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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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803. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 15. Dezember 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

803. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Dezember 2011: 9.05 – 21.38 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Antrag der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühl­werth, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bun­desrates

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit von Behörden im Verbraucherschutz (Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz – VBKG) geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbil­dungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allge­meine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das So­zial­versicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Ar­beitsmarktservicegesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2011 – SRÄG 2011)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz über die Genehmigung von Weltraumaktivitäten und die Ein­richtung eines Weltraumregisters (Weltraumgesetz)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Transpa­renz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Me­dieninhaber eines periodischen Mediums und ein Bundesgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medien­inhaber eines periodischen Mediums erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mediengesetz geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Volksanwalt­schaftsgesetz 1982, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bun­desgesetzblattgesetz geändert werden (Bundesgesetz zur Durchführung des Fakulta­tivprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen ge­gen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe – OPCAT-Durchführungsgesetz)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz mit dem ein Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (Bundesvergabegesetz Verteidigung und Si­cherheit 2012 – BVergGVS 2012) erlassen sowie das Bundesvergabegesetz 2006 ge­ändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Re­publik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienst­rechtsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsge­setz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Auslandzulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Bundes-Personal­vertretungsgesetz und das Asylgerichtshofgesetz geändert werden und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 29. Februar 1980 betreffend die Prüfung und die Klausur­arbeiten für den Aufstiegskurs an der Verwaltungsakademie wieder in Kraft gesetzt und geändert wird (Dienstrechts-Novelle 2011)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafgesetz­novelle 2011)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammen­arbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die Zusam­menarbeit mit den internationalen Gerichten geändert werden (EU-JZG-ÄndG 2011)

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002 und das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz geändert werden (Vereinsgesetz-Novelle 2011 – VerGNov 2011)

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsge­setz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsge­setz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleitungsgesetz geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz und die Exeku­tionsordnung geändert werden

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2011

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 3

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verbot der geologi­schen Speicherung von Kohlenstoffdioxid erlassen wird und das Umweltverträglichkeits­prüfungsgesetz 2000, das Bundes-Umwelthaftungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 sowie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kur­anstalten geändert wird

31. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammerge­setz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden (Zahnärztliche Assistenz-Gesetz)

32. Punkt: Bundesgesetz über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammen­hang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, NPSG)

33. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2011 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogrammes der Europäischen Kommission für 2011 und des Programms des Ra­tes (ungarische Präsidentschaft)

34. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Festlegung von Haftungsober­grenzen des Bundes (Bundeshaftungsobergrenzengesetz – BHOG) erlassen, das AUA-Finanzierungsgesetz, das Bundesgesetz vom 14. Feber 1973 betreffend die Übernah­me der Bundeshaftung für Darlehen und sonstige Kredite der Flughafen Wien Betriebs­gesellschaft mit beschränkter Haftung, das Bundesgesetz vom 8. November 1973 be­treffend die Übernahme der Bundeshaftung für Anleihen, Darlehen und sonstige Kredi­te der Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke – Alpine Montan Aktiengesell­schaft, das Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 betreffend die Übernahme der Bun­deshaftung für die Konversion von Anleihen, Darlehen und sonstigen Krediten der Ös­terreichischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (Verbundgesellschaft) und der Sondergesellschaften, das Energieanleihegesetz 1982 und das BAWAG P.S.K.-Siche­rungsgesetz aufgehoben und das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundeshaushaltsge­setz 2013, das IAKW-Finanzierungsgesetz, das Bundesgesetz vom 3. Juni 1964 be­treffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck-Brenner, das Tauernautobahn-Fi­nanzierungsgesetz, das Pyhrn Autobahn-Finanzierungsgesetz und das Arlberg Schnell­straße Finanzierungsgesetz geändert werden

35. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird

36. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geldgesetz 2010, das Finalitätsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Ratingagenturenvollzugs­gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden

37. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Guatemala über die Förderung und den Schutz von Investitionen

38. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der Ord­nerInnen für das 1. Halbjahr 2012

*****

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache der Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth .................................. 16


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 4

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG betreffend die Wiederbenennung von Frau Dr. Maria Berger als Richterin des Gerichtshofes ......................................................... 44

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Mongolei zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 3. Juli 2003 unterzeichneten Abkommens zwi­schen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 92/2004                     44

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Auf­nahme von Verhandlungen über ein Abkommen über die grenzüberschreitende Verfolgung von verkehrssicherheitsbezogenen Verkehrsdelikten durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................................... 45

38. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2012 ........................................................................................................... 211

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Fragestunde (157.)

Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ............................................................... 18

Reinhard Todt (1796/M-BR/2011); Josef Saller, Franz Pirolt, Elisabeth Kersch­baum

Gregor Hammerl (1792/M-BR/2011); Adelheid Ebner, Peter Mitterer

Monika Mühlwerth (1799/M-BR/2011); Martina Diesner-Wais, Monika Kemperle, Efgani Dönmez, PMM

Johanna Köberl (1797/M-BR/2011); Karl Petritz, Johann Ertl

Mag. Bettina Rausch (1793/M-BR/2011); Juliane Lugsteiner, Mag. Reinhard Pisec

Stefan Zangerl (1795/M-BR/2011); Stefan Schennach, Josef Steinkogler, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder

Michael Lampel (1798/M-BR/2011); Ferdinand Tiefnig, Peter Mitterer

Friedrich Hensler (1794/M-BR/2011); Ewald Lindinger, Gerd Krusche

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 47

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  43, 212

Verhandlungen

1. Punkt: Antrag der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsord­nung des Bundesrates (188/A-BR/2011 sowie 8629/BR d.B.) ................................................................................................................. 48

Berichterstatter: Johann Kraml ..................................................................................... 48


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 5

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 48

Georg Keuschnigg ....................................................................................................... 49

Mag. Gerald Klug .......................................................................................................... 51

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters, der dem schriftlichen Ausschuss­bericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen      ............................................................................................................................... 54

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit von Behör­den im Verbraucherschutz (Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz – VBKG) geändert wird (1760/A und 1574 d.B. sowie 8616/BR d.B.)                            54

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar .......................................................................... 54

Redner/Rednerinnen:

Juliane Lugsteiner ........................................................................................................ 54

Mag. Christian Jachs ................................................................................................... 55

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 55

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1467 d.B. und 1551 d.B. sowie 8617/BR d.B.) ...................................................................................... 55

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar .......................................................................... 55

Redner/Rednerinnen:

Juliane Lugsteiner ........................................................................................................ 56

Edgar Mayer .................................................................................................................. 56

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 57

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsge­setz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1498 d.B. und 1553 d.B. sowie 8618/BR d.B.) ............................................................. 57

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar .......................................................................... 57

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 57

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 59

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 59

Friedrich Hensler .......................................................................................................... 61

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 62

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das All­gemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz,


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 6

das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsge­setz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterent­schädigungsgesetz 1957 geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2011 – SRÄG 2011) (1512 d.B. und 1554 d.B. sowie 8619/BR d.B.) ................................................................................................................. 62

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 62

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (1555 d.B. sowie 8620/BR d.B.) ............ 62

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 62

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt ................................................................................................................... 63

Monika Kemperle .......................................................................................................... 64

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 65

Josef Saller ................................................................................................................... 66

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 67

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 69

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 69

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (1506 d.B. und 1584 d.B. sowie 8627/BR d.B.)                     69

Berichterstatter: Michael Lampel .................................................................................. 69

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 69

Karl Boden .................................................................................................................... 71

Franz Wenger ............................................................................................................... 71

Gerd Krusche ............................................................................................................... 72

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 75

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung von Weltraumaktivitäten und die Einrich­tung eines Weltraumregisters (Weltraumgesetz) (1466 d.B. und 1585 d.B. sowie 8628/BR d.B.) ............................................................. 75

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 75

Redner/Rednerinnen:

Michael Lampel ............................................................................................................. 75

Günther Köberl ............................................................................................................. 76

Gerd Krusche ............................................................................................................... 77

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 79

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 7

Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Bundesbezügegesetz und das Bezügege­setz geändert werden (1604 d.B. sowie 8612/BR d.B. und 8634/BR d.B.) ................................................................................................................. 79

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 79

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .......................................................................................................... 79

Christoph Kainz ........................................................................................................... 81

Peter Mitterer ................................................................................................................ 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ........................................................... 85

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medienin­haber eines periodischen Mediums und ein Bundesgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Me­dieninhaber eines periodischen Mediums erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert werden (1276 d.B. und 1607 d.B. sowie 8635/BR d.B.) ................................................................................................................. 85

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 85

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das Mediengesetz geändert wird (1608 d.B. sowie 8636/BR d.B.)                   85

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 85

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ........................................................................................................... 86

Manfred Gruber ............................................................................................................ 87

Georg Keuschnigg ....................................................................................................... 88

Marco Schreuder .......................................................................................................... 88

Stefan Schennach ........................................................................................................ 90

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...................... 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 93

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Volksanwaltschafts­gesetz 1982, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bun­desgesetzblattgesetz geändert werden (Bundesgesetz zur Durchführung des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen der Verein-
ten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedri-
gende Behandlung oder Strafe – OPCAT-Durchführungsgesetz) (1515 d.B. und 1541 d.B. sowie 8637/BR d.B.) ................................................................................................................. 93

Berichterstatter: Josef Saller ......................................................................................... 94


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 8

Redner/Rednerinnen:

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 94

Edgar Mayer .................................................................................................................. 95

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 96

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 97

Manfred Gruber ............................................................................................................ 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ........................................................... 99

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (1759/A und 1609 d.B. sowie 8638/BR d.B.) ..................... 99

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 99

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 100

Stefan Schennach ...................................................................................................... 101

Marco Schreuder ........................................................................................................ 103

Günther Köberl ........................................................................................................... 104

Stefan Zangerl ............................................................................................................ 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 106

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz mit dem ein Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (Bundesvergabegesetz Verteidigung und Si­cherheit 2012 – BVergGVS 2012) erlassen sowie das Bundesvergabegesetz 2006 geändert wird (1513 d.B. und 1606 d.B. sowie 8639/BR d.B.)                         106

Berichterstatter: Franz Wenger ................................................................................... 107

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .................................................................................................................. 107

Christian Füller ........................................................................................................... 108

Marco Schreuder ........................................................................................................ 109

Dr. Magnus Brunner, LL.M ........................................................................................ 110

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer .............................................................  111, 113

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 113

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich (1758/A und 1543 d.B. sowie 8640/BR d.B.)                     113

Berichterstatter: Franz Wenger ................................................................................... 113

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 114

Ana Blatnik .................................................................................................................. 114

Notburga Astleitner ................................................................................................... 115

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 117


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 9

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (1399 d.B. und 1544 d.B. sowie 8614/BR d.B. und 8641/BR d.B.) ...................... 117

Berichterstatter: Martin Preineder .............................................................................. 118

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 118

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 120

Marco Schreuder ........................................................................................................ 120

Johann Schweigkofler ............................................................................................... 122

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ...................................................................... 122

Monika Mühlwerth (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 124

Mag. Christian Jachs ................................................................................................. 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 124

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbe­handlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Auslandzulagen- und –hilfeleistungsge­setz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz und das Asylgerichtshofgesetz ge­ändert werden und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 29. Februar 1980 betreffend die Prüfung und die Klausurarbeiten für den Aufstiegskurs an der Ver­waltungsakademie wieder in Kraft gesetzt und geändert wird (Dienstrechts-No­velle 2011) (1514 d.B. und 1610 d.B. sowie 8613/BR d.B. und 8642/BR d.B.) ........... 125

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 125

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz geändert wird (1611 d.B. sowie 8643/BR d.B.) ............................ 125

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 125

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 126

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 127

Franz Perhab .............................................................................................................. 128

Marco Schreuder ........................................................................................................ 128

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................... 130

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 132

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 133

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafgesetznovel­le 2011) (1505 d.B. und 1526 d.B. sowie 8621/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 133

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 133


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 10

Redner/Rednerinnen:

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................. 133

Monika Kemperle ........................................................................................................ 134

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 135

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 137

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 138

Stefan Schennach ...................................................................................................... 141

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 142

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), das Auslie­ferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die Zusam­menarbeit mit den internationalen Gerichten geändert werden (EU-JZG-ÄndG 2011) (1523 d.B. und 1536 d.B. sowie 8622/BR d.B.) ..................................................................................................... 142

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 143

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (1525 d.B. und 1539 d.B. sowie 8610/BR d.B. und 8623/BR d.B.) ............................................................................................................... 143

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 143

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1504 d.B. und 1540 d.B. sowie 8624/BR d.B.)                         143

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 143

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 143

Mag. Christian Jachs ................................................................................................. 144

Monika Kemperle ........................................................................................................ 145

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 146

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 148

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 149

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 149

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002 und das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz geändert werden (Vereinsgesetz-Novelle 2011 – VerGNov 2011) (1503 d.B. und 1537 d.B. sowie 8625/BR d.B.) ....... 149

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 149

Redner/Rednerinnen:

Gregor Hammerl ......................................................................................................... 149

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 151


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 11

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 152

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 152

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 154

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleitungsgesetz geändert werden (1524 d.B. und 1538 d.B. sowie 8626/BR d.B.) ........................................................... 154

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 154

Redner/Rednerinnen:

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 154

Monika Kemperle ........................................................................................................ 155

Gerd Krusche ............................................................................................................. 155

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 156

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 156

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 157

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz und die Exekutionsord­nung geändert werden (1522 d.B. und 1579 d.B. sowie 8648/BR d.B.) ............................................................................................................... 157

Berichterstatterin: Martina Diesner-Wais ................................................................... 157

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 157

Elisabeth Greiderer .................................................................................................... 158

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 159

Inge Posch-Gruska .................................................................................................... 160

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 160

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 162

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2011 (1726/A und 1570 d.B. sowie 8649/BR d.B.) ............................................................................................................... 162

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 162

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................. 162

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 163

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 166

Johann Kraml ............................................................................................................. 166

Peter Mitterer .............................................................................................................. 167

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 168

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 169

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (1386 d.B. und 1571 d.B. sowie 8650/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 169


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 12

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 169

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verbot der geologischen Spei­cherung von Kohlenstoffdioxid erlassen wird und das Umweltverträglichkeitsprü­fungsgesetz 2000, das Bundes-Umwelthaftungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 sowie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (1387 d.B. und 1572 d.B. so­wie 8615/BR d.B. und 8651/BR d.B.) ............................................................................................................... 169

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 169

Redner/Rednerinnen:

Peter Mitterer .............................................................................................................. 170

Dr. Magnus Brunner, LL.M......................................................................................... 170

Michael Lampel ........................................................................................................... 171

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 172

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 174

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 27, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 175

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 28, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 175

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1521 d.B. und 1573 d.B. sowie 8652/BR d.B.)                176

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 176

Redner/Rednerinnen:

Peter Mitterer .............................................................................................................. 176

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 177

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 179

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 180

Stefan Zangerl ...................................................................................................  181, 185

Anneliese Junker ........................................................................................................ 183

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 184

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 186

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstal­ten geändert wird (1519 d.B. und 1587 d.B. sowie 8630/BR d.B.) ............................................................................................................... 186

Berichterstatter: Friedrich Reisinger .......................................................................... 186

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt ........................................................................................................  186, 192

Johanna Köberl .......................................................................................................... 187

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 189

Ana Blatnik .................................................................................................................. 190

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 190

Karl Petritz .................................................................................................................. 191

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 192


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 13

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz und
das Berufsausbildungsgesetz geändert werden (Zahnärztliche Assistenz-Gesetz) (1499 d.B. und 1592 d.B. sowie 8631/BR d.B.) ..................................................................................................... 192

Berichterstatter: Friedrich Reisinger .......................................................................... 193

Redner/Rednerinnen:

Johanna Köberl .......................................................................................................... 193

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 194

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 195

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 195

32. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, NPSG) (1518 d.B. und 1593 d.B. sowie 8611/BR d.B. und 8632/BR d.B.) ............................................................................................................................. 195

Berichterstatterin: Martina Diesner-Wais ................................................................... 195

Redner/Rednerinnen:

Inge Posch-Gruska .................................................................................................... 196

Friedrich Reisinger .................................................................................................... 197

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 198

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 199

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 199

33. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2011 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission für 2011 und des Programms des Rates (ungarische Präsidentschaft) (III-426-BR/2011 d.B. sowie 8633/BR d.B.)                                                                                                   199

Berichterstatterin: Martina Diesner-Wais ................................................................... 199

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-426-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 200

Gemeinsame Beratung über

34. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Festlegung von Haftungsobergren­zen des Bundes (Bundeshaftungsobergrenzengesetz – BHOG) erlassen, das AUA-Finanzierungsgesetz, das Bundesgesetz vom 14. Feber 1973 betreffend die Übernahme der Bundeshaftung für Darlehen und sonstige Kredite der Flughafen Wien Betriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung, das Bundesgesetz vom 8. November 1973 betreffend die Übernahme der Bundeshaftung für Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite der Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahl­werke – Alpine Montan Aktiengesellschaft, das Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 betreffend die Übernahme der Bundeshaftung für die Konversion von Anleihen, Darlehen und sonstigen Krediten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Ak­tiengesellschaft (Verbundgesellschaft) und der Sondergesellschaften, das Ener­gieanleihegesetz 1982 und das BAWAG P.S.K.-Sicherungsgesetz aufgehoben und das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das IAKW-Finanzierungsgesetz, das Bundesgesetz vom 3. Juni 1964 betreffend die Finan-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 14

zierung der Autobahn Innsbruck-Brenner, das Tauernautobahn-Finanzierungsge­setz, das Pyhrn Autobahn-Finanzierungsgesetz und das Arlberg Schnellstraße Fi­nanzierungsgesetz geändert werden (1517 d.B. und 1561 d.B. sowie 8644/BR d.B.)                                                                                                                                            200

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 201

35. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird (1509 d.B. und 1565 d.B. sowie 8645/BR d.B.)                       200

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 201

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 201

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................... 202

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 202

Johann Kraml ............................................................................................................. 203

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................. 203

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 204

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 34, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 205

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 35, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 205

Gemeinsame Beratung über

36. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geld­gesetz 2010, das Finalitätsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Ratingagenturenvoll­zugsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden (1508 d.B. und 1563 d.B. so­wie 8646/BR d.B.)                    206

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 206

37. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Guatemala über
die Förderung und den Schutz von Investitionen (1469 d.B. und 1564 d.B. sowie 8647/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 206

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 206

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................. 206

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................... 208

Johann Kraml ............................................................................................................. 208

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 209

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 36, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 210

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 37, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............. 210


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 15

Eingebracht wurden

Petition ........................................................................................................................ 212

Petition betreffend Optimierung der Österreichischen Entwicklungszusammen­arbeit (Ordnungsnummer 29/PET-BR/2011) (überreicht vom Bundesrat Stefan Schennach)

Antrag der Bundesräte

Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (188/A-BR/2011)

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Laufzeitverlängerung des AKW Dukovany (2862/J-BR/2011)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Europäische AKW-Stresstests – Arbeitsgruppe zur Beleuchtung von Terror­gefahren (2863/J-BR/2011)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Europäische AKW-Stresstests – Arbeitsgruppe zur Beleuchtung von Terrorgefahren (2864/J-BR/2011)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung von Zugsver­bindungen zwischen Graz und Salzburg beziehungsweise Innsbruck unter besonderer Berücksichtigung von Leoben (2634/AB-BR/2011 zu 2843/J-BR/2011)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Bundesräte Cornelia Michalke, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schweizer Protektionismus zu Lasten Vorarlber­ger Taxiunternehmen (2635/AB-BR/2011 zu 2848/J-BR/2011)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundesrä­te Cornelia Michalke, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen Schweizer Protektionismus zu Lasten Vorarlberger Taxiunternehmen (2636/AB-BR/2011 zu 2847/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jene­wein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermittlungen gegen den Kabinettchef der Innenministerin (2637/AB-BR/2011 zu 2845/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jene­wein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Blaulichtfunk – neue Korruptionsvorwürfe (2638/AB-BR/2011 zu 2846/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend bauliche Maßnahmen
zur Herstellung der Tunnelsicherheit im hochrangigen Straßennetz (2639/AB-BR/2011 zu 2844/J-BR/2011)


 


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 16

09.04.31Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 803. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 802. Sitzung des Bundesrates vom 1. Dezember 2011 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind für die heutige Sitzung die Mitglieder des Bundesrates Gottfried Kneifel und Klaus Konrad.

09.05.21Schlussansprache der Präsidentin

 


9.05.23

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ein halbes Jahr vergeht schnell, und wenn man Präsidentin des Bundesrates ist, hat man das Gefühl, dieses halbe Jahr vergeht noch schneller. So ist dieses halbe Jahr meiner Präsidentschaft auch schon bald wieder Geschichte, und deshalb ist es heute Zeit, ein wenig Bilanz zu ziehen. In Anbetracht der umfangreichen Tagesordnung beschränke ich mich auf eini­ge wenige Stationen, die mir wichtig sind.

Insgesamt liegen zwischen meinem ersten Termin am 2. Juli, nämlich einer Einladung für die Mittelmeerunion in St. Peter in Salzburg, und meinem voraussichtlich letzten offiziellen Termin diese Woche, nämlich der Eröffnung der chinesischen Spielzeugaus­stellung im Salzburger Spielzeugmuseum, zirka 170 Termine, die ich wahrgenommen habe. Zwischen der Übergabe am Wolfgangsee, wo ja viele von Ihnen dabei waren, und dem Salzburger Abend in Wien vor ein paar Wochen, am 30. November, sind ge­rade einmal knapp fünf Monate vergangen – Zeit genug, um viele Dinge zu initiieren, manche zu finalisieren, aber viel zu wenig, um all das wirklich zu erreichen, was man sich für so eine Zeit vornimmt.

Ich habe versucht, die Themen, die mir wichtig sind, über die Alltagsarbeit hinaus, nämlich Bildungsfragen, die Vertretung von Frauen in der Politik im ländlichen Raum, Föderalismus und Subsidiarität, aber auch viele internationale Themen, zu bearbeiten.

Zu Föderalismus und Subsidiarität habe ich in der letzten Sitzung im Zusammenhang mit der Erklärung der Landeshauptfrau Burgstaller meine Meinung ja ohnehin ausge­drückt, auch was die Zukunft des Bundesrates und der Landtage betrifft. Kurz zusam­mengefasst stehe ich für eine Veränderung der Kompetenzen der Landtage und des Bundesrates und für ein Wahlsystem, das mehr Persönlichkeitsmerkmale aufweist. – Ich wiederhole das jetzt nicht im Detail, auch wenn die Beiträge der letzten zwei Tage in diversen Medien durchaus Anlass genug wären, darauf noch einmal wirklich einzu­gehen.

Ich habe in meiner Antrittsrede betont, dass es mir wichtig ist, dass der Bundesrat sei­ne Initiativen fortsetzt. Der Beschluss über die Gemeindekooperationen im Juli war ja ein deutliches Signal des Bundesrates, dass es möglich ist, gemeinsam parteiübergrei­fend Initiativen zu setzen, die zu Verwaltungsvereinfachungen und Einsparungspoten­zialen führen. Ich persönlich habe dabei auf das Thema Bildungsdirektionen gesetzt.

Bildungsdirektionen würden, wie Sie wissen, eine Zusammenlegung von Landesschul­räten mit den Ämtern der Landesregierungen bedeuten und in mehrfacher Hinsicht Mehrwert bringen. Die verfassungsrechtliche Verankerung von Bildungsdirektionen würde nicht nur zu Einsparungen, sondern vor allen Dingen auch zu bürgerInnennaher Verwaltung führen. Leider muss ich gestehen oder ausführen, dass ich in dieser Frage


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 17

schlussendlich nach sieben Monaten Arbeit an der Haltung der ÖVP im Nationalrat ge­scheitert bin.

Das finde ich in doppelter Hinsicht schade. Erstens, weil es meiner Meinung nach kei­nen objektiven Grund gibt, diese kleine Verfassungsänderung jetzt nicht zu machen. Das ewige Warten auf die großen Würfe führt nur dazu, dass schlussendlich gar nichts passiert. Zweitens hat der Bundesrat damit wieder einmal eine Chance weniger be­kommen, sinnvolle Initiativen zu setzen. Sichtlich ist es eben bei manchen nicht so weit her mit den Lippenbekenntnissen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Veranstaltungen zwischen Salzburger Fest­spielen und Schützenfesten, Ehrenzeichenüberreichungen und Vorträgen, viele Emp­fänge als Eingeladene, aber auch als Einladende – ich beschränke mich auf ein paar wenige Ereignisse, die ich für wichtig und auch für nachhaltig halte, auch für die kom­menden Jahre.

Dazu gehört sicher meine Delegationsleitung der Chinareise, durchgeführt von der Ös­terreichisch-Chinesischen Freundschaftsgesellschaft, bei der es unter anderem gelun­gen ist, eine Schulpartnerschaft zwischen einer technischen Schule in Ningbo und der HTL in Hallein abzuschließen.

Dazu gehört auch die Reise nach Chile gemeinsam mit VertreterInnen des Bundes­rates zur Vertiefung der Beziehungen zwischen den zweiten Kammern, bei der unter anderem eine Schule für Behinderte unterstützt werden konnte und ein Frauenprojekt für Erdbebenopfer initiiert wurde, aber auch die Erkenntnis gewonnen werden konnte, dass es auch in Ländern der Dritten Welt, in Schwellenländern ganz aktive NGOs, nichtstaatliche Organisationen gibt, deren Anliegen Gleichberechtigung für Frauen, aber auch für Menschen mit anderer sexueller Orientierung ist und die in mancher Hin­sicht weiter sind als ein Land wie Österreich, mit einer ganz anderen Geschichte.

Wichtig zu erwähnen ist mir auch der Empfang der Generalversammlung der EACD hier im Parlament, einer europäischen Vereinigung für Steinmetze und Zimmerer, die es sich zum Ziel gesetzt hat, europäische Meister in Handwerksberufen auszubilden.

Der Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten in Wien und auch in Salzburg, wo ich anwesend sein durfte, hat mir auch die Möglichkeit eröffnet, für Österreich wirklich wichtige Wirtschaftsfragen zu erörtern. Erwähnen möchte ich auch die Teilnahme am Round Table zur Multi-Level Governance bei der Plenarversammlung des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates, bei der ich die federführende Rolle Österreichs zu diesem Thema darstellen konnte.

Wahrscheinlich weniger nachhaltig, aber dennoch für mich sehr spannend: der Kondo­lenzbesuch in Saudi-Arabien als einzige Frau in einer Riege vieler, vieler Männer. Und natürlich war es eine Ehre für mich, die Rosthorn-Medaille überreicht zu bekommen. Dass der Salzburger Abend, wie ich meine, ein voller Erfolg war, habe ich an den Re­aktionen gesehen. Ich danke auch, dass so viele teilgenommen haben.

Der letzte Höhepunkt war sicher gestern die Enquete zum Thema „Föderalistische Aspekte in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit“, die auf großes Interes­se gestoßen ist. Ein Ergebnis ist sozusagen auch, dass es heute statt der Salzburger Mozartkugeln die EZA-Schokolade gibt, die erstens gesünder ist und zweitens nachhal­tiger produziert wird.

Fast bin ich versucht, noch ein wenig mehr auszuholen – wie Sie wissen, 170 Termi­ne –, aber ich habe auch gelernt, dass es wichtig ist, positive Grundstimmungen herzu­stellen, und das ist nur möglich, wenn alle der Meinung sind, dass sie etwas Positives hören. Ich glaube, dass mir das während meiner Präsidentschaft meistens auch gelun­gen ist, und das möchte ich natürlich heute auch so halten.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 18

Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen, bleibt mir für heute nur mehr, Danke zu sa­gen für die gute Zusammenarbeit mit meinen beiden Vizepräsidenten, den Vorsitzen­den aller Fraktionen, den Fraktionslosen, und, ja, natürlich mit Ihnen allen, Kolleginnen und Kollegen, und natürlich allen MitarbeiterInnen der Bundesratskanzlei, vor allem Frau Dr. Susanne Bachmann und ihrem Team, für die kompetente Begleitung durch diese sechs Monate.

Meinem Nachfolger, den ich in der bereits von mir am Anfang angekündigten Troika-Manier seit einigen Monaten eigentlich schon in die Arbeit eingebunden habe, wünsche ich für die Präsidentschaft viel Erfolg, alles Gute nicht nur für ihn persönlich, sondern auch im Sinne einer konstruktiven Zukunft für den Bundesrat. Alles Gute! – Danke. (All­gemeiner Beifall.)

9.12

09.12.53 Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fra­gestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Todt, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1796/M-BR/2011

„Wie ist der Umsetzungsstand der heuer durchgeführten Änderungen in Bezug auf die Invaliditätspensionen?“

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es sei mir gestattet, bevor ich auf diese Anfrage eingehe, auch von meiner Seite alles Gute zu wünschen und für die letzten sechs Monate Danke zu sagen. Ich bin ja einer der Minister, der – zumin­dest subjektiv, von meiner Seite her empfinde ich das so – im Bundesrat immer sehr pfleglich behandelt wird. (Heiterkeit.) Dafür ein recht herzliches Dankeschön.

Und da es 9 Uhr früh ist, muss ein kleiner Scherz des Tages drinnen sein: Frau Prä­sidentin, die Schokolade ist nicht nur nachhaltiger produziert, sie bleibt auch nachhal­tiger im Körper gespeichert. (Heiterkeit.) Sie brauchen nur mich anzuschauen. – Aber jetzt kommen wir zum Ernst der Sache.

Die Umsetzung aller Änderungen der Invaliditätspension hat in Wahrheit vor 11,5 Mo­naten, vor 12 Monaten begonnen, denn mit dem Budgetbegleitgesetz ist ganz einfach auch das Arbeits- und Gesundheitsgesetz in Kraft getreten, was mehr oder weniger die legistische Trägerrakete ist, wo es darum geht, dass „Fit to work“ und „Rehab vor Pen­sion“ auch umgesetzt werden können.


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Es gibt ein Projekt davor, das wir schon seit einiger Zeit begonnen haben, für das wir keine Gesetzesänderung gebraucht haben, das war die Gesundheitsstraße. Die ist schon flächendeckend vorher ausgerollt gewesen und funktioniert jetzt auch in allen Bundesländern. In der Zwischenzeit ist „Fit to work“ in drei Bundesländern implemen­tiert – beginnend in der Steiermark und im Oktober dann in Wien und Niederösterreich –, und wir starten jetzt, mit 2012, in Salzburg, Oberösterreich und Kärnten. Bis 2013 kom­men die anderen Bundesländer hinzu.

Die praktische Umsetzung von „Fit to work“ erfolgt mit privaten Trägern, die wir beauf­tragen. Das ist in Wien und in der Steiermark die Firma ibis acam, und in Niederöster­reich ist es das ÖSB.

Gleichzeitig wird ab Jänner 2012 verstärkt ein Beratungsangebot für Betriebe forciert, wo es schon seit längerer Zeit Aktivitäten der AUVA gibt. Diese Aktivitäten werden jetzt noch verstärkt angeboten. Weiters ist auch die Homepage implementiert. Es ist ja heute so, dass die Umsetzung von Politik auch des Internets bedarf, dass der Zugang der Bürger, der Zugang der Betroffenen ganz einfach auch über dieses Medium erfol­gen muss.

Es wird ab Februar 2012 auch eine dritte Säule begonnen, das ist nämlich eine sehr zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit, wo es darum geht, die Menschen für das Thema noch mehr zu sensibilisieren, bei den Menschen noch mehr ein Bewusstsein dafür auf­zubauen. Das beginnt durch eine Kampagne. Natürlich sind das, wie das nun einmal so ist, alles nach dem Vergabegesetz ausschreibungspflichtige Maßnahmen, was teil­weise dazu geführt hat, dass wir auch Verzögerungen hatten, weil – wie es halt im Vergabegesetz ist – nicht zum Zug gekommene Bewerber von ihren Einspruchsrech­ten Gebrauch machen können und das auch tun, und so weiter. Aber das ist jetzt alles in der Pipeline.

Was auch mit 1. Jänner 2012 wirksam wird, sind die Abschläge, nämlich eine Ände­rung der Abschläge, denn bei Inanspruchnahme einer Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitspension beträgt das Höchstausmaß der Abschläge 13,8 Pro­zent – bis dato 15 Prozent. Auch eine befristete Regelung wird ab 1. Jänner 2012 wirk­sam, nämlich: Für Versicherte, die das 57. Lebensjahr vollendet und in den letzten 20 Jahren vor dem Stichtag mindestens zehn Jahre Schwerarbeit geleistet haben und eine Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitspension ab 1. Jänner 2012 in Anspruch nehmen, ist das Höchstausmaß der gesamten Abschläge im Allgemeinen Pensionsgesetz nur 11 Prozent der Leistung. Aber diese Regelung ist de facto oder ist legistisch gesehen befristet bis 31. Dezember 2015.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Herr Bundesrat? (Bundesrat Todt verneint dies.)

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Saller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mehr als die Hälfte aller Anträge für eine Invaliditätspension betrifft psychische Störungen. Das ist ein weltweiter Spitzenwert. Die Frage ist, warum das so ist.

Ich frage daher: Was werden Sie im Zusammenhang mit Invaliditätspensionsanträgen wegen psychischer Störungen unternehmen, um generell zu objektiven psychologischen Beurteilungen zu kommen und Missbrauch zu vermeiden?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Erstens: Ja, wir haben einen überproportional hohen Anteil an psychosomatischen oder psychischen Erkrankungsformen, die dazu führen, dass es zu Invaliditätspensio­nen kommt, wobei ich schon sagen möchte: Es ist so, dass wir von den 70 000 An-


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trägen, die pro Jahr gestellt werden – wobei wir jetzt erstmalig einen kleinen Rückgang der Anträge haben; seriöserweise wollen wir noch das 4. Quartal abwarten, aber wir haben bereits in den ersten drei Quartalen dieses Jahres einen Rückgang –, 40 000 ab­lehnen, 30 000 werden genehmigt, und davon ist ein sehr hoher Prozentsatz mit psy­chosomatischem Hintergrund.

Was wir einerseits tun, ist, mit dieser Kampagne „Fit to work“ die Menschen ganz ein­fach darauf aufmerksam zu machen, dass sie diese Beratung in Anspruch nehmen können. Da ist auch das Programm „Rehab vor Pension“, wobei das nicht primär eine medizinische Rehab meint, sondern Rehab als Umschulung, um die Menschen in ein anderes Tätigkeitsprofil zu bringen. Unser Hauptthema ist und bleibt aber – auch ge­meinsam mit den Arbeitsmedizinern, den Betriebsärzten, mit allen Beteiligten, die es im System gibt –, so frühzeitig wie möglich zu den Betroffenen hinzukommen. Denn wenn jemand schon in einer psychosomatischen Phase drinnen ist, dann seinen Antrag stellt und wir fahren mit voller Reparaturmedizin drüber, so ist das in der Regel nicht sehr hilfreich, sondern das Hauptthema wird sein, wenn der Beginn einer gewissen Phase eintritt, der Menschen habhaft zu werden – das klingt jetzt sehr salopp formuliert –, den Menschen eine Beratung zu bieten, die Personen in eine Betreuung zu bringen.

Da wird es noch mehr Anstrengungen brauchen, als wir einerseits gesetzlich tun kön­nen. Es braucht auch die Anstrengung der gesamten Zivilgesellschaft, nämlich auch der Betroffenen, der Fachärzte, der praktischen Ärzte, und, und, und, um so frühzeitig wie möglich diese Personen zu betreuen. In dem Augenblick, in dem wir sie im System haben, können wir die Antwort schon liefern. Das ist einerseits eine psychosomatische Rehab, das ist aber auch eine Umschulung, aber die Kunst ist immer bei all diesen For­men: so frühzeitig wie möglich.

Man kann sich das anschauen in Finnland, man kann sich das anschauen in Holland, man kann sich das anschauen in Schweden. Die haben das gleiche Programm, denn von dort haben wir es ja abgeschrieben, nur haben sie schon vor zehn Jahren begon­nen und haben dadurch ganz andere Erfolge und ganz andere Zugänge auch für die Betroffenen. Das tun wir jetzt, das Trägerprojekt ist und bleibt „Fit to work“.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Pirolt.

 


Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister! Personen, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, genießen in Österreich einen erweiterten Berufs­schutz und können somit die Invaliditätspension beziehen.

Um wie viele Personen handelt es sich dabei? Wie gedenken Sie, mit diesen Bürgern im Hinblick auf eine Pensionsreform umzugehen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Die Zahl, wie viele es wirklich sind, kann ich Ihnen ad hoc nicht nennen. Wenn Sie ge­statten, liefern wir Ihnen diese Zahlen nach. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter su­chen gerade hektisch. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wie wir mit ihnen im Zuge von diversen Pensionsreformen umgehen, kann ich Ihnen zur Stunde auch nicht beantworten; Sie wissen, es ist alles im Fluss, es wer­den viele Dinge diskutiert, viele Dinge besprochen. Dass wir da natürlich auch ein The­ma haben, das ist kein Geheimnis, aber es ist zur Stunde kein aktuelles Thema, wo ich sagen kann, das bleibt so. Ich kann Ihnen aber auch nicht sagen, es ändert sich in die oder die Richtung.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 21

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben schon angesprochen das Prinzip der Rehabilitation, bevor man in Invaliditätspension gehen kann oder muss.

Wie oft wurde dieses Prinzip heuer schon angewendet, sprich: Wie viele Fälle wurden schon zugewiesen, bevor eine Invaliditätspension zuerkannt wurde?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Die exakte Zahl liefere ich Ihnen dann, aber es sind ein paar Hundert Fälle, wo wir Menschen schon mehr oder weniger in diesem Programm drinnen haben, wir diese Personen entsprechend rehabilitieren konnten. Ich hoffe, aus diesen paar Hundert Fällen werden ein paar Tausend Fälle, das ist ja der Sinn und Zweck und das Ziel. Damit soll es ganz einfach gelingen, das Grundprinzip zu erreichen, nämlich länger, gesünder im Erwerbsprozess zu sein.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Hammerl, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1792/M-BR/2011

„Wie ist der Stand der Vorbereitungen für die Umsetzung des Pflegefondsgesetzes?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Das Pflegefondsgesetz ist ja am 30. Juli in Kraft getreten, wo es darum geht, die Zweckzuschüsse an die Länder zur Sicherung und zum Aus- und Aufbau des Ange­bots im Bereich der Langzeitpflege zu unterstützen. Wie Sie wissen, das Gesamtvolu­men wird 685 Millionen € sein, was wir bis 2014 ausschütten – gemeinsam mit den Bun­desländern, denn ein Drittel ist von den Ländern, zwei Drittel sind vom Bund.

Voraussetzung für die Anweisung der Zweckzuschüsse an die Länder für das Jahr 2011 ist die Übermittlung der Daten aus dem Jahr 2010. Da gibt es einen entsprechenden Datenraster, der von der Statistik Austria erstellt wurde. Wir sind derzeit dabei, nach­dem alle Bundesländer ihre Unterlagen geliefert haben, mit allen Bundesländern und gemeinsam mit dem Finanzressort mehr oder weniger diese Daten noch einmal zu checken.

Ich kann mit heutigem Wissensstand sagen, dass mit Montag nächster Woche, wenn ich das richtig im Kopf habe, die Auszahlung für das gesamte heurige Jahr an alle Bun­desländer erfolgen wird, das heißt, wir zahlen an alle Bundesländer aus. Somit ist der Pflegefonds, was 2011 betrifft, mit Montag nächster Woche erledigt.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Wichtig ist dabei, Herr Bundesminis­ter, dass die Aufteilung auf die Bundesländer fair und gerecht erfolgt. Man hört, dass dabei im Sozialministerium besonders eng mit dem Fonds Soziales Wien zusammen­gearbeitet wird. Das könnte naturgemäß dazu führen, dass andere Bundesländer even­tuell benachteiligt werden.

Meine Frage, Herr Bundesminister, lautet daher:

Werden im Sozialministerium die Kriterien für die Aufteilung der Pflegefondsmittel im Einvernehmen mit allen Bundesländern gemacht, sodass die Aufteilung fair und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangssituation erfolgt?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Bundesrat! Die Höflichkeit gebietet mir, Ihnen darauf eben eine sehr höfliche Ant­wort zu geben. Seien Sie mir nicht böse: Natürlich gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Fonds Soziales Wien. Ja! Aber wissen Sie, was es noch gibt? – Eine genauso enge Zusammenarbeit mit der Abteilung der Niederösterreichischen Landesregierung, genauso wie mit der Abteilung der Steirischen Landesregierung. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Hält mich denn irgendjemand für so naiv, dass ich jemanden gesetzlich bevorzugen kann, wo ich doch ganz genau an gesetzliche Vorschriften gebunden bin? Ich meine, für wie ...? Nicht böse sein! Mir fehlen die Worte. Nicht böse sein, wirklich!

Da wird etwas konstruiert, was ich nicht nachvollziehen kann. Ich arbeite mit dem Hof­rat Huber genauso eng zusammen wie mit dem Peter Hacker, der der Chef des Fonds Soziales Wien ist. Hofrat Huber hat alles in Niederösterreich zu exekutieren, was sozia­le Fragen betrifft. Wir arbeiten mit beiden genauso eng zusammen. – Punkt eins.

Punkt zwei ist die Aufteilung nach dem Bevölkerungsschlüssel. Das habt doch ihr alle hier mitbeschlossen.

Punkt drei: Ich habe das Einvernehmen mit dem Finanzressort bei jeder Auszahlung herzustellen. Entschuldigung, da kann niemand bevorzugt werden! Ich kann nur drin­gend davon abraten, solche Konstruktionen weiter zu verfolgen. Ich kann nur dringend davon abraten: Das sind Unterstellungen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Es geht darum, alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, vom Bodensee bis zum Neusiedler See, gleich zu behandeln. Dass wir in inhaltlichen Fragen natürlich die Be­ratung durch die Bundesländer haben, das ist doch klar. Ich habe ein Pflegereformge­setz, bei der Pflegegeldreform habe ich von den Ländern zwei Verhandlungspartner bekommen: Vorarlberg und Wien. Die beiden Verhandlungspartner hocken alle Augen­blick’ bei uns, aber trotzdem werden sie nicht bevorzugt. Ich muss ja mit ihnen arbei­ten, weil mir von den Ländern die zwei als Partner genannt wurden. Das ist ja nicht Jux und Tollerei.

Und demzufolge: Die Mittelausschüttung erfolgt nach dem Pflegefondsgesetz. Das Pflegefondsgesetz sieht vor, dass die Mittel nach dem Bevölkerungsschlüssel der ös­terreichischen Bundesländer aufgeteilt werden. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Ebner.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Die Übernahme der Vollziehung der Landespflegegelder durch den Bund hat auch einen wirtschaftlichen Aspekt.

Meine Frage dazu:

Mit welcher Kostenersparnis in der Verwaltung darf man rechnen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Die genaue Ersparnis in der Verwaltung – offen und ehrlich gesagt, kann ich diese Fra­ge nicht exakt beantworten, weil es in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Organisationsformen gab und gibt. Im Hintergrund der gesamten Berechnung steht ein Betrag von zirka 8 Millionen €, den man errechnet hat, wobei wir – ich sage das jetzt wirklich so – nach einem oder zwei Jahren draufkommen werden, ob er gestimmt hat oder es vielleicht eine Abweichung von 10 Prozent nach oben oder unten gegeben hat. Das möchte ich gar nicht abstreiten, dass solche Abweichungen möglich sind. Aber klar


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 23

ist, es gibt natürlich eine Ersparnis, weil die Reduktion der Träger alleine, von 300 auf acht, ganz einfach eine Reduktion ergeben muss.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Der erschwerte Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 hat sicherlich auch budgetäre Vorteile gebracht. Trotzdem werden die Ausgaben für die Pflege jährlich um zirka 8 Prozent bis 10 Prozent steigen. Es stellt sich daher für mich die Frage, Herr Bun­desminister:

Welche langfristigen Kostenteilungen streben Sie zwischen Bund, Ländern und Ge­meinden an?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ja, trotz der Dämpfungsmaßnahmen, die ja politisch sehr bekämpft worden sind, ha­ben wir eine Steigerung des Aufwandes. Und die Aufteilung, nach welchen Kriterien wir in Zukunft die Gesamtfinanzierung sicherstellen, wird derzeit in dieser Gesamtarbeits­gruppe, die ja Teil des Beschlusses ist, erarbeitet.

Mit dem Pflegefonds ist der Auftrag an mein Ressort oder an mich erteilt worden, bis zum Jahresende 2012 eine Neustrukturierung des gesamten Sektors Pflege vorzule­gen, damit das dann ab 2015 in den Finanzausgleich aufgenommen werden kann.

Wir haben eine Riesenarbeitsgruppe implementiert, wo ich zuerst schon gesagt habe, die beiden Vertreter der Bundesländer sind Vorarlberg und Wien. Wir haben aber auch alle NGOs einbezogen, wir haben die Gewerkschaften einbezogen, wir haben auch die Wirtschaftskammer einbezogen, weil sie ja auch Träger vertritt. Wir haben – und das sind die Wichtigsten, um die es geht nämlich – auch den Österreichischen Seniorenrat einbezogen. Der vertritt die Gruppe der Betroffenen. Wir haben auch die Behinderten­verbände dabei, weil bei der Pflege sehr vieles auch für den Behindertensektor gilt, wo es nicht um geriatrische Betreuung geht. Das heißt, wir sind dabei, das zu erarbeiten.

Wie es dann de facto weitergeht, das ist zur Stunde nur dahin gehend zu beantworten, dass außer Streit steht, dass es weiterhin Pflegegeld geben wird. Das steht außer Streit. Und was auch außer Streit steht, ist, dass es ein steuerfinanziertes Gesamtsys­tem geben wird, wo man den Menschen das, was sie selbst nicht erbringen können, über die Sozialhilfe oder wie das dann immer heißen wird entsprechend auch zusätz­lich zahlt, so wie das ja heute der Fall ist.

Es geht natürlich auch darum, die Entwicklungen in die Zukunft abzusichern, denn das, was wir jetzt mit dem Pflegefonds gemacht haben, ist ja nichts anderes, als bis 2014 die Steigerungsraten der Sozialhilfe der Länder, Städte und Gemeinden abzufangen. Das ist aber, wie gesagt, befristet bis 2014 und muss für die Zukunft weiterhin imple­mentiert werden. Das ist die Aufgabe dieser Arbeitsgruppe.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage. Ich ersuche die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mühlwerth, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Fra­ge lautet:

1799/M-BR/2011

„Was gedenken Sie gegen den eklatanten Fachkräftemangel am österreichischen Ar­beitsmarkt zu unternehmen?“

(Bundesrat Schreuder: Zuwandern!)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich darf zur Frage des Fachkräftemangels, bevor ich zur Lage in Österreich komme, nur eine Gesamtbemerkung machen: Wir haben weltweit ein Problem mit Fachkräften, wir haben weltweit ein Problem, Fachkräfte zu finden.

Was wir in Österreich tun, ist Folgendes: Einerseits haben wir in Österreich das be­währte System der dualen Lehrlingsausbildung. Dieses bewährte System der dualen Lehrlingsausbildung ist ja unbestritten. Wir haben derzeit, in Summe gesehen, mit Stand von Ende November rund 128 000 Lehrlinge in Lehrverträgen in diversen Beru­fen stehen. Diese Zahl ist insofern erfreulich, als wir erstmalig nach zwei Jahren beim ersten Lehrjahr eine Steigerung der Zahl der Lehrlinge hatten, was gegenüber den letz­ten Jahren, ich gebe zu, eine minimalistische Steigerung von 1,9 Prozent ist, aber ein Plus ist ein Plus. Das heißt, wir haben eine Steigerung. – Punkt eins.

Punkt zwei: Was wir noch tun, ist, die Schulung der Fachkräfte aus der Arbeitslosigkeit voranzutreiben. Da haben im heurigen Jahr allein bis Ende November 159 000 Perso­nen an solchen Schulungen teilgenommen. Wir hatten heuer schon 14 000 Menschen in Arbeitsstiftungen, wo es auch darum geht, Qualifikationen voranzutreiben.

Und was wir auch forciert haben und forcieren werden, das ist eine Arbeitsstiftung für niedrig qualifizierte Jugendliche, wo es um den Erwerb eines Lehrabschlusses geht. Da stecken 1 500 Personen drinnen. Außerdem haben 10 000 Frauen beim Programm „Frauen in Handwerk und Technik“ mitgemacht, um Mädchen in nicht traditionelle Lehr­berufe und FacharbeiterInnenintensivausbildungen zu bringen.

Wir haben heuer für den Bereich Gesundheits- und Pflegeberufe bereits 4 000 Men­schen ausgebildet oder bilden sie gerade aus oder weiter. Bei der „Aktion Zukunft Ju­gend!“ geht es darum, dass wir Jugendlichen eine Chance geben, wenn sie jung ar­beitslos sind – jung heißt in dem Fall 20, 21, 22 Jahre –, dass sie in ein Qualifizierungs­angebot kommen. Das waren heuer auch schon allein 67 000 Jugendliche. Es gibt auch die Ausbildungsgarantie, wo wir Jugendlichen, die keine betriebliche Lehrstelle finden, sagen, wir garantieren euch eine Ausbildung. Das sind im heurigen Jahr in Sum­me knapp 10 000 Menschen.

Wir sind derzeit dabei, neue Förderansätze in der dualen Lehrlingsausbildung zu entwi­ckeln, damit wir neben der traditionellen Lehrlingsförderung, die wir haben, auch noch neue Förderansätze in Richtung Beratung und Betreuung für Betriebe und Lehrlinge anbieten, wobei es darum geht, die Drop-out-Rate zu reduzieren und Ausbildungserfol­ge besser abzusichern.

Das ist ein sehr umfangreiches Programm, wobei uns in die Zukunft gerichtet klar sein muss – und das ist jetzt die nonchalante Bemerkung des Herrn Bundesrates von den Grünen –, wir haben weniger Jugendliche, denn das, was 1999/2000 nicht geboren wur­de, steht 2015 nicht am Arbeitsmarkt zur Verfügung – ob wir wollen oder nicht.

Diesen Rückgang haben wir, alle Zahlen liegen auf dem Tisch. Wir werden 2015 um 10 000 15-Jährige weniger haben als heute, und wir haben eine Situation in der Gesell­schaft, dass die verbleibenden 15-Jährigen zu einem hohen Prozentsatz eine schuli­sche Ausbildung weitermachen und nicht eine betriebliche Ausbildung, ob wir das jetzt wollen oder nicht. Auch in unserem traditionellsten Ausbildungsland, in Vorarlberg, wo immer 50 Prozent eines Geburtsjahrganges in die Lehre und 50 Prozent in die Schule gegangen sind, gibt es Verschiebungen. Und dass in den Ballungsräumen die Ver­schiebung schon ein ganz anderes Ausmaß angenommen hat, ist bekannt. In Wien sind es nur mehr 25 Prozent eines Geburtsjahrganges, die eine Lehre anstreben. 75 Pro­zent streben irgendwas an, nur keine Lehre, nämlich weitergehende schulische Ausbil­dungen.


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Das sind Entwicklungen, über die man jetzt diskutieren kann, soviel man will. Wir fan­gen die Jugendlichen, die Gefahr laufen, keine Ausbildung weiter zu machen, auch noch zusätzlich mit dem Projekt Jugendcoaching ab, das wir jetzt bewusst in Wien und in der Steiermark beginnen und das dann auf alle Bundesländer ausgedehnt wird, wo wir in die Schulen gehen und im letzten Schuljahr die jungen Menschen beraten und ih­nen Hilfestellung geben.

Mein Ziel ist, das ist ja bekannt, es soll keinen 15-Jährigen geben, der nach Ende der Schulpflicht sagt, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich will haben, dass jeder 15-Jährige eine Ausbildung weiter macht, egal, welche Ausbildung. Ob es eine Schule ist, eine Lehre ist, eine Teillehre ist, das ist ganz egal. Dieses Projekt Jugendcoaching treiben wir jetzt voran. Da gibt es tolle, sehr punktuelle Versuche in den Bundesländern. Aber klar ist, wir haben eine gewisse Zahl an Jugendlichen, die nicht eine Lehre machen, die aber auch keine Schule machen, und diese müssen wir abfangen, aber die werden trotz­dem nicht unser Problem lösen, dass wir um 10 000 15-Jährige weniger haben und 2016 noch einmal weniger haben.

Das wird unser Problem nicht lösen, weil das, was nicht geboren wurde, einfach nicht da ist. Das ist einmal Punkt eins. Sie brauchen sich nur die Zahlen der Volksschulen heuer anzuschauen: so wenig Volksschüler wie noch nie. Sie brauchen sich nur die nackten Zahlen anzuschauen, das sind alles österreichweite Zahlen; natürlich gibt es regionale Unterschiede. Und: Das, was ich heute in der Volksschule nicht habe, habe ich in der Zukunft nicht am Arbeitsmarkt. Demzufolge, ob wir wollen oder nicht, ob es uns Spaß macht oder nicht: Wenn wir ein gewisses Niveau aufrechterhalten wollen, brauchen wir Migration. Das kann man drehen und wenden, wie man will: Wenn wir weiterhin 8,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher bleiben wollen, dann brau­chen wir Migration. Wenn wir sagen, wir geben uns zufrieden mit 7 Millionen Österrei­chern in 30 Jahren, dann brauchen wir keine Migration.

Man muss sich nur politisch im Klaren sein, was man will. Will man weiterhin ein wach­sendes, pulsierendes Land sein, dann brauchen wir Zuwanderung, mit Regeln, mit deutscher Sprache, das ist alles nicht das Thema, nur wir brauchen sie. Man kann da den Kopf schütteln, ja, aber schauen Sie nach Tirol und erklären Sie mir, wie Sie den Tiroler Wintertourismus ohne Migration bewerkstelligen wollen! Wenn Sie mir darauf eine Antwort geben, dann gratuliere ich Ihnen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Sie werden nämlich draufkommen, dass der Salzburger, der Tiroler, der Kärntner, der steirische Wintertourismus sowie der burgenländische Sommertourismus ohne Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund nicht zu bewerkstelligen ist. Ob uns das jetzt Spaß macht oder nicht, das könnt ihr auch drehen und wenden, wie ihr wollt. Ich weiß, dass das der Freiheitlichen Partei keinen Spaß macht, aber es sind die nackten Zahlen so nüchtern. Und ich kann Sie nur ersuchen, sie endlich einmal anzu­erkennen, und reden Sie mit Ihren freiheitlichen Wirtschaftstreibenden, die im Touris­mus tätig sind!  Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Die nackten Zahlen, Herr Minister, sa­gen aber auch, dass es, wie Sie es ja selber gerade erwähnt haben, sehr viele zuge­wanderte arbeitslose Jugendliche gibt, bei denen diese Programme, die Sie gerade zitiert haben, noch nicht gegriffen haben. Und solange wir das nicht im Griff haben, sagt die Freiheitliche Partei: keine Zuwanderung. Wir bleiben dabei.

Die Microsoft-Chefin von Österreich hat jüngst beklagt, dass es einen Mangel an Tech­nikern in Österreich gibt, obwohl wir im Telekommunikations- und IT-Bereich ganz gut aufgestellt sind. Sie empfiehlt eine stärkere Zusammenarbeit von Wirtschaft und For-


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schung nach dem Beispiel Frankreichs, und sie fordert auch ein, dass im Bildungssys­tem Änderungen vorgenommen werden, um für diesen eklatanten Technikermangel Ab­hilfe zu schaffen.

Daher die Frage an Sie: Welche Schritte haben Sie sich gemeinsam mit der Unter­richtsministerin und mit dem Wirtschaftsminister überlegt, um da zu einer nachhaltigen Lösung zu kommen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Erstens: Es ist keine Frage, die Aussagen der Frau Jenner, der Generaldirektorin von Microsoft, sind natürlich vollkommen richtig. Man muss festhalten, dass wir einen welt­weiten Mangel an Technikerinnen und Technikern haben. Das ist kein Spezifikum von Österreich, sondern wir haben gesellschaftlich eine Verschiebung, dass junge Leute technischen Studien, technischen Ausbildungen philosophische oder andere Studien in dieser Richtung vorziehen.

Wir haben – das habe ich ja zuerst schon gesagt – gemeinsam mit dem Unterrichtsres­sort ein Programm im Hintergrund laufen. Das ist jenes Programm, wo wir versuchen, dass alle Jugendlichen im Bereich der Pflichtschulen in der 8. Klasse zumindest drei Stunden verpflichtend in ein Berufsinformationszentrum des AMS kommen müssen. Das funktioniert auch zu 99,9 Prozent. Es kommen da wirklich alle, im Laufe eines Jah­res haben wir alle bei uns.

Wo wir noch Umsetzungsschwächen haben, ist im AHS-Bereich, weil im AHS-Bereich sehr oft auch von den Lehrkräften opponiert wird, die Berufsfindungsphase in der 4. Klas-
se beginnen zu lassen, weil man davon ausgeht, dass die Schüler bis zur Matura in der Schule bleiben, und man meint, sie sollen das dann später machen. Da haben wir ech­te Schwierigkeiten. Das ist jetzt kein Angriff gegen die AHS, aber man muss es auch erwähnen, weil es wirklich Schwierigkeiten gibt.

Das, was auch läuft, ist natürlich auf die diversen Berufsinformationsmessen in unter­schiedlichster Art und Weise hinzuweisen. Das Wirtschaftsressort veranstaltet ja die­sen riesigen Tag der Lehre, wo im Vordergrund nur technische Berufe stehen. Wenn man zu dieser Präsentation hingeht, wird man draufkommen, dass das nur technische, großteils nur technische Jobs sind, mit Ausnahme von zwei Handelsbetrieben. Im Be­reich der Berufsinformationsmessen ist das Unterrichtsressort federführend. In Salz­burg, in Graz, in Klagenfurt, in Wien haben wir diese Riesenmessen über drei, vier Ta­ge, und da bemüht man sich alles abzudecken, was nur irgendwie aus der Welt der technischen Schulen kommt. Alles, was nur irgendwie technikaffin ist, versucht man dort zu präsentieren. Aber klar ist auch, dass wir gesellschaftspolitisch alle gefordert sind und vor allem die Eltern gefordert sind, den Kindern zu sagen, eine technische Aus­bildung schadet nicht.

Wir vonseiten der Politik können wahnsinnig viel machen, wir können die Messen – ich war selber erst unlängst bei der Grazer Messe – fünf Tage machen, mit Elternabenden machen, was auch passiert, mit langen Tagen bis 21 Uhr, aber es muss auch diesen Zu­sammenschluss des Elternhauses geben. Ich sage das jetzt sehr bewusst, nicht, weil die Frau Präsident Zwazl da sitzt, aber die steirische Wirtschaftskammer hat dort eine tolle Präsentation, was gewerbliche Lehrberufe betrifft, hingelegt, wirklich eine Show, ganz, ganz super. Schauen wir, wie viele dann wirklich in technische Berufe gehen. Das ist unsere Challenge, das ist unsere Herausforderung.

Wir wissen ganz genau, wenn du zum Beispiel auf der TU Wien Bauingenieurwesen beginnst zu studieren und den ersten Studienabschnitt gut schaffst, dann hast du dei­nen Job. Ich meine, den zweiten solltest du dann auch noch erledigen, aber du hast schon deinen Job. Zum Beispiel auf der Montanuni in Leoben: Alle Absolventen, die


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heuer im Sommer fertig geworden sind, sind ins Ausland abgewandert worden. Abge­wandert worden!  nicht freiwillig, sondern die haben solche Angebote bekommen, dass sie nicht einmal nachgedacht haben, sondern das gemacht haben.

Was ich damit sagen will, ist: Es ist ganz einfach so, wir müssen alle mitwirken, zu vermitteln, dass Technik auch etwas Tolles ist, und bei den Lehrlingen müssen wir ver­mitteln, dass es nichts Negatives ist, sich im Lehrberuf schmutzig zu machen, dass In­stallateur-Sein, der sich halt einmal in der Woche vollkommen dreckig macht, auch was Geiles ist. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Das muss man in unsere Hirne hineinbringen. Das muss man hineinbringen in die El­ternhäuser, in die Schulen, in die Lehrkräfte und, und, und. Wir beschweren uns alle, wir bekommen keinen Installateur, wir bekommen keinen Maurer – das stimmt auch, ist gar keine Frage –, aber wenn es darum geht, mitzuwirken, dass diesen Beruf auch welche lernen, gibt es ein Problem.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Diesner-Wais.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Österreich hat mit der Öffnung des Arbeitsmarkts gegenüber den acht im Jahr 2004 der EU neu beigetretenen Ländern sehr lange, vielleicht zu lange zuge­wartet. Viele wertvolle Fachkräfte sind daher inzwischen nicht nach Österreich, son­dern in andere Länder gezogen. Gleichzeitig kann noch immer rund ein Viertel der Pflichtschulabsolventen nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen. Da hat die Volksschule – bisher die einzig echte Gesamtschule Österreichs – nicht wirklich den Erfolg gebracht. Das schadet unserem Wirtschaftsstandort und belastet natürlich auf lange Sicht gesehen unser Sozialsystem.

Meine Frage: Welche Vorhaben haben Sie in diesem Zusammenhang mit der Unter­richtsministerin ausgearbeitet, um die Situation zu verbessern?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich habe das schon zuerst beantwortet. Das, was wir über das Arbeitsmarktressort in dem Fall tun können, ist: Wir treiben jetzt das Projekt Jugendcoaching voran, das heißt, wir gehen in die Schule, versuchen, die Jugendlichen zu beraten, die einerseits nicht genau wissen, wie es weitergeht, die andererseits auch aufgrund von diversen Bildungsdefiziten nicht genau wissen können, wie es weitergeht, weil sie kein Betrieb gerne nimmt. Da wollen wir Antworten finden, da wollen wir stärker und früher eingrei­fen. – Punkt eins.

Punkt zwei: Ich möchte schon festhalten, weil ich das bei einer früheren Frage nicht ganz beantworten konnte: Es sind nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergrund, sondern es sind Jugendliche kreuz und quer, mit Migration, ohne Migration, die diese Bildungsdefizite haben.

Was wir auch tun, ist, zu versuchen, sie über die Produktionsschule und über überbe­triebliche Lehrwerkstätten besser zu qualifizieren. Bei den Produktionsschulen funktio­niert das zu 80 Prozent. Wir haben derzeit über das Jahr gesehen 2 200 Jugendliche in Produktionsschulen, immer auf 6 Monate. Da funktioniert das, wie gesagt, zu 60 Pro­zent sehr gut. In den überbetrieblichen Lehrwerkstätten haben wir rund 9 000, jetzt sind wir ein bisschen unter 9 000, ich glaube, bei 8 900. Die Frau Präsidentin hat die  (Bundesrätin Zwazl: 22,3 Prozent weniger!) – Danke schön. Es gibt einen Rückgang bei den überbetrieblichen Lehrwerkstätten, knappe 8 000 sind es jetzt.

80 Prozent der überbetrieblichen Lehrwerkstätten haben die Förderung nur auf ein Jahr. Das heißt, nach einem Jahr muss der Jugendliche in eine betriebliche Lehre ver-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 28

mittelt sein. 20 Prozent der überbetrieblichen Lehrwerkstätten sind auf drei Jahre oder dreieinhalb Jahre ausgelegt. Und ich kann nur sagen, es funktioniert immer besser, diese Vermittlung nach dem ersten Lehrjahr in eine betriebliche Einrichtung, und es ge­lingt, die Jugendlichen dort auch entsprechend aufzufangen.

Was wir auch forcieren wollen – das habe ich schon bei der ersten Anfragebeantwor­tung der Frau Abgeordneten Mühlwerth gesagt –, ist, neue Förderansätze in der dua­len Lehrlingsausbildung zu unterstützen. Um was geht es – um dieses Wort vielleicht ein bisschen zu entlüften –: Wir haben ein paar Betriebe, die beschäftigen zwischen­zeitlich Hauslehrer, die beschäftigen Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Sol­che Betriebe gibt es, zum Glück, und wir möchten diese Betriebe dabei unterstützen. Das heißt, wir wollen versuchen, auch für kleinere Betriebe so etwas zugänglich zu ma­chen.

Ein Jumbo-Betrieb kann das natürlich leichter irgendwo unterbringen, fünf Stunden in der Woche einen Hauslehrer für Deutsch, Mathematik. Das bringt er leichter wo unter. Der Klein- und Mittelbetrieb hat keine Chance, das unterzubringen. Und das wollen wir damit unterstützen, dass man auch mittleren Betrieben, kleineren Betrieben die Mög­lichkeit gibt zu sagen, ich kann so etwas buchen, ich kann so etwas haben, und wir würden das mitzahlen. „Wir“ heißt der Kollege Mitterlehner und ich, denn das ist in diesem Fall zweigeteilt. Wir würden da gerne mittun. Uns geht es schlichtweg darum, beiden Seiten zu helfen: den Betrieben zu helfen und den Jugendlichen zu helfen, und mit dieser Maßnahme das Ziel zu erreichen, Drop-out-Raten zu reduzieren und mehr Ausbildungserfolge zu garantieren. Das ist das Ziel, das dahintersteht.

Dass das natürlich organisatorisch wieder ein paar Herausforderungen mit sich bringt, ist keine Frage, aber wir haben sehr wohl organisatorische Möglichkeiten, dass man auch als Mittelbetrieb aus so einem Pool von Hauslehrern jemanden buchen kann, je­manden quasi anfordern kann, das geht alles. Und wir würden das mit dieser neuen För­derschiene entsprechend mitfinanzieren.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kem­perle.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Minister! Du hast ja bereits die überbetrieblichen Lehrwerkstätten erwähnt. Diese tragen ja nicht unwesentlich dazu bei, dass junge Menschen eine Ausbildung erhalten.

Mich würde daher interessieren: Wie viele Lehrlinge aus überbetrieblichen Lehrwerk­stätten werden während der Lehrzeit beziehungsweise nach der Ausbildung direkt von Betrieben übernommen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ja, ja, ich suche in meinen Unterlagen, ich suche, ich suche – und finde es nicht. Es kommt jemand gelaufen und gibt mir einen Zettel.

Darf ich jetzt etwas Unhöfliches machen? Zum Herrn Bundesrat Pirolt noch: 7 600 Fäl­le sind es im 57. Lebensjahr.

Wir haben die Antwort auf die Frage nicht ausreichend beantwortbar mit. Ich darf sie bitte schriftlich nachreichen. Ich habe die Zahl nicht mit, ob ich jetzt will oder nicht. Ich habe mit, dass rund 9 000 in der ÜBA sind, aber eine Antwort auf die Frage, wie viele davon nach welcher Phase sofort in die Vermittlung gekommen sind, habe ich nicht in der Qualität mit, die dem Bundesrat geziemend wäre. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, wird nachgereicht.

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 29

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minis­ter! Es gibt aus der Ära des damaligen Wirtschaftsministers Bartenstein einen Erlass, der den Zugang von Asylwerbern zum Arbeitsmarkt de facto nicht ermöglicht. Das ist einerseits aus ökonomischen Gründen ein Wahnsinn und menschlich gesehen auch höchst problematisch.

