieses doch jahrelang disku­tierte Thema in die Zielgerade zu bringen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Brückl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Bundeskanzler! Wie bereits erwähnt, sollen im Zuge der Einführung der zweistufigen Verwaltungs­gerichtsbarkeit etwa 120 Sonderbehörden und Senate abgeschafft werden. Dennoch meinen Rechnungshof und Kanzleramt, dass es zu Mehrkosten in Millionenhöhe kommen wird. Wer soll aus Ihrer Sicht künftig für diese Mehrkosten aufkommen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Diese Frage ist, wie ich schon erwähnt habe, Teil der Verhandlungen. Ich gehe davon aus, dass den Mehrkosten auch Einspa­rungsef­fekte gegenüberstehen. Und ich bin überzeugt davon, dass die Ländervertreter da sehr konsequent beim Nachrechnen sind, und ich weiß, dass das der Bund auch ist.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zur 6. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Kerschbaum, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 21

1791/M-BR/2011

„Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Risiken der grenznahen AKWs für die österreichische Bevölkerung durch faire Haftungsregeln abgedeckt werden, und haben Sie diesbezüglich nach Verbündeten auf europäischer Ebene gesucht?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Derzeit wird unsere sehr richtige Position in der Strenge, wie wir das zu Recht beurteilen, nämlich, dass Haftungen wie bei anderen Unternehmen auch Kernkraftwerke zu übernehmen hätten und dass diese nicht einfach die Risiken in den Bereich der öffentlichen Hand auslagern können – etwa im Falle eines Unfalls oder im Falle anderer negativer Konsequenzen oder bei der End­lagerung –, in dieser Klarheit und Härte nur von Luxemburg und Irland geteilt.

Es gibt aber andere Länder, wie etwa Deutschland, die sich unserer Position annähern, und so kann man auch hier, so wie bei der ersten Anfragebeantwortung, Folgendes sagen: Das ist eine politische Diskussion, in der beispielsweise Frankreich ganz andere Positionen vertritt, auch aufgrund der Interessenlage, wo man ganz stark auf Atomstrom setzt und auch im Export und in der Technologie das als einen der wichtigen Bereiche auch außerhalb Frankreichs ansieht. Das ist eine heftige Debatte, wo wir uns engagieren, aber Ihnen da sagen zu können, wir hätten schon genug Verbündete, wäre übertrieben.

Wir haben sicher aufgrund des schrecklichen Unfalls in Fukushima mehr Verbündete gewonnen, aber es wäre uns lieber, es hätte nicht dieses Wahnsinns bedurft, um einige mehr zu überzeugen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Eine weitere Möglich­keit zum europäischen Atomausstieg, den wir uns ja alle wünschen, wäre die Anhe­bung der Ziele bei der erneuerbaren Energie im Rahmen der Europäischen Union, sprich: Was ich an erneuerbaren Energien produzieren muss, kann ich nicht aus Atomkraftwerken produzieren!

Wie stehen Sie dazu, dass Österreich genau dieser Erhöhung der Ziele bei den erneuerbaren Energien eigentlich in letzter Zeit eher negativ gegenübergestanden ist?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wir haben bei der Berechnung, als die Ziele festgelegt wurden, eine für uns unangenehme Aufgabe erhalten: Es ist all das, was bis dahin in den jeweiligen Ländern geschehen ist, nicht ausreichend positiv bewertet worden. Wenn man es umdreht, heißt das: Es ist damals bei den Verhandlungen und bei der Festsetzung der CO2-Ziele nicht ausreichend Rücksicht genommen worden darauf, dass Österreich in vielen Bereichen schon weiter ist als andere. Und als man sich dann gemeinsamer weiterer Reduktion verschrieb, hat das in Österreich natürlich Konflikte ausgelöst. Die kennen Sie ja: Der Hauptkonflikt ist im Bereich Verkehr entstanden, und zwar stellte sich da die Frage: Wie sollen wir den Verkehr, insbesondere im Transitbereich, reduzieren können, wenn wir nicht einmal die Möglichkeit haben, etwa in Maut- oder anderen Systemen den Lkw-Verkehr so zu regeln, wie das seit vielen Jahren unser Wunsch ist?

Wir können nicht das, was insbesondere im Transitverkehr an CO2-Belastung entstan­den ist, der Industrie auferlegen, denn Österreich muss ein wettbewerbsfähiger Indus­triestandort bleiben. Unsere Industrie ist in vielen Bereichen, gerade im Bereich der VOEST, vorbildlich mit Umwelttechnologien ausgestattet. Das heißt, wenn wir da bei


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 22

CO2-Reduktionen übertreiben, dann bedeutet das ja eigentlich keinen Fortschritt, denn wenn jemand anderer mit viel schlechteren Bedingungen für die Umwelt die Produktion übernimmt, ist das ein Nachteil auch für die Umwelt, nicht nur für Österreich, sondern insgesamt.

Daher ist diese Diskussion für uns eine unerfreuliche, da wir insbesondere bei der Industrie den Standort zu verteidigen haben, wo wir ja nachweisen können, dass wir vieles umweltfreundlicher produzieren als andere, die gerne die Verlagerung zu ihnen hätten. Das heißt, wir haben hier auch Positionen zu verteidigen. Daher war für uns klar: Wir stimmen jeder weiteren Reduktion nur dann zu, wenn es auch so etwas wie eine realisierbare internationale Möglichkeit dazu gibt. Wir haben gesagt: Wenn wir wieder die Einzigen sind, die reduzieren, und wenn wir dann im eigenen Land wieder vor der Frage stehen: Was bedeutet das für den Sektor der Industrie?, dann schauen wir uns an, wie weit der Stand der internationalen Diskussion ist und wie weit das für Österreich realisierbar ist.

Das ist schon unsere Verantwortung: nicht einfach nur mitzustimmen, sondern zu sagen: Die Sache der CO2-Reduktion ist richtig, aber sie muss auf eine stärkere internationale Verbindlichkeit kommen, denn wenn sie immer nur bei ein paar wenigen bleibt, dann wird im internationalen Wettbewerb das für niemanden eine Lösung sein und schon gar nicht für die Umwelt! (Bundesrätin Kerschbaum: Ich meinte die erneuerbaren Ziele!) Ja, das sind die erneuerbaren Ziele. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stadler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Wir haben über Haftungen bereits gesprochen, daher meine Zusatzfrage: Gibt es neben dem Bereich der Haftungen noch andere Bereiche, in denen Vergünstigungen für die Erzeugung von Atomstrom weg­fallen sollen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Unser Wunsch ist es im Zusammenhang mit Euratom – und da sind unsere Minister auf Ressortebene sehr aktiv –, die Frage der Risiken und der nachhaltigen Kosten im Bereich der Atomtechnologie aufs Tapet zu bringen. Da ist es auch gelungen, das eine oder andere einzuarbeiten. Wir sind da auf allen Ebenen in einem Prozess, und wir haben uns die Frage gestellt: Ist es besser, von innen her unseren Standpunkt zu vertreten?, und wir haben uns entschieden: Ja, wir werden von innen her bei Euratom – auch bei Beschlussfassungen, die die Atomtechnologie und die sogenannten Sicherheitstechnologien betreffen – sehr genau prüfen, ob es sich da um Sicherheitstechnologien handelt!

Ich bin sehr für die Erhöhung bei erneuerbaren Energien, aber die Sache ist die – und das muss ich deutlich sagen –: Wenn wir uns in Österreich zur Erhöhung bei erneuer­baren Energien festlegen zusätzlich zu dem bestehenden Ziel der Energieeffizienz, dann haben wir alle Hände voll zu tun! Wir können gerne noch viel mehr wollen, aber dafür werden wir die internationale Ebene brauchen, denn wir werden es sonst nicht schaffen, das, was wir im internationalen Wettbewerb zu leisten haben, als Industrie­standort zu bewältigen.

Also wir stehen hier vor einer Reihe von Aufgaben, die deshalb auf internationaler Ebene in einem Konflikt stehen, weil es viele Länder gibt, die weiter auf Atom­technologie setzen. Diese werden wir genau dabei beobachten, was sie bei den diversen Förderungen unter dem Thema „Sicherheitstechnologie“ verlangen.

 



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 23

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Hensler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Werden Sie sich im Rahmen der Finanzverhandlungen, die jetzt für 2014 bis 2020 geführt werden, dafür einsetzen, dass es in Österreich Mittel für den Atom­ausstieg gibt?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich bin dafür, dass es Mittel gibt, die unseren Standpunkt unterstützen, und zwar insbesondere auf europäischer Ebene. Ich bin dafür, dass man mit Mitteln, die zur Forschung und Entwicklung eingesetzt werden, nicht forschen und entwickeln soll, wie man noch mehr Atomkraftwerke bauen kann, sondern einen Ausstiegsplan erarbeiten soll, der Sicherheit als Schwerpunkt hat und mit dem man den Ausstieg aus der Atomenergie vorantreiben kann. Aber da sind die Positionen, die ich jetzt mehrfach erläutert habe, sehr konträr. Wir gehören zu jenen, die Forschung und Entwicklung als eine Chance sehen, aus der Atomtechnologie auszusteigen, und die Bereitstellung von Mitteln, die dafür notwendig sind, werden wir immer unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mitterer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Die Österreicher sind besorgt um die Zustände der grenznahen AKWs, im Besonderen wir Kärntner, aber auch die Steirer, aufgrund der Nähe zu Krško. Es gibt nun die ersten Stresstests, und das, was die Ergebnisse zeigen, wird versucht, beschönigend darzustellen.

Was sagen Sie zu diesen Ergebnissen, und werden Sie als Bundeskanzler und zuständiger Minister darauf reagieren?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Alle verantwortlichen Regierungsmitglieder, beginnend beim Umweltressort bis hin zu der gemeinsamen Erklärung der Regierung und ich als verantwortlicher Regierungschef werden immer alle Möglichkeiten ergrei­fen, bei Ländern, die grenznahe AKWs betreiben – aber wie wir bei Fukushima ge­sehen haben, kann das auch viel weiter sein, nicht nur nahe der Grenze –, ein Bedro­hungsszenario aufzuzeigen.

Wir haben bei der Kommission eine Entscheidung offen, die eben die Kommission noch nicht getroffen hat, und zwar in der Frage, inwieweit die Verfahren hinsichtlich der Beteiligung etwa von NGOs in Sachen Kernkraftwerke rechtmäßig sind. Dazu haben wir unsere Zweifel und unsere Bedenken ganz klar geäußert. Das liegt jetzt bei der Europäischen Kommission. Wir werden alles tun, um unseren Standpunkt zu verdeutlichen. Und auch ich bin davon überzeugt, wenn die Europäische Union einen Schwerpunkt setzt in Richtung erneuerbarer Technologie, erneuerbarer Energie und Energieeffizienz, dann kann man die Nachbarstaaten und auch die etwas weiter weg liegenden Länder in der Region davon überzeugen, dass sie aus der Atomtechnologie aussteigen. Das ist ein Weg, der hart, aber richtig ist!

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zur 7. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Lindinger, um die Verlesung der Anfrage.

 



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 24

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundeskanzler! Sie haben in einer der vorangehenden Anfragebeantwortungen schon einiges zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gesagt. Dennoch meine Frage:

1790/M-BR/2011

„Welche sind die nächsten Schritte zur Umsetzung der Reform der Verwaltungs­gerichtsbarkeit?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Zuerst einmal entschuldige ich mich dafür, dass ich schon bei den vorherigen Fragen gleich alles mit beantwortet habe. Aber es war mir wichtig, dies im Gesamtzusammenhang darzustellen.

Tatsächlich ist es so, dass der nächste Schritt, die Verhandlung mit den Landes­haupt­leuten, nächste Woche ansteht, dass dann um den 20. Oktober ein Treffen von Regie­rung und Landeshauptleuten stattfinden wird, mit vier oder fünf Themen, die die Verwaltungsreform betreffen, wobei dieses Thema ein zentrales ist. Das soll jetzt von den Landeshauptleuten vorbereitet werden. Wenn es dort zu einer inhaltlichen Über­einkunft kommt, dann kann der Zeitplan bis Dezember zu halten sein.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Welche Zustimmungsrechte der Länder halten Sie im Rahmen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Verwal­tungsgerichtsbarkeit für sinnvoll?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Das ist Teil der Verhandlungen, inwieweit bei den einzelnen Verschiebungen und Veränderungen auch abzuklären ist: Kann man das in Zukunft gemeinsam definieren?

Hier geht es ja in erster Linie um Verfahrensbestimmungen, und der Vorschlag Dr. Ostermayers war, die Verfahrensbestimmungen im Konsens zu erreichen. Das ist aber auch Teil der Verhandlungen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Petritz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Die Fragen sind zum Teil beantwortet worden, aber ich hätte noch eine zusätzliche Frage: Welche verwaltungsreformatorischen Ansätze sind aus Sicht der Bundesländer bei der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit noch zu erwarten?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wenn so viele Behörden zusammengefasst werden, dann muss man natürlich, insbesondere bei der Umstellung, gerade diese Verfahrensbestimmungen gemeinsam erarbeiten.

Auch, noch einmal, hinsichtlich der Gemeinden und hinsichtlich der Kompetenzen muss klar sein, dass hier eine gemeinsame Lösung gefunden wird. Auch all die finanziellen Fragen, die ich schon anzusprechen versucht habe, sind Teil dieser Diskussion. Manches Mal beginnt eine Reform natürlich mit einem zusätzlichen Auf­wand, andererseits gibt es danach zusätzliche Möglichkeiten von bleibenden Einspa­rungen.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 25

Sowohl hinsichtlich der Verfahren als auch hinsichtlich der Kompetenzen als auch hinsichtlich der Abläufe und der Kosten gehe ich davon aus, dass das bei diesen Gesprächen, die ich genannt habe, in dem Ablauf, wie ich ihn zu skizzieren versucht habe, positiv ausgeräumt wird. Ich sehe wenige Stolpersteine, möchte aber das Thema erst als erledigt verlautbaren, wenn es erledigt ist. Dazu ist es noch ein bisschen zu früh.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Krusche zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Sie haben mit Dezember ein durchaus optimistisches Ziel genannt. Sie haben auch die nächsten Schritte mit den Ländern bereits angeführt. Sie haben außerdem gesagt, dass Sie der Meinung sind, dass die Länder eher mit im Boot sind. Am Rande wurde auch erwähnt, dass die Gemeinden sehr stark betroffen sind. Ich glaube und man weiß ja, dass gerade von den Kommunen hier eigentlich ein größerer Widerstand zu erwarten ist.

Meine Frage daher: In welcher Weise, mit welcher Strategie wollen Sie diesen Widerständen begegnen oder sie hintanhalten? Wird hier beispielsweise auch der Städtebund oder der Gemeindebund in die Verhandlungen einbezogen? Oder über­lassen Sie das ausschließlich den Ländern?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Einige Punkte in gemeinsamen Gesprächen – auf diese ist immer zu setzen – hat Dr. Ostermayer, glaube ich, ausgeräumt, indem er gesagt hat, dass sich für die Gemeinde in der Berufungsmöglichkeit, insbesondere im Baubereich, hinsichtlich des jetzigen Ablaufs in der Gemeinde nichts verändert. Die Veränderung ergibt sich dann in der Berufung zum Land. Hier kommt es zu einer Veränderung zum Bund.

Ich bin davon überzeugt, dass in gemeinsamen Gesprächen viele dieser Sorgen geklärt werden können, und weiß, dass Dr. Ostermayer – wie auch bei anderen Fragen – jemand ist, der solche Gespräche mit Städten, Gemeinden und Ländern mit viel Ernsthaftigkeit führt.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 8. Anfrage, 1786/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Mag. Rausch, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich habe eine Frage, die aufgrund aktueller Diskussionen von beson­derem öffentlichen Interesse ist, sodass Sie sich darüber schon Gedanken gemacht haben.

Die Frage lautet:

1786/M-BR/2011

„Welche gesetzlichen Maßnahmen schlagen Sie für eine transparente Inseraten­ver­gabe vor?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wir haben einen Entwurf eingebracht, der die Inseratenvolumina völlig offenlegen soll. Ich bin dafür, dass man politisch kontroversiell darüber diskutiert: Was soll ein Inserat enthalten? Braucht man ein Inserat oder keines? Wie viele, und wo?


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 26

Darüber lässt sich trefflich politisch diskutieren, aber es soll keinen Zweifel daran geben, dass alle Werbungs- und Inseratenvorgänge der öffentlichen Hand auch einsehbar sind. Dann kann man ja noch immer verschiedener Meinung sein, ob das so oder anders besser ist, ob jetzt Politikerköpfe vorkommen oder nicht vorkommen sollen; das alles lässt sich dann festlegen. Aber Klarheit muss darüber bestehen, dass es transparent sein soll. Daher werden wir dieses Transparenzgesetz auch gemein­sam beschließen, davon bin ich überzeugt. Deshalb haben wir es ja eingebracht und uns auch in der Koalition darauf geeinigt.

Wir haben noch nicht überall begeisterte Zurufe aus den Ländern. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber in der Debatte der letzten Wochen hat es doch dazu geführt, dass unserem Entwurf ein höheres Verständnis für Transparenz in diesem Bereich entgegengebracht wird. (Bundesrat Boden: Niederösterreich vor allem, da wird es keine Zurufe geben!)

Wir werden aber darüber hinaus auch einen Beirat einrichten, der insbesondere die Bundesregierung betrifft, der, bevor Inseratenkampagnen gemacht werden, mit unabhängigen Experten – gemeinsam festgelegt, gemeinsam aufgestellt – festlegen soll, ob das dem Informationsgehalt und der Verteilung und der Gerechtigkeit entspricht.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Zum Stichwort „Transparenz“ hätte ich noch eine Frage: Wie wollen Sie sicherstellen, dass in Zukunft die Beteiligungsverhältnisse bei Medienunternehmen transparent sind, insbesondere wenn es sich dabei um Stiftungs- oder Treuhandkonstruktionen handelt?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Dr. Ostermayer hat hier klargestellt, dass er mit der Justizministerin Gespräche führt. Das ist ein richtiger Ansatz. Bei Stiftungen sieht man es; bei Treuhändern sieht man es in der gesamten Wirtschaft nicht. Die Juristen sollen sich damit beschäftigen, wie sie hier im Zuge der Offenlegung eine höhere Transparenz schaffen. Das ist letztendlich im Interesse aller.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Lampel zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Bundeskanzler! Inse­ratenvergabe ist auch eine Art freiwilliger Presseförderung. Mich interessiert aber die gesetzliche Presseförderung. Sehen Sie einen Reformbedarf im Bereich der gesetzlichen Presseförderung?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich würde ein Inserat als mehr betrachten als eine Presseförderung, weil ein Unternehmen in der Privatwirtschaft deshalb zu Werbung und Inseraten greift – nicht, um die Vielfalt in unserem Land zu fördern, sondern um Imagekomponenten, Produktkomponenten, auch das Positive hervorzuheben.

Aber ich möchte Ihre Frage beantworten, und Ihre Frage ist: Wir haben eine Eva­luierung vereinbart, die meines Wissens in diesen Tagen in Auftrag gegeben wird – oder wurde, ich überlege; also in diesen Tagen. Ich war letzte Woche informiert, dass der Auftrag vorliegt, die Evaluierung der bisherigen Presseförderung vorzunehmen.

Da kann man dann sehen, ob das, was wir mit der Presseförderung leisten, der Vielfalt, der Qualität, der Journalistenausbildung dient. Da bin ich davon überzeugt, dass man es zwar auch nicht allen Menschen recht tun kann, auch nicht allen Verlegern, aber


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 27

dass die Diskussion einer Evaluierung uns als den Verantwortlichen Aufschluss darüber gibt, ob das Ziel, das wir erreichen wollen – nämlich in unserem Land eine gewisse Vielfalt zu erhalten, eine gewisse Qualität zu fördern –, damit erreicht werden kann. Diese Ergebnisse werden für nächstes Jahr erwartet; wenn ich es richtig in Erinnerung habe, in der ersten Jahreshälfte.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Jenewein zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Zu einer anderen Form der Presseförderung möchte ich Sie auch befragen. Der Wiener Ex-Vizebürgermeister Görg hat in einem Zeitungsinterview davon berichtet, dass in Ihrer Zeit als Wiener Wohnbaustadtrat an den „NEWS“-Verlag zwölf Jahre im Voraus 2,7 Millionen € überwiesen wurden, und zwar von Wiener Wohnen, als eine Art indirekte Subvention direkt zu den Fellner-Brüdern.

Meine Frage dazu: Können Sie ausschließen, dass Inserate oder sonstige Zahlungen aus Ihrem Wirkungsbereich an Medien durch persönliche Einflussnahme, unter Druck­ausübung oder Nötigung österreichischer Unternehmungen stattgefunden haben?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Auch die Frage des „NEWS“-Towers ist schon oft in der Wiener Diskussion besprochen worden und ist nichts Neues. Das ist auch angeschaut worden vom Kontrollamt und allen Einrichtungen, in öffentlichen und sonstigen Debatten.