Meine Frage: Werden Sie in nächster Zeit Schritte setzen, dass dieser Erlass aufgeho­ben wird, damit eben dieser vielbesagte Facharbeitskräftemangel doch in diesem Be­reich gelockert wird?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich werde keine umfassenden Schritte setzen, die zu einer Veränderung des Erlasses führen. Punktuell kann man Kleinigkeiten tun, aber es gibt keine umfassende Änderung.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 4. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Köberl, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Die Kosten für die Pflege steigen ständig an. So hat sich etwa in meiner Heimatgemeinde seit dem Jahr 2000 die Umla­ge des Sozialhilfeverbands mehr als verdreifacht, und deswegen wurde ja auch der Pflegefonds eingeführt. Für 2012 gibt es eine Erhöhung von 50 Millionen.

Meine Frage daher, Herr Minister:

1797/M-BR/2011

„Wie werden die Mittel des Pflegefonds 2012 auf die einzelnen Länder aufgeteilt?“

Gibt es dann einen anderen Schlüssel als für heuer?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Es gibt grundsätzlich keinen anderen Schlüssel. Es bleibt der Schlüssel so wie 2011. Das ist der Bevölkerungsschlüssel.

Wir haben die Debatte sehr lange geführt, ob man einen anderen Schlüssel entwickeln soll. Es haben sich aber die Bundesländer untereinander geeinigt – ich muss das so betonen, weil ich bei dieser Auseinandersetzung selbst dabei war –, den traditionellen Schlüssel zu verwenden, der dem Finanzausgleich zugrunde liegt, und das ist der Be­völkerungsschlüssel – wissend, dass es, wenn man Altersgewichtungen vornimmt, zu kleinen Verschiebungen zwischen einzelnen Bundesländern kommen kann. Aber man hat sich darauf geeinigt, beim Bevölkerungsschlüssel zu bleiben.

Es gab dann einen einstimmigen Beschluss der LH-Konferenz und der Landesfinanz­referenten.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Wie werden die Finanzmittel kon­kret in den Ländern verwendet?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Die Länder selber sind grundsätzlich durch die Gesetzeslage auf den Bereich Siche­rungsausbau und auf Aufbaumaßnahmen im Bereich der Langzeitpflege eingeschränkt. Das betrifft mobile Betreuungs- und Pflegedienste, teilstationäre und natürlich statio­näre Betreuungs- und Pflegedienste, Kurzzeitpflege, das betrifft aber auch alternative Wohnformen, die damit auch entwickelbar sind, und Case- und Care-Management in der gewohnten Art und Weise.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 30

Das heißt, das Geld selber hat ein ganz massives Mascherl, und dieses Mascherl heißt schlichtweg Langzeitbetreuung, Langzeitpflege. Es geht nicht für etwas anderes auf. Ich sage es einmal so: Die Straße rund um das Geriatriezentrum ist damit nicht finan­zierbar.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Petritz.

 


Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister! Der Pflegefonds ist bis 2014 finanziert. Offen ist, welche Lösung nach diesem Zeitpunkt angestrebt wird, weil derzeit niemand einen klaren Überblick über die Pflegefinanzierung ab 2014 hat. Daher meine Frage:

Was schlagen Sie für die Finanzierung des Pflegefonds ab 2014 vor?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Sie werden jetzt eine nicht umfassende Antwort von mir bekommen. Warum? – Weil wir diese Arbeitsgruppe mit allen Beteiligten haben und derzeit sehr intensiv diskutiert wird, wie es weitergehen soll.

Was ist gemeint? – Wir haben derzeit drei traditionelle Finanzierungsformen. Wir ha­ben auf der einen Seite das traditionelle Pflegegeld. Wir haben auf der anderen Seite die Sozialhilfezusatzleistungen der Städte und Gemeinden und dadurch natürlich auch der Länder. Und wir haben auf der dritten Seite den Anteil der Betroffenen, den diese finanzieren müssen, und das ist gar nicht so wenig. Die Betroffenen selber, das heißt, diejenigen, um die es geht, müssen aus ihrer Pension und aus ihrem Pflegegeld, das sie haben, zahlen. Damit tragen sie allein heuer 1,6 Milliarden € zur Finanzierung bei.

Das ist übrigens mehr, als die Städte und Gemeinden aufwenden. Man vergisst immer, dass die Betroffenen einen ordentlichen Brocken in das System hinein zahlen. Wenn man heute in ein geriatrisches Zentrum oder in eine stationäre Betreuung geht, dann hat man 100 Prozent Vermögensbesteuerung. Alles, was man hat, ist weg. Nur damit das auch klar ist! Es bleibt nur ein bisschen Taschengeld und die 13. und 14. Sonder­zahlung, das ist klar, aber der Rest ist Geschichte. Das war es dann.

Das heißt: In Wahrheit sind das die drei traditionellen Säulen, die heute das System fi­nanzieren. Und hinter dem Ganzen steht ein steuerfinanziertes System, denn ich zahle die 2,4 Milliarden € an Pflegegeld aus Steuereinnahmen, und woher bekomme ich die­ses Geld? – von unseren Steuereinnahmen. So bekomme ich mein Budget, und das zahlen wir aus.

Die Städte und Gemeinden zahlen das aus den Ertragsanteilen aus, denn auch diesen wird die Sozialhilfe nicht von anderswo finanziert, sondern die Ertragsanteile sind auch steuerfinanziert. So erhalten die betroffenen Personen die Leistungen, die ihnen zuste­hen, also ihre Pension und ihr Pflegegeld.

Demzufolge ist mein Zugang zu diesem Thema, dass es weiterhin ein steuerfinanzier­tes System geben muss. Und in der Diskussion, die wir jetzt führen, geht es darum, was Städte und Gemeinden weiterhin beitragen und ob die Kostenbeiträge der Betrof­fenen so bleiben, wie sie sind. Wir haben nämlich innerhalb der neun Bundesländer unterschiedlichste Prozentsätze. In einem Bundesland werden 50 Prozent mitgezahlt, und in einem anderen Bundesland werden 19 Prozent mitgezahlt. All das haben wir. Daher wird jetzt die Frage diskutiert: Können wir das in absehbarer Zeit vereinheit­lichen?, denn das ist ja nicht von heute auf heute möglich, sondern nur step by step, und, und, und.

Das heißt, all diese Debatten und Diskussionen führen wir in dieser Arbeitsgruppe. Ich habe aber schon zuerst gesagt, dass das Pflegegeld per se für mich kein Thema ist. Dieses siebenstufige Verfahren soll so bleiben, wie es ist.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 31

Ich sage das auch deshalb so, weil 58 Prozent der 440 000 Pflegegeldbezieher, die wir haben, keinerlei Leistung von einer Gemeinde, von einer Stadt oder von sonst irgend­jemandem in Anspruch nehmen, sondern das Pflegegeld nehmen und sich selber be­ziehungsweise mit der Hilfe Angehöriger, mit erweiterter Nachbarschaftshilfe oder wie auch immer betreuen. Das heißt, die betreuen sich selbst. Sie gehen nicht hin und sagen: Ich brauche einen mobilen Dienst!, sondern sie erledigen das selber, primär mit ihren Angehörigen, gar keine Frage. Darum wäre es fatal, zu sagen: Wir stellen das Pflegegeldsystem per se um. Diese 58 Prozent wird es nämlich weiterhin geben, und ich muss diese Leute ja weiterhin absichern.

Nun noch eine Zahl für die Statistik: Von den 440 000 sind 51 Prozent in den Stufen 1 und 2, der Rest teilt sich auf. Ich wiederhole: 51 Prozent sind in den Stufen 1 und 2, und der Rest ist ganz oben oder wo auch immer, wobei ganz oben die wenigsten sind.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sie ha­ben heute schon erwähnt, dass es keine Ungleichbehandlung etwa zwischen Nieder­österreich und Vorarlberg, also zwischen den einzelnen Bundesländern geben wird.

In den Übergangsbestimmungen zur Novelle, Bundesgesetzblatt Nr. 58/2011, heißt es aber in § 48c Abs. 2, dass ein aufgrund landesgesetzlicher Regelungen zuerkanntes Pflegegeld ab 1. Jänner 2012 als ein nach dem Bundesgesetz zuerkanntes Pflegegeld gilt.

Meine Frage: Kommt es nicht automatisch, da es in den neun Bundesländern Öster­reichs verschieden hohe Zuerkenntnisse gibt, auch zu verschieden hohen bundesmä­ßigen Zuerkenntnissen, was aber nach dem Gleichheitsgrundsatz nicht möglich ist?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Danke für diese Frage. Grundsätzlich scheint es zu Differenzierungen zu kommen. Was ist geschehen beziehungsweise was geschieht? – Wir haben bei der Übernahme des Landespflegegeldes, was rund 72 000 Personen betrifft, im tiefen Einvernehmen mit allen Bundesländern die bestehenden Bescheide übernommen. Punkt. Ende.

Das, was in den Bescheiden steht, wurde, so wie es ist, übernommen. Das gilt jetzt einmal ab 1. Jänner. Die Spielregeln in den Landesgesetzen, damit man zu Pflegegeld kommt, waren de facto die gleichen, nämlich die medizinischen Spielregeln. Diesbezüg­lich gab es keine Differenzierung.

Es gab vielleicht in der Begutachtung hier und da mehr Differenzierung, das mag schon sein, aber das ist keine Differenzierung der wirklichen Spielregeln, nämlich wie viel Stunden Pflegeaufwand es gibt, bla, bla, bla. Das ist überall gleich, und demzu­folge besteht kein Anlass zur Sorge, dass es Differenzierungen geben kann.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 5. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mag. Rausch, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Derzeit beschäftigt uns das Thema Schuldenreduktion im Staatshaushalt sehr intensiv, und daher möchte ich einleitend zu meiner Frage feststellen, dass das Pensionssystem wohl einer der größten Sorgenposten bei dieser Schuldenreduktion ist, weil wir erwartungsgemäß im kommenden Jahr bereits 9 Milliarden an Bundesbei­trag zu leisten, also ins Pensionssystem einzuzahlen haben, und das ist Geld, das wir an anderer Stelle wohl dringend brauchen könnten.

Daher meine Frage:


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 32

1793/M-BR/2011

„Was planen Sie ganz konkret, um das faktische Pensionsantrittsalter bis 2020 um die unbestreitbar notwendigen vier Jahre im Durchschnitt zu erhöhen?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich danke für die Frage, Frau Bundesrätin, und hoffe, Sie werden das, was ich sage, jetzt nicht missverstehen.

Ich diskutiere schon lange mit dem Herrn Vizekanzler, weil kein Land – keines! – die vier Jahre in zehn Jahren zustande gebracht hat. Die progressivsten Länder, die es im Pensionssystem gibt – und „progressiv“ heißt in diesem Fall „brutal“ – haben zwei Jah­re zusammengebracht. Unser Ziel ist es, diese zwei Jahre auf alle Fälle zustande zu bringen, und wenn es geht, noch etwas dazu. Ich bezweifle, dass diese vier Jahre möglich sind, aber nicht, weil ich der ÖVP jetzt eins auswischen will. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Überhaupt nicht! Ich bin diesbezüglich auch im Einvernehmen mit dem ÖAAB! Ich bin da nicht allein! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin auch in tiefem Einvernehmen mit dem Bauernbund, weil der Bauernbund auch weiß, wann seine Mitglieder in Pension gehen, das weiß der Bauernbund auch. (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Was ich damit sagen will, ist: Ich möchte jetzt kein parteipolitisches Hickhack. Das ha­ben wir alle nicht notwendig, denn das Thema ist viel zu ernst. Klar ist folgende Bot­schaft: Jedes Jahr, das die Österreicherinnen und Österreicher später in Pension ge­hen – also um 365 Kalendertage später –, jedes Jahr, das uns gelingt, bedeutet inklu­sive der Beamten 1,3 Milliarden € Minderausgaben. Dabei sind die Beamten mit ge­rechnet.

Das heißt, unser Ziel muss sein, so viele Kalendertage wie möglich zu erreichen, denn auch schon das Halbjahr zählt wahnsinnig viel: Wenn 365 Tage 1,3 Milliarden bedeu­ten, dann bedeutet auch ein Halbjahr schon einen riesigen Betrag. Jetzt müssen wir al­so schauen, wie viel wir zusammenbringen.

Das Hauptsorgenkind sind und bleiben die Invaliditäten, ob ich will oder nicht. Ich brin­ge jetzt ein kleines Zahlenspiel. Sie wissen, ich liebe Zahlen, ein bisserl etwas sagen sie ja aus, manchmal sehr nüchterne Wahrheiten, auch wenn die Wahrheiten einem nicht passen, mir manchmal auch nicht. Wenn wir die Invaliditäten heraus rechnen – was wir nicht tun dürfen, aber ich werde das jetzt für eine Minute tun –, dann geht der Durchschnitt der Frauen in Österreich derzeit mit 59,3 in Pension. Das schaut dann schon ein bisserl besser aus. Der Durchschnitt der Männer geht – ohne Invaliditäten – mit 62,6 Jahren in Pension.

Unsere Traumziffern bringen wir nur deshalb zusammen, weil es so viele Invaliditäten gibt, und wir dadurch, wupp – mit den Invaliditäten –, auf diese knapp 59 Jahre Durch­schnittswert kommen. Demzufolge müssen wir versuchen, dort anzusetzen, wobei es mir jetzt nicht darum geht, Menschen zu quälen oder zu sekkieren. Es muss ja etwas im Volk los sein – missverstehen Sie mich jetzt nicht! –, dass sich 70 000 Menschen pro Jahr hinsetzen und einen Antrag unterschreiben. Da ist ja etwas los!

Die durchschnittliche I-Pension einer Frau beträgt zur Stunde 590 €. Ich nehme an, wir sind uns einig, dass sich Menschen nicht mit 50 hinsetzen und einen Antrag unter­schreiben, um 590 € als Basis ihres zukünftigen Lebens zu haben. Das kann es ja nicht sein, da muss ja mehr los sein. Darum ist es so wichtig, das zu beackern. Diese Menschen bekommen dann nämlich nur mehr 590 € mal 14. 590 € mal 14 ist die weitere Zukunft einer I-Pensionistin, die mit 50 aussteigt. – Da muss mehr los sein! Das ist ein Thema, an dem wir arbeiten müssen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 33

Das ist das Erste, und zweitens gibt es, wie Sie wissen, eine Reihe von Verhandlun­gen. Wir haben auch das Bad Ischler Papier der Sozialpartner, das auch einen Weg in diese Richtung weist, und zwar nicht nur einen Weg, sondern einen ordentlichen Weg in die richtige Richtung. Ich muss das in Anwesenheit der Sozialpartnerrepräsentanten vorsichtig formulieren.

Wir führen natürlich auch koalitionsintern – das ist ja kein Geheimnis – diverse Ver­handlungen. Es wird sich herausstellen, wie wir da weitermachen, aber klar ist: Wir müssen versuchen, bis 2020 einen längeren Verbleib im Berufsleben von so vielen Ka­lendertagen als möglich zu erreichen.

Dabei sind alle gefordert, keiner ist außen vor. Es muss uns nämlich auch klar sein: 30 Prozent aller Pensionsantritte erfolgen aus der Arbeitslosigkeit. Das heißt, auch die Wirtschaft ist gefordert, für diese Menschen entsprechende Arbeitsplätze zur Verfü­gung zu stellen, damit die Menschen länger, gesünder im Erwerbsleben bleiben kön­nen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister, Sie haben jetzt gesagt, dass etwas in der Gesellschaft los sein muss, wenn es solche Entwicklungen gibt, und haben eine Seite der Medaille quasi so dargestellt, dass man daran arbeiten muss, beispielsweise altersgerechte und gesundheitsfördernde Arbeits­plätze zu schaffen.

Ich meine, dass man auch an Vorbildern und an Zugängen wie etwa zum Thema Freu­de auf die Pension und Last und Leid der Arbeit arbeiten muss. Ich hoffe, Sie nehmen jetzt ernst, wenn ich sage, dass es mir auch da nicht um parteipolitisches Hickhack geht, aber ein viel zitiertes Beispiel, auf das ich als Mandatarin oft angesprochen wer­de, sind unter anderem die ÖBB, wo das Pensionsantrittsalter aufgrund der Unterneh­menspraxis ein sehr frühes ist. (Bundesrat Todt: Ich habe gewusst, dass das kommt!) Ich weiß, da liegen nicht unbedingt die Milliarden, die bei allen anderen liegen, aber es geht um eine Vorbildwirkung im Sinne dessen, dass da etwas los ist. Daher meine Frage:

Was werden Sie konkret unternehmen, um darauf einzuwirken, solche – vermeintli­chen – Privilegien hintanzuhalten, damit die Vorbildwirkung auf andere besser wird? (Zwi­schenruf des Bundesrates Stadler.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich bin formal nicht zuständig für die Österreichischen Bundesbahnen, aber ich fühle mich zuständig für alles, was mit Alterssicherungssystemen in diesem Land zu tun hat, und gebe Ihnen daher jetzt eine sehr offizielle Antwort.

Punkt eins: Bei den Österreichischen Bundesbahnen gibt es noch knapp 5 000 Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, die dieses uralte Pensionsrecht haben. Alle anderen haben es nicht mehr. Diese 5 000 Personen sind doppelt abgesichert mit Einzelverträgen und mit Betriebsvereinbarungen. Es handelt sich hiebei um Einzelverträge. Das ist so et­was wie ein Kaufvertrag oder ein Mietvertrag. Es sind dies keine Schablonenverträge, sondern Einzelverträge. Diese wurden in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren im tiefsten Einvernehmen mit den damals in der Koalition befindlichen Parteien abge­schlossen. Das ist nichts Neues.

Die 5 000 Personen können noch bis 2014 vor dem 61,5ten Lebensjahr in Pension gehen, ab 2014 nur mehr mit 61,6. All das haben Sie hier schon beschlossen. Das wurde 2004 beschlossen. Diese 5 000 Personen haben wir noch. Das Einzige, was möglich war und ist, ist geschehen. All diese Personen leisten einen Pensionssiche­rungsbeitrag, und zwar den höchsten, den es in dieser Republik gibt, nämlich von 5,6 Pro-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 34

zent. Ein jeder aus dieser Gruppe zahlt diesen Pensionssicherungsbeitrag. Demzufol­ge kann man diskutieren, ob der Beitrag sich noch verändern wird. Punkt.

Juridisch gesehen kann man nur mit einem Verfassungsgesetz hineinfahren, und ich warne davor, Einzelverträge mittels Verfassungsgesetz anzugreifen, denn dann greifen wir Mietverträge an, dann greifen wir Kaufverträge an, und, und, und. Ich kann davor nur warnen. Ich glaube, niemand ist gut beraten, mit Verfassungsgesetzen in solche Verträge hineinzufahren.

Alle anderen sind im Übergang, alle anderen sind ohnehin schon im ASVG. Es geht nur mehr um diesen harten Kern – man möge mir diesen Ausdruck bitte verzeihen. Und eines ist auch klar, und das bitte jetzt nicht misszuverstehen: Die Konstruktion ist eine sehr schwierige, denn das Unternehmen selber ist angehalten, seine Kosten so gering als möglich zu halten, und daher versucht man auch, diejenigen, die eben einen gewissen Preis haben, wegzubringen.

Meine Kollegin Bures, die ja kein Weisungsrecht im Sinne des Aktiengesetzes haben darf und hat, ist sehr wohl bemüht, beziehungsweise bemühen sich alle gemeinsam, das Antrittsalter zu verändern, und zwar jetzt schon. Wenn ich es richtig im Kopf habe, wer­den wir im heurigen Jahr bei dieser „Truppe“ auf 54 Jahre kommen, also nicht mehr 52. Ich gebe aber offen zu, das ist alles noch zu jung. Das ist nicht das Thema. Bis 2014 ist es dann geändert. In Wahrheit geht es um 2012, 2013, und dann ist es geändert, weil dann die Gesetzeslage ohnehin schon 61,6 Jahre vorgibt. Diese zwei Jahre haben wir noch – Sie (in Richtung ÖVP) Ihr politisches Hickhack und wir die politische Ant­wort. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Lugsteiner.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Ich komme gleich zu meiner Zusatzfrage: Wo liegt Österreich beim Pensionsantrittsalter ohne Invaliditätspensionen, also nur Alterspensionen, im europäischen Vergleich?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Bundesrätin, entschuldigen Sie bitte, ich habe das schon vorweggenommen: Wir liegen bei 62,6 beziehungsweise 59,3 Jahren, und im europäischen Schnitt sind wir da im Mittelfeld. Wir sind auch im Mittelfeld, wenn man unsere Invaliditätsanteile vom 20. bis zum 50. Lebensjahr rechnet. Da sind wir in Österreich auch im Mittelfeld. Weltmeister bei der Invalidität werden wir erst ab 51 aufwärts. Aber wenn man von 20 bis 50 rech­net, halten wir allen internationalen Vergleichen ganz locker stand.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Herr Minister! Sie haben schon ge­sagt, die Wirtschaft ist gefragt. Die Wirtschaft kann aber nicht so gefragt sein, weil die lohnabhängigen Abgaben einfach zu hoch sind. In Österreich sind wir da Spitze in ganz Europa, vor allem bei älteren Menschen.

Daher meine Frage: Wenn das faktische Antrittsalter erhöht werden soll, so wie es ja vorgesehen ist, muss der Staat auch die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür schaffen. Ich darf erinnern, vor Kurzem hat die polnische EU-Präsidentschaft in Brüssel ein Modell vorgelegt, wonach bei älteren Menschen die Lohnabgaben ab dem 50. Le­bensjahr alle zwei Jahre sinken, damit eben diese älteren Menschen wieder in die Ar­beitswelt zurückkehren können oder den Arbeitsplatz behalten dürfen. Ist dieses Mo­dell auch ein Modell für Sie?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 35

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wenn ich die Gesamtfinanzierung des Sozialstaates aufrechterhalten möchte, ist es kein Modell für mich, was vorgelegt wurde. Was natürlich überlegenswert ist, ist, dass man ab einem gewissen Lebensjahr Abgaben reduziert, was wir zum Beispiel beim Ar­beitslosenversicherungsbeitrag gemacht haben. Ich darf Ihnen aber versichern: Kein einziger Älterer ist deshalb aufgenommen worden! Das sage ich jetzt auch in aller Of­fenheit. Diese Maßnahme hat keinerlei arbeitsmarktpolitische Auswirkung gehabt. Es sind immerhin 3 Prozent der Lohnsumme, um die es da geht, aber es hat überhaupt keine Relevanz gehabt.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Zangerl, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Geschätzter Herr Bundesminister! Die Bundesregierung hat bekanntlich eine Schuldenbremse beschlos­sen. Gemeinden und Länder bekommen weniger Geld beziehungsweise müssen spa­ren, Gebühren und Tarife werden erhöht.

Meine Frage lautet:

1795/M-BR/2011

„Wie wird sich die Schuldenbremse auf die Bevölkerung, insbesondere auf die Fami­lien, den Mittelstand, die Arbeitnehmer, vor allem aber auf die Ärmsten – die es bei uns in Österreich auch gibt – auswirken?“

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Bundesrat, bevor ich antworte, kurz noch eine kleine Ergänzung in Richtung des Herrn Bundesrates Pisec: In einem sind wir uns aber schon einig: Lohnnebenkosten­erhöhung brauchen wir auch keine. Da sind wir uns einig! (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Pisec.)

Herr Bundesrat Zangerl, zu Ihrer Frage: Eine umfassende Beantwortung ist nicht mög­lich. Warum ist sie nicht möglich? – Sie wissen, dass wir derzeit viele Diskussionen und Debatten darüber haben, wie wir die Ausgaben dämpfen sollen. Die Relation ist bekannt. Sie wissen, dass wir eine gewisse Debatte darüber haben, was einnahmen­seitig und was ausgabenseitig geschehen soll. Es ist klar, und das ist vor allem meine Position, dass ich zu jemandem, der nur mehr 800 € Einkommen zur Verfügung hat, nicht sagen kann: Jetzt nehme ich dir einen Hunderter weg! Das ist de facto nicht mög­lich, weil bei dieser Gruppe ja in Wahrheit alles in den Konsum läuft und nicht irgendwo anders hin.

Das heißt, wir haben derzeit eine sehr intensive Diskussion über die soziale Ausgewo­genheit von Maßnahmen. Umgekehrt wissen wir natürlich, dass es irgendwo einen Bei­trag von allen geben wird, und die Frage ist natürlich: Wie ist der Beitrag von allen so­zial ausgewogen, wie ist die soziale Relation? Das klingt jetzt sehr oberflächlich von mir, aber wenn diese Debatte beendet ist, dann ist diese Frage korrekt zu beantworten.

Dass es ein paar Sektoren gibt, die mit den Beschlüssen von Loipersdorf, mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 schon einen entsprechenden Beitrag leisten, ist auch be­kannt, und dass wir wahrscheinlich mit ein, zwei Gruppen keine neuerlichen Riesendis­kussionen haben werden, ergibt sich auch irgendwo. Aber klar ist, die Debatte wird zu­mindest von meiner Seite so geführt, dass eine soziale Symmetrie beim Ergebnis er­kennbar sein muss.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 36

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ges­tern im EU-Ausschuss hat der Bundesrat einmal mehr Druck gemacht, dass es zur Ein­führung der Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene kommt, zu mehr Ge­rechtigkeit kommt, dass auch die de facto steuerbefreiten Banken da einen Anteil tra­gen.

Der Sorge des Hauptanfragestellers folgend, der ja im Grunde sagt, das Steuersystem in Österreich sei in seiner Verteilungswirkung nicht gerecht, meine Frage an Sie: Se­hen Sie auch die Möglichkeit, dass es nicht nur eine Schuldenbremse bei den Ausga­ben gibt, sondern dass es auch im Sinne der Gerechtigkeit vermögensbezogene Steu­ern gibt, um ein bisschen mehr Gerechtigkeit walten zu lassen?

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wie ich schon vorhin in der Antwort ausgeführt habe ist mein Grundzugang, dass es ei­ne Symmetrie zwischen einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen geben muss, und diese Symmetrie zwischen einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen muss natürlich von Grundelementen der Gerechtigkeit getragen sein. Ich sage das jetzt wirk­lich so kompliziert, denn das Ergebnis wird natürlich ein Kompromiss sein. Aber klar ist, es muss diese soziale Gerechtigkeit geben, die wir im Steuersystem de facto ja nicht haben, weil Vermögen in Österreich derzeit ja sehr wenig versteuert wird; das sa-
gen auch alle Statistiken. Wir müssen da also eine gewisse soziale Symmetrie zustan­de bringen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Steinkogler.

 


Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr verehrter Herr Bundesmi­nister! Alle Experten sind sich einig, dass die Schuldenbremse so rasch wie möglich in der Verfassung verankert werden muss, da ansonsten zusätzliche Milliarden an Zinsen für die Staatsschulden zu bezahlen sind. Auch der Herr Bundeskanzler hat dies beim EU-Gipfel am 26. Oktober und vergangene Woche entsprechend zugesagt. An den Einsparungen führt praktisch kein Weg vorbei.

Herr Minister, was haben Sie in Ihrem Ressort vor, um entsprechende Einsparungen zu ermöglichen?

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wie ich schon gesagt habe: Wir verhandeln, und Sie gestatten, dass ich Ihnen über di­verse Verhandlungen und Zwischenstände hier keinen Bericht geben will und kann. Ich mache das nicht, um Sie zu brüskieren, sondern ich halte es von Haus aus immer so, dass wir zuerst verhandeln und versuchen sollen, ein Ergebnis zu erreichen. Und wenn wir das haben, dann können wir gemeinsam hinausgehen. (Vizepräsident Todt über­nimmt den Vorsitz.)

Dass ich das – wie in einer Koalition üblich – mit meinem Pendant, mit dem Wirt­schaftsminister zu verhandeln habe, ist bekannt. Und wir sind uns in der Frage des Zu­gangs, wie man Verhandlungen führt, grundsätzlich sehr einig.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Die Dis­kussion um die Schuldenbremse, die ein Verfassungsgesetz sein muss, kann uns ja auch künftig nicht in Sicherheit wiegen. Ich erinnere mich nämlich nur daran, dass die Regierung letztes Jahr bei der verspäteten Vorlage des Budgets völlig bedenkenlos die Verfassung gebrochen hat. Also das ist ja auch noch keine Garantie. Es hat auch die Regierung bis jetzt niemand daran gehindert, die selbst aufgestellten Regeln zu befol­gen.


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Daher frage ich: Was ist denn Ihre Erklärung dafür, dass die Regierung nicht von sich aus nach sachlichen Grundsätzen handeln kann, sondern sich quasi selbst durch eine Verfassungsbestimmung erst dazu zwingen muss? (Bundesrat Gruber: Selbstgeiße­lung! Wie in der Kirche!)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Sie wissen ganz genau, dass diese Verfassungsbestimmung bei der Ratssitzung am 26. Oktober das Ergebnis des Beschlusses war. Bei dieser Ratssitzung wurde verein­bart, dass alle Euro-Staaten und zwischenzeitlich auch noch die weiteren Mitglied­staaten, mit Ausnahme von England, bereit sind, das mitzumachen. Sie wissen auch, es geht schlichtweg darum, mit dieser Maßnahme in Europa ein Vertrauen zu doku­mentieren, dass man es sehr ernst meint, und man hat damit auch andere Möglichkei­ten der Sanktionierung innerhalb der Gemeinschaft.

Demzufolge ist es ganz einfach notwendig, diese Verfassungsbestimmung zu machen. Dass das natürlich von Ihrer Partei zu ein bisschen einem politischen Hickhack ver­wendet wird – na ja, das ist eben so. (Bundesrätin Mühlwerth: Also Ihre Gewerk­schaftskollegen in Deutschland !) Ja, aber es ist die Kritik meiner Kollegen in Deutsch­land in der Zwischenzeit auch schon etwas anders.

Worum geht es denn? – Es geht ja nicht darum, ob das jetzt in der Verfassung ver­ankert ist, sondern es geht schlichtweg auch darum: Sind die Maßnahmen sozial sym­metrisch? Sind sie ausgewogen? Ist es möglich, weiterhin Konjunkturimpulse zu ge­ben, ja oder nein? Darum geht es. Das ist die Auseinandersetzung, das ist der Punkt. Und dass man es in der Verfassung verankert, ist ganz einfach, glaube ich, zur Legiti­mation, wenn man es ernst meint, kein wirkliches Thema.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Meine Frage bezieht sich natürlich auch auf die Schuldenbremse. – Ich möchte da übrigens dem Kollegen schon widerspre­chen: Es gibt auch einige Wirtschaftswissenschaftler, die eine Schuldenbremse durch­aus als fragwürdig sehen. Ich finde es nur wichtig, das auch zu sagen.

Es gibt natürlich viele Menschen, die jetzt Angst haben. Sie kriegen ja die Diskussion mit. Sie spüren, da ist was im Kommen, da wird massiv eingespart werden, und sie haben natürlich auch ein Interesse daran, den Zeitplan zu kennen, ab wann Ergebnis­se zu erwarten sind, wo eingespart werden soll.

Meine Frage daher an Ihr Ministerium: Wie schaut der Zeitplan aus? Wann kann die Öffentlichkeit erwarten, zu erfahren, wo eingespart wird?

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Die Bundesregierung hat einen gemeinsamen Zeitplan. Es wird kein Ministerium aus­scheren oder sonst etwas tun, sondern es gibt eine gemeinsame Vorgangsweise. Und es ist, glaube ich, klar, und das ist ja von vielen schon gesagt worden: Es muss ir­gendwann im Jänner – der Jänner hat 31 Kalendertage – schön langsam klar sein. Ob es dann in der ersten Februarwoche ist, sei dahingestellt. Aber es ist vollkommen klar, dass wir nicht Zeit haben bis irgendwann, sondern, wenn man es ernst meint, und wir meinen es ja alle ernst, dann muss das im Jänner/Anfang Februar in irgendeiner Form erledigt sein. Sie wissen, wann die absolut letzte Deadline ist: Das ist die Beschluss­fassung des Bundesfinanzrahmengesetzes für den nächsten Finanzrahmen, denn dort muss das dokumentiert sein.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesrat Klaus Konrad hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekannt gegeben, dass Herr Bundesrat Lam-


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pel in das Fragerecht eintritt. Ich bitte den Anfragesteller um die Verlesung der Anfra-
ge 1798/M.

 


Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der 1. Mai wird ja seit mehr als hundert Jahren als „Tag der Arbeit“ bezeichnet und ge­feiert. Der 1. Mai 2011 war ja betreffend Arbeitsmarkt ein besonderes Datum, und da wurde von einigen Seiten Panikmache betrieben.

Daher meine Frage:

1798/M-BR/2011

„Welche Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation, insbesondere im Tourismus, hat­te die Ostöffnung des Arbeitsmarktes?“

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Sie hatte die Auswirkung, die alle Studien vorhergesagt haben – es ist mehr oder weni­ger alles bestätigt worden. Es sind zur Stunde rund 22 000 Personen über diese Schiene hier. Diese Zahl ist in etwa auch das, was vom WIFO und wie sie alle heißen, die entsprechenden Studien, prognostiziert wurde. Es ist vor allem auch Arbeitskräfte­potential einerseits für den Saisonbereich, aber auch im Bereich des Baus und des Tourismus.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Viele ArbeitnehmerInnen aus den östlichen Nachbarländern fallen durch die Ostöffnung nicht mehr unter das Saisonar­beiterkontingent. Wird dieser Tatsache Rechnung getragen, indem zur Entlastung des heimischen Arbeitsmarktes das Saisonarbeiterkontingent dauerhaft gesenkt wird?

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Es ist natürlich klar, dass wir das Saisonarbeiterkontingent dauerhaft gesenkt haben. Wir haben es im Tourismus um zwei Drittel gesenkt, und in der Landwirtschaft sind wir jetzt dabei, es fürs nächste Jahr um 60 Prozent zu senken. Das heißt, in beiden Sek­toren gibt es diese massive Senkung. Im Tourismus hat das sehr gut funktioniert.

In der Landwirtschaft gab es in der heurigen Sommersaison ein paar punktuelle Pro­bleme, die aber zwischenzeitlich, so hoffe ich, innerhalb der Landwirtschaft aufgear­beitet sind. Das sind punktuelle Probleme unter den Landwirten gewesen – was jetzt kein Angriff gegen die Landwirte ist, sondern eine nüchterne Feststellung, weil halt ein Teil der Tiroler Landwirte und ein Teil der oberösterreichischen Landwirte bewusst et­was nicht verstehen wollte. Aber das wurde mit den betreffenden Vertretern aufgeklärt, sogar unter persönlichstem Einsatz von mir. Daher gehe ich davon aus, dass es heu­er gut funktioniert beziehungsweise heuer für nächstes Jahr.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Tiefnig.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Werter Herr Bundesminister! Die aktuelle Schulden- und Wirtschaftskrise hat keine signifikanten Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt gehabt. Das haben auch Sie im Budgetausschuss des Nationalrates dargestellt.

Meine Frage geht jetzt in die Richtung: Wie wird sich diese Krise für das kommende Jahr auf den österreichischen Arbeitsmarkt auswirken? Haben Sie da schon Zahlen oder Vorstellungen?

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wie bekannt ist, hat sich leider der Rückgang der Arbeitslosigkeit etwas eingedämmt, wenn ich das so formulieren darf, und wir sind mit einem leichten Anstieg konfrontiert. – Wobei das wirklich ein leichter Anstieg ist, weil daneben noch etwas anderes passiert ist.

Wir haben weiterhin den höchsten Beschäftigtenstand. Wir hatten im November bei den Beschäftigten ein Plus von 61 000 gegenüber dem November des Vorjahres, und dieses Plus gegenüber dem Vorjahr bedeutet, dass im November 3,4 Millionen unselb­ständig Erwerbstätige beschäftigt waren. Dazu kommen dann noch die Selbständigen und freien Dienstnehmer. Das heißt, es gibt allein bei den Unselbständigen 3,4 Millio­nen Beschäftigte, und das ist gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 61 000.

Das heißt natürlich, dass auch ein ordentlicher Betrag an Einnahmen zu verzeichnen ist. Mit 90-prozentiger Sicherheit, außer es passiert jetzt in den nächsten Dezemberta­gen noch etwas, kann man sagen, das AMS hat gegenüber den Budgetprognosen 400 Millionen € Minderausgaben aufgrund dieser Beschäftigtenzahlen. Das AMS wird heuer um 400 Millionen € weniger an Leistungen auszahlen. Das hat nichts mit Arbeits­marktförderung zu tun, sondern mit der Leistung. Das ist ein Ausdruck dessen.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben durch Ihre Anfragebeantwortung erfahren, dass aufgrund der Arbeitsmarkt­öffnung ab 1. Mai 2011 zirka 22 000 zusätzliche Arbeitnehmer aus dem, zumeist, Os­ten Europas bei uns gelandet sind. Sie haben darauf reagiert, indem Sie das Kontin­gent zum Leidwesen einiger Hoteliers für Nicht-EU-Arbeitnehmer gesenkt haben, aber das hebt sich ja nicht auf. Bei einem Kurzbesuch in einer Therme im Burgenland konn­te ich feststellen, dass dort zirka zwei Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unga­rische Staatsbürger sind.

Meine Frage an Sie: Ist Ihnen bekannt, ob es in diesen Gebieten zu einer höheren Ar­beitslosigkeit der inländischen Tourismusmitarbeiter gekommen ist?

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Diese Frage beantworte ich sehr gerne. Es ist zu überhaupt keinem Anstieg der Ar­beitslosigkeit gekommen. Ganz im Gegenteil, aber das habe ich vorhin schon versucht zu erklären. Wir haben in den Tourismuszonen schon lange Mitarbeiter aus dem Aus­land beziehungsweise aus EU-Nachbarländern (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach) – das hat jetzt mit der Ostöffnung nichts zu tun –, und zwar aufgrund der Schlüs­selkräfteverordnung, aufgrund der Mangelberufsliste.

Warum haben wir Mitarbeiter aus dem Ausland? – Weil das inländische Angebot nicht ausreicht, weil die Leute aus welchen Gründen auch immer sich nicht melden, weil die Leute in manchen Regionen zu wenige sind. Ich weiß nicht, in welcher Therme Sie wa­ren, aber schauen Sie sich etwa die Einwohnerzahl jenes Bezirks, in dem Lutzmanns­burg liegt, an – habe ich richtig geraten? – und schauen Sie, wie viel Fachkräftepoten­zial dort vorhanden ist und wie viele Menschen dort leben! Dann werden Sie drauf­kommen, dass sich das gar nicht ausgehen kann, weil es dort ganz einfach ein viel größeres Angebot an Arbeitsplätzen als an arbeitsfähiger und entsprechend ausgebil­deter Bevölkerung gibt. Das muss man alles zusammenrechnen, das gehört alles da­zu. Das ist der Grund dafür, dass wir Menschen aus den Nachbarländern, Menschen mit Migrationshintergrund brauchen, um das System ganz einfach aufrechtzuerhalten.

Ein Zwischenrufer hat vorhin von Tirol gesprochen. – Fahren Sie doch einmal objektiv nach Tirol und schauen Sie sich an, wie viele ausländische Mitarbeiterinnen und Mitar-


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beiter dort sind! (Bundesrat Schennach: Zum Beispiel aus Ostdeutschland!) Sie fallen eben weniger auf, weil sie sehr oft aus der Bundesrepublik kommen. Sie sind nach wie vor unsere größte Zuwanderergruppe, ob wir wollen oder nicht, aus welchen Gründen auch immer. Aber natürlich, um der Hoffnungslosigkeit irgendwo in Sachsen-Anhalt zu entgehen, kommt man nach Österreich, und wir brauchen diese Leute. Das ist auch kein Problem, es gibt keinen Verdrängungswettbewerb.

Zum Vergleich: Wien hat 76 000 Arbeitslose. 250 000 Menschen pendeln pro Tag nach Wien ein, um die 776 000 Arbeitsplätze dieser Stadt zu besetzen. Sollte man diese Zahl um 50 000 reduzieren, weil es ohnehin 76 000 Arbeitslose gibt? – Es ist eben so, dass das nicht immer alles passt, aus welchen Gründen auch immer. Dass 76 000 Ar­beitslose in Wien zu viele sind, ist in diesem Zusammenhang aber nicht das Thema. Mir sind es auch zu viele, und man muss schauen, wie man diese Zahl verringern kann, aber diese Verschiebungen sind ganz einfach Realität.

Schauen Sie sich die Pendlerstatistiken doch einmal an! Schauen Sie sich an, wie viele Burgenländer auspendeln, in welchen Berufen sie auspendeln und welche Berufe in deren Heimatregion angeboten werden! Wenn niemand zur Verfügung steht, muss man versuchen, anderswo jemanden zu bekommen. – Entschuldigen Sie, dass die Ant­wort so lange geworden ist. (Bundesrat Schennach: Wir mussten sogar Berufsschulen in Tirol schließen im Tourismus!)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen zur 8. Anfrage, und ich bitte den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Hensler, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Meine Frage geht in den Bereich Mindestsicherung und lautet:

1794/M-BR/2011

„Wo sehen Sie Schwachstellen beziehungsweise Verbesserungsbedarf bei der Min­destsicherung, um die Entwicklung wirksam kontrollieren und Missbrauch zuverlässig vermeiden zu können?“

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich sehe grundsätzlich zur Stunde keine wirklichen Schwachstellen. Ich weiß, eine Zu­satzfrage Ihrerseits wird den Vergleich Niederösterreich : Wien betreffen. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Hensler: Sie wissen schon, was ich fragen werde?!) – Na si­cher, das sage ich Ihnen aber dann. Ihr werdet überrascht sein über die tatsächlichen Zahlen, denn Niederösterreich hat mehr Mindestsicherungsbezieher als Wien. (Bun­desrätin Zwazl: Nein! Nein, Herr Minister, wir haben 11 000, und Wien hat 82 000!) – Jetzt seid ihr in die Falle getappt. (Bundesrätin Zwazl: Nein!) Niederösterreich hat pro­zentuell gesehen mehr Vollmindestsicherungsbezieher als Wien. (Bundesrätin Zwazl: Nein, das stimmt nicht! – Bundesrat Hensler:  in absoluten Zahlen!)  Voll, wir reden von „voll“. (Bundesrat Hensler: Die Hälfte  sind in Wien!)  Nein, stimmt auch nicht, aber das erzähle ich Ihnen dann.

Lange Rede kurzer Sinn: Klar ist, wir halten uns an das, was wir ausgemacht haben. Es gibt im Frühjahr 2012 die mit allen Bundesländern vereinbarte Evaluierung. Das ist Bestandteil der 15a-Vereinbarung, und diesen Bestandteil der 15a-Vereinbarung halten wir ein. Diese Evaluierung wird gemeinsam gemacht. Das ist keine Showpartie, son­dern es wird gemeinsam evaluiert: Wie schaut es aus? Wo gibt es Entwicklungen? Wo gibt es Fehlsteuerungen? Wo gibt es Entwicklungen, die ganz einfach zu hinterfragen sind? Es geht schlichtweg darum: Wie kann man da oder dort gegensteuern beziehungs-


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weise was haben die Länder gemacht? Denn eines muss ich schon sagen: Die Länder haben teilweise aus der Mindestsicherung zusätzliche Instrumentarien entwickelt.

Ich darf nur ein Beispiel nennen: In Wien wird der Heizkostenzuschuss für einen Aus­gleichszulagenbezieher über die Mindestsicherung ausbezahlt. Das hat mit der Min­destsicherung nicht einmal irgendetwas zu tun, aber aus vielerlei Gründen ist beschlos­sen worden, das über die Mindestsicherung, über einen gleichen Budgettopf abzuwi­ckeln. Niederösterreich zahlt den gleichen Heizkostenzuschuss aus dem Budgettopf Sozialhilfe. Wien hat zum Beispiel für jedes Kind 203 € Kinderzuschlag beschlossen. In Niederösterreich ist das nicht beschlossen worden. Die Oberösterreicher haben eine ähnliche Regelung. Das heißt, es gibt schlichtweg unterschiedliche Entwicklungen in den Ländern, je nach deren Gegebenheiten und Regionalitäten.

Jetzt zu Niederösterreich, aber zuerst die Frage, dann die Antwort. (Bundesrätin Zwazl: Genau!)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Unbe­stritten ist, dass die Mindestsicherung ein vorbildliches Projekt ist. Das steht außer Frage. Auch dass Bund und Länder ganz hervorragend zusammenarbeiten, ist unbe­stritten.

Meine Frage in diesem Bereich: Wie viele BezieherInnen gibt es generell in Wien, und wie kann man die Zusammenarbeit – es gibt ja Diskussionen dahin gehend, dass mit dem AMS nicht immer alles so optimal funktioniert – verbessern?

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wie die Zusammenarbeit zwischen dem AMS und den einzelnen Verwaltungsbehörden wirklich funktioniert, kann ich nicht sagen. Mein vorliegender Informationsstand – ich muss das jetzt wirklich so formulieren – ist, dass der Datenaustausch funktioniert. Die Daten werden transportiert. Dass es diesbezüglich Wien zum Beispiel um eine Spur leichter hatte, stimmt, weil in Wien die gesamte Verwaltung miteinander vernetzt ist und über ein Datennetz eben alles ein bisschen anders läuft. Das war zum Beispiel in einigen Bundesländern mit sehr dislozierten Bezirkshauptmannschaften alles ein biss­chen ein Problem, was jetzt aber – noch einmal, bitte – kein Angriff auf irgendein Bun­desland ist. Was da und dort noch verbesserungswürdig ist, ist immer zu hinterfragen.

Unterschiede in den einzelnen Bundesländern, was die Zahl der Mindestsicherungsbe­zieher betrifft, sind natürlich vorhanden. Warum? – Weil es Unterschiede immer schon gegeben hat, und durch die Mindestsicherung, durch die Vereinheitlichung werden sie jetzt transparenter. Ich darf das anhand eines Beispiels aufzeigen. Die Relation zwi­schen niederösterreichischen Sozialhilfebeziehern und Wiener Sozialhilfebeziehern war in den neunziger Jahren – damals war von Mindestsicherung noch keine Rede – bereits 6 : 1. Die Relation 6 : 1 zwischen Wien und Niederösterreich ist somit nichts Neues. Warum ist das so? – Weil zum Beispiel das Armutsgefährdungsrisiko im Groß­raum Wien bei 17 Prozent liegt, das Armutsgefährdungsrisiko in Niederösterreich liegt bei 10 Prozent. Diese Differenzierungen sind vorhanden.

Wie zum Beispiel ist der Speckgürtel Wien entstanden, der in Niederösterreich liegt? Wer sind diese Menschen? – Zu 80 Prozent ehemalige Wiener ab einem gewissen Ein­kommensniveau, die sich Perchtoldsdorf, die sich Brunn am „Gebüsch“, die sich Möd­ling leisten können. (Bundesrätin Zwazl: „Gebirge“ heißt das! – Heiterkeit.) – Ja, ich weiß, das war jetzt Absicht. Da mein Büroleiter in Brunn am Gebirge wohnt, darf ich „Brunn am Gebüsch“ sagen.

Was ich damit sagen wollte, ist: Wenn Menschen einer bestimmten Einkommens­schicht aus der Stadt wegziehen – aus welchen Gründen auch immer –, besteht bei der


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verbleibenden Bevölkerung ein höheres Armutsgefährdungsrisiko, weil sich die Rela­tion verschiebt. Aber es gibt viele Gründe.

Dreiviertel der Wiener BMS-Bezieher sind nur Aufstocker, Menschen, die 30, 50, 100 € zusätzlich bekommen, weil zum Beispiel die Kommunikation zwischen AMS-Ge­schäftsstellen und der MA 40 super funktioniert und die Leute gut beraten werden. Da heißt es dann: Hören Sie zu, Sie hätten noch 40 € Aufstockungsleistung, holen Sie sich’s! Und so weiter.

Zwei Drittel zum Beispiel der niederösterreichischen BMS-Bezieher sind Voll-BMS-Be­zieher, und nur ein Drittel sind Aufstocker. Das heißt, das Zahlenspiel ist ein ganz an­deres, aus welchen Gründen auch immer. Es gibt, wie gesagt, viele Hintergründe, die den Zahlen zugrunde liegen.

Was ich auch noch sagen möchte: 50 000 der Wiener Klienten – das sind 60 Prozent der Gesamtzahl – sind Kinder und Jugendliche, die in diesem Gesamtkonstrukt erfasst sind. Das läuft alles unter dem Titel Mindestsicherung. 27 000 davon sind Arbeitsun­fähige, die noch nicht in I-Pension sind, oder Personen knapp vor dem Pensionsalter.

Was ich damit sagen will, ist: Wir werden diese Zahlen gemeinsam ganz nüchtern auf­arbeiten, und dann wird man sehen, dass alle eine relativ ähnliche Trefferquote haben. Nur unterschiedliche Zusatzleistungen haben zu diesen Relationsverschiebungen ge­führt. Wenn man von den 82 000 Wiener BMS-Beziehern die Mietbeihilfe-Bezieher ab­zieht, sind es nur mehr 73 000, und zu diesen 73 000 zählen 50 000 Kinder und Ju­gendliche. Das sagt schon alles. Das kommt deshalb zustande, weil jetzt einfach mehr Kinder gemeldet worden sind, aber, und entschuldigen Sie diesen Ausdruck, wegen 200 € kommt man. Das war ein politischer, bewusster Akt, der in Wahrheit ein guter Akt war. Warum? – Weil diese 200 € sofort in den Konsum gehen, zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen sofort ausgegeben werden.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Lin­dinger.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Wie viele bisher arbeitsmarktfernen Personen konnten durch die arbeitsmarktpolitischen Begleit­maßnahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wieder in den Arbeitsmarkt ein­gegliedert werden?

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Grundsätzlich ist zu sagen: Arbeitsaufnahmen von BMS-Beziehern seit September 2010 haben wir insgesamt 15 900 zu verzeichnen, sowie 32 320 Schulungsaufnahmen.

Dazu vielleicht auch ein kleines Zahlenspiel, damit Sie sehen, wie sich das auswirkt: Von den 15 900 sind 4 800 Vollunterstützte und 11 000 Teilunterstützte, also diese so­genannten Aufstocker, die eben nur die Differenz von 40, 50 oder auch 100 € bezie­hen. Bei den Schulungsaufnahmen ist es auch so: 32 000 Schulungsaufnahmen, da­von 5 500 vollunterstützte Personen und rund 26 800 Teilunterstützte. Das zeigt, dass diese Aufstockungszahlungen sehr gut funktionieren, die Menschen sie auch vermehrt in Anspruch nehmen, wodurch das Risiko der Armutsgefährdung ein bisschen mini­miert wird. 50, 60 € im Vergleich zur vollen Summe sind ja nicht die Welt.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Krusche.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Die Bezieher der Mindestsicherung dürfen nicht mehr als 3 764,70 € an Einkommen und Vermögen ha­ben. Für die Zuerkennung sind die einzelnen Ämter der Landesregierung zuständig.


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Werden im Falle von ausländischen Beziehern der Mindestsicherung deren Vermö­genswerte im Ausland hinterfragt, und in welcher Weise werden diese Angaben über­prüft?

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Das wird natürlich hinterfragt, denn es ist ja schon bei der Zuerkennung der Mindest­sicherung ein Kriterium, ob jemand die Mindestsicherung bekommen darf, also ob je­mand ein Aufenthaltsverfestigter ist oder nicht. – Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Man bemüht sich sehr wohl, wenn irgendwie ansatzweise Verdachtsmo­mente vorhanden sind, dass es da eventuell Grundbesitz geben könnte, das einerseits über unsere Vertretungsbehörden zu hinterfragen, andererseits teilweise auch über Kooperationen mit diversen Nachbarbehörden.

Auch ich bemühe mich, habe aber diesbezüglich einen kleinen Rückschlag erlitten durch die diversen Neuwahlen, weil kaum, dass ich mit dem slowenischen Kollegen schon ein bisschen weiter war, dass wir ein Verwaltungsübereinkommen zusammen­bringen, kam der Auflösungsbeschluss der Regierung. Jetzt müssen wir eben schauen, bis die neue Regierung kommt, bis wir da wieder weitermachen können.

Wir haben so etwas Ähnliches auch mit Ungarn versucht. Auch da sind wir wegen der Neuwahlen gescheitert, aber mit dem jetzigen Sozialminister versuchen wir das aufzu­arbeiten, denn da gibt es jetzt ganz gute Kontakte und eine sehr vernünftige Gesprächs­basis.

Wir werden das natürlich auch mit Tschechien versuchen, obwohl es in Wahrheit, so glaube ich, fast keinen tschechischen Staatsbürger, der bei uns BMS erhält, gibt – ich kenne da keinen Fall. Vielleicht gibt es irgendjemanden, der im Waldviertel ansässig und immer noch tschechischer Staatsbürger ist.

Aber klar ist, die inländischen Bezirksvertretungsbehörden oder Sozialhilfebehörden be­mühen sich sehr wohl, wenn irgendwie etwas nicht ganz koscher ausschaut, wenn ich das jetzt so salopp formulieren darf, zumindest über unsere Botschaften doch Erhe­bungen anzustellen.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Die Fragestunde ist beendet. – Danke, Herr Bundes­minister.

11.01.51Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2634/AB bis 2639/AB beziehungsweise

jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen, und

des Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG betreffend die Wiederbenennung von Frau Dr. Maria Berger als Richterin des Gerichtshofes bezie­hungsweise

jenes Schreibens der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG be­treffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Mongolei zum Abschluss eines Proto­kolls zur Abänderung eines am 3. 7. 2003 unterzeichneten Abkommens auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen und Vermögen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 92/2004, sowie

jenes Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 44

über die grenzüberschreitende Verfolgung von verkehrssicherheitsbezogenen Verkehrs­delikten

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 15)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Wiederbenennung gemäß Art. 23c Abs. 5
B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                    WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

Frau Präsidentin des Bundesrates

Mag. Susanne NEUWIRTH

Parlament

1017 Wien                                                                                                   Wien am 7. Dezember 2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich mitteilen, dass der Ministerrat im Rahmen seiner 123. Sitzung am 6.12. 2011 entsprechend der gemäß Art. 23c Abs. 2 B-VG mit dem Nationalrat zuvor durchgeführten Konsultationen beschlossen hat, die Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vorausgesetzt, das bishe­rige österreichische Mitglied des Gerichtshofes, Frau Dr. Maria BERGER, als Kandi­datin für die am 7. Oktober 2012 beginnende sechsjährige Funktionsperiode als Rich­terin des Gerichtshofes wieder zu benennen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen und des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„DR. MARIA FEKTER                                                                                 BUNDESMINISTERIUM

FINANZMINISTERIN                                                                                                  FÜR FINANZEN

Frau Präsidentin

des Bundesrates

Mag. Susanne Neuwirth

Parlament                                                                                                  Wien, am 9. ‚Dezember 2011

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/1359-IV/4/2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 122. Sitzung des Ministerrates am 29. November 2011 Verhandlungen mit der Mongolei zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 3. Juli 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 92/2004, aufgenommen wurden.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 45

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpas­sung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaus­tauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Frau Präsidentin des Bundesrates

Mag.a Susanne Neuwirth

Parlament, Karl Renner Ring 1-3                                                                         2. Dezember 2011

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-AT.8.33.02/0009-I.2a/2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 22. November 2011 (Pkt. 17 des Beschl.Prot. Nr. 121) der Herr Bundespräsident am 24. November 2011 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkom­men über die grenzüberschreitende Verfolgung von verkehrssicherheitsbezogenen Verkehrsdelikten erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich er­folgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-AT.4.15.02/0011-IV.1/2011

Abkommen über die Erleichterung der

grenzüberschreitenden Verfolgung von

verkehrssicherheitsbezogenen Verkehrsdelikten;

Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

In den letzten Jahren ist es zu einem Anstieg der von Lenkern mit ausländischer Kfz­Zulassung begangenen Verkehrsdelikte gekommen. Die grenzüberschreitende Verfolgung dieser Delikte hat sich in der Vergangenheit auf Grund fehlender rechtlicher Grundlagen und unzureichender grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Behörden als schwierig erwiesen.

Dazu legt das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode im Kapitel Inneres, Justiz, Landesverteidigung unter Punkt D.5. Verkehrssicherheit fest: "Im Inter-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 46

esse der Verkehrssicherheit werden auf nationaler, bi- und multinationaler als auch auf europäischer Ebene alle notwendigen Schritte gesetzt, um sowohl in- als auch aus­ländische Verkehrssünder gleichermaßen strafen zu können". Zuvor hatte bereits der Nationalrat in seiner XXIII. Gesetzgebungsperiode eine Entschließung (E 50-NR/XXIII.GP) angenommen, in der die Bundesregierung aufgefordert worden war, einen Bericht über die Erfahrungen der österreichischen Behörden auf dem Gebiet der Halter- und Len­kerauskunft im Zusammenhang mit der grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrs­delikten vorzulegen. In Entsprechung dieser Entschließung legte am 5. August 2010 die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie einen mit dem Bundes­kanzler sowie der Bundesministerin für Inneres abgestimmten Bericht vor, in dem klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass es Probleme bei der Durchführung von Strafver­fahren bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten gibt, die sich aus fehlenden rechtlichen Grundlagen und unzureichender grenzüberschreitender Zu­sammenarbeit zwischen den betroffenen Behörden ergeben.

Zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten wurden bereits im Jahr 2008 im Rahmen des Forum Salzburg mögliche Maßnahmen diskutiert. Das Forum Salzburg ist eine Zusammenarbeit zwischen den Innenministern von Bulga­rien, Kroatien (als Beobachter), Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn im Sicherheitsbereich, einschließlich der Verkehrssicherheit.

Im Rahmen der Europäischen Union ist am 6. November 2011 die Richtlinie 2011/82/EU des EP und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Erleichterung des grenzüberschrei­tenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte (CBE-Richtlinie) in Kraft getreten (ABI. L 288/1 vom 5.11.2011). Mit dieser Richtlinie, die von den Mitgliedstaaten spätestens bis zum 7. November 2013 umzusetzen ist, wird es möglich sein, EU-weit in einem automatisierten Abruf die Da­ten ausländischer Fahrzeughalter zur Verfolgung von Verkehrsdelikten zu ermitteln und diese Halter mittels eines Informationsschreibens zur Bekanntgabe des Lenkers aufzu­fordern und somit einen Teil jener Probleme, die im oa. Bericht an den Nationalrat dar­gestellt wurden, zumindest innerhalb der EU zu lösen.

Beim Ministertreffen des Forum Salzburg am 28. - 29. Juni 2011 in Kitzbühel schlug der Innenminister Ungarns die Aufnahme von Verhandlungen zu einem multilateralen Abkommen über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von Ver­kehrsdelikten vor. Auf der Grundlage eines ungarischen Entwurfs fanden zwei Exper­tentreffen statt, in denen die möglichen Inhalte eines derartigen Abkommens bespro­chen wurden. Diese Inhalte könnten umfassen: den verpflichtenden Einsatz des in der CBE-Richtlinie definierten Informationsbriefs; den automatisierten Austausch von Da­ten des Fahrzeuglenkers; die Zusammenarbeit zwischen den Behörden zur Ermittlung des Lenkers, wenn eine automatisierte Ermittlung der Daten nicht möglich war sowie die Zustellung von Verfahrensdokumenten und die elektronische Übermittlung von Vollstreckungsersuchen in Ergänzung des EU­ Rechtshilfeübereinkommens in Strafsa­chen (BGBI. 111 Nr. 65/2005) und des Rahmenbeschlusses des Rates 2005/214/JI.

Das geplante Abkommen stellt eine weiterführende Ergänzung der CBE-Richtlinie dar und soll eine Verbesserung der Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten bringen. Dies wird mittelfristig auch zu einer Erhöhung der Ver­kehrssicherheit in den beteiligten Staaten führen.

Die Verhandlung eines derartigen Abkommens steht im vollen Einklang mit den Ver­pflichtungen Österreichs im Rahmen der EU, da es sich um eine rechtlich zulässige Ergänzung bestehender EU-Rechtsinstrumente handelt.

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden neben Angehörigen meines Res­sorts und des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie voraus-


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sichtlich auch Vertreter/innen des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums für In­neres und des Bundesministeriums für Justiz angehören.

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Bede­ckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Die zusätzlichen Einnahmen aus der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten werden nach heutigem Gesichtspunkt die finanziellen Erfordernisse für die Umsetzung des Ab­kommens erheblich übersteigen und wäre der tatsächliche Verwaltungsaufwand im Zu­ge der Umsetzung - so wie im Regierungsprogramm für

Das geplante Abkommen wird gesetzesändernd bzw. gesetzesergänzend sein und da­her der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres, der Bun­desministerin für Justiz und der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Techno­logie, stelle ich den

A n t r a g ,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandte Mag. Elisabeth Ellison-Kramer und im Falle ihrer Verhinderung Legationsrat Mag. Georg Zehetner zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen über die grenzüber­schreitende Verfolgung von verkehrssicherheitsbezogenen Verkehrsdelikten zu bevoll­mächtigen.

Wien, am 15. November 2011

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2011) (1502 und 1562/NR der Beilagen),

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz 2013 geändert wird (1603/NR der Beilagen).

*****

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Es ist der Antrag 188/A-BR/2011 der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates eingelangt, der dem Ge­schäftsordnungsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde und bereits einen Ta­gesordnungspunkt der heutigen Sitzung bildet.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht sowie jener Antrag 188/A-BR/2011 der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates, die bezie­hungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schussberichte erstattet.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 48

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände beziehungsweise den An­trag 188/A-BR/2011 und die Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerIn­nen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2012 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 und 6, 10 und 11, 17 und 18, 20 bis 22, 27 und 28, 34 und 35 sowie 36 und 37 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

11.05.131. Punkt

Antrag der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (188/A-BR/2011 sowie 8629/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kraml. Bitte um den Bericht.

 


11.05.34

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Bericht des Geschäftsordnungsausschusses liegt in schriftlicher Form vor, ebenso die Änderungen der Geschäftsordnung; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Geschäftsordnungsausschuss den Antrag:

Der dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsord­nung des Bundesrates wird die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr dieses.

 


11.06.18

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schade, dass wir der Änderung der Geschäftsordnung nicht zustimmen können. (Zwischenruf des Bundesra­tes Perhab.) Ich hätte bei diesem Tagesordnungspunkt lieber das letzte Wort gehabt als die erste Wortmeldung (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl) – insbesondere des­halb, weil es sich um eine Umsetzung des EU-Informationsgesetzes handelt und bei diesem Gesetz gerade die Grünen sehr viel bewirken konnten, nämlich durch langes, zähes Verhandeln im Gestehungsprozess dieses EU-Informationsgesetzes. Dabei geht es darum, dass die Mitteilungen an die EU-Organe dazugekommen sind, dass die Eu­ropapolitischen Aussprachen dazugekommen sind und dass jetzt in der Geschäftsord­nung auch diese Dokumentenanfrage festgelegt wurde.

Das Problem bei dieser Umsetzung der Geschäftsordnung, die wir heute auf der Ta­gesordnung stehen haben, ist, dass die Grünen eine kleine Gruppe hier im Bundesrat sind und wir genau diese Instrumente, die in den Verhandlungen hineinreklamiert wur­den, in Wirklichkeit nicht umsetzen können. Wir haben in den Verhandlungen von Be­ginn an gesagt – bezüglich der Verhandlungen kann man jetzt fragen, wie viel verhan-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 49

delt worden ist; darüber kann man diskutieren, aber sobald darüber gesprochen wurde und wir gefragt wurden, was wir gerne hätten, haben wir das gesagt –, uns ist es wich­tig, dass wir uns beteiligen können, dass wir mitreden und auch mitstimmen können. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Wir wollen mit eingebunden sein.

Jetzt ist es leider so, dass wir keinen Sitz im EU-Ausschuss haben. Es hätte also zwei Möglichkeiten gegeben: Entweder schaut man, dass möglichst viele Dinge nicht im EU-Ausschuss enden, sondern hier im Plenum, und die zweite Möglichkeit wäre gewesen, dass man die Minderheitenrechte in der Geschäftsordnung allgemein stärkt. Die Min­derheitenrechte in der Geschäftsordnung des Bundesrates sind ja nicht die üppigsten. (Bundesrat Mag. Klug: Das sind Mehrheitsrechte! – Neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Perhab.) – Die Minderheitenrechte in der Geschäftsordnung des Bundesrates brauchen wir jetzt nicht zu diskutieren.

Ich habe von Anfang an klargestellt, es gibt zwei Wege: entweder die Minderheiten­rechte zu stärken oder die Dinge ins Plenum zu bringen. Beides ist bei der Umsetzung der Geschäftsordnung, so wie sie jetzt vor uns liegt, nicht passiert. Und es ist ... (Bun­desrat Mag. Klug: Ja, aus Ihrer Sicht!) – Nein! (Bundesrat Mag. Klug: Na ja, sicher!) Vergleicht man die Minderheitenrechte relativ zum Nationalrat, dann braucht man im Bundesrat für viele Dinge einfach mehr Abgeordnete als im Nationalrat. (Bundesrat Mag. Klug: Genau, aber das ist ja nicht das Thema!) Und wir haben das auch im Aus­schuss schon intensiv bemerkt. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Uns wäre sowieso lieber gewesen, möglichst viel im Plenum zu behandeln (Bundesrat Mag. Klug: Ja, das wissen wir!), weil uns auch die europapolitische Debatte im Plenum wichtig ist. In der Geschäftsordnung steht das leider nicht.

Und da wir heute die Geschäftsordnung abstimmen (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug), werden wir dieser leider nicht zustimmen können, obwohl in den Gesprä­chen sehr wohl sehr oft und sehr häufig angeführt wurde: Wir können ja darüber reden und wenn ihr einen Wunsch habt betreffend die Tagesordnung, dann sagt es und viel­leicht nehmen wir das auch mit auf, auch wenn ihr kein Recht darauf habt. Und natür­lich können wir auch darüber reden, ob wir dann einzelne Beschlüsse ins Plenum ver­legen.

Das ist auch ein sehr schönes Entgegenkommen und es freut uns, dass ihr uns dieses Entgegenkommen zeigt, aber in der Geschäftsordnung steht es eben leider nicht drinnen, und deswegen können wir auch nicht zustimmen. (Bundesrat Mag. Klug: Im Verfassungsgesetz steht es! Im B-VG steht es, Elisabeth! Das sind Mehrheitsrechte! – Bundesrätin Kerschbaum – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Was sind Mehrheits­rechte? – Bundesrat Mag. Klug: Das, was wir da machen, sind Mehrheitsrechte! Euro­päische ...!)

11.09


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Keusch­nigg. Ich erteile ihm dieses.

 


11.10.01

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zu­schauer an den Fernsehgeräten! Es ist sehr schade, dass die grüne Fraktion dieser Geschäftsordnungsänderung nicht zustimmen kann, obwohl wir in der praktischen Ar­beit im Europaausschuss, aber auch hier im Plenum wirklich eine sehr gute Zusam­menarbeit und ein sehr konstruktives Verhältnis zueinander haben. Wir setzen uns auch in Zukunft gerne mit Ihren Überlegungen auseinander.