Tatsächlich ist in dem „NEWS“-Tower ein Vermieter, und tatsächlich hat das Wohn­service dort gemietet. Es ist dies übrigens eine der erfolgreichsten Serviceein­rich­tungen auf einem der besten Standorte Wiens, der sich sehr bewährt hat.

Das ist unzählige Male abgehandelt worden, das wird auch nicht neuer, indem man es immer wieder abhandelt. Das ist für mich sowohl rechtlich als auch politisch längst geklärt.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Dr. Kickert zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben in der Beantwortung der Frage von Frau Kollegin Rausch nicht nur die Transparenz hervorgehoben, sondern auch einen Beirat erwähnt.

Meine Frage: Wird dieser Beirat ein unabhängiges Gremium sein, das dann, wie soll ich sagen, die Prüfung oder die Genehmigung der Regierungsinserate vornehmen wird? Und wird dieser Beirat auch mit entsprechenden gesetzlichen Grundlagen aus­gestattet sein?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Das ist die Absicht. Das wird auch so präsentiert und, davon gehe ich aus, so beschlossen werden.

Das heißt aber nicht, dass man nicht auch in der öffentlichen Debatte verschiedener Meinung über Beirats-Entscheidungen sein kann. Was ich also nicht verspreche, ist, dass es irgendeinen Politikbereich gibt – den nicht und andere nicht –, in dem nur deshalb, weil ein Beirat es sich anschaut oder weil Transparenz herrscht, die Mei­nungsverschiedenheit nicht existiert.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 28

Ich bin daher ein Anhänger von Diskussion über Meinungsverschiedenheiten auf der Basis von Transparenz und sachlicher Diskussion in einem Beirat. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Herr Bundeskanzler. – Die Frage­stunde ist somit beendet.

Wir verabschieden den Herrn Bundeskanzler und begrüßen unseren Staatssekretär Dr. Ostermayer bei uns im Bundesrat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.12.06Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2620/AB bis 2628/AB und

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, beziehungsweise

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend die Aufnahme von Verhand­lungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit sowie betreffend Auf­nahme von Verhandlungen mit Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität beziehungsweise

jenes Schreibens der Bundesministerin für Finanzen betreffend Aufnahme von Ver­handlungen über ein Abkommen mit Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und

der Mitteilung des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos am 5. und 6. Oktober 2011 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 6)

*****

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen und des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Dr. Maria Fekter                                                                                          BUNDESMINISTERIUM

Finanzministerin                                                                                                             FÜR FINANZEN

 

Frau Präsidentin

des Bundesrates

Mag. Susanne Neuwirth

Parlament                                                                                                              Wien, am 20.Juli 2011

1017 Wien                                                                                      GZ: BMF-010221/1046-IV/4/2011


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 29

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 108. Sitzung am 5. Juli 2011 Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland zum Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Da das derzeit in Geltung stehende Abkommen (BGBl. Nr. 1970/390 idF. BGBl. Nr. 1978/585, BGBl. Nr. 1994/835 und BGBl. III Nr. 2010/135) veraltet ist, hat sich nach Anpassung des Abkommens an die internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft eine Gesamtrevision als erfor­der­lich herausgestellt.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Frau

Präsidentin des Bundesrates

Mag.a Susanne Neuwirth Parlament

Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN

                                                                                                                                      Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 26. Juli 2011 (Pkt. 35 des Beschl.Prot. Nr. 109) der Herr Bundespräsident am 2. August 2011 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE ANGE­LEGENHEITEN

BMeiA-CH 4.36.05/0007-IV.1/2011

Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit; Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Am 27. April 1999 wurde der Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schwei­zerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenz­überschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (BGBI. 111 Nr. 120/2001; im Folgenden: Vertrag) in Bern unterzeichnet. Der Vertrag trat am 1. Juli 2001 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag in Bezug auf den Umfang der Zu­


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 30

sammenarbeit zwischen den Sicherheits- und Zollbehörden beispielgebend. Er wurde zum Vorbild für den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefah­ren­abwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten (BGBI. III Nr. 210/2005) und somit für einige Bestimmungen des Prümer Vertrags (BGBI. III Nr. 159/2006). Der Vertrag ist auch heute noch eine ausgezeichnete Grundlage für die enge polizeiliche und grenzpolizeiliche Zusammenarbeit zur Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung.

Seit der Unterzeichnung des Vertrags fand jedoch eine rasante Weiterentwicklung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit statt. Im österreichisch-deutschen Vertrag und im Prümer Vertrag finden sich Bestimmungen, die weit über den trila­teralen Vertrag hinausgehen. In der EU wurde eine Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten in Krisensituationen geschaffen (ATLAS, ABI. Nr. L 210 vom 6.8.2008, S. 73). Österreich und die Schweiz haben im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft EURO 2008 wertvolle Erkenntnisse über Regelungs­lücken im Vertrag gewonnen. Überdies hat Österreich bei der Anwendung des Prümer Vertrages zusätzliche Erfahrungen gesammelt, die für die Weiterentwicklung der grenz­überschreitenden Polizeikooperation nützlich sind.

Die wichtigste Entwicklung seit 1999 stellt jedoch die volle Beteiligung der Schweiz an der Schengener Zusammenarbeit und die voraussichtlich 2011 erfolgende Asso­ziierung Liechtensteins in diese Zusammenarbeit dar. In Vorbereitung dieser Schen­gen-Zusammenarbeit unterzeichneten die zuständigen Minister der Schweiz, Liech­tensteins und Österreichs am 21. April 2008 ein Memorandum of Understanding

über die Verstärkung der trilateralen Zusammenarbeit vor und nach der Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstandes an den gemeinsamen Staatsgrenzen. In Punkt 13 des Memorandums vereinbarten die Minister die Prüfung und allfällige Adaptierung der bestehenden relevanten Abkommen, also auch des trilateralen Vertrags.

In Gesprächen zwischen Experten der Innenministerien der drei Länder wurden insbesondere die folgenden Bereiche notwendiger Weiterentwicklungen des Vertrages identifiziert:

Automatisierter Austausch von Fahrzeug- und Halterdaten, inkl. der Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Straßenverkehrsvorschriften,

Verdeckte Ermittlung zum Zwecke der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, Zusam­menarbeit beim Zeugenschutz,

Maßnahmen zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr, Gemeinsame Einsatzformen (inkl. hoheitliche Befugnisse), Unterstützung bei Krisensituationen,

FIugsicherheitsbegleiter, 

Gegenseitige Unterstützung bei Rückführungen, Grenzüberschreitende Maßnahmen im Eisenbahn- und Schiffsverkehr, Möglichkeit zur Schaffung gemeinsamer Zentren.

Der Abschluss eines solchen Vertrages würde die Möglichkeiten der österreichischen Behörden zur Zusammenarbeit mit vergleichbaren Stellen in der Schweiz und Liech­tenstein bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, der Kriminalitätsbekämpfung, im fremdenpolizeilichen Bereich und im Bereich der Sicher­heit des Straßenverkehrs erweitern. Weiters würde die Zusammenarbeit bei der Verfol­gung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs verstärkt wer­den.

Die Verhandlungen mit der Schweiz und Liechtenstein stehen im vollen Einklang mit Verpflichtungen Österreichs im Rahmen der EU.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 31

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden voraussichtlich Vertreter/innen des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz angehören.

Die mit der Verhandlung dieses Vertrags verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Der künftige Vertrag wird voraussichtlich keine erheblichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Ver­fügung gestellten Mitteln bedeckt.

Der geplante Vertrag wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandte Mag. Elisabeth Ellison-Kramer und im Falle ihrer Verhinderung Botschafterin MMag. Dr. Elisabeth Tichy-Fisslberger zur Leitung der Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit zu bevollmächtigen.

Wien, am 18. Juli 2011

SPINDELEGGER m.p.“

*****

„Frau Präsidentin des Bundesrates

Mag.a Susanne Neuwirth

Parlament, Karl Renner Ring 1-3                                                                    Der Generalsekretär

1017 WIEN                                                                                         für auswärtige Angelegenheiten

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 26. Juli 2011 (Pkt. 33 des Beschl.Prot. Nr. 109) der Herr Bundespräsident am 2. August 2011 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 32

Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vor­beugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE ANGE­LEGENHEITEN

Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusam­menarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Krimi­nalität; Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ist am 6. Juni 2004 unterzeichnet worden und mit 1. Juni 2006 in Kraft getreten (BGBl. III Nr. 99/2006).

Infolge der inzwischen eingetretenen Entwicklungen, insbesondere der Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstandes für Ungarn, der Fortentwicklung des Rechtsbestands der Europäischen Union in der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusam­menarbeit in Strafsachen sowie den gestiegenen Anforderungen an die polizeiliche Arbeit und Zusammenarbeit ist es erforderlich, den bestehenden Vertrag zu ändern und zu ergänzen.

Mit dem Protokoll zur Änderung und Ergänzung des bestehenden Vertrages soll ein moderner, den aktuellen rechtlichen sowie praktischen Notwendigkeiten ent­sprechen­der Vertrag geschaffen werden, der im bilateralen Zusammenwirken die Effizienz bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie bei der Verhütung und Verfolgung von strafbaren Handlungen weiter steigert. Derzeit ist der vollständige Umfang der notwendigen Vertragsanpassungen noch nicht absehbar; sollte im Rahmen der Verhandlungen festgestellt werden, dass diese sehr umfangreich sind, würde sich die Verhandlung eines gänzlich neuen, den ursprünglichen Vertrags­text ersetzenden Vertrags als zielführender erweisen, als die Verhandlung eines Änderungsprotokolls, weshalb diese Vorgehensweise alternativ in Aussicht genommen wird.

Der österreichischen Delegation werden voraussichtlich Vertreter/innen des Bundes­kanzleramtes, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angele­gen­heiten, des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz angehören.

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird voraussichtlich keine erheblichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Das geplante Protokoll wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt haben und der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandte Mag. Elisabeth Ellison-Kramer und im Falle ihrer Verhinderung Botschafterin MMag. Dr. Elisabeth Tichy-Fisslberger zur Leitung der Verhandlungen über ein Protokoll


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 33

zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusam­menarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Krimi­nalität zu bevollmächtigen.

Wien, am 18. Juli 2011

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                                   Geschäftszahl: 350.200/0134-I/4/11

                                                                                                                                                 Abteilungsmail:

                                                                                                    Sachbearbeiterin: Gabriele MUNSCH

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

                                                                                                                                Telefon: 01/531 15/2264

                                                                                                                                Datum: 4. Oktober 2011

An die

Präsidentin des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert DARABOS am 5. und 6. (morgens) Oktober 2011 in Deutschland aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 30. September 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1390 und 1409/NR der Beilagen)

*****

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Des Weiteren sind die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2010 und der Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2010 eingelangt, die dem Aus­schuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurden und zwei Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung bilden.

Ebenso eingelangt sind der Grüne Bericht 2011 und der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2012 gemäß § 9 Land­wirtschaftsgesetz 1992, die dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zur Vorberatung zugewiesen wurden.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 34

Darüber hinaus ist der Sicherheitsbericht 2010 eingelangt, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso eingelangt ist auch der Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht 2010 der Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, der dem Ausschuss für Ver­kehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlos­sen und schriftliche Ausschussberichte erstellt.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 3 und 4 sowie 7 bis 10 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.15.081. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichts­hofes für das Jahr 2010 (III-443-BR/2011 d.B. sowie 8576/BR d.B.)

2. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für das Jahr 2009 (III-421-BR/2010 d.B. sowie 8577/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung.

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Preineder. Ich bitte um die Berichte.

 


10.15.29

Berichterstatter Martin Preineder: Geschätzte Frau Präsidentin! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Tätigkeitsberichte des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2009.

Ebenso erstatte ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­ge­richts­hofes für das Jahr 2010.

Ich stelle für beide Berichte den Antrag, sie zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Klug, Klubvorsitzender der SPÖ. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 35

10.16.11

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gele­genheit ergreifen, um mich einerseits im Namen des Bundesrates und unserer Fraktion bei allen Damen und Herren für die Übermittlung der Tätigkeitsberichte recht herzlich zu bedanken. Ich glaube, dass sich bei näherer Durchsicht aller Tätigkeitsberichte in diesem Tagesordnungspunkt, sowohl Verwaltungsgerichtshof als auch Verfassungs­gerichtshof, die umfassenden Arbeiten beider Gerichtshöfe für uns in aller Breite darstellen und insofern einen guten Eindruck von der Arbeit der beiden Gerichtshöfe vermitteln und auch eine gute Grundlage darstellen, wie wir als Politikerinnen und Politiker dazu kommen können, die Einschätzung insbesondere im Bereich der Rechtsdurchsetzung bis zu den Höchstgerichten auch politisch zu beurteilen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Darüber hinaus möchte ich mich auch sehr herzlich dafür bedanken, dass sich sowohl die Frau Vizepräsidentin des Verfassungs­gerichtshofes Bierlein als auch der Herr Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofes Thienel als auch der Herr Präsident des Asylgerichtshofes Perl – ich weiß, das ist der nächste Tagesordnungspunkt, aber ich mache das in einem – die Zeit genommen haben, uns im Verfassungs- und Föderalismusausschuss des Bundesrates nicht nur Rede und Antwort zu stehen, sondern auch die zum Teil durchaus sehr kontro­versiellen und auch ganz kritischen Diskussionen in einer sehr angenehmen Art und Weise gemeinsam führen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meistens – und da beziehe ich jetzt meinen Rede­beitrag im Wesentlichen auf die beiden Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichts­hofes – bleibt die Botschaft am Beginn am stärksten hängen. Daher möchte ich für unsere Fraktion doch Folgendes sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren und vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den beiden Tätigkeitsberichten des Verwaltungsgerichtshofes möchte ich besonders her­vor­heben, dass es für unsere Fraktion doch betrüblich ist, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer bei diesem Gerichtshof nach unserer politischen Einschätzung deutlich zu lange ist. Das hat mehrere Aspekte zur Folge. Einerseits, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das eine Entwicklung, die durchaus schon seit ein bis zwei Jahren politisch beobachtbar ist. Daher richtet sich auch der Fokus der Politik besonders auf diese nicht positive Entwicklung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube: Eine durchschnittliche Verfahrensdauer von rund 23 Monaten sollte auch uns im Bundesrat nicht zufriedenstellen! Keinesfalls – und da möchte ich jetzt eine große Berufsgruppe in Österreich, nämlich die Juristen, schützen – sollen die Mathematiker und schon gar nicht die Statistiker anfangen, die Juristen zu dominieren, aber klar ist auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass mit einer durchschnittlichen Verfahrens­dauer in der Statistik einmal eine grundsätzliche Tendenz zum Ausdruck kommt, und diese erfüllt uns in dem Zusammenhang doch mit Sorge.

Dass gerade in diesen offensichtlich auch internen Arbeitsabläufen beim Verwal­tungs­gerichtshof ein besonderer Reformbedarf besteht, hat wohl auch der Vizepräsident während unserer Ausschussberatungen so zur Kenntnis genommen, wenn er im Aus­schuss wie folgt zitiert: Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist der „Stachel im Fleisch“ des Verwaltungsgerichtshofs. – Zitatende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es handelt sich dabei meines Erachtens also nicht um eine Einschätzung, die ausschließlich von der Politik ausgeht, sondern auch hausintern Gott sei Dank so gesehen wird. Bringen wir das mit aller Deutlichkeit auf den Punkt.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 36

Ich möchte daher bei diesen beiden Tätigkeitsberichten meine Freude zum Ausdruck bringen, dass nach unseren Diskussionen im Ausschuss für uns, glaube ich, wohl­wollend und gut zum Ausdruck gekommen ist, dass an Verbesserungen der internen Arbeitsabläufe im Verwaltungsgerichtshof gearbeitet wird. Dazu gibt es zweifelsohne viele Überlegungen. Meines Erachtens gibt es zwei ganz tolle Ideen, einerseits die Frage eines sogenannten Eilverfahrens. Ein Eilverfahren könnte Anwendung finden bei Genehmigungsverfahren von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung und gegebenen­falls dort, wo wir ein besonderes sicherheitspolizeiliches Interesse haben. Eine Ent­scheidungsfindung in einem derartigen schnellen Verfahren innerhalb von zum Beispiel neun Monaten wäre zweifelsohne ein Schritt in die richtige Richtung.

Wirtschaftsstandortfragen stehen bei diesen Genehmigungsverfahren immer im Vordergrund, wenn es um die Verfahrensdauer geht, aber der zweite Aspekt, der im Vordergrund steht, sind zweifelsohne die gesamten Thematiken rund um das Frem­denrecht. Meines Erachtens ist es sicherlich eine tolle Idee, wenn man sich hausintern im Verwaltungsgerichtshof bemüht, bei der Geschäftsverteilung eine eigene Zustän­digkeit für die Fremdenrechtsthematik einrichten zu wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass sich auf der anderen Seite, also nicht nur haus­intern im Verwaltungsgerichtshof, auch die Verantwortung tragende Politik bemüht, die Defizite oder Verbesserungen im Bereich des verwaltungsgerichtlichen Ver­fahrens in Österreich in Angriff zu nehmen, haben wir heute schon sehr ausführlich in der Fragestunde mit unserem geschätzten Bundeskanzler erörtern dürfen. Insofern möchte ich mit einem Satz für unsere Fraktion nur sagen, wir können es kaum erwarten, dass das zweistufige Verwaltungsgerichtsverfahren Realität wird, und wir begrüßen in der Länderkammer natürlich auch die Einführung der Landesverwal­tungsgerichtshöfe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass es bei der Einführung dieses zweistufigen Ver­waltungsgerichtsverfahrens zu einer sehr umfassenden Reform der gesamten Rechtskontrolle in Österreich kommt, möchte ich besonders hervorheben und jenen ins Stammbuch schreiben, die immer wieder sagen, auf Bundesebene gibt es keine Verwaltungsreformen. Ein derartig umfassendes Verwaltungsreformkonzept und –pro­jekt auf die Reise zu bringen und, wie der Bundeskanzler avisiert hat, nach den Vor­stellungen der Bundesregierung mit Ende des Jahres gemeinsam mit den Ländern in die Zielgerade zu bringen, das zeigt doch ganz deutlich, dass auch hier ein starker Reformwille vorhanden ist, den ich ausdrücklich begrüße und worüber ich meine Freude zum Ausdruck bringen möchte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich sagen, dass ich sehr optimistisch bin, dass, wenn wir die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofs der kommenden Jahre diskutieren werden, wir uns mit ganz anderen, erfreulichen Themen auseinandersetzen werden, und darf noch einmal den Dank an Sie, Herr Staats­sekretär, richten, dass uns die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit diesen Tätig­keits­berich­ten sehr umfassend zur Kenntnis gebracht wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.24


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Ich bitte darum.

 


10.24.02

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs das unter­stützen, was Kollege Klug gesagt hat über die Arbeit im Ausschuss. Ich konnte leider nicht dabei sein als Obmann, weil ich mein Mandat im Europarat ausgeübt habe, aber die Berichte darüber kann ich vollkommen unterstützen und unterstreichen: hoch­wer­


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 37

tige Arbeit im Verfassungs- und Föderalismusausschuss. So macht Ausschussarbeit auch Sinn.

Ich möchte auch unterstreichen, Kollege Klug, was du gesagt hast über den Verwal­tungs­gerichtshof, aber auch über den Verfassungsgerichtshof. Man kann hier wirklich von einer dauernden Überlastung dieser beiden Gerichtshöfe sprechen, und beim Ver­waltungsgerichtshof ist es besonders dramatisch. Wenn wie erwähnt 23 Monate Zeit vergeht, bis über Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof entschieden wird, was wie­der eine Steigerung um 4 Monate gegenüber 2009 bedeutet, dann ist das eben einfach zu lang. Und wenn der Verwaltungsgerichtshof selber von einem „Stachel“ spricht, dann muss man das wirklich in dieser Dramatik zur Kenntnis nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof weist auch immer wieder darauf hin, den verwaltungs­gerichtlichen Rechtsschutz zweistufig auszubauen. Da sind wir heute, glaube ich, wirk­lich einen Schritt weitergekommen, weil der Bundeskanzler in der Fragestunde ganz klar ein Szenario aufgezeichnet hat, wonach in dieser Sache weitere Gespräche mit den Landeshauptleuten stattfinden werden, ich glaube, bereits im Oktober, und dass im Dezember eine entsprechende Vorlage ins Haus kommen soll. Da sind wir wirklich sehr froh darüber, dass das jetzt zur Umsetzung kommt, das kann man nur in aller Form unterstützen und unterstreichen.