Mit dieser Geschäftsordnungs-Novelle setzen wir den letzten Baustein bei der Imple­mentierung des Vertrages von Lissabon, der sozusagen die neue Verfassung der Eu-


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ropäischen Union ist. Wir haben in den letzten Jahren die Lissabon-Begleitnovelle, die ich für unsere Fraktion verhandeln durfte, in unsere österreichische Bundesverfassung eingearbeitet. Wir haben bei einer der letzten Sitzungen hier im Plenum das EU-Infor­mationsgesetz gemacht, und jetzt setzen wir sozusagen den Schlusspunkt und arbei­ten das in unsere Geschäftsordnung ein.

Wir – wir hier im Bundesrat, aber auch im Nationalrat – haben, und das muss man bei dieser Beschlussfassung, bei dieser Diskussion erwähnen, mit diesem Vertrag von Lis­sabon einen großen Block neuer Aufgaben und neuer Verantwortung übernommen. Wir haben damit die Möglichkeit, jedes EU-Recht, jeden Gesetzgebungsakt aus der Euro­päischen Union auf die Subsidiarität, sprich, darauf zu überprüfen, ob wir als unterge­ordnete Ebene das gleich gut oder besser regeln können, oder ob es eine europäische Regelung braucht.

Wir haben damit das Instrument in der Hand, überschießende Regelungsbegehren der Europäischen Union abzuwehren. Und das ist ein ganz entscheidendes Recht, das wir haben! Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union haben wir als nationale Kammern die Möglichkeiten, uns in diesen Gesetzgebungsakt auf europäischer Ebene einzubringen, und wir machen das mit großer Verve und mit großer Nachhaltigkeit.

Wir sind in vielen Fällen dafür, dass wir Dinge selbst regeln. In diesen Tagen geistert durch die Zeitungen, dass die Europäische Union das Haarefärben verbieten möchte. Wir sehen nicht ein, warum man solche Banalitäten, welche Substanzen man da ver­wenden darf, wie und wo das geregelt wird, auf europäischer Ebene regeln sollte.

Aber wir hatten gestern im Europaausschuss des Bundesrates wieder einmal die Dis­kussion über die Finanztransaktionssteuer, die nicht nur von Österreich unterstützt wird, sondern die ein ganz wesentliches Ziel von Österreich ist, und dieses Thema stand bei unserer Fragestunde mit dem Sozialminister ja wiederum auf der Tagesordnung. Da sind wir sehr wohl dafür, dass das auf europäischer Ebene geregelt wird, weil es ein­fach Sinn macht und für uns alle eine Notwendigkeit ist. Also Ja zu Regelungen auf Ebene der Europäischen Union, wo das nützlich ist und Sinn macht, und Nein, wo wir das selbst machen können.

Wir haben im Bundesrat bereits drei Subsidiaritätsrügen, also sogenannte begründete Stellungnahmen, beschlossen, und man sieht daran, dass wir in dieser Arbeit sehr gut vorankommen.

Die Geschäftsordnung regelt diese Abläufe, sie regelt die Einrichtung des Europaaus­schusses und die Arbeitsweise darin. Wir, glaube ich, können heute sagen, dass sich da schon eine sehr gute Routine eingespielt hat, dass wir diese Aufgaben sehr gut be­wältigen können.

Diese Geschäftsordnung regelt den Informationsfluss aller Dokumente, aller Informatio­nen und, was noch wichtiger ist, sie regelt auch unsere Rechte gegenüber der Bundes­regierung in der Bewertung der einzelnen Dokumente und Unterlagen, denn – das möch­te ich auch für die Zuseher zu Hause an den Fernsehschirmen wiederholen – es geht da um eine Flut von in etwa 20 000 Dokumenten im Jahr, wovon ungefähr 5 000 Stück einen Subsidiaritätsgehalt haben, also zu überprüfen sind, ob das für Österreich von Relevanz ist und ob wir eine andere Meinung haben als die vorgeschlagene Regelung. Und da ist es von größter Bedeutung, dass wir heraussieben, welche Dokumente für uns zu bearbeiten sind, und dann die Bewertung dessen, welche Auswirkungen das auf Österreich hat, wie man das zu sehen hat.

In dieser Routine der Europaarbeit hat sich herausgebildet, dass wir sozusagen durch eine Hearing-artige Arbeit im Bundesrat bei den einzelnen Dokumenten Instrumente gefunden haben, damit wir den Sachverstand der Republik Österreich, der sich in den


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 51

Ministerien befindet, in den Sozialpartnergremien befindet, im Städte- und Gemeinde­bund befindet, in den Bundesländern befindet, damit wir diesen Sachverstand der Re­publik Österreich und der Bundesländer zu bündeln in der Lage sind. Und das ist schon, glaube ich, eine gute Art und Weise, mit diesem neuen Recht, das wir hier als Bundes­rat haben, auch umzugehen.

Frau Kollegin Kerschbaum von der grünen Fraktion, diese Geschäftsordnung regelt na­türlich auch sehr genau die Rechte der einzelnen Mitglieder des Bundesrates – und diese haben ganz wesentliche Rechte! –, und sie regelt auch die Rechte und welche Einflussmöglichkeit zum Beispiel ganz konkret die Bundesräte und teilweise eine Mehr­heit von Bundesräten – das ist ja sehr sauber ausdifferenziert – mehrerer Bundeslän­der, konkret geht es immer um drei Bundesländer, je nach Materie haben.

Sie können als einzelne Bundesrätin jede Materie auf die Tagesordnung eines Bundes­ratsausschusses bringen, und wenn diese Materie von Wichtigkeit ist, wird sie das ge­samte Sortiment unserer politischen Möglichkeiten erfahren. Also es ist ja nicht so, dass die Minderheitenrechte nicht vorhanden wären! Es sind bis zum einzelnen Bun­desrat die Rechte sehr wohl vorhanden, bis hin zur Einbringung der Klagsmöglichkeit durch den einzelnen Bundesrat. Also Sie können die Maschine sozusagen per Knopf­druck auch als Ein-Mann-Fraktion, in dem Fall als Eine-Frau-Fraktion anlassen. Ich glau­be, da ist die Kritik einfach nicht wirklich berechtigt.

Die Geschäftsordnung ist sehr detailliert, sie ist sehr ausgewogen. Sie regelt die Ver­netzung mit den Bundesländern, was bei uns in der Länderkammer immer von großer Bedeutung ist, sehr genau. Es ist eine professionelle Geschäftsordnung, die wir uns heu­te geben, und die Zustimmung unserer Fraktion ist damit gesichert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.17


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile ihm dieses.

 


11.17.30

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Während in diesen Tagen im Bereich der medialen Be­richterstattung zum Thema Bundesrat mehr oder weniger Gutes geschrieben wird, wird den wirklich aufmerksamen Leserinnen und Lesern des Geschäftsordnungsantrages und den wirklich aufmerksamen Bundesrätinnen und Bundesräten natürlich nicht ent­gangen sein, dass wir heute die Aufwertung des Bundesrates durch die Europäische Union ins Finale führen. Das ist der Kern des jetzt zu beschließenden Geschäftsord­nungsantrages – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Europäische Union die Einladung an die Mitgliedstaaten ausspricht: Für den Fall, dass ihr ein Zweikammersystem habt, wollen wir, dass sich die zweite Kammer in die Normsetzungsprozesse der Europäischen Uni­on aktiv einbringt, dann nehmen wir heute – zumindest wir von den Regierungsparteien und, wie ich sehr angenehm berührt zur Kenntnis nehme, auch eine der Oppositions­parteien – diese Einladung sehr gerne an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist der Kern der heutigen Novelle zur Geschäfts­ordnung, und, liebe Kolleginnen und Kollegen, es handelt sich dabei um Mehrheits­rechte. (Bundesrätin Kerschbaum: Ja!) Es handelt sich nicht um Minderheitenrechte.

Diese Mehrheitsrechte nehmen wir in der Form wahr, dass wir auf der einen Seite sagen: Vertrauensvoll legen wir einen gewissen Radius der Mitbestimmung in die Hand unserer Vertrauensleute im EU-Ausschuss des Bundesrates, und auf der anderen Sei­te ergibt sich zwingend schon aus unserer Verfassung, dass wir ganz bestimmte Dinge


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 52

bei uns im Plenum behandeln werden. Das lassen wir mit der Novelle zur Geschäfts­ordnung nicht offen, das regeln wir eindeutig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage das daher jetzt auch für unsere Zuseherin­nen und Zuseher: Wir werden heute ein Finale auf die Beine stellen, um im Interesse aller unserer neun Bundesländer klar und deutlich dem Subsidiaritätsprinzip folgend der Europäischen Union von uns aus ein Zeichen zu geben. Wenn wir der Meinung sind, dass der Normsetzungsprozess auf der Ebene der Europäischen Union in Ord­nung ist, dann werden wir sagen, das ist okay, und wenn wir der Meinung sind, im In­teresse unserer neun Bundesländer, dass dieses konkrete Vorhaben nicht auf der Ebe­ne der Europäischen Union geregelt werden soll, weil es bei uns im Nationalstaat blei­ben soll, dann werden wir diese Kompetenz deutlich wahrnehmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Zangerl und Mühlwerth.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns gemeinsam bemüht – und das darf ich sagen –, und zwar seitens der Koalitionsparteien, aber auch in einem konstruktiven Dialog mit den Vertreterinnen und Vertretern der FPÖ und der Fraktionsvorsitzenden, da es bei Fragen der Geschäftsordnungs-Novelle für uns grundsätzlich das Anliegen gibt, dieses möglichst breit zu beschließen, und sind auch rechtzeitig an die anderen Fraktionen und Kolleginnen und Kollegen herangetreten, um diesen Informationsfluss weiterzugeben.

Ich muss schon ganz offen und ehrlich zur Kritik der Grünen sagen: Wenn ich über einem Geschäftsordnungsantrag fünf Tage brüten muss und dann eine schriftliche Re­aktion 20 Minuten vor den Ausschussberatungen übermittle, von dem unseres Erach­tens und von Juristen geprüft gut 80 Prozent nicht der Wahrheit, nämlich im Sinne der Kritik, entsprechen, dann ist das ein bescheidener professioneller Zugang zu diesem Thema, und da müsste man sich klubintern Gedanken machen, wie man den Prozess professionalisiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz aufmerksame Leserinnen und Leser des Ge­schäftsordnungsantrages haben natürlich auch den neuen § 38a gelesen. Liebe Kolle­ginnen und Kollegen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, worum geht es uns dabei? – Wir haben uns mehrheitlich dazu gefunden, dass wir sagen, die Gelegenheit, dass wir die Europäische Union, die Themen der Europäischen Union nicht nur ins nationale Parlament holen, sondern auch zu uns in den Bundesrat, diese Gelegenheit wollen wir ergreifen, um auch ein deutliches Zeichen zu setzen, dass wir in Zukunft die Chance und die Möglichkeit haben, mit maßgeblichen Vertretern der Europäischen Union, mit herausragenden Persönlichkeiten internationaler Einrichtungen hier im Interesse unse­rer neun Bundesländer zukünftig inhaltlich tolle Debatten zu führen, um auch deutlich zu machen, in welche Richtung sich ein weiterer Integrationsprozess in Europa, für den wir auch zur Verfügung stehen, aus der Sicht unserer neun Bundesländer weiterent­wickeln soll. Das ist eine schöne Möglichkeit, auf die wir uns gemeinsam verständigt haben, und ich freue mich, dass es gelingt, heute diese deutliche Aufwertung des Bun­desrates ins Finale zu bringen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Kolleginnen und Kollegen, abschließend darf ich, damit wir legistisch diese Geschäfts­ordnung auch wunderbar und schön sauber in das Finale führen können, noch einen Abänderungsantrag gemäß § 43 GO-BR einbringen:

Abänderungsantrag

der Bundesräte Mag. Gerald Klug, Georg Keuschnigg zum Antrag 188/A gem. § 21 Abs. 1 GO-BR der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 53

Hier handelt es sich im Wesentlichen nur um eine Klarstellung:

In der Ziffer 11 § 59a Abs. 2 wird das Wort „Abgeordneten“ durch das Wort „Bundesrä­ten“ ersetzt.

*****

Damit ist alles im Finale und alles sauber. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.24


Vizepräsident Reinhard Todt: Der von den Bundesräten Georg Keuschnigg, Mag. Ge­rald Klug, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Abänderungsantrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung zum Antrag 188/A der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ände­rung der Geschäftsordnung des Bundesrates ist ausreichend unterstützt und steht dem­nach in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 


11.25.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Die Tatsache, dass wir heute diesem Geschäftsordnungs­antrag zustimmen, darf jetzt nicht so interpretiert werden, dass wir glühende Befürwor­ter des Lissabon-Vertrages geworden sind. Ganz im Gegenteil! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Unsere Kritik am Lissabon-Vertrag bleibt nach wie vor aufrecht und ist auch nach wie vor berechtigt. Wir haben das auch schon bei der Begleitgesetznovelle zum Ausdruck gebracht, wiewohl wir die Gleichstellung des Bundesrates gegenüber dem Nationalrat für richtig empfunden haben, aber damals haben wir ja noch gegen den Lissabon-Ver­trag geklagt. Diese Klage ist nun entschieden, und da bin ich realistisch genug, dass ich sage, es gibt ihn nun einmal, ob er uns gefällt oder nicht.

Ich finde ja, wie ich bereits erwähnt habe, die Gleichstellung grundsätzlich richtig, und ich sehe auch – auch im EU-Ausschuss –, wie wichtig jetzt die Frage der Subsidiarität ist, und da ist immer der Bundesrat zuerst gefragt. Die meisten Dinge sind zuerst im Bundesrats-EU-Ausschuss, eben um die Fristen einhalten zu können, um eine mögli­che Rüge, von denen es ja schon drei gibt, oder Klagen auszuverhandeln und auch zu begründen.

Daher ist es mittlerweile ein sehr wichtiges Gremium geworden, wo, wie Kollege Klug schon angemerkt hat, wir ja in den letzten Tagen wieder ausgerichtet bekommen ha­ben, wie nötig wir sind. Ich glaube sehr wohl, dass sich da ein sehr gutes Instrument ent­wickelt hat, das man nicht mehr einfach nur als Abnick-Gremium, das dem Nationalrat hinterherhinkt, sehen kann.

Wir haben uns die Geschäftsordnung sehr genau angeschaut, es gab ja erste Entwür­fe, die unsere Zustimmung so nicht gefunden hätten, der Letztentwurf war einer, wo wir gesagt haben, da können wir auch mit. Es bleibt aber trotzdem immer so ein bisschen eine kleine Kritik übrig beziehungsweise eine Hoffnung, der ich Ausdruck verleihen kann, nämlich dass dieses Instrument nicht als zahnloser Tiger in die Geschichte eingehen wird, sondern dass er tatsächlich mit Leben erfüllt werden kann. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

11.27


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 54

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da zu einem Beschluss des Bundesrates über eine Änderung der Geschäftsordnung gemäß § 58 Abs. 5 GO-BR die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist, stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche An­wesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Es liegt hiezu ein Abänderungsantrag gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der Bundesräte Ge­org Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der dem Ausschussbericht an­geschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates unter Berücksichti­gung des zuvor genannten Abänderungsantrages die verfassungsgemäße Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Beschluss über eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

11.28.592. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit von Behörden im Ver­braucherschutz (Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz – VBKG) geändert wird (1760/A und 1574 d.B. sowie 8616/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte um den Bericht.

 


11.29.20

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit von Behörden im Verbraucherschutz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Lugsteiner. Ich erteile ihr dieses.

 


11.30.07

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Ge­setz sieht die Änderung eines Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit von Behör­den im Verbraucherschutz vor. Es werden mit diesem Gesetz auch die Verbraucher­richtlinien sowie Richtlinienziele aktualisiert beziehungsweise korrigiert.

Handlungsbedarf besteht bei den Fernmeldebehörden in Europa. Da geht es um du­biose Unternehmen, die laufend die Namen wechseln, um an die Daten unserer Öster­reicherinnen und Österreicher zu kommen, die dann missbräuchlich verwendet werden können. Hervorheben möchte ich die hervorragende Arbeit des Vereins für Konsumen­teninformation und die Arbeiterkammer, die immer wieder auf die Aufschläge hinwei-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 55

sen, die dieselben Produkte in Österreich gegenüber Deutschland aufweisen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.31


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Jachs. Ich erteile es ihm.

 


11.31.27

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder von uns hier im Saal hat heute wahrscheinlich schon mehrfach telefoniert, den Computer hochgefahren, auch die erste Post sortiert. Und genau diese Tätigkeiten, dieses Verhalten verbindet uns mit gut 71 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Telefon, der Computer und auch die Post sind Teil unserer modernen Lebenswelt, und in diesen Landschaften und Gesellschaften sind auch etliche Piraten unterwegs, Piraten auf der Jagd nach unse­rem Geld, nach unseren persönlichen Daten, und daher ist der heutige Beschluss des Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetzes ein ganz, ganz wichtiger Beschluss.

Wir brauchen starke, gut ausgerüstete, kompetente Fänger, damit, sage ich jetzt ein­mal, diesen Piraten auch das Handwerk gelegt wird. Aber wir sagen auch dazu, neben diesem guten Gesetz der internationalen Kooperation brauchen wir auch eines, näm­lich Selbstverantwortung, Zurückhaltung. Es braucht einen gesunden Hausverstand. Niemand hat etwas zu verschenken, und daher auch der Appell an die Bevölkerung: Bitte um Vorsicht! Bitte um Zurückhaltung! Bitte um Skepsis, wenn Ihnen einer das Un­mögliche verspricht, denn alles, was gut klingt, was zu gut klingt, um überhaupt wahr zu sein, gibt es nicht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

11.33


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

11.33.403. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeits­gesetz 1984 geändert werden (1467 d.B. und 1551 d.B. sowie 8617/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte um den Bericht.

 


11.34.01

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wer­den. Dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Lugsteiner. Ich erteile ihr dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 56

11.35.15

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Zum Thema Bildungska­renz: Zu Beginn möchte ich auf unsere hervorragenden Arbeitsmarktdaten verweisen. Ich glaube, mit diesen Arbeitsmarktdaten, Herr Minister, sind wir nicht nur Europameis­ter, sondern Weltmeister. Ich glaube, das muss uns einmal jemand nachmachen. Die Kurzarbeitszeitmodelle, die zusätzlichen Lehrwerkstätten für unsere Jugendlichen oder die Bildungskarenz, all dies hat dazu beigetragen, dass die Krise, die Österreich nicht selber verursacht hat, uns nicht so stark traf wie die anderen Länder.

Der Arbeitsmarkt fordert Flexibilität von allen Arbeitskräften, daher ist die Regelung über die Bildungskarenz, diese ab 1. Jänner 2012 in ein Dauerrecht zu übernehmen, die richtige Maßnahme für den Wirtschaftsstandort Österreich. Lebenslanges Lernen wirkt sich aber nicht nur auf den Wirtschaftsstandort Österreich aus, sondern hat auch positive Auswirkungen auf die Beschäftigten. Dieses Gesetz ist eine sehr gute Möglich­keit für die, die Lernbereitschaft zeigen, eine höhere Qualifikation zu erreichen, und für die Zufriedenheit jedes Einzelnen, der dieses Angebot annimmt. Nicht zuletzt erhöht es auch die Arbeitsplatzsicherheit um ein Vielfaches. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.36


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. Ich erteile ihm dieses.

 


11.36.53

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Kollegin Lugsteiner, Weltmeister sind wir noch nicht ganz, aber wir sind auf gutem Wege. Europameister könnte man zumindest sagen, Herr Minister, ich glaube, da liegen wir richtig. Ich nehme dir jetzt auch Arbeit ab, denn du fühlst dich ja so wohl im Bundesrat und wir hofieren dich ja.

Österreich hat hervorragende Arbeitsmarktzahlen, und ich denke, das ist auch einer der ganz, ganz wichtigen Punkte, warum wir so gut dastehen und die Krise entspre­chend gut überwunden haben; auch durch Maßnahmen, wie zum Beispiel diese Bil­dungskarenz oder Kurzarbeit, die Leute in Beschäftigung halten konnten. Somit haben wir in Europa oder zumindest im Rahmen der Europäischen Union die beste Beschäf­tigungsquote. Das ist, denke ich, eine großartige Maßnahme. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Bundesrates Zangerl.)

Da stelle ich eine hohe Aufmerksamkeit bei den Sozialdemokraten fest, das kann man nur lobend erwähnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, die Zahlen und Fakten hat im Prinzip schon die Kollegin Lugsteiner gesagt. Wir haben im Ausschuss gehört, dass insgesamt 11 000 Personen diese Bildungskarenz in Anspruch genommen haben – ei­ne großartige Zahl – und dass es auch entsprechende Quoten gibt, damit sich Leute für den Betrieb weiter qualifizieren, dass sie im Betrieb bleiben und nach dieser Qualifi­zierung dann auch entsprechende höherwertige Dienstposten beanspruchen können. Das ist, denke ich, auch eine gute Maßnahme.

Wenn wir insgesamt 2,5 Millionen € auch für diese Maßnahme in die Hand nehmen, dann ist das, denke ich, auch ein wichtiger Impuls für den Arbeitsmarkt. Ich möchte diese Phrase des lebenslangen Lernens hier jetzt nicht zusätzlich strapazieren, aber das ist ein wichtiger Bereich, den es nochmals zu erwähnen gilt.

Herr Minister, in diesem Sinne bedanken wir uns sehr herzlich, dass die Verkürzung der Bildungskarenz jetzt ins Dauerrecht übernommen wird, und meine Fraktion wird dem sehr gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.39


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 57

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

11.39.394. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1498 d.B. und 1553 d.B. sowie 8618/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Somit gelangen wir zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Bitte um den Bericht.

 


11.40.01

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

 


11.40.44

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Positiv an dem Berufsausbil­dungsgesetz, das wir ja schon für eine andere Berufsgruppe beschlossen haben, das jetzt aber für den Bereich Land- und Forstwirtschaft beschlossen werden wird, ist der Umstand, dass die behinderten Lehrlinge eine längere Lehrzeit in Anspruch nehmen können. Außerdem ist eine Verlängerung der Lehrzeit dann möglich, wenn man gleich­zeitig eine Lehre mit Matura macht. Das wird hoffentlich den Beruf des Facharbeiters aufwerten. Das haben wir ja heute am Vormittag schon ausgiebig besprochen. Neu ist auch, dass man die Meisterprüfung schon mit 20 statt mit 21 Jahren machen kann.

Weil wir uns heute am Vormittag in der Fragestunde auch über die Situation der Lehr­linge und die mangelnden Facharbeiter unterhalten haben, möchte ich hier auch er­wähnen, dass gerade unsere Lehrlinge bei den diversen Meisterschaften und Olympia­den immer hervorragend abschneiden. Sie sind immer vorne mit dabei, gewinnen oder sind zumindest unter den ersten drei. Aber das wird, meine ich, in der medialen Dar­stellung viel zu wenig gewürdigt und viel zu wenig berücksichtigt, und daher möchte ich diese Gelegenheit ergreifen, das einmal zu tun und unsere Lehrlinge in den Vorder­grund zu stellen und zu sagen: Schaut her, wie gut die sind! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Das heißt, die duale Berufsausbildung ist bei uns in Österreich völlig in Ordnung, sie wird auch in vielen anderen Ländern als Vorbild gesehen, und man versucht, da in glei­cher Weise tätig zu werden.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 58

Negativ ist und bleibt aber trotzdem, auch wenn, wie heute Vormittag gesagt worden ist, die Zahl der überbetrieblich ausgebildeten Lehrlinge zurückgegangen ist, dass wir von 2010 auf 2011 einen Anstieg von plus 2 400 gehabt haben. Es ist ein Rückgang zwar erfreulich, aber trotzdem sind wir noch immer nicht am wünschenswerten Ziel an­gelangt, denn das sollte von Haus aus eine Übergangslösung sein.

Begonnen hat man damit 1998, als der damalige Bundeskanzler Klima gesagt hat: Es soll im Herbst kein Lehrling mehr auf der Straße stehen! – Das ist ja grundsätzlich et­was Unterstützenswertes, denn wir alle wollen nicht, dass Jugendliche ohne jede Pers­pektive einem Freizeitvergnügen nachgehen, das man von Fall zu Fall auch als etwas Zweifelhaftes bezeichnen kann. Also die Intention war ja durchaus eine gute. Aber wie es so oft in Österreich der Fall ist, wenn einmal eine Übergangslösung oder ein Provi­sorium eingeführt ist, führt das dann zu einem Dauerfall, für fast alle Ewigkeit. Und das ist unsere Kritik daran: dass es uns nicht gelingt, Lehrlinge in Lehrstellen zu vermitteln. Wir haben ja nach wie vor eine Lehrstellenlücke, nämlich eine Lücke zwischen jenen, die Lehrstellen anbieten, und jenen, die Lehrstellen suchen, wobei – und das muss man schon einschränkend sagen – es natürlich auf die Branchen ankommt.

Im Tourismus werden – das weiß ich – Lehrlinge gesucht. Technikerlehrlinge gibt es auch nicht allzu viele. Das liegt aber daran, dass es immer noch nicht gelungen ist, den Lehrlingen klarzumachen, dass es nicht nur vier Lehrberufe gibt – im Vordergrund für die Buben den Kfz-Mechaniker und den Bürohandelskaufmann und für die Mädchen die Bürohandelskauffrau und die Frisörin, die immer an Top-Stelle sind –, sondern zirka 300 Lehrberufe, aus denen man wählen könnte. – Das ist ein Grund dafür.

Und ein weiterer Grund dafür ist, dass wir auch mit der Qualifikation künftiger Lehrlinge ein veritables Problem haben. So beklagen die Unternehmer immer wieder die man­gelnden Deutschkenntnisse sowie die mangelnden Lese-, Schreib- und Rechenfähig­keiten der Lehrlinge. Aber sehr oft kommt auch zum Ausdruck, dass viele der jungen Leute, die sich um eine Lehrstelle bewerben, nicht einmal die Grundzüge des guten Be­nehmens beherrschen.

Das alles sind Gründe, die dagegen sprechen, einen Lehrling aufzunehmen. Infolge­dessen finden sie sich in einer überbetrieblichen Werkstätte wieder, wo man dann hofft, dass man ihnen diese Grundzüge endlich beibringen kann. Das ist, wie ich meine, falsch. Da müssen wir in der Schule schon ansetzen. Es muss einfach möglich sein, nach neun Jahren lesen, schreiben und rechnen zu können, und zwar in ausreichender Form, wo man nicht mehr darüber diskutieren muss, ob ein Lehrling einen Prozentsatz beziehungsweise einen Skonto ausrechnen kann oder nicht.

Ich muss hier auch sagen, dass es sehr schade ist, dass es den Blum-Bonus in der ur­sprünglichen Form nicht mehr gibt. Gesagt werden muss auch, dass es auch unter den Betrieben schwarze Schafe gibt, die sich schlicht und einfach die Ausbildung der Lehr­linge sparen wollen, die froh sind, dass der Staat das für sie macht beziehungsweise übernimmt, um dann den fertig ausgebildeten Arbeiter zu bekommen. Da müssen wir, wie ich meine, neue Ansätze finden, weiterdenken, das Ganze weiterentwickeln, damit Betriebe wieder bereit sind, Lehrlinge aufzunehmen. Das ist auch mit ein Grund für un­sere Sorge, dass mit den überbetrieblichen Lehrwerkstätten die duale Ausbildung ins Hintertreffen gerät, obwohl sie so gut ist.

Da wir uns auch dagegen ausgesprochen haben, dass bei den überbetrieblichen Aus­bildungsstätten Lehrlingsvertrauensleute installiert werden, werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.46


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Hunds­torfer. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 59

11.46.53

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nur das wieder­holen, was ich schon im Nationalrat gesagt habe: Wo ist denn Ihre Alternative, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei?

Dass wir in der Pflichtschulausbildung beziehungsweise in den neun Schuljahren Defi­zite haben, ist ja unbestritten. Dass wir derzeit dabei sind, mit sehr viel Aufwand die Schulausbildung auf neue Beine zu stellen, ist ja ersichtlich. So haben wir beispielswei­se das fünfte Jahr im Kindergarten verpflichtend eingeführt. Und warum haben wir das getan? – Unter anderem auch deshalb, um Sprachprobleme frühzeitig zu lösen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das alles kommt viel zu spät! Es ist gut, aber es kommt zu spät!) Was heißt „es kommt zu spät“? Spät oder nicht spät – man braucht eine Zeit des Über­ganges! Und was ist die Alternative? – Die Alternative ist, dass wir ein paar Tausend Jugendliche irgendwo auf der Straße herumlungern haben, die nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Demzufolge ist es doch sinnvoll und richtig, dass wir diese überbetrieblichen Lehrwerkstätten eingerichtet haben, von denen 80 Prozent so kons­truiert sind, dass der Lehrling nach einem Jahr vermittelt werden muss, weil dann die Förderung ausläuft und seine Ausbildung damit zu Ende ist.

Wie gesagt, 80 Prozent der überbetrieblichen Lehrwerkstätten sind so konstruiert, und 20 Prozent davon sind konstruiert als All-over-Einrichtung. Aber unser Ziel ist und bleibt die betriebliche Berufsausbildung. Derzeit bilden 14,5 Prozent der österreichischen Be­triebe Lehrlinge aus. Das ist eine geringe Anzahl, weil es die Gesamtheit aller Betriebe betrifft. Wir wissen, dass bei vielen Betrieben eine Ausbildung aus verschiedensten Gründen nicht möglich ist, aber klar ist eines: Wenn wir es ernst meinen, dass wir jun­gen Menschen helfen wollen, die aus welchen Gründen auch immer gewisse Probleme haben, sofort auf dem Lehrstellenmarkt unterzukommen, wenn wir es ernst meinen, dass wir ihnen die Hand reichen wollen, dann müssen wir ihnen ein Angebot machen. Und dieses Angebot ist derzeit eine Ausbildung in einer überbetrieblichen Lehrwerk­stätte, und für die ganz schwierigen ist es davor die Produktionsschule. Und beide Mo­delle zeigen: Ja, es funktioniert! Es gibt natürlich da und dort noch Verbesserungsbe­darf, denn man kann immer besser werden, das ist gar kein Thema, aber keine Antwort zu geben, das ist die schlechteste Alternative. Daher gebe ich den jungen Menschen diese Antwort, aber ich bin der glücklichste Mensch, wenn ich eine überbetriebliche Lehrwerkstätte wieder zusperren kann, wenn alle dort in Ausbildung befindlichen jun­gen Menschen in der jeweiligen Region in den Betrieben untergebracht werden können.

Das Zusperren einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte ist überhaupt nicht mein Pro­blem, sondern mein Problem ist, dass es da ein paar Tausend junge Menschen gibt, denen eine Antwort gegeben werden muss, das heißt, denen Zukunft, Hoffnung gege­ben werden muss. Aus diesem Grunde, also dafür, um ihnen eine Ausbildung und eine Qualifikation zu geben, brauchen wir dieses Instrumentarium. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.49


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ebner. Ich erteile es ihr.

 


11.50.25

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich komme aus dem schönen Waldviertel, und ich würde mir wünschen, dass wir auch in unserer Region eine überbetriebliche Lehrwerkstätte etablieren könnten, weil auch das Waldviertel nicht genug Arbeitsplätze für Lehrlinge hat, und da wäre eine überbe­triebliche Lehrwerkstätte sicherlich eine gewisse Zukunftsperspektive für die jungen Men­schen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 60

Die aktuellen Lehrlingsstatistiken für den November zeigen, dass sich der demographi­sche Wandel bereits bemerkbar macht: Die Zahl der Jugendlichen, die in der Lehraus­bildung stehen, ist leicht rückläufig, und die Zahl der Lehrlinge sank, verglichen mit der Statistik für den November des Vorjahres, um 1,3 Prozent auf 128 419 Lehrlinge. Ins­besondere der Blick auf die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr zeigt uns, dass wir bereits auf einen Fachkräfteengpass zusteuern, und daher ist es mehr denn je die Auf­gabe der Politik, noch bessere Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu schaf­fen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle Jugendlichen in Österreich eine Ausbil­dung und damit echte Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen.

Es ist ebenfalls wichtig, dass Jugendliche eine qualitativ hochwertige Ausbildung be­kommen und lernen, sich in den Arbeitsprozess einzugliedern. Da nicht alle Jugendli­chen in den heimischen Betrieben als Lehrlinge unterkommen, bieten die überbetriebli­chen Lehrwerkstätten unserer Jugend Ausbildungschancen an. Sie sind aber kein Auf­fanglager für Jugendliche, die nicht lesen und schreiben können.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die integrative Berufsausbildung. Mit dem heute hier vorliegenden Gesetz ermöglichen wir die Reduzierung der täglichen Ausbildungszeit und stellen damit sicher, dass Jugendliche mit Behinderung genügend Zeit und Raum bekommen, um ihre Ausbildung fertig zu machen.

Die Möglichkeit der „Lehre mit Matura“ wird von unseren Jugendlichen sehr, sehr gerne angenommen. So haben bereits 7 800 Jugendliche – das sind zirka 6,2 Prozent – von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Dies ist gegenüber dem Vorjahreswert eine Stei­gerung von mehr als 23,6 Prozent. Herr Minister, eine wunderbare Einführung, damit auch der Lehrberuf wieder einen höheren Stellenwert bekommt!

Wir dürfen die Augen aber auch davor nicht verschließen, dass die aktuellen Lehrlings­zahlen leicht rückläufig sind und wir daher mittelfristig viele Stellen mit Fachkräften nicht mehr werden besetzen können. Das gefährdet schließlich unser Wirtschafts­wachstum, denn eine ausreichende Zahl an hoch qualifizierten Fachkräften ist ein wichtiger Standortfaktor für unsere Wirtschaft.

Jugendliche ohne Berufsausbildung bekommen konjunkturelle Einbrüche besonders früh, aber auch besonders hart zu spüren. Daher muss es uns gelingen, auf den demo­graphischen Wandel zu reagieren, die duale Ausbildung zu sichern und die Potentiale unserer jungen Menschen bestmöglich zu nutzen.

Mit dem vorliegenden Entwurf des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungs­gesetzes werden zu einem Teil Forderungen der land- und forstwirtschaftlichen Lehr­lingsstellen umgesetzt. Insbesondere betrifft dies die Bestimmungen über die Anrech­nung bei der Teilnahme an internationalen Ausbildungsprogrammen und die Anpassung der integrativen Berufsausbildung sowie die Modernisierung der Bezeichnung der Lehr­berufe der ländlichen Hauswirtschaft.

Im Rahmen der Angleichung des land- und forstwirtschaftlichen Berufausbildungsrech­tes an das gewerbliche Berufsausbildungsrecht sollte die höchst unterschiedliche Zahl der Auszubildenden nicht unberücksichtigt bleiben. So gibt es zirka 300 Lehrlinge im land- und forstwirtschaftlichen Bereich. Nach einer mindestens dreijährigen Verwen­dung als Facharbeiter und einem Vorbereitungslehrgang sowie mit der Vollendung des 21. Lebensjahres dürfen diese Facharbeiter dann zur Meisterprüfung zugelassen wer­den. Im gewerblichen Bereich darf das bereits mit 19 Jahren erfolgen, und es wäre zu überlegen, ob nicht auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft die Ablegung der Meisterprüfung mit 19 Jahren möglich sein sollte. Es wäre auch eine Gleichstellung zwischen gewerblichen und land- und forstwirtschaftlichen Fachkräften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde mit diesem Gesetz ein wichtiges Angebot geschaffen. Viele der im Regierungsprogramm festgeschriebenen Maßnahmen


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 61

können jetzt umgesetzt werden, sodass unsere Jugendlichen jene Ausbildung erhalten können, die sie auch brauchen.

Meine Fraktion wird diesem Gesetzesbeschluss gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.55


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hensler. Ich erteile es ihm.

 


11.55.57

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte ein­gangs etwas sagen, weil es mir wirklich ein Bedürfnis ist.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wenn man sich dieses Bildungsgesetz – ich be­zeichne es so – für die Land- und Forstwirtschaft ansieht, dann kann man mit Fug und Recht sagen: Es geht in die richtige Richtung, denn es dient in erster Linie den jungen Menschen! Ich sage hier ganz bewusst: Danke schön, Herr Bundesminister, für diese Aktivität.

Eines ist aber auch unbestritten: Die Kritik von der Freiheitlichen Partei geht in die fal­sche Richtung! Denn: Es gibt keine Alternative zu diesem Gesetz, das, wie gesagt, in die richtige Richtung geht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Bildung ist ein wichtiges Gut für unsere Kinder, für unsere Bürger. Gerade in der Landwirtschaft haben wir – und ich sage das hier ganz bewusst – große Aufgaben vor uns. Wir sehen es ja Tag für Tag, und jeder, der sich mit der Landwirtschaft intensiv auseinandersetzt, wird das be­stätigen: Was heute aktuell ist, ist morgen überholt! Gerade unter diesem Gesichts­punkt – das möchte ich klar und deutlich sagen – ist Bildung ein unverzichtbarer und – ich möchte es so sagen – unheimlich wichtiger Faktor für unsere jungen Bäuerinnen und Bauern, ebenso für alle jungen Menschen, die in der Landwirtschaft eingebunden sind.

Unsere landwirtschaftlichen Schulen sind Bildungsstätten, sind Eckpfeiler, sie sind schlicht und einfach unverrückbar. Ich möchte es so formulieren: Sie sind Bildungsträ­ger, die den jungen Menschen auf der einen Seite Fachwissen und auf der anderen Seite Allgemeinbildung zukommen lassen.

Meine Damen und Herren, die landwirtschaftlichen Schulen sollen sich einerseits wei­terentwickeln, natürlich dabei auf die Kernkompetenzen konzentrieren, ebenso wichtig ist es aber auch, vielfältiges Wissen und Können in allen Bereichen zu erlernen. Wir alle wissen: Nur der, der auch an das Morgen denkt, wird entsprechende Perspektiven erwarten können!

Ich möchte nun auf etwas zu sprechen kommen, was bereits kurz angesprochen wur­de, nämlich auf das Problem der Abwanderung, das man zweifelsohne nicht verkennen darf. Eines ist unbestritten: Nur gut ausgebildete Menschen haben eine Perspektive be­ziehungsweise eine Chance, in ihrem Beruf vor Ort tätig zu sein.

Mit dieser Änderung des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes modernisieren wir die Ausbildung unserer landwirtschaftlichen Lehrlinge. Wir schaffen damit die Möglichkeit einer flexiblen und wirtschaftsorientierten Ausbildung.

Für sehr wichtig halte ich auch – und das möchte ich abschließend noch sagen – die Ausbildung von Frauen, die in der Landwirtschaft tätig sind. Es wird ja bereits nahezu die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt. Das zeigt einmal mehr, wie auf der einen Seite die Landwirtschaft konsequent und zielführend ihren Weg geht


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 62

und wie flexibel wir auf der anderen Seite in diese Richtung gehen. Jawohl, die Frauen sollen und sie werden die landwirtschaftlichen Betriebe auch in Zukunft aufgrund dieser Ausbildung führen können. Wir von unserer Fraktion – und noch einmal, geschätzter Herr Bundesminister: danke schön! – werden dieser Gesetzesvorlage gerne zustim­men. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.00


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.00.365. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pen­sionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Sozial­versicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungs­gesetz 1957 geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2011 – SRÄG 2011) (1512 d.B. und 1554 d.B. sowie 8619/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (1555 d.B. sowie 8620/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 5 und 6 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 5 und 6 ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. Bitte um die Berichte.

 


12.01.06

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Be­amten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Sozial-versicherungs-Ergänzungs­gesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme nun zum Tagesordnungspunkt 6, zum Bericht über den Beschluss des Na­tionalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkom­mensteuergesetz 1988 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 63

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Beschluss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Pirolt. Ich erteile es ihm.

 


12.02.52

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Außer­halb der Tagesordnung möchte ich vielleicht eines festhalten, was du, Herr Kollege Klug, bereits angesprochen hast. Die zweifelhaften Ergüsse der nach eigener Defini­tion auflagenstärksten Bundesländerzeitung hätten es verdient, glaube ich, dass man dazu wenigstens eine Stellungnahme abgibt. Oder habe ich es übersehen? – Das ist auch möglich. (Bundesrat Mag. Klug: Machen wir noch!) Machen wir, okay; ich glaube, das ist angebracht. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Zum Sozialrechts-Änderungsgesetz 2011: Dieses Gesetz steht, denke ich, unter kei­nem besonders guten Stern, wenn man weiß, dass das Defizit um die 7 Milliarden € aus­machen wird, dass der Rechnungshof 599 Punkte angebracht hat, wo Änderungen even­tuell nötig wären – das betrifft sicherlich auch das Sozialrecht –, und dass die Schul­denbremse ebenfalls angesprochen ist, wobei ja der Konstrukteur dieser Bremse noch immer an einem Bremshebel, sage ich einmal, baut. Da wäre es schon interessant, was passiert wäre, wenn all diese Parameter teilweise vorher schon festgestanden wären. Ich denke, dann wäre dieses Änderungsgesetz anders ausgefallen.

Studien belegen ja, dass, wenn man Reformwillen zeigen würde, in etwa 1,5 Milliar­den € an Sparpotenzial vorhanden wären und auf Länderebene, glaube ich, noch ein­mal rund 500 Millionen €. Wenn man es mit einer vernünftigen Harmonisierung macht, die man einziehen könnte – das heißt: Zusammenführung der Sozialversicherungsträ­ger; Angleichung des Pensionsalters von Männern und Frauen, ich glaube, da könnte man ruhig ein bisschen flotter gendern –, ist das jedenfalls auch ein Weg. Dazu gehört natürlich auch die Angleichung der Beamten an die ASVG-Versicherten im Sozialrecht oder, was weiß ich, die Anhebung des faktischen Pensionsalters.

Wenn ich hier vielleicht ein Beispiel aus Norwegen bringen darf: Ich habe einen Onkel dort oben in diesem Land, er ist 69 Jahre alt, die Tante ist 68. Er arbeitet zu 60 Pro­zent, sie ist diplomierte Krankenschwester und mit 68 nach wie vor zu 50 Prozent im Dienst. Das ist in diesem Land nichts Außergewöhnliches, bei uns ist es fast unvorstellbar.

Weiters wird vielleicht auch die Ärztekammer gefordert sein, was Pensionsantritte und Ähnliches angeht. Da gibt es eine Kostenexplosion. Da habe ich das Gefühl, dass ein­fach zu leicht, sage ich einmal, Atteste ausgestellt werden. Da wird wahrscheinlich zu viel unterschrieben.

Dieses Gesetz betrifft letztendlich natürlich den gesamten Finanzhaushalt. Es wird au­ßerdem vermutlich dann auch Steuererhöhungen geben, mit denen man wiederum den, wie ich es ausdrücken möchte, braven, fleißigen Mittelstand treffen wird.

Das Gesetz als solches zeigt relativ wenig Reformwillen. Daher wird es auch von der freiheitlichen Fraktion nicht unterstützt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemper­le. – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 64

12.06.36

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Mit dem Sozialrechts-Ände­rungsgesetz 2011 werden sicher einige Anpassungen und Detailänderungen im Sozial- und Arbeitslosenversicherungsrecht vorgenommen. Ich möchte nicht verhehlen, dass diese großteils auf Vorschlägen der Sozialpartner beruhen, und ich glaube, dass die Sozialpartner sich sehr wohl etwas dabei gedacht haben, Änderungen vorzuschlagen und diese letztendlich auch bis in die Umsetzung zu beobachten.

Ich glaube, dass Änderungen – wie es bei der Rede von Herrn Bundesrat Pirolt durch­geklungen ist – nicht immer Abstriche und Einsparungen bedeuten müssen, sondern dass intelligente Umsetzungen das nicht bedingen und trotzdem Kosten sparen kön­nen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich möchte daher einige solche Änderungen, solche positive Veränderungen herausgreifen.

Da ist zum einen das sogenannte Übergangsgeld, das gesundheitlich beeinträchtigten ArbeitnehmerInnen gebührt, das im Rahmen des Projekts „Rehabilitation vor Pension“ an berufliche Rehabilitationsmaßnahmen geknüpft ist, an denen die Personen teilneh­men müssen. Dieses wird früher als bisher ausbezahlt. Betroffenen Personen wurde bis­her, befristet für zwei bis drei Monate, eine Invaliditätspension zuerkannt. Nun erhalten diese Personen Übergangsgeld und müssen sich einer Rehabilitation unterziehen.

Ziel dabei ist, dass rund 2 000 Menschen im Erwerbsleben bei einem höheren aktiven Erwerbseinkommen gehalten werden, anstatt sie gänzlich in die Invaliditätspension ab­driften zu lassen, bei welcher die durchschnittliche Höhe von Invaliditäts- beziehungs­weise Berufsunfähigkeitspensionen für Frauen nur 697 € und für Männer 1 064 € aus­macht. Hier geht es nicht um den gerade von Ihrer Partei so gerne behaupteten Miss­brauch dieser Pensionsarten, denn die genannten Pensionshöhen sind zu wenig Geld für ein schönes Leben im Ruhestand. Und mit Erkrankung beziehungsweise gesundheit­lichen Beeinträchtigungen erübrigt es sich ohnehin, von einem schönen Leben zu reden.

Hier ist auch zu erwähnen, dass sich die Sozialpartner im Oktober auf gesundheitsför­dernde Maßnahmen und Qualifikationen geeinigt haben, um das tatsächliche Pen­sionsantrittsalter für Frauen und Männer zu erhöhen. Das Thema Gesundheit im Zu­sammenhang mit Pensionsantritt wurde in den Mittelpunkt gerückt, oder anders formu­liert: Arbeit darf nicht krank machen!

2010 zum Beispiel waren die Gründe für 14 139 Invaliditätspensionen von Personen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren zu 30 Prozent auf psychische Erkrankungen, zu 31 Pro­zent auf Probleme mit Muskeln und Skelett und zu 12 Prozent auf Herz-Kreislauf-Er­krankungen zurückzuführen. Um hier endlich eine im Interesse der Betroffenen liegen­de Trendumkehr zu schaffen, müssen Wirtschaft und Betriebe maßgeblich mitziehen, denn der Übertritt in die Berufsunfähigkeits- beziehungsweise Invaliditätspension er­folgt nach wie vor zu 80 Prozent aus der Arbeitslosigkeit.

Positiv ist auch, dass durch die Gesetzesänderung die mit 2007 geltenden Bestimmun­gen, wonach aus Mitteln der Arbeitsmarktpolitik jährlich 2,5 Millionen € für die Schlecht­wetterentschädigung für BauarbeiterInnen bereitgestellt werden, bis 2014 verlängert werden. In Zeiten, in denen sich die Prognosen für das Wirtschaftswachstum täglich eintrüben, gibt das gerade den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in der Bauwirt­schaft ein zusätzliches Gefühl an Sicherheit.

Mit Sicherheit wird die mit diesem Bundesgesetz mitbeschlossene Anpassung der Pen­sionen wieder eine tragende Stütze der heimischen Wirtschaft in den kommenden Mo­naten sein. Vor allem durch die stärkere Erhöhung niedriger Pensionen wird die Bin­nennachfrage in Gang gehalten. Viel wichtiger ist aber, dass 99 Prozent der Pensio­nisten und Pensionistinnen einen Teuerungsausgleich erhalten. Auch die im Zuge des


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 65

Sparpakets 2011 durchgeführte Streichung des Alleinverdienerabsetzbetrages wird wieder zurückgenommen und kann bis zu einer Pension von 1 750 € geltend gemacht werden. 74 Prozent der Pensionisten und Pensionistinnen haben allein dadurch 30 € mehr pro Monat zur Verfügung. Durch das Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988 geändert wird, kann der Alleinverdienerabsetzbetrag somit bereits bei der Veranlagung für das Jahr 2012 geltend gemacht werden.

Aufgrund der zunehmenden Mobilität von ArbeitnehmerInnen innerhalb der EU wurde es auch notwendig, eine Verbindungsstelle für die Bereiche Kranken-, Unfall- und Pen­sionsversicherung zu benennen. Die Verbindungsstelle Österreichs für den EU-weiten elektronischen Datenaustausch im Sozialversicherungsbereich wird der Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Damit können Doppelgleisigkeiten vermieden werden.

Mit diesem Gesetz wird nunmehr auch für Landes-Vertragsbedienstete die sozialversi­cherungsrechtliche Absicherung während des sogenannten Papa-Monats geschaffen.

Zusammenfassend: Dieses Bundesgesetz enthält zahlreiche Anpassungen und Ver­besserungen, die nicht nur zeitgemäß, sondern in einigen Punkten auch richtungswei­send sind. Zudem sind Elemente enthalten, die einen Beitrag zur Minderung des prog­nostizierten Wirtschaftsabschwungs leisten können, ganz im Sinne unserer sozialen Si­cherheit in Österreich.

Zur Frage der Anhebung des Pensionsanfallsalters bei den Frauen wird es, glaube ich, noch eine große Debatte geben. Und auf Ihre Stellungnahme – die lasse ich in den Raum gestellt – wird die notwendige Antwort gegeben werden, Herr Bundesrat Pirolt! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Gesetzesvorlage werden wir unsere Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.14.32

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherIn­nen zu Hause! Dem vorliegenden Gesetzesbeschluss werden wir auch nicht zustim­men, aber mit ein bisschen anderen Argumenten als die Kollegen von der freiheitlichen Fraktion. Mein Kollege Karl Öllinger, unser Sozialsprecher im Nationalrat, hat einige Ab­änderungsanträge eingebracht, die meines Erachtens wirklich sinnvoll gewesen wären, aber diese wurden von den Koalitionsparteien nicht ausreichend unterstützt.

Ich verstehe, ehrlich gesagt, eines nicht: Auf der einen Seite diskutieren wir – dazu kann man jetzt stehen, wie man möchte –, dass die Schuldenbremse in Verfassungs­rang gehievt werden soll, um sozusagen die Kosten zu senken, auf der anderen Seite haben wir das Faktum, dass wir hier die Gelder nach dem Gießkannenprinzip verteilen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass zum Beispiel Pensionistinnen und Pen­sionisten bis zu einer Einkommensgrenze von 3 300 € eine Erhöhung haben sollen, und diejenigen, die weniger bekommen, sollen eine noch höhere Erhöhung haben. Da­für setzen wir uns ein. Aber was für mich absolut unverständlich ist – und, bitte, erklä­ren Sie das einmal den ZuseherInnen zu Hause –, ist, dass wir an PensionistInnen, die mehr als 6 000 € bekommen, auch 1,5 Prozentpunkte mehr verteilen. Das geht doch auf keine Kuhhaut! – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Dieser PensionistInnenpreisindex dient meines Erachtens nicht da­zu, hier Gerechtigkeit herzustellen. Warum soll jemand, der ein gutes Einkommen hat, gewisse Angebote ermäßigt in Anspruch nehmen können? – Da sollte man doch her­gehen und dies vom Einkommen abhängig machen. Das ist der eine Kritikpunkt.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 66

Der zweite Kritikpunkt ist: Herr Minister, es ist für mich nicht nachvollziehbar, was die Intention dahinter ist, jetzt beim AMS für Menschen, die Beratung und Betreuung in Anspruch nehmen, den Migrationshintergrund zu erfassen. In der Sozialarbeit wissen wir – ich komme aus der Sozialarbeit, und Sie sind ja auch der Sozialminister –, dass man beim Klienten ansetzen muss, bei seinen Fähigkeiten und Potenzialen, aber auch bei den Defiziten, die er mitbringt, und da ist es egal, ob er einen Migrationshintergrund hat oder nicht.

Ich glaube, dass diese Erfassung einerseits zu einem bürokratischen Mehraufwand füh­ren wird, der meines Erachtens unnötig und nicht gerechtfertigt ist, andererseits geben Sie hier einigen populistischen Parteien eine zusätzliche Angriffsfläche, Herr Minister! Besser wäre es, das Angebot beim AMS besser aufzubauen, dass es auf diese Ziel­gruppe abgestimmt ist, dass die Betreuungsintensitäten viel intensivere sind und nicht ein AMS-Betreuer Zighunderte von Jugendlichen zu betreuen hat. Das sind die Probleme!

Deswegen werden wir diesem vorliegenden Gesetz auch nicht unsere Zustimmung ge­ben. – Danke.

12.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.18.05

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseher! Das vorliegende Sozialrechts-Änderungs­gesetz enthält eine Reihe von wichtigen Punkten, bei denen es unter anderem um Be­richtigungen und Anpassungen geht. Ich darf mir auch einige besonders herausnehmen und dazu Stellung nehmen.

Ich fange vielleicht gleich mit dem an, was Kollege Dönmez gesagt hat. Ich habe hier ein bisschen eine andere Auffassung, und zwar folgende: Dieser Migrantenindex wird die Beratungsangebote, glaube ich persönlich, verbessern. Worum geht es? – Gering qua­lifizierte Migranten brauchen mehr Angebote, Information, Beratung, und daher braucht man natürlich auch mehr Daten. Ich weiß, das hören die Grünen nicht so gerne. Von den 1,5 Millionen Personen mit Migrationshintergrund haben ja über eine halbe Million die österreichische Staatsbürgerschaft, zielgerichtete Maßnahmen sind daher notwen­dig. Der AMS-Schwerpunkt Migration ist deshalb meiner Ansicht nach ein wichtiger Bei­trag zur Arbeitsmarktintegration.

Einen weiteren Punkt möchte ich noch ansprechen, und zwar die Überführung der So­zialeinrichtungen der Ziviltechniker in das Sozialversicherungssystem der freiberuflich selbstständig Erwerbstätigen. Das war auch ein etwas längerer Weg, aber ich glaube, das ist ebenfalls eine gute Sache.

Bereits angesprochen worden ist die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. Dort ist jetzt diese Regelung, die ausgelaufen ist, Gott sei Dank verlängert worden. Diese Regelung ist eben mit 2,5 Millionen Schilling bis 2014 verlängert worden.

In Sachen Pension ist, glaube ich, eine verantwortungsvolle Wertanpassung beschlos­sen worden. Ohne Drohungen und Getöse haben die Seniorenvertreter Verantwor­tungsbewusstsein unter Beweis gestellt, aber, ich muss hinzufügen, auch die Regie­rung. Es erhalten ja an die 99 Prozent aller Pensionisten die volle Teuerungsabgeltung von 2,7 Prozent und 1 Prozent der Bezieher erhalten zwischen 2,7 Prozent und 1,5 Pro­zent. Dass also die ASVG-, Gewerbe-, Bauernpensionisten und alle mit einer freiwilli­gen Höherversicherung und fast – ich sage hier fast – alle Beamtenpensionisten diese Erhöhung erhalten, zeugt von Verantwortung gegenüber der älteren Generation. (Bei­fall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 67

Weiters konnte noch eine Maßnahme im Sinne der Gerechtigkeit gesetzt werden, und zwar wurde lange Zeit die Situation beim Alleinverdienerabsetzbetrag kritisiert. Dieser Alleinverdienerabsetzbetrag wird für Pensionistenehepaare bis 1 750 € wieder einge­führt, Gott sei Dank. Das heißt, 74 Prozent der Betroffenen haben wieder mehr Geld in der Tasche. Der Wermutstropfen ist natürlich schon, dass es nicht alle betrifft.

Alles in allem glaube ich, das ist eine gute Gesetzesänderung. Die ÖVP-Fraktion wird dem jedenfalls gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Gruber.)

12.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hunds­torfer. – Bitte, Herr Minister.

 


12.21.53

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sei mir gestattet, ein paar Dinge etwas zurechtzurücken. Ich weiß natürlich, dass es jetzt in der politischen Agitation gut klingt, dass der Rechnungshof 599 Vorschläge gemacht hat, und wenn man die umsetzt, ist alles erledigt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen, was mein Ressort betrifft, mitteilen, es ist bis auf einen Vorschlag alles erledigt. Das haben wir schon gemacht. Schauen Sie einmal, von wann die Rechnungs­hofvorschläge sind, und schauen Sie, was wir wann machen! Ich habe nur einen ein­zigen Vorschlag nicht umgesetzt, den beschließt nächste Woche der Ministerrat, das ist die Reformierung des Opferfürsorgegesetzes. Wenn wir das auch erledigt haben, dann ist der letzte Vorschlag erledigt, der mein Ressort unmittelbar betrifft. Das war einmal zu Punkt eins.

Punkt zwei: Man sagt, die Harmonisierung der Pensionssysteme ist voranzutreiben. Ich lade Sie ein, dass Sie – Sie kommen aus einem Bundesland – dort als Erster den An­trag stellen, dass das, was im Land Kärnten für die Bediensteten des Landes, für die Gemeindebediensteten des Landes gilt, rascher an das Bundesrecht heranzuführen ist. Stellen Sie den Antrag! Wir haben ja eine Autonomie der Länder. (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Klug und Mayer sowie der Bundesrätin Mühlwerth.) – Ja, Frau Bundesrätin Mühlwerth, ich habe ja überhaupt kein Problem damit, dass man sagt, dis­kutieren wir darüber, die Übergangsfristen zu verkürzen. Ich habe kein Problem damit. Das ist nicht mein Thema. (Bundesrat Brückl: bei den Bürgermeistern  ! – Bun­desrätin Mühlwerth: Ja, eh! So ist es!) – Klar ist: Sie sagen da ganz locker, der Bür­germeister und so weiter.

Was war im Nationalrat? – Ich bin geschimpft worden von Ihrer Fraktion, dass die 2,7 Pro­zent dazu beitragen, dass die Pensionisten verhungern in diesem Land. (Bundesrat Mag. Klug: Genau!) Das sind die Worte Ihres Seniorensprechers im Nationalrat gewe­sen. Gleichzeitig fordern Sie eine Verwaltungsreform, gleichzeitig fordern Sie, dass ich die Pensionen nach einem Index erhöhe, den alle Experten dieser Welt ablehnen, mit Ausnahme vom Herrn Abgeordneten  (Bundesrätin Mühlwerth: Und vom Blecha!) – Sogar der Herr Alt-  Präsident Blecha – Entschuldigung, er ist Präsident, aber bei ir­gendeinem Verein, weiß ich, ist er Alt-Präsident. (Heiterkeit.)

Also sogar Herr Blecha weiß, dass der Seniorenpreisindex von den Experten abge­lehnt wird. Ich fange doch bitte nicht an, mit Generationenindizes zu arbeiten. Machen wir uns doch nicht selber das Leben so schwer! Was mache ich dann mit einer Allein­verdienerin mit einem Kind, einer Alleinverdienerin mit drei Kindern, einer Jungfamilie mit zwei Kindern? Dann brauche ich für alles einen eigenen Index. Bitte, hören wir doch endlich auf!


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 68

Wir haben ein Indexsystem mit einem Warenkorb. Jetzt kann man wiederum diskutie­ren, ob der Warenkorb noch zeitgemäß ist oder ob er reformiert gehört. (Bundesrat Mayer: Vielleicht brauchen wir einen Seniorenwarenkorb!) Über das alles kann man diskutieren, aber gehen wir doch nicht weg von diesem einheitlichen Warenkorb, mit dem wir, glaube ich, ganz gut gefahren sind. Das war Punkt eins.

Ich komme zu Punkt zwei. Ich bitte bei aller Nonchalance eines zur Kenntnis zu neh­men: Ein positiver I-Pensionsbescheid kommt aufgrund von drei ärztlichen Gutachten von drei verschiedenen Institutionen zustande, und behaupten Sie bitte nicht, das ist locker unterschrieben! Man muss endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass ein I-Pen­sionsbescheid seit vielen Jahren ein von drei unterschiedlichen Gutachtern erstelltes Gutachten als Hintergrund haben muss, und unterstellen wir den Gutachtern nicht automatisch, sie machen einfach irgendetwas! Begeben wir uns nicht in diese Fahr­lässigkeit! Begeben wir uns dort nicht hinein! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Dass es in einer Population Menschen gibt, die drei Monate später, drei Jahre später als Marathonläufer wieder aufblühen, das haben Sie in jeder Population, seien wir doch nicht so naiv. Ich ärgere mich grün und blau, wenn ich in einer berühmten Fernsehsen­dung sehe:

Ich bin 51, Jurist, in Invaliditätspension, suche flotte Witwe für Freizeitbeschäftigung! – Da ärgere ich mich auch grün und blau. (Heiterkeit. – Bundesrat Ertl: Ein lebenswertes Ziel!) Das ist ja nicht mein Thema, das ist ja überhaupt nicht mein Problem. Aber klar ist: Seit ich Minister bin kann ich locker behaupten, dass hinter jedem Invaliditätspen­sionsantrag drei differenzierte Gutachten stehen, die kann ich nachweisen, die gibt es. Seither hoffe ich auch, dass wir dann nicht wieder Folgendes haben: Marathonläufe­rin – Frühpensionistin. Das haben wir schon gehabt, und dann hat sie sich groß feiern lassen, weil sie den New Yorker Marathon gelaufen ist.

Bei 8 Millionen Menschen ist das so. Lügen wir uns doch nicht selbst an! Ein gewisses Promillerl oder Prozenterl von Menschen, die schauen, wie kann ich links, rechts oder in der Mitte durch, hat man immer irgendwo.

Ich möchte zum Schluss kommen, zum AMS-Migrationshintergrund. Es geht nicht um Diskriminierung  (Bundesrat Dönmez: Das will ich nicht unterstellen!) – Das haben Sie auch nicht unterstellt. Das weiß ich. Was wir heute machen, ist in Wirklichkeit, dass wir eine Datenabfrageermächtigung beschließen, damit zwei Datensysteme miteinan­der reden können, denn in einem Datensystem haben wir die Daten, die wir im ande­ren nicht haben. Und damit der Hauptverband mit dem AMS oder das AMS mit dem Hauptverband über die Datenbanken reden darf, brauche ich diese Ermächtigung. Es ist kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand, außer Sie behaupten, dass, wenn zwei Da­tenbanken da einmal im Monat miteinander reden, das ein Verwaltungsaufwand ist. Es mag ja einer sein, aber Fakt ist, es reden nur zwei Datenbanken.

Worum es geht, wurde ja schon gesagt. Es geht um zielgerichtete Rekurse, es geht um punktuell genauere Kurse und Schulungsangebote, weil wir schlichtweg eine einzige Devise haben: Wir wollen besser werden, um den Menschen, die dieses Besserwerden brauchen, es besser zur Verfügung stellen zu können. Das ist der einzige Leitgedanke, der hier dahinter steckt. Das Ziel ist eine noch bessere Integration, sind noch exaktere Angebote, um den Menschen mit Migrationshintergrund differenzierter helfen zu kön­nen. Sie wissen das am besten: Jemand mit Migrationshintergrund Sachsen-Anhalt braucht einen anderen Schulungskurs als jemand mit Migrationshintergrund von ir­gendwo anders. Das wissen Sie, glaube ich, am besten, dass das unterschiedliche Kur­se sein müssen, und hier wollen wir differenzierter vorgehen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.29



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 69

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. De­zember 2011 betreffend ein Sozialrechts-Änderungsgesetz 2011.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezem­ber 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 ge­ändert wird.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist an­genommen.

12.30.387. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (1506 d.B. und 1584 d.B. sowie 8627/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf zu diesem Tagesordnungspunkt sehr herzlich Frau Bundesminister Doris Bu­res begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gelangen zur Berichterstattung. Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.31.08

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.31.59

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir könn­ten den Umsetzungen der EU-Richtlinien in diesem Gesetz gerne zustimmen. Sie sind aus 2008 und teilweise aus 2003, es wäre eigentlich schon längst an der Zeit gewesen. Warum wir aber der Gesetzesnovelle leider nicht zustimmen können, liegt an anderen


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 70

Dingen, und zwar weil Sie Lehren, die sich in erster Linie aus den Problemen bei der Übertragung des Schienennetzes in Niederösterreich 2010 ergaben, leider nicht so ge­zogen haben, wie wir uns das wünschen.

Die eine Lehre, die Sie gezogen haben, war, wenn es Probleme gibt, wie bei der Wa­chau-Bahn mit dem öffentlichen Verkehr, ob der zulässig ist auf einer Strecke oder nicht, dass es dann so umgesetzt wird, dass man sagt, es wird eben einfacher ge­macht, indem auf Strecken, wo öffentlicher Verkehr eigentlich nicht zugelassen wird, dann beschränkt öffentlicher Verkehr zugelassen wird.

Normalerweise bräuchte man eine Überprüfung der Sicherheitsausstattung, aber das ist jetzt mehr oder weniger gestrichen – das können wir umgehen. Das, was prinzipiell das Problem war bei der Übernahme der Wachau-Bahn, war nämlich, dass man – das hat das BMVIT richtigerweise kritisiert – mehr oder weniger ohne behördliche Geneh­migung eine Strecke bedient, und das haben Sie jetzt sozusagen zum Normalfall ge­macht und damit die richtige Handhabung zur Ausnahme.

Der zweite Punkt ist einer, der unserer Meinung nach eigentlich noch viel dramatischer ist. Es ist die Legalisierung von Schwarzbauten der ÖBB.

Wenn in einem Gesetzesentwurf steht, im § 31 – es ist ziemlich heftig darüber disku­tiert worden –, dass die Aufhebung eines Baubescheides, einer Baugenehmigung durch ein Höchstgericht, und zwar ist das Höchstgericht in dem Fall Verwaltungs- und Verfas­sungsgerichtshof, trotzdem dazu führt, dass man ein Jahr lang weiterbauen kann, dann ist das unserer Meinung nach eine massive Missachtung einerseits des Gerichts, weil das Gericht trifft ja diese Entscheidungen nicht aus Jux und Tollerei, andererseits ist es auch eine Missachtung derer, die das Gericht angerufen haben und die bewirkt haben, dass ein Bescheid aufgehoben wird.

Ich bin der Meinung, das Ziel müsste sein, dass man Bescheide für Bauten, gerade im Infrastrukturbereich, so erwirkt, dass die halten und dass man einfach im Vorfeld schon überlegt, was wird gebaut, wo wird gebaut und wie wird gebaut, und nicht dann sagt, es wird ein Bescheid aufgehoben, und deshalb bauen wir trotzdem weiter. Das ist ein­fach die falsche Umsetzung!

Wir würden uns wünschen, dass künftig die ÖBB-Projekte und auch die ASFINAG-Projekte einfach noch einmal einer Überprüfung unterzogen werden. Wir alle reden von Sparpaketen, Ihr redet von Schuldenbremse. In der Hinsicht könnte man doch einmal überlegen, ob das, was sich im Laufe der Zeit alles angesammelt hat an Projekten, in Zeiten wie diesen wirklich noch umsetzbar ist und wichtig und notwendig ist. Und dann, wenn man sich entschieden hat, kann man auch vernünftige Projekte ausarbeiten, und diese vernünftigen Projekte werden dann sicherlich auch bei der Behörde durchgehen und die Bescheide werden nicht aufgehoben. (Bundesrat Gruber: Das redet sich alles so einfach!)

Mit der Umsetzung eines Punktes, mit einer Lehre aus Niederösterreich, die Sie gezo­gen haben, sind wir schon sehr wohl einverstanden, und zwar sind das die Probleme bei der Interessentensuche.

In Niederösterreich war es ja so, dass die Nebenbahnen vom Land übernommen wur­den. Dann wurde versucht, einen Betreiber zu finden. Es hätten sich dann bei man­chen Linien auch Betreiber gefunden, aber das Land Niederösterreich hat gemeint: Das interessiert uns trotzdem nicht. Dass das künftig so nicht mehr umgesetzt werden kann, das ist erfreulich. Aber insgesamt und insbesondere in Bezug auf diese Schwarzbauten-Geschichte können wir der Novelle leider nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

12.36



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 71

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Boden. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.36.26

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Diese Novelle zum Eisenbahngesetz beschließen wir heute mit einjähriger Verspätung. Bei den Österreichischen Bundesbahnen, einem der größten Verkehrsunternehmen in Österreich, messen wir die Verspätungen Gott sei Dank nur in Minuten.

Geschätzte Damen und Herren! Worum geht es hier bei diesem Gesetz? – Der Hinter­grund ist, technische Unterschiede auf europäisches Niveau zu heben und einheitliche Systeme zu schaffen, zum Beispiel um dem Lkw-Verkehr Konkurrenz bieten zu kön­nen.

Unterschiedliche Spurweiten führen dazu, dass wir nicht mit allen Waggons die glei­chen Strecken benützen können. Verschiedene Zugssysteme sind nicht kompatibel oder interoperabel, verschiedene Stromsysteme behindern natürlich auch den Zugs­verkehr. Und ganz wesentlich: Verschiedene Dienstvorschriften, Sozialstandards und Normen werden auch hier verbessert.

Ein genereller Unterschied ist der Sicherheitsstandard. Genau dort, glaube ich, muss man ansetzen, wenn man weiß, dass viele Verkehrsunternehmen auf den Schienen der Österreichischen Bundesbahnen unterwegs sind.

Die Novelle ist ein wichtiger Schritt hin zum langfristigen Ziel, Europas Eisenbahnnetz im Bereich der Technik, Sicherheit, Rahmenbedingungen zu harmonisieren und zur In­teroperabilität auszubauen.

Zum Jahresende, geschätzte Damen und Herren, möchte ich aber nicht verabsäumen, mich auch bei den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern sehr herzlich dafür zu bedan­ken, dass sie immer wieder bereit sind, Tag und Nacht, sonn- und feiertags, zu jeder­zeit für den öffentlichen Dienst parat zu stehen und ihre Leistungen abzuführen.

Komplett kontraproduktiv finde ich natürlich immer wieder, wenn Mandatare bei Inter­views im Fernsehen nur einen Satz im Kopf haben, nämlich: Die Eisenbahner gehen ohnedies mit 53 in Pension! Jeder, der sich schon intensiver mit dieser Materie befasst hat, weiß, dass alle Eisenbahner, die nach 1995 angefangen haben, im ASVG sind und frühestens mit 61,5 Jahren in Pension gehen können. Und daher möchte ich diese Aussagen entschieden zurückweisen. Es ist auch nicht förderlich, wenn man die Eisen­bahner, die sich wirklich mit vollem Einsatz für ihr Unternehmen einsetzen, so diskrimi­niert. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

Auch wenn immer wieder Eisenbahner von Dienst wegen schon früher in Pension ge­schickt werden, muss man dennoch sagen, meist geschieht das nicht, weil sie freiwillig gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Wenger zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.40.07

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Vielleicht einen Nachsatz, Frau Kollegin Kerschbaum, was den § 31 an­belangt. Es wird hier so dargestellt, als könnten die ÖBB Schwarzbauten hinbauen, wie es ihnen gefällt. Dem ist natürlich nicht so. Dieser Absatz 1 gilt natürlich nicht, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde, die zur Aufhebung des Genehmigungs­bescheides geführt hat, die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat. Diesen Umstand


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 72

haben wir auch in vielen anderen Bereichen, bei der Baugenehmigung, im Wasser­recht und so weiter. Es ist also von dem her nichts Neues.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hinsichtlich der Schienennetze besteht Eu­ropa aus vielen historisch gewachsenen nationalen Bahnsystemen mit unterschiedli­chen technischen Standards, was einen grenzüberschreitenden Bahnverkehr wesent­lich erschwert. Dies führt dazu, dass bei internationalen Zügen in den Grenzbahnhöfen vielfach die Loks ausgetauscht werden müssen, und wenn man Pech hat, geht es im Extremfall sogar so weit, dass die Fahrgäste umsteigen oder auch Güter umgeladen werden müssen – also eine völlig unbefriedigende Situation.

Das Europa des 21. Jahrhunderts braucht mehr denn je ein Eisenbahnsystem, das transeuropäische Mobilität und Sicherheit gewährleistet. Daher sind die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene unbedingt erforderlich geworden, wie bereits angeführt wurde. Es geht im Grunde genommen um die technische Harmoni­sierung, und diese technische Harmonisierung ist letztendlich Basis für die Errichtung beziehungsweise die Eignung des transeuropäischen Eisenbahnsystems für einen si­cheren und durchgehenden Zugsverkehr.

Auf der Ebene der Europäischen Kommission wurde für diese Thematik ein Ausschuss gegründet. Dieser setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten und unter dem Vorsitz der Europäischen Kommission zusammen.

Da die Europäische Kommission erwartet, dass die Vertreter der Mitgliedstaaten die In­formationen und vor allem die Entscheidungen des Ausschusses an den Eisenbahn­betreiber beziehungsweise an den Eisenbahnsektor des jeweiligen Mitgliedstaates wei­tergeben, hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie zu die­sem Zweck eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet.

Vorrangig werden folgende Ziele verfolgt: Festlegung eines Mindestniveaus, techni­sche Harmonisierung der nationalen Eisenbahnsysteme, Erleichterung und Verbesse­rung der Entwicklung von grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrsdiensten innerhalb der EU, aber auch mit Drittländern, Verwirklichung eines Binnenmarktes für den Bau und für die Funktionsfähigkeit eines transeuropäischen Eisenbahnsystems.

Ganz wichtig: Ausgenommen von der Umsetzung dieser EU-Richtlinie sind Nostalgie­schienenfahrzeuge und Schienenfahrzeuge für lokal begrenzten Einsatz. Diese Aus­nahme trifft vor allem die Regionalbahnen beziehungsweise Sekundärbahnen, die zur Abwicklung des Verkehrs von und zu den Anschlussbahnen eingesetzt werden, zum Beispiel, wenn ich an Salzburg denke, die Pinzgauer Lokalbahn. Ich glaube, es ist für die Länder eine ganz wichtige Bestimmung, dass diese Bahnen davon ausgenommen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Verwirklichung des transeuropäischen Ei­senbahnsystems ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil für ein modernes und mobi­les Europa, sondern auch eine möglichst umweltfreundliche, zuverlässige und sichere Verkehrsalternative für den Personen- und Güterverkehr.

In diesem Sinne wird die ÖVP-Fraktion der vorliegenden Gesetzesänderung zustim­men. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.44.42

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Der Kollege Boden hat formuliert, mit diesem Gesetz sollen die Un-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 73

terschiede auf ein europäisches Niveau gehoben werden. Ich hoffe, dass die Unter­schiede ausgeglichen werden und in Zukunft nicht mehr bestehen werden.

Auf diesem Gebiet wird eine Vereinheitlichung von Normen, Regelungen und Betriebs­weisen angestrebt, die es in anderen Sektoren bereits seit Langem gibt. Bei der Zulas­sung von Kfz, im Mobilfunk und so weiter gibt es einheitliche Standards, es ist also hoch an der Zeit, dass das auch im Eisenbahnwesen auf europäischer Ebene vorange­trieben wird. Schlussendlich sind es diese Vereinheitlichungen, die es ermöglichen, dass der deutsche ICE bis Wien fährt und dass der österreichische Railjet nach Buda­pest und nach Zürich fahren kann. Dass da noch Handlungsbedarf gegeben ist, soll mit diesem Gesetz hier zum Ausdruck gebracht werden.

Wie der Vorredner bereits gesagt hat, ist es auch positiv zu vermerken, dass die Ne­benbahnen ausgenommen sind. Ausgenommen sind ausdrücklich nicht die vernetzten Nebenbahnen, beispielsweise Zubringer zu Güterterminals oder Häfen, die von hoher Sicherheitsrelevanz sind, sondern wirklich nur Nostalgiebahnen und echte Nebenbah­nen. Ich glaube, es ist durchaus gerechtfertigt, diese Ausnahme zu machen. Wenn man die Kostenrelation betrachtet, wird klar, dass man nicht Gefahr laufen sollte, durch übersteigerte Forderungen schlussendlich die Nebenbahnen schließen zu müssen, weil sie diese Investitionen nicht mehr bewältigen können.

Ein wesentlicher Punkt ist natürlich die Steigerung der Sicherheit, vor allem beim Wag­gonmaterial. Ich sehe selber, wie viele polnische Güterwaggons täglich nach Leoben-Donawitz rollen. Wenn da ein einheitlicher Sicherheitsstandard ist, so ist das ausge­sprochen positiv.

Den Grünen muss ich noch etwas sagen: Die Kritik an dieser einjährigen Weiterbau­möglichkeit nach Oberstgerichtsentscheidungen ist angebracht für jene, die ein techni­sches Verständnis haben, das sich im Betätigen von Lichtschaltern erschöpft; aber wenn man die Komplexität von Bauvorhaben – gerade die Eisenbahn hat auch sehr viele Tunnelbauvorhaben – betrachtet, so wird einem klar, dass man ein solche Bau­stelle nicht einfach ausschalten kann. Da sind nach einem allfälligen Baustopp sowohl umwelt- als auch sicherheitsrelevante Maßnahmen notwendig. Das gilt für die Siche­rung, das gilt für die Wasserhaltung. (Bundesrätin Kerschbaum: Ein Jahr lang?!)

Das kann durchaus ein Jahr erreichen. Es müssen laufend Beobachtungen, Messun­gen et cetera durchgeführt werden. Niemand ist so naiv, zu sagen, der Bauherr wird jetzt munter drauflosbauen, sondern im Falle eines Baustopps bis zu einer endgültigen Entscheidung werden nur mehr jene Maßnahmen durchgeführt, die in umweltpoliti­scher Hinsicht notwendig sind.

Das heißt summa summarum: Wir werden diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Bu­res. – Bitte, Frau Minister.

 


12.48.40

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr herzlich für diese konstruktive Diskussion zu dieser Novelle zum Eisenbahngesetz.

Ich führe Diskussionen in diesem Zusammenhang oft in einer ganz anderen Stimmung, aber trotzdem mit großer Leidenschaft, weil ich glaube und davon überzeugt bin, dass die Schieneninfrastruktur, ein gut ausgebautes Schienennetz und ein gut funktionie­render Personen- und Güterverkehr für die Lebensqualität eines Landes ganz ent­scheidend sind.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 74

Wir werden heute mit dieser Novelle, in der es – Sie haben es ja erwähnt – um die Um­setzung einer EU-Richtlinie geht, einen Beitrag dazu leisten, dass es auch zu einer stärkeren Harmonisierung der technischen Ausstattungen der europäischen Bahnen insgesamt kommt.

Man könnte sich die Frage stellen: Warum haben wir in Europa überhaupt so viele unterschiedliche Systeme? Wir haben unterschiedliche Gleisbreiten, unterschiedliche Stromversorgungen, unterschiedliche Sicherungssysteme. Das hat natürlich mit der langen Geschichte der Eisenbahn zu tun. Die Eisenbahn hatte zur Zeit ihrer Ent­stehung nicht den Schwerpunkt, den sie heute hat, nämlich den friedlichen Zweck, die Mobilität der Menschen umweltfreundlich zu organisieren, sondern es ist darum gegan­gen, sich von anderen Ländern abzuschotten, um Kriegsmaterial zu transportieren.

Man wollte damals, als die ersten Eisenbahnstrecken gebaut wurden, durch unter­schiedliche Technologien ganz bewusst verhindern, dass Züge in ganz Europa fahren können. Vielmehr wollte man für den Kriegsfall eine Abschottung, die Bahn sollte vor allem für kriegerische Zwecke eingesetzt werden.

Ich habe das erwähnt, weil – und das wird bei allen kritischen Diskussionen um die Zu­kunft der Europäischen Union erwähnt – diese neue Eisenbahn ein Zeichen dafür ist, dass Europa zusammenwächst, dass Europa auch ein Friedensprojekt ist und dass die Bahn heute die Menschen verbinden und ihnen die Möglichkeit geben soll, mit dieser Technologie umweltfreundlich durch Europa zu reisen, mobil zu sein. Daher freue ich mich über die große Zustimmung zu diesen technischen Angleichungen, zu dieser Har­monisierung, auch in den Sicherheitssystemen in Europa.

Was die Änderung, die angesprochen und in der Diskussion deutlich wurde, betrifft: Es gibt die Forderung, dass, wenn es aus irgendwelchen formalen Gründen zu einer Auf­hebung eines Baubescheides kommt, es sofort zu einem Einstellen dieser Baustelle kommen soll. Das ist nicht möglich. Das war auch in der Vergangenheit nicht so. Das sind Riesenbaustellen, wo es um sehr intensive Sicherungsmaßnahmen geht. Das sind Baustellen, wo sich sehr teure, hochtechnische Anlagen befinden, die natürlich auch abgebaut werden müssen.

Deshalb muss da Zeit gegeben werden, um neuerlich die Chance zu haben, diese Pro­jekte, die ja in Wirklichkeit Umweltprojekte sind – das sage ich im Besonderen den Grünen –, fertigzustellen. Wir haben auch in vielen anderen Bereichen, im Übrigen auch in der Gewerbeordnung, wenn es um Industrieanlagen geht, die eben Siche­rungsmaßnahmen brauchen, diese analoge Regelung, wie sie heute hier vorgesehen ist.

Abschließend noch einmal herzlichen Dank dafür, dass grundsätzlich die Bedeutung der Bahn in Zeiten wie diesen nicht in Frage gestellt wird. Wir wissen, dass dieses The­ma gerade bei Diskussionen um den Klimaschutz sehr aktuell ist. Hätten wir die Bahn in Österreich nicht, hätten wir jedes Jahr 3,5 Millionen Tonnen CO2 mehr in unserer Luft. Dann würden wir sagen, das ist nicht mehr Luft zum Atmen, sondern Luft zum Schneiden.

Wir befördern heute mit der Bahn so viele Menschen wie noch nie in der Zweiten Re­publik. Die Eisenbahn fährt so viele Züge und Kilometer wie noch nie in der Zweiten Republik. Das ist gut für die Mobilität der Menschen, das ist gut für den Klimaschutz und das ist gut für die Lebensqualität Österreichs. Daher noch einmal: Danke für die konstruktive Diskussion! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 75

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.53.518. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung von Weltraumaktivitäten und die Einrichtung eines Welt­raumregisters (Weltraumgesetz) (1466 d.B. und 1585 d.B. sowie 8628/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um den Bericht.

 


12.54.02

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung von Weltraumaktivitäten und die Einrichtung eines Weltraumregis­ters (Weltraumgesetz).

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Lampel. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.54.58

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wissen Sie noch, was im Oktober 1991 war? Österreich schrieb damals erstmals Weltraumgeschichte, als nämlich Franz Viehböck als erster Österreicher im Rahmen des Projektes “Austromir-91“ ins All flog. Heute, zwei Jahrzehnte später, schreibt Österreich wieder Weltraumge­schichte.

Wir beschließen mit dem Bundesgesetz über die Genehmigung von Weltraumakti­vitäten und die Einrichtung eines Weltraumregisters das erste österreichische Welt­raumgesetz. Wozu brauchen wir eigentlich dieses Gesetz?, das werden sich viele Zu­seherinnen und Zuseher natürlich fragen.

Österreich wird im Frühjahr 2012 erstmals zwei kleine, von österreichischen Universi­täten eingesetzte Forschungssatelliten, sogenannte Nanosatelliten, ins Weltall schi­cken, die mit einer Spezialkamera helle Sterne erforschen sollen. Diese wissenschaft­lichen Satelliten zum Zwecke von astronomischen Beobachtungen werden mit einer in­dischen Trägerrakete ins Weltall befördert. Auch wenn der Start außerhalb Österreichs erfolgt, ist Österreich laut internationalem Recht erstmals Startstaat.

Durch den Weltraumvertrag 1967 haftet Österreich als Startstaat für Schäden, die durch seine Weltraumgegenstände, wie zum Beispiel Satelliten, anderen Vertragsstaa­ten zugefügt werden. Das heißt, die Republik haftet aufgrund dieser völkerrechtlichen Haftung. Der Schadenersatz beziehungsweise, kurz gesagt, die Kosten bleiben an der Republik hängen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 76

Mit dem heute zu beschließenden Gesetz wird für eventuelle Schadensfälle durch ös­terreichische Weltraumgegenstände Vorsorge getroffen. Dieses Gesetz soll verhin­dern, dass es durch unbewilligte österreichische Weltraumgegenstände unkontrolliert zu Schäden und damit verbundenen Haftungsfragen kommt.

Der vorliegende Gesetzentwurf schafft Rechtssicherheit durch die Einrichtung eines verpflichtenden Genehmigungsverfahrens für Weltraumaktivitäten, durch die Einfüh­rung eines Nationalen Weltraumregisters und durch die Einführung von klaren Verant­wortlichkeiten für Betreiber von Weltraumaktivitäten. Außerdem wurde in diesem Ge­setz festgeschrieben, dass diese Weltraumtechnologien nur friedlich genutzt werden dürfen und Weltraummüll vermieden werden soll. Nach einer zweijährigen Missionszeit werden diese beiden Nanosatelliten rund 100 Jahre im Weltraum verbleiben, danach werden sie verglühen.

Österreich hat sich bisher bereits als Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation, ESA, dem europäischen Tor zum Weltraum, aktiv an diversen Projekten und Program­men beteiligt. Mit diesen beiden eigenen Satelliten im Frühjahr 2012 macht Österreich einen riesigen Schritt nach vorne, einen Quantensprung im Bereich der Weltraumtech­nologie, und sorgt damit hoffentlich auch für einen riesigen Schub in der österreichi­schen Forschungsindustrie, was natürlich auch Wertschöpfung und Arbeitsplätze be­deutet.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Frau Bundesministerin und ihren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern für die Initiative zu diesem Gesetz. Dass dieses Gesetz sehr gut ist, zeigt schon der Umstand, dass alle Redner Proredner sind. Meine Partei wird diesem Gesetz auf jeden Fall zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bun­desrates Zangerl.)

12.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Köberl zu Wort. – Bitte.

 


12.58.33

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Man könnte sagen: Austria goes space.

Mit diesem Gesetz, das wir heute schon ein bisschen vom Kollegen Lampel erläutert bekommen haben, und mit der Debatte, die wir heute im Bundesrat abführen, treten wir, was die österreichische Raumfahrt betrifft, in ein neues Zeitalter ein. Wir werden zum sogenannten Startstaat und sind damit auch verpflichtet, internationales Recht umzusetzen.

Wir haben es gehört: Bereits seit 1967 gibt es diese Weltraumverträge, und mit dem Start der beiden Satelliten müssen wir den Artikel 2 erfüllen, der heißt: „Wird ein Welt­raumgegenstand in eine Erdumlaufbahn oder darüber hinaus gestartet, so registriert der Startstaat“ – in diesem Fall Österreich – „den Weltraumgegenstand durch eine Ein­tragung in ein entsprechendes von ihm zu führendes Register.“

Nun, was sind diese beiden Nanosatelliten, wie sie genannt wurden, mit den Namen „TUGSAT 1“ und „UniBRITE“? – Das sind eben diese Kleinstsatelliten. Damit man sich die Größe vorstellen kann: Das sind Dinge, die etwa ein Ausmaß von 20 mal 20 mal 20 Zentimetern haben und eine Masse, ein Gewicht von rund 8 Kilogramm – also keine großen Satelliten, wie wir sie uns vielleicht vorstellen und wie sie uns aus Bildern be­kannt sind. Sie beinhalten aber eine neue Technologie, die gemeinsam mit der Univer­sität in Toronto und mit der Universität in Graz und auch mit der Universität in Wien entwickelt wurde.

Beide zusammen bilden die „BRITE-Austria“-Constellation. Diese soll mittels präziser Sternekamera, wie wir schon gehört haben, massive Sterne, vor allem die Helligkeit,


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 77

ohne Störung durch die Erdatmosphäre untersuchen. Beide Satelliten werden von ei­ner gemeinsamen Rakete in Indien gestartet.

Wir haben es gehört, und es ist auch durch die Nachrichten gegangen: Vor wenigen Tagen wurde vom Kepler-Teleskop ein neuer Planet entdeckt, ein Zwilling der Erde, der möglicherweise auch bewohnbar sein könnte. Das ist der spektakuläre Bereich der Weltraumforschung, und wir hatten Gelegenheit, bei unserem Besuch mit der Frau Prä­sidentin in Chile auch das Hauptquartier der Europäischen Südsternwarte ESO zu be­suchen. Was uns dort berichtet wurde, war faszinierend und lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Eigentlich wissen wir, dass wir nichts wissen, denn von den bekann­ten Vorgaben ist jetzt bekannt, dass rund 70 oder 80 Prozent der Materie im Weltraum nicht bekannt sind. Es handelt sich um dunkle Energie und dunkle Masse, die für uns bis jetzt noch nicht zugänglich sind. Also ein interessantes wissenschaftliches Thema.

Viele werden sich aber fragen: Was bringt uns das wirtschaftlich?, und das sei auch einmal erwähnt: Der Weltraumsektor ist bei uns derzeit mit über 100 Firmen vertreten, die sich direkt oder indirekt mit dieser Technologie auseinandersetzen, wobei es da über 1 000 Mitarbeiter gibt. Der Umsatz von rund 125 Millionen € im letzten Jahr ist ei­ner, der ständig anwächst und eben ein deutliches Zusatzwachstum aufweist.

Es gibt heute kaum eine Mission der NASA oder der ESA, die nicht mit österreichi­schen Komponenten in der Technologie ausgestattet ist. Die Technische Universität in Graz – das darf ich als Steirer trotzdem besonders betonen – ist in dieser Frage fe­derführend tätig, gemeinsam mit der TU in Wien und mit der Universität in Toronto. Die modellhafte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten zu diesem besonders erfreu­lichen Ereignis hat eigentlich über den Weg geführt, dass dieses Projekt gemeinsam mit den Studenten in einer jahrelangen Forschungsarbeit entwickelt wurde.

Der zweite Teil dieses Gesetzes beinhaltet Haftungsfragen, die der Kollege schon aus­geführt hat, und das Dritte ist die friedliche Nutzung des Weltalls.

In Anbetracht der Länge der heutigen Tagesordnung darf ich zum Schluss kommen mit den Worten: Wir von der ÖVP werden dieser Gesetzesvorlage selbstverständlich zu­stimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.03.20

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Wir haben es hier mit einem klassischen Fall von Anlassgesetzgebung zu tun, aber aus­nahmsweise im positiven Sinne. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mayer.) Es wurde von meinen Vorrednern schon viel Richtiges gesagt; ich werde darauf verzich­ten, dieses zu wiederholen.

Lassen Sie mich nur hinsichtlich der Innovation vier aus meiner Sicht wesentliche Din­ge herausstreichen. Besonders erfreulich ist ja, dass einer dieser Satelliten den Namen „TUGSAT“ hat, und „TUG“ steht für „Technische Universität Graz“, was mich als Stei­rer ganz besonders freut.

Es wird einerseits ein Aspekt der Grundlagenforschung beleuchtet, nämlich: Über die Helligkeitsunterschiede von sehr hellen Sternen sollen Rückschlüsse auch auf die Gründe, auf die Urgründe unseres Universums gezogen werden.

Der zweite Teil ist die praktische Anwendung dieser Nanosatelliten, dieser kleinen, kompakten Bauart, und der Entwicklung der komplexen Steuerung für die Stabilisie­rung dieser Satelliten.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 78

Das besonders Erfreuliche ist, dass es sich hier um Arbeiten handelt, die nicht quasi im Elfenbeinturm der Universität entwickelt werden und durchgeführt werden, sondern dass hier eine breite Einbindung der Studenten erfolgt.

Und das vierte Erfreuliche ist die internationale Zusammenarbeit mit anderen Universi­täten, die bereits erwähnt wurde.

Einer der Partner, die da dabei sind, ist natürlich auch die FFG, die Forschungsför­derungsgesellschaft. Und meine Hoffnung für die Zukunft und meine Bitte ist, dass auch in Anbetracht von Sparpaketen und Schuldenbremsen – wir wissen ja, auch das Förderungswesen wird nicht von Einschnitten verschont bleiben – auf diesem Gebiet, auf diesem zukunftsträchtigen und vorbildhaften Gebiet der Forschung auch in Zukunft entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden können. – Danke. (Bei­fall bei der FPÖ.)

13.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminister Bu­res. – Bitte.

 


13.05.43

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Vor­sitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch bei dieser Debatte bedanke ich mich für die Ausführungen, in welchen die Bedeutung von Weltraumtechnologien zum Ausdruck gekommen ist. Es gibt ja so viele Dinge in unserem täglichen Leben, bei denen wir mit Weltraumtechnologie konfrontiert sind, bei denen wir aber gar nicht daran denken – ob das das alltägliche oder fast stündliche Telefonieren am Handy ist, ob das Navigationssysteme sind, ob das Telebanking ist, all das hat sehr eng auch mit Weltraumtechnologien zu tun.

Daher ist es auch für den österreichischen Forschungs- und Technologiestandort so wichtig, dass wir in diesem Segment weltweit Anerkennung finden können. Wir haben über tausend Forscherinnen und Forscher, die in diesem Bereich wirkliche Topqualität leisten, ob das in industriellen Firmen in Österreich ist, ob das an den Universitäten in Österreich ist, aber auch in außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Und diese enge Zusammenarbeit führt schon auch dazu, dass es kaum eine Mission, weder der ESA noch der NASA, gibt, bei der nicht Technologie made in Austria dabei ist. Und was jetzt neu dazukommt: Jetzt werden zwei eigene österreichische Satelliten im Früh­jahr in Indien mit einer Trägerrakete ins Weltall befördert. Deshalb brauchen wir dieses Gesetz. Es regelt drei wesentliche Dinge, die damit in Verbindung gebracht werden müssen.

Das Erste, das geregelt wird, ist, dass es ein Nationales Weltraumregister geben muss und Österreich sich den internationalen Verpflichtungen anschließt. Das Zweite sind Haftungsfragen, die durch dieses Weltraumgesetz geregelt werden. Und das Dritte – und das ist mir auch wichtig – ist, dass wir diese Weltraumtechnologie, so wie wir das insgesamt in der österreichischen Technologiepolitik immer anstreben, immer nur für friedliche Zwecke nutzen und im Sinne eines Mehr, auch was den gesellschaftlichen Zusammenhalt, was gesellschaftlichen Fortschritt betrifft. Es sind Technologien, bei denen es darum geht, dass diese einen friedlichen Nutzen haben sollen, bei denen es darum geht, dass wir im Bereich von Forschung und Technologie neue Erkenntnisse gewinnen sollen – es wurde ja auch angesprochen, dass ein Planet entdeckt wurde, der möglicherweise sozusagen als Zwilling der Erde bezeichnet werden kann. Um die­sen Fortschritt geht es, und das schreiben wir in diesem Gesetz auch so vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir werden uns vor Weihnachten nicht mehr sehen, weil keine Sitzung des Bundesrates mehr stattfindet – und es gibt ja kaum eine Bundesratssitzung, bei der ich nicht auch dabei sein darf und mit Ihnen


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 79

Diskussionen zu all diesen Bereichen führen darf. Ich möchte mich für die Zusammen­arbeit im letzten Jahr bei Ihnen recht herzlich bedanken. Ich glaube, wir haben im Be­reich der Forschung, der Verkehrs- und Mobilitätspolitik gemeinsam wirklich viel weiter­gebracht, auch über alle Parteigrenzen hinweg. Ich wünsche Ihnen erholsame, friedli­che und schöne Feiertage und alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

13.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herzlichen Dank. Das wünschen wir Ihnen auch!

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.09.439. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geän­dert werden (1604 d.B. sowie 8612/BR d.B. und 8634/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nunmehr zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Ich darf zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt Herrn Staatssekretär Dr. Oster­mayer bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Bitte um den Bericht.

 


13.10.21

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Fraktionsobmann Mag. Klug. – Bitte.

 


13.11.31

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir beschließen mit die-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 80

sem Tagesordnungspunkt auch im Bundesrat die Nulllohnrunde für den Bundesrat. Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Es liegt auf der Hand, dass wir mit einer Nulllohnrunde keinen sehr maßgeblichen Einsparungseffekt für den öffentlichen Haushalt erzielen. Aber es ist klar, dass wir damit einen politischen, symbolischen Ansatz mittragen, der sinn­gemäß lautet: Wenn wir vor dem Hintergrund der Entwicklung des öffentlichen Haus­haltes versuchen, nicht nur unsere Finanzen, sondern auch unsere Währung einiger­maßen stabil zu halten und in Zukunft von der Bevölkerung erhoffen, dass sie Spar­maßnahmen mitträgt, dann setzen wir mit dieser heutigen Nulllohnrunde im Bundesrat auch ein Zeichen – wenn auch nur ein symbolischer Akt, aber ein Zeichen –, dass wir auch bei uns selbst einen Beitrag dazu leisten wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist unter dem Strich de facto seit Mitte 2009 nichts anderes als eine Kürzung der Politikerbezüge in ganz bestimmten schwierigen Zeiten, die es uns im Moment nicht sehr einfach machen. Wir haben in der Gestaltung und in der Politikausübung auch schon angenehmere und ruhigere Zeiten gehabt, nicht nur bei uns im Bundesrat, sondern auch in den Landtagen und im Nationalrat.

Klar ist aus meiner Sicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir gerade vor diesem Hintergrund der aktuellen Debatte zum Bundesrat im Gesamten einen kleinen Beitrag leisten und sagen: Jawohl, wir erkennen auch den Ernst der Situation. Jawohl, wir wol­len auch einen Beitrag leisten. Klar ist aber auch – und insofern, Kollege Pirolt, hat es dieser Aufforderung nicht bedurft; ich hätte das bei dieser Gelegenheit gerne ge­macht –, dass ich gerne zwei Gedanken zu dieser generellen Debatte des Bundesrates kurz aus meiner Sicht einbringen möchte.

Sicherlich könnte man ganz einfach sagen, das meiste sparen wir ein, indem wir den Bundesrat zur Gänze abschaffen. Das ist ein sehr einfacher Zugang zur Gesamtthe­matik. Klar ist aber aus meiner Sicht auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Kern der Frage darin besteht: In welcher Form möchten die Länder an der Bundesge­setzgebung teilhaben? Das gilt es grundsätzlich zu klären. Und dass die Interessen sehr divergierend sind, ist nachvollziehbar. Ich sage das durchaus auch in Anwesen­heit des Staatssekretärs. Aus der Sicht des Bundes hat es einen gewissen Charme, wenn es ein bisschen einfacher und ruhiger wird im Rahmen der Bundesgesetzge­bung. Das ist durchaus etwas Menschliches und kann man, glaube ich, auch anspre­chen. Aus der Sicht der Länder stellt sich natürlich die Frage: In welcher Form be­stimmt man mit im Wege der Bundesgesetzgebung?

Dass es da gewisse divergierende Interessen gibt, das ist auch nachvollziehbar. Ich halte es nur meines Erachtens für einen an sich vernünftigen Zugang, wenn sich die maßgeblichen Kräfte diesen grundsätzlichen Fragen stellen und sich Zeit nehmen, sich damit auch auseinanderzusetzen. Einer unserer Kollegen hat gesagt: Na ja, eigentlich sollten auch die Landeshauptleute wissen, in welcher Form sie sich aktiv im Zuge der Bundesgesetzgebung für ihr Bundesland einbringen wollen. Ich glaube, dass das eine Kernfrage ist, die gemeinsam zu lösen ist.

Wenn Kollege Pirolt heute angesprochen hat, dass man im Moment ein bisschen me­dial getrieben wird in der Berichterstattung, dann attestiere ich dieser Tendenz grund­sätzlich einmal Zustimmung. Aber ich sage auch ganz deutlich: In der Quantität liegt nicht immer die Qualität. Wenngleich ich in diesem Zusammenhang zu unseren eige­nen Überlegungen aufgrund unserer praktischen Erfahrungen durchaus gerne auf die mitteleuropäische Kulturtechnik des Lesens verweisen möchte und daher unsere ein­schlägigen Lektüren empfehle. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Weil Sie, Frau Kollegin, Salzburg angesprochen haben, sage ich das jetzt so ein biss­chen, nicht außer Protokoll, aber in meinem Körper schlagen zwei Herzen, nämlich auf der einen Seite mein erster Beruf des gelernten Drehers und auf der zweiten Seite der Jurist. Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, Frau Kollegin Mühlwerth, wenn ich das


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 81

lese, was der Landeshauptmann-Stellvertreter aus Salzburg und gelernte Jurist zu grund­sätzlichen Überlegungen der Staatslehre von sich gibt, dann muss ich Ihnen ehrlich sa­gen, das tut mir nur weh.

Wenn das ein Sozialdemokrat gesagt hätte, würde ich heute die Gelegenheit dazu nutzen, mich dafür zu entschuldigen. (Bundesrat Ertl: Das glaube ich nicht!) Ja, das tut nur weh und ist derart bedauerlich (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth), weil man nämlich mit grundsätzlichen Überlegungen, wie unser Staat in Ver­waltung, Gesetzgebung, Vollziehung und Bundes- und Landesgesetzgebung funktio­niert, so weit daneben liegt. Ich möchte Lichtjahre in diesem Zusammenhang nicht er­wähnen, aber dass man so weit weg ist, das tut eigentlich nur weh. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden gemerkt haben, dass ich dazu medial nicht an die Öffentlichkeit getreten bin, ich nutze aber die kurze Gelegenheit heute, weil ich ganz offen und ehrlich schon meine Bedenken habe, ob das auch so aufgenommen wird. Daher sage ich: Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich glaube, dass die große Mehrheit in unserem Haus einer zukunftsträchtigen, modernen Strukturreform des Bun­desrates aufgeschlossen ist. Ich für meine Person möchte das auf alle Fälle besonders hervorheben.

Klar ist für uns auch, dass es 1920 noch keine Europäische Union gegeben hat. Klar ist für uns auch, dass es daher eine Kräfteverschiebung in den Normsetzungsprozessen gegeben hat. Klar ist daher auch, dass man die Europäische Union, den Bundesge­setzgeber mit seinen zwei Kammern, aber auch die einzelnen Landtage – und jetzt sa­ge ich es noch einmal als Jurist –, dass man also die Kompetenzartikel 10 bis 15 B-VG vielleicht doch nicht ganz aus den Augen verlieren sollte.

Wenn wir uns alle diesen Fragen sehr strukturiert und vernünftig und mit aller Kraft wid­men, dann bin ich sehr hoffnungsfroh, dass es gemeinsam gelingt, die Ländermitge­staltung auf Bundesebene in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


13.19.47

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Gesetzesbe­schluss regeln wir nicht nur die Bezüge des Bundesrates, sondern letztendlich die Be­züge aller Politiker in dieser Republik, mit Ausnahme der Kommunalpolitiker. Wie mein Vorredner schon durchaus zu Recht darauf eingegangen ist, ist das, so glaube ich, ein sichtbares Signal, und als solches sollte man es auch verstehen.

Es ist kein großer Wurf in Richtung Einsparungspotenzial, aber ich glaube, Politik muss auch nachvollziehbare und verständliche Signale setzen. Im Zuge dessen sollte man diesen Beschluss, nämlich die Begrenzung der Bezüge der öffentlichen Funktionäre, auch sehen. Ich und meine Fraktion stehen natürlich, so wie alle Fraktionen hier im Bundesrat, zu dieser Nulllohnrunde für Politiker, obwohl wir schon drei Nulllohnrunden, wenn man das so bewerten darf, hinter uns haben. Das ist die vierte, mit der wir frei­willig auch einen Beitrag leisten wollen.

Ich glaube, unter dem Gesichtspunkt und in der derzeitigen Situation, die uns allen sehr bewusst ist, nämlich unter diesen wirtschaftlichen Herausforderungen, die wir in Europa zu bewältigen haben, aber die wir zweifellos auch in Österreich zu bewältigen haben, ist das eine durchaus richtige und sehr sinnvolle Maßnahme, der natürlich noch viele weitere folgen müssen.


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Damit bin ich auch bei der ausgabenseitigen Sanierung des Budgets und beim ausga­benseitigen Zugehen der Füllung mit Inhalt dieser zurzeit sehr intensiv diskutierten Schuldenbremse, zu der sich diese Bundesregierung logischerweise und notwendiger­weise auch bekennt. Ich darf an dieser Stelle auch die Oppositionsparteien nochmals dazu einladen, diesen vernünftigen Diskussionsprozess mit uns zu gehen, denn eigent­lich wäre es nur konsequent, wenn ihr hier bei diesem Gesetzesantrag mitstimmt, dass ihr auch bei der Schuldenbremse in weiterer Folge die Zustimmung erteilt, wobei ich je­dem darin recht gebe, dass wir da erst am Beginn eines Diskussionsprozesses stehen.

Die große Herausforderung wird natürlich sein: Was sind die weiteren Maßnahmen, um diese Schuldenbremse, die in der letzten Zeit sehr intensiv diskutiert wird, medial auch dementsprechend einen Platz findet, auch auf europäischer Ebene, mit – kann man fast sagen – Einstimmigkeit, auch als logischen Schritt in Richtung eigene Haushalts­disziplin, zu beschließen?

Es sind viele Dinge, da gehört die Verwaltungsreform durchaus dazu. Wenn man die Verwaltungsreform diskutiert, dann muss man immer unter dem Gesichtspunkt disku­tieren, dass wir einerseits eine Effizienzsteigerung wollen, eine schlankere Struktur, aber ich glaube, eines nicht wollen, nämlich eine Verschlechterung der Bürgerservice­agenden und der Bürgerservicesituation für die Bürger draußen. Verwaltungsreform kann meiner Meinung nach nicht so vor sich gehen, dass wir einfach mit einem Stift – meistens ist das der Rotstift – Strukturen streichen, aber letztendlich der Bürger einen Nachteil hat.

Aus diesem Zugang, wie ich Bürgerservice – und Politik bedeutet für mich auch Bür­gerservice – sehe, verstehe ich auch nicht die wiederholte Forderung von Frau Präsi­dentin Prammer, die Bezirkshauptmannschaften abzuschaffen. Diesen Vorschlag hat sie ja schon einmal gemacht, vor zirka einem Jahr. Da habe ich gedacht: Okay, das war ein Versuch, sich hier mit einem guten, praktischen Beispiel in diese Verwaltungs­reformdiskussion einzubringen.

Dass sie das jetzt sehr aktuell bei ihrem Antrittsbesuch beim neuen Vorarlberger Lan­deshauptmann nochmals wiederholt hat, kann ich aus heutiger Sicht überhaupt nicht nachvollziehen, denn das ist zwar die Streichung und Abschaffung einer Struktur, aber das bedeutet noch keine Effizienzsteigerung. Dann müssten wir die Aufgaben und Agenden, die die Bezirkshauptmannschaften als Bürgerserviceeinrichtung haben, wo­anders erfüllen. Gerade wir aus Niederösterreich wissen, dass die Niederösterreiche­rinnen und Niederösterreicher ihren Bezirkshauptmannschaften ein sehr gutes Zeugnis ausstellen, weil dort Bürgerservice, vom Bürgerbüro beginnend, bis zur Gewerbever­handlung, bis zur Ausstellung des Führerscheins und des Reisepasses, sehr kompe­tent, sehr rasch und sehr bürgernah funktioniert.

Nur: Wenn man diese Einheiten abschafft, dann müssten ja andere Einheiten diese Aufgaben übernehmen. Somit schafft man zwar eine Einheit ab, aber man vernichtet sozusagen eine eigene Struktur, die sich in Wirklichkeit bewährt hat. Um das auf die Bundeshauptstadt Wien umzulegen: Das würde auch bedeuten, alle Magistrate der Bundeshauptstadt Wien abzuschaffen. Es will doch keiner wegen eines Reisepasses in das Innenministerium nach Wien fahren, um es vielleicht ein bisschen überspitzt dar­zustellen.

Aber ich komme wieder zurück auf die Ausgangssituation. Die Ausgangssituation ist, dass wir uns als politische Verantwortliche und Mandatsträger dessen bewusst sind, dass auch die Politik ein Signal senden und einen Beitrag leisten muss, obwohl im Herbst natürlich – das ist in Österreich gute sozialpartnerschaftliche Tradition – Ge­haltsverhandlungen stattgefunden und wir auch überall ein Plus zu verzeichnen haben; ein berechtigtes Plus, um die Inflation und andere Mehrausgaben auch abzugelten. Die Metaller bekamen im Durchschnitt – das sind Durchschnittsangaben – plus 4,2, der


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Handel plus 3,6 Prozent. Gerade bei kleineren Pensionen ist ein Plus von durchschnitt­lich 2,7 bis abfallend 1,5 Prozent zu verzeichnen.

Es gibt eine einzige Berufsgruppe, die kein Plus hat – und das sind wir. Ich glaube, dass das hier ein klares Signal ist; wir stehen dazu. Das ist auch für mich ganz klar, denn für mich bedeuten Politik und politische Arbeit Arbeit an der Gesellschaft, Arbeit an der Struktur und Dienst am Bürger. Da kommt es auf ein paar Euro mehr oder weniger nicht an. Das muss man aus Überzeugung, aus Freude und aus Leidenschaft machen – und das tun wir allesamt. Deswegen stimmen wir dem natürlich auch gerne zu.

Ich warne nur ein bisschen davor, gerade auch im Rahmen der Diskussion zu diesem Bundesgesetz, dass wir nicht in eine Falle tappen dürfen, nämlich in eine Neidgesell­schaftsfalle, dass wir immer den anderen weniger vergönnen und selber darauf schau­en, unsere Felle ins Trockene zu bekommen.

Die Zeit jetzt ist reif. Da bin ich auch guten Mutes aufgrund einer Diskussion, die wir jetzt beginnen, dass alle diese Situation auch als solche erkennen: nicht die eigenen Felle ins Trockene zu bringen, sondern letztendlich das Wohl des Gesamtstaates, das Wohl der Bürgerinnen und Bürger und das Wohl der Österreicherinnen und Österrei­cher im Fokus zu haben.

In diesem Sinne stimmen wir natürlich dieser Gesetzesnovelle gerne zu. Ich bin auch froh darüber, dass es da in zweiter Lesung – wir haben das im ÖVP-Parlamentsklub auch intensiv diskutiert – einen gemeinsamen Antrag zusammen mit der Sozialdemo­kratischen Partei im Nationalrat gab, die Kommunalpolitiker davon auszunehmen, näm­lich jene politischen Funktionäre und Mandatare in dieser Republik, die bis 3 998,40 € an Aufwandsentschädigung bekommen. Das betrifft im Großen und Ganzen Bürger­meisterInnen, VizebürgermeisterInnen, Gemeindemandatare und Gemeindevorstände.

Ich denke, das ist auch ein deutliches Signal dieses Hohen Hauses, nämlich der ersten und auch der zweiten Kammer, die für die Bundesgesetzgebung zuständig sind, für uns eine Nulllohnrunde aus Überzeugung zu beschließen, aber den Gemeindemanda­taren ein Plus von 2,6 Prozent zuzugestehen.

Daher stimmen wir gerne zu. Ich meine, es ist ein guter Schritt und soll vor allem ein ganz deutliches Signal sein. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


13.28.01

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg: Auch die freiheitliche Fraktion wird diesem Bezügegesetz selbstverständlich die Zu­stimmung erteilen, weil sie auch der Meinung ist, dass es der richtige Ansatz ist, in Zei­ten, in denen allgemein gespart werden muss, hier ein Zeichen zu setzen, auch wenn das marginal vielleicht nicht diesen Erfolg hat, aber es ist ein Zeichen nach außen, dass wir uns auch mit der Sanierung des Staatshaushaltes solidarisch erklären.

Das erfolgt bereits zum vierten Mal. Ich darf als Kärntner mit Stolz sagen, dass wir schon sieben Jahre davor, das heißt also insgesamt zum elften Mal, die Nulllohnrunde für Politiker des Landtages und auch Landesregierungsmitglieder – den Landeshaupt­mann ausgenommen, der ja immer an die bundesgesetzliche Regelung gebunden ist – erwirkt haben. Und in diesen elf Jahren haben wir bereits Millionenbeträge für den Steuerzahler eingespart. Das hat auch dazu geführt, dass die Landtagsabgeordneten


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in Kärnten diejenigen sind, die österreichweit das geringste Einkommen haben. Ich ha­be trotzdem noch keinen getroffen, der sich deshalb weigern würde, Landtagsabgeord­neter zu werden, sondern der Andrang ist dort nach wie vor gleich groß geblieben.

Aber, wie gesagt: Kärnten hat in dieser Zeit ein Zeichen gesetzt. Was ich allerdings vermisst habe: Vor einem Monat hat der Landeshauptmann von Kärnten in einer Pres­sekonferenz all das den Medien mitgeteilt. Es wurde keine Zeile darüber berichtet. Wenn jedoch die Steiermark um ein paar Abgeordnete weniger beschließt, dann ist das in ganz Österreich in den Medien zu lesen, aber in Kärnten darf so etwas Positives in den Medien einfach nicht vorkommen.

Kärnten geht nun einen Schritt weiter. Es gibt ja nur 36 Abgeordnete und außer dem Landeshauptmann noch weitere sechs Regierungsmitglieder, die von der Nulllohnrun­de betroffen sind. Kärnten möchte einen Schritt weiter gehen. Kärnten möchte die ge­hobene Beamtenschaft, die es in Kärnten auf Landes- und Gemeindeebene gibt, eben­falls solidarisch, sagen wir einmal, zur Kasse bitten. Wenn Abgeordnete ab 4 000 € auf eine Lohnerhöhung verzichten, dann ist es doch auch zumutbar, dass die gehobene Beamtenschaft ab dieser Summe – oder soll sie vielleicht etwas höher sein – ebenfalls ihren Beitrag leistet, haben diese doch einen sicheren Arbeitsplatz.

Das bringt dann allerdings auch finanziell etwas, denn da geht es nicht um 36, sondern da geht es um Hunderte, weil wir insgesamt 4 000 Landesbedienstete haben, neben den vielen Gemeindebediensteten. Das würde auch etwas bringen. Allerdings warne ich davor, dass wir eine starre Grenze mit 3 999 € beziehungsweise 4 000 € einführen, denn es sollte nicht sein, dass, wenn einer 3 999 € verdient, dieser dann bei einer
3-prozentigen Lohnerhöhung denjenigen um 120 € überholt, der 4 000 € hat und keine Erhöhung bekommt. Das sollte nicht sein. Das heißt, das muss dann in der Verordnung so festgelegt werden, dass es von 3 500 aufwärts eingeschliffen wird, damit derjenige mit 3 999 dann nicht über 4 000 hinauskommt. (Zwischenruf des Bundesrates Kainz.)

Es würde den anderen Bundesländern auch guttun, wenn sie sich in dieser Richtung Gedanken machen. Niederösterreich ist auf einem guten Weg, Herr Kollege Kainz, hat ähnliche Überlegungen. Die Steiermark, glaube ich, schüttet da ein bisschen das Kind mit dem Bade aus, indem sie auch die Bürgermeister der kleinen Gemeinden in die Nulllohnrunde hineinzwingt. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. (Präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt wieder den Vorsitz.)

Auch Vorarlberg geht einen ganz eigenartigen Weg. Die möchten, dass alle Bürger­meister von der Nulllohnrunde ausgenommen sind, auch diejenigen, die vielleicht schon einige Tausender mehr verdienen. Ich meine jetzt damit das Land Vorarlberg und nicht die freiheitliche Fraktion, die in dieser Sache nicht dabei ist.

Ich glaube abschließend sagen zu können, in einer schwierigen Finanzsituation, in der sich Österreich befindet, müssen alle, die sich in der oberen Einkommensskala befin­den, ihren Beitrag leisten. Deshalb unterstützt die freiheitliche Fraktion diese Maßnah­me und wird dem Bezügegesetz auch ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

13.33


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsge­setz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 85

Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Be­rücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

13.34.1010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medien­kooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums und ein Bundesgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medien­inhaber eines periodischen Mediums erlassen und das KommAustria-Gesetz ge­ändert werden (1276 d.B. und 1607 d.B. sowie 8635/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Mediengesetz geändert wird (1608 d.B. sowie 8636/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr kommen wir zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 10 und 11 ist Herr Bundesrat Preineder. Bitte um die Berichte.

 


13.34.38

Berichterstatter Martin Preineder: Geschätzte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums und ein Bundesgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert werden.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 86

Weiters darf ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mediengesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt genauso wie der vorhergehende in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


13.36.18

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Transparenz, Medien, Werbeaufträge, Förderungen, das sind also die Schlagworte, mit denen sich das nunmehr in Verhandlung stehende Gesetz beschäftigt. Genauer gesagt geht es darum, dass Parteien, dass Rechtsträger, die vom Rechnungshof kontrolliert werden, ihre Medienkooperationen, ihre Verbindungen zu Medien – also zu Zeitungen, zu Rund­funk und so weiter – sowie die Vergabe von Werbeaufträgen, von Förderungen an pe­riodisch erscheinende Medien offenzulegen haben.

Erfreulich ist, dass es künftig Informationen eben über diese Eigentumsverhältnisse von Medienunternehmen geben wird, und es ist auch erfreulich, dass es ein Verbot von Werbeeinschaltungen für Ministerien geben wird, nämlich dann, wenn diese, so wie es im Gesetz heißt, ohne konkreten Bezug zur Deckung eines Informationsbedürfnisses erfolgen sollten.

Diese Maßnahmen begrüßen wir und sehen diese als durchaus positiv und richtig. Aber – und hier knüpft unsere Kritik an – alle diese Bestimmungen, so wie sie jetzt vor­liegen, sind doch sehr zahnlos, denn in Wirklichkeit ist dieses Thema in einer viel grö­ßeren Dimension zu sehen.

Nachdem im Frühjahr des heurigen Jahres festgestellt wurde, dass es einen entspre­chenden Bedarf gibt, Korruption besser zu bekämpfen, die Transparenz im Bereich der Parteispenden zu erhöhen, Verstrickungen von Politik und Medienlandschaft hintanzu­halten und die Vergabe von Inseraten einer besseren Kontrolle zuzuführen, haben sich die Regierungsparteien auf den Weg gemacht, ein Gesetz zu schaffen, um diese Dinge eben abzuklären. Ziel war eine Fünf-Parteien-Einigung. Umfassen sollte dieses Gesetz ursprünglich auch Unvereinbarkeitsbestimmungen, erweiterte Meldepflichten, mit Kor­ruption zusammenhängende allfällige Strafbestimmungen und entsprechende Rege­lungen zu Parteienfinanzierung und Parteispenden.

Jetzt liegt dieses Gesetz vor, und es zeigt sich, dass man hier wieder nur einzelne Tei­le geregelt hat, dass man die heikelsten Punkte in Wirklichkeit ausgelassen hat, näm­lich Parteienfinanzierung und Parteispenden. Die sind einfach nicht berührt von diesem Gesetz.

Die Problematik von Spenden und von Aufträgen, die an Unterorganisationen und an Landesorganisationen von Parteien gehen, ist bekannt. Gerade die SPÖ in der Stadt Wien ist ein Beispiel mit einem schier unüberschaubaren Netzwerk an Firmenbeteili­gungen, die sie besitzt, im gemeinnützigen Wohnbau, in Werbegesellschaften, im Ver­lagswesen und so weiter. Die Problematik besteht darin, dass der Vergabe einer Viel­zahl von Aufträgen an diese Firmen Entscheidungen der Stadt Wien und damit der SPÖ-Mehrheit in den jeweiligen Entscheidungsgremien zugrunde liegen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 87

Werte KollegInnen, beim nunmehr vorliegenden Gesetz hätte wirklich die Möglichkeit bestanden, dass man all diese wichtigen Punkte – Parteienfinanzierung, Parteispen­den – berücksichtigt und gleich mitbehandelt. Das vermissen wir, und daran halten wir unsere Kritik auch fest. Solange es hier keine wirkliche Transparenz gibt, solange die­se Punkte nicht mitverhandelt sind, stimmen wir dieser Gesetzesvorlage auch nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)

13.39


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Gruber. – Bitte.

 


13.40.03

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuhörer! Mit dem heute zu beschließenden Bundesverfassungsgesetz wird eine um­fassende Transparenz von Medienkooperationen sowie auch von Werbeaufträgen an Medieninhabern gewährleistet. Mit dieser Normierung des Medientransparenzgesetzes wird eine vierteljährliche Übersicht aller vom Rechnungshof zu prüfenden Institutionen auf einer Homepage des Bundeskanzleramtes sichtbar gemacht.

Meine Damen und Herren! Ich finde es absolut richtig, dass man sich Zeit für ein um­fangreiches Begutachtungsverfahren genommen hat, denn die ursprüngliche Idee, Trans­parenzregeln nur für die Bundesregierung zu machen, hätte wohl zu kurz gegriffen.

Das heißt, Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger, Unternehmen im öf­fentlichen Bereich, Stiftungen und Fonds sind verpflichtet, bekanntzugeben, wie viel Zeitungen, periodische Druckwerke sowie Radio- und TV-Sender von ihnen erhalten. Ausgenommen sind behördliche Bekanntmachungen, Ausschreibungen und Stellenan­gebote. Aber auch inhaltliche Vorgaben bei Inseraten und Einschaltungen sind zu be­achten. Sie müssen vor allem dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung dienen.

Veröffentlicht werden die Daten durch die Regulierungsbehörde KommAustria. Eine Institution, die im Vorjahr verfassungsrechtlich unabhängig gestellt wurde.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist kein zahnloser Papiertiger, Herr Kollege Brückl, sondern es werden bei Verletzungen der Veröffentlichungspflicht, Falschmel­dungen Verwaltungsstrafen bis 20 000 € ausgesprochen, im Wiederholungsfall bis zu 60 000 €.

Positiv ist außerdem festzustellen, dass mit der KommAustria eine Stelle gefunden wurde, um den überbordenden Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten. Ganz im Sinne: Transparenz schaffen, Verwaltung reformieren.

Durch die gleichzeitige Änderung des Mediengesetzes soll Licht ins Dunkel über die Beteiligungsverhältnisse von Zeitungen gebracht werden. Ab 1. Juli 2012 sind dem­nach Treuhandverhältnisse, direkte oder indirekte Beteiligungen von Stiftungen, aber auch der Stifter und der jeweiligen Begünstigten der Stiftung offenzulegen.

Dieses Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz bei Medienkooperationen und Werbeaufträgen sowie die Änderungen im Mediengesetz sind ein wichtiger Beitrag für mehr Demokratie und Medienvielfalt, aber auch ein weiterer Beweis, dass es keinen Stillstand gibt. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil wir heute schon so oft das Wort „Schuldenbremse“ gehört haben: Ich bin überzeugt, dass dieses Trans­parenzgesetz auch dazu ein wesentlicher Beitrag ist. Daher werden wir Sozialdemo­kraten den beiden Gesetzen unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.43


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Keuschnigg. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 88

13.43.49

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem hier vorliegenden Geset­zespaket regeln wir einen Bereich, der für die Sauberkeit und die Hygiene in unserer Demokratie von größter Wichtigkeit ist. Die Medien sind die vierte Gewalt im Staate. Sie schaffen die Öffentlichkeit. Sie sind sozusagen die Torwächter für alle, aber vor allem für uns Politikerinnen und Politiker zur Öffentlichkeit. Und wir wissen alle nur zu gut, was nicht in den Medien vorkommt, existiert teilweise ganz einfach nicht. Aus dem Grund ist Medienarbeit und ist Kommunikation enorm wichtig, selbstverständlich auch für die Regierungsarbeit.

Bei diesem Gesetzespaket geht es darum, den Missbrauch zu verhindern. Einerseits den Missbrauch öffentlicher Gelder durch alle Einrichtungen, die unter dem Begriff „öf­fentliche Hand“ subsumiert werden, vom Bundeskanzler abwärts bis zu den staatlichen Unternehmungen und Einrichtungen. Es geht auch darum, den Kauf der öffentlichen Meinung mit öffentlichen Mitteln zu unterbinden. Es gilt aber auch, der Begehrlichkeit der Medien einen Riegel vorzuschieben. Die ist zweifelsfrei da, und deshalb sind auch hier klare Grenzen zu signalisieren, damit hier sozusagen – unter Anführungszeichen – die „Erpressung“ der Politik nicht stattfindet.

Wir haben den Weg der Transparenz gewählt – keine Verbote, sondern öffentliche Ver­antwortung der Verantwortungsträger, die durch die Transparenz ermöglicht wird, die durch dieses Gesetz geschaffen wird.

Informationstätigkeit mit klarer Zielsetzung ist notwendig und auch weiterhin möglich. Sie muss vierteljährlich veröffentlicht werden. Es darf kein Foto der Amtsinhaber ver­wendet werden, um eben diese Begehrlichkeit von vornherein zu unterbinden, um gar nicht der Versuchung unterliegen zu können, Imagewerbung über diesen Weg zu ma­chen.

Dieses Gesetz schafft Klarheit. Es ist auch gelungen, einen breiten Konsens zu errei­chen. Dafür möchte ich mich auch sehr herzlich bedanken. Und eigentlich, Herr Kol­lege Brückl, ist ja auch die FPÖ mit allen diesen Zielen, die wir hier formuliert haben, einverstanden. (Bundesrat Brückl: Habe ich gesagt!) Aber man muss gelegentlich schon sagen, Sie suchen immer einen Weg, um weiterhin Angriffsflächen für Ihre Kritik zu haben. Das mag Ihr gutes Recht als Oppositionspartei sein. Mir ist es aber wichtig, dass klargestellt ist, dass Sie inhaltlich an diesem Gesetzespaket eigentlich auch nichts auszusetzen haben. Das ist der Hinweis, dass diese Materie so weit von Qualität geprägt ist, und unsere Zustimmung ist dem gewiss. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.47


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte.

 


13.47.04

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Als in den Medien und in der Politik von einer Umsetzung des Me­dientransparenzgesetzes die Rede war, gebe ich zu, war ein großer Teil der Grünen natürlich skeptisch mit all unseren Erfahrungen in all den Jahren, wie das nun mit der Transparenz in der Politik denn so ist.

Es liegt sicher daran, dass es manchmal tatsächlich die aufgedeckten Skandale braucht, damit in der Politik sich etwas bewegt. Wir sind sehr überrascht und sehr po­sitiv überrascht, dass es in diesem Fall, beim Medientransparenzgesetz, so gut funktio­niert hat, und wir stimmen dem auch sehr, sehr gerne zu.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 89

Ich gebe natürlich Herrn Kollegen Brückl von den Freiheitlichen recht, es wäre, wenn es um Korruption geht und darum, wer beeinflusst wen in der Politik, natürlich ein viel größerer Maßnahmenkatalog notwendig, wobei natürlich niemand die Freiheitlichen aufhalten würde, ihre Parteispenden jetzt schon offenzulegen und auf ihrer Website zu veröffentlichen. Mich würde es interessieren, gebe ich ganz offen und ehrlich zu. Also es hält Sie niemand auf, machen Sie es einfach!

Aber zum Medientransparenzgesetz sei angemerkt, über ein paar Sachen sollte man schon noch einmal grundsätzlich nachdenken. Zum Beispiel über das Verhältnis von Presseförderung auf der einen Seite und Inseratenvolumen auf der anderen Seite. Schätzt einmal: Wie viel Prozent kriegen Zeitungen über die Presseförderung und wie viel Prozent über Inserate? – Das Verhältnis ist eins zu drei. Also von, sagen wir ein­mal, 100 Prozent dieser Gelder, die an Medien fließen, kommen nur 25 Prozent über die Presseförderung. Darüber könnte man einmal nachdenken. Also wir inserieren mehr, als wir fördern.

2012 ist ja zu erwarten, dass das Inseratenvolumen der Ministerien zirka 30 Millionen € betragen wird.

In dem Zusammenhang sei vielleicht auch noch angemerkt, was wir leider etwas be­dauern: In diesem Gesetz fehlen unserer Meinung nach natürlich auch die Inserate der Parteien. Es kommt nicht selten vor – es kann auch sein, dass es nicht vorkommt, ich würde mich freuen, es besteht jetzt nicht einmal ein Verdacht, aber es kann natürlich vorkommen –, dass eine Person, ein Politiker eine Inseratenserie plant, man dafür eine gewisse Pauschale bekommt, aber die Pauschale nimmt dann nicht das Ministerium in Anspruch, sondern eine Partei. Das ist ja durchaus eine mögliche Denkvariante. Dem von vornherein schon einen Riegel vorzuschieben, das wäre in diesem Gesetz möglich gewesen. Aber konzentrieren wir uns auf die positiven Errungenschaften dieses Ge­setzes.

Wir freuen uns über die Offenlegung der Inhaber von Medien. Bei manchen Medien stellen sich ja viele Leute die Frage: Wem gehört dieses Medium eigentlich? Wir freuen uns auch darüber, dass die Größenordnungen der Inseratenvolumina veröffentlicht werden. – Wobei wir ja das Glück hatten, dass eine Transparenz vorher gewis­sermaßen schon möglich war, indem man einfach parlamentarische Anfragen gestellt hat und dann eine Liste bekam, wo genau drinnen stand, wer wo inseriert hat und wie viel das Einzelinserat gekostet hat. Das wäre für uns ein Modell gewesen, wie man es hätte machen können für die Einzelveröffentlichung. Aber mag so sein, wir freuen uns, dass es einmal so gelungen ist, wie es gelungen ist.

Und nun zum berühmten Kopf-Verbot sozusagen, dass Politiker und Politikerinnen nicht mehr abgebildet werden bei Informationsinseraten von Ministerien, also von der Exekutive. Ein positives Beispiel sei hier erwähnt, zum Beispiel die Gurtenpflicht. Wenn das Ministerium sagt: Wir machen jetzt eine Kampagne, dass Menschen sich an­schnallen im Auto!, dann ist das eine positive und richtige Sache. Das finden wir super. Man hatte natürlich in den letzten Jahren sehr oft das Gefühl, dass manche Inserate von Ministerien rund um den Kopf gemacht worden sind. Wichtig war einmal, dass ein Kopf da ist und dass der Politiker/die Politikerin präsent ist, und dann hat man einen Text dazu gebastelt. Das war zumindest ein Eindruck, den wir sehr oft hatten. Das geht jetzt nicht mehr.

Erlauben Sie mir nur eine etwas ironische Anmerkung in Richtung meiner Kolleginnen und Kollegen aus Niederösterreich: Auch eine Frisur ist Teil des Kopfes. (Heiterkeit.) Also nur die Frisur eines zum Beispiel Landeshauptmannes (neuerliche Heiterkeit) zu inserieren, ist auch ein Teil des Kopfes und sollte nicht erlaubt sein laut diesem Me­dientransparenzgesetz. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

13.52



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 90

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


13.52.06

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Ich gehe es einmal ein bisschen anders an. Dieses Medien­transparenzgesetz bietet eine enorme Chance, eine enorme Chance, die vor allem mit einem Begriff umschrieben wird: eine Hebung der Medienethik auch in unserem Land.

Wenn wir die Medienethik zum Beispiel im angelsächsischen Raum und hierzulande vergleichen, müssen wir feststellen, es stimmt nicht, wie es sich die Medien oft selbst zurechtbiegen: Die Medien sind gut, die Politik ist schlecht. Das Ganze hat vielfach ei­ne Wechselwirkung, und manchmal sitzt der Täter auf der Seite der Guten. Der Täter sitzt sehr oft auf der Seite der Medien, die nämlich dazu einladen und die Politik dazu auch aufgefordert haben in der Vergangenheit.

Es gibt in der Lehre dazu zwei Ausdrücke, die diese ganzen Tatbestände umschreiben. Das eine ist der Scheckbuch-Journalismus, der, von der Politik unabhängig, Tag für Tag zu sehen ist, wenn bezahlte Meldungen nicht als solche auch ausgewiesen wer­den. Wir haben im Bereich der elektronischen Medien Spielregeln für Product-Place­ment, die immer wieder auch die Gerichte belasten, und es gibt einen anderen Aus­druck, der heißt Schleichwerbung.

Das sind Dinge, die was mit Ethik zu tun haben, die was mit Spielregeln zu tun haben, mit Spielregeln, die allerdings auch die Medienlandschaft betreffen. Und diese Chance, dieses Medientransparenzgesetz, das sich nun die Politik selbst verordnet, ist meines Erachtens ein wirklicher Meilenstein. Deshalb waren die Versuche des Kollegen Brückl, hier Argumente dagegen zu finden, irgendwie auch ein bisschen hilflos.

Das bietet uns generell die Gelegenheit zu einer Diskussion, und da muss sich auch einmal die Wirtschaft einmal etwas überlegen. Ich denke gerade an unsere gestrige Enquete über Entwicklungszusammenarbeit. Selbst bei gemeinnütziger Tätigkeit wird immer wieder verlangt: Wenn wir über eure Tätigkeit berichten, dann müsst ihr schon einen Kostenbeitrag entrichten, dass wir darüber auch etwas berichten. Nur: Dass es hier um einen Kostenbeitrag geht, wird nicht ersichtlich. Und deshalb ist das eine enor­me Chance – eine enorme Chance!

In § 25, den Kollege Gruber heute schon erwähnt hat – ich möchte da nur noch einmal auf etwas hinweisen, was ja immer wieder nicht transparent ist –, geht es auch um Treuhandverhältnisse. Und es geht um direkte – Kollege Schreuder, die direkten fin­det man ja viel leichter –, aber es geht auch um die indirekten Beteiligungen. Und ich halte das für sehr, sehr richtig und bin froh, dass wir zu dieser Vier-Parteien-Einigung gekommen sind und dass es am Anfang steht, am Anfang eines Prozesses, den man auch in der Journalisten- und Journalistinnenausbildung stärker denn je strapazieren muss.

Und vor allem, liebe Kolleginnen und Kollegen: Überlegt doch einmal, dass wir immer mehr sozusagen in den Bereich der Gratiszeitungen kommen. Wovon leben denn Gra­tiszeitungen? Vom gratis Zugreifen? Oder gibt es nicht auch einen wirtschaftlichen Hin­tergrund, den Sie aber in einer Gratiszeitung nur an den wenigen ausgezeichneten und ausgewiesenen Inseraten erkennen?

Es ist auch gut so, dass Lösungen gefunden wurden, wonach die Kontrolle der Rech­nungshof macht, sowohl über die korrekte Bekanntgabe als auch die Werbeeinschal­tungen und die Medienförderungen. Und es war richtig, die quartalsmäßige Regelung mit der KommAustria zu treffen. Und man sollte das durchaus sagen: Das kostet jetzt auch etwas. Das kostet eine Personalentschädigung im Rahmen der KommAustria, die wir heute hier mit beschließen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 91

Alles in allem ein wichtiger Beitrag zur Transparenz, aber er kann nicht stehenbleiben, was auch die Medienethik in den Medien selbst, unserer vierten Säule in unserer De­mokratie, betrifft. In dem Sinne freue ich mich über die große Zustimmung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.57


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Oster­mayer. – Bitte.