Im Bericht gibt es noch weitere Vorschläge, wie heute Kollege Brunner in der Frage­stunde bereits angedeutet hat, wie zum Beispiel den, dass die seit 1991 nahezu unver­änderten Grenzwerte in Verwaltungsstrafsachen von 750 auf 2 000 € hinaufgesetzt werden. Das wäre wirklich eine Erleichterung, wenn man diese Grenzwerte hinauf­setzen würde, weil viele Verfahren dann von Vornherein abgewiesen werden könnten. Ich denke, das ist ein Gebot der Stunde, ein Gebot der Zeit, dass man hier auch eine – unter Anführungszeichen – „Valorisierung“ vornimmt.

Zum Verfassungsgerichtshof sei eingangs erwähnt, dass sich die Intention bei der Einrichtung des Asylgerichtshofes, nämlich dass der Verfassungsgerichtshof auch auf Dauer entlastet wird, nicht erfüllt hat, denn im Jahre 2010 wurden wieder 3 000 Fälle an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, und das macht immerhin 60 Prozent des Aktenanfalles aus. Unglaublich, aber wahr! Wenn wir jetzt wieder steigende Asyl­zahlen haben, Österreich wieder zunehmend mehr Asylanten aufzunehmen hat, dann wird hier zusätzlich noch mehr Druck auf den Verfassungsgerichtshof zukommen.

Außerdem: Der Rückstau aus Altverfahren beträgt im Jahre 2010 noch 7 000 Ver­fah­ren, das ist auch eine gewaltige Zahl.

Das Problem dabei ist, dass in negativen Asylentscheidungen die nachfolgenden Aus­weisungsbescheide beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden, und die müssen dann unter dem Blickwinkel des Artikel 8 EMRK wieder aufwändig geprüft werden. Das führt dann zu sogenannten Parallelverfahren, weil sich im Laufe eines Verfahrens der Verfassungsgerichtshof mit ein und demselben Asylwerber mehrfach befassen muss. Das ist auch eine besondere Ausprägung unseres Rechtsstaates.

Auch der im Regierungsprogramm stehende und heute diskutierte Punkt Schaffung dieser Verwaltungsgerichte erster Instanz würde das auf Jahre hinaus auch nicht än­dern, stellt der Verfassungsgerichtshof fest. Also ein enormer Druck, der hier auf die Gerichte zukommt.

Ein paar Zahlen, weil es wirklich wert ist, sich mit dem auseinanderzusetzen, die Berichte sind nämlich hervorragend und zeigen in deutlicher Weise den Gang der Verwaltung und der Gerichtsverfahren beziehungsweise der Verfahren im Bereich des Verfassungsgerichtshofes auf. 5 133 neu anhängigen Verfahren sowie 2 192 aus den Vorjahren übernommenen Verfahren stehen unglaubliche 4 719 abgeschlossene Ver­


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 38

fah­ren gegenüber. Ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz an Verfahren entfiel auf Angelegenheiten gemäß Artikel 144a B-VG. So standen im Jahre 2010 in Asylange­legenheiten 2 911 neu anhängigen Beschwerdeverfahren 2 740 abgeschlossene Be­schwerde­verfahren gegenüber.

Ein Beispiel aus den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes – es wurden hier mehrere zitiert – möchte ich anführen, und zwar den Vertrag von Lissabon betreffend, der auch für den Bundesrat eine Aufwertung, eine wesentliche Aufwertung gebracht hat, etwa im Bereich der Subsidiaritätsprüfung. Der Antrag, den Vertrag von Lissabon als verfassungswidrig aufzuheben, wurde zurückgewiesen, weil nicht dargelegt worden war, inwieweit dieser Vertrag unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller ein­greifen würde, und es wurde dabei zusätzlich klargestellt, dass aus dem Bundes­verfassungsrecht zwar ein Recht auf Teilnahme an einer angeordneten Volksab­stimmung, nicht aber ein Recht auf Durchführung einer solchen abzuleiten ist.

Dies in aller Kürze zu den Berichten. Es würde sich wirklich anbieten, dass man die Be­richte komplett vorliest, um das eindeutig zu dokumentieren. Wir ersparen uns das natürlich. Namens meiner Fraktion möchte ich mich bei allen Richterinnen und Rich­tern, allen Mitarbeitern des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes für die hervor­ragende Arbeit im Sinne der österreichischen Rechtspflege und des Rechtsschutzes in diesem Bereich herzlich bedanken. Meine Fraktion wird diese Berichte sehr gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.30


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Brückl. – Bitte.

 


10.30.23

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hervorragend auf­bereitet, gut strukturiert und verständlich geschrieben – so stellen sich die Berichte des Verfassungsgerichtshofes sowie des Verwaltungsgerichtshofes dar. Und – das ist das Wesentliche – sie zeigen ganz klar auf, wo es im Bereich dieser Höchstgerichte drin­genden Handlungsbedarf gibt. Vor allem der Bericht des Jahres 2010 bringt das sehr gut zum Ausdruck.

Zum einen stöhnt der Verfassungsgerichtshof nach wie vor unter der großen Anzahl an Asylbeschwerden. 2010 sind fast wieder 3 000 Asylfälle an den Verfassungs­gerichts­hof herangetragen worden. Das entspricht in Summe etwa 60 Prozent des Gesamt­anfalls. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass die Bewältigung der Arbeitslast auch 2010 wieder einigermaßen gelungen ist, die hohe Anzahl an Asylbeschwerden aber kann schon demnächst dazu führen, dass sich die durchschnittliche Verfahrensdauer – von der ja auch Mag. Klug vorhin schon gesagt hat, sie ist heute schon zu lange – von Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof verlängert und dass damit gleichzeitig die eigentliche Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, nämlich über grundsätzliche, für den Rechtsstaat essentielle Fragen zu entscheiden, beeinträchtigt wird. Gleiches gilt natürlich für den Verwaltungsgerichtshof.

Es sollte daher aus unserer Sicht jedenfalls so sein, dass Asylverfahren, die vor dem Asylgerichtshof zu führen sind, auch beim Asylgerichtshof zu enden haben und ein weiterer Gang zu einem Höchstgericht nicht möglich sein soll. Denn gerade in der Frage der Gewährung von Asyl braucht es rasche, braucht es rechtsverbindliche Entscheidungen und kein Hinauszögern und keine jahrelange Ungewissheit bei den Betroffenen.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 39

Zum anderen hoffen die Verfassungsrichter und auch die Verwaltungsrichter, dass die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit endlich rasch umgesetzt wird – wir haben heute in der Fragestunde schon viel darüber gehört –, denn man schafft damit ja auch gleichzeitig Bürgernähe, eben indem man 120 Sonderbehörden und Senate zugunsten von Landesverwaltungsgerichten auflöst und damit ein für die Menschen in unserem Land jedenfalls unüberschaubares und sehr bürokratisches Geflecht beseitigt. (Vize­präsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Die Schaffung von Landesverwaltungsgerichtshöfen, sehr geehrte Damen und Herren, ist daher ein Gebot der Stunde und sollte möglichst rasch geschehen. Denn man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass eine Entlastung – auch wenn diese Reform jetzt kommt – nicht von heute auf morgen gehen wird. Um die Versäumnisse der vergan­genen Jahre sanieren zu können, wird man sicherlich einige Jahre brauchen.

Als Zwischenlösung, so wie mein Vorredner Edgar Mayer gesagt hat, wäre auch die Anhebung der Bemessungsgrundlage durchaus ein gangbarer Weg.

Und zumindest für das Protokoll sei erwähnt, dass die Reform der Verwaltungs­gerichtsbarkeit seit Jahrzehnten diskutiert wird, im Jahr 1995 wurde bereits, damals von der sozialdemokratischen Fraktion, ein Antrag auf Änderung der Verwaltung und auf Schaffung von Landesverwaltungsgerichten eingebracht. Der letzte eingebrachte Begutachtungsentwurf geht auf das Jahr 2007 zurück. (Staatssekretär Dr. Oster­mayer: Nein, 2010!) – Dann korrigiere ich mich, aber es wurde 2007 einer eingebracht. Dann haben Sie einen neuen im Jahr 2010 eingebracht, Herr Staatssekretär. Ich neh­me das zurück. Aber Tatsache ist, dass sich hier nicht wirklich etwas bewegt und dass hier einfach Stillstand herrscht, obwohl – und das muss ich hier schon sagen – wir uns hier offensichtlich alle einig sind, dass wir das wollen und dass wir das brauchen. Sowohl die Fraktionen hier im Haus als auch die Landeshauptleute wollen und fordern hier eine rasche Lösung.

Werte Mitglieder des Bundesrates! Abschließend möchte ich noch einen Punkt im Bericht hervorheben. Es ist zwar eine Detailangelegenheit, aber sie ist vor allem für die Länder von Interesse. Da heißt es nämlich auf Seite 12 unter anderem: „Das Land Oberösterreich hat dem Verfassungsgerichtshof dankenswerter Weise eine Mitar­beiterin zu Ausbildungszwecken abgeordnet, wobei die Planstelle im Land gebunden geblieben ist. Der Verfassungsgerichtshof hofft, dass diese (...) Praxis (...) auch in Hinkunft fortgesetzt wird (...).“

Soll also heißen, dass man zu Ausbildungszwecken aus den Ländern seine Verfas­sungsjuristen zur Ausbildung dorthin schickt. Ich denke, das ist ein guter Ansatz, um auch eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Verfassungsjuristen eben in den Län­dern zu gewährleisten. In der Vergangenheit haben Oberösterreich, Wien und nicht zuletzt auch das Bundesland Vorarlberg diese Möglichkeit genutzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Bundesregierung, die hier am Zug ist, gibt es viel zu tun im Bereich der obersten Rechtsprechung. Es muss hier endlich etwas weitergehen, Herr Staatssekretär. Man muss hier die Probleme lösen, man muss diese Änderungen wirklich rasch herbeiführen. Bislang hat sich offensichtlich wirklich zu wenig bewegt. Jetzt kommt Gott sei Dank der Druck sowohl von den Landes­haupt­leuten als auch aus den Parteien, und ich hoffe, dass hier wirklich rasch eine Lösung gefunden wird.

Den vorliegenden Berichten sowohl des Jahres 2009 als auch des Jahres 2010 werden wir selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.36



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 40

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.36.03

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Berichte vom Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof zeigen ja heuer nicht das erste Mal auf, dass beide Gerichtshöfe massiv überlastet sind. Die Diskussion geht schon über Jahre und ist einige Jahre im Stocken gewesen. Ich sehe es jetzt einmal als positives Zeichen, dass Sie hier sitzen, weil ich denke mir, Sie haben schon einmal bewiesen, dass es Ihnen gelingen kann, lang dauernde Diskussionen zu einem doch vernünftigen Ende zu bringen und zu führen. Also ich hoffe, das gelingt Ihnen in diesem Fall auch.

Eine Reform ist dringend notwendig; wir haben schon 2009 einen Antrag gestellt, sie endlich in Angriff zu nehmen. Uns ist es wichtig, dass bei dieser Reform auch die Vorschläge der Opposition berücksichtigt werden und unsere Bedenken in manchen Bereichen, zum Beispiel bei der Verländerung von Umweltsenatsangelegenheiten et cetera, auch berücksichtigt oder zumindest diskutiert werden. Das wäre schon einmal ganz wichtig.

Wo die Probleme liegen, die in den Berichten aufgezählt wurden, das ist, glaube ich, schon mehrmals hier erwähnt worden. Ein weiterer Punkt, dem ich aber schon auch eine gewisse Bedeutung für die Entlastung der obersten Gerichtshöfe zuordnen würde, ist die Qualität bei der Erstellung von Gesetzen, weil das letztendlich die Grundlage dafür ist, dass es möglicherweise zu Verwaltungs- oder Verfassungsgerichts­hof­beschwerden kommt. Wenn man liest, dass im vergangenen Jahr von 53 geprüften Gesetzen 20 teilweise aufgehoben worden sind, dann, denke ich, ist auch in diesem Bereich einiges an Verbesserungen möglich – jetzt unabhängig davon, ob ich Verwal­tungsgerichtshöfe und Verfassungsgerichtshöfe aufstocken, erweitern oder Sonstiges muss.

Also im Prinzip geht es auch darum, welche Grundlagen wir hier im Parlament liefern, vor allem der Nationalrat, aber auch darum, wozu wir unsere Zustimmung geben, auf welchen Grundlagen Richter und Richterinnen entscheiden müssen und ob Ent­schei­dungen dann eventuell angefochten werden können. Das ist ein ganz wichtiger Be­reich, und ich denke – vielleicht sollten wir das auch der Frau Justizministerin mitteilen –, da können wir selbst einiges dazu beitragen, und das sollten wir uns für die Zukunft auch vornehmen.

Zu den Berichten selbst; es wurde schon erwähnt: Sie sind nicht allzu lang, aber sehr kompetent und sehr aussagekräftig. Ich glaube, vor allem die ersten drei Seiten der jeweiligen Berichte genügen, um die tatsächlichen Problemstellungen zu erfassen, und ich hoffe, dass es jetzt rasch zu einer Umsetzung der Reformvorschläge kommt, unter Berücksichtigung natürlich auch der Reformvorschläge der Opposition. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


10.39.03

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Der Frau Kollegin Kerschbaum danke ich für die Vorschusslorbeeren. Neben dem Ortstafelthema haben wir übrigens immer an dem Thema auch gearbeitet. Es ist ein Projekt. Wir sind 2010 in Begutachtung gegangen mit einem Entwurf für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit und


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 41

haben einmal geschaut, wie die Positionen sind. Der Unterschied zu bisher ist – und das hat auch eine gewisse Zeit in Anspruch genommen –: Wir haben mit allen Ministerien ganz genau versucht, zu ermitteln, wie viele Fälle es in den einzelnen jetzigen Behörden gibt, mit welcher Verfahrensdauer man rechnen muss und wie viel an Personal man brauchen wird. Und so haben wir uns über eine sehr detaillierte Vorgangsweise angenähert.

Es ist nicht so einfach, wie Herr Bundesrat Brückl gesagt hat, es sind nicht alle einer Meinung, daher stelle ich die Frage: Warum hat es denn eine jahrzehntelange Diskussion gegeben, die bisher zu keinem Ende geführt hat?

Das heißt, wir haben versucht, über sehr detaillierte Vorarbeiten und natürlich auch über sehr viele Gespräche mit den Ländern auf Ebene der Landesamtsdirektoren und so weiter einen Weg zu finden, der möglichst breit mitgetragen wird. Wir wollen ja, dass auch die Länder mitgehen, dass es auch Landesverwaltungsgerichte und nicht nur das Bundesverwaltungsgericht oder die zwei Bundesverwaltungsgerichte gibt, son­dern dass es sozusagen auch die Länderebene gibt.

Was ich jetzt versprechen kann, ist der weitere Ablauf. Es gibt am 10./11., also nächste Woche, die Landeshauptleutekonferenz. Ich bin eingeladen und versuche, dort natür­lich möglichst weit zu einem Ergebnis zu kommen. Es wird auch noch eine Runde im Bundeskanzleramt stattfinden, zu der der Bundeskanzler die Landeshauptleute einlädt.

Was ich auch zusage, ist: Mein Ziel ist es, dass wir das mit einer möglichst breiten Mehrheit – wenn es geht, einstimmig – beschließen. Ich werde daher mit jeder einzelnen Oppositionspartei, den Verfassungssprechern, das Gespräch suchen und die Bedenken, die es gibt, soweit es irgendwie geht berücksichtigen.

Es hat gestern auch vom Gemeindebund und von Gemeindevertretern Kritik gegeben. Ich kann jetzt gleich sagen: Diese Kritik ist unberechtigt, sie beruht ausschließlich auf einem Missverständnis.

Ich möchte aber, bevor ich zu diesem Projekt komme, das wir heuer noch in der Regie­rung beschließen und dann dem Parlament zuleiten wollen, zu den Berichten noch kurz etwas sagen.

Zum Bericht des Verwaltungsgerichtshofs – es ist schon einiges dazu gesagt worden –: Auf Seite 9 gibt es eine Statistik (der Redner zeigt die entsprechende Seite des Berichtes), die an sich erfreulich ist. Daran sieht man, dass der Neuanfall geringer ist als die Erledigungen und dass daher der Rückstand geringer wird – an sich etwas Positives. 2008 war der Rückstand ganz, ganz hoch, 2009 ist er schon zurück­gegangen, 2010 ist er noch einmal deutlich zurückgegangen.

Das soll aber nicht von den problematischen Punkten ablenken. Wenn man sich das genauer anschaut, sieht man, dass 22 Fälle aus 2004, 123 Fälle aus 2005 bis hin zu 3 535 Fällen aus dem Jahr 2008 noch anhängig sind – das heißt, dass Verfahren zum Teil sieben Jahre dauern. Das ist natürlich nicht nur ein menschliches Problem für die Personen, die den Rechtszugang haben wollen und für die das de facto wie eine Verweigerung des Rechtszugangs wirkt, sondern auch ein volkswirtschaftliches Prob­lem, wenn Anlagen nicht genehmigt werden et cetera. Wir kennen ja die ganze The­matik.

Ich sage das auch deshalb, weil ein Kritikpunkt des Rechnungshofes, als wir den Entwurf betreffend Verwaltungsgerichtsbarkeit versandt haben, war – ich habe mit dem Rechnungshofpräsidenten inzwischen auch noch Gespräche geführt –, dass es mehr kostet, wenn wir Landesverwaltungsgerichte und ein Bundesverwaltungsgericht schaf­fen. Wahrscheinlich ist es so. Wir haben die Zahlen mit den einzelnen Ministerien erhoben und wissen auch, dass Richter an sich mehr kosten und die Personen, die das


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 42

bisher gemacht haben, wenn sie sich nicht bewerben, vielleicht nicht schon im Pensionsalter sind, aber wir haben natürlich auch bei den Bundesbediensteten eine Fluktuation, das heißt, wir können mit weniger Aufnahmen gegensteuern, aber sozu­sagen die Transformationszeit kostet. Das kostet den Bund finanzielle Mittel, aber man muss auch die Konsequenz aus der Änderung, nämlich, dass Verfahren schneller abgewickelt werden, dass die Rückstände beim Verfassungsgerichtshof, beim Verwal­tungsgerichtshof geringer werden, und die großen volkswirtschaftlichen Auswirkungen sehen. Ich bin felsenfest überzeugt davon, dass es in Summe für den Staat, für die Menschen, für die Bürger, für die Unternehmen in diesem Staat die günstigere Variante ist, dieses Bundesverwaltungsgericht zu schaffen.

Ich sage noch etwas dazu – das betrifft den nächsten Tagesordnungspunkt; ich rede jetzt vielleicht ein bisschen länger und spare es mir dann beim nächsten Tagesord­nungspunkt –: Der Asylgerichtshof hat gezeigt, wie ein Gerichtshof extrem effizient aufgestellt werden kann, extrem effizient funktionieren kann.

Die Zahlen des Asylgerichtshofes – Sie sehen es ja im Tätigkeitsbericht –: 9 200 Fälle Eingang und 14 000 Fälle Ausgang. Das heißt, er erledigt mehr, als der Eingang ist. Er baut daher mit Jahresende heuer den großen Rucksack, den er 2008 übernommen hat, die Asylfälle der Jahre davor, ab. Meine Idee ist – den Koalitionspartner habe ich davon schon überzeugt –, dass wir dann den Asylgerichtshof nicht zurückschrumpfen, wenn er quasi in die Normalphase kommt, sondern alles, was es dort an Gerichts­organisation gibt – beginnend mit der Einlaufstelle –, nutzen, die Erfahrungen, die dort gemacht wurden, nutzen und den Asylgerichtshof zu diesem Bundesverwaltungs­gericht erster Instanz ausbauen. Dort haben wir die Erfahrungen, sozusagen ein Best-Practice-Beispiel, und ich glaube, das sollten wir nutzen. Ich hoffe, dass Sie alle dann auch für diesen Weg sind.

Also: Der Weg ist vorgezeichnet. Die Vorarbeiten sind getan, die sind im Stillen erledigt worden. Daher kann ich die einleitende Kritik im Bericht betreffend das Verwal­tungs­gericht, dass seit 2010 nichts geschehen ist, nicht teilen, weil ich weiß, was geschehen ist und was alles wir an Vorbereitungsarbeiten geleistet haben.

Abschließend: Ich bin bester Hoffnung, dass wir das jetzt mit den Ländern und dann auch mit den anderen Fraktionen im Haus schaffen, sodass wir noch heuer in der Bundesregierung den Ministerratsbeschluss fassen können und das dann dem Parlament zuleiten können. Was man wissen muss, ist: Der Umbau, die Trans­for­mation dauert dann natürlich auch eine gewisse Zeit, nicht nur organisatorisch, son­dern auch deshalb, weil wir in den einzelnen Materiengesetzen, die dann von den Sonderbehörden in das Bundesverwaltungsgericht wandern, Verfahrensbestimmungen und so weiter ändern müssen. Also legistisch kommt auch noch einiges auf Sie zu. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Kickert und Zangerl.)