 


13.57.13

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich habe jetzt ein bisschen Zeit gehabt, über die Argumente des Herrn Bundesrates Brückl nachzudenken, und ich muss gestehen, ich bin mit dem Versuch, Logik anzuwenden, gescheitert. (Bundesrat Brückl: Wir wollten mehr !) Ich sage es auch deshalb, weil Sie an sich für das Ge­setz und für den Inhalt des Gesetzes argumentiert haben, was ich sehr positiv finde. Ich weiß auch, und ich nehme an, es wissen alle anderen auch, dass es ein Teil von ei­nem Paket ist, also es geht um Parteiengesetz, es geht um Lobbyistengesetz, es geht um die Frage der Regelung der Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten, und es geht um das Medientransparenzgesetz. Jetzt stimmen Sie inhaltlich, oder Sie sagen es zumindest, dass Sie inhaltlich mit dem Medientransparenzgesetz übereinstimmen, leh­nen es aber trotzdem ab. Das verstehe ich nicht. (Bundesrat Brückl: Weil viel fehlt!)

Wenn man vier Teile bearbeitet und ein Teil davon früher fertig ist als die anderen, weil man sich beim Lobbyistengesetz entschieden hat, dass es noch einmal, glaube ich, ei­ne Anhörung geben soll, weil die anderen beiden Teile noch verhandelt werden, müss­te die Logik daraus für mich sein, dass wir das Gesetz, obwohl es fertig ist, obwohl wir eine Verfassungsmehrheit haben, nicht in den Nationalrat einbringen. Dem kann ich nicht folgen, das werde ich nicht verstehen. Aber vielleicht liegt es auch an mir. Mag schon sein.

Es freut mich trotzdem, dass de facto alle fünf Parteien dem Inhalt zustimmen. Das ist auch ein Lob für uns, ein Lob für die Mitarbeiter im Verfassungsdienst, die sehr intensiv daran gearbeitet haben, ein Lob für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei uns im Büro und auch im Büro des Oppositionspartners, ah, Koalitionspartners (allgemeine Heiterkeit sowie Beifall des Bundesrates Mayer), aber auch bei den Oppositionspar­teien, die bereit waren, mitzuwirken. Ich sage das ganz bewusst: bereit waren, mitzu­wirken. Es hat nämlich eine Besprechung gegeben, wo alle Parteien eingeladen waren: der Koalitionspartner, die Grünen, das BZÖ und die FPÖ. Und wer kam nicht? – Der Vertreter der FPÖ kam nicht. Daher hat es eine Einigung mit den vier anderen gege­ben. (Bundesrat Brückl: Weil es so kurzfristig war!)

Ja, die Kurzfristigkeit. – Wissen Sie, wie schnell wir oft reagieren müssen, wie kurzfris­tig wir reagieren müssen, wie schnell, wie intensiv, wie viele Stunden wir oft verhan­deln, um zu einem Ergebnis zu kommen? Es ist auch eine Frage des Wollens.

Wir haben sehr intensiv an diesem Gesetz gearbeitet. Wir haben es am 21. Juni im Mi­nisterrat beschlossen, haben davor ein sehr umfangreiches Begutachtungsverfahren gemacht, haben die vielen Vorschläge, die gemacht wurden, eingearbeitet, soweit es möglich und sinnvoll war, sie einzuarbeiten, und dann hat es auf parlamentarischer Ebene noch eine längere Diskussionsphase gegeben, wo es darum ging, einen Weg zu finden, der auf der einen Seite Transparenz herstellt und auf der anderen Seite kei­ne überbordende Verwaltung, keine überbordenden Kosten nach sich zieht. Das ist im Regelfall ein sehr schmaler Grat. Ich glaube, wir haben diesen Grat wirklich sehr gut bewältigt. Ich kann auch genau erklären, was wir gemacht haben und wo wir Abstriche gemacht haben.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 92

Es hat zum Beispiel den Vorschlag gegeben, dass monatlich alle Inserate von der KommAustria geprüft werden müssen, ob sie den Richtlinien entsprechen. Wir haben dann mit den Mitarbeitern, mit den Verantwortlichen der KommAustria Gespräche ge­führt. Diese haben versucht hochzurechnen, was das bedeutet, und letztendlich sind wir dann zum Schluss gekommen, dass eine Form der Kontrolle auch Transparenz ist. Bei Inseraten sieht man immer, wenn sie geschalten sind, ob sie den Richtlinien ent­sprechen oder nicht, und wir haben uns daher entschieden, dass wir diese monatliche Kontrolle nicht machen, weil da quasi ein – ich sage es überspitzt – Bürokratiemonster entstanden wäre. Wir können nicht auf der einen Seite versuchen, Verwaltung, wo es möglich ist, zu verschlanken, und auf der anderen Seite plustern wir sie auf. Daher ha­ben wir diesen Weg gewählt.

Wir haben ein zweites Thema gehabt, wo die Frage war: Wo regeln wir das mit der Eigentümerschaft, mit der Offenlegung der Eigentümerschaft? Es gab den Vorschlag, dass wir das auch im Medientransparenzgesetz regeln, dass wir das bei der KommAustria regeln. Wir haben uns letztendlich – ich habe auch ein Gespräch mit der Frau Justiz­ministerin geführt – entschieden, dass wir es dort regeln, wo jetzt schon die Offenle­gung geregelt ist, nämlich im § 25 Mediengesetz, und dass wir diesen § 25 Medienge­setz entsprechend erweitern, mit den gleichen Mechanismen, die es jetzt schon gibt, aber in einer viel umfangreicheren Art und Weise. Ich glaube, das ist auch ein sehr sinnvoller und legistisch sauberer Weg, den wir gewählt haben.

Wir haben am Beginn die Diskussion gehabt, ob es ausschließlich für den Bund gelten soll. Wir haben uns letztendlich entschieden, dass es nicht nur für den Bund gelten soll, sondern dass dieses Prinzip der Transparenz im Medienbereich für alle Stellen gelten soll, die der Rechnungshof kontrolliert oder wo der Rechnungshof Kontrollbefugnis hat. Das werden etwa 4 200 Einrichtungen sein, schätzt der Rechnungshof.

Wir haben die Überlegung gehabt, dass wir, damit nicht eine intensive Diskussion ent­steht bei der KommAustria, welche Einrichtungen das sind, dass wir quasi gesetzlich regeln, dass der Rechnungshof jährlich eine Liste veröffentlichen muss. Es hat dann die Sorge des Rechnungshofpräsidenten gegeben, dass dann sehr viele Verfahren zum Verfassungsgerichtshof kommen könnten, wo darum gestritten wird, ob geprüft wird oder nicht. Wir haben uns die Argumente angehört.

Ich habe auch mit dem Verfassungsgerichtshof gesprochen, und dort hat man ähnliche Sorgen gehabt. Daher haben wir uns für einen anderen praktikablen Weg entschieden, ohne dass wir ein anderes Ziel, das wir haben, nämlich die Höchstgerichte – Verfas­sungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof – zu entlasten, konterkarieren.

Wir haben ja vorgestern, am Dienstag, die Novelle und Neuordnung einer Verwaltungs­gerichtsbarkeit beschlossen – ein Thema, das 25 Jahre in Österreich diskutiert wurde und wo wir jetzt zu einem Ergebnis gekommen sind. Das hat auch das Ziel, die Höchst­gerichte zu entlasten. Daher wäre es kontraproduktiv gewesen, hier das Gegenteil zu machen.

Wir haben also sehr genau abgewogen, und ich glaube daher, dass in Summe ein sehr gutes Gesetz entstanden ist, das natürlich für etliche eine Umstellung bedeutet, weil es vierteljährlich Meldungen geben muss. Wir müssen da technisch sehr genau aufpas­sen, dass wir da eine sinnvolle Lösung finden, und wir haben das sehr präzise vorbe­reitet auch mit der KommAustria, mit der RTR. Ich gehe davon aus, dass wir das schaf­fen und dass das Mitte des kommenden Jahres tatsächlich wirksam wird und funk­tioniert.

Die Diskussion war intensiv, die Diskussion war konstruktiv – mit Ausnahme Ihrer Par­tei (in Richtung FPÖ), die dann letztendlich nicht mitgemacht hat. Ich bin daher sehr glücklich, dass wir trotzdem eine so breite Mehrheit zustande gebracht haben, und


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 93

möchte die Gelegenheit nützen, allen Beteiligten, den Mitarbeiterinnen der Fraktionen, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Kabinett und vor allem auch den Mitarbeitern im Verfassungsdienst – der Herr Dr. Kogler, der die Hauptlast der legistischen Umset­zung getragen hat, ist ja anwesend – nochmals herzlich zu danken. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.05


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsge­setz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und För­derungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert werden.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bun­desrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. De­zember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mediengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.07.1812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Volksanwaltschaftsgesetz 1982, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bundesgesetzblattge­setz geändert werden (Bundesgesetz zur Durchführung des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Fol­ter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe – OPCAT-Durchführungsgesetz) (1515 d.B. und 1541 d.B. sowie 8637/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 94

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Somit kommen wir zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


14.07.29

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Fö­deralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Volksanwaltschafts­gesetz 1982, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bundes­gesetzblattgesetz geändert werden – OPCAT-Durchführungsgesetz. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich stelle den Antrag:

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


14.08.36

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute das Durchführungsgesetz zum Fakultativprotokoll des Antifolterübereinkommens. Ös­terreich hat ja bereits im Jahr 1987 das Antifolterübereinkommen der Vereinten Natio­nen ratifiziert und 2003 das dazugehörige Fakultativprotokoll zur Verhinderung von Fol­ter sowie von anderen grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen und Strafen unterzeichnet. Dieses Abkommen wurde jedoch bis zum heutigen Tag nicht ratifiziert, sprich: Dieser internationale Vertrag ist für Österreich nach wie vor nicht völkerrechtlich verbindlich.

Es besteht eine gewisse Dringlichkeit zur Ratifizierung, denn nicht zu vergessen ist, dass sich Österreich 2011 erfolgreich um die Aufnahme in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen beworben hat. Dabei stellte sich Österreich erstmals der universel­len Menschenrechtsprüfung, und die Nichtratifizierung stellte ein großes Thema dar. Von den 161 Empfehlungen an Österreich sahen mehrere Empfehlungen mehrerer Mitgliedstaaten den Beitritt Österreichs zum Fakultativprotokoll des Anti-Folter-Überein­kommens vor. Mit diesem heutigen Gesetzesbeschluss werden wir daher die Weichen für die Ratifizierung dieses Abkommens stellen.

Nun soll in Umsetzung dieses Übereinkommens die Volksanwaltschaft die zentrale An­laufstelle zur Verhütung von Folter und zur Überprüfung von Foltervorwürfen werden. Das bedeutet, dass die Volksanwaltschaft auch künftig zu prüfen hat, ob bei Freiheits­entziehungen, die rechtlich gerechtfertigt sind, Menschenrechte eingehalten werden. Die Volksanwaltschaft wird daher die Arbeit der vollziehenden Organe zu kontrollieren haben. Das sind jedoch nicht nur die Justizanstalten und die Polizeiinspektionen, son­dern das sind auch die Erstaufnahmestellen für AsylwerberInnen, das sind die Kaser­nen, das sind psychiatrische Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime, Krisenzentren, und das sind auch die Einrichtungen für behinderte Menschen, um Missbrauch und Gewalt zu verhindern.

Mit dieser Gesetzesnovelle erfährt die Volksanwaltschaft eine sehr starke Verände­rung. Seit ihrer Gründung im Jahr 1977 wird die Volksanwaltschaft erstmals institutio­nell zu einer nationalen Menschenrechtseinrichtung aufgewertet. Dies ist rechtsstaat­lich ein bedeutender Schritt.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 95

Diese Gesetzesänderung bedeutet aber auch, dass sich – ich habe es schon er­wähnt – die Aufgabenstellung und die Rolle der Volksanwaltschaft massiv verändern werden, denn die Volksanwaltschaft hatte die Aufgabe als bisheriges Organ des Parla­ments, Missstände in der inneren Verwaltung zu überprüfen, und hat natürlich nun gro­ße Herausforderungen zu bewältigen. Sie wird auch nach dieser Reform weiterhin Volksanwaltschaft heißen, aber in Wirklichkeit wird sie nicht mehr dieselbe Institution sein, die sie in den letzten dreißig Jahren gewesen ist. Denn als Menschenrechtsein­richtung wird sie vor allem die Aufgabe haben, Menschenrechte zu fördern, aber auch sicherzustellen. Dies bedeutet ständige Kooperation mit den Vereinten Nationen und mit den Menschenrechtsorganisationen. Dabei wird es aber vor allem auch in Zukunft wichtig sein, dass die Gewerkschaften und die Sozialpartner einbezogen werden.

Eine wesentliche Änderung dieser Gesetzesnovelle stellt jedoch auch der Wechsel des bisher im Innenministerium angesiedelten Menschenrechtsbeirats zur Volksanwaltschaft dar, welcher im Zuge dessen vergrößert wird und die Aufgabe hat, die Volksanwalt­schaft bei ihren neuen Aufgaben zu unterstützen.

Um die Worte von Volksanwältin Brinek zu gebrauchen: Mit dieser Gesetzesnovelle betreten wir Neuland – Neuland, das jedoch im Zuge unserer völkerrechtlichen Ver­pflichtung und der Mitgliedschaft Österreichs im Menschenrechtsrat längst überfällig ge­worden ist.

Ein Land wie Österreich muss gerade in Menschenrechtsfragen als Vorbild vorange­hen und hat daher das Fakultativprotokoll des Anti-Folter-Abkommens zu ratifizieren. Mit diesem heutigen Gesetzesbeschluss werden wir die Weichen dafür stellen. – Dan­ke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.13


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


14.13.16

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Frau Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek, Herr Volksanwalt Dr. Peter Kostelka, sehr bescheiden sitzen Sie ganz hinten, es freut uns aber, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beglücken! Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.) Wir werden noch zu hören bekommen, dass wesentlich mehr Arbeit auf Sie zu­kommen wird, weshalb ich nicht weiß, ob derartige Ausflüge in Zukunft noch möglich sein werden.

Es geht bei dieser Vorlage um die Umsetzung des Anti-Folter-Übereinkommens der Vereinten Nationen – das hat Kollegin Duzdar schon erwähnt –, um das sogenannte OPCAT-Durchführungsgesetz, in der österreichischen Rechtsordnung. Darunter ist zu verstehen, dass damit der Schutz vor Folter, Erniedrigung und unmenschlicher Be­handlung praktisch auch in unserer Rechtsordnung entsprechend umgesetzt wird.

Ich glaube, man kann von einem historischen Tag für die Menschenrechte in Öster­reich sprechen, weil damit auch wesentliche Verbesserungen im Bereich der Volksan­waltschaft einhergehen. So werden Orte, wo es zwangsläufig zu Freiheitsentziehung und unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kommt – das hat Kollegin Duzdar schon aufgezählt, welche Einrichtungen gemeint sind –, aber auch Einrichtungen für behinderte Menschen – und das ist, glaube ich, auch ein ganz wich­tiger Punkt; ich bin seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Behindertenarbeit tätig und denke, das ist ein wesentlicher Punkt in diesen neuen Bestimmungen – von der Volks­anwaltschaft und den Kommissionen der Volksanwaltschaft aufgesucht und entspre­chende Kontrollen durchgeführt werden.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 96

Wie bereits erwähnt, geht es um sehr gelungene Adaptierungen im Volksanwalt­schaftsgesetz. Es kommt auch zu umfassenden Anhörungsrechten für die geschaffe­nen Kommissionen, die gemeinsam mit dem Volksanwalt und den Volksanwältinnen die Feinarbeit bei der Folterprävention zu leisten haben.

Damit verbunden ist auch die Implementierung von Qualitätskriterien für die Volksan­wältInnen. Das ist, denke ich, ebenfalls eine begrüßenswerte Adaptierung, obwohl die Volksanwaltschaft – und das haben wir auch bei den Verhandlungen der Berichte der Volksanwaltschaft schon diskutiert – durchaus an ihrer Belastungsgrenze angelangt ist. Wir haben hier im Plenum sogar darüber diskutiert, ob es nicht zielführend wäre, einen vierten Volksanwalt/eine vierte Volksanwältin zu beschäftigen, weil wir wissen, welch hohen Stellenwert die Volksanwaltschaft bei der Bevölkerung hat, welch hohe Akzep­tanz und wie stark jährlich vor allem die Zahl der Kontaktaufnahmen mit der Volksan­waltschaft steigt.

Es ist das heute die größte Aufgabenerweiterung und somit eine Stärkung der Kompe­tenzen, seit es die Volksanwaltschaft beziehungsweise das Volksanwaltschaftsgesetz gibt. Es haben wirklich sehr viele Interessenvertretungen, NGOs, natürlich auch Mitar­beiter des Bundeskanzleramts und die Volksanwaltschaft selbst mitgearbeitet, damit ei­ne entsprechend gute Vorlage zur Umsetzung gelangt. Bis zur Umsetzung mit 1. Juli des kommenden Jahres ist, so denke ich, noch ausreichend Zeit, die zusätzlichen Auf­gaben und Maßnahmen zu planen und durchzuführen.

Meine Fraktion begrüßt diese gesetzliche Regelung sehr, und wir wünschen uns eine entsprechend gute Umsetzung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen so­wie des Bundesrates Zangerl.)

14.16


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


14.16.59

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Volksanwältin Brinek! Sehr ge­ehrter Herr Volksanwalt Kostelka! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde be­reits gesagt, deshalb werde ich nicht das wiederholen, was Kollege Mayer und Kollegin Duzdar schon erwähnt haben.

Was aus meiner Sicht in aller Kürze gesagt gehört: Es ist begrüßenswert, dass Quali­tätskriterien Einzug gehalten haben, dass es jetzt selbstverständlich ist, dass die Volks­anwälte/Volksanwältinnen Kenntnisse über den Verwaltungsablauf haben sollen, über menschenrechtliche Belange und natürlich über juristische Kompetenzen. Das waren Kriterien, die die Zivilgesellschaft eingefordert hat, auch wir Grünen, auch wenn wir uns mehr weitreichendere Qualitätskriterien vorgestellt hätten. Aber natürlich können wir diese Vorlage mittragen und werden auch zustimmen.

Kollege Mayer, du sagst, ihr würdet euch einen vierten Volksanwalt/eine vierte Volks­anwältin wünschen. Ich kann dich nur auffordern: Macht es einfach! Der Bestellmodus der VolksanwältInnen, der seit dem Jahr 1977 unverändert geblieben ist, läuft de facto so ab – das ist für die ZuschauerInnen sicherlich interessant –, dass die stimmen­stärksten Parteien sozusagen ein Vorschlagsrecht haben. Wir als Minderheit werden wahrscheinlich am wenigsten in die Wege leiten können, dass wir einen vierten Volks­anwalt/eine vierte Volksanwältin bekommen. Das liegt bei euch.

Auch die Zahlen belegen: Der Andrang ist groß, der Bedarf ist groß. Mich würde am Ende nächsten Jahres interessieren, wie sich das Arbeitsvolumen trotz der personellen Erweiterungen ausgewirkt hat und ob tatsächlich Bedarf gegeben ist. Ich würde mir


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 97

eine Evaluierung wünschen, einen Bericht wünschen, sehr geehrte VolksanwältInnen, der uns sozusagen als Grundlage dafür dient, eine Diskussion darüber zu eröffnen, ob wir einen vierten oder vielleicht auch einen fünften Volksanwalt brauchen oder ob wir vielleicht auch wie bisher mit drei Volksanwälten auskommen.

In diesem Sinne: herzlichen Dank! Auch unsere Fraktion wird diese Gesetzesmaterie natürlich unterstützen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir die jetzt aufgeworfenen Fragen am Ende des nächsten Jahres wieder zur Diskussion stellen könnten. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.19


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Oster­mayer. – Bitte.

 


14.20.03

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Sehr geehrte Damen und Herren! Da Frau Mag. Duzdar zum Inhalt schon alles gesagt hat, bleibt mir eigentlich nur mehr, zu danken.

Herr Kollege Mayer, weil Sie Sorge haben, dass Angst bestehen könnte bei der Volks­anwaltschaft, dass sie zu viel zusätzliche Arbeit bekommt: Ich kann nur sagen, sie hat intensiv daran mitgearbeitet, um diese Lösung zu finden, sie hat geradezu darum ge­rungen, diese Lösung zu finden. Es geht also nicht um Angst, sondern es ist – und ich durfte das nach der Nationalratssitzung auch ein bissel so empfinden – auch so etwas wie Dankbarkeit da, dass es diese zusätzliche Arbeit gibt.

Der Prozess war insgesamt sehr intensiv, sehr konstruktiv durch die Einbindung von Nichtregierungsorganisationen, die ganz intensive Einbindung der Volksanwaltschaft, der Klubs. Ich möchte dafür allen ganz herzlich danken.

Weil ich jetzt die Chance habe, danke ich noch einmal dem Verfassungsdienst unter Sektionschef Dr. Hesse, insbesondere auch Frau Dr. Dujmovits, die die legistische Ar­beit erledigt hat, meinem Kollegen Dr. Klingenbrunner, der auch ganz intensiv mit die­sem Thema befasst war. Es ist ja auch ein Thema, das viele Jahre ungelöst geblieben ist. Ich habe vorhin schon die Verwaltungsgerichtsbarkeit genannt; Sie haben dazu schon ein Gesetz beschlossen, um das 56 Jahre lang gerungen wurde. Jetzt haben wir etwas, was vor neun Jahren beschlossen, vor acht Jahren unterzeichnet worden ist. – Manchmal braucht gut Ding eben Weile.

Ich glaube, es hat sich gelohnt, dass wir diesen intensiven Prozess geführt haben, um eben diese Lösung zu finden. Es ist eine Lösung, die in 90 Prozent der anderen euro­päischen Länder auch so umgesetzt worden ist, dass es bei den Ombudsstellen ange­dockt wird, und ich glaube, es ist auch aus Sicht der Verwaltungsökonomie eine sinn­volle Lösung: Anstatt eine eigene Stelle zu schaffen, schließt man an eine bestehende, bewährte Einrichtung an. Nochmals vielen herzlichen Dank.

Der Volksanwaltschaft wünsche ich, dass sie diese neue Aufgabe hervorragend be­wältigt. Ich bin davon überzeugt! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.22


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Gruber. – Bitte.

 


14.22.35

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Viele werden sich denken, was kann


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 98

man jetzt eigentlich noch zu diesem Thema sagen, es ist doch schon alles gesagt wor­den – aber anscheinend noch nicht von allen. Ich will unsere Zeit auch nicht unnötig strapazieren, sondern möchte nur Folgendes sagen:

Eine Sorge habe ich gehabt beim Studium der Unterlagen, und diese ist jetzt zwei Mal angesprochen worden. Es geht nicht um einen vierten Volksanwalt, sondern es geht darum, wer neben den Volksanwälten die erweiterten Aufgaben miterfüllen muss. Weil ich mir vorgestellt habe, welch enorme Kompetenzerweiterung das ist, habe ich von Haus aus Bedenken gehabt, ob die Volksanwaltschaft, so wie sie jetzt ausgestattet ist, diese zusätzlichen Aufgaben auch bewerkstelligen können wird. Ich glaube, das sollte man im Auge behalten, und wenn es notwendig ist, dann muss man auf dieser Ebene sicher etwas tun. – Mehr möchte ich dazu gar nicht mehr sagen. Kollegin Duzdar, Kol­lege Maier, Kollege Dönmez und der Herr Staatssekretar haben alles gesagt.

Meine Damen und Herren! Ich nütze jetzt die Gelegenheit, wenn du erlaubst, Frau Prä­sidentin, da ich das letzte Mal hier an diesem Rednerpult stehe, mich von Ihnen zu ver­abschieden. Es ist ein Gerücht, dass die Stimmen aus Salzburg, ob von Burgstaller oder Haslauer, Grund dafür sind, dass ich mein Bundesratsmandat zurücklege, son­dern die Wahrheit liegt sozusagen in den Zahlen 26 und 62.

Ich bin im Jahr 1975 mit 26 Jahren in die Politik gegangen. Jetzt sind die Ziffern umge­dreht, jetzt ist der Sechser vorne, der Zweier hinten – und dazwischen liegen 36 Jahre als Gemeindepolitiker, Vizebürgermeister, Bürgermeister, Landtagsabgeordneter und – seit nunmehr elf Jahren – Mitglied des Bundesrates. Es ist Zeit, Schluss zu machen, und deshalb nütze ich diese Gelegenheit, mich von Ihnen zu verabschieden, Ihnen für die Zukunft alles Gute zu wünschen. Halten Sie die Ohren steif!

Ich halte es für einen demokratiepolitischen Nonsens, und das sage ich auch als ehe­maliger Präsident des Bundesrates, wenn man darangeht, demokratische Institutionen abzuschaffen oder zu verkleinern, ganz gleich, ob es um den Bundesrat, den Landtag oder den Nationalrat geht. Das Wichtigste ist auf jeden Fall, dass es ausreichend Ab­geordnete gibt. Es geht nicht allein um die Arbeit hier im Parlament, sondern es geht auch um die Kontakte zu den Menschen draußen, ganz gleich in welcher Funktion, und diese sollen nicht zu kurz kommen.

Ich bedanke mich von dieser Stelle aus auch noch beim Salzburger Landtag für sein Vertrauen, mich in den Bundesrat entsendet zu haben und hier auch einmal als Präsi­dent agiert haben zu dürfen.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen – ich weiß, es ist ein bissel verfrüht, aber ich komme ja nicht mehr da her – einen schönen Advent, ein frohes Weihnachts­fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich hoffe, dass ich noch öfter, wenn ich hin und wieder nach Wien komme, als Zuhörer dort in den hinteren Reihen das intensive Arbeiten des Bundesrates mitverfolgen kann.

Ich sage nicht, wie schon andere das getan haben: Es ist ein Jammer mit der zweiten Kammer!, sondern ich sage: Die zweite Kammer ist ein Hammer! – Danke. (Anhalten­der allgemeiner Beifall.)

14.26


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Lieber Manfred, du kannst an diesem Applaus die Wertschätzung, die dir von allen Kolleginnen und Kollegen aufgrund deiner langjäh­rigen engagierten Tätigkeit in diesem Haus entgegengebracht wird, erkennen. Welche Funktionen du schon ausgeübt hast, hast du selbst angeführt. Es wird sich noch eine bessere, eine festlichere Gelegenheit ergeben, sich von dir wirklich gebührend zu ver­abschieden, bei der dann auch dein gesamtes politisches Leben die gebührende Aner­kennung finden wird.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 99

Mir als Präsidentin bleibt jetzt nur zu sagen: Danke für alles, was du für dieses Haus und auch in allen anderen Funktionen geleistet hast. Ich wünsche dir für deine weitere Zukunft, dass dir dein Engagement für andere Dinge erhalten bleibt und dass du uns noch recht oft besuchen kommst.

Alles, alles Gute für dein weiteres Leben! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Gruber: Danke!)

*****

Zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt liegen nun keine weiteren Wortmeldun­gen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss das Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

14.28.4713. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (1759/A und 1609 d.B. sowie 8638/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Bitte um den Bericht.

 


14.29.06

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Fö­deralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 100

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


14.29.40

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Tagesord­nungspunkt 5, Änderung des ORF-Gesetzes: Hinter dem, was sich hier so unspektaku­lär liest, steckt in Wirklichkeit ein sehr spektakulärer Inhalt, ein scheinbar kleines Ge­setz mit großen Folgen.

Es geht hier eben um die von den Bürgern so ungeliebten ORF-Pflichtgebühren, denn bislang war es ja so, dass nur derjenige ORF-Gebühren bezahlen musste, der ein ent­sprechendes Gerät besaß, dem es also zumindest theoretisch möglich war, ORF zu empfangen, egal ob er geschaut hat oder nicht. Nun aber wird dazu übergegangen, dass auch derjenige, der über keine Empfangseinrichtung verfügt, der zu Hause über keinen sogenannten DVB-T-Decoder verfügt, Gebühren zahlen muss, auch wenn er nicht einmal theoretisch ORF schauen kann. Nicht nur, dass man damit ja auch die Be­grifflichkeit einer Gebühr ad absurdum führt – denn eine Gebühr setzt eine Gegenleis­tung voraus, und die habe ich da nicht, also müsste man in Wirklichkeit von einer Steu­er sprechen; das wurde ja auch im Ausschuss erwähnt – und man den Begriff also der Wahrheit zuliebe ändern müsste, kann auch die Verfassungsmäßigkeit, so wie sie ja auch im Ausschuss hinterfragt wurde, nicht gewährleistet werden.

Darüber hinaus ist das natürlich auch eine Frage der Mehrkosten, eine Frage der Leist­barkeit für manche Menschen in unserem Land. Nicht für jeden ist die Anschaffung ei­nes solchen Empfangsgerätes, eines Decoders, eine Kleinigkeit. Man sagt zwar, das geht bei 30 € los, aber wir wissen alle, dass 30 € für manche Menschen sehr viel Geld sein kann. Da heißt es zwar, das ist zumutbar, das kann man jemandem zumuten – sicher, uns hier herinnen kann man es zumuten und vielen anderen Österreichern auch –, aber es gibt genügend Menschen, für die eine solche Anschaffung eine finan­zielle Herausforderung darstellt.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an eine Pressekonferenz des EU-Abgeord­neten und Präsidenten der Volkshilfe Dr. Josef Weidenholzer, der vor drei Wochen ge­sagt hat, dass es in Österreich eine Million Menschen gibt, die armutsgefährdet sind, und dass es 237 000 Menschen gibt, die im Winter ihre Wohnungen nicht ausreichend heizen können. Und für die ist diese Anschaffung sehr wohl eine Herausforderung.

Und sogar Klubobmann Karlheinz Kopf hat im Nationalrat zu diesem Punkt Folgendes gesagt:

„Wir reden hier in der Tat von keinen unbeträchtlichen Beträgen, vor allem für Men­schen mit kleinem Einkommen“.

Hohes Haus! Für viele Mitbürger stellt das durchaus eine finanzielle Herausforderung dar, weil sie dieses Geld einfach nicht haben.

Abschließend vielleicht noch ein Punkt zu den ORF-Gebühren, weil ja ORF-Generaldi­rektor Alexander Wrabetz im letzten Jahr, im Oktober 2010, angekündigt hat, dass er Gebührenerhöhungen in den kommenden beiden Jahren, also bis 2013, ausschließe. – Jetzt ist sie da, also nur gut ein Jahr später.

Zu den Pflichtgebühren noch ein Satz: Die Pflichtgebühren des ORF wurden in den letzten 30 Jahren im Schnitt jährlich um 4,1 Prozent erhöht – jährlich im Schnitt, wohl­gemerkt, bitte! Berücksichtigt man jetzt die laufende Inflationsrate, die bei etwa 2,6 Pro­zent liegt, ergibt das immer noch eine Nettoerhöhung der Gebühr von 1,5 Prozent – In­flationsbereinigung, wohlgemerkt!


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Solche Belastungen, sehr geehrte Damen und Herren, sind für uns nicht gerechtfertigt und auch nicht tragbar, obwohl ich – ich möchte ja nicht nur schlecht reden – auch nicht anstehe zu sagen, dass dem ORF mit der Installierung des Senders ORF III – der sich mit seinem Informations- und Kulturprogramm, mit den Dokumentationen und auch dem österreichischen Film, der da in den Mittelpunkt gestellt wird, durchaus wohl­tuend von der Masse der restlichen TV-Sender abhebt – etwas gelungen ist.

Auch ORF SPORT + halte ich für etwas durchaus Gelungenes, wobei ich aber nicht ganz verstehe, warum man da einen Sportsender schafft, wenn ich an einem Montag irgendwann im November um 20.15 Uhr dort das Wiener Stadthallenturnier aus dem Jahr 1998 sehe und gleichzeitig auf ORF eins ein Schirennen läuft. Also man sollte die­se Sportveranstaltungen auch wirklich ... (Bundesrat Schennach: Das eine ist Ge­schichtsbildung und das andere ist Sport! – Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Man sollte diese Sportveranstaltungen durchaus jenem Sender zuordnen, der dafür zuständig ist.

Hohes Haus! Trotzdem, wie schon vorher gesagt, können und wollen wir diesem Ge­setz nicht zustimmen und werden es auch nicht mittragen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.34


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schen­nach zu Wort. – Bitte.

 


14.34.42

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzter Herr Staatssekretär! Lieber Herr Brückl, würden wir diese Diskussion im Jah­re 2009 führen, dann würde ich sagen, da ist etwas dran. (Zwischenruf des Bundesra­tes Schreuder. – Heiterkeit bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.) Wir befin­den uns im Jahr 2011. Jetzt lassen wir einmal das Kalberl im Stall.

Wenn wir in den Haushalten in Österreich derzeit etwas mehr als 5 Millionen TV-Gerä­te haben und wenn wir in Österreich von 2008, seit der DVB-T-Umstellung, bis jetzt be­reits 2,4 bis 2,5 DVB-T-Geräte (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Millionen!) mit inte­griertem Tuner verkauft haben – die werden wir ja nicht alle ins Ausland geliefert ha­ben, da sind sie vielleicht sogar billiger; die sind in Österreich verkauft worden – und wenn wir davon ausgehen, dass es in zig Haushalten mittlerweile Zweitgeräte, manch­mal sogar auch schon Drittgeräte gibt, so können wir feststellen, dass ein großer Teil der Umstellung, der technischen Revolution – das ist eine positive Revolution, die da passiert ist, sonst könnten Sie ja das gelobte ORF III gar nicht sehen – bereits passiert ist.

Wenn wir allein die Verkaufszahlen des Jahres 2011 anschauen, und wir sind jetzt noch mitten im Weihnachtsgeschäft, so sind zumindest die im ersten Halbjahr 2011 verkauften Geräte zu 97 Prozent – zu 97 Prozent! – bereits umgestellt. Hallo! Wovon reden wir hier?!

Tatsache ist, und da kann man natürlich ein bisschen ausholen, Österreich hat sich bei der Festsetzung der Gebühren für das öffentlich-rechtliche Programm – und es ist so in ganz Europa, dass ein öffentlich-rechtliches Programm ein wertvolles Gut ist – dafür entschieden, das BBC-Modell anzuwenden. Das heißt, der Besitz von Geräten – der Besitz eines Radiogerätes oder der Besitz eines Fernsehgerätes – ist die Grundlage dafür, dass ich Gebühren zu zahlen habe.

Ich sage Ihnen jetzt ganz ehrlich, und der Herr Staatssekretär weiß das, ich selber bin Anhänger einer moderneren Methode: einer moderneren Methode, die in Europa im­mer mehr Platz greift, nämlich der Haushaltsabgabe. Bei der Haushaltsabgabe können Sie aber dann nicht herauskommen und sagen: Ich habe aber kein Radiogerät! Die Haushaltsabgabe ist aber insofern moderner, weil sie auf die unterschiedlichen Formen


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medialer Nutzungen eingeht. Ich muss heute mit einem Fernsehgerät nicht fernsehen, in der heutigen elektronischen Welt kann ich ganz andere Dinge damit machen: Ich kann mir darüber mein Bankkonto anschauen (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Him­mer) und so weiter und so fort. Das heißt, ich habe ganz andere Möglichkeiten, die In­formationstechnik in einem Haushalt verändert sich. Aber wir haben jetzt diese.

2008 haben wir umgestellt, und natürlich kann man jetzt sagen – und der Verwaltungs­gerichtshof hat das zu Recht erkannt –, dass damals einige und nicht einmal wenige für den Besitz eines Gerätes gezahlt haben, obwohl nicht alles – nicht alles; es ging ja nicht darum, dass das nur ein schwarzes Kasterl ist – empfangen werden konnte. Also eine gewisse Unschärfe war da, aber von dem sind wir heute meilenweit entfernt.

Es gab sogar eine geförderte Aktion – und jetzt werden die Zahlen noch ein bisschen härter –: Es gab die geförderte Aktion bezüglich der DVB-T-Boxen, die man mit einem Gutschein verbilligt bekommen hat. Sie erinnern sich, das ist noch gar nicht so lange her: In den Jahren 2008/2009 gab es diese Gutscheine.

Das heißt, wir haben jetzt nicht nur zirka 2,5 Millionen Geräte, die Stand der Technik sind, sondern wir haben in jenen Haushalten, die einem gewissen sozialen Druck aus­gesetzt waren, auch noch diese Boxen. Und damit komme ich in der Gesamtsumme jetzt schon auf eine ganz andere Zahl, und jetzt ist es nicht mehr so, dass diese Um­stellung, die in den letzten Jahren schon passiert ist, die Österreicher und Österreiche­rinnen heute vor eine unfassbare finanzielle Gewaltanstrengung stellt, weil sie bereits pas­siert ist.

Aber ja, Sie haben recht, wir verändern etwas, wir verhindern damit nämlich einen un­glaublichen Aufwand. Soll die GIS oder andere Behörden jetzt jedes Haus anschauen oder in jeden Haushalt kommen und schauen, welche technische Ausstattung Ihr Fern­sehgerät hat? Und genau das wird mit diesem Gesetz ... (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) – Welche technische Ausstattung! Ist in diesem Gerät ein DVB-T-Tuner integriert oder nicht? Das muss man erst einmal in einem Gerät anschauen! Und jetzt gilt: Wenn dieses Gebiet erreicht wird, und zwar terrestrisch, über DVB-T, ist die Ge­bühr zu zahlen, und das ist eine Vereinfachung.

Aber das – das muss man jetzt auch dazusagen – sichert auch die finanzielle Ausstat­tung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und uns ist dieser öffentlich-rechtliche Rund­funk – ich glaube, das sollte man eigentlich für alle Parteien sagen können – ein sehr wichtiges Gut.

Der ORF hat denselben Produktions-Output – das sollte man sich einmal vergegen­wärtigen! – wie die ARD. Die ARD ist ein Riesenunternehmen und die ARD hat eine un­glaubliche Menge an Gebührenzahlern (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), weil Deutschland so viel größer ist und so viel mehr Gebührenzahler hat, und Österreich produziert im gleichen Ausmaß! Wenn Sie die Zahlen betreffend den Produktions-Out­put zwischen ORF und ARD vergleichen, dann kommen Sie auf denselben Wert, und das ist eine Leistung, für die man, wie ich sagen muss, dem ORF auch dankbar sein muss.

Und dazu kommt Folgendes – weil Sie vorhin Gebührenerhöhungen angesprochen und in Ihrer Rede ein Beispiel aus dem Sport erwähnt haben –: Das war in dem Fall fast kontraproduktiv, weil gerade die Preise für alle Sportlizenzen in den letzten Jahren ex­plodiert sind. Und wenn das Publikum vom ORF einerseits auch Unterhaltung fordert, weil auch das gehört zum öffentlich-rechtlichen Auftrag – das ist ja nicht nur ein sozial­pädagogisches Medium, sondern auch Unterhaltung, und es ist auch ein Bürgerrecht, Unterhaltung zu haben –, dann muss man sich andererseits auch mit diesen explodie­renden Preisen auseinandersetzen. Und da wir einen dualen Markt haben, werden die


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Kosten größer, weil es auf diesem Markt ja Konkurrenz gibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber nicht immer vom selben Unternehmen!) Und so sind auch manche Dinge er­klärbar.

Es ist das eine Art ökonomische Sicherstellung für den ORF, wir schaffen aber auch Klarheit für die Zukunft. Aber als jemand, der schon lange im Medienbereich ist, Herr Staatssekretär: Irgendwann sollten wir uns – vielleicht in einer nächsten Regierungser­klärung, in dieser steht das nicht drinnen – doch einmal intensiver mit der Frage der Haushaltsabgabe auseinandersetzen. Aber ich bin froh, dass es auch hier noch zu einer Klarheit kommt, denn das ist offen für viele. Und ich glaube, die Novelle bringt auch für den ORF die notwendige Klarheit, die er braucht. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.43


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreu­der zu Wort. – Bitte.

 


14.43.29

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl jetzt die Freiheitlichen und die SPÖ vor mir gesprochen haben und die einen dagegen und die anderen dafür stimmen werden, haben sie trotzdem beide recht. Das ist ja manchmal das Komische in der Politik. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das soll vorkommen!) Es geht um das Abwägen der Argumente und die Antwort auf die Frage, was wichtiger wiegt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich bin kein Schiedsrichter, nein. Wir stimmen dagegen (Bundesrat Köberl: Das ist überra­schend!), aber ich werde Ihnen gleich erklären, warum. Fangen wir damit an, kein Pro­blem!

Ich erkläre Ihnen ganz einfach – das ist in einem Satz erklärt –, warum wir dagegen stimmen: Die Logik, dass wegen eines Gerätes, das nicht digital empfangen kann, das es aber eventuell in der Zukunft könnte, jetzt schon Rundfunkgebühren eingehoben werden, weil es ja eventuell in der Zukunft etwas empfangen könnte, ist für uns eine Logik, die wir nicht nachvollziehen können, deswegen stimmen wir dagegen. – Das ist der einfache Grund.

Aber gehen wir auf diese Metaebene, die der Kollege Schennach jetzt gerade ange­sprochen hat. Er hat natürlich vollkommen recht: Der Medienkonsum, das Medienver­halten verändert sich derzeit in einer dramatischen Weise. Also ich selbst bin ja auch ein sogenannter Digital Native, also ich bin mit dem Internet sozusagen sozialisiert worden. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Digital Native! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja! (Ruf bei der ÖVP: ... Unterlage!) – Nein, nein, das (der Redner hält seine Unterlagen hoch) habe ich mit dem Kugelschreiber geschrieben, also das geht schon noch. (Bundesrat Schennach: Er schaut Fernsehen übers Internet!)

Das geht schon noch, aber ich schaffe es zum Beispiel auch nicht immer, um Punkt 22 Uhr die ZiB 2 zu anschauen, und natürlich bin ich dankbar, dass ich auf meinen mo­bilen Endgeräten die TVthek habe, mittlerweile in einer tollen Applikation, und bei der Morgengymnastik habe ich nebenbei die ZiB 2 laufen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, nein, aber was ich damit sagen ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Michalke.– Nein, nein, das ist jetzt wichtig! Macht euch nur lustig! Ich finde das insofern wichtig, weil sich das Medienkonsumverhalten tatsächlich drama­tisch verändert.

Möchte ich heute als UPC-Kunde die neue Staffel von „Desperate Housewives“ an­schauen, um nur ein Beispiel zu nennen (Bundesrätin Michalke: ... wissen sogar, dass es das gibt!), brauche ich nicht mehr auf ORF 2 oder auf ORF eins zu warten, bis es einmal ausgestrahlt wird – und da muss ich mir merken, um welche Uhrzeit und zu wel­cher Tageszeit –, sondern ich kann es bestellen und bekomme es frei Haus geliefert. Das heißt, wir leben in einer dramatisch veränderten Welt.


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Der Computerempfang ist in diesem Gesetz natürlich auch noch nicht geregelt. Das ist aber ein großes Thema für die Zukunft, das ist überhaupt keine Frage. Denken Sie nur daran, dass Google mit Fernsehen beginnen wird, vermutlich über YouTube, und dass Apple, wenn das Gerücht denn stimmt, schon nächstes Jahr Fernsehen produzieren möchte, also auch die Geräte. Wir können heute wahrscheinlich noch gar nicht ab­schätzen, was das verändern wird. Da wird sich der ORF vermutlich auch Gedanken machen.

Trotzdem – und da möchte ich mich dem Kollegen Brückl von vorhin anschließen –, so ein Programm wie ORF III wäre rein kommerziell natürlich nicht machbar, und ORF III zeigt in einer hervorragenden Art und Weise, was öffentlich-rechtliches Fernsehen sein soll, sein kann. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Das ist großartig, ja! Ich bin mittlerweile zu einem Stammseher geworden. „Inside Brüssel“, großartig! (Bundes­rat Schennach: Ö1!) – Ö1 natürlich auch, ja, obwohl sich mein Konsumverhalten bei mir zuhause schon geändert hat. Ich habe das zuhause auf meinem Computer, und die Musik läuft direkt gestreamt in der Stereoanlage. Also ich höre Radio so, das gebe ich zu. (Bundesrat Schennach: Ö1!) Podcasts höre ich gerne.

Aber dieser neue Medienkonsum wird sehr bald neue Gesetze verlangen. Das Rund­funkgebührengesetz beziehungsweise das ORF-Gesetz, wie wir es jetzt vor uns ha­ben, ist sicher noch ein Gesetz des 20. Jahrhunderts, aber sicher kein Gesetz des 21. Jahrhunderts. Die Antworten haben wir alle noch nicht, weil die technische Entwick­lung auch noch nicht absehbar ist, aber wir alle werden unsere Augen, unsere Ohren und sonstigen Sinnesorgane, die wir haben, offen halten müssen, einfach um zu se­hen, wohin sich das entwickelt.

Aber die Ablehnung dieses Gesetzes heute basiert darauf, dass wir sagen, ein nichtdi­gitales Gerät, das vielleicht irgendwann einmal digital werden könnte, jetzt schon mit Gebühren zu belegen, halten wir einfach für falsch. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und des Bundesrates Zangerl.)

14.47


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Köberl zu Wort. – Bitte.

 


14.48.05

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Nach den technischen Ausführungen meines Kollegen Schreuder darf ich wieder ein bisschen zur Nüchternheit des Gesetzes zurückkommen. (Bundesrat Schreuder: Aber ich bin ...!) Bitte? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Schreuder.) Ich gehe davon aus, dass Sie nüchtern sind, Herr Kollege! (Bundes­rat Schreuder: Was ist das für ein Vorwurf?)

Worum geht es konkret? Jeder Rundfunkteilnehmer, der an einem Standort terrestrisch mit ORF-Programmen versorgt wird, muss künftig ORF-Gebühren zahlen, und zwar unabhängig davon, ob er Endgeräte für den digitalen Empfang besitzt oder nicht. – Das ist der Kernsatz der heutigen Änderung des ORF-Gesetzes.

Was wird damit bezweckt? Mit dieser Klarstellung wird ein sogenanntes Schlupfloch zur Umgehung der Pflicht zur Leistung von Rundfunkgebühren geschlossen und ein unverhältnismäßiger Kontrollaufwand, wie ihn der Kollege Schennach ausgeführt hat, verhindert, der bedeuten würde, dass in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob seitens des ORF-Rundfunkteilnehmers ORF-Programme empfangen werden können. Man muss ja dazu auch die Geräte öffnen – man kann sich vorstellen, was das bedeu­ten würde!

Was ist das Problem im Detail? Eine Kontrolle, wie schon gesagt, ist deswegen so schwierig, weil mit der stark zunehmenden Anzahl der eingebauten Digital-Receiver in


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Fernsehgeräten – wir haben es gehört, es sind schon Hunderttausende am Markt, und künftige Gerätegenerationen werden nur mehr so ausgestattet werden – die Smart­card, die die alten Geräte verlangt haben, eben nicht mehr notwendig ist und somit die Kontrollierbarkeit fast nicht mehr gegeben ist.

Jene, die sich abmelden, weil sie den ORF nach altem Standard angeblich gar nicht mehr empfangen können, sind mit der neuen Technologie in der Lage, den ORF aber trotzdem zu empfangen.

Was wird kritisiert? – Und wir haben es ja schon gehört: Es gibt keinen einstimmigen Beschluss, sondern er wird, davon gehe ich aus, nur mehrheitlich erfolgen.

Kritiker stoßen sich daran, dass es künftig nicht mehr darauf ankommt, ob und in wel­chem Ausmaß der Rundfunkteilnehmer ORF-Programme auch tatsächlich konsumiert. Die Gebühren sind auch bei einer theoretischen Empfangsmöglichkeit zu zahlen. Am Rande habe ich in einer Diskussion dazu ein Argument gehört, das scherzhaft gemeint ist, nämlich das Argument jenes Ehemannes, der kinderlos ist und um Kinderbeihilfe ansucht mit der Begründung, die technischen Voraussetzungen wären ja gegeben. Aber das passt dort sicherlich nicht dazu. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich komme zum Ernst der Lage zurück und gehe davon aus, und das hat die Diskus­sion schon gezeigt, dass sich letzten Endes auch der Verfassungsgerichtshof mit die­ser Frage befassen und eine letzte Entscheidung treffen wird.

Geschätzte Damen und Herren, Herr Staatssekretär, die ÖVP-Fraktion steht nicht un­bedingt im Verdacht, dem ORF unkritisch gegenüber zu stehen, das wissen Sie. Wir bekennen uns aber, und das darf ich hier auch sagen, zur Dualität unseres Rundfunk­systems, das heißt zu einem fairen Nebeneinander des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks. Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeutet aber, dass der ORF nicht ohne die Gebühren – wir haben es gehört, auch im Vergleich mit Deutschland – der Seherinnen und Seher auskommt, und er es durch ein einge­schränktes Werbezeitfenster in einem kleinen Markt wie Österreich nicht ganz leicht hat.

Diese Novelle, gemeint ist die Schließung der Lücke, die wir hier vornehmen, trägt na­türlich dem Gedanken Rechnung, dass der öffentlich-rechtliche ORF ein Sender für uns alle ist, mit einem ganz klaren, konkreten Informations- und Kulturvermittlungsauf­trag, dieses Land nach innen, aber auch nach außen zu vertreten. Mir ist bewusst, dass das für die Betroffenen wieder eine zusätzliche finanzielle Belastung ist, aber unter Abwägung aller Überlegungen  und das ist mir besonders wichtig – und auch unter Aufrechterhaltung eines gewissen Druckes auf die Geschäftsführung des Unter­nehmens, was die Wirtschaftlichkeit, aber auch die Qualität des Programms betrifft – und da möchte ich auch ausdrücklich das neue Angebot ORF III und ORF Sport positiv hervorheben –, wird die ÖVP-Fraktion dieser Novelle des ORF-Gesetzes zustimmen.

Dies, sehr geehrter Herr Staatssekretär, fällt manchen sicher nicht leicht, vor allem wenn aktuell in ORF-Gremien wieder über eine neuerliche Gebührenerhöhung und ei­ne saftige Erhöhung der Direktorengehälter diskutiert wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.52


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zangerl. – Bitte.

 


14.52.56

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin kein „Digital Native“ (allgemeine Heiterkeit), und ich habe mit ungläubigem Stau­nen den Ausführungen meines aus Tirol stammenden Kollegen zugehört. Ich kann nicht


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verstehen, wie man dem das Wort reden kann, dass der ORF mir vorschreiben will, was ich zu Hause zu haben habe und was nicht. So weit werden wir in diesem Staat wohl noch nicht sein, denn was ich nicht will, kann mir der ORF auch nicht vorschrei­ben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Änderung des ORF-Gesetzes ist für mich nichts anderes als eine Geldbeschaf­fungsaktion für den ORF. Jetzt sollen, neben dieser geplanten Erhöhung der ohnehin bereits hohen ORF-Gebühren, ab 2012 offenbar auch diejenigen zahlen müssen, die den ORF gar nicht empfangen können. Damit wird fixiert, dass alle bezahlen müssen, ohne dass sie tatsächlich eine Leistung erhalten. So schaut‘s aus. Wo bleibt da die Ge­rechtigkeit? Wo bleibt da die Angemessenheit für den Gebührenzahler?

Alle Rundfunkteilnehmer, die auch nur theoretisch ORF-Programme via DVB-T emp­fangen könnten, auch wenn sie beispielsweise über keine Box verfügen und daher ORF-Programme gar nicht schauen können – oder, was es ja auch gibt, gar nicht wollen –, sollen damit ganz ungeniert abgecasht werden. (Bundesrat Schennach: Das Wollen steht da nicht zur Diskussion!) Zukünftig wird es nicht mehr darauf ankommen, ob je­mand die Programme des ORF empfangen kann, sondern es reicht offensichtlich aus, dass jemand in einem Gebiet lebt, das terrestrisch versorgt wird. Jeder Besitzer eines Gerätes, das irgendeine Form von Rundfunk wahrnehmbar macht, also zum Beispiel auch ausländische Programme über analoge Satelliten, soll an den ORF Gebühren be­zahlen müssen.

Ausgenommen – mich wundert das ohnehin – sind nur mehr Gebiete, die gar nicht mit dem DVB-T versorgt werden. Aktuellen Medienberichten zufolge sind das aber nur 2,3 Prozent aller Haushalte. Bisher musste richtigerweise niemand ohne freigeschalte­te ORF DIGITAL-SAT-Karte Programmentgelte bezahlen, da ja auch kein Empfang der ORF-Programme möglich ist, ergo keine Leistung vom ORF in Anspruch genommen wird.

Geschätzte Damen und Herren, das kommt mir schon langsam vor, wie wenn die ASFINAG kommen – der es ja auch nicht gut geht – und sagen würde: Lieber Freund, du hast ein Auto. Wir haben die Autobahn, du musst dir jetzt das Pickerl kaufen, ganz egal, ob du fährst oder nicht! Da würde ich mich wundern, was deine Kollegen in Reut­te draußen sagen würden, weit weg von der nächsten Autobahn. Das ist nämlich ge­nau die gleiche Geschichte.

Unsere, meine Haltung dazu: Wir finden die Beibehaltung der bisherigen Gesetzeslage ausreichend. Der ORF bekommt durch die Erhöhung ohnehin genügend Mittel von uns Gebührenzahlern. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.56


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wart? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.56.3814. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen im Verteidi­gungs- und Sicherheitsbereich (Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicher-


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heit 2012 – BVergGVS 2012) erlassen sowie das Bundesvergabegesetz 2006 ge­ändert wird (1513 d.B. und 1606 d.B. sowie 8639/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Bitte um den Bericht.

 


14.56.56

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012) erlassen wurde sowie das Bundesvergabegesetz 2006 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, auf eine Verlesung kann daher verzichtet werden.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 13. Dezember 2011 in Verhandlung genommen.

Ich stelle daher den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


14.58.04

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Mit dem Neuerlass der Änderung der Bundesvergabege­setze wurde ein unüberschaubares, kompliziertes Regelwerk geschaffen. Bereits die Einordnung eines Vergabeverfahrens, entweder nach den Bestimmungen des Bundes­gesetzes über die Vergabe von Aufträgen oder nach dem Bundesvergabegesetz Ver­teidigung und Sicherheit bietet eine hohe Fehler- und Manipulationsquote. Selbst ver­sierten Juristen werden die Bestimmungen den Schweiß auf die Stirn treiben.

Um die Herausforderung zu meistern, sind erhebliche finanzielle Ausgaben für Perso­nalschulungen notwendig. Problematisch sehe ich auch den Verzicht auf die zwingen­de Vorlage von Eignungsnachweisen durch Unternehmen. In Zukunft genügt lediglich eine sogenannte Eigenerklärung als Nachweis für die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Betriebes. Nur bei größeren Aufträgen und punktuell sollen Eig­nungsnachweise verlangt werden können. Da geht man, meiner Meinung nach, bei der Entbürokratisierung den falschen Weg und öffnet gerade unredlichen Anbietern Tür und Tor. (Bundesrätin Zwazl: Aber hallo! Zwischenruf bei der SPÖ.)

Durch den erst nach Aufforderung des Auftraggebers vorzulegenden Eignungsnach­weis besteht auch die Gefahr der Verzögerung des Vergabeverfahrens.

Wieder einmal fehlt es an Kontrollmechanismen, die Bestimmungen sehen keine ernst zu nehmenden Kontrollmöglichkeiten vor, und so werden daher auch der Korruption weitere Schlupflöcher geöffnet. (Bundesrätin Zwazl: Was ist da der Korruption !? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kontrollen von Landes- und Bundesrechnungshof werden erst Jahre später durchge­führt, aber zur Verhinderung von Korruption kommen diese Kontrollen zu spät. Bedau­erlicherweise wurde dem Antrag der FPÖ nicht Folge geleistet, den Schwellenwert für die Direktvergabe bei 100 000 € zu belassen und als Dauerrecht zu verankern. (Bun­desrätin Zwazl: Ja das geht eh erst nächstes Jahr! Das weiß man ja!)


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 108

Da sich die schwierige wirtschaftliche Situation unseres Landes gegenüber 2009 nicht gebessert hat, ist die Senkung des Schwellenwertes bei der Direktvergabe ab 1. Jän­ner 2013 auf 50 000 € beziehungsweise 75 000 € im Sektorenbereich als Rückschritt zu betrachten. (Bundesrätin Zwazl: Wir haben jetzt erst die Verlängerung gekriegt, wer sagt denn, dass wir nächstes Jahr im Herbst wieder die Verlängerung schaffen?) Diese Maßnahmen werden vor allem Klein- und Mittelbetriebe betreffen, für die eine rasche Vergabe und Realisierung von Gemeindeaufträgen in den letzten Jahren oft überle­benswichtig war. (Neuerliche Zwischenrufe der Bundesrätin Zwazl.)

Anstatt die betreffende EU-Richtlinie und die Vergaberichtlinien für Aufträge im Vertei­digungs- und Sicherheitsbereich gemeinsam in das bestehende Bundesvergabegesetz zu integrieren und zu modifizieren, wurde ein zweites Bundesvergabegesetz geschaf­fen. Es ist in diesem Gesetz ganz deutlich zu bemerken, dass im Bezug zu den Verga­bepraktiken im täglichen Geschäftsbetrieb die Realität im hohen Maß verloren geht. (Bundesrätin Zwazl:  bedanken sich bei dir!)

Der leichtfertige Umgang mit dem Vergabeverfahren liegt ja nicht in den jeweiligen Schwellenwerten, sondern darin, dass man vergisst, dass auch viele versteckte kleine Summen eine große Summe bilden, für die der Steuerzahler aufkommen muss. In die­sen Bestimmungen fehlt einfach der Verantwortungsdruck im unteren Summenbereich für den Auftraggeber. (Vizepräsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Es wird wohl weiterhin mit dem Geld der österreichischen Staatsbürger in einem Be­reich herumgeschmissen, in welchem sich Spezialisten der Korruption bewegen, wel­che mit ihren kriminellen Machenschaften dem Gesetzgeber oft meilenweit voraus sind. Eine rasche, unkomplizierte und vereinfachte Anwendung des Vergabeverfahrens können wir nicht erkennen, und wir werden daher nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ. Ruf bei der ÖVP: Die FPÖ hält die Wirtschaft für !)

15.03


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Füller. Ich erteile es ihm.

 


15.03.26

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Bei diesem Ta­gesordnungspunkt liegen uns das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicher­heit 2012, das die Vergabe von Aufträgen regeln soll, sowie eine Änderung des Bun­desvergabegesetzes 2006 vor. Ich habe es mittlerweile wieder mitbekommen, wir sind wieder beim richtigen Tagesordnungspunkt, obwohl jetzt beim Erstredner, Kollege Ertl, einiges an Nebelgranatenwerfen dabei war. Ich habe mich fast nicht mehr ausgekannt, zu welchem Tagesordnungspunkt Sie gesprochen haben.

Es war einfach eine umfassende Regelung notwendig, da auch da Normen aus dem europäischen Raum übernommen werden mussten. Flankierend dazu ist die Schwel­lenwerte-Verordnung 2009 bis 31. Dezember 2012 verlängert worden. Diese Verlänge­rung war auch aufgrund der momentanen wirtschaftlichen Situation einfach notwendig und erfolgte auch auf vielfaches Ersuchen aus verschiedensten Bereichen der öffent­lichen Hand.

Diese Verordnung gestattet bis Ende nächsten Jahres Direktvergaben bis 100 000 € und die Durchführung von nicht offenen Verfahren ohne vorige Bekanntmachung für Bauaufträge bis zu 1 Million. Zu dieser muss eine Zustimmung der Länder erfolgen, dieses Zustimmungsverfahren läuft. Drei Länder haben diese Zustimmung bereits erteilt. Wir wissen, dass das Thema Auftragsvergaben seitens der Europäischen Kom­mission immer sehr kritisch beobachtet wird und eine solche Verordnung nicht als selbst­verständlich betrachtet werden kann.


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Weitere Änderungen sind unter anderem die Erhöhung des Schwellenwertes für Direkt­vergaben von derzeit 40 000 auf 50 000 € im klassischen, sowie von 60 000 auf 75 000 € im Sektorenbereich. Also ich glaube nicht, dass man da von einer Ver­schlechterung sprechen kann. (Bundesrat Ertl: 100 000 waren es bis jetzt!) Die Erhö­hung des gesetzlichen Schwellenwertes für das nicht offene Verfahren ohne die vorhe­rige Bekanntmachung für Bauaufträge von 120 000 auf sogar 300 000 € fällt besonders ins Gewicht, da das bereits vorhandene Listensystem mit bewährten Unternehmen ein­fach in einem größeren Umfang genützt werden kann, als es bis dato der Fall gewesen ist.

Mit der Einführung eines neuen Verfahrens bei Direktvergaben mit vorheriger Bekannt­machung können Auftraggeber in Zukunft eine große Anzahl von Auftragsvergaben im Unterschwellenbereich in einem sehr formfreien, raschen und unbürokratischeren Ver­fahren vergeben – auch, meines Erachtens, ein positiver Punkt.

Als wichtiger weiterer Punkt wird das System der Eigenerklärung ausgeweitet, damit haben Auftraggeber einen geringeren Prüfaufwand und Unternehmer müssen bereits bekannte Nachweise nicht noch einmal vorlegen; eine Vereinfachung des Verwaltungs­aufwands, weniger Bürokratie. Insofern stehe ich dem Ganzen sehr positiv gegenüber.

Eine neue Ausnahmebestimmung für Beschaffungen über ausländische, zentrale Be­schaffungsstellen ermöglicht in Zukunft große Einspareffekte wie zum Beispiel beim Pharmabereich, wo es in Österreich Mehrkosten und teurere Produkte gibt. Manche Produkte sind einfach wesentlich teurer als in der Bundesrepublik Deutschland. Im Pharmabereich haben wir da Kostenunterschiede bis zu 30 Prozent.

Im Großen und Ganzen haben wir hier eine klare, neue Regelung auf dem Tisch, die für die öffentliche Hand, aber auch für die Wirtschaft wichtig ist. Sie ermöglicht kürzere, raschere, effizientere und günstigere Verfahren, und wir als sozialdemokratische Frak­tion werden da gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.07


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


15.07.16

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Staatssekretär! Es geht jetzt um das Bundesvergabegesetz und natürlich, das ist ja logisch, die Grünen interessieren sich vor allem dafür, wie es eigentlich mit den Vergabekriterien ausschaut, besonders was die ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei solchen Ausschreibungen bezie­hungsweise Ankäufen und dergleichen betrifft.

Mit etwas Verspätung, aber immerhin, gibt es ja seit 2010 einen österreichischen Ak­tionsplan, wo es um die ökologischen Kriterien für insgesamt 16 Produktgruppen geht, und unsere Kritik möchte ich diesbezüglich einfach noch einmal wiederholen, weil das natürlich direkt mit diesem Gesetz in Verbindung steht.

Im Prinzip gibt es in den von der Europäischen Kommission ausgearbeiteten Kriterien für die ökologischen Leitlinien verschiedene Produktgruppen, die in Kernkriterien und umfassende Kriterien gegliedert sind. Die Kernkriterien sind ziemlich leicht zu erfüllen­de Minimalanforderungen, so kann man mal sagen.

Bei den umfassenden Kriterien geht es tatsächlich um eine ziemliche ökologische Per­formance, wie wir sagen würden. In diesen Aktionsplan sind aber keine umfassenden Kriterien integriert, zu unserem Bedauern. Aber je ambitionierter Kriterien sind, desto größer – no na net – der ökologische Effekt. Innovation und Unterstützung von Ni­schenprodukten können nur im obersten ökologischen Segment erzielt werden.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 110

Diese Kriterien sind uns viel zu schwach formuliert, und leider reicht uns dieses Level nicht. Als Beispiel bezüglich der schwachen Kriterien seien noch Neubauten erwähnt. In unserem Aktionsplan wird festgehalten, dass Werte von Neubauten nur 25 Prozent geringer sein dürfen als der Maximalwert, der in der OIB-Richtlinie festgelegt ist. Wir sagen: Warum nicht gleich prinzipiell Passivhausbau bei Neubauten? Um nur ein Bei­spiel zu nennen.

In diesem Gesetz steht auch „nachhaltig“, obwohl es eigentlich „ökologisch“ heißen müsste. – Ha! Jetzt werden sich alle denken: Die Grünen reden doch immer von Nach­haltigkeit; Nachhaltigkeit ist doch ökologisch. – Nein, Irrtum, liebe Kolleginnen und Kol­legen! Ökologisch ist ökologisch, das brauche ich nicht zu erklären. Nachhaltig bedeu­tet Beachtung ökologischer und sozialer Standards.

Alle Kolleginnen und Kollegen, die dabei waren, möchte ich an unsere gestrige En­quete erinnern. Da ging es auch darum, wie wir Entwicklungsländer unterstützen kön­nen. Eine der Möglichkeiten waren Fair-Trade-Produkte, dass wir also Produkte kau­fen, die auch in Ländern, die sehr arm sind, unter menschlichen und sozialen Arbeits­bedingungen hergestellt worden sind. Das wäre zum Beispiel nachhaltig im Unter­schied zu ökologisch. Ich will jetzt aber kein Proseminar über den Unterschied zwi­schen ökologisch und nachhaltig abhalten. Dennoch finde ich es sehr wichtig, das ein­mal erwähnt zu haben, weil das immer wieder verwechselt wird. Im Gesetz steht zwar „nachhaltig“, es ist aber nicht „nachhaltig“ gemeint. Dies zu sagen ist uns wichtig.

Ein zweiter Kritikpunkt, den ich auch anbringen möchte: Es gibt Bereiche, die äußerst sensibel sind, zum Beispiel wenn im Bereich Verteidigung, im Bereich Militär, Bundes­heer, etwas gekauft wird. Warum ist das so sensibel? – Das ist relativ einfach erklärt: Es gibt nur einen Auftraggeber, und das ist der Staat, und natürlich sehr, sehr viele Fir­men, die diese Aufträge gerne hätten. Dazwischen gibt es, wie wir ja mittlerweile leider wissen, die sogenannten Vermittler, Vermittlerinnen. Man kann sie auch Lobbyisten nennen. Ich erinnere an Munitionsaffären und dergleichen; wir alle haben das in Erin­nerung. In diesem Gesetz geht uns die Korruptionsbekämpfung zu wenig weit, und deswegen lehnen wir dieses Gesetz ab. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.11


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Brun­ner. – Bitte.

 


15.11.53

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Ertl! Ich darf vielleicht gleich zu Beginn mit Erlaubnis des Präsidenten unseren Bundesmi­nister Mitterlehner vom letzten Mal zitieren: Das ist heute nicht Ihr Tag! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ertl: Das war auch damals nicht richtig, weil es gestimmt hat, was ich gesagt habe!)