10.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kemperle. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.47.01

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Werter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es ist ja schon einiges aus den Tätigkeitsberichten 2009 und 2010 zitiert beziehungsweise gesagt worden. Ich möchte mich auf die Tätigkeitsberichte des Verfassungsgerichtshofes 2009 und 2010 beziehen.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 43

Im Jahr 2009 wurde der Verfassungsgerichtshof zunehmend mit Asylrechtssachen belastet. Grund dafür war die zunehmende Beschwerdeflut in Asylrechtssachen auf­grund von Bestimmungen, die seit 2008 gelten. Das heißt, mit Einrichtung des Asyl­gerichtshofes wurde AsylwerberInnen der Weg zum Verwaltungsgerichtshof abge­schnitten, und sie konnten sich bei einem negativen Asylbescheid nur mehr an den Verfassungsgerichtshof wenden.

Das hat dazu geführt – das haben einige meiner Vorredner schon erwähnt –, dass allein 2009 3 449 Beschwerden gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes einge­langt sind. Diese 3 449 Beschwerden entsprechen über 63 Prozent des Gesamtanfalls der im Jahr 2009 beim Verfassungsgerichtshof anhängig gemachten Rechtssachen.

Im Jahr 2009 wurden an den Verfassungsgerichtshof insgesamt 5 489 neue Fälle herangetragen, was etwa doppelt so viele sind wie im Durchschnitt der vorange­gan­genen zehn Jahre. Das heißt, jahrelang sind nur 2 000 bis 2 500 neue Rechtsfälle pro Jahr beim Verfassungsgerichtshof angefallen.

Daran sieht man auch ein wenig das Konkurrenzverhalten zum Verwaltungs­gerichts­hof. Der Verwaltungsgerichtshof hat von dieser Verlagerung – unter Anführungs­zeichen – „profitiert“, nämlich von der Entlastung durch Asylsachen, die ja an den Verfassungsgerichtshof gegangen sind. Der Verwaltungsgerichtshof verzeichnete im Jahr 2009 um zirka 35 Prozent weniger an Beschwerden. Dadurch konnte der Rückstand bei Beschwerdefällen auf 9 200 gesenkt werden. Die Aufarbeitung der in Asylsachen entstandenen Rückstände konnte dem Verwaltungsgerichtshof zufolge 2011 zur Gänze abgeschlossen werden.

Dem Verfassungsgerichtshof ist es 2009 mit organisatorischen Maßnahmen und viel Engagement der Betroffenen gelungen, diese neuen Herausforderungen zu bewäl­tigen. Auf Dauer allerdings ist diese Doppelbelastung nicht tragbar, und der Verfas­sungsgerichtshof hat zu Recht auch Bedenken dahin gehend geäußert, dass er seiner eigentlichen Aufgabe auf dem Gebiet der Normenkontrolle nicht mehr gerecht werden kann. Das heißt, aufgrund dieser Arbeitsbelastung sollte und müsste die diskutierte Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit relativ rasch durchgezogen werden.

Der Verfassungsgerichtshof konnte 2009 insgesamt 5 471 Fälle erledigen. Der Großteil dieser erledigten Fälle betraf Entscheidungen des Asylgerichtshofes, es waren 3 192 Beschwerden gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes.

Ende 2009 waren noch 2 192 Rechtssachen offen, davon 1 150 Asylrechtssachen.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer beim Verfassungsgerichtshof selbst ist – ohne Berücksichtigung der Asylrechtssachen – doch wesentlich geringer als jene beim Verwaltungsgerichtshof, sie beträgt vom Eingangsdatum bis zur Beschlussfassung acht Monate.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich 2009 hinsichtlich einer Optimierung der Orga­nisation sehr bemüht und auch versucht, seine Außenauftritte zu verbessern, dies zum Beispiel durch bessere Information. Es wurde auch ein Blog auf der Website des Gerichtshofes eingerichtet, wo ersichtlich ist, was der Verfassungsgerichtshof seit 2009 bereits getan hat.

Weiters sind im Jahr 2009 noch personelle Veränderungen dazugekommen: Zwei sehr ambitionierte und langjährige Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes – sie waren über 30 Jahre lang Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes – sind ausgeschieden. Das heißt, mit dem Ausscheiden dieser beiden Mitglieder, Kurt Heller und Karl Spiel­büchler, sind hohe Kompetenz und Erfahrung vom Verfassungsgerichtshof abge­gan­gen.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 44

Zur personellen Situation insgesamt: Dem Verfassungsgerichtshof gehörten 14 Mitglieder an, davon neun als ständige Referenten, und 100 Planstellen standen für nichtrichterliche Bedienstete zur Verfügung. Das ist eine relativ geringe Zahl in Bezug auf die Zahl der zu bearbeitenden Fälle.

Betrachten wir nun das Jahr 2010: Im Jahr 2010 ist es – das hat ja Kollege Mayer bereits erwähnt – wieder dazu gekommen, dass fast 3 000 Asylfälle an den Verfassungsgerichtshof herangetragen wurden, was ungefähr 60 Prozent des gesamten Aktenanfalls entspricht.

Der Verfassungsgerichtshof weist auch 2010 darauf hin – zu Recht, wie ich meine –, dass er diese Arbeitslast zwar einigermaßen bewältigen kann, dass diese jedoch auf Dauer unerträglich wäre beziehungsweise dass es dann wirklich zu essentiellen Substanzverlusten kommen könne. Er verweist darauf, dass eine Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit relativ rasch in Angriff zu nehmen ist.

2010 wurden – auch das wurde schon erwähnt – 5 133 neue Fälle an den Verfas­sungsgerichtshof herangetragen. 4 719 Rechtssachen konnten erledigt werden. Ein Großteil der Rechtssachen, die zur Erledigung anstanden, waren wieder Asylbe­schwerden.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer hat sich auch 2010 nicht erhöht und ist bei diesen acht Monaten geblieben.

Der Verfassungsgerichtshof hat auch 2010, was die personelle Besetzung betrifft, nicht zugenommen, es ist weiterhin bei den 14 Mitgliedern, davon neun als ständige Referenten und Referentinnen, und 100 Planstellen geblieben.

Der Verfassungsgerichtshof hat am 1. Oktober 2010 die 90. Wiederkehr der Be­schluss­fassung über das Bundes-Verfassungsgesetz und damit auch der erstmaligen Einrichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit, was meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Schritt war, gefeiert.

Aufgrund all der genannten Punkte des Tätigkeitsberichtes und der Arbeit des Verfas­sungsgerichtshofes kann meine Fraktion dem gegenständlichen Bericht einhellig die Zustimmung geben, und wir bedanken uns bei den damit befassten Kolleginnen und Kollegen für ihre tolle und engagierte Arbeit, die sie hier leisten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf die Besucher, die zu unserer Sitzung hinzugekommen sind, sehr herzlich begrüßen, so auch die Mitarbeiter des ober­öster­reichischen Landtagsklubs.

Als Nächstem darf ich Kollegen Wenger das Wort erteilen. – Bitte.

 


10.56.34

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In den bisherigen Redebei­trägen wurden die beiden Berichte sowohl hinsichtlich ihrer Struktur, der wesentlichen Zahlen, aber auch der Qualität bereits ausführlich erläutert, ich möchte daher nur noch einige Ergänzungen aus der Diskussion im Ausschuss anbringen.

Die Tatsache, dass die beiden Gerichtshöfe dauernd strukturell überlastet sind, war natürlich auch im Ausschuss ein Thema und wurde sehr breit diskutiert. Es wurde vor allem darauf hingewiesen, dass dieser Umstand nicht nur das klaglose Funktionieren der Verwaltung in Frage stellt, sondern sich in weiterer Folge auch negativ auf die Rechte der Bürger auswirkt.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 45

Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass ein oberstes Verwaltungsgericht mit einer Personalausstattung, die mit jener des Verwaltungsgerichtshofes vergleichbar ist, nicht mehr als etwa 3 000 bis 3 500 Fälle im Jahr zu erledigen hat, und das in der erforderlichen Qualität und auch innerhalb einer angemessenen Zeit.

Auch der Umstand, dass die Einführung und die Einrichtung einer zweistufigen Ver­waltungsgerichtsbarkeit entsprechende Priorität hat, wurde ausführlich diskutiert. In der heutigen Fragestunde hat uns ja der Herr Bundeskanzler über den diesbezüglichen Fahrplan aktuell informiert und auch darüber, dass sowohl die Bundesregierung als auch die Länder diesen Fahrplan einhalten wollen. Und der Herr Staatssekretär hat das in seinen Ausführungen letztendlich auch bestätigt.

Im Ausschuss wurden aber auch der Abbau der Rückstände sowie die Verfah­rensdauer ausführlich diskutiert – die Zahlen dazu wurden bereits erläutert.

Vom Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes wurde in diesem Zusammenhang ein ganz interessantes Detail erwähnt, nämlich, dass bei der laufenden Arbeit nicht ausreichend viele wissenschaftliche Mitarbeiter zur Verfügung stehen, was letztendlich dazu führt, dass die Richter vielfach auch deren Arbeit übernehmen und damit in diesem Bereich ihre Ressourcen binden.

Auch der Verfassungsgerichtshof, insbesondere die rund 3 000 Fälle im Asylverfahren, wurde bereits ausführlich diskutiert. Wir alle sind, glaube ich, einig darin, dass die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit jetzt kurz – hoffentlich kurz – vor dem Ab­schluss steht und dann wirklich eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, ein zeit­gemäßes und auch dem internationalen Standard entsprechendes Rechtsschutz­system vorhanden sein wird.

Das wurde im Grunde genommen alles bereits gesagt. Abschließend möchte ich nur noch anmerken, dass durch die Anwesenheit der Vizepräsidentin des Verfas­sungs­gerichtshofes und des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes im Ausschuss beide Berichte in einer besonderen Qualität diskutiert werden konnten. Und ich füge hinzu: So macht Ausschussarbeit wirklich Spaß.

Unser Dank gilt den Verfassern der beiden Berichte, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Gerichtshöfe für ihre hervorragende Arbeit im Sinne der österreichischen Rechtspflege. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über die Tätigkeitsberichte des Verwal­tungs­gerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2010.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die gegenständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über die Tätigkeitsberichte des Verwal­tungsge­richtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2009.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, die gegenständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 46

11.01.323. Punkt

Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2010 (III-444-BR/2011 d.B. sowie 8578/BR d.B.)

4. Punkt

Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2009 (III-422-BR/2010 d.B. sowie 8579/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 3 und 4 ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


11.01.59

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Tätigkeitsberichts des Asylgerichtshofes für das Jahr 2010 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 den Antrag, den Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2010 (III-444-BR/2011 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

Auch der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Tätig­keitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2009 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher ebenfalls sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2009 (III-421-BR/2010 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.02.45

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf das Thema eingehe, möchte ich nur kurz etwas sagen.

Heute um 6 Uhr früh wurde in den Nachrichten verkündet, dass der Bundesrat heute seine 800. Sitzung abhält und der Herr BZÖ-Chef Josef Bucher die Abschaffung des Bundesrates fordert. Dass eine demokratisch gewählte Partei die Abschaffung einer Länderkammer, die verfassungsmäßig verankert ist, fordert, ist meines Erachtens eine sehr große Frechheit, noch dazu – und ich habe diesbezüglich auch mit einigen Kollegen auch aus den anderen Parteien gesprochen –, wo ich ihn noch nicht bei uns im Bundesrat gesehen habe und er sich auch noch nicht nach unserer Arbeit erkundigt hat.

Außerdem hat er gesagt, wir haben nur zehn Sitzungen im Jahr und daher kosten wir alle miteinander zu viel Geld. Wenn der Herr Nationalrat nur an den Sitzungen teilnimmt und nicht, so wie wir, dazwischen auch an Ausschusssitzungen teilnehmen muss, in denen er auch arbeiten muss – und wir haben ja den Bundesrat auch nach außen zu vertreten –, tut er mir wirklich leid, und ich möchte solche Meldungen von


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 47

Herren, die sich bei uns nicht nach unserer Arbeit erkundigen, eigentlich nicht mehr hören müssen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nun zum Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes. Die Arbeit des Asylgerichtshofes ist ganz sicherlich keine einfache. Einige Parteien sind sicherlich nicht wirklich hilfreich für die Tätigkeit des Asylgerichtshofes, im Gegenteil, haben wir doch erst im Vorjahr – es muss ungefähr Mitte des Jahres gewesen sein – vom UNO-Flüchtlingshoch­kommis­sariat die Aufforderung bekommen, nicht gegen Flüchtlinge Stimmung zu machen.

Die Gleichstellung mit Flüchtlingen, wobei Flüchtling gleich Verbrecher ist, ist eine höchst problematische und menschenunwürdige. Der Asylgerichtshof in Österreich sollte sich eigentlich darauf verlassen können, dass Österreich mit seiner lang wäh­renden Asyltradition hier ein anderes Auftreten ermöglicht, nämlich, nicht gegen Flüch­tlinge Stimmung zu machen und den staatlichen Willen, Schutz zu gewähren, nicht zu untergraben.

Beim Lesen der zwei Tätigkeitsberichte bekommt Mann beziehungsweise Frau endlich einmal das Gefühl, im Asylgerichtshof wird für die Menschen gearbeitet und wird auf die schwierigen Lebenssituationen und Lebensbedingungen eingegangen. Die tägliche Auseinandersetzung mit menschlichen Schicksalen, mit Ängsten und Sorgen ist sicherlich eine sehr große Herausforderung für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Asylgerichtshofes. Eine Trennung, wo Schutzbedarf vorhanden ist und wo Zuwan­derung erfolgt, heißt, regelmäßig Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen über Lebenssituationen, über andere Kulturen und auch über Menschen, die andere Sprachen sprechen.

In dem Wunsch, den der Herr Präsident Mag. Harald Perl im Ausschuss formuliert hat, nämlich immer eine richtige Entscheidung treffen zu wollen, die verfassungs- und menschengerecht ist, möchte ich Sie gerne bestätigen – für Österreich und für die Menschen, die bei uns Schutz suchen.

Schauen wir uns die Zahlen genauer an! Der Asylgerichtshof hat zu Beginn seiner Tätigkeit am 1. Juli 2008 einen Rucksack von Altfällen übernommen: 23 600 Fälle! Diese Zahl wurde in den letzten Jahren kontinuierlich abgebaut. Im Jahr 2010 waren es „nur mehr“ 7 000 Fälle. Wir sagen so einfach „Fälle“, aber das sind Schicksale, Schicksale von Menschen. So haben wir seitens der Volksanwaltschaft Mitte dieses Jahres gehört, dass es eine wahre Explosion der Beschwerden gibt. Diese betreffen vor allem die lange Verfahrensdauer. In den ersten vier Monaten des heurigen Jahres waren bereits 320 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft eingegangen, im gesamten Jahr 2010 insgesamt nur 330 Beschwerden.

Ihr Ziel ist es, wie dem Bericht zu entnehmen ist, dass die Verfahren in sechs bis zehn Monaten erledigt werden sollen. Hierzu wünsche ich Ihnen wirklich viel Kraft!

Besonders erfreulich ist, dass der Asylgerichtshof europaweit der erste Gerichtshof ist, der ein qualifiziertes Arbeitssystem vorweist. Dieses System bedeutet effiziente und nachvollziehbare Abläufe, klare Strukturen, klare Zuständigkeiten, Befugnisse und Ablaufregelungen, klare und transparente Definitionen interner Abläufe, die Verhin­derung von Reibungsverlusten, rasche und zügige Arbeit des Administrativapparates, Standardisierung der Arbeitsschritte und die Verbesserung der internen Kommuni­kation. Das alles bedeutet eine wirkliche Vereinfachung des Asylgesetzes, eine Ver­einfachung für die Menschen, die zu uns kommen, und eine schnellere Abhandlung der Anträge. Das ist wirklich sehr zu begrüßen.

Sehr begrüßenswert ist auch, dass der UNHCR die positive und qualitativ sehr gute Zusammenarbeit mit unserem Asylgerichtshof hervorhebt.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 48

Aus dem vorliegenden Bericht können wir weiters herauslesen, dass rund ein Fünftel der erstinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben wurden. 2010 waren dies exakt 2 359 Fälle, also Schicksale. Obwohl, wie wir wissen, die Asylgesetzgebung in Öster­reich eine äußerst restriktive ist, werden dennoch rund 20 Prozent der Asylbescheide des Bundesasylamtes wieder aufgehoben. Das ist für mich schon sehr besorgnis­er­regend.

Ich möchte ganz kurz auf einen neuen Trend im Asylbereich hinweisen, der auch unter die Tätigkeit des Asylgerichtshofes fällt. Es kommen immer mehr Kinder unter 14 Jahren nach Österreich. Allein heuer waren es 36 Fälle, im gesamten Vorjahr waren es 34 Kinder unter 14 Jahren, die zu uns gekommen sind. Insgesamt befinden sich zurzeit in Österreich 765 Minderjährige in der Grundversorgung. Ich wünschte, dass es hier eine besonders große Sorgfalt gibt im Umgang mit diesen Kindern und Jugend­lichen, weil ich glaube, dass das der Boden ist für eine gute und hoffnungsvolle Zukunft für diese Jugendlichen.

Abschließend möchte ich im Namen meiner Fraktion ein herzliches Danke für die Arbeit des Asylgerichtshofes sagen und den Mitarbeitern und dem gesamten Team des Asylgerichtshofes viel Kraft für die Zukunft und vor allem viel menschliches Gespür wünschen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Kainz. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.10.01

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Unter der Bezeichnung „Asyl“ versteht man einen Zufluchtsort, einen Ort, der Schutz vor Gefahr und Verfol­gung bietet und der eine temporäre Aufnahme der Verfolgten sicherstellen soll. Unter dem Titel „Asylrecht“ versteht man die gesetzlichen Bestimmungen, wonach die Betreffenden als Flüchtlinge anzuerkennen sind. Der entsprechende Artikel der Flüchtlingskonvention besagt, dass diejenigen Personen, die sich außerhalb ihres Heimatlandes befinden und aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer poli­tischen Gesinnung und so weiter berechtigte Furcht haben müssen, aufgenommen werden können. Was dezidiert keinen Aufnahmegrund darstellt, ist wirtschaftliche Not, Armut oder andere Dinge.

Warum sage ich das zu Beginn der Diskussion der beiden Berichte des Asyl­gerichtshofes? – Weil das in Österreich auch die Basis dafür darstellen muss – und auch darstellt –, wie wir unsere Asyl- und Fremdenrechtspolitik auslegen. Das ist eine Basis, auf die wir stolz sind. Wir können auch auf eine sehr, sehr lange Asylpolitik in Österreich zurückblicken, und ich denke, dass wir zu dieser Asylpolitik mit Stolz stehen können, weil dabei der Mensch zweifellos im Mittelpunkt steht. Wir wissen aber auch, dass vielleicht manche Menschen in anderen Ländern immer weniger wirtschaftliche Perspektiven sehen, dass sie aber auch damit zurechtkommen müssen. Wir müssen nämlich auch klar sagen, dass für diejenigen, die nicht aus religiösen Gründen, nicht aus politischen Gründen Zuflucht in Österreich suchen, das Asylverfahren zweifellos das falsche Verfahren ist.

Ich bin – und ich habe das, glaube ich, auch schon bei jeder Diskussion, bei jeder Rede auch hier im Hohen Haus zum Thema Asyl- und Fremdenrechtspolitik gesagt – Bürgermeister der Weinbaugemeinde Pfaffstätten, der Nachbargemeinde von Trais­kirchen, die zweifellos einen besonderen „Rucksack“ umgehängt bekommen hat und, wie ich glaube, auch ihren besonderen Beitrag zur österreichweiten Asyl- und Frem­denrechtspolitik leistet.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 49

Die ehemalige k. u. k. Kadettenschule in Traiskirchen ist ja seit 1956/1957, seit dem Ungarnaufstand und der Ungarnkrise, ein Flüchtlingslager, mittlerweile Erstaufnah­mestelle Ost. Wir, die ÖVP-Bundesratsfraktion, waren vorgestern in dieser Erstauf­nahmestelle Ost, weil es uns auch ein Anliegen war, sozusagen direkt vor Ort mit den Verantwortlichen zu sprechen, und auch, um zu sehen, unter welchen Umständen Asylwerber in Österreich die ersten Tage und Wochen in dieser Erstaufnahmestelle verbringen müssen und dürfen und wie sie auch selber mitwirken, damit das Asyl­verfahren möglichst rasch und effizient abgewickelt wird. Wir konnten uns davon überzeugen, dass sich hier alle bemühen, angefangen von European Homecare über die Mitarbeiter der EA Ost bis hin zur Exekutive, diesen Menschen, die zweifellos alle aus einer Perspektivenlosigkeit heraus oder auch deshalb ihr Land verlassen müssen, weil sie religiös oder politisch verfolgt werden, hier ein entsprechendes Lebensumfeld und auch Sicherheit zu bieten, und deswegen möchte ich mich an dieser Stelle auch bei allen, die hier einen Beitrag leisten, herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im Gegenzug müssen wir zur Kenntnis nehmen – ich glaube, das gehört auch zu verantwortungsvoller Politik –, dass es natürlich auch kriminelle Strukturen gibt, wo gewisse Personen versuchen, mit dem Leid und der Perspektivenlosigkeit der Men­schen Geschäfte zu machen. Und da spreche ich dezidiert das Schlepperunwesen an. Da müssen wir als Gesetzgeber natürlich handeln, weil sich durch das Schlep­perunwesen der Asylstrom sehr massiv verändert hat; darauf müssen wir auch ein­gehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die ganz aktuelle Situation in Bezug auf all das eingehen, was rund um die Situation in Afghanistan entweder schon passiert oder in Zukunft noch auf uns zukommt. Wir wissen, dass in Griechenland die Grenzen offen sind, dass es hier durchaus anzusprechende Probleme gibt, und dass die Afghanen, die natürlich aus verständlichen Gründen ihr Land verlassen wollen, in die Europäische Union drängen. Wir haben mit einem Flüchtlingsstrom, vor allem nach Deutschland zurzeit, zu kämpfen, und ich erwarte mir, dass nicht nur die Bundesländer ihrem Auftrag und ihrer Verantwortung gerecht werden, sondern auch die Europäische Union einen europäischen Schulterschluss startet, weil man wahrscheinlich auch die Griechen in der jetzigen Situation mit dieser Problematik nicht ganz alleine lassen kann.