Die Schwellenwertverordnung, um das noch einmal zu betonen, die im Mai 2009 vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise erlassen wurde, um investitions- und beschäftigungswirksame Maßnahmen rascher realisieren zu können, läuft mit Ende des Jahres aus, das stimmt, aber sie ist um noch ein Jahr verlängert worden, um diese Wertgrenze auch weiterhin für ein Jahr bei 100 000 € belassen zu können. (Bundesrat Ertl: Warum hat man es nicht zu Dauerrecht gemacht?) Das ist ja nichts Schlechtes! Ganz im Gegenteil würde ich meinen. (Bundesrat Ertl: Und was ist dann 2013?)

Herr Kollege! Die Bundesvergabe ist insbesondere für die regionale Wirtschaft ein brennendes Thema. Die bisherigen positiven Erfahrungen haben ja auch gezeigt, dass beispielsweise eben mit dieser Anhebung der Schwellenwerte ein wichtiger Impuls zur Konjunkturbelebung vor allem eben der regionalen Wirtschaft gesetzt werden konnte; es hat die regionale Wirtschaft angekurbelt.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 111

Die ursprünglichen Pläne von Bundeskanzler Faymann, und da muss ich schon auch den Bundeskanzler etwas kritisieren, die Schwellenwertverordnung eben nicht zu ver­längern und auch die ursprünglichen Inhalte des Bundesvergabegesetzes, sind ange­sichts der aktuellen Konjunkturprognosen nicht nur in der Wirtschaft auf Unverständnis gestoßen, sondern auch das Ergebnis einer OGM-Umfrage unter Österreichs Bürger­meistern ist da eindeutig: 95 Prozent der Bürgermeister sprechen sich für die Beibehal­tung der vereinfachten Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand auch nach dem 31. De­zember 2011 aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Also zu guter Letzt: Ende gut, alles gut, würde ich meinen. Das Bundesvergabegesetz und die Verlängerung der Schwellenwertverordnung ist gut für die Wirtschaft, ist gut für die Gemeinden, wie wir wissen, ist gut für uns alle. Ab und zu, und so auch in dem Fall tut einem Bundeskanzler etwas Gegenwind gut, um schlussendlich gute Entscheidun­gen im Sinne der Bevölkerung zuzulassen. Die Vorarlberger Bundesräte haben mit Un­terstützung der Frau Kammerpräsidentin aus Niederösterreich ja auch eine parlamen­tarische Anfrage an Bundeskanzler Faymann gestellt. Dieser hat nunmehr eingelenkt, darüber sind wir sehr froh. Ich nehme nicht an, dass er nur wegen unserer Anfrage eingelenkt hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Wer weiß?!)

15.14


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Os­termayer. – Bitte.

 


15.15.00

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne gleich mit den Bemerkungen Dr. Brunners. – Es wäre vielleicht interessant gewesen, sich vor Ihrer Rede zu erkundigen, wie die Si­tuation tatsächlich war, denn es stimmt nicht. Es war nicht so, dass der Bundeskanz­ler nicht verlängern wollte, sondern dass wir einen Weg gehen wollten, der sicherstellt, dass die Verordnung auch tatsächlich hält, wenn wir sie verlängern. Deshalb haben wir mit der Europäischen Kommission Kontakt aufgenommen, haben mit Deutschland Kontakt aufgenommen, um möglichst im Einklang vorzugehen, damit nicht die Verord­nung dann, wenn wir sie verlängern, aufgehoben wird und außer Kraft tritt. Das ist schlicht und einfach der Hintergrund. (Bundesrat Dr. Brunner: Warum dann erst so spät?) – Weil wir es zuerst abgeklärt haben, und die Abklärung ergeben hat, dass es Sinn macht, haben wir das, was wir tun wollten, auch getan.

Wir haben jedoch gleichzeitig geschaut, dass wir das Bundesvergaberecht rechtzeitig ändern, falls die Kommission die Verordnung aufheben würde, damit es dann eine Rückfallposition auf die jetzt im Bundesvergaberecht erhöhten Beträge gibt.

Herr Bundesrat! Es ist insgesamt ein relativ komplexes Gesetz, aber das ist eben das Vergaberecht; das ist das europäische Vergaberecht, das ist das österreichische Ver­gaberecht. Was wir machen wollten – und ich denke, das ist uns auch gelungen –, ist, dass wir zu einer Vereinfachung sowohl im Bereich der Verwaltung als auch im Bereich der Unternehmen beitragen.

Daher sind mehrere Elemente in dieser Regelung enthalten, und zwar einerseits die Erhöhung der Schwellenwerte im Gesetz neben der Verlängerung der Verordnung, die Erhöhung der gesetzlichen Schwellenwerte bei der Direktvergabe im nicht offenen Ver­fahren. Wir haben auch ein neues Verfahren geschaffen, nämlich die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung, weil wir auch denken, dass das dazu beiträgt, dass Ver­gaben schneller erfolgen. Wir haben das System der Eigenerklärung ausgedehnt, und zwar schlicht und einfach aus Gründen der Verwaltungsökonomie einerseits beim Staat, bei den Behörden, andererseits auch bei den Unternehmen.

Wir haben ja in der Regierungserklärung, im Regierungsabkommen, auch im Hinblick auf Maßnahmen der Europäischen Union, was Arbeitsmarkt, was Wirtschaft anlangt,


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 112

versucht, die Kosten von Unternehmen zu senken, Verwaltungskosten für Unterneh­men zu senken. Das ist ein Element.

Dass das Vergaberecht insgesamt immer komplex ist, werden wir nicht ändern. Wenn man mehrere Modelle schafft, braucht man Kriterien für diese verschiedenen Modelle, und so wird die legistische Umsetzung komplizierter. Glauben Sie mir, die Wirtschaft kann damit umgehen, weil die kleinen Unternehmen, die mittleren Unternehmen im Re­gelfall in bestimmten Bereichen des Vergaberechts tätig sind, die großen Unternehmen in anderen Bereichen. Das heißt also, die können sich schon darauf einstellen.

Ich sage nur: Die Reaktionen, die wir bisher gehört haben, waren alle positiv und nicht kritisch. Das hat nicht nur mit der beabsichtigten Verlängerung und flankierend der Ver­längerung der Verordnung zu tun, wie ich das vorhin schon ausgeführt habe.

Ganz kurz wollte ich noch zur Frage, warum wir zwei Gesetze gemacht haben, Stel­lung nehmen, weil Sie dieses Thema angesprochen haben. Die Antwort hierauf ist ein­fach: Wir haben deshalb zwei Gesetze gemacht, einerseits für den Verteidigungs- und Sicherheitsbereich und andererseits das allgemeine Vergaberecht, weil wir gewusst haben, dass, wenn wir das alles in ein Gesetz hineinpacken, dieses eine Gesetz noch komplexer wird. Es gibt Vergaben in einem Bereich, im zivilen Bereich, und im mili­tärischen und Sicherheitsbereich. Die Anbieter wissen sich in diesen beiden Welten zu bewegen und die entsprechenden Rechtsbestimmungen anzuwenden, und genau des­halb haben wir es in zwei Teilen gemacht, um es lesbarer zu halten, um es leichter durchschaubar und anwendbar zu machen. Das ist der Hintergrund.

Weil ich das vorhin schon getan habe: Ich danke noch einmal allen Kollegen, die bei der Erarbeitung dieses sehr komplexen Gesetzes mitgewirkt haben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.19


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


15.19.50

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Staatssekretär! Ich habe lediglich eine Verständnisfrage. Sie haben in Beantwortung der von Kollegem Brun­ner aufgeworfenen Fragen gesagt, dass Sie das zuerst mit der EU abklären möchten.

Ein Grund für die ablehnende Haltung der FPÖ ist zum Beispiel der, dass wir uns ge­wünscht hätten, dass diese Schwellenwerte, diese Direktvergaben in Dauerrecht über­gehen, und dass wir nicht jedes Jahr wieder beim Bundeskanzler quasi darum betteln möchten. Das ist zum Beispiel ein Punkt gewesen.

In der entsprechenden Diskussion hat es geheißen, dass, sollte die Argumentation kom­men, dass dies EU-Recht widerspricht, zum Beispiel festzuhalten ist, dass beispiels­weise in Deutschland die gleichen Schwellenwerte wie derzeit in Österreich bereits im Dauerrecht sind. Hinzu kommt, dass der EuGH in seinen Entscheidungen keine geld­mäßigen Absolutbeträge für den Unterschwellenbereich festgelegt hat, die unter „wert­mäßig kleine Aufträge“ zu subsumieren wären. Für den EuGH oder die EU ist in dieser Frage, also bei der Begrenzung der Schwellenwerte, nicht die Anwendbarkeit von EU-Sekundärrecht, etwa die Vergaberichtlinien, relevant, sondern ausschließlich EU-Pri­märrecht und dessen Grundprinzipien. Also: Wenn man will, dann geht das.

Meine Frage ist jetzt lediglich: Warum lässt man es nicht in Dauerrecht übergehen? Dies einfach als Verständnisfrage. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Weil die Juristen eine andere Position haben bei uns, und wir richten uns natürlich auch danach, was unsere Juristen meinen! Wir wollen nicht, dass es aufgehoben wird; wir wollen, dass es funktioniert!)

Es ist ja so, dass es nicht  – Das ist ja in dem Fall jetzt klar gewesen!

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 113

Vizepräsident Reinhard Todt: Frau Bundesrätin! Beenden Sie Ihre Rede, und dann kommt die Antwort.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (fortsetzend): Für mich ist es einfach die Frage, dass Sie uns – so habe zumindest ich es verstanden – gerade erklärt haben, dass Sie das eben vorher mit der EU abgeklärt haben. Dann wäre es ja jetzt also möglich gewesen, das in Dauerrecht zu übernehmen, oder ich verstehe das falsch.

15.22


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Staatssekretär, wollen Sie jetzt noch darauf ant­worten? – Bitte.

 


15.22.15

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Ich bin gerne bereit, hier sozusagen auch für eine Fragestunde zur Verfügung zu stehen. – Tatsächlich gibt es europäische Rahmenbedingungen. Die Ausnahme wurde aufgrund der wirtschaft­lich schwierigen Situation genehmigt, um für den Arbeitsmarkt in Europa etwas zu tun. Die Frage war daher: Wird dieser Ausnahmezustand auch noch weiterhin als gegeben akzeptiert oder nicht? Wir hoffen und gehen davon aus, dass er akzeptiert wird. Wenn er nicht akzeptiert werden würde, es angefochten werden würde, dann hätten wir die Rückfallposition des jetzt dann hoffentlich beschlossenen Bundesvergaberechts.

15.22


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen jetzt nicht mehr vor.

Wünscht jetzt noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegendem Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.23.2815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich (1758/A und 1543 d.B. sowie 8640/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nunmehr kommen wir zu Punkt 15 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Bitte um den Bericht.

 


15.23.46

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Be­schluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 114

15.24.44

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob der nun be­schlossenen Umformulierung der Bundeshymne stellt sich mir die Frage, ob man das jetzt als Erfolg oder vielleicht nicht doch eher als Farce bezeichnen soll. Auch wenn ich versuche, die Entstehungsgeschichte nachzuvollziehen, dann ist nicht so ganz klar, ob es sich dabei um ein letztes Aufbäumen oder eher um einen Streich einer Ex-Frauen­ministerin handelt, oder ob es sich vielleicht um ein Ablenkungsmanöver von dringend zu lösenden frauenpolitischen Problemen handelt. Forderungen wie zum Beispiel glei­cher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen, bessere Be­zahlung auch für typisch weibliche Berufe, soziale Absicherung von Frauen und Ein­führung von Mindestlöhnen, das sind meiner Meinung nach die Themen, die auf der politischen Tagesordnung zu stehen haben, und bei diesen Themen hat sich in den vergangenen Jahren viel zu wenig geändert. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir in diesen Punkten nicht endlich erfolgreiche Maßnahmen schaffen, dann nützt auch die Symbolik der großen Töchter in der Bundeshymne nichts. Und abgese­hen davon nützen Symboliken den Frauen sowieso nicht.

Trotz der genannten und immer noch unerledigten Grundforderungen, die ich gerade aufgezählt habe, sind Österreichs Frauen einfach doch sehr, sehr stark. Jedes dritte Unternehmen hierzulande wird zum Beispiel von einer Frau geleitet. Österreichs Frau­en sind in der Wirtschaft weiter auf dem Vormarsch. Der Anteil der Unternehmensgrün­derinnen wuchs zwischen 1994 und 2010 von 26 auf 40 Prozent, und mehr als die Hälfte aller Studierenden sind weiblich. (Bundesrätin Zwazl: 51 Prozent!) – Noch bes­ser! Ganz hervorragend!

Und ohnedies, meine Damen und Herren, steht hinter jedem erfolgreichen Mann eine noch stärkere Frau!

Schade eigentlich, dass diese Änderung des Textes unserer Bundeshymne offensicht­lich als eine frauenpolitische Meisterleistung bewertet wird. Und wenn dem so ist, dann sind wir Frauen von tatsächlichen Verbesserungen für Frauen – und von großen Töch­tern – noch meilenweit entfernt.

Mein Selbstverständnis und meine Vorstellung von großen Töchtern ist eine andere. Meiner Meinung nach ist der sozusagen alte Text so wie viele andere Liedtexte eben­falls Teil der Geschichte und von vorangegangenen Generationen geschaffen. Ich ha­be mich bis zum heutigen Tag nicht an dem Text gestoßen, und er hat mich auch nie gestört. Ich stimme deshalb dieser Änderung auch nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)

15.27


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


15.28.09

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Liebe Besucherinnen und Besucher! Gerade bei diesem Thema freut es mich sehr, dass so viele junge Frauen da sitzen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Drage kolegice, dragi kolegi! Es ist keine Farce! Das kann doch einfach nicht sein, dass man da einen Schritt zur Gleichberechtigung, und wenn er noch so klein ist, als Farce bezeichnet in einer Zeit, im 21. Jahrhundert, in der eigentlich Gleichberechtigung, Gleichstellung etwas Selbstverständliches sein sollte. Und da stellt sich leider eine Frau her und redet von Farce.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 115

Eine Kleinigkeit ist es für mich nicht! Es ist für mich ein Zeichen, ein Symbol auf dem Weg zur besseren Gleichstellung.

Ich meine, dass diese Änderung, durch die auch die großen Leistungen von Söhnen und Töchtern in die Bundeshymne aufgenommen werden, ein Zeichen dafür ist, dass die großen Leistungen von Töchtern und Söhnen gleich viel wert sind und auch sein sollten, denn unsere Heimat, unser Österreich besteht aus Frauen und Männern. Alle haben mit Leistungen dazu beigetragen, dass Österreich das ist, was es ist.

Es gibt sehr viele Künstler und Künstlerinnen, es gibt sehr viele Sportler und Sport­lerinnen, warum sollten in der Bundeshymne nur die Leistungen von Männern erwähnt werden? Wir Frauen sind ein Teil unserer Gesellschaft! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte einfach erklären, warum für mich diese Textänderung so wichtig ist – weil Frauen sichtbar gemacht werden (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Genau!), weil Frauen durch diese Änderung in die Geschichtsschreibung aufgenommen werden, weil Frauen damit auch wertgeschätzt werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, der allgemeine Sprachgebrauch hat sich in den letz­ten 60 Jahren sicherlich geändert. Die Sprache prägt wie kein anderes Medium das Bewusstsein. Ich glaube, im 21. Jahrhundert sollen sich alle dessen bewusst werden, dass eine Gesellschaft die Leistungen von großen Söhnen und großen Töchtern aus­machen, denn was nicht benannt wird, das existiert nicht. (Bundesrätin Mag. Neu­wirth: So ist es!)

Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Die Bundeshymne hat für mich einen starken symbolischen Wert. Sie gibt eine gesellschaftliche Realität wieder. Die Bundeshymne hat für mich eine große Ausdruckskraft, wo Emotion dahinter steht, wo Identität dahin­ter steht, wo Leistung dahinter steht. Und die österreichische Bundeshymne zeigt das auf, was Österreich ausmacht.

All unsere Berühmtheiten sind Männer und Frauen, und all das, was weit über die Grenzen Österreichs strahlt, haben in Österreich Männer und Frauen gemacht. Des­wegen ist mir diese Änderung sehr wichtig, weil ich glaube, dass auch Frauen das Recht haben, benannt und zu feierlichen Anlässen besungen zu werden, denn viele Frauen haben große Leistungen für Österreich erbracht und viele Männer haben große Leistungen für Österreich erbracht.

Meine Fraktion wird sehr gerne dieser Änderung – die keine Farce ist, wie sie vorhin benannt wurde, sondern ein Schritt zur Gleichberechtigung – zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Hvala. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.33


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Astleitner. Ich erteile es ihr.

 


15.34.03

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Schüle­rinnen und Schüler des Gymnasiums Kufstein! – wie ich höre, fast eine reine Mädchen­klasse. Es freut mich sehr, heute zu diesem Tagesordnungspunkt so viele Damen an­wesend zu haben. Werte Pädagoginnen und Pädagogen, die sie begleiten! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Heute beschließen wir auch im Bundesrat die Änderung der österreichischen Bundeshymne und deren gesetzliche Verankerung. Konkret wer­den die beiden Wörter „bist du“ in der ersten Strophe durch die Wörter „großer Töchter


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 116

und“ sowie das Wort „Brüderchören“ in der dritten Strophe durch „Jubelchören“ ausge­tauscht.

Viel ist in den letzten Monaten darüber diskutiert worden, und jeder/jede von uns wird wahrscheinlich Argumente dafür und Argumente dagegen gehört haben: von „Haben wir denn sonst keine Sorgen?“ oder „Haben wir denn keine anderen Probleme?“ bis hin zu „Das ist ein Zeichen für die Wertschätzung der Frauen!“.

Es ist unbestritten, sehr geehrte Damen und Herren, das wir dringliche Anliegen für Frauen und Männer haben, es ist jedoch auch unbestritten, dass Sprache – das hat meine Kollegin und Vorrednerin schon angesprochen – wie kein anderes Medium Be­wusstsein prägt. Und für mich, Kollegin Michalke, ist das kein Widerspruch! Wir kön­nen dringliche Anliegen für die Frauen haben, wir dürfen aber auf der anderen Seite auch die Bundeshymne ändern. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Es gibt, geschätzte Damen und Herren, viele Österreicher, die große Leistungen er­bracht haben, und es gibt aber auch – das darf ich so hinzufügen – viele Österrei­cherinnen, die durch hervorragende Leistungen das Ansehen unseres Landes geprägt haben. Ich denke dabei – und ich möchte nur ein paar erwähnen – an die beiden Schriftstellerinnen Marie von Ebner-Eschenbach oder an die zuletzt in Linz lebende Gertrud Fussenegger oder auch an die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner oder an die Jahrhundertsportlerin Annemarie Moser-Pröll. Diese Liste würde sich noch fortsetzen lassen. Ich darf sagen: Es hat in Österreich große Leistungen von Männern gegeben, aber auch ganz sicher große Leistungen von Frauen.

Die österreichische Bundeshymne, manchmal der ersten Zeile entsprechend auch „Land der Berge, Land am Strome“ genannt, ist die Nationalhymne der Republik Öster­reich. Eine Hymne ist laut Brockhaus ein Lob- und Preisgesang. Männer und Frauen – ich habe es schon gesagt – trugen durch ihre Leistungen und tragen durch ihre Leis­tungen tagtäglich zum Ansehen Österreichs bei. Deshalb soll in der heutigen Zeit eine geschlechtergerechte Sprache – wir haben gehört, die Sprache hat sich verändert, wird sich auch weiter verändern – eine Selbstverständlichkeit sein und ganz sicherlich kei­ne Farce. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Stimmen wir also ein, geschätzte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler, der heutigen Zeit entsprechend nicht nur, jetzt in der Vor­weihnachtszeit, in das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“, sondern auch in die Bundes­hymne „Heimat großer Töchter und Söhne“!

Es wäre schön, wenn wir das jetzt singen könnten. (Heiterkeit.)

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen singend fort.)

Heimat großer Töchter und Söhne.

Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.38


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­rat Dönmez. Ich erteile es ihm. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


15.38.48

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Wen hört man da Zwi­schenrufe machen? – Die Kollegen von der ÖVP! Das freut mich.

Frau Kollegin, eigentlich wollte ich jetzt mit dem Text beginnen, aber Sie haben das vorweggenommen, daher erspare ich Ihnen das jetzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich wollte damit eigentlich nur zum Ausdruck bringen, aber man hat das auch bei der Kollegin gesehen: Es tut nicht weh, wenn man dieses Wort verwendet. (Beifall bei Grü­nen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 117

Sehr geehrte KollegInnen! Ich muss auch ehrlich sagen: Ich verstehe die Aufregung und die Diskussion nicht, die sich über Monate hingezogen hat und wo sich die Zu­schauerInnen zuhause und die Bürger und Bürgerinnen zu Recht gefragt haben – Ent­schuldigung, dass ich das jetzt so sage! –: Haben die „Würstel“ nichts anderes zu tun, als sich mit dieser Thematik zu beschäftigen? Es ist doch, bitte, eine Selbstverständ­lichkeit im 21. Jahrhundert, dass Frauen und Männer auf der gleichen Ebene sind, wie­so muss man da monatelang darüber diskutieren? (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Frau Kollegin Michalke, ich gebe Ihnen vollkommen recht und unterstütze Sie auch in dem Punkt, Sie haben gesagt: Wir haben viel Bedarf, wo es um eine Angleichung geht.

Ich halte es für eine riesengroße Sauerei – ich sage das insbesondere auch deshalb, weil Gäste aus Tirol hier sind, von denen die überwiegende Mehrheit Damen sind –, dass Frauen, wenn sie in das Berufsleben einsteigen, in vielen Bereichen für die glei­che Arbeit, die Männer leisten, 60 Prozent weniger an Gehalt bekommen sollen! (Bun­desrätin Mag. Neuwirth: Na, 60 Prozent nicht! – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) 40 Prozent. Entschuldigung! Aber sie kriegen weniger, Frau Kollegin! (Bundesrätin Zwazl: Auch nicht 40 Prozent!) Ich verstehe, dass da die Wirtschaft immer dazwi­schenfunkt, aber Faktum ist: Sie bekommen für die gleiche Arbeit nicht die gleiche Ent­lohnung!

Dass man das beheben, diskutieren, berichtigen muss, steht außer Frage, und da bin ich ganz Ihrer Meinung, aber das hat nichts mit der Bundeshymne zu tun. Bei der Bun­deshymne geht es darum, ein Zeichen zu setzen. Wir preisen uns immer, dass wir das Land – zu Recht! – der Hochkultur sind. Diesem Land entspringen einzigartige Künst­ler, Dichter, AutorInnen und sonstige Intellektuelle – und dann sollte nicht das Wort „Frauen“ in der Bundeshymne vorkommen oder statt „Brüderchören“ von „Jubelchören“ gesprochen werden? Da gibt es dann einen Diskussionsbedarf.

Meine Kolleginnen und Kollegen, insbesondere jene von der ÖVP, denn aus diesem Sektor sind die kritischen Stimmen gekommen, ich verstehe das nicht. Ich habe mir ge­dacht, ich bin im Parlament in Österreich und nicht irgendwo in Anatolien. (Heiterkeit.)

Es freut mich, dass wir jetzt im 21. Jahrhundert so weit sind, dass es selbstverständlich ist, dass Männer und Frauen auch symbolisch gleichwertig in unserer ehrenwerten Bundeshymne vorkommen. Unsere Fraktion wird das mit Inbrunst singen, und natürlich werden wir dem auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.42


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.42.5316. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (1399 d.B. und 1544 d.B. sowie 8614/BR d.B. und 8641/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Preineder. Bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 118

Bericht.

 


15.43.14

Berichterstatter Martin Preineder: Geschätzter Herr Präsident! Ich erstatte den Be­richt des Ausschusses für Föderalismus und Verfassung über den Beschluss des Na­tionalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialis­mus geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; es erübrigt sich daher dessen Verle­sung.

Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Beer. Ich erteile es ihm.

 


15.44.02

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Gesetz geht es darum, Auschwitz-Birkenau zu erhalten. Der Erhaltungszustand des ehemaligen Kon­zentrationslagers und nunmehrigen Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Daher soll für die Instandhaltung der Ge­denkstätte Auschwitz-Birkenau ein österreichischer Beitrag in der Höhe von 6 Millionen € bereitgestellt werden.

Dieser Betrag soll in erster Linie einmal grundsätzlich der Internationalen Stiftung Au­schwitz-Birkenau, die mit der Instandhaltung dieser Gedenkstätte betraut ist, zur Verfü­gung gestellt werden. Aus ihm sollen aber jedenfalls auch die Sanierungsarbeiten am österreichischen Pavillon in Auschwitz, in dem sich die österreichische Dauerausstel­lung befindet, finanziert werden.

Für die Erhaltung hat Polen die Auschwitz-Birkenau-Stiftung gegründet, die insgesamt mit einem Betrag von 120 Millionen € dotiert werden soll. Die Sanierung der Gedenk­stätte soll aus den Kapitalerträgen der Stiftung finanziert werden.

Deutschland wird diese Stiftung mit 60 Millionen € unterstützen. Auch von anderen eu­ropäischen Staaten wurden schon Beiträge zugesagt, und es gibt auch noch weitere Verhandlungen. Was auch für unseren Pavillon nicht unwichtig ist, ist der Umstand, dass sich die Nachfolgestaaten von Jugoslawien auch daran beteiligen, denn im öster­reichischen Pavillon sind im Erdgeschoss die österreichische Dauerausstellung und im ersten Stock Ausstellungsgegenstände des ehemaligen Jugoslawien untergebracht. Und von amerikanischer Seite, von US-Seite her wurde ein Beitrag von 15 Millionen US-Dol­lar in Aussicht gestellt.

Es muss dieses Objekt deshalb erhalten werden, damit ein Zeichen der Unterstützung für ein Mahnmal zur dauernden Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und gegen jede Form von Hass und Verhetzung gesetzt wird.

Warum ist das noch notwendig? – Auschwitz-Birkenau war das größte Vernichtungs­lager des nationalsozialistischen Regimes. In diesem Lager wurden – man kann es nicht ganz genau sagen, weil dafür die Aufzeichnungen fehlen, aber man geht davon aus – 1,5 Millionen Menschen vernichtet, umgebracht, vergast, zu Tode gefoltert. Es gibt kein anderes Konzentrationslager, das ähnliche Zahlen aufweisen kann, außer Treblinka. Dort haben wir 1,1 Millionen Menschen zu beklagen.

Ich glaube, es ist auch unheimlich wichtig, unseren nachfolgenden Generationen ver­mitteln zu können, was dort passiert ist. Das ist undenkbar, unvorstellbar in unserer


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 119

Zeit. Es ist nicht möglich, so etwas überhaupt zu realisieren, sich so etwas in seinem Kopf vorzustellen, aber versuchen Sie es trotzdem! Versuchen Sie sich das vorzustel­len: Es kommen Eisenbahnwaggons, Viehtransporte, und in diesen Viehtransporten sind 4 000 Menschen eingepfercht!

In Auschwitz-Birkenau ging es bis zum Jahre 1944 dann so weiter: Diese Menschen wurden entladen und mussten sich auf einen Fußmarsch in das Lager aufmachen. Im Lager angekommen, wurde selektiert: Kann man diese Menschen noch für die Arbeit brauchen, oder bringen wir sie gleich weg? Es wurde also unterschieden zwischen al­ten Frauen, alten Männern, kranken Menschen, Kindern, die eher nicht für die Arbeit geeignet waren, und solchen, die man zur Arbeit heranziehen konnte.

Man weiß aus Aufzeichnungen, dass ungefähr 900 000 Menschen direkt von diesen Zügen in die Gaskammern geführt oder erschossen wurden. Stellen Sie sich einmal vor: Bevor Sie in die Gaskammer gehen müssen, haben Sie noch Ihr gesamtes Hab und Gut abzugeben, und dann gehören Sie vielleicht noch zu den „Glücklichen“, die zur Arbeit herangezogen werden!

Zur Arbeit herangezogen zu werden, hat in diesem Lager bedeutet, dass man an Fir­men verliehen wurde, aber es war nicht ein wirkliches Glück, das einen da erwartete, denn beim geringsten Fehler konnte man sofort erschossen werden. Auch wenn es einem der Aufseher gefiel oder er gerade eine Verstimmung hatte, konnte man er­schossen werden.

Aus diesem Lager zu flüchten, das war fast unmöglich. Dieses Lager war in einem dünn besiedeltem Gebiet. Es wurden auch Zwangsaussiedlungen der dort ansässigen Bevölkerung durchgeführt, um ganz einfach eine bessere Kontrolle zu haben.

Wurde man nicht erschossen oder gefangen genommen, konnte man im Umkreis von einigen Kilometern keine Siedlungen finden. Diejenigen, die nicht auf der Flucht er­schossen, sondern wieder gefangen genommen wurden, starben den qualvollen Hun­gertod in einem Bunker.

Auschwitz-Birkenau war auch sehr berühmt dafür, dass man dort Sinti und Roma se­pariert gefangen hielt; das war der Sektor der „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“. In diesem Sektor wurden auch Versuche an Menschen vorgenommen, medizinische Ver­suche, wie es damals hieß, wobei an lebenden Patienten ohne Narkose Operationen durchgeführt wurden, um zu erfahren, wann der Mensch die Schmerzen nicht mehr aushält und bewusstlos wird. Die Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten ging auch so weit, dass in diesem Bereich der Sinti und Roma die Menschen nicht mehr vergast werden mussten, weil sie sowieso an Unterernährung, an schlechten Bedin­gungen oder eben an diesen Experimenten starben. Vielen von Ihnen ist sicherlich der Name Mengele bekannt, auch er war in diesem Konzentrationslager einer der führen­den Kapos.

In Auschwitz wurden die ungefähr 200 000 dauernd stationierten Gefangenen von 4 500 Nationalsozialisten bewacht. Es gab insgesamt 39 Nebenlager. Wie gesagt, es ist unvorstellbar, sich so etwas in unserer Zeit vorzustellen, darum muss dieses Lager ganz einfach erhalten werden.

Ich möchte hier noch einen Text zitieren, der sich am Denkmal im Vernichtungslager Birkenau findet, das 1967 auf Initiative des internationalen Auschwitz-Komitees errich­tet wurde:

„Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Mensch­heit. Hier ermordeten die Nazis über anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas.“


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 120

Was für mich ganz besonders erschreckend ist: Heute gibt es im „Kurier“ eine Veröf­fentlichung einer Umfrage unter 16- bis 19-Jährigen, und eine der Fragen war: „Hat Hit­ler den Menschen etwas Gutes gebracht?“ – Über 11 Prozent dieser Jugendlichen sa­gen: Ja, er hat den Menschen etwas Gutes gebracht. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Ei­ne blöde Frage!)

Darum ist es notwendig, dieses Denkmal zu erhalten und auch weiterhin gegen Verhet­zung und Intoleranz aufzutreten. (Allgemeiner Beifall.)

15.53


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm.

 


15.53.38

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Verehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseher vor den Bildschirmen! Mit der heutigen Novelle des Bundesgesetzes über den National­fonds der Republik Österreich wird das Werk der Regierung Wolfgang Schüssel, wel­ches am 31. Jänner 2001 im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde, fortgesetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch unser Bundespräsident Heinz Fischer erwähnt die Bedeutung des Nationalfonds immer wieder bei seinen Reden und weist auf die Gräuel des Nationalsozialismus hin.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit den 6 Millionen € beschließen wir heute die Leistung Österreichs für die finanzielle Unterstützung und Sanierung der Gedenkstätte in Auschwitz. 6 Millionen € sind nur ein Geldwert, jedoch liegt es an der Einstellung von uns Politikerinnen und Politikern, wie wir zu unserer Geschichte und als Mahner ge­genüber dem Antisemitismus dastehen. Nur wir können seitens der Politik als Vorbilder für die Jugend wirken und, wie mein Kollege schon gesagt hat, diese Gräuel auch nur dementsprechend darstellen, damit die Jugend nie wieder in diese Fallen tappt. Denn wir sehen in vielen Ländern Europas, gerade in Deutschland, wo die letzten Vorfälle gewesen sind, aber auch bei uns in Österreich, dass Rechts-, aber auch Linksextre­mismus besonders in Zeiten wie diesen, Zeiten der Verunsicherung und der Arbeitslo­sigkeit, Zulauf erlangen.

In diesem Zusammenhang auch ein herzliches Dankeschön an die vielen Freiwilligen, die bei den Gedenkstätten ihre Dienste leisten, die sogenannten Gedenkdienern! Sie tragen durch ihr Ehrenamt zum Erhalt dieser Gedenkstätten und der Holocaust-Stätten bei.

Auch unseren Lehrerinnen und Lehrern ein herzliches Dankeschön, weil sie die Ge­schichte den Jugendlichen vermitteln! Ein herzliches Dankeschön aber auch dafür, dass sie die Gedenkstätten mit der Jugend besichtigen.

Mit dem heutigen Beschluss leisten wir einen Beitrag zur Erhaltung des Mahnmals in Auschwitz-Birkenau und halten die Erinnerung wach. Meine Fraktion wird dieser Novel­le des Bundesgesetzes über den Nationalfonds natürlich gerne die Zustimmung ge­ben. – In diesem Sinne: danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

15.56


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­rat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


15.56.15

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wir haben ein ernstes Thema, keine Frage: Es geht um die Renovierung des Vernich­tungslagers Auschwitz-Birkenau.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 121

Wenn Sie einmal Ihre Smartphones zur Hand nehmen und auf „Google“ einen Routen­plan eingeben: wie weit ist es von diesem aktuellen Standort, wo wir heute sind, nach Auschwitz?, dann sind es 398 Kilometer. Das ist nicht weit. Für die meisten Leute wirkt Auschwitz, wenn man das Wort „Auschwitz“ sagt, so unendlich weit weg. Im Vergleich: Von hier nach Bregenz sind es 645 Kilometer; Auschwitz liegt also näher an Wien als Bregenz! Ich finde, das wird oft übersehen und oft vergessen.

Warum sage ich das? – Es gibt die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, und wir sind im Übrigen sehr froh – das muss ich natürlich bestätigen –, wir sind sehr froh darüber, dass jetzt diese Summen zur Verfügung gestellt werden, dass hier der Nationalfonds aktiv werden kann, die Gedenkstätte mitzufinanzieren.

Wir sind sehr froh darüber, dass die österreichische Dauerausstellung vor Ort neu ge­staltet wird. Für diejenigen, die es nicht wissen: Es ist tatsächlich noch ein fragwürdi­ges Bild über Österreich, das in dieser Ausstellung präsentiert wird, ein Bild, das in den siebziger Jahren leider noch sehr oft hochgehalten wurde: Österreich sei das erste Op­fer. – Mittlerweile sind die Historiker und Historikerinnen natürlich weiter, und wir wis­sen auch über die Täterschaft in diesem Land, über die Mitläufer, über die Mitläuferin­nen und die, die aggressiv mit dabei waren und Menschen vernichtet haben.

Aber warum habe ich das mit den 398 Kilometern erwähnt? – Pro Jahr besuchen 68 000 Deutsche Auschwitz-Birkenau und 3 200 Österreicherinnen und Österreicher. Doppelt so viele BesucherInnen in Auschwitz-Birkenau kommen beispielsweise aus Singapur, aus Slowenien oder aus Portugal. Aus Australien – wir werden bekanntlich sehr oft mit Australien verwechselt, das wäre in dem Fall gut – kommen vier Mal so viele Menschen nach Auschwitz-Birkenau, um die Ausstellung und die Gedenkstätte zu besichtigen, wie Österreicherinnen und Österreicher!

Ich mache jetzt hier keine Volkskritik, aber ich glaube, ich kann jetzt nur Sie beide – weil Sie jetzt auch hier sind, Frau Ministerin – bitten, in der Bundesregierung auch zu überlegen: Wie schaffen wir es, mehr Österreicher und Österreicherinnen vor allem aus den Schulen dort hinzubringen, damit sie diese Stätte sehen und damit sie wissen, was dort geschehen ist? – Denn es ist einmalig in der menschlichen Geschichte, dass eine Vernichtung in dieser Art und Weise industriell passiert ist. Und es ist wichtig, das zu vermitteln, gerade aufgrund dieser Umfrage, die ich heute auch mit Sorge gelesen habe: dass 11 Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 19 glauben, Hitler hätte uns etwas Gutes gebracht.

Das mag aber auch daran liegen, und erlauben Sie diese persönliche Anmerkung: Ich komme selber aus einem kleinen niederländischen Dorf, das von den Nationalsozialis­ten durch eine Razzia vernichtet und verbrannt worden ist; alle Männer zwischen 17 
und 55 sind ins Konzentrationslager gebracht worden. Erlauben Sie mir, das persönlich zu erzählen: Meine Familie sind Zeugen Jehovas; ich nicht, aber meine Familie. Unser Nachbar war Leopold Engleitner, den kannte ich sehr gut – ich weiß nicht, einige von Ihnen kennen ihn wahrscheinlich: der älteste noch lebende KZ-Überlebende. Er ist jetzt 106 Jahre alt.

Als homosexueller Mann, der ich ja bin, ist es natürlich ohnehin eine Frage: Wie gehen Gesellschaften mit Minderheiten um? – So ist natürlich auch meine Solidarität sehr groß für Menschen, die verfolgt worden sind, insbesondere die Juden und Jüdinnen.

Auschwitz-Birkenau wurde am 27. Jänner befreit – und am 27. Jänner 2012 feiern in der Hofburg Burschenschafter und Burschenschafterinnen, tanzen Walzer an dem Tag, an dem Holocaust-Überlebende gedenken! Sie tanzen, von Burschenschaften ausge­hend (Bundesrätin Mühlwerth: Der findet seit 40 Jahren am letzten Freitag im Jänner statt!), von Burschenschaften ausgehend, die kein Problem damit haben, Holocaust-Leugner einzuladen, Barden einzuladen mit Gesängen, die ich hier nicht zitieren will,


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 122

weil sie des Hohen Hauses nicht würdig sind (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja völli­ger Unfug!), obwohl – und ich mache der Freiheitlichen Partei jetzt keinen Vorwurf als Generelles ... (Bundesrätin Mühlwerth: Es wird nicht wahrer, wenn man es öfter sagt!)

Sie brauchen sich nicht aufzuregen, ich mache Ihnen persönlich keinen Vorwurf. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das wäre ja noch schöner!) Aber Sie gehen nicht zu diesem Ta­gesordnungspunkt heraus und geben hier ein Bekenntnis zur Erinnerung an diese Ver­nichtung ab. (Bundesrätin Mühlwerth: ... was denn das für ein Bekenntnis ist! – Weite­re Zwischenrufe.) – Ja, Ihr Bekenntnis ist, dass Sie jetzt meine Rede stören, das ist ganz offensichtlich Ihr Bekenntnis. Und Ihr Bekenntnis ist, dass ihr immer wieder Men­schen in euren Reihen habt, die aus Burschenschaften kommen und die den Holocaust leugnen! (Bundesrätin Mühlwerth: Da erhebe ich Einspruch ...!) Das gilt nicht für die gesamte Freiheitliche Partei, aber die sind in Ihrer Partei. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Am 27. Jänner werden die Mitglieder Ihrer Partei Walzer tanzen und einen Ball feiern, wenn gleichzeitig Schoah-Überlebende gedenken. Ich finde das unerträglich! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

16.02


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schweigkof­ler. Ich erteile es ihm.

 


16.02.21

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Bei meinem Besuch im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau vor einigen Jahren ist mir aufgefallen, als ich diese ständige österreichische Ausstellung besuchte, dass noch ein Geschichtsbild vermittelt wurde, dass kurz nach dem Zweiten Weltkrieg oder schon während des Zweiten Weltkriegs, nach der Moskauer Deklaration eben, von Österreich aufgenommen wurde: Österreich, das erste Opfer Hitler-Deutschlands.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass nun Österreich 6 Millionen € in diese Stiftung einbezahlt, dass mit diesem Geld auch diese Ausstellung überarbeitet wird und sich dem in der Zwischenzeit in Österreich etablierten Geschichtsbild anschließt, dass es nicht nur Opfer gegeben hat, sondern dass leider Gottes auch viele Österreicher als Täter in der Zeit von 1938 bis 1945 im Nationalsozialismus dabei waren. Ich glaube, das ist für die Zukunft etwas ganz Wichtiges, denn wenn Besucher hinkommen und diese neu gestaltete Ausstellung sehen, dann wissen sie – so wie unser Alt-Kanzler Franz Vranitzky es 1995 das erste Mal angesprochen hat und es auch das erste Mal in Israel angesprochen hat –, dass Österreicher auch Täter waren. – Das ist für mich si­cherlich der Hauptgrund, warum ich diesem Gesetz heute zustimme.

Der zweite wichtige Grund: Gerade in der Zeit, in der wir sehen, wie in Deutschland der Rechtsextremismus wieder aufblüht, wie es auch in Österreich, das muss man leider Gottes sagen, rechtsextreme Tätigkeiten gibt, muss dieses Mahnmal wirklich für die Nachwelt erhalten bleiben. Da diejenigen, die dieses erlebt haben, immer älter werden und auch von uns gehen, muss dieses Mahnmal für die Nachwelt erhalten bleiben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

16.04


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Os­termayer. Ich erteile es ihm.

 


16.04.35

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Herr Vorsitzender! Lie­be Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte insbeson­dere Wolfgang Beer für seine wirklich berührenden Worte danken, weil er versucht hat,


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 123

etwas zu tun, was relativ schwer geht, nämlich in Worte zu fassen, welche Gräueltaten damals stattgefunden haben.

Es gibt ja den berühmten Satz von Theodor Adorno, der meinte, man kann nach Auschwitz nicht mehr Gedichte schreiben. Wir wissen, dass das natürlich nicht der Fall ist und dass man sehr wohl Gedichte schreiben kann, aber es war dies auch der Ver­such, darzustellen, zu welch ungeheuerlichen Handlungen Menschen, die ideologisch verführt sind, fähig sind.

Das war auch der Grund, warum es für uns ganz selbstverständlich war, dass wir in der Bundesregierung schon im Februar den Grundsatzbeschluss gefasst haben, trotz Sparpaket und all der Maßnahmen 6 Millionen € zur Verfügung zu stellen, also einen quasi der Größe entsprechenden Betrag analog zu Deutschland, und das später auch in einen Ministerratsbeschluss gefasst wurde.

Wir haben uns auch entschieden, den Weg zu wählen, das über den Nationalfonds zu machen, weil wir wissen, dass dort ganz besonders gute Arbeit geleistet wird. Ich habe im Plenum auch die Möglichkeit gehabt, der damals anwesenden, hervorragenden Ge­neralsekretärin Hannah Lessing zu danken.

Mir haben auch die Worte von Herrn Kollegen Schreuder zu denken gegeben, als er die Zahlen darüber genannt hat, wie viele Österreicher und wie viele Menschen aus anderen Ländern nach Auschwitz fahren. Ich hoffe, dass dieser Beitrag, den wir jetzt leisten und den Sie, wenn es so wie im Nationalrat ist, hoffentlich einstimmig beschlie­ßen, auch wenn niemand von der FPÖ zu diesem Thema spricht, obwohl zu fast allen anderen Tagesordnungspunkten jemand von der FPÖ spricht (Bundesrätin Mühl­werth: Nicht zu allen! Wir haben nicht zu allen gesprochen!) – zu fast allen, ich habe ausdrücklich gesagt: zu fast allen –, dass das auch dazu beiträgt, dass mehr Men­schen aus Österreich nach Auschwitz fahren.

Vielleicht hat es aber auch damit zu tun, dass wir nicht einmal das Land verlassen müssen, um ehemalige Konzentrationslager zu besuchen, da es sie ja auch in unse­rem Land gibt. Wir haben zu dem Thema „Niemals vergessen!“, das ich für besonders wichtig erachte, in den letzten Monaten auch einen anderen Beitrag geleistet: Wir ha­ben gemeinsam mit dem Unterrichtsministerium und dem Innenministerium dazu bei­getragen, dass Guides für die Außenlager von Mauthausen ausgebildet werden. Ich durfte vor wenigen Wochen diesen jungen, aber zum Teil auch älteren Menschen, die sich zur Verfügung stellen, um in ihrer Freizeit insbesondere Schulklassen durch Maut­hausen, aber auch durch die Außenlager von Mauthausen zu führen, die Dekrete über­geben. Es wurde nämlich im Vorfeld auch so etwas wie eine Ausbildung dieser jungen und auch älteren Menschen gemacht. Es war auch ein Mann dabei, der selbst in einem Außenlager inhaftiert war und alles miterleben musste, was damals an Grauslichkeiten passiert ist.

Mauthausen ist für mich auch ein Stichwort, und ich betrachte jedenfalls für mich den Beschluss, den Sie demnächst fassen werden, auch als Ehrerweisung für den leider vor Kurzem verstorbenen Hans Maršálek, der so Großartiges geleistet hat im Zusam­menhang mit Mauthausen, ein Buch über Mauthausen geschrieben hat, die ganze Ge­denkstätte sozusagen initiiert, aufgebaut und unterstützt hat bis zu seinem Lebensen­de. Erlauben Sie mir also, dass wir diesen Beschluss heute auch als Ehrerweisung für Hans Maršálek betrachten. (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke Ihnen herzlichst, und da dies mein letzter Redebeitrag in diesem Jahr ist, wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten und danke für die gute Zusammenarbeit hier: Alles Gute im neuen Jahr! Insbesondere (in Richtung Bundesministerin Heinisch-Ho­sek) auch dir: Danke schön! (Allgemeiner Beifall.)

16.09



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 124

Vizepräsident Reinhard Todt: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Mag. Klug: Das geht aber nur schwer! Da sind wir sehr gespannt!)

 


16.09.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Herr Bundesrat Schreuder von den Grünen hat in seiner Rede behauptet, der WKR-Ball finde absichtlich am Tag der Befreiung des KZ Auschwitz statt.

Wahr ist vielmehr: Der WKR-Ball findet seit 40 Jahren am letzten Freitag im Jänner statt.

Ich weise das mit aller Schärfe zurück, dass wir das deswegen tun, um die Opfer zu verhöhnen, weil es einfach nicht stimmt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreu­der: Ich empfinde das als Verhöhnung! Ich!)

16.10


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


16.10.01

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Ich möchte bei Staatssekretär Ostermayer anknüpfen. Wir behandeln und be­schließen heute einen 6 Millionen €-Beitrag für die Arbeit, für die Erhaltung und für die Sicherung der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau und es wurde in der Debatte gefragt: Warum besuchen nur 4 000 Österreicher diese Gedenkstätte, dieses Konzentrations­lager, dieses größte Vernichtungslager der Menschheit auf europäischem Boden?

Ich möchte vielleicht zur Klärung etwas beitragen. Als Erklärung möchte ich hier vor­bringen beziehungsweise ich kann mir vorstellen, dass der Grund dafür daran liegt, dass wir selber Gedenkstätten, Konzentrationslager, Vernichtungsstätten in Österreich haben und dass diese Gedenkstätten – ich meine hier das Konzentrationslager Maut­hausen, die Außenlager in Ebensee oder Gedenkstätten, sowie das Dokumentations­archiv des österreichischen Widerstandes – beinahe gestürmt werden von unseren Jugendlichen. Über 100 000 Schülerinnen und Schüler besuchen diese Gedenkstätten und ich möchte, dass in diesem Plenum kein Zerrbild entsteht.

Die Aufarbeitung der Geschichte, das Lernen aus der Geschichte nimmt in Österreich, nimmt in unseren Schulen wirklich breiten Raum ein und das ist wirklich den Lehrern, den Eltern, allen Generationen, aber auch den Jugendlichen, ein ganz großes Anlie­gen. Ich möchte einfach festhalten, dass ich begeistert bin, dass ich das mit sehr viel Freude und auch mit sehr viel Zuversicht und ganz positiv registriere, dass sich 100 000 Jugendliche für unsere Geschichte, für unsere Verantwortung in der Geschichte interessieren und alles dafür tun, damit sich solche Entwicklungen in Österreich nie mehr wieder einstellen. (Allgemeiner Beifall.)

16.12


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich verabschiede Herrn Staatssekretär Ostermayer und begrüße Frau Bundesminis­terin Heinisch-Hosek. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 125

16.13.1017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschafts­dienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienst­rechtsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehand­lungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Auslandzulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz und das Asylgerichtshofgesetz geändert werden und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 29. Februar 1980 betref­fend die Prüfung und die Klausurarbeiten für den Aufstiegskurs an der Verwal­tungsakademie wieder in Kraft gesetzt und geändert wird (Dienstrechts-Novel­le 2011) (1514 d.B. und 1610 d.B. sowie 8613/BR d.B. und 8642/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesbahngesetz geändert wird (1611 d.B. sowie 8643/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nun kommen wir zu den Punkten 17 und 18 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 17 und 18 ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um die Be­richte.

 


16.13.45

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Da­men und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Födera­lismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltsschaftsdienstge­setz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das land- und forstwirtschaftliche Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, die Reise­gebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsge­setz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz und das Asylgerichtshofgesetz geändert werden und die Verordnung des Bundeskanz­lers von 29. Februar 1980 betreffend die Prüfung und die Klausurarbeiten für den Auf­stiegskurs an der Verwaltungsakademie wieder in Kraft gesetzt und geändert wird (Dienst­rechts-Novelle 2011).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesbahngesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich stelle daher den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 126

16.15.41

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich vo­rausschicken, dass wir Freiheitliche dieser hier vorliegenden Dienstrechts-Novelle für den öffentlichen Dienst in ihrer Gesamtheit nicht zustimmen werden. Sie enthält zwar einige Regelungen, die durchaus vernünftig sind, aber in seiner Gesamtheit lehnen wir dieses Gesetz ab.

Kurz erwähnt: Die Regelung, dass künftig Richter und Staatsanwälte eine Praxisausbil­dung in der Privatwirtschaft absolvieren können, um ihr Wissen vor allem im Bereich der Korruptionsbekämpfung und der Finanz zu erweitern, ist einer jener Punkte, die positiv zu erwähnen sind, auch dass man grundsätzlich das Thema Whistleblowing an­geht. Das Bekanntmachen, das An-die-Öffentlichkeit-Bringen von Missständen ist grund­sätzlich ein richtiger Ansatz, aber wenn man sich gerade diesen Punkt jetzt, das Whistleblowing, näher anschaut und wenn man das, so wie es jetzt vorliegt, näher be­trachtet, muss man in der derzeitigen Situation in Wirklichkeit jeden Mitarbeiter nur viel Glück wünschen, der heute Missstände aufzeigt, beziehungsweise jener Person, die man eines Deliktes bezichtigt, weil hier einfach viele Fragen noch offen sind.

Es ist unbedingt notwendig, und das ist wichtig, dass man jene schützt, die etwas zu Recht anprangern und es ist notwendig, dass man bei jenen, die beschuldigt werden, auch die entsprechenden Grundrechte wahrt. Solange Fragen, wie zum Beispiel an welche Anlaufstellen soll beziehungsweise muss sich der Whistleblower mit seiner Be­schwerde wenden oder welche Rechte hat die Person, die von einem Whistleblower angezeigt wurde oder welche Handlungen sind notwendig, um angezeigte Personen vor materiellen und immateriellen Schäden zu schützen und so weiter, solange die nicht geklärt sind, ist dieses Problem auch nicht gelöst.

Ich denke, man sollte hier schon mit der entsprechenden Sorgfalt und mit Bedacht an dieses Problem herangehen. Wir sind der Meinung, dass man hier überhastet handelt, dass man die Komplexität des öffentlichen Dienstes einfach nicht berücksichtigt, insbe­sondere auch deshalb, weil auch der Datenschutzrat, der sich ja schon seit geraumer Zeit mit der Thematik des Whistleblowing befasst, hiezu eine eigene Enquete angekün­digt hat, um eben diese vielen offenen Fragen noch zu klären.

Ein weiterer Punkt, den ich herausgreifen will, ist das ersatzlose Auslaufen der Rege­lung des § 83b Gehaltsgesetz. Da geht es um unsere Exekutivbediensteten, für die ist dieser Punkt von großer Wichtigkeit. Bislang war es so, dass es eine Gruppenrechts­schutzversicherung gegeben hat, die Rechtskosten abgedeckt hat, wenn zum Beispiel ein Exekutivbediensteter zumeist ungerechtfertigt und willkürlich Anschuldigungen aus­gesetzt war, meist eben mit dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte einen verfah­rensrechtlichen Vorteil verschaffen wollte oder will oder einfach nur aus persönlichen Rachegelüsten.

Diese Regelung läuft mit Ende dieses Jahres aus und wird nicht verlängert. Und da­rüber hinaus darf ich auch noch sagen, dass zum Leidwesen vieler Beamten einige gu­te Anträge unserer freiheitlichen Fraktion im Zuge der Gesetzesdiskussion abgelehnt wurden, so zum Beispiel der Antrag auf Gewährung einer Dienstfreistellung für Mitglie­der von Feuerwehren, wenn diese Einsatz leisten müssen. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Freiwilligen Feuerwehren ohnehin Probleme haben, während der Kernzeit zwischen 7 Uhr und 17 Uhr, 18 Uhr am Abend die Bereitschaft sicherzustellen, hätte man hier wirklich ein Herz zeigen können für das Feuerwehrwesen und hätte auch die Freiwilligkeit belohnen können, gerade im Jahr des Ehrenamtes.

Alles in allem und bei jeglicher Wertschätzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Minister, aber diesem Gesetz können wir Freiheitliche in seiner Gesamtheit nicht zu­stimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 127

Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grim­ling. – Bitte.

 


16.20.01

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zum vorliegenden Bundesgesetz, mit dem unter dem Kurztitel Dienstrechts-Novel­le 2011 eine ganze Reihe von Rechtsvorschriften geändert werden, sind im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens im Nationalrat bereits umfangreiche Stellungnahmen abge­geben worden, die gegenüber der ursprünglichen Regierungsvorlage erhebliche Erwei­terungen zur Folge hatten. Ich möchte mich daher auf das Wesentliche beschränken.

Bereits anlässlich der Erörterung der Studie „Perspektiven des öffentlichen Dienstes“ wurde auf Folgendes hingewiesen: die Komplexität der für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Rechtsvorschriften, den laufenden Reformbedarf durch strukturelle Ver­änderungen und Aufgabenstellung, die Anforderungen des Arbeitsmarktes und die Aus­wirkungen des EU-Rechtes. Das vorliegende Regelwerk nimmt eine weitreichende Neu­ordnung verschiedener einschlägiger Rechtsmaterien vor, die sich nach der gegenwär­tigen wirtschaftlichen Situation sowohl aus der Sicht des Dienstgebers, als auch aus den Forderungen der Dienstnehmer als notwendig erweisen. Dass hiebei für beide Sei­ten mit dem erforderlichen Augenmaß vorzugehen ist, erscheint im Interesse der Staats­finanzen selbstverständlich.

Die neuen Bestimmungen vereinfachen die Aufnahmebedingungen in den Bundes­dienst und den Wechsel in die Privatwirtschaft oder zu einer anderen Gebietskör­perschaft. Sie schaffen ferner Rechtssicherheit für Bedienstete bei Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption, Verbesserungen im Disziplinarverfahren und schließlich die dienstrechtliche Anerkennung des akademischen Grades „Bachelor“. Eine weitere Anpassung zwischen Beamten und Vertragsbediensteten – für viele vielleicht eine ganz kleine, für sehr viele Vertragsbedienstete eine sehr große – erfolgt hinsichtlich der Meldepflicht bei Dienstverhinderung.

Es erscheint mir als besonders wichtig, dass der Prozentsatz des Frauenförderungsge­botes im öffentlichen Dienst von 45 auf 50 Prozent angehoben wird. Ein Praktikum im Bundesdienst soll künftig zwingend honoriert werden. Eine Gratistätigkeit als billige Ur­laubsvertretung gehört damit der Vergangenheit an. Als Maßnahme zur Anhebung des Pensionsantrittsalters wird die Möglichkeit geschaffen, bei dauernder Dienstunfähigkeit auf dem innegehabten Arbeitsplatz, zum Beispiel im Exekutivdienst, freiwillig an einem anderen Arbeitsplatz ohne finanzielle Einbußen weiterzuarbeiten.

Die vorliegende Dienstrechts-Novelle wurde auch zum Anlass genommen, durch orga­nisatorische Änderungen in den einzelnen Ressorts bedingte Anpassungen der taxativ aufgelisteten Richtverwendungen vorzunehmen. Und schließlich wurde gleichsam in letzter Minute vor der Verabschiedung im Nationalrat durch einen Abänderungsantrag auch noch das Ergebnis der jüngsten Gehaltsrunde für den öffentlichen Dienst berück­sichtigt: die Anhebung der Gehälter und Entlohnungen für die Vertragsbediensteten um 2,68 Prozent bis 3,36 Prozent, also der Durchschnitt ist bei 2,95 Prozent, und die Neuregelung der Jubiläumszuwendung für Beamte, die bei der Pensionierung weniger als 40 Dienstjahre haben.

Alles in allem handelt es sich daher um eine sinnvolle Neuregelung im Interesse des öffentlichen Dienstes in seiner Gesamtheit. Ich schlage daher vor, der Bundesrat möge der vorliegenden Dienstrechts-Novelle 2011 zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.24


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Per­hab. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 128

16.24.57

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Morituri te salutant! (Oh-Rufe bei ÖVP und SPÖ.) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir vor­genommen, aufgrund der Debatten in den letzten Tagen meine öffentlichen Anspra­chen in Zukunft mit diesem lateinischen Sprichwort – „Die Todgeweihten grüßen dich!“ – zu beginnen (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug), denn ich denke, wir sollten da­rauf aufmerksam machen, dass sich Julius Cäsar getäuscht hat. „Ave, Caesar, morituri te salutant!“

Das heißt, die Todgeweihten leben bekanntlich länger, als es vermutet wird. Daher glaube ich, wir, als Bundesräte, sollten in unseren Ansprachen darauf hinweisen, dass wir noch lange nicht (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) abgeschafft sind und wir werden uns dagegen natürlich entsprechend wehren. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Grimling hat diese Gesetzes­materie taxativ aufgezählt. Ich kann daher aufgrund der doch großen Tagesordnung nur zwei Anmerkungen aus unserer Sicht und aus meiner persönlichen Sicht aus an­bringen. Die Whistleblowing-Regelung ist natürlich eine im Grenzbereich. Wenn man sich das in der Praxis vorstellt, könnte man zu diesen Dingen auf gut Wienerisch auch „Vernaderer“ und so weiter sagen. Ich bin aber hundertprozentig überzeugt davon, dass man diese Leute schützen muss. Und es gibt ja angeblich schon eine Software, wie das bekanntlich für alles im Leben schon so ist, die es der Behörde ermöglicht, mit diesem, ich möchte sagen, Einflüsterer, Flüsterer zu kommunizieren, ohne dass er in dem Sinn enttarnt, entdeckt oder auch firmenintern aufgedeckt und veröffentlicht wird.

Meine Bedenken beziehen sich auch auf die Privatwirtschaft. Berücksichtigt man die Struktur der österreichischen Wirtschaft mit 70 Prozent Arbeitgeberbetrieben mit ei­nem bis elf Mitarbeitern, so wird dieses Instrument, glaube ich, nicht ganz groß zum Einsatz kommen. Dort ist überall immer ein Chef oder eine Chefin da, der oder die je­derzeit ansprechbar ist, und in vielen Dingen natürlich als Auskunftsperson und auch Vermittler oder Mediator tätig ist.

Ein zweiter Punkt, der mir positiv aufgefallen ist, ist die praktische Ausbildung, die be­triebswirtschaftliche zusätzliche Befähigung eines Richters. Da fällt mir, als ehemali­gem Laienrichter bei Arbeitsgerichten, dazu nur ein, dass ich mir oft bei Urteilen von Richtern gedacht habe, dass die nie in ihrem Leben die Arbeitswelt kennengelernt ha­ben. – So viel zu diesen Dingen. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft damit verbessert.

Die Österreichische Volkspartei wird diesem Gesetz natürlich zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.27


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreu­der. – Bitte.

 


16.27.52

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ja, das ist eine gelungene Novelle. Wir werden dem zustimmen. Mit Inbrunst werden wir die­sem Gesetz zustimmen. Vor allem – und das möchte ich hier betonen – freuen wir uns sehr, weil dieses Gesetz, diese Novelle tatsächlich ein riesengroßer Fortschritt in der Frauenpolitik ist. Das muss hier gesagt werden.

Wir haben jetzt eine 50-Prozent-Quote festgelegt. Die lag bis jetzt bei 45 Prozent. Die­se wurde nicht überall erreicht, daher ist es umso besser, dass man eine 50-Prozent-Quote hineinbringt. Und es gibt Einkommensberichte, ein ganz wichtiges Instrument, was wir sehr gut finden.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 129

Erlauben Sie nur eine kleine Anmerkung. Ich spreche jetzt gerade hier zu Frauen­politik. Mein Kollege Dönmez hat vorhin bei der Bundeshymne zur Frauenpolitik ge­sprochen. Liebe Kolleginnen – ich rede jetzt nur von Kolleginnen –, vielleicht schafft ihr es auch einmal, dass Frauenpolitik in euren Fraktionen auch Männersache ist. Das wä­re ein großer Fortschritt in diesem Hause. (Beifall bei den Grünen.)

Es reden immer nur Frauen zur Frauenpolitik. Ich verstehe das nicht.

Ein weiterer positiver Aspekt, den ich auch hervorheben möchte, ist, dass das Höchst­alter von 40 Jahren bei der Ausbildung von Richtern und Richterinnen abgeschafft wur­de – das finden wir super. Keine unbezahlten Praktika mehr im Bundesdienst – das fin­den wir ausgezeichnet. Die „Generation Praktikum“ ist wirklich eine Krankheit dieser Zeit, wenn ich das einmal so laut sagen darf. Nach dem Studium ist es mittlerweile völlig normal, bis 30 kein Geld zu verdienen, weil man Praktika macht. Es gibt sogar schon Bereiche, da zahlt man dafür, wo arbeiten zu dürfen. Das ist natürlich eine Entwicklung, die kann man nicht gutheißen, da kann der Bundesgesetzgeber natürlich mit gutem Beispiel vorangehen. Das tut er in diesem Fall, und deswegen stimmen wir inbrünstig zu.

Kleine Kritikpunkte darf ich vielleicht noch anbringen. Was wir nicht ganz verstehen, ist, dass der Bachelor in einer anderen Gehaltstabelle eingestuft wird als andere Akademi­kerInnen. Das hat so ein bisschen, wie es jemand in einem E-Mail an uns Grüne ein­mal formuliert hat, den Ruch von: Das sind ja nur so Schmalspur-Akademiker. – Damit haben wir noch ein Problem.

Beim Papa-Monat wünschen wir uns natürlich immer noch, dass der volle Einkom­mensersatz erfolgt. Da bleiben wir dran. Sie, glaube ich, auch? (Bundesministerin Hei­nisch-Hosek: Ja!)

Nun zur Whistleblower-Regelung. Da kann ich meinen Vorredner nicht ganz verstehen. Natürlich, es ist immer schwierig. Ich verstehe schon, was Sie mit „vernadern“ meinen. Aber ich würde im umgekehrten Schluss noch weiter gehen. Auch in der Privatwirt­schaft gibt es massive Gesetzesübertretungen, auch in der Privatwirtschaft können Korruptionsfälle gegenüber Behörden aufgedeckt werden, das kann auch durch einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin einer Privatfirma passieren. Deswegen sind wir so­gar der Meinung, dass man den Schutz von Whistleblowern ausweiten müsste.

Wir wünschen uns noch etwas – auch Sie haben das schon gesagt –, nämlich die Whistleblower-Software, damit anonym mit Behörden gesprochen werden kann. In Deutschland ist das übrigens schon der Fall, da kann man sich ein Beispiel nehmen.

Natürlich muss man aufpassen, dass wir nicht in so eine Vernaderer-Gesellschaft kom­men, aber das wird ja überprüft. Deswegen haben wir Gerichte und Staatsanwälte, die überprüfen. Ein Whistleblowing selbst bedeutet noch keine Anklage, sondern erst die Überprüfung dessen. Das muss man immer dazusagen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Aber wir finden es gut, dass diese Whistleblower-Regelung jetzt da ist. Wir stimmen zu. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Gruber.)

16.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Frau Bundesministerin, bevor ich Ihnen das Wort erteile, möchte ich Ihnen zu Ihrem morgigen Geburtstag herzlich gratulieren! (All­gemeiner Beifall. – Bundesrat Gruber: Wir nehmen an: Volljährig?! – Bundesministerin Heinisch-Hosek: Volljährig-rund morgen!)

Nun gelangt Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 130

16.32.11

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesra­tes! So wie vorher die Aussage „morituri te salutant“ nicht zur Dienstrechts-Novelle ge­hört hat – mich hat fast der Schlag getroffen, ich habe mir gedacht: Was hat das jetzt mit der Dienstrechts-Novelle zu tun? (Heiterkeit) –, hat auch mein erster Satz nichts mit der Dienstrechts-Novelle zu tun.

Ich möchte nur dem Herrn Kollegen Schreuder etwas sagen: Zum Frauenbericht haben mehr Männer als Frauen in der Sozialdemokratischen Fraktion geredet. Da waren Sie noch nicht da. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrätin Blatnik: Danke!) Das wollte ich jetzt noch sagen.

Aber jetzt beginne ich auch aus meiner Sicht noch einmal zu replizieren, was wir mit dieser Dienstrechts-Novelle eigentlich geschafft haben. Sie ist keine kleine, sondern eine große Dienstrechts-Novelle geworden. Es ist ein Gehaltsabschluss gelungen, der in schwierigen Zeiten wie diesen vertretbar ist, der es den kleinen Einkommen im öf­fentlichen Dienst ermöglicht, über der Inflationsrate ihre Gehaltserhöhung zu erhalten. Für die großen beziehungsweise die höheren Einkommen ist damit tatsächlich ein Real­lohnverlust verbunden, weil die Erhöhung unter der Inflationsrate ausfällt.

Das heißt, alles in allem: im Durchschnitt 2,95 Prozent im nächsten Jahr; nur 2,5 Pro­zent, wenn ich die 35-jährige Dienstjubiläumszuwendung mit einem Volumen von etwa 30 Millionen € abzähle, die ab dem nächsten Jahr und dann dauerhaft, als eine Reform mit Dauer, wegfallen wird, und durch den Auszahlungsbeginn 1. Februar werden auch noch einmal an die 30 beziehungsweise, um genau zu sein, 28 Millionen € eingespart.

Das heißt, es sind etwa die 2,5 Prozent, die ich angeboten hatte. Dieses Mal sind dem Ergebnis schwierige Verhandlungen vorausgegangen, keine Frage, aber ich glaube, dass wir alles in allem mit dem Ergebnis zufrieden sein können. Warum können wir mit dem Ergebnis zufrieden sein? Es ist das öffentliche Sicherheitsgefüge, es ist das Ge­sundheitswesen, es ist das Bildungswesen, es ist die Verwaltung, die von unseren Be­diensteten in diesem Staat, in diesem Land, in jeder Gemeinde, in jedem Landtag, in den Landesregierungen, in der Landesverwaltung getragen wird.