Andererseits ist es, wenn der Europäische Menschenrechtsgerichtshof meint, dass Flüchtlinge nicht nach Griechenland abzuschieben sind, weil es dort menschen­unwürdige Situationen gibt, auch etwas, was mich nicht zufriedenstellt. Ich denke, hier wird zweifellos noch eine nationale und internationale Kraftanstrengung notwendig sein.

Ich glaube, es war auch richtig und wichtig, dass wir in den letzten Jahren die Asyl- und Fremdenrechtsgesetzgebung ständig evaluiert haben, dass wir einerseits die Asyl- und Fremdenrechtsgesetzgebung etwas verschärft haben, aber zum Zweiten auch ganz klar gesagt haben, dass jene, die um Asyl ansuchen, auch Rechtssicherheit haben müssen und auf ein schnelles, sehr klares Asylverfahren vertrauen können müssen. Deswegen war eine ganz wesentliche Aufgabe, eine ganz wesentliche Stoßrichtung und Vorgabe auch für den neuen Asylgerichtshof, der vor rund drei Jahren geschaffen wurde, einerseits die Verfahrensdauer zu kürzen und andererseits auch den großen „Rucksack“ an Altverfahren möglichst rasch aufzuarbeiten. Daher glaube ich, dass die beiden Berichte, die heute zur Diskussion und letztendlich auch zur Abstimmung stehen, Erfolgsberichte sind, weil der Asylgerichtshof seiner Aufgabe, nämlich raschere Verfahren durchzuführen und Zweiten auch die Altfälle aufzuarbeiten, zweifellos ge­recht geworden ist.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 50

Wir haben heute insgesamt 54 000 anhängige Verfahren, wobei davon schon rund 75 Prozent abgeschlossen wurden. Auch eine Zahl, die mich sehr beeindruckt hat: Diesen 41 000 Fällen liegen insgesamt 120 000 richterliche Entscheidungen zugrunde. Ich denke, das ist auch ein Beispiel dafür, mit welch hoher Qualität der Asylgerichtshof arbeitet und wie aufwendig letztendlich diese Verfahren sind, die hier zur Entscheidung vorgelegt wurden.

Zur Verfahrensdauer: 70 Prozent sind abgeschlossen, 55 Prozent innerhalb von zwei Monaten und 80 Prozent innerhalb von sechs Monaten. Ich glaube, auch das Erreichen des zweiten Zieles, nämlich die Asylverfahren möglichst rasch abzuschließen, wurde anhand dieser beiden Berichte auch schriftlich sehr schön belegt.

Zum Schluss kommend möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Asyl­gerichtshofes, allen Richterinnen und Richtern herzlichst danken, weil richterliche Entscheidungen nie einfach sind, aber dort, wo es um Menschen, um Schicksale geht, ist die Entscheidungsfindung wahrscheinlich eine, die besonders fordert. Deswegen in diesem Sinne ein aufrichtiges Dankeschön an alle, die hier ihren Beitrag leisten, und ich denke auch, dass Herr Präsident Perl zu Recht stolz sein kann auf die Arbeit des Asylgerichtshofes.

Ich glaube auch, dass er zu Recht diese Kritik zurückgewiesen hat, die die Flücht­lingsorganisationen teilweise vorgebracht haben, dass zu schnelle Entscheidungen eine Qualitätsminderung darstellen. – Nein! Schnell heißt nicht immer falsch. Schnelle Entscheidungen sind in diesem Fall die richtigen Entscheidungen.

Wir nehmen diesen Bericht des Asylgerichtshofes für die Jahre 2009 und 2010 mit Freude und absolut zustimmend zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der SPÖ.)

11.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


11.19.00

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich werde jetzt nicht auf die Zahlen, auf das Zahlenmaterial, das im Bericht in sehr kompakter Form dargelegt ist, näher eingehen. Es ist ja bereits die erfreuliche Tatsache erwähnt worden, dass dieser „Rucksack“ aus dem Jahr 2008 bereits weitgehend abgebaut werden konnte.

Der Bericht über das Jahr 2010 umfasst 26 Seiten, jener über das Jahr 2009 31 Seiten. Warum erwähne ich das jetzt? – Erfreulicherweise kann man ja alle einzelnen Ent­scheidungen im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes, im RIS, einsehen. Ich habe mir die Mühe gemacht, ein bisschen darin zu stöbern, und ich habe mir einen Fall aus der jüngsten Vergangenheit näher angeschaut.

Da geht es um einen Inder, der bereits einmal, nämlich 2002, illegal eingereist war und dann unter Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe wieder zurückgekehrt ist. Dieser ist 2011 mit einer Schlepperorganisation wieder zu uns gekommen. Als Asylgründe hat er angegeben, dass er in seinem Bundesstaat – die Daten sind im RIS natürlich anonymisiert – eine Zeitung gegründet hat, dort Unabhängigkeit gefordert hat, deshalb unter politischen Druck geraten und außerdem von seinen Gläubigern bedroht worden ist.

Das ist ein Fall, bei dem man vordergründig sagen würde, das ist ein einfacher Fall und einfach zu entscheiden. Diese Entscheidung umfasst 18 Seiten und ist wirklich in beeindruckender Gründlichkeit und mit viel Mühe, was die Recherchen über die Detail­verhältnisse, über die politischen Verhältnisse im betroffenen Bundesstaat betrifft,


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 51

ausgeführt. Man kann also sagen, da wird nicht nur schnell, sondern auch durchaus umfassend und gründlich gearbeitet.

Zum Zeitrahmen: Der Mann ist am 29. Juni dieses Jahres eingereist. Die Entscheidung des Asylgerichtshofes ist bereits mit 13. September dieses Jahres erfolgt. Also die Zeit, die der Asylgerichtshof gebraucht hat, war noch wesentlich kürzer als die zweieinhalb Monate, die seit der Einreise vergangen sind, da zunächst die Erstinstanz des Bun­desasylsenats passiert werden musste.

Und ich habe das deshalb genannt – die meisten Fälle werden auf etwa 24, 26 Seiten abgehandelt –, damit man sieht, was hinter diesen kompakten Zahlen im Bericht an Arbeit steckt. Das ist durchaus beeindruckend.

Ein weiteres Indiz für die durchaus qualitätsvolle Arbeit wurde bereits angesprochen, es ist die Zertifizierung durch Quality Austria nach der Qualitätsnorm ISO 9001. Auch die Homepage des Asylgerichtshofs ist – das werden Sie sehen, wenn Sie diese anschauen – sehr übersichtlich und informativ. Es besteht auch die Möglichkeit, die diversen Antragsformulare und all diese Dinge abzurufen.

Die Vorrednerin hat die Aufhebung von ungefähr 20 Prozent der Entscheidungen, die in der Erstinstanz gefällt wurden, kritisiert. Ich sehe das eigentlich eher umgekehrt. Ich sehe es positiv, dass 80 Prozent der erstinstanzlichen Urteile bestätigt wurden. Diese Bestätigung der überwiegenden Zahl der erstinstanzlichen Urteile ist, glaube ich, doch eher positiv zu bewerten.

Nur in einem einzigen Punkt ist dieses Verhältnis leider Gottes umgekehrt. Das betrifft den Verlust des Asyls nach § 14. Da wird der überwiegende Teil der Fälle revidiert, auch wenn die Anzahl der Fälle in Summe sehr gering ist. Leider konnte mir hier im Ausschuss keine Antwort darauf gegeben werden, warum dies so ist. Das ist vielleicht ein kleiner Wermutstropfen.

Etwas, was hier bereits genannt wurde, ist die Situation mit dem Dublin-Verfahren Griechenland. Im Ausschuss erhielt ich die Antwort, dass derzeit überhaupt keine solchen Verfahren Griechenland betreffend anhängig sind, weil offensichtlich die Erstinstanz das bereits so entscheidet, dass kein Anlass zur Beschwerde besteht. Und ich muss schon sagen – es ist bereits teilweise erwähnt worden –, es ist eigentlich sehr traurig, in der Europäischen Union mit ansehen zu müssen, wie ein einzelnes Land – im „Standard“ ist heute gestanden: „Zustand Griechenland“ – permanent versucht, sich offensichtlich seinen eigenen Schlendrian auf dem Rücken der anderen EU-Staaten finanzieren und ausbauen zu lassen. Aber das liegt natürlich nicht im Verantwor­tungs­bereich des Asylgerichtshofs.

Deshalb zusammenfassend: Ich bitte darum, dem Asylgerichtshof und seine Mitar­bei­tern Dank auszusprechen. Wir werden diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis neh­men. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


11.25.06

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch von Seiten meiner Fraktion einen herzlichen Dank an die Verfasser und Verfasserinnen dieses sehr umfassenden Berichtes. Er ist sehr gut ausgeschmückt mit sehr viel Zahlenmaterial. Ich möchte das nicht wieder strapazieren als letzter Sprecher.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 52

Aber eines möchte ich schon anmerken: Wenn eine Firma im wirtschaftlichen Kon­kurrenzdruck 17 Prozent ihrer Produkte zurücknehmen muss, weil sie fehlerhaft sind, dann hätte sie am Markt ein Problem. Wir haben ein Problem in der ersten Instanz aufgrund dessen, weil dort leider Gottes keine ausgebildeten Juristen und Juristinnen sitzen. Wir könnten, auch wenn knapp 80 Prozent der Entscheidungen des Asylge­richts­hofes bestätigt werden, die restlichen 20 Prozent auch auf ein notwendiges Mini­mum herunterschrauben, wenn in der ersten Instanz fachkundiges Personal eingesetzt würde. Wie in jedem anderen Job sollte man auch in diesem Fall die Qualifikation mitbringen müssen, die man für die Ausübung dieser Tätigkeit benötigt.

Ich möchte gar nicht in Abrede stellen, dass die Beamten und Beamtinnen dort engagiert arbeiten. Sie arbeiten sicher engagiert und sind sehr viel Druck ausgesetzt, aber eine Komponente, eine Qualität ist natürlich auch der Ausbildungsstand. Daher wäre ein konkreter Vorschlag seitens der NGOs, von UNHCR und auch von uns Grünen, auch in der ersten Instanz qualifiziertes Personal einzusetzen. Dann hätte die zweite Instanz weniger Arbeit. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist – und da möchte ich kurz auf das zu sprechen kommen, was Kollegin Posch-Gruska gesagt hat betreffend Stimmung gegen Asylwerber und so weiter –: Natürlich sind wir gegen Stimmungsmache. Wir sollten danach trachten, die Flut der Beschwerden, die sich bei der Volksanwaltschaft anhäuft, drastisch zu redu­zieren. Aber drastisch reduzieren kann man das nur dann, wenn man auch gewisse Änderungen vornimmt.

Wenn von den Altfällen ungefähr 327 Fälle von vor dem Jahre 2002 anhängig sind, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss ich darauf hinweisen, das sind fast zehn Jahre – zehn Jahre, in denen sich Menschen hier eine Existenz aufgebaut haben, Freundschaften geknüpft haben, in denen die Kinder hier auf die Welt gekommen sind und in die Schule gehen. Und da wäre es doch im Interesse von allen Beteiligten, dass man diesen Menschen ein Bleiberecht zukommen lässt, sofern zwei Kriterien gegeben sind: der Grad der Integration und der Grad der Unbescholtenheit. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Dann hätten wir nämlich eine Verwaltungsvereinfachung, und wir würden uns auch viel menschliches Leid ersparen.

Aber ich verstehe, der gelernte Österreicher und vor allem der Politiker weiß, man braucht ja auch für den Wahlkampf immer wieder eine bestimmte Munition, und da kann man sehr gut dieses Thema aus dem Ärmel ziehen. Wir sehen ja, dass gerade diese Thematik besonders vor Wahlkampfzeiten immer wieder strapaziert wird. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Einen dritten Punkt möchte ich jetzt noch ansprechen. Und da, Edgar, würde ich alle Kollegen und auch die ZuseherInnen vor dem Fernseher zu Hause um zwei Minuten Aufmerksamkeit ersuchen. Ich bin überzeugt davon, dass das nicht alle wissen. Die österreichische Bundesregierung hat beschlossen, unter dem Deckmantel der Integration und des interreligiösen Dialoges ein saudisches Institut in Österreich zu errichten. Also mir wird ganz warm ums Herz, Herr Staatssekretär, ein saudisches Institut zum interkulturellen und interreligiösen Dialog!

Das ist nicht verständlich, wenn man weiß, was für ein Geist in diesem Land herrscht, welche Form des Islam in diesem Land praktiziert wird, wenn man weiß, dass dieses Land seit 1948 die Menschenrechte, die allgemeingültigen universalen Menschen­rechte nicht unterzeichnet hat, wenn man weiß, dass dort Jugendliche hingerichtet werden, wenn man weiß, dass Menschen, die dem Islam und nicht der wahhabitischen Richtung angehören, davon abfallen oder einen anderen Weg einschlagen, die Todes­strafe droht. Juden und Jüdinnen dürfen in dieses Land gar nicht einreisen.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 53

Was hat sich unsere liebe Bundesregierung, Herr Staatssekretär, und da schaue ich jetzt Sie an, tut mir leid, weil Sie als ihr Vertreter da sind, eigentlich dabei gedacht? Wirklich! Ich meine, ich frage mich das: Seid ihr beim Heurigen gesessen? Nach der zehnten Flasche Wein: Ach, wir brauchen noch ein bisschen Geld für Österreich. Laden wir doch die Saudis ein, die haben es ja eh!

Das wünschen weder die aufgeklärten Muslime und Musliminnen in Österreich und schon gar nicht die Österreicherinnen und Österreicher. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Am 13. Oktober soll das unterzeichnet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier in diesem Haus, hier an diesem Rednerpult werden immer die Werte mit Feuer und Flamme verteidigt. Zeigt Rückgrat, setzt eure politisch Verantwortlichen unter Druck, dass dieses Abkommen nicht unterzeichnet wird! Das gefährdet den sozialen Frieden in Österreich. Das möchten weder die Muslime und Musliminnen hier in Österreich haben und schon gar nicht die Öster­reicherinnen und Österreicher. Positionieren Sie sich dazu! Dieser falsch verstandene Dialog ist entbehrlich. Ich bin überzeugt davon, da nicken einige Kollegen und Kolle­ginnen, dass noch Wortmeldungen dazu kommen werden. – Danke vielmals. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

11.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


11.31.13

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum letzten Punkt, den Herr Dönmez erwähnt hat. Der Herr Außenminister, der den Ministerratsvortrag vorbereitet und eingebracht hat, hat dazu schon Stellung genommen.

Nur grundsätzlich: Wenn wir mit jedem Staat, den wir kritisieren, nicht mehr reden würden – wir sollten im Gegenteil versuchen, diese Staaten zu bewegen, dass sie eher unsere Werte annehmen –, dann würden wir irgendwann ein Problem bekommen, denn dann könnten wir einsam werden. Aber der Herr Außenminister hat ausführlich dazu Stellung genommen.

Der Grund dafür, warum ich mich zu Wort gemeldet habe, war, weil es selten vor­kommt, dass eine Institution so intensiv gelobt wird, wie es jetzt beim Asylgerichtshof geschehen ist. Wenn Sie erlauben, werde ich diese positive Kritik auch dem Prä­sidenten ausrichten, damit dieser sie an seine Mitarbeiter, Richterinnen und Richter und so weiter weitergeben kann. Ich sehe es auch als Bestätigung und hoffe, dass ich es nicht missverstehe, des Weges, den wir für das Bundesverwaltungsgericht vor­haben, nämlich dass wir dieses extrem erfolgreiche, effiziente Gericht, den Asyl­gerichtshof, zu diesem Bundesverwaltungsgericht erster Instanz ausbauen, wie schon mehrfach gesagt wurde.

Der große Rückstand ist abgebaut worden. Wir werden mit Jahresende fertig sein, hat mir Präsident Perl vor Kurzem auch wieder bestätigt. Das heißt, die ganz weit zurückreichenden Fälle, die Sie auch erwähnt haben, gibt es dann nicht mehr, weil der „Rucksack“ bis 2008 dann erledigt sein wird. Gleiches sagt übrigens der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, dass nämlich die Rückstände in Asylsachen beim Verwal­tungsgerichtshof auch mit Jahresende erledigt sein werden.

Aber vielleicht noch eine Anmerkung zur Qualität, weil vorhin diskutiert wurde, wie viele Fälle der unteren Instanz der Verwaltungsgerichtshof aufgehoben hat. Ich weiß jetzt nicht die Zahl, wie viel im ordentlichen Gerichtsverfahren, also bei Zivil- und Straf­rechtsverfahren, die nächste Instanz aufhebt. Aber eine Zahl weiß ich, die ganz


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 54

beeindruckend ist, nämlich wie viele Entscheidungen des Asylgerichtshofs durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden: Die Zahl ist ein Prozent. Also da sieht man, wie extrem hoch die Qualität der Entscheidungen ist. Das ist jetzt auch mehrfach von Ihnen bestätigt worden. Daher glaube ich, wir sollten gemeinsam, und ich bitte Sie da um Unterstützung, den Weg gehen, dass wir den Asylgerichtshof nicht dann redu­zieren, wenn der „Rucksack“ abgebaut ist, sondern den Asylgerichtshof zum Bundes­verwaltungsgericht erster Instanz ausbauen.

Den Dank richte ich aus. Ich schließe mich dem auch an. Alles Gute! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


11.34.26

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich kann das sehr kurz machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass deutlich zum Ausdruck gekommen ist, dass wir uns auch bemühen sollten, die großen Dinge jetzt in einer politischen Bewertung nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Erinnern wir uns, welche Debatten wir gehabt haben, als es um die Frage Einrichtung des Asylgerichtshofes gegangen ist! Erinnern wir uns, welche Sorgen wir uns gemacht haben, wenn ein Gerichtshof eingerichtet wird, mit welchen Voraussetzungen und mit welchen Belastungen dieser neue Gerichtshof von der Politik eingerichtet wird, und welche Erwartungshaltungen wir alle gemeinsam auch hier im Bundesrat an diesen Gerichtshof gehabt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zahlen, Daten, Fakten. Ich habe heute in einem anderen Zusammenhang schon über einen Gerichtshof gesagt: Zum Ersten ist ein Gerichtshof keine Schraubenfabrik. Zum Zweiten sollen Zahlen, Daten und Fakten schon ein Feeling für eine Entwicklung bei einem Gerichtshof geben. Aber da es nicht nur um Menschenschicksale, Einzelentscheidungen, Gerichtsentscheidungen geht, dürfen wir auch nicht außer Acht lassen, dass die Mathematiker und die Statistiker nicht die Dominanz über die Juristen und die Einzelschicksale entwickeln sollten.

Daher sage ich ganz deutlich: Auch die Zahlen, Daten und Fakten der beiden uns vorlie­genden Berichte bestätigen dem Asylgerichtshof, seinem Präsidenten und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von A bis Z eine Erfolgsgeschichte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle, wenn Sie in den Protokollen nachlesen, alle von uns damals in die Erwartungen eingebrachten politischen Ziele für diesen neu installierten Gerichtshof konnten bisher von A bis Z erreicht werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die großen Dinge sollte man nicht außer Acht lassen.

Ein Faktor ist, wie ein Gerichtshof mit von uns beschlossenen Normen im Frem­denrecht umgeht. Das ist das eine. Das Zweite aber ist – und diese Gelegenheit haben wir im Ausschuss schon genutzt –, dass wir den Präsidenten mit seinem reichen, umfassenden und professionellen Erfahrungsschatz im Fremden- und Asylrecht dahin gehend befragt haben, welche sensiblen Themen in der Entwicklung des Frem­denrechts er uns aufgrund seiner Tätigkeit politisch mehr oder weniger mit auf die Reise geben will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines – vielleicht für alle Diskussionen in Zukunft im Zusammenhang mit dem Fremdenrecht – wurde ganz klar und deutlich festgestellt, und ich wiederhole das, weil es im Ausschuss gekommen ist: Der Präsident empfiehlt uns bei all unseren Überlegungen im Zusammenhang mit dem Fremdenrecht eine


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 55

möglichst frühe Trennung, jetzt materiellrechtlich betrachtet, von Asyl auf der einen Seite und Einwanderung auf der anderen Seite.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist etwas, was wir uns gemeinsam, glaube ich, mit auf unseren politischen Weg nehmen sollten, weil gerade in diesem Bereich viele Menschenschicksale davon abhängen. Ich sage daher in diesem Zusammenhang: Der Asylgerichtshof – das geht aus den beiden Tätigkeitsberichten von A bis Z hervor – hat alle politischen Ziele erreicht und ist daher für uns eine politische Erfolgsgeschichte. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

11.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich stelle ausdrücklich fest, das ist nicht der Fall.

Dann ist die Debatte geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2010.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2009.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle wieder die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

11.39.505. Punkt

Jahresbericht 2010 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-439-BR/2011 d.B. sowie 8580/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. – Ich bitte um die Berichterstattung.

11.40.01

 


Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Jahresbericht 2010 des ORF gemäß § 7 des ORF-Gesetzes liegt in schriftlicher Form vor. Von einer Verlesung kann daher Abstand ge­nommen werden.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Jahresbericht 2010 des ORF zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.40.39

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der ORF wird, nehme


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 56

ich einmal an, ähnlich wie im Nationalrat von den Regierungsfraktionen natürlich gelobt werden, nämlich wie gut er jetzt dasteht, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht.

Ja, er steht zweifellos besser da als noch vor ein, zwei Jahren, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass er vom Bund eine gewaltige Finanzspritze bekommen hat und das Parlament darauf gedrungen hat, dass der ORF auch entsprechende Spar­maßnahmen einleitet, zu denen er vorher offensichtlich aus eigener Kraft oder eigenem Wollen nicht in der Lage war.

Sonst steht er ja nicht so gut da. Wir haben erst in der vergangenen Woche durch die Medien erfahren, dass die Privatsender den ORF klagen, weil sie sagen, der ORF sendet vor allem Serien, die man sich auf jedem Privatsender auch anschauen kann, und dadurch seien sein Kulturauftrag und sein Informationsauftrag verletzt. Man wird sehen, wie diese Klage ausgeht. Aber tatsächlich kann man das bestätigen, wenn man sich das ORF-Programm anschaut und den Vergleich zu anderen öffentlich-rechtlichen Sendern, zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, zieht: Der Informa­tions­anteil ist dort doppelt so hoch wie in Österreich, nämlich 40 Prozent, während es bei uns nur 20 Prozent sind.

Auch was die objektive Berichterstattung betrifft, kann man nach wie vor nur klagen. Da hat sich nichts geändert, es ist keinesfalls besser geworden. Hiezu darf ich ein Beispiel bringen, weil es sich eben erst ereignet hat. Das war die Berichterstattung über den Vortrag von Thilo Sarrazin, der durchaus umstritten ist und auch umstritten sein kann, den aber der ÖVP-Bauernbund in Graz eingeladen hat. Und was hat der ORF berichtet? – Zuerst einmal, dass das überhaupt ein Skandal ist, dass der Sarrazin da überhaupt eingeladen ist und dort sprechen darf.

Das Zweite, was er berichtet hat, war über eine Handvoll Demonstranten, die halt in solchen Fällen immer unterwegs sind, denn die Berufsdemonstranten aus der linken Reichshälfte finden sich ja allerorts. Überhaupt nicht erwähnt oder berichtet worden ist – wie es bei einer objektiven Berichterstattung aber eigentlich selbstverständlich sein sollte –, dass dort immerhin 700 Gäste waren, die sich das angehört haben. Die objektive Berichterstattung des ORF liegt also nach wie vor im Argen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Und falsch war sie auch noch, weil sie ja gesagt haben, Sarrazin sei das erste Mal in Österreich, was natürlich auch nicht stimmt, da er vorher schon in einem – ebenfalls überfüllten – Saal in Wien war.

Uns Freiheitliche überrascht das jetzt überhaupt nicht, mich persönlich auch nicht; wir sind das ja immerhin gewöhnt. Aber was bleibt denn von der Objektivität, der der ORF verpflichtet ist? Und wie kommen eigentlich die Gebührenzahler, die ja Zwangs­gebühren entrichten müssen, dazu, dass der ORF da seinem Auftrag nicht nachkommt und die Objektivität der politischen Korrektheit – und nichts anderes ist es – unterwirft?

Da darf es einen ja nicht wundern, dass bei der Wahl – es war ja gerade erst im August die Wahl des Generaldirektors – kein anderer Bewerber eine Chance hatte – chan­cenlos! –, und der Einzige, der eine Chance gehabt hätte, nämlich Zeiler, zurück­gezogen hat, aber nicht weil er geglaubt hat, das kann er nicht gewinnen, sondern – warum hat er zurückgezogen? – weil er gesagt hat, er möchte nicht der Handlanger der Politik sein: der Handlanger der Politik, in dem Fall von Rot und Schwarz; wohl kaum von uns Freiheitlichen.

Das sollte einem schon zu denken geben! (Bundesrat Mag. Klug: Steht das alles im Bericht?) – Das ist die Conclusio aus dem Bericht. Wenn der ORF einen Bericht erstellt, wird er ja nicht nur anhand von Daten und Fakten, sondern natürlich auch politisch bewertet. Und dann muss man erwähnen, dass der ORF tatsächlich seine Objektivität nicht wahrt.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 57

Und jetzt gibt es wieder Vorwürfe gegenüber einem Landesstudio, in dem Fall des Burgenlandes. Diese kommen nicht von den Freiheitlichen, sondern von einer SPÖ-nahen Stiftungsratsvorsitzenden, die jetzt – kompakt gesagt – den Moderatoren vor­wirft, auf der einen Seite gegen gutes Geld bei privaten Veranstaltungen Dinge zu moderieren, die dann in gleicher Weise im ORF wieder berichtet werden, wo sie sagt, das kann es ja nicht sein. Zum Teil gibt es auch Vorwürfe, dass das auch im Krankenstand geschehen sein soll. Selbstverständlich gilt auch da für alle die Un­schuldsvermutung, aber das sind Dinge, die bei einem öffentlich-rechtlichen Medium zu klären sein werden.

Der ORF hat also schon noch einige Baustellen, wo er von uns aufgerufen wird, diese möglichst bald zu sanieren. Dann können wir vielleicht das nächste Mal einen ORF-Bericht auch zustimmend zur Kenntnis nehmen. Dieses Mal werden wir das nicht tun. (Beifall bei der FPÖ.)

11.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.46.09

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute den ORF-Bericht 2010 auf der Tagesordnung, und wenn man Frau Kollegin Mühlwerth zugehört hat, dann hat man folgenden Eindruck: Um ihm nicht zustimmen oder ihn nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen, sucht man sich halt irgendwas aus der Diskussion oder zieht irgendetwas an den Haaren herbei. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nicht „irgendwas“! Das ist etwas Essenzielles, nicht „irgendwas“!)

Ich glaube, wenn man sich den Jahresbericht 2010 anschaut, dann verdeutlicht uns dieser schon, dass das Jahr 2010 für den ORF eines der bewegtesten, aber auch eines der erfolgreichsten in der Geschichte des ORF war. In einem Bericht sind Daten und Fakten enthalten (Bundesrätin Mühlwerth: Das hab ich ja auch gesagt! – Aufpassen!), und wenn man sich diese durchliest – und ich denke, Sie werden das sicher gemacht haben, ich will Ihnen nicht das Gegenteil unterstellen –, dann werden Sie das auch zur Kenntnis nehmen müssen. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber Sie suchen sich halt das heraus, was Sie hören!) Sie haben in Ihrer Wortmeldung in keinem einzigen Satz irgendetwas von dem positiven Bericht gesagt. (Bundesrätin Mühlwerth: Da haben Sie nicht genau zugehört!) Aber ich glaube, meine Wortmeldung soll schon zum Bericht sein.

Wie Sie sich noch erinnern können, haben wir im Jahr 2010 eine Novellierung des ORF-Gesetzes beschlossen – das haben Sie ganz kurz, auf Umwegen, auch ange­sprochen –, und dabei haben wir die sogenannte Gebührenrefundierung vorgesehen und mit bestimmten Auflagen verknüpft. (Bundesrätin Mühlwerth: Auch das habe ich gesagt!) – Haben Sie gesagt, ja; vielleicht umschrieben. Wenn man sich den Be­richt 2010 anschaut, dann sieht man erfreulicherweise schon dort die ersten positiven Auswirkungen, und es wird sich sicher in den nächsten Jahren, in den nächsten Berichten noch verstärkt positiv auswirken. Ich bin neugierig, welche Umwege Sie dann suchen werden, um diese Berichte nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen.

Erinnern wir uns: Ausgangspunkt für die Diskussion zur Novellierung des ORF-Ge­setzes war das hohe Defizit – das haben Sie auch kurz angesprochen – im Jahr 2008 von zirka 80 Millionen €. Ich glaube – und da waren wir uns alle einig –, da bestand Handlungsbedarf, und so ist es im Vorjahr zur Novellierung und zum Beschluss der Novellierung gekommen.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 58

Die Zahlen und Fakten im vorliegenden Bericht, Frau Kollegin, zeigen uns, dass der ORF die Wende geschafft hat. Die Geschäftsführung hat gemeinsam mit dem Stiftungsrat ambitionierte Spar- und Strukturprogramme beschlossen und diese auch umgesetzt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das erfreuliche Ergebnis dieser Programme sieht man in der positiven Bilanz 2010: Ein Plus von 25 Millionen € im Jahr 2010, und die Mutterfirma war das erste Mal seit 2005 im Plus.

Die Umsatzerlöse sowie auch die Teilrefundierung der Mittel aus der Gebüh­renbefreiung, nicht zu vergessen natürlich die Werbeeinnahmen, die 2010 zirka 216 Millionen € betragen haben, tragen dazu bei, dass Geld in neu definierte Maß­nahmen fließen kann und natürlich auch wird. Dafür einige Beispiele, die sicher sehr wichtig sind: Erhöhung der Eigenproduktion, Erhöhung der Investitionen in die heimische Produktionswirtschaft, Erhöhung der Barrierefreiheit der ORF-Programme und Schaffung eines völlig neuen Info- und Kulturkanals – das haben wir schon öfter gehört: ORF III.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das waren einige Beispiele aus dieser – das kann man nicht bestreiten, auch die FPÖ nicht – positiven Bilanz 2010, für Dinge, die verwirklicht werden können. Der Bericht 2010 zeigt uns auch, dass der ORF trotz Zunahme der Konkurrenz ein überlegener Marktführer ist. Der ORF erreichte einen nationalen Marktanteil von 37,8 Prozent, in der Programmkernzone in der Zeit von 17 bis 23 Uhr einen Marktanteil von 42, beinahe 43 Prozent.

Der ORF ist auch im internationalen Vergleich auf einem sehr hohen Wert und ist unter den Top fünf in Europa. Erfreulicherweise können wir auch im Bereich der ORF-Radioflotte, für orf.at sowie für den ORF-Teletext einen hohen Marktanteil bezie­hungsweise die Marktführerschaft feststellen. Das ist meiner Meinung nach ein Beweis dafür, dass der ORF bemüht ist, an alle seine Programme hohe Qualitätsanfor­derungen zu stellen und seinen Seherinnen und Sehern, Hörerinnen und Hörern an­spruchsvolle Programme zu bieten.

Der Jahresbericht 2010 dokumentiert, dass der ORF in seinen Programmen den Ver­sorgungsauftrag, den öffentlich-rechtlichen Kernauftrag und die besonderen Aufträge erfüllt hat. Ich möchte mich abschließend im Namen meiner Fraktion für die Erstellung und die Vorlage des Jahresberichtes 2010 bedanken. Unsere Fraktion wird das positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.51.44

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Die Medien sind in der heutigen pluralistischen und demokratischen Gesellschaft ein sehr wichtiges Element.

Kontrolle und Information sind sehr wichtig für das Funktionieren einer Demokratie. Deshalb bekennen wir uns, als Österreichische Volkspartei, zu diesem dualen Rund­funksystem, zu dem das öffentlich-rechtliche Element sowie Information und Doku­mentation, Unterhaltung und auch, wie im ORF-Gesetz vorgesehen, das Prinzip der Unverwechselbarkeit gehören.

Das halten wir für sehr wesentlich. Es liegt in der Natur der Sache, dass der ORF-Bericht sehr rosig dargestellt wird. No na ned, jedes Unternehmen wird seine Tätigkeit positiv darstellen, das ist doch ganz verständlich. Trotzdem hat der ORF eine wichtige


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 59

Aufgabe in unserer Republik, weil er eben gebührenfinanziert ist und weil er in den vergangenen Jahren zunehmend Mittel aus dem Budget gebraucht hat.

Zuletzt haben wir diese 160 Millionen € an den ORF überwiesen. Es gibt natürlich tolle Sachen, die der ORF bietet – wenn ich etwa an das Neujahrskonzert, an die Sendung „Uni­versum“, an die Landesstudios, die wir haben, oder an die Serie „Men­schen & Mächte“ und vieles andere denke.

Man muss an diesen ORF-Bericht differenziert herangehen, anstatt ihn von vornherein nur zu kritisieren. Aber man soll auch kritisieren. Bei der Unterhaltung merken wir, dass zunehmend deutsche Serien gebracht werden und die Quoten von ORF 1 und von SAT 1 oder RTL ungefähr gleich sind. Sie bewegen sich grosso modo um die 10 Prozent.

Diese Unmenge an ausländischen Serien und Spielfilmen, die in der Regel auch von jedem anderen privaten Sender gezeigt werden können, ist, glaube ich, ein Problem. Da fehlt die Unverwechselbarkeit. Ich sehe natürlich ein, dass der ORF, da er auch auf Werbegebühren und Erlöse aus Werbesendungen angewiesen ist, immer in einem Spannungsfeld steht: einerseits möglichst viel Unterhaltung, daher hohe Quoten – wobei es zweifelhaft ist, ob das immer gelingt – und andererseits die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich der ORF, und wir – beziehungsweise ein Konsument, der das beobachtet und die entsprechenden Messungen registriert – merken eben, dass der Bereich der Unterhaltung über den Anspruch des ORF-Gesetzes hinausgeht.

Im Bericht auf Seite 49 ist die Rede von einem Anteil von 44 Prozent an Unterhaltung im TV-Bereich, tatsächlich sind es aber rund 67 Prozent. Das ist ein Überhang, der völlig im Gegensatz zum ORF-Gesetz steht. Ich denke, auch das gehört aufgezeigt, trotz aller positiven Dinge, die es in diesem Zusammenhang zu berichten gibt.

Gemäß ORF-Gesetz muss der ORF ein „ausgewogene(s) Gesamtprogramm“, nämlich aus Information, Kultur, Unterhaltung und Sport bringen. Und diese Anteile müssen, wie es im ORF-Gesetz heißt, „in einem angemessenen Verhältnis zueinander () stehen“. Das ist jedoch nicht der Fall. Da besteht, glaube ich, Korrekturbedarf. Ich setze auf die neue personelle Besetzung im ORF und hoffe, dass der ORF wieder den Weg des ORF-Gesetzes, wie er vom Gesetzgeber vorgezeichnet wurde, einschlagen beziehungsweise sich diesem Weg wieder annähern wird.

Auf Seite 92 ist die Rede von ORF-Sport PLUS. Ich muss sagen: Da ist das Bemühen erkennbar, auch Sportarten, die keine Primärsportarten sind, zu bringen. Das muss man anerkennen. Auch Behindertensport und ähnliche Bereiche werden vom ORF wahrgenommen. Doch glaube ich, dass da noch Handlungsbedarf besteht. In diesem Bereich ist erstinstanzlich eine Beschwerde gegen den ORF beschieden worden, ich glaube, man sollte den ORF in dieser Hinsicht zur Ordnung rufen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, selbstverständlich braucht der ORF auch Werbeeinnahmen. Es ist auch klar festgehalten: Laut Gesetz sind pro Tag und Kanal 42 Minuten für Werbung vorgesehen. Das darf um 20 Prozent überschritten werden, das wären dann 50 Minuten, sofern die 42 Minuten im Jahresdurchschnitt eingehalten werden. Doch ist das, wie wir wissen, sehr schwer kontrollierbar. Das ist sehr schwer nachvollziehbar und nicht immer ganz transparent. Ich habe den Eindruck  aber auch Experten, die das beobachten, sagen das –, dass das weit überschritten wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, trotz allem Bedürfnis nach Geld – ich möchte das Wort „Gier“ vermeiden, aber der ORF braucht natürlich Geld –, sollte der ORF sich wieder auf den rechten Weg des ORF-Gesetzes zurückbegeben. Deshalb


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 60

ist, glaube ich, eine Neuorientierung im Bereich des ORF erforderlich, auch wenn man sich die Personalkosten anschaut. Ich schätze die Arbeit der Vielzahl der Redakteure, vor allem jener, die mit wenig Geld tolle Arbeit leisten. Heute sind im Haus auch einige unterwegs.

Es könnte nämlich der falsche Eindruck entstehen: Wenn man den Gesamtper­sonalaufwand des ORF betrachtet und diesen durch die Anzahl der Mitarbeiter dividiert, dann kämen theoretisch und statistisch, laut diesem Bericht, 106 500 € Jahresgehalt pro ORF-Bedienstetem heraus. Das ist aber nicht einfach zu übertragen, weil sich in den Führungsetagen natürlich sehr viele Hochbezahlte bewegen und die Vielzahl der Redakteure mit wesentlich geringeren Gehältern auskommen muss.

Diese Leute sind nicht schuld, dass so viele US-amerikanische Serien gesendet werden, sie haben ja keine Programmverantwortung. Diese Kritik ist vielmehr an die Führung des ORF zu richten; und ich glaube, dass es erforderlich und notwendig ist, hin und wieder auf diese Dinge zu verweisen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich glaube, dass der ORF-Bericht auch Anlass dazu ist, zu überlegen, wie man das System verbessern könnte. Ich habe mir die zuletzt erreichten Quoten heraussuchen lassen, und muss an dieser Stelle Herrn Kollegen Stadler etwas korrigieren. (Bundesrat Stadler: Das sind die Quoten von 2010, die ich gesagt habe!) – Ich sage ja nur, wir sollten diesen Bericht zum Anlass nehmen, auch über die neuen Tendenzen zu informieren. (Vizepräsident Todt über­nimmt den Vorsitz.)

Die Marktanteile haben sich im Vergleich zu den von Kollegen Stadler genannten Quoten verändert. Per 21. September 2011 hat der gesamte ORF eine Quote von 31,3 Prozent verzeichnen können. Mein Vorredner hat von 40 Prozent gesprochen. (Bundesrat Stadler: 37!) ORF 1: 9 Prozent Reichweite – das habe ich schon erwähnt –, im Vergleich dazu SAT 1: 8,3 Prozent, RTL: 7,9 Prozent, ORF 2: 22,1 Prozent. – Soweit die aktuellen Daten vom 21. September 2011.

Darin liegt auch das Hauptproblem der nächsten Zeit. Natürlich hat das Auswirkungen auf Werbeeinnahmen et cetera, auf die Finanzierung dieses Unternehmens, das für die Republik und für unseren Staat eine wichtige Aufgabe erfüllt. Ich glaube, dass die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Aufgabe auch sehr ernst nehmen, das kann man zumindest in Gesprächen mit ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern immer wieder feststellen, aber wir haben auch enorme strukturelle Probleme in diesem Unternehmen, die beseitigt werden müssen.