Ich glaube, wenn andere ihre Gehaltserhöhungen in der Höhe der Inflation oder darü­ber ausmachen konnten, ist es auch gerechtfertigt und wichtig, dass wir diesen Ab­schluss gemeinsam erreicht haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht anste­hen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, insbesondere auch dem Personal hier im Parlament, für ihre Arbeit sehr herzlich Danke zu sagen. (Allgemeiner Beifall.)

Zur Novelle selber möchte ich, weil vieles schon zusammengefasst wurde, noch einige wenige Worte sagen. Um vielleicht Bedenken die Whistleblower-Regelung betreffend zerstreuen zu können, möchte ich das hier auch noch einmal aufs Tapet bringen: In den Erläuterungen ist sehr klar definiert, wann einerseits jemand in gutem Glauben je­mandem etwas anonymisiert erzählt und eben eine Meldung macht, wo ein begrün­deter Verdacht besteht, und wo andererseits „Vernadern“ beginnt, sowie wer in den Schutz kommt und wer nicht.

Im Übrigen bin ich sehr froh, dass Frau Bundesministerin Karl ähnliche Regelungen für die Privatwirtschaft andenkt, nämlich, wenn ein begründeter Verdacht da ist, die Mög­lichkeit, über das Internet mit der Behörde beziehungsweise mit der Justiz anonymisiert in Kontakt zu treten. Das heißt, es ist wichtig, dass das, was wir als öffentlicher Dienst sehr gerne vormachen, dann auch für die Privatwirtschaft folgt, dass es nachgemacht wird.

Wenn wir es schaffen, eine Whistleblowing-Regelung für alle mit dem besonderen Schutz, der nötig ist, einzuführen, und dabei immer auch den Datenschutz für alle im


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 131

Vordergrund haben, dann haben wir, glaube ich, in diesem Bereich einen guten und wichtigen Beitrag geleistet.

Ich finde es auch wichtig und richtig, dass unsere Richter, Richterinnen, Staatsan­wältinnen und Staatsanwälte in der Privatwirtschaft entsprechende Erfahrungen sam­meln können, und zwar besonders in der Finanzwirtschaft, in Bereichen wie Steuer­fahndung, Nationalbank, FMA und so weiter, wo sie für ihre Tätigkeit, nämlich für Antikorruptionsbekämpfung, für Wirtschaftskriminalfälle Erfahrung sammeln können und schließlich gut gerüstet und vorbereitet sind.

Dass diese Möglichkeit besteht, ist wichtig. Das wollen wir im Übrigen natürlich aus­bauen, wir wollen den öffentlichen Dienst fit machen. Was die nächsten 20, 30 Jahre angeht, wollen wir diese Wechsel schneller ermöglichen, wir wollen durchsetzen, dass man intern wechseln kann, dass es einem angerechnet wird, wenn man aus der Privat­wirtschaft in den öffentlichen Dienst wechselt oder umgekehrt. Wir wollen, dass man nicht so festgefahren und festgemauert ein Berufsleben lang immer an der gleichen Stelle sein muss, sondern viele, viele Möglichkeiten hat, dazu Erfahrungen zu sam­meln.

Selbstverständlich freue ich mich sehr über die Neuerungen die Frauenförderung be­treffend, und zwar nicht nur über die 50 Prozent. Wir haben einige wenige Bereiche, wo es, wenn Bewerbungen da sind, schon notwendig ist, dass wir die 45 Prozent über­schreiten, aber in vielen Bereichen ist noch etliches zu tun, etwa die Einkommensbe­richte zu adaptieren und bei Stelleninseraten das Mindestgehalt anzugeben. Auch der öffentliche Dienst, obwohl es bekannt ist, will das in Zukunft tun, und es gibt noch ei­nige Bereiche mehr, die Männer und Frauen im öffentlichen Dienst betreffen.

Ich freue mich auch, dass es gelungen ist, Alters- und Größenbeschränkungen für die Bewerbung im Polizeidienst hintanzustellen und zu verhindern, dass jemand, der viel­leicht einen Zentimeter zu klein ist, sich nicht bewerben kann, obwohl er das möchte. Franz-Joseph Huainigg hat das im Nationalrat sehr eindrucksvoll beschrieben. Seine „große Tochter“, nämlich seine Assistentin, möchte sehr gerne Polizistin werden, und kann das jetzt. Sie wird sich sicherlich bewerben.

Ich glaube, dass die Lösung für den Bachelor, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, keine „Schmalspurlösung“ geworden ist, sondern eine eigene akademische Gehalts­einstufung, die eigentlich noch anregen soll, eine Masterausbildung zu machen. Wenn wir das sozusagen gleichgesetzt hätten, wäre der Anreiz sehr gering, und wir wollen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen doch motivieren, möglichst Weiterbildungs­möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, damit sie sich im öffentlichen Dienst weiterent­wickeln und eben Karriere machen können.

Besonders erfreulich: keine Gratis-Praktika im öffentlichen Dienst mehr. Das heißt, die etwas über 300 jungen Menschen, die bisher unentgeltlich im öffentlichen Dienst ein Praktikum gemacht haben, werden in Zukunft alle dafür bezahlt werden. Ich hoffe, dass sich das auch in der Privatwirtschaft durchsetzt – wo das eigentlich verboten ist.

Praktikant/Praktikantin ist man nur, wenn man jemandem sozusagen über die Schulter schaut, kommt und geht, wann man möchte. Sobald geregelte Arbeitszeiten ins Spiel kommen, ist das schon ein Arbeitsverhältnis, ein Dienstverhältnis, wo bezahlt werden müsste. Trotzdem kommt es noch immer vor, dass junge Leute in der Privatwirtschaft bis zu einem Jahr gratis tätig sind und nichts bezahlt bekommen. (Zwischenruf des Bundesrates Strohmayer-Dangl.) – Das ist richtig, was ich sage, Herr Kollege!

Ich habe hier berichtet, wie ein Praktikum in der Privatwirtschaft auf gesetzlicher Grundlage zu definieren ist. Wenn es ein dienstähnliches Verhältnis ist, müsste man ei­gentlich schon bezahlen, doch wird leider nicht überall in der Privatwirtschaft dafür ge­zahlt. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)


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Aber wir im öffentlichen Dienst hören damit auf. Wir bezahlen unsere jungen Leute – und ich hoffe, dass alle diesem Beispiel folgen werden.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass wir besonders für Exekutivbedienstete eine Mög­lichkeit geschaffen haben, dass, wenn jemand Dienstunfähigkeit bescheinigt bekommt, aber trotzdem noch nicht in Frühpension gehen möchte, man ohne Gehaltsverluste auch in die Verwaltung wechseln kann. Ich glaube, das ist ein großer und wichtiger Schritt, das faktische Pensionsantrittsalter – um das geht es uns ja – anzuheben, in­dem wir diesen Leuten die Möglichkeit geben, noch einige Zeit im öffentlichen Dienst zu verbleiben.

Jetzt habe ich die wichtigsten Bereiche aufgezählt. Es sind viel, viel mehr. Es sind technische Anpassungen und Vereinfachungen im Disziplinarrecht, die da passiert sind, also alles in allem eine Dienstrechts-Novelle. Danke auch noch einmal an die Ge­werkschaft Öffentlicher Dienst, mit der wir sehr vieles ausverhandeln konnten. Einige Dinge, bei denen wir uns nicht einigen können, nehmen wir, wie jedes Jahr, ins nächs­te Jahr mit.

Es hat von uns, von der Dienstgeberseite, aber natürlich auch von der Dienstnehmer- und -nehmerinnenseite viele Wünsche gegeben, und wir sind da gut zusammengekom­men, nämlich auf der einen Seite den Gehaltsabschluss betreffend, auf der anderen Seite auch diese Novelle betreffend. Ich hoffe und freue mich, wenn auch der Bundes­rat heute hier diese Zustimmung erteilt, denn ich glaube, wir gehen da einen nächsten großen, wichtigen Schritt, um den öffentlichen Dienst zukunftsfit zu machen und ihn auch zukunftsfit zu halten, denn modern sind wir ja schon.

Ich erzähle es noch einmal gerne: Wir sind seit 2006 Europameister. Österreich ist Europameister im Bereich E-Government, denken Sie nur an Digitales Österreich. Wir sind in dieser Hinsicht sehr gut unterwegs und können auch stolz darauf sein. Da schaut Deutschland mit neidischen Augen auf Österreich, da haben wir auch einiges zu bieten und zu erzählen. Wir waren dieses Mal Partnerland auf der Verwaltungsmes­se „Moderner Staat“ in Berlin und konnten dort all das, was wir herzeigen können, auch präsentieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen ruhige, erholsame Feiertage wünschen. Ich darf mich bei Ihnen allen sehr, sehr herz­lich mit einem virtuellen Händedruck dafür bedanken, dass wir im Einzelnen oder in der Gruppe, auch parteiübergreifend so gut zusammenarbeiten. Ich möchte mich auch für Ihre Bereitschaft, mich zu unterstützen, sehr herzlich bedanken und Ihnen noch einen schönen Jahresausklang wünschen! (Allgemeiner Beifall.)

16.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Das wünschen wir Ihnen auch, Frau Bundesmi­nisterin!

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend Dienstrechts-Novelle 2011.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 133

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. De­zember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist abermals die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

16.43.3119. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafgesetznovelle 2011) (1505 d.B. und 1526 d.B. sowie 8621/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tages­ordnung.

Zur diesbezüglichen Debatte begrüße ich herzlich Frau Bundesministerin Dr. Karl. (All­gemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte um den Bericht.

 


16.43.58

Berichterstatter Christian Füller: Werte Damen und Herren am Präsidium! Sehr ge­ehrte Frauen Ministerinnen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird.

Der Inhalt des Beschlusses liegt in schriftlicher Form vor. Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 13. Dezember 2011 in Verhandlung genommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


16.44.41

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen des Bundesra­tes! Wir beschließen heute ein Gesetz, das notwendige Maßnahmen im Sexualstraf­recht zulässt, die über den Schutz unserer Kinder vor sexuellem Missbrauch hinausge­hend ergriffen werden können.

Ich möchte festhalten, dass Gewalt gegen Kinder, sexueller Missbrauch gegen Kinder und im Allgemeinen Verbrechen gegen Kinder zu den abscheulichsten Verbrechen ge­hören, die man sich überhaupt vorstellen kann. Die Abscheulichkeit dieser Art von Ver­brechen gegen Kinder ist nämlich deshalb so arg, weil dabei die Unschuld, die Naivität, die Gutgläubigkeit der Opfer ausgenützt wird und dies fürchterliche, nachhaltige Kon­sequenzen für das weitere Leben dieser Kinder hat. Oft wird dadurch das ganze Leben auf Dauer psychisch erschwert oder gar vernichtet.

Wir haben in der näheren Vergangenheit schon viele wichtige Maßnahmen ergriffen, um derartig abscheuliche Taten den Tätern zu erschweren und den Opfern zu helfen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 134

Es wurden Strafdrohungen stark angehoben und Verjährungsfristen – dieser Faktor ist für mich besonders wichtig – verdoppelt. Die Sexualstraftäterdatei wurde eingeführt, ein Tätigkeitsverbot für bestimmte Berufe erlassen und vieles, vieles mehr.

Der heutige Beschluss soll weitere wichtige Schritte im Kampf gegen solche Verbre­chen bringen. Mit der Gesetzesänderung werden bei Gewaltdelikten und gefährlichen Drohungen gegen unmündige Kinder durch volljährige Personen Strafuntergrenzen ein­geführt, die sinnvollerweise nicht unterschritten werden dürfen. Tatbegehungen mit Ge­walt gegen Kinder sind ausdrücklich als Erschwerungsgrund zu berücksichtigen.

Ganz wichtig ist auch, dass das Anbahnen von Sexualkontakten zu Unmündigen im In­ternet unter Strafe gestellt wird. Eine ganz abscheuliche Straftat wird mit dieser Novelle schon bei der Anbahnung unter Strafe gestellt, nämlich die wissentliche Betrachtung pornografischer Darbietungen von Minderjährigen.

Neu ist auch, dass die inländische Gerichtsbarkeit bei Delikten wie Genitalverstümme­lung, Zwangsheirat und verbotener Adoptionsvermittlung erweitert wird. Ebenfalls posi­tiv hervorzuheben ist, dass zukünftig alle Personen, die Österreicher sind oder hier le­ben und im Ausland ein Sexualdelikt an Minderjährigen begehen – zu solchen Hand­lungen kommt es leider immer öfter –, als Straffällige gelten und von den österreichi­schen Gerichten verfolgt werden können, und zwar ohne Rücksicht auf die Gesetze, die am Tatort gelten. Damit meine ich den Deliktskatalog des § 64 Abs. 1 StGB.

Abschließend möchte ich nochmals festhalten: Kinder sind die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Sie sind vielfach schon aufgrund ihres Alters wehrlos. Kinder sind daher besonders schutzbedürftig. Mit dieser Gesetzesnovelle werden Kinder noch besser vor Gewalt und Missbrauch geschützt. Wir setzen damit ein eindeutiges Signal, dass unse­re Gesellschaft Gewalt und Missbrauch an Kindern in keinster Weise akzeptiert. Wir werden diesem Gesetz gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kemperle zu Wort. – Bitte.

 


16.47.54

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist keine Frage, dass jegliche Form von Gewalt an Minderjährigen bestraft werden muss. Es ist auch keine Frage, dass durch die neuen Kommunikationstechnologien den TäterInnen die Türen für Ge­walt und Missbrauch bis ins Kinderzimmer geöffnet werden. Es ist auch keine Frage, dass das Strafgesetzbuch dementsprechend angepasst werden muss.

Mit dieser Strafgesetznovelle werden „Grooming“, also die Vorbereitung oder Anbah­nung sexueller Kontakte mit Minderjährigen, und die wissentliche Betrachtung porno­grafischer Darbietungen Minderjähriger als zwei neue Straftatbestände ins Strafgesetz aufgenommen. Ebenso sind, wie bereits von meinem Vorredner erwähnt, Strafver­schärfungen und höhere Mindeststrafen bei Gewaltdelikten von Volljährigen gegenüber Unmündigen enthalten.

Das Gesetz greift nun aber auch bei Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung und macht an den Grenzen Österreichs nicht mehr halt. Im Gegenteil, Auslandstaten insbesondere im Bereich des Sexualstrafrechts können in Zukunft ebenfalls besser ge­ahndet werden.

Was keine Frage ist und wo noch viel zu tun ist in unserer heutigen Gesellschaft: Ge­walt an Minderjährigen darf nicht mehr verharmlost werden.

Die Zahlen des Kriminalberichts 2010 lassen allerdings einige Zweifel aufkommen, denn 63 Prozent sämtlicher gerichtlich strafbarer Handlungen an unmündigen Opfern erfolg-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 135

ten an Buben. Ebenso waren 73 Prozent der Delikte gegen Leib und Leben gegen Buben gerichtet. Hingegen waren bei Delikten gegen die Freiheit mit 44 Prozent Mäd­chen die Opfer, und bei Sexualdelikten war die überwiegende Mehrheit der unmündi­gen Opfer mit 75 Prozent weiblich.

Es ist daher auch unsere Aufgabe und Verantwortung, dafür zu sorgen, dass minder­jährige Buben und Mädchen bereits in den Schulen lernen, was in einer Gesellschaft, was in ihren Familien nicht toleriert oder akzeptiert werden darf, beziehungsweise wel­che Gefahren die neuen Kommunikationstechniken vor allem mit sich bringen.

Gleiches gilt für Erwachsene, die das vielleicht nicht vermittelt bekommen haben oder deren Elternhaus schon problematisch war. Auch hier müssen wir versuchen, mit Infor­mation, Aufklärung und Bewusstseinsbildung einzugreifen.

Da sind aber auch Medien und einige PolitikerInnen gefordert, denn ein bekannter Missbrauchsfall eignet sich nicht für populistische Quoten- oder Auflagenwettkämpfe und auch nicht für politische Schauspiele. Ganz im Gegenteil, jede Berichterstattung über erschreckende Gewalttaten sollte begleitet sein von informativer Aufklärung und den strafrechtlichen Bestimmungen. Nur die Sensationsgier der Öffentlichkeit zu bedie­nen ist bei dieser Thematik fehl am Platz.

Was aber sehr wohl eine Frage ist: Wie können wir Minderjährige vor Übergriffen bes­ser schützen? Dass höhere Strafen und Strafandrohungen gerechtfertigt sind, steht au­ßer Frage. Ob sie auch eine abschreckende Wirkung haben, dies wird erst der mitbe­schlossene Entschließungsantrag, binnen zwei Jahren nach Beschlussfassung dem Nationalrat einen Bericht darüber vorzulegen, zeigen; ebenso, ob die strafrechtliche Erfassung der Vorbereitung oder Anbahnung von Gewalttaten an Minderjährigen eine entsprechende Wirkung zeigt.

Strafgesetze allein schützen Minderjährige aber nicht vor Übergriffen oder Missbrauch. Für manche TäterInnen ist nur die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, eine Ab­schreckung. Daher geht es darum, TäterInnen in unserer Gesellschaft, vor allem auch in Familien, keine Gelegenheit zu geben, Gewalt auszuüben und vielleicht auch noch ungeschoren davonzukommen. Prävention muss umfassender, auch außerhalb des Strafgesetzes, Fuß fassen.

Wenngleich dieses Bundesgesetz ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung ist, gilt es, dieses auch in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Eine Zustimmung unserer Fraktion zu diesem Gesetz ist gewiss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte.

 


16.52.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Ich stelle fest, wir sind uns natürlich alle einig, wenn es um Gewalt gegen Kinder und vor allem um sexuelle Gewalt gegen Kinder geht, dass es keinerlei Toleranz geben kann und die Gesetzesbestimmungen auch entsprechend sein müs­sen. Daher finden wir dieses Gesetz auch grundsätzlich richtig, und wir werden selbst­verständlich diesem Gesetz zustimmen.

Aber man hat ja, wie oft bei Gesetzen, auch verschiedene Zugangsweisen, und wir sind der Meinung, dass hier wieder einmal – einmal mehr – gute Anträge der Opposi­tion einfach weggewischt worden sind. Ich weiß, es gibt da eine unterschiedliche Auf­fassungsweise, aber wir von der FPÖ sind nach wie vor für die unbedingte Anzeige­pflicht für alle, die beruflich mit Kindern und Minderjährigen zu tun haben. Und wir las-


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sen das Argument einfach nicht gelten, dass, wenn es eine unbedingte Anzeigepflicht gibt, diese Anzeigen dann weniger würden, die Kinder nicht mehr zum Arzt gebracht würden oder sonst irgendwie das Ganze verdeckt werden würde. Das sehen wir wirk­lich nicht so.

Wenn da immer wieder die Experten zitiert werden, die sagen, das wäre ganz schlecht, dann muss ich aber schon sagen: In sehr vielen Fällen sind das die Sozialarbeiter, die im linken Spektrum anzusiedeln sind und nach wie vor der Meinung sind, dass ein Kin­derschänder resozialisierbar ist. Und das meinen wir eben nicht! Das gibt es mit uns nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Statistik gibt uns da ja auch recht: Die meisten dieser Missbrauchstäter an Kindern und Jugendlichen werden Rückfallstäter. Es sind nur ganz wenige, wo es nicht so ist. Und genau das wollen wir verhindern.

Genauso wie sich die Regierungsparteien, aber auch die Grünen dagegen wehren, dass es bei sexuellen Straftaten keine Verjährung geben kann. Es ist auch im National­rat, wo ich zugehört habe, das Argument gebracht worden, dass das ja ohnehin erst mit dem vollendeten 28. Lebensjahr zu laufen beginnt und dann zwanzig Jahre läuft. – Wir meinen, das ist zu wenig. Für die Opfer gibt es auch keine Verjährung. Also warum soll ein Täter sich sicher fühlen dürfen, dass das Opfer – aus seiner Sicht jetzt – hof­fentlich traumatisiert genug ist, um nie oder zu spät darüber zu sprechen, und er dann davonkommt?

Das ist, glaube ich, wirklich der falsche Weg, und das wollen wir wirklich nicht. Wir ha­ben es ja jetzt gesehen bei den Missbrauchsfällen der kirchlichen Institutionen, wir ha­ben es gesehen bei den Wiener Kinderheimen, wo ja der Wilhelminenberg nur die Spitze des Eisbergs ist; da gibt es ja noch viele andere. Und hier ist jahrzehntelang weggeschaut worden. Erst jetzt trauen sich Opfer, überhaupt etwas zu sagen.

Ich kann mich selber noch erinnern, weil im Nationalrat auch das August-Aichhorn-Haus erwähnt worden ist: Das war eine Sache, wo wir im Jahr 2000 im Stadtschulrat für Wien schon Informationen bekommen hatten und wirklich versucht haben, da dagegen vorzugehen, und zwar gemeinsam. Da gab es das Liberale Forum noch im Rathaus und im Kollegium des Stadtschulrats, und die Grünen, die Freiheitlichen und das LIF gemeinsam haben eine Sondersitzung verlangt – was unter den damaligen Mehrheits­verhältnissen Gott sei Dank noch möglich war; das ist ja jetzt nicht mehr so. Und wir sind gegen Gummiwände gelaufen! Da ist absolut nichts passiert! Die SPÖ Wien hat da vollkommen zugemacht und es gab keine Chance, in irgendeiner Form Aufklärung zu erlangen.

Das ist jetzt elf Jahre her. Und da fragt man sich natürlich schon: Warum ist eine Par­tei, die sich ja der Humanität verpflichtet fühlt und sie auch allerorten und zu jeder Zeit im Mund führt, gerade bei so schweren Fällen des Missbrauchs, in dem Fall an Ju­gendlichen, nicht willens, für Aufklärung zu sorgen?

Sehr geehrte Damen und Herren, das bringt mich auch zu unserer Dringlichen vom letzten Mal zurück. Und, Frau Kollegin Kemperle, das ist jetzt nicht Populismus, denn ich glaube, ohne Medien hätten wir das gar nicht geschafft, dass dieses Thema über­haupt noch beachtenswert ist. Nur durch Druck der Medien und auf Druck der FPÖ, weil wir hier nicht lockergelassen haben im Fall Priklopil, im Fall Kampusch, der ja im Zusammenhang zu sehen ist mit seinen Pleiten und Pannen, war es ja erst möglich, dass überhaupt so ein geheimer Ausschuss, der im Keller tagt, installiert wird und sich hoffentlich wirklich ehrlich und wahrhaftig mit diesen Vorwürfen auseinandersetzt und diesen zahlreichen Hinweisen auch nachgeht und hier zu einer Aufklärung führt. Denn sonst muss man sich schon fragen: Warum gibt es hier kein Interesse an Aufklärung?

Wir wollen auch nicht, dass sexuelle Straftäter in Berufen arbeiten, wo sie mit Kindern zu tun haben. Wir haben das immer wieder gesagt. Wir wollen auch nicht, dass sie vor-


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zeitig entlassen werden können, denn wir finden, dass diese Straftäter die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen müssen und dass es hier keine vorzeitige Entlas­sung und auch keine vorzeitige Entlassung mit Verpflichtung zum Tragen einer Fußfes­sel geben kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Straftäter haben sich wahrlich keine zweite Chance verdient, und sie dürfen sich auch nicht sicher fühlen, dass hier irgendwie auch nur ein halbes Auge zugedrückt werden wird.

All das sind Forderungen der FPÖ, die wir ja nicht erst beim letzten Mal aufgestellt ha­ben, sondern die wir seit Jahren stellen – und die jedes Mal negiert werden und wo im­mer gesagt wird, das geht nicht und das kann man nicht und das ist zu viel. Ich glaube, im Sinne unserer Kinder, die die wehrlosesten Opfer unserer Gesellschaft sind, die gar nichts dagegen tun können, ist es wirklich unsere oberste Pflicht, alles zu tun, um mög­liche potentielle Täter hintanzuhalten und ihnen erst gar nicht die Möglichkeit zu geben, in dieser grausamen Art und Weise tätig zu werden. Daher werden wir hier auch nicht nachgeben. Diesem guten Gesetz müssen weitere Schritte folgen, und wir werden da­für sorgen, dass es auch weitere Schritte geben wird.

Die Politik muss Tätern signalisieren: Von uns ist in diesen Fällen keine Gnade zu er­warten. (Beifall bei der FPÖ.)

16.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


17.00.02

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, es ist zweifelsohne eines der furchtbarsten Verbrechen, wenn man sich an Kindern vergeht. Ich glaube, das steht außer Diskussion.

Was auch für mich als Sozialarbeiter anzumerken ist, weil Sie kryptisch von den links­lastigen Sozialarbeitern gesprochen haben: Wir SozialarbeiterInnen nähern uns einer Thematik nicht ideologisch an, sondern wir sehen sozusagen das Individuum – ob Täter oder Opfer – mit seinen Problemen vor uns, und wir versuchen, dann entspre­chend anzusetzen.

Ihr Ansatz ist, Frau Kollegin, sofern ich das richtig verstanden habe, diese Täter mit einer chemischen Therapie zu „behandeln“ – unter Anführungszeichen. – Die Wissen­schaft sagt, dass eine chemische Behandlung eigentlich nichts bringt. Wissen Sie, wa­rum? – Weil das größte Sexualorgan nicht hier angesiedelt ist, sondern (auf seinen Kopf weisend) hier.

Wenn es einen Täter gibt, dann gibt es bereits schon viele Opfer, und es ist nieman­dem geholfen, wenn man diese Täter  – Ich sage wirklich: Ich persönlich könnte mit denen nicht arbeiten, weil ich da diese Distanz nicht schaffe, das sage ich ganz offen und ehrlich, aber es gibt auch Kollegen und Kolleginnen unter den Sozialarbeitern, die mit diesen Tätergruppen arbeiten können und auch professionell arbeiten. Wenn Sie fordern, dass diese Tätergruppe weggesperrt werden soll, dann – Frau Minister, Sie wissen das am besten – sagen Sie uns einmal, was ein Tagsatz in so einer Einrich­tung, wo diese Leute weggesperrt werden, kostet!

Das Problem, das wir haben, ist, dass wir für diese Leute keine Therapieplätze haben, dass es viel zu wenige Therapiemöglichkeiten gibt, und dass, wenn es welche gibt, die­se heillos überfordert sind. Hier muss eine Form geschaffen werden, bei der man ano­nymisiert über diese Thematik sprechen kann. Eine reine Kriminalisierung hilft uns nichts, und es hilft uns natürlich auch nichts, das zu bagatellisieren.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 138

In diesem Sinne würde ich Sie sozusagen auch einladen, diese Thematik, was die Auf­arbeitung der Kampusch-Geschichte betrifft, wirklich in dem zuständigen Ausschuss zu belassen. Wir haben bei der letzten Bundesratssitzung den Antrag vom Kollegen Hans-Jörg Jenewein gehabt. Es steht, glaube ich, außer Zweifel, dass alle Fraktionen hier größtes Interesse daran haben, dass es hier zu einer Aufklärung kommt – ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier herinnen irgendjemanden gibt, der das irgendwie unter den Tisch kehren oder vertuschen möchte –, die Frage ist nur, wie man das macht. Ist es notwendig, dass man in aller Öffentlichkeit, wo das Fernsehen dabei ist, über in­timste Dinge, über, ich weiß nicht, Slips und was weiß ich diskutiert? Ist das notwen­dig? (Bundesrat Jenewein: Das ist aber nicht passiert!) – Wir haben ohnedies einen zweiten Termin, wir werden das besprechen, Herr Kollege. – Ich glaube aber nicht, dass das sehr angenehm ist für das Opfer, für die Frau Kampusch.

Darum: Debattieren wir diese Dinge bitte in dem dafür eingerichteten Ausschuss. Und unsere KollegInnen, von welchen Fraktionen auch immer, sind eh nicht auf den Mund gefallen. Falls dort irgendwie der Eindruck erweckt werden sollte, dass hier gemauert wird, blockiert wird, etwas vertuscht wird, dann werden Ihre Abgeordneten und auch mein Abgeordneter, der Peter Pilz, sicher nicht diejenigen sein, die da den Mund halten werden, sondern das sind ohnedies die Ersten, die da aufspringen. Aber alles zu sei­ner Zeit und an seinem richtigen Ort.

Ich würde Sie daher wirklich ersuchen, auch für die Zukunft, einmal abzuwarten, was im Ausschuss diskutiert wird, und dann können wir in aller Öffentlichkeit ohnedies darü­ber diskutieren – aber nicht die Reihenfolge durcheinander bringen und auf diese Wei­se sozusagen das Opfer noch einmal traumatisieren.

In diesem Sinne, bitte: Ich verstehe Ihre Einwände, aber es gibt auch andere. – Danke. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

17.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Dr. Karl. – Bitte, Frau Minister.

 


17.04.32

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Wir haben heute eine ganze Reihe von Strafrechtsthemen auf der Tagesordnung, und ganz besonders wichtig ist darunter na­türlich die Strafgesetznovelle 2011.

Bei dieser Strafgesetznovelle 2011 geht es darum, dass wir Kinder noch besser vor Missbrauch und Gewalt schützen wollen. Es ist bereits vonseiten der Redner zum Aus­druck gekommen, dass das ein ganz zentrales, gemeinsames Anliegen ist. Ich glaube, niemand von uns will, dass Kinder Gewalt ausgesetzt sind, dass Kinder Missbrauch ausgesetzt sind. Ich glaube, wir sind uns hier auch alle darin einig, dass da die rich­tigen Maßnahmen gesetzt werden müssen.

Ich sehe es als meine große Verantwortung, wirklich alles zu tun, um die Schwächsten in unserer Gesellschaft entsprechend zu schützen. Die Kinder zählen eben zu den Schwächsten in unserer Gesellschaft, weil sie allein schon aufgrund ihres Alters natür­lich nicht so sehr in der Lage sind, sich zu wehren, sich Gewalt zu widersetzen, sich Missbrauch zu widersetzen. Und da müssen wir ansetzen, da müssen wir die notwen­digen Maßnahmen setzen, um die Kinder entsprechend zu schützen. Da gilt es, Lü­cken zu schließen und den Schutz noch mehr zu verbessern.

Dabei bedarf es natürlich vieler verschiedener Maßnahmen, und nur eine der Maßnah­men, die notwendig sind, ist eben, das Strafrecht zu stärken. Natürlich geht es beim Strafrecht auch um Sanktionen, und diese Sanktionen müssen angemessen sein, ver-


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hältnismäßig sein und natürlich auch abschreckend sein. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt bei dieser Strafgesetznovelle 2011.

Es geht nämlich hier darum, die Mindeststrafen anzuheben. Das heißt, dort, wo es bei Gewalt an Kindern noch keine Mindeststrafen gibt, sollen Mindeststrafen geschaffen werden, und dort, wo es bereits Mindeststrafen gibt, sollen die Mindeststrafen angeho­ben werden – einfach um ein ganz deutliches und klares Signal zu senden, dass Ge­walt gegen Kinder in diesem Land nicht toleriert wird. Dieses Signal wollen wird damit setzen. Ich hoffe, dass das auch gelingt und damit auch wirklich eine abschreckende Sanktion geschaffen wird.

Aber es geht ja nicht nur darum, die Mindeststrafen zu erhöhen beziehungsweise zu schaffen, sondern es geht zum Beispiel auch darum, die Kinder vor neuen Gefahren zu schützen – denn wir müssen natürlich mit den strafrechtlichen Regelungen auch immer wieder darauf reagieren, wenn es neue Gefahren für unsere Kinder gibt, und da denke ich zum Beispiel an das Internet. Das Internet ist eine großartige Einrichtung – ich glau­be, da wird mir auch niemand widersprechen –, und das Internet hat glücklicherweise auch Einzug in die Kinderzimmer gehalten, weil es natürlich eine ganz wichtige Wis­sens-/Informationsquelle ist, eine wichtige Kommunikationsquelle ist. Da wird mir kei­ner widersprechen.

Also wir müssen natürlich auch sehen, dass mit dem Internet auch neue Gefahren ver­knüpft sind. Da denke ich etwa an das sogenannte Grooming. – Ich muss gestehen, ich kannte dieses Wort auch nicht, bevor ich Justizministerin wurde. „Grooming“ war mir nicht geläufig. Mittlerweile weiß ich, was das bedeutet: Es geht dabei um die An­bahnung von sexuellen Kontakten im Internet gegenüber Unmündigen.

Wie läuft das in der Praxis ab? – Das läuft so ab: Eine volljährige Person gibt sich im Internet zum Beispiel als 12-Jähriger oder 13-Jähriger aus, um etwa mit einem zwölf­jährigen Mädchen in Kontakt zu treten. Es wird Vertrauen aufgebaut, indem man sich eben austauscht über gemeinsame Musikpräferenzen und so weiter. Wenn dieses Ver­trauen einmal aufgebaut ist, dann wird ein persönliches Treffen vereinbart. Und bei die­sem persönlichen Treffen kommt es leider häufig zu sexuellen Übergriffen.

Wir wollen es gar nicht so weit kommen lassen, dass es zu diesen sexuellen Über­griffen kommt. Deshalb soll bereits die Anbahnung von sexuellen Kontakten zu Un­mündigen unter Strafe gestellt werden, um eben die dann in der Folge eintretende Missbrauchssituation wirklich zu verhindern. Das dient also tatsächlich der Prävention, und es soll diese Anbahnung von sexuellen Kontakten unter Strafe gestellt werden, und zwar mit einer Strafdrohung von bis zu zwei Jahren.

Ein weiteres Thema ist natürlich auch die Kinderpornographie im Internet. Auch da se­hen wir eine zunehmende Gefahr, und deshalb wird mit dieser Strafgesetznovelle 2011 ein weiterer neuer Straftatbestand geschaffen, nämlich die wissentliche Betrachtung von kinderpornographischen Darstellungen im Internet, zum Beispiel mittels Web-Cam. Wenn also mittels Webcam kinderpornographische Darstellungen übertragen werden und wissentlich betrachtet werden, dann soll schon dieses wissentliche Betrachten künftig unter Strafe stehen. Auch hier gibt es eine Strafsanktion von bis zu zwei Jahren Haftstraße.

Ich glaube, damit haben wir sehr wichtige neue Straftatbestände geschaffen und kom­men wirklich dem Auftrag nach, auch auf neue Gefahren angemessen und rasch zu reagieren.

Ein weiterer Punkt, der mit dieser Strafgesetznovelle 2011 in Angriff genommen wird, betrifft die bessere Sanktionierung von etwa Genitalverstümmelung oder Zwangsehe, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das sind ja Straftatbestände, die häufig im Ausland begangen werden. Bei Zwangsehe oder bei Genitalverstümmelung haben wir häufig


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die Situation, dass diese nicht in Österreich vorgenommen wird, sondern im Ausland. Bisher war das nur dann in Österreich strafbar, wenn sowohl Täter als auch Opfer ös­terreichische Staatsbürger waren und wenn die Straftat sowohl im Inland als auch im Tatbegehungsland unter Strafe gestellt war. Damit sind natürlich einige Fälle in Öster­reich nicht sanktionierbar gewesen. Diese Situation wollen wir nun abstellen.

Das heißt, es wird künftig genügen, dass entweder Täter oder Opfer österreichische Staatsbürger sind oder in Österreich wohnhaft sind, und es genügt künftig auch, dass diese Delikte in Österreich unter Strafe gestellt werden, unabhängig vom Strafrecht im Tatbegehungsstaat. Also hier erfolgt wirklich auch eine effizientere Bekämpfung dieser Praktiken, die wir natürlich als unerwünscht ansehen. Deshalb wollen wir sie auch viel effizienter bekämpfen können, als das bisher der Fall war.

Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein sehr wichtiges Paket mit vielen Maßnahmen, die ein weiterer wichtiger Schritt in der Bekämpfung von Ge­walt und von Missbrauch an Kindern sind.

Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl hat ja bereits angesprochen, dass schon viele Maß­nahmen gesetzt wurden. Das stimmt, wir setzen einfach weitere Schritte, weil wir hier natürlich nie stehen bleiben dürfen. Wir können nicht glauben, dass, wenn wir einmal wieder eine Maßnahme setzen, dies für immer und ewig reicht.

Wir müssen weiter beobachten: Wo ergeben sich Defizite? Wo haben wir Schutzdefi­zite, Schutzlücken? Wir werden dann auch in Zukunft entsprechend reagieren müssen.

Natürlich ist mir auch klar, dass es nicht nur darum geht, im Bereich des Strafrechts Maßnahmen zu setzen. Um die Kinder wirklich umfassend schützen zu können, bedarf es auch außerhalb des Strafrechts der entsprechenden Maßnahmen. Es fällt nicht alles in meinen Kompetenzbereich, aber, wie gesagt, natürlich muss man auch dort wach­sam sein und die entsprechenden Maßnahmen setzen.

Ich möchte auch noch kurz auf einen Punkt eingehen, den Frau Bundesrätin Mühlwerth angesprochen hat, nämlich die Verjährungsfrist bei Sexualdelikten gegen Kinder. Da hatten wir sehr aktuelle Fälle. Sie haben den Fall Wilhelminenberg et cetera angespro­chen. Ich habe mir sehr genau angesehen, ob es sinnvoll ist, die strafrechtliche Verjäh­rungsfrist auszudehnen. Sie haben ja selbst schon darauf hingewiesen, es ist bereits eine Ausdehnung der strafrechtlichen Verjährungsfrist erfolgt, zuletzt durch die Zweite Gewaltschutzgesetz-Novelle. Da war es so, dass nunmehr die Verjährungsfrist bei Se­xualdelikten gegen Kinder erst mit der Vollendung des 28. Lebensjahres des Opfers zu laufen beginnt. Bei schweren sexuellen Missbräuchen ist das dann eine 20-jährige Ver­jährungsfrist. Das heißt, der Täter kann bis zur Vollendung des 48. Lebensjahres des Opfers belangt werden.

Jetzt sagen Sie, diese Verjährungsfrist soll noch weiter ausgedehnt werden. Da spricht vieles dafür, aber auch vieles dagegen. Und die Argumente dagegen sind die folgen­den: Wir müssen auch berücksichtigen, ob es überhaupt noch möglich ist, eine Tat nach so langer Zeit aufzuklären. Ich glaube, es geht vor allem darum, eine Retraumati­sierung der Opfer zu verhindern. Für die Opfer ist es natürlich eine sehr schwierige Si­tuation. Wenn sie jetzt Hoffnungen in dieses Verfahren setzen und wirklich die Hoff­nung haben, jetzt endlich wird es gelingen, dass der Täter verurteilt wird, und dann müssen sie miterleben, dass der Beweis nicht geführt werden kann, weil die Tat schon weit zurückliegt, ist eine Retraumatisierung möglich. Es ist sehr, sehr schwierig, den Beweis zu führen, weil diese Tat vor so langer Zeit erfolgt ist.

Dann kann es natürlich im Zweifel zu einem Freispruch kommen. Ich meine, in solchen Fällen wird es leider im Zweifel sehr häufig zu Freisprüchen kommen – und das ist das Problem.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 141

Ich glaube, was viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang, ist – und Sie haben es gesagt – Folgendes: Es passiert halt jetzt, dass erst nach vielen Jahrzehnten darüber gesprochen wird. Da muss man ansetzen. Wir müssen alles tun, dass die Opfer die Möglichkeit bekommen, früher darüber zu sprechen, um diese Taten auch früher aufar­beiten zu können. Dann tut man sich auch leichter, eine gerichtliche Aufklärung vor­nehmen zu können.

Wir sollten aus diesen Vorfällen lernen, dass wir wirklich auch die entsprechenden Ein­richtungen zur Verfügung stellen müssen, dass die Opfer rasch gute Möglichkeiten ha­ben, früher über die Taten zu sprechen. Das hilft den Opfern, und es ist aus rechtlicher Sicht auch leichter möglich, die Taten aufzuklären, wenn sie noch nicht so lange zu­rückliegen.

Wir sind da auf einem guten Wege. Es besteht heute eine ganz andere Sensibilität ge­genüber solchen Taten, als es früher der Fall war. Es war hoch an der Zeit, dass diese Sensibilität entwickelt wird. Wir sollten weiter darauf achten, dass diese Sensibilität weiterentwickelt wird, wir müssen die notwendigen Maßnahmen setzen, um wirklich si­cherzustellen, dass solche Taten möglichst zeitnah aufgeklärt und aufgearbeitet wer­den können. Das ist vor allem auch im Sinne des Opfers. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Allgemeiner Beifall.)

17.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


17.14.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Ich habe mich aufgrund der Debatte spontan zu Wort gemeldet, weil ich aus verschiedenen Gründen mit diesem Thema näher vertraut bin. Ich habe ein bisschen in der Diskussion herausgehört, dass der Missbrauchende ein Anonymus ist. Der ist nicht anonym, und das ist das Problem, Frau Kollegin Mühlwerth, auch in der Bewertung der Strafe.

In vier von fünf Fällen von missbrauchten Kindern kommt der Täter aus der Familie, aus der unmittelbaren Nachbarschaft, oder – und das ist die besondere Herausforde­rung – aus dem Kreis jener, die mit der Erziehung beauftragt sind, aus einem institutio­nellen Rahmen.

Das sind nicht irgendwelche finsteren Männer, die hinter Bäumen oder Büschen lauern und die wir dann möglichst ihr ganzes Leben lang wegsperren, sondern das ist auch eine familiäre Tragödie. Und es ist auch die Qualität – ich schaue jetzt gerade einen Di­rektor einer Schule an (Bundesrat Köberl: Kein Direktor!) – kein Direktor, aber für mich bist du so etwas wie ein Direktor, also lassen wir es dabei –, dass wir gerade in der Schule, in den Familien diese Gesprächsfähigkeit haben müssen, denn das ist ein un­glaubliches Trauma, das hier passiert.

Natürlich: Alle Verschärfungen, die die Frau Ministerin angesprochen hat, sind richtig und wichtig. Aber im Endeffekt – und das ist das Prinzip von Strafvollzug – muss immer noch der Grundsatz gelten: Jeder Mensch, was immer er getan hat im Leben, muss die Chance auf Therapie haben. Ein Sexualstraftäter muss bei allen Blockaden und Ver­längerungen die Chance haben, irgendwann in dieser Gesellschaft wieder resozialisiert zu werden. Das ist der Grundgedanke des Strafvollzugs. (Bundesrätin Mühlwerth: Über 90 Prozent !)

Über 90 Prozent. Ich komme noch einmal darauf zurück, Frau Mühlwerth. Vier von fünf Tätern kommen aus der unmittelbaren Nähe. Das ist der Onkel, das ist der Opa, das sind andere – das können sogar Geschwister sein. Und das ist etwas, was wir uns ein­fach vor Augen führen müssen. Aber wir müssen auch das Umfeld betrachten.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 142

Vor zehn Jahren hatten wir eine öffentliche Debatte, die viel härter war. Betreffend Sextourismus gab es in der Gesellschaft eine öffentliche Debatte der Ächtung. Wo ist in den letzten Jahren über Sextourismus noch öffentlich ächtend gesprochen worden? Und wir kommen hier in dieselbe Höhle. Wenn jemand einmal als Sextourist unterwegs ist – und wir erinnern uns an einen niederösterreichischen Fall (Bundesrätin Zwazl: Nicht schon wieder!) – nein, wir erinnern uns, dass das eine Connection auch mit Am­stetten war –, da fallen Schwellen! Und dieses Fallen von Schwellen und dass Sextou­rismus wirklich das Allerallerletzte ist, das muss auch wieder in eine öffentliche De­batte.

Hier geht es auch darum, dass man zum Beispiel Fluglinien in die Pflicht nimmt. Die sollen Filme über die Auswirkungen von Sextourismus in den Fliegern nach Thailand und so weiter zeigen. Wir müssen hier eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung ha­ben.

Es wurde das Grooming angesprochen. Das ist ein völlig neuer Tatbestand. Das ist jetzt genau dieser eine Fall vier von fünf, Grooming ist etwas Neues. Grooming ist das aktive Heranpirschen Erwachsener an Kinder im Internet, um sie in pornographisch-se­xuelle bedrängende Gespräche zu führen. Das ist etwas ganz Neues. Es wurde noch nicht erhoben, in welcher Massivität das bereits passiert.

Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben derzeit in Europa eine Kampagne. Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil ich österreichischer Kontaktparlamentarier zu der Kampagne „One in Five“ bin. Ein Kind von fünf in Europa wird sexuell missbraucht. Derzeit gibt es bereits 45 Parlamente in Europa, die sich in diese Kampagne einge­klinkt haben. Ich kann allen von Ihnen in Ihren Wirkungsbereichen jederzeit anbieten: Hier gibt es phantastisches Material, wo schon Kindergartenkinder lernen, wann stopp ist, wenn sich Erwachsene ihnen nähern, nämlich in einer Form, die für Kindergarten­kinder die richtige ist.

Wer immer mich kontaktieren will als Kontaktparlamentarier – im Nationalrat ist es die Frau Abgeordnete Wurm –: Jederzeit. Aber diese Kampagne muss einfach gelingen. Wir sprechen jetzt nicht von Kindesmissbrauch in Thailand. Eines von fünf Kindern in Europa wird missbraucht. Ich denke, das ist eine erschreckende Zahl. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

17.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

17.20.47 20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsa­chen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), das Ausliefe­rungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die Zusam­menarbeit mit den internationalen Gerichten geändert werden (EU-JZG-ÄndG 2011) (1523 d.B. und 1536 d.B. sowie 8622/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 143

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (1525 d.B. und 1539 d.B. sowie 8610/BR d.B. und 8623/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1504 d.B. und 1540 d.B. sowie 8624/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 20 bis 22 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 20 bis 22 ist Herr Bundesrat Schennach. Bitte um die Berichte.

 


17.21.17

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrter Herr Präsident! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammen­arbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Ausliefe­rungs- und Rechtshilfegesetz und das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich kom­me daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte weiters den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte weiters den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsor­ganisationsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur An­tragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


17.23.14

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gleich drei Tagesord-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 144

nungspunkte stehen jetzt in Verhandlung. Ich darf gleich zum ersten kommen, nämlich dem Beschluss über ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsa­chen mit den Mitgliedstaaten der EU. Zum Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und zum Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten darf ich festhalten, dass ich mich habe überzeugen lassen: Entgegen meinem Stimmver­halten im Ausschuss werden wir als Fraktion diesen Gesetzesvorlagen zustimmen. (Oh-Rufe sowie demonstrativer Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Hier geht es darum, dass der Strafvollzug eines Verurteilten in jenem Land durchge­führt wird, das am ehesten einer Resozialisierung dient. Ich sehe aber trotzdem dieses Gesetz noch immer mit einem sehr kritischen Auge, einfach weil ich Zweifel hege, dass ein bei uns verurteilter Straftäter dann auch immer tatsächlich dem Strafvollzug im je­weiligen Land zugeführt wird, denn bei lebensnaher Betrachtung muss man ganz klar festhalten, dass in manchen osteuropäischen Ländern die Korruption doch noch sehr verbreitet ist.

Im Übrigen empfehle ich auch jedem, die Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes zum Entwurf dieses Gesetzes zu lesen, die ja auch zeigt, dass das nicht ganz unpro­blematisch ist. Aber ich gehe davon aus, dass eine Evaluierung dieses Gesetzes si­cherlich zeigen wird, ob ich mit meiner Kritik falsch liege oder nicht.

Grundsätzlich muss man sagen, dass natürlich auch ein nicht unbeträchtlicher Kos­tenaufwand für die Justiz wegfallen wird. Schließlich wird es wahrscheinlich doch so sein, dass die Kosten für etwa 300 EU-Bürger, die derzeit in unseren Haftanstalten ein­sitzen, die wir verpflegen müssen, wegfallen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ha­be ich mich eben überzeugen lassen und sehe es als durchaus vernünftig an, dass wir hier zustimmen werden.

Was allerdings den Tagesordnungspunkt 21 betrifft, die Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, so werden wir nicht zustimmen können. Ich halte es zwar für gerechtfertigt, dass die Justiz ihre Leistungen entsprechend abgegolten bekommt, wenn Sozialversicherungsträger im Verfahren Partei sind, aber der Grund für unsere Ableh­nung liegt einfach darin, dass wir befürchten, dass es zu einer Beitragserhöhung im Bereich der Sozialversicherungsträger kommen wird. Daher eben unsere Gegenstimme.

Der Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes – das betrifft Tagesordnungs­punkt 22 – können wir jedenfalls zustimmen. Die Umstellung bei den Gerichtstagen auf ein Anmeldesystem beispielsweise entspricht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, dem Grundsatz der Sparsamkeit und ist als ein sehr vernünftiger Schritt anzusehen, auch weil diese Umstellung nicht nur mit einer Senkung des Kostenaufwandes verbun­den ist, sondern weil dadurch auch die Wartezeiten für die Recht suchenden Bürger verkürzt werden. Das alles ist durchaus sinnvoll und sehr bürgernah.

Und zuletzt macht auch die Tatsache, Frau Minister, dass man die Justizombudsstellen nunmehr gesetzlich festschreibt, Sinn. Hier wird den Bürgern ein wirklich rascher und einfach unbürokratischer Zugang zur Beschwerdestelle ermöglicht. Das ist bürgernah und trägt sicher auch zu einer Verbesserung des Gesamtbildes der Justiz in der Öf­fentlichkeit bei. Daher können wir bei diesem Tagesordnungspunkt auch gerne unsere Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

17.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Jachs. – Bitte.

 


17.26.51

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Morgen öffnet sich eine


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 145

Tür: Für 46 Häftlinge öffnet sich morgen die Zellentür. Möglich macht das die Weih­nachtsamnestie unseres geschätzten Herrn Bundespräsidenten. Und in den Genuss dieser Weihnachtsamnestie kommen nur Häftlinge, von denen kein Rückfall droht, ja, von denen wir uns eine gute Perspektive und Prognose versprechen. Die Aussicht, dass sich diese Menschen bessern, dass sie sich an unserem Werte- und Rechts­system orientieren, das wünsche ich mir eigentlich für alle Häftlinge, denn Strafe ist nicht Vergeltung, Strafe ist nicht Sühne, sondern Strafe und Haft verhängen wir als Mit­tel, als Prozess.

Wir wollen aus Häftlingen, aus Straftätern bessere Menschen machen, wir wollen aus ihnen wieder vollwertige, gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft machen. Und wie bei der Integration am Arbeitsmarkt, wie bei der Integration in Schulen, in Kin­dergärten ist Sprache ein ganz entscheidender Schlüssel. Man muss die Sprache spre­chen können, um auch die Spielregeln, die Werte und Prinzipien einer Gesellschaft zu verstehen.

In Österreich haben wir derzeit rund 4 000 ausländische Häftlinge. Diese Häftlinge kom­men aus über 100 Ländern der Welt, gut 700 kommen aus Mitgliedsländern der Euro­päischen Union. Und auch für diese Häftlinge öffnet sich im Jänner in den kommenden Jahren eine Tür, denn wir wissen, dass die Haft im eigenen Land, im Heimatland, den Häftlingen, den Straftätern einen wesentlich besseren Neustart bietet, ihre Chancen steigen, künftig im Leben wieder vollwertig, gleichberechtigt in der Gesellschaft mitzu­wirken, teilzuhaben, was ihnen den Neustart erleichtert und ihre Chancen verbessert.

Daher begrüßt unsere Fraktion auch die Haft im Heimatland, denn es ist menschlich ei­ne bessere Lösung. Die Häftlinge werden davon persönlich und menschlich enorm pro­fitieren. Damit keine Gerüchte oder Ängste aufkommen: Die Haft im Heimatland ist kei­ne „Haft light“, das ist kein Schnellverfahren, sondern wir haben über internationale Verträge und Abkommen abgesichert, dass die Haft, so wie ausgesprochen, so wie von österreichischen Gerichten verhängt, im Heimatland auch absolviert wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

17.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kem­perle. – Bitte.

 


17.30.01

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist ja schon einiges zu diesen drei Tagesordnungspunkten gesagt worden, und ich glaube, dass es notwendig ist, hier vor allem im Zusammenhang mit den justiziellen Strafsachen klarzustellen, dass das vor­liegende Bundesgesetz nur die Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerken­nung auf Urteile in Strafsachen nachvollzieht.

Mit diesem Gesetz soll die Vollstreckung von freiheitsentziehenden Strafen oder Maß­nahmen innerhalb der EU vereinfacht werden. Diese Urteile innerhalb der EU, das ist ja auch bereits erwähnt worden, werden gegenseitig auch anerkannt. Das soll dazu führen, dass es in den Grundnormen zu einer Vereinfachung im gegenseitigen Straf­vollzug kommt.

Das war ja auch bisher schon so, dass es diese Maßnahme, diesen „Austausch“ gege­ben hat, denn schon bisher wurden Verurteilte an ihre Heimatstaaten übergeben. Auf­grund österreichischer Ersuchen wurden zum Beispiel 2010 74 verurteilte Personen zum weiteren Strafvollzug an ihre Heimatstaaten übergeben. Dass die Resozialisierung der Verurteilten dort, wo es möglich ist, in ihrem Heimatland, auch im Zusammenhang mit Sprachkenntnissen et cetera, positiver zu gestalten ist, ist die eine Sache. Die an-


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dere ist, dass Haftkosten von jenen Staaten zu tragen sind, in welchen die Vollstre­ckung erfolgt. Das ist ein kleiner Nebeneffekt für uns. Aber unabhängig von dieser Kos­tenersparnis geht es darum, den StraftäterInnen eine entsprechende Resozialisierung zu ermöglichen.

Was den Kostenersatz betrifft, sieht die neue Kostenersatzregelung vor, dass ab 2013 die bei den ordentlichen Gerichten im Rahmen von Tätigkeiten in sozialgerichtlichen Verfahren erwachsenen Kosten von den Trägern der Sozialversicherung zu überneh­men sind, wenn ein solcher Träger Parteienstellung einnimmt. Ich glaube, dass dort, wo Kosten entstehen, diese Kosten auch abgerechnet werden sollten. Das trägt letzt­endlich auch dazu bei, mehr Kostentransparenz und mehr Kostenwahrheit zu erhalten.

Zum Thema Justizombudsstellen. Hier glaube ich, dass es auch gelungen ist, im Zuge von Verwaltungsreformen Maßnahmen zu setzen, die bewirken, dass es einen besse­ren Zugang in Bezug auf das Voranmeldesystem für Gerichtstage gibt und die Abhal­tung von Gerichtstagen konsequenter durchgesetzt werden kann, und ich glaube auch, dass es letztendlich auch zu Effizienzsteigerungen kommen wird. Wir glauben, dass dies auch eine positive Bewertung durch die Richterschaft, die Richter und Richte­rinnen, erfahren wird, weil diese natürlich dadurch besser koordinieren können und hin­sichtlich Umgestaltung ihres Arbeitsumfeldes auch die Anhörung zuerkannt bekommen haben, sodass sie auch mitentscheiden können, wie und in welchem Ausmaß sie an diesem Prozess mit beteiligt sein möchten.

Wir werden den drei Gesetzen selbstverständlich gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


17.33.51

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es geht ja in dieser Debatte um drei ganz unterschiedliche Gesetzes­materien. Bei der Änderung des EU-JZG-Gesetzes, im sogenannten EU-JZG-Ände­rungsgesetz 2011 geht es ja um einen Punkt, der schon in der Debatte zum Kinder­schutz eine Rolle gespielt hat, nämlich um Resozialisierung. Es geht darum, dass künf­tig EU-Staatsbürger, die von einem österreichischen Gericht zu einer Haftstrafe verur­teilt werden, diese Haft in ihrem Heimatstaat verbüßen werden können, weil dort ein­fach die Resozialisierungschancen besser, größer sind. Deshalb ist es besser, wenn die Haftstrafe in ihrem Heimatstaat vollstreckt wird.

Es wurde bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass das auch jetzt schon möglich ist. Allerdings ist das jetzt nur sehr eingeschränkt möglich, denn es bedarf derzeit der Zu­stimmung des Verurteilten beziehungsweise der Zustimmung des Vollstreckungsstaates.

Wie soll das künftig aussehen? Künftig wird es so sein, dass ein EU-Staatsbürger, der von einem österreichischen Gericht zu einer Haftstrafe verurteilt wird, der Staatsbürger eines anderen EU-Mitgliedstaates ist und dort seinen Wohnsitz hat beziehungsweise nach Verbüßung der Haft dorthin abgeschoben werden würde, die Haft in diesem Staat, seinem Heimatstaat, verbüßen kann, ohne dass eben die Zustimmung erforder­lich ist.

Die Zustimmung des Verurteilten ist dann erforderlich, wenn er zwar nicht die Staats­bürgerschaft des Vollstreckungsstaates hat, aber dort seit mindestens fünf Jahren sei­nen regulären Wohnsitz hat. Auch dann ist es möglich, die Haftstrafe im Herkunftsstaat zu verbüßen, allerdings mit Zustimmung des Verurteilten.

Wenn alle diese Kriterien, die ich genannt habe, nicht erfüllt sind, aber dennoch eine engere Bindung zu einem anderen EU-Mitgliedstaat besteht, dann bedarf es der Zu-


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stimmung des Verurteilten und der Zustimmung des Vollstreckungsstaates, damit eben die Haft in diesem anderen EU-Mitgliedstaat vollstreckt werden kann.

Das gilt natürlich jetzt nicht nur für andere EU-Staatsbürger, sondern klarerweise auch für österreichische Staatsbürger, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu einer Haft­strafe verurteilt werden. Die werden dann in Österreich die Haftstrafe verbüßen.

In der Praxis wird das zum Beispiel so aussehen: Stellen Sie sich vor, ein niederlän­discher Staatsangehöriger wird von einem österreichischen Gericht zu einer Haftstrafe verurteilt. Dann kann eben diese Haftstrafe in den Niederlanden vollstreckt werden. Das heißt, der niederländische Staatsbürger ist in die Niederlande zu überstellen, und dort wird dann die Haft vollstreckt. Die Kosten für diese Haft wird dann von den Nie­derlanden getragen. Die Haftkosten trägt also der Vollstreckungsstaat, nur die Über­stellungskosten wären im genannten Beispiel von Österreich zu tragen. Wir verspre­chen uns davon natürlich einerseits eine Entlastung unserer Haftanstalten, anderer­seits natürlich auch eine Entlastung des Budgets.

Das ist der eine Punkt, um den es in dieser Debatte geht.

Der zweite Punkt, um den es in dieser Debatte geht, ist die Änderung des ASGG, des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, und zwar geht es hier um den § 93 des ASGG. Im § 93 Abs. 1 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes ist vorgesehen, dass die Kosten für jene Sozialgerichtsverfahren, in denen ein Sozialversicherungsträger beteiligt ist, von den Sozialversicherungsträgern zu tragen sind.

Diese Kosten wurden bisher immer vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger getragen, allerdings wurde ein Pauschalbetrag vereinbart. Das heißt, der Hauptver­band der österreichischen Sozialversicherungsträger hat für diese sozialgerichtlichen Verfahren an die Justiz einen bestimmten Pauschalbetrag gezahlt. Dieser Pauschalbe­trag beträgt seit 1. Juli 2006 41 Millionen €. Wir haben aber bereits im Jahr 2011 als tatsächliche Kosten 53 Millionen €. Das heißt, wir haben eine Differenz von 12 Mil­lionen €, die an sich durch die Sozialversicherungsträger geleistet werden müssten, aber nunmehr zu Lasten des Justizbudgets gehen. Deswegen soll nun wirklich dem § 93 Abs. 1 ASGG entsprochen werden, indem künftig die tatsächlich entstandenen Kosten in diesen sozialgerichtlichen Verfahren ersetzt werden müssen und nicht mehr ein bloßer Pauschalbetrag.

Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt und soll einfach den rechtskonformen Zustand, wie er in § 93 Abs. 1 ASGG eigentlich vorgesehen ist, sicherstellen.

Der dritte Punkt, um den es in dieser Debatte geht, ist eine Änderung des Gerichtsor­ganisationsgesetzes. Da geht es um verschiedene Maßnahmen. Ich möchte nur drei davon ansprechen.

Das eine betrifft die sogenannten Gerichtstage. Bei den Gerichtstagen handelt es sich nicht um die Amtstage. Die Amtstage finden ja an den Gerichtsstandorten statt. Das heißt, die rechtsuchende Bevölkerung kann zu einem Gerichtsstandort kommen und dort Beratung in Anspruch nehmen. Die sogenannten Gerichtstage, um die es bei die­ser Änderung geht, werden an Nicht-Gerichtsstandorten abgehalten. Also dort, wo es kein Bezirksgericht gibt, gibt es die sogenannten Gerichtstage. Das heißt, dass in be­stimmten Abständen ein Richter, eine Richterin dorthin fährt und dort der rechtsuchen­den Bevölkerung zur Verfügung steht.

Wenn Sie mit Richterinnen und Richtern sprechen, werden Sie sehr häufig das Gleiche hören, was ich immer wieder gehört habe bei meinen Besuchen von Bezirksgerichten. Mir wurde immer wieder gesagt, das ist ein Problem, denn das läuft so ab, dass zwar die Richter von den Gerichten zu den Standorten der Gerichtstage hinfahren, aber es wird von der Bevölkerung kaum in Anspruch genommen. Das heißt, die fahren hin, ver­sitzen dort die Zeit, sitzen, warten – und es kommt niemand.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 148

Deshalb geht es jetzt einfach darum, dass wir dieses System, das ja an sich ein gutes ist, effizienter gestalten können, und deshalb wollen wir ein Voranmeldesystem schaf­fen. Das heißt, es wird künftig so sein, dass man sich, wenn man zu einem Gerichtstag kommen will, voranmelden muss. Das hat den Vorteil, dass Richter und Richterinnen nicht umsonst zu den Gerichtstagen hinfahren müssen, und es hat auch den Vorteil, dass die Richter und Richterinnen schon vorab wissen, um welche Themenstellungen es geht, welche Fragen angesprochen werden. Sie können sich dann auch viel besser darauf vorbereiten. Davon hat natürlich auch der Rechtsuchende oder die Rechtsu­chende etwas. Das heißt, das ist meines Erachtens eine Win-win-Situation und daher sehr zu begrüßen.

Die weitere Maßnahme, die ich kurz ansprechen will, betrifft die gesetzliche Veranke­rung der Justizombudsstellen. Die Justizombudsstellen sind ja an allen vier OLG-Standorten eingerichtet und haben eine ganz, ganz wichtige Funktion. Sie gewährleis­ten nämlich wirklich ein rasches, bürgernahes und effizientes Beschwerdemanage­ment, und das ist ganz, ganz wichtig. Wir sehen nämlich, dass diese Justizombudsstel­len sehr gern in Anspruch genommen werden. Meistens geht es ja um Fragen wie: Warum ist dieses Gerichtsurteil so ausgefallen? Wie ist dieses Gerichtsurteil zu verste­hen?, oder es geht darum, dass bestimmte Verfahrensabläufe hinterfragt werden.

Hier können die Justizombudsstellen wirklich Auskunft geben, und das passiert sehr gut und sehr rasch. Im Durchschnitt bekommen die Personen, die hier Anfragen stel­len, innerhalb von zwei Wochen eine Auskunft – und wirklich eine sehr gute Auskunft. Wie gesagt, es war meines Erachtens hoch an der Zeit, diese sehr gut funktionieren­den Justizombudsstellen auch gesetzlich zu verankern. Das ist eine wirklich wichtige Einrichtung, um eben den Leuten ein Urteil besser zu erklären, Verfahrensabläufe bes­ser zu erklären.

Schließlich findet auch eine gesetzliche Verankerung der Vereinigung der österreichi­schen Richterinnen und Richter statt. Die Vereinigung der österreichischen Richterin­nen und Richter hat ein sehr wichtiges Mitwirkungsrecht, das faktisch jetzt schon wahr­genommen wird, allerdings bis jetzt ohne gesetzliche Verankerung. Also sie haben sich bisher schon eingebracht, wenn es um irgendwelche Veränderungen betreffend die dienstliche Stellung oder eben die Arbeitsbedingungen bei den Gerichten gegangen ist. Künftig ist eben gesetzlich festgelegt, dass sie ein Stellungnahmerecht haben, ein An­hörungsrecht haben, et cetera. Also es wird das, was bisher schon faktisch passiert ist, endlich gesetzlich festgeschrieben. Auch das ist eine wichtige Maßnahme.

Insgesamt ist es meines Erachtens ein gelungenes Paket. Ich glaube, wir können da­mit die Gerichtsorganisation wieder in einem sehr positiven Sinne weiter gestalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über jus­tizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Uni­on und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 149

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. De­zember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits- und Sozialgerichtsge­setz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. De­zember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

17.43.5023. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Vereinsgesetz 2002 und das Bundes-Stiftungs- und Fondsge­setz geändert werden (Vereinsgesetz-Novelle 2011 – VerGNov 2011) (1503 d.B. und 1537 d.B. sowie 8625/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Damit gelangen wir zum 23. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. Bitte um den Bericht.

 


17.44.10

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses – nach einer sehr intensiven Diskussion – über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002 und das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz geändert werden, die sogenannte Vereinsgesetz-Novelle 2011.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hammerl. – Bitte.

 


17.45.05

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Vereinsgesetz wurde in einem für mich wesentlichen Punkt geändert. War bis jetzt ein Mitglied eines Vereinsorgans haftbar für den dem Verein entstandenen Schaden, wenn dieses Mitglied unter Ver­nachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters seine gesetzlichen oder statutarischen Pflichten oder rechtmäßige Beschlüsse eines zustän­digen Vereinsorganes verletzte, so wurde mit geändertem Vereinsgesetz das Haf­tungsrisiko für unentgeltlich tätige Mitglieder eines Vereinsorganes ausdrücklich auf ein für dieses Mitglied zumutbares Maß begrenzt.

Ich kann hier aus eigener Erfahrung berichten, ich bin ehrenamtlicher Präsident des Hilfswerk Steiermark mit über 1 300 Mitarbeitern: Ich hatte vor Jahren Probleme in mei-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 150

nem Verein, wo ich ehrenamtlich gearbeitet habe, mit – damals gab es noch den Schil­ling – 1,8 Millionen Schilling. Gott sei Dank konnte das damals geregelt werden. Ich bekam einfach die Gelder nicht vom Bund und auch nicht vom Land, und es mussten die 13. und 14. Monatsgehälter ausbezahlt werden für die Krankenschwestern und so weiter. Das ist nicht passiert, und ich musste damals mit meinem Haus gutstehen. Nur so konnte ich das Geld dann von der Sparkasse bekommen.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz, das jetzt verändert wurde, ist großartig, und ich kann nur sagen, Gott sei Dank ist bei mir damals alles gut gegangen. Es wundert mich also nicht, dass viele Menschen bei uns in Österreich ein mit einem Risiko verbundenes Amt, für das sie unentgeltlich viel Zeit einsetzen sollten, ablehnen. Dazu kommt, dass in manchen Fällen die Risiken unüberschaubar geworden sind und die rechtliche Form eines Vereines der realen Situation in manchen Fällen nicht angepasst ist.

Vor dem Hintergrund des Jahres des Ehrenamtes, als welches das heurige Jahr dekla­riert wurde, scheint mir nun diese Änderung wichtig zu sein.