Ein Letztes noch: Ich halte viel davon, dass man von einer geräteabhängigen Gebühr zu einer Haushaltsabgabe übergeht. Es gibt aufgrund des technischen Fortschritts heute nicht mehr nur die Möglichkeit, Filme via Fernsehgerät anzuschauen, sondern das kann man zum Beispiel auch schon über Computer, über das Internet machen. Es ist nicht mehr kontrollierbar. Deshalb glaube ich, es wäre sinnvoll, für die Pro­gramm­empfänger, für die Konsumenten des ORF-Programms eine Haushaltsgebühr vorzu­schreiben und diese dann entsprechend aufzuteilen. (Bundesrat Ertl: Die GIS-Gebühr ist hoch genug!) – Ja, sie bleibt auch gleich. Es sollte eine Haushaltsabgabe geschaf­fen werden, eine Abgabe pro Haushalt und nicht pro Gerät. Wenn jemand mehr Geräte hat, müsste er eigentlich für jedes Gerät zahlen. Ich glaube, dass eine Haushalts­abgabe sinnvoll ist und eingeführt werden soll. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stadler: Das ist aber nicht ganz richtig!) Sie wäre auch unbürokratisch, weil es keine Unterschiede in der Gebührenhöhe nach Art der bereitgestellten Empfangsgeräte mehr gäbe. Ich glaube, diesem Vorschlag sollten wir uns wirklich nähern, weil das Sinn macht. – Das als konstruktive Anregung zum Schluss.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 61

Generell bedanke ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ORF für ihre nicht immer leichte Arbeit. Sie stehen in der Kritik. Armin Wolf hat erst vor wenigen Tagen gesagt, ein Fußballtrainer und der ORF-General stehen immer in der Kritik. – Das ist richtig, aber ich denke, Kritik, die positiv und konstruktiv angesetzt ist, bringt uns weiter in diesem wichtigen Medium, das für die demokratische Entwicklung unserer Republik sehr, sehr wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.04


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Oster­mayer. Ich erteile es ihm.

 


12.04.12

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Positive Kritik ist wichtig. Ja, diese Ansicht teile ich – wenn sie positiv und wenn sie erfüllbar ist. Quotenträchtige ausländische Serien, die im Einkauf im Vergleich zu Eigenproduktionen billig sind, sind schlecht, aber Geld darf man nicht ausgeben. Gleichzeitig wird eine sinkende Quote bei mehr Marktteilnehmern kritisiert. – Diese Person, die das erfüllen kann, würde ich gerne einmal kennenlernen.

Stichwort Digitalisierung, und ich sage das auch vor dem Hintergrund einer Diskussion, an der ich vergangene Woche bei den Medientagen teilgenommen habe, bei der die Frage erörtert worden ist: Ist das Fernsehen tot? – Die klare Antwort von allen Teilnehmern hat gelautet: Nein, Fernsehen ist nicht tot! Das kann man auch mit den Daten aus den Mediennutzungsstudien belegen. Der Fernsehkonsum nimmt sogar zu. Klar ist, dass die Digitalisierung mit 70, 100 Programmen dazu führt, dass der Kuchen sich auf mehrere aufteilt. Das ist ja wohl vollkommen logisch.

Zur Schaffung zusätzlicher Programme haben wir übrigens vor etwa einem Jahr einen Auftrag erteilt. Mit 1. Oktober letzten Jahres ist das ORF- und sonstige Medien­ge­setzespaket in Kraft getreten, und damit haben wir auch einen Auftrag erteilt, nämlich den Auftrag, dass ein neuer Info- und Kulturkanal geschaffen werden muss. Wenn dieser Kanal nicht null Teilnehmer hat, dann nimmt er natürlich allen anderen Anteile weg, das ist vollkommen logisch. Dass das dazu führt, dass vielleicht auch bei ORF 1 und ORF 2 die Anteile ein bisschen sinken, kann man erwarten. Trotzdem haben wir gesagt, es macht Sinn, einen zusätzlichen Spartenkanal zu schaffen.

Gesamt betrachtet finde ich diese quasi Selbstgeißelungsaktion, die da stattfindet, interessant. Der Generaldirektor, die Direktoren werden relativ breit gewählt – ich weiß jetzt nicht, ob von Stiftungsräten, die jeweils einer Fraktion nahestehen, aber ich glaube, ja, so war es –, und dann beginnt anhand eines Berichtes, der eigentlich relativ positiv ist, eine heftige Kritik.

Sie haben vor, ich glaube, 14 Monaten ein ORF-Gesetz beschlossen – wir bereiten vor, Sie beschließen – mit Gebührenrefundierung und den entsprechenden Auflagen wie höhere Dotierung des Film/Fernseh-Abkommens, Beibehaltung des Radio-Sym­phonieorchesters, Schaffung eines zusätzlichen Kanals, und, und, und, Untertitelung et cetera. Gleichzeitig haben wir eine Förderung der privaten, kommerziellen und nicht kommerziellen Rundfunkunternehmen beschlossen. – Das alles mit einem ganz bestimmten Hintergrund: Wir befinden uns in einem Markt, der relativ schwierig ist. Warum? – Weil wir einen gleichsprachigen Nachbarn haben, der zehn Mal so viele Einwohner hat wie wir und dessen Sender hierher einstrahlen, weshalb auch Wer­bemittel von uns dorthin fließen, ohne damit sozusagen den gleichen volkswirt­schaft­lichen Nutzen zu erzielen wie die Werbemittel, die in unserem Land eingesetzt werden.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 62

Jetzt aber stellen Sie (in Richtung FPÖ) sich hierher und kritisieren das. Kollegin Mühlwerth beziehungsweise ihre Fraktion hat das ORF-Gesetz mit beschlossen, kriti­siert jetzt aber die Gebührenrefundierung – etwas, das ich nicht ganz nachvollziehen kann.

Zur Kollegin Mühlwerth – sie ist jetzt nicht im Saal – möchte ich noch etwas sagen. Ihr Kollege Fichtenbauer hat im Verfassungsausschuss, als dort auch über einzelne Sendungen diskutiert wurde, darauf hingewiesen, dass die Abgeordneten eigentlich nicht die Programmdirektoren sind. Wenn man der Meinung ist, es würde gegen das Objektivitätsgebot verstoßen werden, es würde gegen bestimmte gesetzliche Auflagen verstoßen werden, dann gibt es – und daran erinnere ich auch; übrigens im letzten Jahr nach zehn Jahren Diskussion beschlossen – eine Behörde, die, ebenso wie der ORF, per Verfassungsgesetz verfassungsrechtlich unabhängig gestellt worden ist. Meine Bitte ist, das zu berücksichtigen.

Meine zweite Bitte: Es handelt sich um ein Unternehmen der Österreicherinnen und Österreicher. Dass natürlich einzelne Vorgehensweisen kritisiert werden können, ist unbestritten, aber man sollte dieses von sehr vielen Menschen geschätzte Unter­nehmen nicht schlechtreden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.09


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile es ihm.

 


12.09.29

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Der vorliegende Jahresbericht des ORF 2010 gibt uns heute hier im Bundesrat Gelegenheit, uns mit dem Leitmedium der österreichischen Medienszene zu beschäftigen. Ich finde, es ist richtig und wichtig, dass darüber diskutiert wird. Man kann in einer Diskussion nicht in allen Dingen der gleichen Meinung sein, aber ich möchte sagen, dass es von allen Debattenrednern ein klares Bekenntnis zum ORF gegeben hat. Ich finde, dass es dafür die notwendige Zeit geben soll.

Lassen Sie mich zunächst auf ein paar Kapitel dieses Berichts zu sprechen kommen. Zum Bereich „Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags“: Das Kapitel „Radio“ ist, glaube ich, etwas besonders positiv Erwähnenswertes. Die ORF-Radiosender behaupten auch im Jahr 2010 mit einem Marktanteil von 76 Prozent – und das ist doch beachtlich! – ihre Führungsposition. Das meistgehörte Radioprogramm ist demnach Hitradio Ö3 mit rund 2,8 Millionen HörerInnen ab zehn Jahren. Warum habe ich die Altersgrenze dazu erwähnt? – Weil ich denke, dass dieses Programm besonders von den jungen Menschen sehr oft gehört wird.

Der Marktanteil der Regionalsender liegt bei 37 Prozent und jener von Ö1 – ich merke an: leider – bei nur 6 Prozent. Ö1 hören demnach rund 655 000 Personen. „Leider“ aus meiner Sicht deshalb, weil ich persönlich es für das beste ORF-Radioangebot halte.

Das Kapitel „Fernsehen“ ist in die Themengebiete Information, Kultur/Religion, Wissen­schaft/Bildung/Lebenshilfe, Sport, Unterhaltung und Kinderprogramm gegliedert. In einigen Teilen werden bundesweit ausgestrahlte Fernsehprogramme berücksichtigt, die individuelle Interessen der Länder behandeln. Viele kennen Berichte wie etwa – weil ich aus Aussee komme – über das Narzissenfest, der österreichweit ausgestrahlt wird. Es gibt da sehr interessante Dinge.

Der dritte Bereich widmet sich den „Kooperationen des ORF mit anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltungen“. 3sat, ARTE, BR-alpha, ZDF-Theaterkanal und


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 63

so weiter beziehungsweise Programmschwerpunkte und Highlights des Jahres 2010 werden darunter angeführt. Erinnern wir uns doch gemeinsam an Publikumshits im Fernsehen wie die Olympischen Winterspiele in Vancouver, die Fußballwelt­meister­schaft in Südafrika oder Wahlberichterstattungen, wie auch jene des Bundes­präsidenten, die für hohe Einschaltquoten sorgen.

Topquoten erzielten, wie auch immer üblich, natürlich kulturelle Events – würde man heute sagen – wie das Neujahrskonzert und die Übertragung des Wiener Opernballs.

Einige Kapitel beschäftigen sich mit dem Angebot des ORF für Volksgruppen, den Angeboten für Gehörlose und stark hörbehinderte Menschen sowie dem Angebot für blinde und stark sehbehinderte Menschen. Ich glaube, das ist besonders erwäh­nenswert und auch erfreulich, dass der Ausbau des ORF-Angebots für diese benach­teiligten Personengruppen im Jahre 2010 sehr stark vorangetrieben worden ist. Es wurden zirka 7 200 Sendestunden untertitelt. Die Untertitelungsquote von fast 41 Pro­zent aller im ORF ausgestrahlten Sendungen bedeutet eine Steigerung um fast 17 Pro­zent gegenüber dem Vorjahr. Prozentuell noch stärker angestiegen ist der Anteil der audiodokumentierten Sendungen für sehbehinderte und blinde Personen.

Weitere Informationen enthält der insgesamt 164 Seiten starke Jahresbericht auch über das Qualitätssicherungsprogramm im ORF, die technischen Reichweiten, die ORF-Radio- und –Fernsehprogramme und über den Anteil der Finanzmittel der ORF-Landesdirektionen.

Gestatten Sie mir in dieser Diskussion noch ein paar persönliche Anmerkungen zu den wirtschaftlichen Entwicklungen und zur aktuellen Diskussion um die Ausweitung der Werbezeiten. Mit einem Plus von rund 25 Millionen € im Jahr 2010 gegenüber 2009 konnte der ORF sein Jahresergebnis um 69,2 Millionen verbessern. Das ist positiv, und das muss man auch unterstreichen. Auch reduzierte sich der Personalaufwand – darüber wurde bereits diskutiert – um 29,3 Millionen auf 346 Millionen. Damit ist der Personalstand seit dem Jahr 2007 um zirka 14 Prozent gesunken.

Doch es sei erlaubt, im Bericht auch ein bisschen genauer hinzuschauen, und ich halte das für eine durchaus konstruktive Kritik. Die Pro-Kopf-Kosten beim Personalaufwand zu senken wird, wie wir schon gehört haben, auch in Zukunft etwas ganz Wichtiges sein, und das aus einem guten Grund: weil sie im internationalen Vergleich mit ande­ren Rundfunkunternehmen einfach noch immer zu hoch sind.

Aber auch einige Finanzdaten des ORF veranlassen zur Sorge. Der ORF hat in den letzten Jahren rund die Hälfte seines Eigenkapitals verbraucht und ist in eine kritische Eigenkapitalsituation gelangt. Erst eine Finanzspritze des Bundes – darüber wurde bereits diskutiert –, die wir auch hier im Bundesrat gemeinsam beschlossen haben, und die gesetzlich erzwungenen wirtschaftlichen Sparmaßnahmen im Unternehmen haben dazu beigetragen, dass der ORF jetzt, und das ist erfreulich, einen weit besseren wirtschaftlichen Kurs fährt.

Über die Werbeeinnahmen wurde bereits gesprochen. Sie waren mit rund 216 Mil­lionen im letzten Jahr rückläufig. Wir haben schon gehört, dass in den letzten Jahren ein Marktanteil von rund 10 Prozent verloren wurde. Sie, Herr Staatssekretär, haben mögliche Ursachen dafür genannt. Es ist zweifellos so, dass im digitalen Zeitalter die Konkurrenz größer geworden ist, und das sind Fakten, die man in Zukunft wird berücksichtigen müssen. Das Medienmanagement am Küniglberg ist gefordert, dem reflexartigen Ruf nach einer Ausweitung der Werbezeiten ist jedoch eine Absage zu erteilen.

Wir als ÖVP-Abgeordnete bekennen uns – unser Fraktionsführer hat es schon betont – zu einem dualen Rundfunksystem, das heißt zum öffentlich-rechtlichen Element beim


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 64

Rundfunk, weil einfach Information, Dokumentation, Kultur, aber natürlich auch Unter­haltung wesentliche Elemente des öffentlich-rechtlichen Auftrags sind. Das ist es ja, was eigentlich das Gebührenprivileg, sagen manche, ich würde sagen, die Gebüh­reneinnahmen von rund 500 Millionen € rechtfertigt. Nur durch diesen öffentlichen Auftrag und nur durch so manche Einschränkungen ist diese Gebühreneinhebung zu rechtfertigen.

Zur Ausweitung der Werbezeiten: Eine Ausweitung der Werbezeiten würde zu einer weiteren Wettbewerbsverzerrung gegenüber Privatsendern in Österreich führen. ORF 1 und ORF 2 haben schon jetzt einen weit höheren Werbeanteil – das wissen Sie, Herr Staatssekretär – als etwa die deutschen öffentlich-rechtlichen Programme. Viele teilen die Kritik des Verbandes der österreichischen Privatsender an den Forderungen des ORF, die Werbezeiten in den ORF-Programmen auszubauen.

Auch für mich geht das in die falsche Richtung, denn die Gebührenzahler – und dazu zählen wir alle, hoffe ich – wünschen sich einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit weniger und nicht mehr Werbung. Zudem liegt der ORF bereits jetzt bei einem Informationsanteil von nur zirka 20 Prozent, andere – und auch das haben wir schon gehört – wie etwa ARD und ZDF in der Bundesrepublik Deutschland liegen bei rund 40 Prozent. Der ORF steigerte in den letzten Jahren den Unterhaltungsanteil auf rund 45 Prozent.

Zu dem heutigen Angebot auf ORF 1, das Sie kennen, möchte ich jetzt nicht viel sagen. Wir haben ja bereits über Qualität und über amerikanische Serien diskutiert – wir finden sie dort sehr häufig. (Bundesrätin Kerschbaum: Am Donnerstag!) – Am Donnerstag?! Frau Kollegin, ich lade Sie ein, schauen wir uns das morgen an, ob Sie recht haben.

Ich darf damit auch schon zum Abschluss kommen. Ich schließe mit einem klaren Bekenntnis zum ORF, zu einem starken, objektiven und unabhängigen ORF, der seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachkommt und weiterhin das Leitmedium der österreichischen Medienszene darstellt. Wir werden die Diskussionen darüber mit reger Anteilnahme und durchaus auch mit konstruktiven und kritischen Standpunkten, auch in Zukunft, führen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.18


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Danke. Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.18.486. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz 2000 geändert wird (1275 d.B. und 1400 d.B. sowie 8571/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen somit zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel.  Ich bitte um seinen


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 65

Bericht.

 


12.19.01

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des National­rates vom 21. September 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pun­zierungsgesetz 2000 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt daher nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrat Greiderer. – Bitte.

 


12.20.01

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Regierungsvorlage wird das Punzierungsgesetz 2000 geändert. Unter Punzierung ver­steht man die Stempelung, die ein Edelmetallgegenstand beziehungsweise ein Gold- oder Silberstück aufweist. In den meisten Staaten gibt es Vorschriften, die die verpflichtende Anbringung bestimmter Punzen auf Edelmetallgegenständen vorsehen. Diese tragen dann, je nach Vorschrift des betreffenden Staates, entweder eine oder mehrere Punzen.

Die Feingehaltspunze ist sozusagen der Stempel, der den Feingehalt angibt; das ist der tatsächliche Anteil eines Edelmetalls in der Legierung. Meistens wird dieser Fein­gehalt in Tausendstelteilen angegeben. Zum Beispiel bedeutet die Feingehaltszahl 585 auf einem Goldgegenstand einen Goldanteil von 585 Tausendstelteilen Gold in der Legierung. In einigen Staaten wird der Feingehalt auch in Karat angegeben, das würde in diesem Fall heißen: 14 Karat Gold.

Die Erzeugerpunze bezeichnet den Hersteller eines Edelmetallgegenstandes. Viele Staaten haben eigene Punzenregister, in welchen alle Erzeuger ihres Landes regis­triert sind. In manchen Ländern wieder gibt es Amtspunzen, die von der Prüfstelle zum Zeichen der erfolgten Überprüfung angebracht werden.

In Österreich wird die Punzierungskontrolle derzeit vom Bundesministerium für Finanzen durchgeführt. Allerdings werden dann die Gebühren, die zur Deckung der Kosten für die Punzierungskontrollen einzuheben sind, nicht von der Finanz, sondern von den Zollämtern eingehoben.

Nun geht es bei dieser Gesetzesänderung darum, dass die Agenden des Bun­desministeriums für Finanzen, was die Punzierungsaufgaben betrifft, in erster Instanz an das Zollamt Wien übertragen werden; die zweite und letzte Instanz soll an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Wien übertragen werden. Zur Verein­heit­lichung der Dienst- und Fachaufsicht wird beim Zollamt Wien ein Kompetenzzentrum für Punzierungskontrolle geschaffen, dem sämtliche Punzierungskontrollorgane sowie das Edelmetallkontrolllabor angehören werden. Dadurch können Doppelgleisigkeiten und Abstimmungsprobleme zwischen Finanzressort und den Zollämtern beseitigt werden.

Mich freut es sehr, dass dieses Gesetz nicht nur Effizienzsteigerung, sondern auch Verwaltungsvereinfachung ermöglicht, und das, ohne dadurch negative Auswirkungen auf die Beschäftigung oder auf den Wirtschaftsstandort Österreich zu haben.

Abschließend weise ich darauf hin, dass wir gerade bei den österreichischen Juwelieren, Goldschmieden und ‑händlern sicher sein können, dass die Edelmetall- und Schmuckgegenstände die der Punzierung entsprechenden Anteile enthalten. Leider ist das nicht immer so, wie unsere Juweliere und Goldschmiede berichten, wenn


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 66

Schmuck zum Beispiel im Ausland erworben oder über das Internet bestellt wird. Also: Kaufen Sie Ihre Schmuckstücke in Österreich ein, bei österreichischen Goldschmieden und Juwelieren! Dann können Sie sicher sein, dass die Gold- oder Silberanteile in der Legierung auch der Feingehaltszahl der Punzierung entsprechen. – Besten Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.24


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich erteile es ihr.

 


12.24.22

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Punzierungsgesetzes aus dem Jahr 2000 wird auch ein kleiner Schritt zur Verwaltungsvereinfachung geleistet. Es werden verschiedene Instanzenzüge und Zuständigkeiten gebündelt und beim Zollamt Wien zusammengefasst. Bisher gab es drei beteiligte Stellen, nämlich das Bundesministerium für Finanzen, die Zollämter und die Technische Untersuchungsanstalt der Abgabenverwaltung des Bundes. Durch die Zusammenführung der bestehenden, aufgesplitterten Kompetenzen beim Zollamt Wien sollen Effizienzsteigerungen erreicht und auch Synergien gehoben werden.

Österreich ist das einzige Mitgliedsland des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Punzierung von Edelmetallgegenständen, in dem die Anbringung der Überein­kommenspunze ausdrücklich nur für die Exportware gestattet ist. Aus Gründen der administrativen Erleichterung für die Wirtschaft wäre in Zukunft zu überdenken, ob die Übereinkommenspunze auch für die im Inland verkaufte Ware zugelassen wird. Es steht ja im Vorhinein nicht immer fest, ob ein Schmuckstück im Inland oder im Ausland weiterverkauft wird.

Eine weitere Diskussion über die Zukunft des Punzierungswesens wäre sicherlich notwendig, da beispielsweise durch private Einkäufe im Ausland und durch den Inter­nethandel – wir haben es von der Kollegin schon gehört – doch wesentliche Markt­anteile der Kontrolle entzogen sind und dann die Vollziehbarkeit dieses Gesetzes in­frage gestellt wird. So fordert auch die Bundesarbeitskammer schon jahrelang, um die mögliche Punzierung im Inland einzuführen, eine sogenannte staatliche Punzierung. Inländische Erzeuger und Händler sowie Verbraucher sollen Gegenstände beim Edel­metallkontrolllabor nach den Bestimmungen des Übereinkommens über die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen überprüfen und auch punzieren lassen können.