Unsere Gesellschaft lebt ja in hohem Maße von ehrenamtlichen Tätigkeiten in Ver­einen. Wenn wir uns die Frage stellen, was denn Gesellschaften zusammenhält, so ist das nicht in erster Linie das Geld. Wir merken es an den Problemen, die wir derzeit in der EU haben. Geld entzweit eher. Geld ist natürlich sehr wichtig, aber der mit dem Eh­renamt verbundene Einsatz für die Pflege der gemeinschaftlichen Beziehungen ist eine unverzichtbare Grundlage für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

In der sozialwissenschaftlichen Forschung wird gerade deswegen vermehrt vom sozia­len Kapital gesprochen, das in einem hohen Maß durch ehrenamtlichen Einsatz in Ver­einen gebildet wurde. Zudem, meine Damen und Herren, ist Demokratie an dieses so­ziale Kapital gebunden, lebt doch Demokratie vom Einsatz jedes Einzelnen und von der Ausbildung von Gruppen, die sich die Mitwirkung am Gemeinwohl zum Ziele ma­chen.

Ein großer Anteil der heute anzutreffenden Politikverdrossenheit ist ja auf die Schwie­rigkeit, seinen Ort im politischen Prozess zu finden, und auf die Schwierigkeiten, auch als Einzelner etwas bewirken zu können, zurückzuführen. So kann man in den Ver­einen und gesellschaftlichen Gruppen Macht bei der Gestaltung der Gesellschaft ge­winnen.

Zur Haftung von Organwaltern und Rechnungsprüfern: Dass sich ehrenamtliche Arbeit von Erwerbsarbeit unterscheidet, ist notwendig, aber die mit dieser Tätigkeit verbunde­nen unbedankten Risiken dürfen nicht zu groß sein. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sind im vorliegenden Bundesgesetz nach wie vor mit Strafen belegt. Menschen dürfen nicht mit Verantwortung überlastet werden, die sie dann nicht tragen können. Deswe­gen begrüße ich das vorliegende Gesetz, mit dem das Haftungsrisiko für ehrenamtlich tätige Mitarbeiter eines Vereins oder anderer Vereinigungen ausdrücklich auf ein für sie zumutbares Maß begrenzt wird.

Überdies wird mit dieser Änderung des Vereinsgesetzes unentgeltlich handelnden Or­ganwaltern und Rechnungsprüfern die Möglichkeit gegeben, in Bezug auf einen in Wahrnehmung ihrer Pflichten einem Dritten gegenüber entstandenen Schaden vom Verein die Befreiung von dieser Verbindlichkeit zu verlangen, wenn sie nur ein leichtes Verschulden trifft. Damit wird Menschen der verantwortungsvolle Einsatz in und für die Gesellschaft erleichtert.

Meine Damen und Herren! Politik kann Freiwilligenarbeit sicherlich nicht verordnen, für die Rahmenbedingungen ist sie aber allemal verantwortlich. Mit der Veränderung des Vereinsgesetzes ist sie dieser Verantwortung nachgekommen, und ich möchte Ihnen


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 151

dafür ein großes Danke sagen, Frau Bundesminister. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duz­dar. – Bitte.

 


17.50.01

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir haben es schon gehört, mit dieser Gesetzesnovelle des Vereinsgesetzes 2002 wird erstmals eine Haftungsdiffe­renzierung zwischen professioneller und ehrenamtlicher Arbeit vorgenommen. Ziel die­ser Gesetzesnovelle, das hat auch schon mein Vorredner gesagt, ist es, das Haftungs­risiko von unentgeltlich tätigen Funktionären und Funktionärinnen eines Vereins da­hingehend zu begrenzen, dass diese eben nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften.

Gerade in Österreich haben ja Vereine eine sehr große soziale und gesellschaftspoli­tische Bedeutung. Viele Menschen engagieren sich in ihrer Freizeit in diversen Ver­einen als freiwillige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Wohl der Allgemeinheit. Ohne diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wären sehr viele soziale und gesellschaftspoli­tische Projekte gar nicht möglich.

Daher möchte ich wirklich auf die Wichtigkeit von ehrenamtlicher Arbeit und Engage­ment hinweisen. Gerade weil wir doch in einer sehr schnelllebigen Zeit leben, in der In­dividualismus immer mehr den Zeitgeist dominiert und Solidarität und solidarischer Zu­sammenhalt immer mehr schwinden, ist es umso erfreulicher, zu sehen, dass es ge­rade in Österreich eine Unzahl an Vereinen gibt und ehrenamtliches Engagement nicht zu kurz kommt.

Deshalb möchte ich mich auch an dieser Stelle im Namen der österreichischen So­zialdemokratie bei allen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserem Land bedanken, denn der gesellschaftliche Zusammenhalt ist auch auf ihren Einsatz zurückzuführen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Leider ist es dennoch so, dass sich eben diese ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mit­arbeiterinnen oft in ihrer Funktion als Organwalter und Rechnungsprüfer mit nicht uner­heblichen Haftungsrisiken konfrontiert sehen. Bezüglich dieser Problematik versucht dieses Gesetz nun Abhilfe zu schaffen. Bei der Beurteilung der Haftung wurde zwar bisher schon die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit berücksichtigt, aber in der Praxis ent­standen oftmals Unsicherheiten, die dazu führten, dass Personen letztlich davon abge­halten wurden, sich ehrenamtlich in Vereinen zu betätigen.

Dieser Entwurf sieht nun eine Beschränkung der Haftung vor. Das bedeutet, dass bei direkter Inanspruchnahme durch Dritte nun ein Rückersatzanspruch gegenüber dem Verein geltend gemacht werden kann. Der jeweilige Funktionär und die jeweilige Funk­tionärin ist dem Verein gegenüber nur dann für den verursachten Schaden verantwort­lich, wenn er oder sie eben grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt. Daher ist dieser Gesetzentwurf sehr zu begrüßen, zumal ja nicht auf die Rechtsposition der Verbrau­cher und Verbraucherinnen vergessen werden darf.

Es ist, glaube ich, auch für die Zukunft überlegenswert, ob man nicht die Haftungsbe­schränkung und Haftungsdifferenzierung nicht auf die Größe des Vereines abstellen sollte und im Sinne des Gläubiger- und Konsumentenschutzes vor allem die ehrenamt­lichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der kleineren Vereine, also jener Vereine, die nicht zur Rechnungslegung verpflichtet sind, profitieren lassen sollte.

Im Großen und Ganzen werden mit diesem Gesetz ehrenamtliches Engagement und ehrenamtliche Arbeit gefördert, Unsicherheiten und Haftungsrisiken für ehrenamtliche


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 152

Mitarbeiter werden damit abgebaut. Das ist natürlich eine positive gesetzliche Verän­derung, und selbstverständlich wird meine Fraktion dieser Gesetzesnovelle zustimmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


17.53.49

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! So kurz vor Weihnachten war es mir einfach ein Anliegen, mich heute auch einmal in die Jubel­chöre einzumengen, und dazu ist dieser Tagesordnungspunkt einfach der am besten geeignete.

Frau Ministerin, ich glaube, es ist diese Entscheidung heute sicher eine der wichtigsten Entscheidungen im Jahr der Freiwilligen. Es hat schon einige Entscheidungen gege­ben, die nicht so hilfreich waren. Ich kann mich erinnern, zu Jahresbeginn hat es gehei­ßen, unsere Förderungen werden gekürzt, und dann haben wir gleichzeitig ein Brieferl vom Herrn Landeshauptmann bekommen, der uns für unseren fleißigen Einsatz dankt. Mit dieser Gesetzesnovelle ist den Freiwilligen sicherlich mehr geholfen.

Ich denke auch, so wie Kollege Hammerl vorhin gesagt hat  (Bundesrat Kainz: Ju­belchöre!) Ich juble ja eh! Herr Kollege Hammerl hat gesagt: Geld ist nicht so wichtig. Dem kann ich zustimmen. Ich glaube, bei den Vereinen spielt die Zeit der Menschen eine größere Rolle. Ich bin in vielen Vereinen, ich kenne viele Vereine, und ich weiß, da wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich auch an der Spitze ein­setzen und sagen: Ich nehme das Risiko auf mich und investiere meine Zeit in den Verein. Und ich denke, wenn jetzt das Risiko zumindest reduziert wird, ist das wirklich ein Anlass für einen Jubelchor. Ich fange jetzt nicht an zu singen, denn das kann ich nicht so gut wie die Frau Kollegin. Aber ich gratuliere zu dieser Vorlage, und wir stim­men gerne zu. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

17.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


17.55.33

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Diese Vereinsgesetz-Novelle 2011 ist mir tatsächlich ein ganz zentrales Anliegen. Es wurde ja schon länger darüber diskutiert, hier eine Haftungserleichterung für unentgeltlich tätige Vereinsfunktionäre vorzunehmen, und Ausgangspunkt für diese Diskussion war der sogenannte Judo-Fall.

Da ist es um Folgendes gegangen: Eine Judo-Anfängerin wurde bei einem Judo-Training, bei einem – ich weiß nicht – zu schnellen oder zu raschen oder zu festen Wurf verletzt. Dieses Judo-Training wurde von einem Vereinsmitglied vorgenommen, und es wurde dann die Haftung des Vereinsobmanns bejaht, weil er eine Haftpflichtver­sicherung abschließen hätte sollen.

Jetzt will ich nichts gegen dieses OGH-Urteil sagen. Das OGH-Urteil ist nicht zu bean­standen, aber es hat dann natürlich Diskussionen gegeben, und die unentgeltlich täti­gen Vereinsfunktionäre hatten vor allem Angst: Was passiert? Muss ich jetzt eine Haft­pflichtversicherung abschließen? Hafte ich, und was kann mir da passieren?

Man darf nicht vergessen, es ist nicht so ohne, für eine unentgeltliche Tätigkeit in ei­nem Verein mit dem privaten Vermögen zu haften. Ich glaube, das ist ja vielen gar nicht bewusst, welches Risiko damit verbunden ist. Und gerade im Jahr der Freiwillig-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 153

keit – es wurde ja mehrfach angesprochen – ist es, glaube ich, schon ganz wichtig, auch auf diesen Aspekt hinzuweisen. Es wird immer schwieriger, auch das wurde schon angesprochen, Personen zu finden, die sich unentgeltlich in einem Verein enga­gieren wollen. Und wenn es dann noch heißt, wenn du Pech hast, haftest du mit dei­nem Privatvermögen, ist das, wie ich glaube, eher kontraproduktiv.

Deshalb war es mir eben wirklich wichtig, hier eine Haftungserleichterung vorzusehen. Künftig ist es so, dass unentgeltlich tätige Vereinsfunktionäre für leichte Fahrlässigkeit gegenüber dem Verein nicht mehr haften. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Rech­nungsprüfer durch Unachtsamkeit bei der Prüfung irgendwelche Unregelmäßigkeiten übersieht und dem Verein dadurch ein Schaden entsteht, dann haftet der unentgeltlich tätige Rechnungsprüfer künftig dafür nicht mehr, wenn das nur leichte Fahrlässigkeit bedeutet. Das Gleiche gilt etwa auch für den unentgeltlich tätigen Vereinsobmann. Auch er haftet zum Beispiel dann – kommen wir wieder zu dem vorigen Beispiel zu­rück –, wenn er keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat und dadurch dem Verein ein Schaden entsteht, nicht, wenn dieses Nichtabschließen der Haftpflichtversi­cherung eine bloß leichte Fahrlässigkeit ist. Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt.

Es gibt aber natürlich auch Fälle, wo eben nicht der Verein selbst geschädigt wird – jetzt sind wir ja immer von diesen Fällen ausgegangen –, sondern wo einer Dritter ge­schädigt wird. Denken Sie zum Beispiel an eine Vereinsveranstaltung, bei der die Ab­sperrung mangelhaft vorgenommen wird, weshalb sich ein Gast dieser Vereinsveran­staltung verletzt. Wer haftet dann für diese Verletzung, für den Schaden, der dadurch entsteht?

Da wird eben nicht der Verein unmittelbar geschädigt, sondern eben ein Dritter. Und da ist vorgesehen, dass sich, wenn hier wieder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt, der un­entgeltlich tätige Vereinsfunktionär beim Verein schad- und klaglos halten kann, wenn er vom Geschädigten in Anspruch genommen wird. Warum das?

Das ist eine Regelung, die dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz nachgebildet ist und den Hintergrund hat, dass wir nicht wollen, dass der Geschädigte leer ausgeht, denn das ist ja auch nicht Sinn der Sache. Wir wollen ja nicht, dass wir einen Geschädigten haben, der dann bei einer leicht fahrlässig verursachten Schädigung keinen Schaden­ersatz bekommt. Das soll es ja auch nicht sein.

Deswegen ist eben vorgesehen, dass sich, wenn der Geschädigte den unentgeltlich tä­tigen Vereinsfunktionär in Anspruch nimmt, dieser beim Verein schad- und klaglos hal­ten kann, sodass im Endeffekt wiederum der Verein dem Geschädigten bei leichter Fahrlässigkeit den Schaden ersetzt. Ganz klar ist natürlich: Auch der unentgeltlich täti­ge Vereinsfunktionär haftet bei grober Fahrlässigkeit und bei Vorsatz.

Aber ich glaube, als Empfehlung kann man auf alle Fälle sagen: Für alle jene von Ih­nen, die in Vereinen tätig sind, ist es in den meisten Fällen wirklich hilfreich, eine Haft­pflichtversicherung abzuschließen. Ich glaube, das kann nicht schaden.

Aber um noch einmal zu dem Beispiel zurückzukommen, das ich erwähnt habe: Wenn also ein Gast einer Vereinsveranstaltung durch eine mangelnde Absperrung verletzt wird, und das ist nur eine leicht fahrlässige Schädigung, dann wird er praktisch vom Verein seinen Schadenersatz bekommen. Wir sind davon überzeugt, dass es dadurch zu ausgewogenen Ergebnissen kommt und dass wir hier für die Vereine einen ganz zentralen und wichtigen Schritt setzen und damit natürlich auch die unentgeltliche Ver­einstätigkeit wieder stärker fördern können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 154

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.00.4324. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisen­bahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleitungsgesetz geändert werden (1524 d.B. und 1538 d.B. sowie 8626/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Bitte um den Bericht.

 


18.00.59

Berichterstatter Christian Füller: Der Bericht des Justizausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraft­fahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleistungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 13. Dezember 2011 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


18.01.49

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz des Nationalrates vom 6. Dezember beinhaltet die Anhebung beziehungsweise Angleichung der Mindestdeckungssummen bei den Haftpflichtversicherungen in den verschiedens­ten Kategorien. (Präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es ist in Zukunft vorgesehen, dass die Mindesthaftungssumme für Personenschäden beziehungsweise bei Tod von 5 Millionen auf 5,6 Millionen und bei Sachschäden von 1 Million auf 1,12 Millionen € angehoben wird. Das ist jetzt natürlich nur ein Beispiel von Personen- und Sachschäden. Ich glaube aber, dass diese Anhebung, diese An­gleichung sehr wichtig ist – das sind die Mindestversicherungssummen – und dass damit auch für die betroffenen Menschen ein stärkerer und verbesserter Schutz gege­ben ist, wobei wir aus der Praxis wissen, dass natürlich die meisten österreichischen Versicherungen zu gleichen Preisen höhere Versicherungssummen anbieten. Aber ich kann nur das unterstreichen, was die Frau Bundesministerin vorhin gesagt hat: Das Beste ist, wenn jede Österreicherin oder jeder Österreicher eine Haftpflichtversiche­rung abgeschlossen hat, dann ist er sicherlich aus dem Schneider.

Ich darf aber auch noch anmerken, dass gerade die vorgesehenen Maßnahmen op­ferfreundlich sind. Das heißt, dass gerade bei Unfallopfern bei Großereignissen höhe-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 155

re Deckungssummen vorhanden und verfügbar sind. Auch das ist eine wichtige Errun­genschaft.

In diesem Sinne möchte ich sagen, dass unsere Fraktion dieser Gesetzesnovelle be­ziehungsweise diesem Bundesgesetz die Zustimmung gibt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.03


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kemperle. – Bitte.

 


18.03.46

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Die EU-Richtlinie über die Kraft­fahrzeug-Haftpflichtversicherung sieht vor, dass ab 2005 alle fünf Jahre die Mindestde­ckungssumme für Personen- und Sachschäden über harmonisierte Verbraucherpreis­indizes überprüft und angepasst wird. Zum vorliegenden Bundesgesetz gibt es daher keine Alternative; es vollzieht lediglich die unionsrechtlichen Anpassungen.

Im Jahr 2010 wurden die vorgeschriebenen Beträge von der Europäischen Kommis­sion überprüft, um den Änderungen des von Eurostat veröffentlichten europäischen Verbraucherpreisindexes Rechnung zu tragen, welcher rechnerisch eine Steigerung von 11,8 Prozent zwischen 2005 und 2010 ergibt.

Die angepassten Beträge wurden ja von meinem Vorredner bereits erwähnt. Österreich behält grundsätzlich die Umsetzungsvariante mit Pauschalsumme bei, wobei heimi­sche Versicherungssummen auch höher als die Mindestvorgaben der EU-Richtlinie lie­gen und liegen können. Eine unmittelbare Erhöhung von Versicherungsprämien ist durch die Anpassung nicht direkt zu erwarten. Sowohl die Beibehaltung als auch die Anpassung an die Teuerung ist im Sinne der Geschädigten als auch der Versicherten grundsätzlich als positiv zu beurteilen. Daher werden wir dieser Gesetzesnovelle unse­re Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.05


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner: Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


18.05.29

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die Umsetzung dieser EU-Richtlinie ist vor allem aus der Sicht der Kraftfahrer, der Autofahrer, sehr erfreulich. Jeder weiß, was es für Probleme gibt, wenn man gerade mit ausländischen Fahrzeugen eine Kontroverse hat, wenn ich das so sa­gen darf, die eine Unterdeckung haben. Ich hoffe, dass es gelingt, mit diesem Gesetz diese Situation zu verbessern.

Weiters hoffe ich, dass die heimischen Versicherungen es nicht zum Anlass nehmen werden, die Prämien zu erhöhen. Wir wissen ja, dass die Deckungssummen in Öster­reich zwar durchwegs höher sind und eigentlich kein Anlass dafür bestehen würde, aber wir wissen auch, dass die Versicherungen sehr erfinderisch sind, wenn es darum geht, Gründe zu finden, um etwas zu verteuern.

Aber ich nehme an, Sie werden ein Auge darauf haben. Deshalb werden wir diesem Entwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.06


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 156

18.06.45

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Den We­nigsten von uns ist bewusst, wenn man sich ins Auto setzt, geht man ein Risiko ein, das üblicherweise einen Betrag übersteigt, den man als Vermögen selbst als Person zur Verfügung hat. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass Versicherungssummen be­rechnet werden und dass man dementsprechend auch die Haftpflicht anpasst, und das ist in diesem Fall geschehen.

Es sind realistische Zahlen, die die Versicherungswirtschaft ausgerechnet hat, und ich gehe davon aus, dass das auch seine Richtigkeit hat.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein Versicherungsthema ansprechen, das ich ein bisschen zu meinem Hobby gemacht habe, nämlich die Suche nach Berichten bezüglich Atomhaftpflichtgesetz. Das ist nämlich alle drei Jahre vorzulegen, und zwar federführend vom Justizministerium. Wenn man es sucht, findet man es nicht auf der Parlaments-Homepage. Man findet auch keinerlei Besprechungen in den jeweiligen Ausschüssen, und ich denke, genau das ist ein Bereich – ich weiß schon, da ist jetzt unsere Macht enden wollend, aber trotzdem –, in dem es wichtig ist, das auch auf eu­ropäischer Ebene immer wieder anzusprechen.

Die Höchstversicherungssummen für Atomkraftwerke – man braucht nur in Wikipedia zu schauen; da steht ein bisschen mehr als in den Berichten der bisherigen Justizmi­nisterInnen – liegen in Spanien zum Beispiel bei 700 Millionen €, in Belgien, Lettland, Rumänien und Schweden bei 330 Millionen, in den Niederlanden bei 313 Millionen und in Tschechien bei 250 Millionen. Also im Vergleich zu dem, was man jetzt dann an Ver­sicherungssummen für ein einfaches Kfz berappt, ist das lächerlich. Und es gibt Be­rechnungen, zum Beispiel von Versicherungsforen Leipzig, wonach man ungefähr pro Kilowattstunde Atomstrom 3 € Versicherungsprämie zu zahlen hätte, wenn es korrekt berechnet würde.

Insofern denke ich mir – und man sieht heuer in Fukushima die Auswirkungen und wer dann letztendlich die Schäden getragen hat, nämlich nicht die Verursacher dieser Schäden –, dass es ganz wichtig ist, dass auch auf allen Ebenen von unserer Bundes­regierung dieses Thema immer wieder angesprochen wird, auch auf europäischer Ebe­ne, und man darauf hinweist, dass es für uns als eigentlich nur Leidtragende in so ei­nem Fall einfach wichtig ist, dass auch hier dafür gesorgt wird, dass realistische Versi­cherungssummen vorgeschrieben werden. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundes­räten von ÖVP und SPÖ.)

18.09


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


18.09.23

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde ja schon darauf hingewiesen, es geht hier um die Umsetzung der Richtlinie 2009/103 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversiche­rung. Diese Richtlinie sieht nämlich eine Anpassung der vorgeschriebenen Mindestde­ckungssumme für Personen- beziehungsweise Sachschäden an die Inflation vor, und das muss dann natürlich auch im nationalen Recht, im § 9 Kraftfahrzeug-Haftpflicht­versicherungsgesetz, umgesetzt werden, und zwar ab 1. Jänner 2012.

Seit jeher sind die für das österreichische Recht maßgeblichen Mindestsummen höher als die europarechtlich vorgeschriebenen. Diese Tradition wollen wir auch weiter im In­teresse der Geschädigten und der Versicherten aufrechterhalten. Ich glaube, dass das eine gute Tradition ist, weil sie wie gesagt den Geschädigten und den Versicherten zu­gutekommt.


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Herr Bundesrat Steinkogler hat bereits darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Maßnahme sozusagen opferfreundlich ist. Den Unfallopfern steht nämlich bei Groß­schäden ein höherer Deckungsfonds zur Verfügung. Außerdem ist es so, dass der größte Teil der Zulassungsbesitzer bereits jetzt freiwillig höhere Versicherungssummen gezeichnet hat. Hinzu kommt noch, dass die Erhöhung der Versicherungssummen um durchschnittlich 17 Prozent, wenn überhaupt, dann nur marginale Prämienerhöhungen verursachen wird.

Ich muss gestehen, das Thema Atomkraftwerke-Haftpflichtversicherung ist für mich ein neues. Damit habe ich mich bis jetzt noch nicht beschäftigt, aber ich schaue mir das gerne einmal näher an. Bisher hatte ich damit noch nichts zu tun, weil das kein Thema ist, das täglich auf dem Schreibtisch landet, aber ich schaue mir das gerne einmal nä­her an. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Vielen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Allgemeiner Beifall.)

18.11


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.11.3425. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz und die Exekutionsordnung ge­ändert werden (1522 d.B. und 1579 d.B. sowie 8648/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 25. Punkt der Tages­ordnung.

Ich verabschiede die Frau Bundesministerin in die Weihnachtsferien. Alles Gute, schö­ne Feiertage! (Allgemeiner Beifall. – Bundesministerin Dr. Karl: Danke schön! Auf Wie­dersehen!)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Bitte um den Bericht.

 


18.11.59

Berichterstatterin Martina Diesner-Wais: Der Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz und die Exekutionsord­nung geändert werden, liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 13. De­zember 2011 mit Stimmeneinheit (Bundesrätin Michalke: Stimmenmehrheit!) den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


18.12.42

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ohne Minister ... Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Regierungsvorlage und


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den darin enthaltenen Änderungen wurde dem Gesetz lediglich die ärgste Spitze ge­nommen. Das hat auch die Arbeiterkammer so kommentiert und sich ebenfalls für mehr Verbesserungen ausgesprochen.

Ich habe bereits vor über einem Jahr die Problematik und vor allem die Undurchsich­tigkeit der fünf Varianten des Kinderbetreuungsgeldes angesprochen. Nicht nur für die Betroffenen ist es ein wahrer Dschungel, sondern auch die Beamten können in Spe­zialfällen nur wenig weiterhelfen.

Besonders schwierig ist die Sache für Menschen, die in Österreich leben, aber im Aus­land arbeiten, also sozusagen für die GrenzgängerInnen. Bei ihnen ist zu prüfen, unter welche Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit sie fallen, und welcher Mitgliedstaat für die Familienleistungen zuständig ist. Anspruch auf einkommensabhängiges Kinder­betreuungsgeld hat demnach nur, wer vor der Geburt des Kindes einer sechsmonati­gen Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen ist. All jene, die in das Sozialversi­cherungssystem eines anderen Staates eingezahlt haben, haben keinen Anspruch. Diese Tatsache wird aber den werdenden Müttern viel zu wenig oder gar nicht kommu­niziert.

In einem konkreten Fall hat eine Vorarlbergerin mit Arbeitsplatz in Liechtenstein in die Gebietskrankenkasse einbezahlt, und diese Gebietskrankenkasse war mit ihrem Pro­blem dann völlig überfordert. Sie wurde an das Bundesministerium verwiesen. Die feh­lenden Informationen machten sie dann schließlich zum Opfer des Systems.

Nach der ursprünglichen Verwirrung bei der Krankenkasse und nachdem sie das ein­kommensabhängige Kinderbetreuungsgeld beantragt hatte, wurde ihr mitgeteilt, dass es ihr nicht zustehe, dass sie es nicht bekomme und sie nun die Möglichkeit habe um­zusteigen, allerdings mit klaren Einschränkungen. Das Angebot zum Umstieg be­schränkte sich dann nur auf die Variante 12 plus 2. Ein Umstieg auf eine längere Pau­schalvariante war leider nicht möglich. Hierbei handelt es sich nicht um das Ver­schulden der Betroffenen, die das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bean­tragt hat. Meiner Meinung nach müssten ihr daher alle anderen möglichen Varianten ebenfalls angeboten werden.

Dieses System bietet auch in der vorliegenden Fassung keine echte Wahlfreiheit für die Eltern. Es ist weiterhin kein Wechseln in eine andere Variante möglich, wenn man bereits eine Variante der fünf möglichen bezieht. Alleinerzieher können nicht die ganze Dauer ausschöpfen. Es müssen zwei Partner in Karenz gehen, um den ganzen An­spruch zu bekommen. Dieses System mit den fünf Varianten ist sehr unübersichtlich. Vor allem die Langzeitvariante, die am meisten genützt wird, sollte verbessert werden.

Wir sind auch der Meinung, dass die Zuverdienstgrenze im Sinne einer echten Wahl­freiheit abgeschafft werden soll. Wahlfreiheit bedeutet für uns, dass durch eine einkom­mensunabhängige Familienleistung den Eltern die Möglichkeit der Wahl zwischen Ei­gen- und Fremdbetreuung gegeben wird. Ebenso sollte die Familienbeihilfe künftig mo­natlich und nicht so wie derzeit alle zwei Monate ausbezahlt werden. Wir stimmen die­ser Regierungsvorlage so nicht zu. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

18.16


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich begrüße Herrn Minister Dr. Mitterlehner ganz herzlich bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall. – Bundesminister Dr. Mitter­lehner: Entschuldigen Sie die Verspätung!)

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Greiderer zu Wort. – Bitte.

 


18.17.11

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister Mitterlehner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser


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Gesetzesnovelle wird die Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbe­treuungsgeld und der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld von 5 800 € auf 6 100 € erhöht, um unselbständig erwerbstätigen Eltern neben dem Bezug des Kinder­betreuungsgeldes weiterhin eine geringfügige Beschäftigung zu ermöglichen.

Auch was die Selbständigen betrifft, bringt die Gesetzesnovelle eine Erleichterung, und zwar hinsichtlich der Aufrechterhaltung ihrer Tätigkeit beziehungsweise ihres Betriebes während des Bezuges dieses Kinderbetreuungsgeldes durch die Einführung eines pau­schalen Zuschlages von 30 Prozent statt der bisher vorgeschriebenen Sozialversiche­rungsbeiträge.

Ich möchte noch kurz in Erinnerung rufen, dass es, wie Kollegin Michalke schon gesagt hat, fünf Varianten der Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld gibt. Eine davon ist eben dieses einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld, die sogenannte Varian­te 12 plus 2 Monate. Das einkommensabhängige Kindergeld hat die primäre Funktion, jenen Eltern, die sich eben nur für kurze Zeit aus dem Berufsleben zurückziehen wollen und über ein höheres Einkommen verfügen, die Möglichkeit zu geben, in dieser Zeit einen Einkommensersatz zu erhalten. Diese Möglichkeit wurde 2009 eingeführt. Er­freulich finde ich, dass ein Drittel der Väter sich dafür entschieden hat und diese Va­riante somit zu einem wichtigen Instrument der partnerschaftlichen Aufteilung der Kin­derbetreuung geworden ist.

Es heißt immer wieder – und meine Vorrednerin Kollegin Michalke hat das auch ge­sagt –, dass die Angebote sehr vielfältig sind und es ein Dschungel von Angeboten ist. – Ich gebe zu, es ist sehr viel. Aber ich will daran erinnern, dass auch die Lebens­modelle der Menschen, der Familien sehr vielfältig sind. Und: Jedem recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Weil es diese Regelung noch nicht so lange gibt, müs­sen wir uns das genau anschauen – jedes Jahr kommen andere neue Fälle dazu – und entsprechend nachjustieren.

Ich finde es natürlich sehr bedauerlich, und jeder einzelne Fall, in dem es durch falsche Auskunft zu einem Nachteil kommt, ist sicher ein Fall zu viel. Das ist richtig. Ich denke aber, dass wir da alle gefordert sind. Die beratenden Stellen sollten vielleicht mehr ge­schult werden. Auch wir Mandatarinnen und Mandatare sind gefordert, die Leute zu Stellen zu vermitteln, wo es Informationen gibt.

Ich muss natürlich auch ein bisschen auf die Hol- und Bringschuld verweisen: Die Infor­mationsmaterialien für Schwangere, das Internetangebot, die Links auf der Homepage sind sicher sehr umfangreich. Natürlich müssen wir schauen, dass Beratungsfehler vermieden werden. Aber ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg, und ich freue mich, dass diese Gesetzesvorlage breite Zustimmung findet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.21


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


18.21.20

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon gesagt, darum werde ich es ganz kurz machen.

Wir werden dieser Novelle unsere Zustimmung nicht geben, weil mit ihr Verschär­fungen eingeführt werden. Als Beispiel möchte ich anführen, dass Eltern, die innerhalb der letzten sechs Monate arbeitslos waren, die Möglichkeit, das einkommensabhängi­ge Kinderbetreuungsgeld zu beziehen, genommen wird. Sie können zwar auf die Va­riante 12 plus 2 umsteigen, aber das kann de facto zu bis zu 50 Prozent Verlust führen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 160

Das ist eigentlich nicht einzusehen und wird in manchen Stellungnahmen auch als EU-rechtswidrig qualifiziert. Übrigens hat auch die Volksanwaltschaft diesbezüglich eine sehr kritische Stellungnahme abgegeben. Auch wir werden unter anderem aus diesem Grund dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.22


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


18.22.32

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Es ist sehr schade, dass die Grünen dieser tollen Variante nicht zustimmen werden, denn ich glaube, dass mit dieser No­velle zwei Erfolge zu verbuchen sind. Der erste Erfolg ist die Väterbeteiligung. Sie ist immerhin um 17 Prozent gestiegen. Der zweite Erfolg ist, dass mit diesem Kinderbe­treuungsgeld, das 2009 eingeführt wurde, die partnerschaftliche Aufteilung der Kinder­betreuung wesentlich besser funktioniert.

Vorher gerade haben wir eine Belehrung darüber bekommen – der Kollege ist leider nicht da –, wie wichtig doch die Frauensicht bei den Grünen ist und dass sich doch mehr Männer melden sollten. Und bei so einer wesentlichen Veränderung stimmen die Grünen jetzt nicht mit. Das tut mir schon sehr leid. Meine Fraktion wird natürlich gerne mitstimmen.

Kollegin Greiderer hat vorher schon die vielen Varianten, die es gibt, erwähnt, daher will ich das nicht mehr ausführen. Wenn es wenig Varianten gibt, hören wir von den Freiheitlichen, dass alles zu wenig ist und viel zu wenig auf die Menschen eingegangen wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir in dem Fall nie gesagt!) In diesem Fall gibt es viele Varianten, die Menschen können sich etwas aussuchen – und das ist auch wieder nicht recht. Ich glaube aber, dass diese vielen Varianten wirklich auf die Be­dürfnisse abgestimmt sind. Wenn es so ist, dass es wirklich einen Beratungsmangel gibt, müssen wir diesen Beratungsmangel zu beheben versuchen. Auch das hat die Kol­legin schon gesagt.

Für mich ist es wichtig, dass wir diese zwei Erfolge verbuchen können. In Österreich sind wir Nummer eins, was Geldleistungen zur Förderung von Familien betrifft, für mich ist es aber auch ganz wichtig, dass wir weiterhin in Sachleistungen investieren, denn eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist schließlich und endlich das, was den Familien wirklich nützt und weiterhilft. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg. Ich möchte auch ein herzliches Dankeschön dafür sagen, und meine Fraktion wird gerne mitstimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.24


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mit­terlehner. – Bitte.

 


18.24.37

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg darf ich mich noch einmal entschuldigen, dass ich zu spät gekommen bin; ich war an sich da, aber der Kollege des Herrn, der hier filmt, hat mich kurz aufgehalten. (Zwischenruf der Bundes­rätin Michalke.)

Ich muss Ihnen sagen, dass das vorliegende Gesetz eine Optimierung innerhalb eines bestehenden Systems ist, das ist auch von mehreren von Ihnen angesprochen worden. Es ist natürlich klar, dass weitere Detailregelungen und Detailwünsche innerhalb eines komplizierten Systems immer zu noch mehr Kompliziertheit führen. Wir haben also kei-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 161

nen Beratungsmangel, sondern ein System, das nicht einfach ist. Warum das System nicht einfach ist, hängt nicht damit zusammen, dass Unfähigkeit oder sonstige Proble­me da waren, sondern damit, dass man versucht hat, die Unterschiedlichkeit der Be­völkerungsgruppen in diesem System abzubilden. Das heißt, man hat die Regelungen nach dem Zuflussprinzip gemacht. Vor allem gab es das Problem, die Selbständigen auch richtig mit den Unselbständigen vergleichen zu können. Das führt natürlich zu Un­genauigkeiten. Wenn ich dann auch bei Unselbständigkeit für die genaue Berechnung den Steuerakt haben und das Vorjahr bewerten muss, dann kann ich, wenn es um die Zuverdienstgrenze geht, keine detaillierte Auskunft geben. Das hängt mit den Bera­tungsinstrumenten nicht wirklich zusammen.

Wir haben mit den Grünen und auch anderen im Ausschuss sehr intensiv diskutiert, und wir wollen uns auch unter Einbeziehung der Interessenvertretungen darum bemü­hen, eine Systemvereinfachung zu ermöglichen. Wir sind selbst daran interessiert, das wäre wichtig. Wir haben jetzt fünf Varianten. Die fünf Varianten werden eigentlich toll angenommen. Aber wenn jetzt jemand sagt: Für mich wäre es noch optimaler, wenn ich zwischen der Variante eins und drei wählen könnte, wenn ich springen könnte, wenn ich eine Art Beobachtungsphase machen könnte, um zu sehen, was für mich wirklich am günstigsten ist, dann kommen wir genau dorthin, dass wir das natürlich überhaupt nicht mehr kontrollieren oder beobachten können. Sagen wir aber auf der anderen Seite – wir haben das ja auf der Tagesordnung gehabt –: Na, dann mache ich gar keine Zuverdienstgrenze!, kommen wir genau zu dem Problem, dass keine part­nerschaftliche Abwicklung mehr stattfindet, sondern dass das Geld einfach zum Mit­nahmeeffekt wird und sonst nichts geschieht. Das sind also die Eventualitäten rundhe­rum. Wir werden uns aber bemühen, das System zu vereinfachen.

An sich ist das heutige Gesetz eine Verbesserung. Was die Zuverdienstgrenze an­langt, wird das entsprechend nach oben entwickelt und damit klargestellt, dass das auch der geringfügigen Beschäftigung und den entsprechenden Grenzen entspricht. Wir haben eine Klarstellung, die leider notwendig war, was Pfändung anlangt. Die Pau­schalvariante ist nicht pfändungsfähig, die Einkommensersatzvariante ist pfändungs­fähig. Wir haben bei der Zuverdienstgrenze eine Verbesserung erreicht und die Mög­lichkeiten durch die 24-Tage-Regelung verbessert. Es gibt auch noch ein paar andere Korrekturen.

Bei der gerade angesprochenen Problematik, was das Arbeitslosengeld anbelangt, geht das genau in die gleiche Richtung. Im Endeffekt wollen wir mit dem Kinderbetreu­ungsgeld keine Optimierungsvariante machen, wie ich das jetzt am besten für mich gestalte, sondern es ist ein Einkommensersatz. Wenn jemand gerade in der bedauerli­chen Situation ist, dass er arbeitslos ist, kann er nicht irgendwo in der Vergangenheit die für ihn beste Situation ausfindig machen und sagen: Das ziehen wir jetzt als Grund­lage heran. Im Übrigen ist die Angelegenheit nicht EU-rechtswidrig, und wir haben das genau geprüft und auch die Stellungnahmen abgeklärt. Das dürfte ein Irrtum sein.

Alles zusammenfassend glaube ich, dass das heute eindeutig eine Verbesserung ist. Wir müssen aber auch an der Weiterentwicklung des Systems arbeiten. Die Vorteile, insbesondere der Pauschalvariante und der Einkommensvariante, die in Richtung stär­kerer Väterbeteiligung gehen, sind von mehreren Vorrednern angesprochen worden. Das kann ich nur unterstreichen. Dadurch ist – wie auch intendiert – eine bessere part­nerschaftliche Wahrnehmung der Familienagenden möglich geworden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.28


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 162

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.29.16 26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2011 (1726/A und 1570 d.B. sowie 8649/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte um den Bericht.

 


18.29.29

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


18.30.12

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dieser Novelle zum Wirt­schaftskammergesetz 1998, die letzte Woche den Nationalrat passiert hat, werden die Ungerechtigkeiten beim Wahlrechtsmodus repariert, die bei der letzten Wirtschafts­kammerwahl im Jahr 2010 zu – diplomatisch ausgedrückt – großen Unrechtmäßigkei­ten bei der Wahlkartenauszählung geführt haben. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung (Zwischenruf bei der ÖVP), sollte die Wirtschaftskammer wieder den An­spruch erheben wollen, von den Unternehmerinnen und Unternehmern, und das sind immerhin über 300 000 in Österreich, ernst genommen zu werden.

Gerade in Wien war die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl mit 25 Prozent relativ niedrig. Es besteht also durchaus Grund genug, dass die Interessenvertretung für die Unternehmerinnen und Unternehmer auf die Bedürfnisse der Wirtschaftstreibenden und vor allem auf die der kleinen und mittleren Unternehmen und der EPUs, der Ein-Personen-Unternehmen, eingeht. Das beinhaltet auch Paragraph 1: die „Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder“, den sich die Wirtschaftskammer selbst ge­setzt hat. Interessanterweise geht es in den übrigen 150 Paragraphen fast nur um Or­ganisationsstruktur, um Wahlordnung. – Und darum geht es: Die Wirtschaftskammer muss sich wieder um die Bedürfnisse, um die Sorgen, Nöte, Ängste und Wünsche der Unternehmerinnen und Unternehmer kümmern. (Beifall bei der FPÖ.)

Was benötigen wir? – Wir benötigen eine Senkung der Lohnnebenkosten und Lohnab­gaben. In diesem Zusammenhang darf ich auch dem, was Herr Sozialminister Hunds­torfer heute Vormittag gesagt hat, widersprechen und sagen, dass diese hohen lohnab­hängigen Abgaben in Österreich, die in Europa einen Spitzenwert darstellen, sehr wohl


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 163

ein Grund dafür sind, dass sich – wie das die Industriellenvereinigung in einer Umfrage verifiziert hat und wie das auch im Mittelstandsbericht festgehalten worden ist – 80 Pro­zent der EPUs keine Mitarbeiter leisten können. Sie können sich deswegen keine Mitarbeiter leisten, weil die lohnabhängigen Abgaben viel zu hoch sind. Diese Abgaben gehören dringend gesenkt. – Das fordern wir, die Freiheitliche Wirtschaft! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt: keine Besteuerung des nicht entnommenen Gewinns. – Das ist deswegen besonders wichtig, weil die österreichischen Betriebe an mangelndem Ei­genkapital leiden. Mangelndes Eigenkapital führt zu Abhängigkeit von den Banken. Die Banken haben selbst genug Probleme, wir Unternehmer haben keine Lust, aufgrund der systemrelevanten Probleme der Banken mitgerissen zu werden, weil sie uns Unter­nehmern keine Kredite zur Verfügung stellen können.

Daher gilt: Stärkung des Eigenkapitals. Wenn ein Betrieb es schafft, trotz der Staats­wirtschaftskrise, in der wir uns heute befinden, einen Gewinn zu erzielen, so muss der Unternehmer das Recht haben, diesen Gewinn auch zu behalten und nicht der Staats­wirtschaft in den Rachen zu schieben. Dort wird er ohnehin nur verschwendet.

Der dritte Punkt: Investitionsfreibeträge sollen wesentlich erhöht werden, denn gerade in der heutigen Zeit erreicht man eine Wirtschaftsankurbelung und damit eine Erhö­hung der Wirtschaftsleistung nur dann, wenn Investitionen getätigt werden. (Bundesrat Stadler: Ihr seid ja gegen Investitionen!) Daher fordern wir, die Freiheitliche Wirtschaft, erhöhte Investitionsfreibeträge. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Regierungen in Osteuropa – von der Schweiz will ich gar nicht mehr reden, dieses Beispiel habe ich schon oft genannt –, die Regierungen in Osteuropa wie Estland, Lett­land und auch Polen kennen das Wort „Krise“ heutzutage gar nicht, denn es geht ihnen wunderbar. Sie haben gezeigt, dass man mit weniger Besteuerung und mit einer Ent­lastung eine wesentlich höhere Wirtschaftsleistung erzielen kann. Und eine solche wer­den Sie brauchen, um Ihre Prozentsätze in Bezug auf diese Neuverschuldung über­haupt in die richtige Richtung zu rücken. Schaffen werden Sie das aber nie!

Interessant ist auch der Doing-Business-Report 2012 von der Weltbank, der soeben publiziert worden ist, in dem Österreich bei „Paying Taxes“, also bei den Steueraufwen­dungen, Rang 82 von 183 Nationen und bei „Starting a business“, also bei Unterneh­mensgründungen, nur Rang 134 von 183 Nationen einnimmt. – Diese beiden Dinge ge­hören unbedingt geändert, gehören unbedingt verbessert.

Ein Vergleich ist auch noch interessant: Für Steueraufzeichnungen benötigt ein Unter­nehmen in Österreich zirka viereinhalb Wochen im Jahr, in der Schweiz nur eineinhalb Wochen.

Das alles sind genug Gründe dafür, dass wir dafür sorgen, dass sich die Wirtschafts­kammer für die Interessen der Unternehmer/Unternehmerinnen einsetzt und nicht die verlängerte Werkbank der Regierung ist. Die Serviceeinrichtungen der Kammer – das muss ich sagen – sind gut, sind exzellent, könnten nicht besser sein, aber die Kammer sollte, wie sie selbst in Paragraph 1 schreibt, die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglie­der nach außen vertreten, und das tut sie nicht. Daran wird sich auch mit diesem Ge­setz nichts ändern, weshalb wir es ablehnen müssen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.35


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Präsidentin Zwazl. – Bitte.

 


18.35.22

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Reinhard Pisec, ich schätze dich an und für sich sehr als


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Unternehmer, und bis jetzt habe ich dich auch immer für jemanden gehalten, der sich sehr gut informiert, ebenso für jemanden, der recht hat damit, was er sagt. Aber heute muss ich dir leider widersprechen. Ich bin Präsidentin der Wirtschaftskammerorganisa­tion geworden nicht, weil ich gesagt habe, ich will Präsidentin werden, sondern weil ich als Vertreterin eines kleinen Unternehmens in der Wirtschaftskammerorganisation eine Möglichkeit gesehen habe, meine Anliegen, Probleme einzubringen und auch umzu­setzen. Das hat mich motiviert, und deshalb bin ich dabei.

Es gibt die Junge Wirtschaft, Frau in der Wirtschaft, wir haben sehr viele Möglichkeiten. Ich frage mich nur: Wo seid ihr denn eigentlich immer? Wenn wir Initiativen setzen, wenn wir einladen zu einem Gespräch, wenn ein Problem angesprochen wird, wer von euch beteiligt sich dann?

Ich kann jetzt nicht sagen, wie das in Wien ist, aber ich kenne die Wahlbeteiligung bei mir in Niederösterreich, die nicht schlecht ist. Wir haben mit 60 Prozent eine sehr gute Wahlbeteiligung, und wenn wir die 550 Wahlkarten, die uns die Post irgendwie – ich sage jetzt dieses Wort; es ist sehr hart, aber für mich ist das so – unterschlagen hat, am Abend waren sie nämlich noch nicht da und um 7 Uhr in der Früh sind sie dann auf einmal vorgelegen, hätten berücksichtigen können, dann hätten wir wirklich ein sensa­tionelles Wahlergebnis gehabt.

Kollege Pisec, du hast auch gemeint, es gibt keine Unterstützung bei den Ein-Perso­nen-Unternehmern. – Du musst dir einmal anschauen, was sich die Ein-Personen-Un­ternehmer wünschen! Nicht jeder Ein-Personen-Unternehmer möchte mehr Mitarbeiter haben. Die Wirtschaftskammerorganisation gewährt aber auch Unterstützung. Du müss­test doch wissen, dass jeder erste Mitarbeiter mit 6 000 € im Jahr unterstützt, gespon­sert wird. Ist das nichts, bitte schön? (Bundesrat Mag. Pisec: Zu wenig!) – Ach, zu we­nig! Na sollen wir ihn zur Gänze bezahlen? (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Also so kann es auch nicht sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundes­rat Mag. Pisec: Mehr netto für brutto!)

Ich sprinte jetzt ganz einfach, damit wir dann wirklich zum Thema kommen. Also: Wer hat das gemacht? – Das war nicht deine Fraktion, sondern das war schon der Wirt­schaftsbund. Also bitte schön, bringt euch ein, dann könnt ihr dieses Thema auch wirk­lich ansprechen! Macht nicht immer alles madig! Man muss das, was man hat, anspre­chen und auch sagen: Super, das haben wir, das haben wir erreicht!

Ein Unternehmen zu führen heißt ganz einfach, dass man Vertrauen haben muss, dass man Kraft haben muss, anderenfalls wird man scheitern. Ich denke da nur an das schwierige Jahr 2008: Damals ist die Wirtschaftskammerorganisation bereitgestanden und hat die Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützt. Und vor allem die Klein- und Mittelbetriebe sind jetzt gut unterwegs, und die Wirtschaftskammer wird, ganz egal, welche Zeiten kommen, immer beistehen.

Was du in Bezug auf das Eigenkapital gesagt hast, das stimmt gar nicht. Ich werde dir die Unterlagen von der KMU Forschung Austria geben, die belegen, dass in den letz­ten zwei Jahren die Eigenkapitalquote um 7 Prozent erhöht worden ist. Ich habe sogar nachgefragt, weil ich mir gedacht habe, 7 Prozent sind nicht wenig. Du bekommst beim nächsten Mal die Unterlagen von mir, oder besser, ich schicke sie dir, weil ich jetzt vor Weihnachten keine Zeit mehr habe, ich muss noch etwas arbeiten im Geschäft. Also, ich schicke dir die Unterlagen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen! Mir ist das schon wichtig, hier als Vertreterin der Organisa­tion zu sagen, wie wir eigentlich funktionieren. Ich würde wirklich nicht meine Zeit in ei­ne Institution investieren, wenn ich wüsste, wir können nichts bewegen. Aber gerade die Wirtschaftskammer ist eine Institution, die konsequent alle Erfahrungen überprüft. Nach jeder Wahl wird ganz genau g’schaut, weil wir es unseren Mitgliedern schuldig


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sind und weil wir auch die Verpflichtung haben, unternehmerisch zu denken. Das heißt, wir evaluieren und wir reagieren.

Wir haben uns die angesprochene Wirtschaftskammerwahl 2010 angesehen. Eines muss man sagen: Unsere Kammerwahlen sind sehr komplex, aber sie sind ungemein demokratisch. Warum? – Weil der Tischler/die Tischlerin zum Beispiel ihre Vertreter in der Tischlerinnung wählt. Ganz egal, welche Branche, Modehändlerin/Modehändler, je­der wählt ganz einfach seine Vertreterin/seinen Vertreter im Handelsgremium. Die meisten Branchen stellen in den verschiedenen wahlwerbenden Gruppen ganz einfach Kandidaten auf. Man muss aber auch Kandidaten haben, die das Vertrauen der Mit­glieder haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber ganz so, wie du das jetzt sagst, !) – Du bist nicht in der Wirtschaftskammer, aber ich bin sehr gerne bereit, mit dir einmal ein Privatissimum über die Wirtschaftskammerorganisation zu führen. (Bundesrätin Mühl­werth: Gerne!)

Ich lasse mir meine Wirtschaftskammer nicht madig machen. Wir sind eine demokra­tische Institution. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir wissen, das höchste Gut unserer Mitglieder ist Zeit, und deshalb versuchen wir auch immer wieder, mit modernen Methoden den Wahlvorgang so zu gestalten, dass der Zeitaufwand unserer Mitglieder möglichst gering ist. So haben wir bei den letzten Wahlen verstärkt auf Wahlkarten gesetzt. Im Jahr 2005 haben nicht ganz 19 Prozent die Möglichkeit der Wahlkarte genutzt, im Jahr 2010 waren es knapp über 50 Prozent. Das heißt, die Mitglieder können ihre Stimme durch die Rücksendung einer verschlos­senen Wahlkarte an die jeweilige Hauptwahlkommission abgeben.

Der rechtliche Rahmen der Wirtschaftskammer-Wahlordnung orientiert sich ganz ein­fach an der Nationalrats-Wahlordnung. Um sicherzustellen, dass keine Missbräuche mög­lich sind, wird jetzt im Sinne der jüngsten Novelle zur Nationalrats-Wahlordnung eine weitere Maßnahme bei der Wirtschaftskammerwahl eingeführt, und zwar muss der Wäh­ler/die Wählerin durch seine/ihre Unterschrift bestätigen, dass er/sie den Amtlichen Stimm­zettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat.

Da bei unseren Wirtschaftskammermitgliedern eine extrem hohe Quote in Bezug auf die Internetnutzung festzustellen ist, ist auch der Vorschlag der Internetkundmachung aufgenommen worden. Das heißt, die Verlautbarung von Wahlangelegenheiten, vor al­lem von Terminen und Kandidaten, ist dann fristgerecht, wenn sie an der jeweiligen Geschäftsstelle der Hauptwahlkommission kundgemacht ist und wenn sie im Internet unter „wko.at“ kundgemacht wird. Die Freischaltung der Verlautbarung im Internet wird also in Zukunft ausschlaggebend sein. Nichtsdestotrotz werden wir natürlich selbstver­ständlich auch in Zukunft die Inhalte in den jeweiligen Kammerzeitungen veröffentlichen.

Darüber hinaus werden in dieser Novelle Verbesserungen für den Wahlablauf getrof­fen, der im Wesentlichen unstrittig war.

Völlig unverständlich ist es für mich, dass sich im Nationalrat die FPÖ gegen diese No­velle ausgesprochen hat, denn auf den Ebenen der Wirtschaftskammer ist eine Eini­gung mit den Vertretern des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender getroffen wor­den. Das sind eben jene, die in der Kammer eingebunden sind und wissen, worum es geht. Deshalb haben sie auch zugestimmt. Dass die Vertreter der Grünen nicht mitge­stimmt haben, verstehe ich bis heute nicht, aber das ist so.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Novelle ist ein weiterer Verbes­serungsschritt, und ich ersuche daher um Zustimmung. Vielleicht können sich auch die Vertreter der FPÖ einmal dazu durchringen. Aber wenn das nicht der Fall ist, dann bin ich sehr gerne bereit, nach Weihnachten Nachhilfeunterricht zu geben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.43



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 166

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


18.43.25

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Zwazl, ich bin froh, dass ich nach Ihnen reden kann, somit kann ich vielleicht Ihre Frage, warum wir nicht zustimmen, beantworten.

Was wir wollen, ist ein faires und transparentes Wahlrecht, das natürlich auch weniger missbrauchsanfällig ist. Was dieses Gesetz betrifft, so gibt es unserer Meinung nach noch viel Arbeit, denn – und Sie haben diesen Wahlmodus kurz erwähnt – bei der Briefwahl ist es nach wie vor so, dass Sie den Empfehlungen der Verfassungsjuristen nicht nachgekommen sind, dass die postalische Zustellung an die Hauptwahlkommis­sion erfolgen muss. Das ist nicht festgeschrieben, und das halten wir eben für ein schwe­res Manko, genauso wie das die Verfassungsjuristen tun.

Aber es gibt aus unserer Sicht noch eine weitere Großbaustelle, die ich in aller Kürze anführen möchte. Es ist ein unglaublicher bürokratischer Aufwand insbesondere für eine ganz kleine Gruppierung, wenn man, um überhaupt kandidieren zu können, einen Haufen Unterstützungserklärungen zusammentragen muss. Bei 78 Fachgruppen muss man schon einige Hundert Unterschriften sammeln, um überhaupt kandidieren zu kön­nen. Dass das für so eine kleine Fraktion wie die Grünen schwierig ist, liegt, glaube ich, auf der Hand. Daher können wir auch nicht zustimmen. – Das nur als zweiten Punkt.

Zur Forderung nach der Direktwahl der Wirtschaftsparlamente, wonach es von den Ur­wahlmandaten aus den Fachgruppen keine Hochrechnungen mehr geben soll, möchte ich sagen, das ist längst überfällig, denn dabei handelt es sich um ein Relikt aus ver­gangenen Zeiten, und das hätte man ändern können.

Ein weiterer Punkt ist die gesetzliche Regelung der Wählergruppenförderung. Es braucht eine transparente, faire Regelung. Jedes Bundesland verhandelt, wie es ihm gerade passt. – Es braucht aus unserer Sicht einen anständigen Sockel für jede Fraktion und dann eine entsprechend prozentuelle Aufteilung. Das wäre aus unserer Sicht notwendig.

Zum Abschluss möchte ich noch sagen, es braucht aus unserer Sicht auch das volle passive Wahlrecht für alle Mitglieder, auch für jene mit nichtösterreichischer Staatsbür­gerschaft. Die Regelungen, die jetzt vorhanden sind, sind einer demokratischen Zu­gangsbestimmung nicht würdig. Sie wissen, dass auch sehr viele MigrantInnen selb­ständig tätig sind und gerne Kammermitglied sind und an den Wahlen teilnehmen oder auch gewählt werden würden, aber das ist leider nicht möglich. Wenn man das einem doch großen Teil der Bevölkerung vorenthält, ist das aus unserer Sicht schon bedenk­lich. Auch aus diesem Grund werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

18.46


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Kraml. – Bitte.

 


18.46.58

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit mehr als 20 Jahren Mitglied der Wirtschaftskammer, und ich sage ganz offen, ich brauche mich nicht zu beklagen. Es ist so wie in jeder anderen Kammer: Man kann nicht immer und jedem helfen. Das ist einfach so. Ich glaube aber, dass die Wirtschaftskammer das sehr gut macht.

Kollege Pisec hat vorhin eine Wahlrede gehalten, hat aufgezählt, was er alles möchte von der Kammer. Das sei ihm unbenommen.


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Diese Novellierung bringt eine Verbesserung des Wahlvorganges. Dass Kammerwah­len natürlich immer schwierig sind, das wissen wir alle. Das ist nicht nur bei der Wirt­schaftskammer so, sondern auch bei den anderen Kammern. Dass es dann da und dort Nachbesserungen geben muss, ist auch klar.

Die Briefwahl ist geregelt worden.

Mehr brauche ich dazu auch nicht zu sagen, Frau Präsidentin Zwazl hat ja alles ge­sagt, was es über die Wirtschaftskammer zu sagen gibt. Das macht es mir leichter. Wir werden dieser Vorlage unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

18.48


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mitterer. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Herr Kommerzialrat!)

 


18.48.13

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): „Kommerzialrat“ ist eine Alterserscheinung, aber ich bekenne mich auch zu meinem Alter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin kein Gegner der Wirtschaftskammer, ich war selbst viele Jahre lang ein Teil die­ser Wirtschaftskammer, ich war auch einige Jahre Vizepräsident in Kärnten. Dass der RFW den Verhandlungen zugestimmt hat, das mag schon stimmen (Bundesrätin Zwazl: Das stimmt!), aber es wurden dann von den Abgeordneten zum Nationalrat doch noch einige Dinge hineinreklamiert, die natürlich nicht angenommen worden sind.

Es geht um die Briefwahl, um das Ausländerwahlrecht, um das ruhende Gewerbe, um das Unterstützungserklärungen-Sammeln, wie Herr Kollege Dönmez schon richtiger­weise gesagt hat. Das sind Systeme, die so aufgebaut sind, dass eine Mehrheitsfrak­tion  (Bundesrätin Zwazl: Wer soll die denn wählen, wenn sie keine Unterstützung haben?) – Keine Frage, aber dieses System bevorteilt jene Wählergruppe, die am stärksten vertreten ist, und das ist nun einmal der Wirtschaftsbund in neun von neun Bundesländern. Deshalb sollte man es den anderen, den Kleineren etwas leichter ma­chen, Frau Kollegin Zwazl.

Die Wirtschaftskammer ist teilweise auch gleichzusetzen mit dem Wirtschaftsbund. Das wird auch nach außen hin so signalisiert mit dem Signet und allem anderen. Es ist auch so, dass speziell vor Wahlen und bei Wahlen die Mitarbeiter der Wirtschaftskam­mer gleichzeitig auch als Wahlhelfer des Wirtschaftsbundes fungieren. Und diese Mög­lichkeit hat keine andere wahlwerbende Gruppe. (Bundesrätin Zwazl – ein Schreiben mit dem Logo der Wirtschaftskammer in die Höhe haltend –: Das ist ja gar nicht wahr! Das Logo der Wirtschaftskammer schaut so aus!)

Ich sage Ihnen auch noch, dass auch nach einer erfolgten Wahl, die übrigens auch wiederum die großen Bewerber bevorteilt, das System dort nicht griffig und gut und auch nicht überall demokratisch ist.

Da Sie gesagt haben, in Ihrer Kammer herrscht Demokratie und Demokratieverständ­nis: Das mag in Niederösterreich so sein – ich bin in Kärnten zu Hause, und in Kärnten gibt es natürlich auch eine absolute Mehrheit des Wirtschaftsbundes, und das war schon immer so, auch als er nur 45 Prozent hatte. Aufgrund des Systems hatte er dann trotzdem eine überwiegende absolute Mehrheit im Wirtschaftsparlament. Jetzt ... (Bun­desrätin Zwazl: Hallo, hallo! Das geht nicht!) – Sie können sich dann noch einmal zu Wort melden, Frau Kollegin.

Aber nun zum Demokratieverständnis eines Herrn Präsidenten Pacher in Kärnten, der mit absoluter Mehrheit dann natürlich auch seine beiden Vizepräsidenten hat und – und ich glaube, das ist das Problem – willkürliche Kooptierungen vornimmt. Er hat nämlich


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noch einen Vizepräsidenten kooptiert, aber nicht den von der zweitstärksten wahlwer­benden Gruppe, dem RFW, der mit 21 Prozent in Kärnten vertreten ist, sondern vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband, der mit 11 Prozent in der Kärntner Wirt­schaftskammer vertreten ist. (Ah-Rufe bei der FPÖ. – Bundesrat Gruber: Das ist min­derheitenfreundlich!)

Die stellen einen Vizepräsidenten, der RFW stellt keinen – das ist das Demokratiever­ständnis eines Präsidenten Pacher, der sich auch kräftig in die Tagespolitik einmischt, seinem eigenen Landesrat, dem ÖVP-Landesrat, mehr oder weniger in den Rücken fällt, die Abschaffung von BHs fordert und von 132 Gemeinden auf 36 herunter will. Das ist Präsident Pacher und das ist sein Demokratieverständnis.

Ich glaube, bei einer Wahlbeteiligung von unter 40 Prozent – und so hoch ist sie in Kärnten – gehört eher der Präsident abgeschafft. (Beifall bei der FPÖ.)

18.52


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mit­terlehner. – Bitte.

 


18.52.11

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, dass ich jetzt nicht auf Kärntner Spezifika und Befindlichkeiten eingehen möchte. Ich möchte auch nicht eingehen darauf, was Herr Kollege Pisec angesprochen hat. In Wirklichkeit könnte man hier jetzt natürlich die eine oder andere Auseinandersetzung über das System führen und auch über Rankings.

Ich möchte nur ein Beispiel aufgreifen: Der Hintergrund, warum wir betreffend Betriebs­gründungen in den Rankings so eine schlechte Bewertung haben, ist, dass die GesmbH-Situation und die Kosten bei uns negativ angesprochen werden, und da sind wir dran, das zu beheben, was allerdings auch mit Kosten verbunden ist. Wir hoffen, dass wir das beim nächsten Ranking so klargestellt haben, dass uns das nach vorne bringt. – Das ist aber eine andere Geschichte.

Ich möchte das sehr kurz machen, was das Wahlrecht anbelangt: Wir können aus Sicht einer Aufsichtsbehörde feststellen, dass das, was hier gemeinsam mit uns und den Fraktionen entwickelt worden ist – bis auf die grüne Fraktion haben ja in der Wirt­schaftskammer alle, auch der RFW, mitgestimmt –, eine Verbesserung des Status quo bedeutet, insbesondere was die Wahlkartenproblematik und dieses Thema anbelangt, und dass vieles von dem nachempfunden wurde, was in der Nationalrats-Wahlordnung auch geregelt ist. Und auch andere Punkte sind eindeutige Verbesserungen, daher un­terstützen wir auch die vorliegenden inhaltlichen Bestimmungen und sehen das als Fort­schritt.

Ganz klar ist, wie auch von anderen angesprochen: Das Ende der Fahnenstange ist da und dort wahrscheinlich nicht erreicht, sondern es wird weitere Verbesserungen geben, aber ich glaube, es könnte, Herr Kollege, weil wir gerade heute draußen diesbezüglich gesprochen haben, ein guter Tag sein, wenn viele mitstimmen.

Wir haben im Übrigen auch die Problematik ausgeräumt, das möchte ich zur Ehre von uns beiden sagen, was die Förderung dazumal anbelangt hat: Was die Landesangele­genheit anbelangt, hat er recht gehabt, beim Bund eher wir. Das ist geklärt, auch das gehört, glaube ich, zur Aufarbeitung dazu. (Bundesrätin Mühlwerth: War also der Tag doch nicht so schlecht!) – Ja, der Tag ist in dem Bereich dann ganz gut.

Also das wollte ich auch noch ergänzend, auch wenn es nicht direkt dazugehört, sa­gen, aber auch das hat irgendwie eine Kammerthematik berührt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Mag. Pisec und Zangerl.)

18.54



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 169

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.54.5527. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (1386 d.B. und 1571 d.B. sowie 8650/BR d.B.)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid erlassen wird und das Umweltverträglichkeitsprüfungs­gesetz 2000, das Bundes-Umwelthaftungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 so­wie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (1387 d.B. und 1572 d.B. sowie 8615/BR d.B. und 8651/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zu den Punkten 27 und 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 27 und 28 ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Bitte um die Berichte.

 


18.55.32

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Auch der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid erlassen wird und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Bundes-Umwelthaftungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 sowie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme deshalb gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 170

18.56.19

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! In der aktuellen Debatte werden zwei Materien behandelt: die eine ist das Versorgungssicherungsgesetz und die andere das Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid. Dem ersten Punkt werden wir zu­stimmen, den zweiten werden wir ablehnen.

Beim ersten Punkt, dem Versorgungssicherungsgesetz, geht es um die Verlängerung eines Gesetzes, das sich in der Vergangenheit bestens bewährt hat. Auch bei uns ist darüber diskutiert worden, und dieses Gesetz wird unsere Zustimmung erfahren.

Anders ist es beim zweiten Gesetz: Hier haben wir Bedenken. Das Verbot der geolo­gischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid ist grundsätzlich zu begrüßen, aber unsere Fraktion glaubt, wie auch schon im Nationalrat von uns angemerkt wurde, dass die Ausnahme von 100 000 Tonnen zu groß erscheint und hat deshalb auch im Nationalrat einen Abänderungsantrag und einen Entschließungsantrag eingebracht.

Beide Anträge wurden von der Koalition leider nicht zur Kenntnis genommen, und des­halb wird es heute auch eine Zustimmung nur zum Tagesordnungspunkt 27 geben und beim Tagesordnungspunkt 28 eine Ablehnung der freiheitlichen Fraktion. (Beifall bei der FPÖ.)

18.57


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


18.58.04

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Ver­sorgungssicherungsgesetz ist auf den ersten Blick wohl eine sehr theoretische Angele­genheit, zumal von den Möglichkeiten dieses Gesetzes Gott sei Dank noch nie Ge­brauch gemacht werden musste. Eine Krise, für die wir uns mit diesem Gesetz rüsten, hatten wir Gott sei Dank noch nie. Trotzdem können natürlich Versorgungs- und Ver­knappungserscheinungen aus politischen, wirtschaftlichen und auch anderen Gründen nie ganz ausgeschlossen werden.

Ziel dieses Gesetzes ist es also, ein gesetzliches Instrumentarium zu schaffen, um im Krisenfall auch von staatlicher Seite schnell und effizient entsprechend reagieren zu können. – So weit zum Krisenfall. Aber auch in Zeiten, in denen keine Krisen bestehen, müssen wir über Versorgungssicherheit reden, und wir dürfen nicht unterschätzen, was es für Folgen haben könnte, wenn wir uns nicht darum kümmern, auch wenn es keine unmittelbare Krise gibt. Und es wird Sie nicht überraschen, wenn ich als Beispiel im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit die Energie erwähne.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat sich auch im Meinungsklima bei den Österreicherinnen und Österreichern eine deutliche Zäsur ergeben: An erster Stelle steht unangefochten die Versorgungssicherheit, noch vor dem Ausbau der erneuerba­ren Energie. Zwei Drittel sind der Ansicht, dass eine problemlose Stromversorgung in Österreich auch in Zukunft gesichert ist. Das ergibt eine Umfrage, die wohl quasi auch als Wunsch der Bevölkerung zu deuten ist.

Wenn wir also die Energiewende nach Fukushima und nach den Atomkraft-Abschal­tungen in Deutschland wollen, und das wollen zumindest die meisten von uns hier, dür­fen wir nicht auf die Infrastruktur