Darüber hinaus wäre es auch sinnvoll, dass in Zukunft edelmetallhaltige Waren punzie­rungsgebührenpflichtig werden. Beispielsweise kommt minderwertiger Goldschmuck, 333 Feingehalt beziehungsweise 8 Karat Gold, nach Österreich, unterliegt aber keiner Punzierungsgebühr. Dies ist im Grunde eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten wesent­lich schlechterer Qualität.

Hohes Haus! Im Sinne der Verwaltungsvereinfachung und auch der damit verbun­denen möglichen Einsparungen stimmt unsere Fraktion der Gesetzesvorlage zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.27


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 67

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.28.107. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Protokoll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Fran­zösischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer­umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (1331 d.B. und 1401 d.B. sowie 8572/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1332 d.B. und 1402 d.B. sowie 8573/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasach­stan (1333 d.B. und 1403 d.B. sowie 8574/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1334 d.B. und 1404 d.B. sowie 8575/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nunmehr kommen wir zu den Punkten 7 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 7 bis 10 ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um die Berichte.

 


12.29.22

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Protokoll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppel­besteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 68

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme gleich zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme gleich zum dritten Bericht, dem Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasachstan.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Nun komme ich noch zum vierten Bericht des Finanzausschusses, dem Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme daher auch hier gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Oktober 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Pisec. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 69

12.32.54

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Doppelbesteuerungsabkommen dient natürlich dazu, die doppelte Besteuerung vom Einkommen und vom Vermögen im bilateralen Verhandlungsweg zu beseitigen. Darunter sind Betriebsstätten, Immobilien und auch Wertpapier- und Bankkonten.

Es ist in den Artikeln 10 und 11 dieses Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Frankreich die Rückerstattung von Dividendenkupons – also von Aktien – und von Zinsenkupons auf Anleihen geregelt. In der Praxis gibt es jedoch dadurch Probleme, dass die österreichischen Anleger und Investoren jetzt zum Beispiel in Frankreich oder in anderen europäischen Ländern, mit denen es Doppel­besteuerungsabkommen gibt, diese Auszahlung im Rückerstattungsweg nur schwer oder manchmal auch gar nicht erhalten. Zum Beispiel in Italien, in Portugal und in Frankreich ist es diesbezüglich nicht einfach.

Diesbezüglich ist das österreichische Finanzamt vorbildhaft, das muss man sagen. Aber hier fehlt doch das Gleichgewicht zwischen den anderen europäischen Ländern und Österreich. Es wäre vielleicht angebracht, in diesem Gesetz ein Verfahren einzu­führen, wie die Rückerstattung zu erfolgen hat, und auch standardisierte Einspruchs­fristen festzulegen. Dies ist hier nicht der Fall.

Darüber hinaus sollte Österreich sich auch überlegen, wenn die Auszahlung an österreichische Investoren und Anleger im Ausland in ausländische Aktien nicht erfolgt, ob Österreich nicht gleichfalls diese Auszahlung hintanstellen soll, bis die Rückzahlung aus dem Ausland für Österreicher erfolgt ist. Auch Konsequenzen sollten im Vertrag vorgesehen werden. Dies ist nicht der Fall, aus diesem Grund lehnen wir Freiheitliche dieses Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Frankreich ab.

Zum Zweiten, den sehr interessanten Abkommen über den Schutz und die Förderung von Investitionen in Tadschikistan, in Kasachstan, dem größten Land, und in Kosovo. Kasachstan, das größte und für Österreich wichtigste Land mit seinen enormen Rohstoffressourcen – von Öl, Gas und Buntmetallen –, ist für österreichische Inves­toren sehr interessant.

Ich möchte aber zu einem Problem kommen, das die Realwirtschaft zunehmend betrifft: Das ist die Währung, das ist das Euro-Desaster, unter dem die österreichische Realwirtschaft langsam zu leiden beginnt. Ich darf daran erinnern, dass in den letzten drei Wochen der US-Dollar gegenüber dem Euro aufgewertet wurde. Der US-Dollar ist in Asien, insbesondere in Zentralasien, die Währung schlechthin. Der Euro hat dort, wenn er überhaupt jemals einen Stellenwert gehabt hat, heute keinen Stellenwert mehr, das Vertrauen ist weg.

Diese Abwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar belastet die österreichische Wirtschaft massiv. In den letzten drei Wochen ist der Wert um 10 Prozent gesunken, also haben sich die Investitionen zum Beispiel in Kasachstan, die für Österreich notwendig sind, um 10 Prozent verteuert. Das ist eine Politik, die sehr schwierig zu verfolgen ist und an der die österreichische Wirtschaft leidet – denn das Euro-Desaster ist eine politische Verantwortung! Dabei kann die Wirtschaft nur reagieren, aber nicht agieren.

Es ist einem österreichischen Exporteur anzuraten, seine Cash-Bestände, sofern er in Dollar handelt – und in Asien wird eben in Dollar gehandelt –, in Dollar zu thesaurieren und Kredite, soweit er sie benötigt, in Europa in Euro zu nehmen, um nicht unter dieser Wechselkursdifferenz zu leiden.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 70

Wir Österreicher leiden unter einem schwachen Euro, der auch die Inflation anheizen wird. Eine starke Währung hilft uns allen, und hier ist die Politik aufgefordert, das Mög­lichste zu tun, dass sich die Situation bessert. Das Abkommen ist auf jeden Fall sinnvoll, und aus diesem Grunde werden wir Freiheitliche dieses Abkommen unter­stützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.36


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Ich erteile es ihr.

 


12.37.09

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ent­sprechend den neuen OECD-Richtlinien für mehr Transparenz und Amtshilfe­bereit­schaft beschließen wir heute diese Abänderung des Abkommens mit Frankreich. Frankreich zählt zu unseren wichtigsten Handelspartnern. Wir werden heuer wahr­scheinlich 5 Milliarden € an Exporterlösen erreichen, und wir hatten letztes Jahr mit Frankreich einen Handelsbilanzüberschuss von 1,3 Milliarden €.

Da wir in diesem Jahr schon einige Doppelbesteuerungsabkommen diskutiert haben, kennen wir ja die Argumente der FPÖ bereits. Mir ist es aber vor allem wichtig, dass man den Steuerjongleuren das Handwerk legt! Denn gleiches Recht für alle und vor allem gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle sind einfach die Basis für unsere funktionierende ökosoziale Marktwirtschaft.

Zu den drei Investitionsschutzabkommen: Kosovo, Kasachstan und Tadschikistan sind drei wichtige Zukunftsmärkte für die österreichische Wirtschaft. Bereits jetzt haben wir mehr als 50 Niederlassungen in Kasachstan. Diese Märkte haben auch in Zukunft noch Bedarf an Infrastrukturleistungen und Energie, vor allem im Bereich Wasserkraft, wo wir sehr hohe Kompetenz haben und wo unsere Betriebe viel zu bieten haben.

Österreich zählt nun einmal zu den wichtigsten Exportländern. Jeder zweite Euro wird im Export verdient, das heißt, unser ganzer Arbeitsmarkt, unsere Beschäftigung sind vom Export abhängig. Diese Abkommen bringen einerseits Rechtssicherheit für unsere Unternehmen, aber andererseits wird es auch zu einer wesentlichen Verbesserung der Beziehungen zu diesen drei Ländern kommen, was natürlich auch unserer Wirtschaft sehr zugutekommt. Darum stimmen wir diesen Abkommen gerne zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.39


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. Ich erteile es ihr.

 


12.39.17

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Wie schon erwähnt wurde, ist das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Frankreich eigentlich eines, das durch Protokoll und Zusatzprotokoll ergänzt wird, da es im Hinblick auf die neuen OECD-Standards für mehr Transparenz und Amtshilfebereitschaft bei der Verfolgung von Steuersündern gemacht wurde.

Es gilt derzeit noch das Abkommen, das am 26. März 1993 in Wien unterzeichnet wurde. Aufgrund der Entwicklung der Grundsätze der OECD zur Steuertransparenz und Amtshilfebereitschaft ist ein Revisionsbedarf gegeben.

Frankreich hat für Österreich enorme wirtschaftliche Bedeutung als Exportmarkt. Frankreich ist nach Deutschland, Italien, der Schweiz und den USA der fünftgrößte


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 71

Absatzpartner der österreichischen Wirtschaft. Allein im ersten Quartal des heurigen Jahres sind die Exporte nach Frankreich um 18 Prozent gestiegen.

Uns wundert etwas, dass die FPÖ im Nationalrat diesem Doppelbesteuerungs­abkom­men ihre Zustimmung grundsätzlich verweigert hat, und das mit relativ fadenscheinigen Begründungen, wie wir glauben. Sie hat eine Aushöhlung des österreichischen Bank­geheimnisses bemängelt und Angst vor Missbrauch beziehungsweise „Bespitzelung“ geäußert. Nicht nachvollziehbar ist vor allem der das Bankgeheimnis betreffende Vor­wurf, da dieses ja nach wie vor intakt ist, und zwar auch dann noch, wenn jetzt noch das Protokoll beziehungsweise das Zusatzprotokoll hinzukommt.

Ich stelle mir diesbezüglich schon die Frage: Will die FPÖ der österreichischen Finanz­verwaltung gegenüber ÖsterreicherInnen, die Schwarzgeld im Ausland haben und Steuern hinterziehen, keine Chance geben, einschlägigen Informationen nachzu­gehen? Gerade das wird nämlich sichergestellt im Artikel 26, Informationsaustausch. Abs. 2 besagt ganz klar: „Alle Informationen, die ein Vertragsstaat nach Absatz 1 erhalten hat, sind ebenso geheim zu halten wie die auf Grund des innerstaatlichen Rechts dieses Staates beschafften Informationen und dürfen nur den Personen oder Behörden (einschließlich der Gerichte und Verwaltungsbehörden) zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung oder Erhebung, der Vollstreckung oder Strafver­fol­gung, oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der in Absatz 1 genannten Steuern oder mit der Aufsicht darüber befasst sind. Diese Personen oder Behörden dürfen die Informationen nur für diese Zwecke verwenden.“

Das Zusatzprotokoll stellt klar, dass die Vertragsstaaten nicht dazu verpflichtet sind, „Informationen auf authentischer oder spontaner Basis auszutauschen“. Zudem werden auch nicht alle Auskünfte erteilt. Die Bezugnahme auf „voraussichtliche erheb­liche“ Informationen sorgt zwar für einen Informationsaustausch in Steuersachen im weitest möglichen Umfang, „wenngleich es den Vertragsstaaten nicht frei steht, um Auskünfte zu ersuchen, von denen angenommen werden kann, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen nicht erheblich sind“.

Natürlich sind auch in diesem Falle die Möglichkeiten für Steuersünder, die sich immer wieder neue Wege und Schlupflöcher suchen, sich einer Steuerverpflichtung zu ent­ziehen, nicht vollständig versperrt. Allerdings ist das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Frankreich ein Weg, diesen Steuersündern doch um einiges näher zu rücken, um dagegen Vorsorge treffen zu können.

Was die drei Abkommen zur wechselseitigen Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen mit der Republik Kosovo, Kasachstan und Tadschikistan betrifft, so beruhen diese jeweils auf dem Prinzip der Meistbegünstigung und der Gleich­behand­lung mit den Inländern. Die Abkommen entsprechen dem letzten Stand des Inves­titionsrechts und gelten jeweils zehn Jahre lang.

Wechselseitige Investitionen der beiden Vertragsstaaten erhöhen die Attraktivität Österreichs als Wirtschaftsstandort. Ziel ist, österreichische Unternehmen bei Aus­landsinvestitionen zu unterstützen. Vorteile dabei sind die Rechtssicherheit im Ausland und die Sicherheit der Beschäftigten in Österreich. Zudem ist zu erwarten, dass Unternehmen aus den Vertragsstaaten aufgrund solcher Abkommen auch in Öster­reich investieren werden.

Die Investitionsschutzabkommen sehen aber auch menschenwürdige Arbeitsbedin­gun­gen, arbeitsrechtliche Mindeststandards und die Achtung von Menschenrechten vor und ebenso die Verpflichtung zur Bekämpfung von Korruption. Gerade die Bedeutung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen möchte ich hier heute, einen Tag vor dem „Welttag für menschenwürdige Arbeit“, ausdrücklich hervorheben. Auch wenn diese Passage nunmehr in den Abkommen steht, so ist es kein leichtes Unterfangen, das in


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 72

den drei betreffenden Republiken auch zu kontrollieren. Es ist daher wichtig, Unter­nehmen und Investoren aufzufordern, ihren aus dem Abkommen resultierenden Ver­pflichtungen auch nachzukommen. Das gilt insbesondere auch für nationale und inter­nationale Bestrebungen zur Entwicklungszusammenarbeit. Das darf, wie im Abkom­men angeführt, der Stärkung freundschaftlicher Bande nicht im Wege stehen. Das Abkommen steht also im Einklang mit der Förderung international anerkannter arbeits­rechtlicher Mindeststandards, aber auch mit dem Schutz von Gesundheit, Sicherheit und Umwelt.

Österreich darf sein Engagement beim Ausbau des Justizsystems und beim Demo­kratieaufbau in den drei Republiken – den Hoffnungsmärkten also – nicht aus rein wirtschaftlichem Kalkül außer Acht lassen, und dies gilt insbesondere im Kosovo.

Auch wenn österreichische Unternehmen über Know-how verfügen, das zum Beispiel in Kasachstan vor allem in den Bereichen Wasserkraft und Energie neue Chancen verspricht, dürfen wir nicht übersehen, dass dieser Know-how-Transfer bezie­hungs­weise die Investitionen keine Einbahnstraße sind. Neben durchwegs positiven Dingen gibt es also auch heikle Themen. Die Abkommen bieten unseren Investitionen Schutz zum Beispiel gegenüber der dortigen Gerichtsbarkeit. Wir dürfen uns allerdings auch nicht täuschen lassen. Die Mehrzahl der Verfahren nach solchen Abkommen betrifft mittlerweile schon westliche Industriestaaten, wobei das, was nach unserer Rechts­ordnung bei uns anders geregelt ist, von den Konzernen zum Anlass genommen wird, via Schiedsgerichtsbarkeit dank derartiger Abkommen Entschädigungszahlungen durchzusetzen. Wir verteidigen beispielsweise auch unser System der Daseins­vor­sorge im Rahmen der EU-Richtlinien, geraten dann aber unter Umständen via Inves­titionsschutzabkommen in eine Situation, die eventuell nicht mehr so günstig für uns ist. Es ist daher sicherzustellen, dass Verpflichtungen als Mitglied der Europäischen Union auch weiterhin nachgekommen werden kann.

Das gewährleistet Artikel 3, die Behandlung von Investitionen betreffend. Abs. 4 lit. b besagt: „Keine Bestimmung dieses Abkommens ist dahingehend auszulegen, (...) dass sie eine Vertragspartei hindert, ihre Verpflichtungen als ein Mitglied eines Vertrages zur wirtschaftlichen Integration, wie zum Beispiel einer Freihandelszone, einer Zollunion, eines Gemeinsamen Marktes, einer Wirtschaftsgemeinschaft, einer Währungsunion, wie zum Beispiel der Europäischen Union, zu erfüllen, oder eine Vertragspartei ver­pflichtet, den Investoren der anderen Vertragspartei und deren Investitionen und Ert­rägen den gegenwärtigen oder zukünftigen Vorteil, der aus jeglicher Behandlung, Präferenz oder Bevorzugung kraft seiner Mitgliedschaft zu einem solchen Vertrag oder jeglichem multilateralen Vertrag über Investitionen resultiert, zu gewähren“.

Daher wird den Investitionsschutzabkommen mit dem Kosovo, Kasachstan und Tadschikistan unsererseits, also seitens der sozialdemokratischen Fraktion, die Zustimmung erteilt. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätinnen Kerschbaum und Dr. Kickert.)

12.49


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Schieder. – Bitte.

 


12.50.01

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Zu einem der beiden Themen, die unter einem behandelt wurden, zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich: Es ist schon gesagt worden, dass Frankreich nach Deutschland, Italien und ein paar anderen Ländern einer der wichtigsten Handelspartner Österreichs ist. Diese Tatsache wird zum Beispiel auch dadurch unterstrichen, dass im ersten Quartal 2011 –


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 73

das sind die aktuellsten Zahlen, die uns zurzeit zur Verfügung stehen – die öster­reichischen Exporte nach Frankreich um 18 Prozent zugenommen haben. Allein daraus lässt sich schon ablesen, wie wichtig gesicherte und geregelte Handels­beziehungen mit einem Land wie Frankreich für uns sind.

Ein Doppelbesteuerungsabkommen regelt im Wesentlichen, wo und wie Steuer­prozesse abzuwickeln sind. Damit geben sie den Unternehmen die Sicherheit, schon vorab zu wissen, wie sie das zu machen haben. Sie laufen so nicht Gefahr, irgend­etwas falsch zu machen oder sich letztlich im Behördendschungel zu verfangen. Das Abkommen an sich ist nur die Erweiterung des bestehenden Abkommens, um die OECD-Standards, die auch mehr Transparenz und Amtshilfebereitschaft ermöglichen, zu implementieren. Wir setzen in diesem Zusammenhang auch in Zukunft auf gute Zusammenarbeit zwischen den österreichischen und den französischen Steuer­behörden.

An den Investitionsschutzabkommen, die wir heute behandeln, sowohl zentral­asia­tische als auch das mit dem Kosovo, zeigt sich, wo die wirtschaftsstrategischen Interessensschwerpunkte Österreichs liegen, nämlich einerseits in der Balkanregion als Gesamtheit und andererseits auch im zentralasiatischen Raum. Gerade in solchen Zukunftsmärkten, in denen noch nicht alles rechtlich genau so gesichert ist, wie wir es als unsere Standards definieren würden, ist es notwendig und wichtig, über Inves­titionsschutzabkommen ein Mehr an Sicherheit für die Unternehmen, die Investitionen vor Ort tätigen, zu schaffen. Solche Investitionsschutzabkommen gewährleisten eine faire Behandlung von österreichischen Investoren im Ausland, das heißt, sie stellen sicher, dass österreichische Investoren vor Ort wie inländische Investoren behandelt werden können, beziehungsweise auch, dass sie gemäß der Meistbegünstigungs­klausel jeweils die beste Möglichkeit für sich beanspruchen können. Das trägt zu Wirtschaftsbeziehungen bei, die auf sicheren Beinen stehen und auch die Chance eröffnen, in Zukunft vertieft zu werden.

Ich möchte erwähnen, dass wir in Zentralasien zum Beispiel mit Tadschikistan im Juni 2011 ein DBA unterzeichnet haben, das ja auch im Bundesrat genehmigt worden ist. Das Interesse an Kasachstan hat sich auch darin gezeigt, dass die europäische Entwicklungsbank ihre Jahrestagung im Mai dort abgehalten hat. Es liegt dort also viel Potential.

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Zahlen nennen: Das bilaterale Handels­volumen mit Kasachstan, das wohl das stabilste und wohlhabendste Land Zentral­asiens ist, ist 2007 erstmals über 1 Milliarde € gelegen. Wir haben zirka 50 Nieder­lassungen österreichischer Firmen in Kasachstan. Dazu gehören die OMV, die AUA, die VAMED, aber eben auch 47 andere. Das sind wichtige Partner beim Ausbau und Aufbau von Infrastruktur, Gesundheitssystem, erneuerbaren Energien, Energienutzung und Umweltschutz. Tadschikistan ist momentan zwar noch ein geringer Faktor im Außenhandel Österreichs – 2,8 Millionen € Exporte, 1,5 Millionen € Importe im Jahr 2009. Auch dort liegen aber die Chancen genau in den Bereichen Infrastruktur, Wasserkraft und Energie.

Gerade für eine kleine Volkswirtschaft wie die österreichische geht es darum, gemein­sam Grundlagen zu schaffen, um zukünftige Chancen optimal nutzen zu können. Investitionsschutzabkommen genauso wie Doppelbesteuerungsabkommen bilden da immer einen wichtigen Faktor. Daher hoffe ich auch, dass diese vier Abkommen auch hier im Bundesrat eine breite Zustimmung finden werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätinnen Kerschbaum und Dr. Kickert.)

12.54



BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 74

Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Protokoll und Zusatzprotokoll zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Abänderung des zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik am 26. März 1993 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin­derung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung des Antrags, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies ebenfalls die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wir­kungs­bereichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 75

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. September 2011 betreffend Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kasachstan.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung des Antrags, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Sep­tember 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung des Antrags, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll800. Sitzung / Seite 76

12.59.31Einlauf

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten bezie­hungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen, 2837/J-BR/2011 bis 2844/J-BR/2011, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Freitag, 4. November 2011, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Donnerstag, 3. November 2011, ab 14 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

13.01.00Schluss der Sitzung: 13.01 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien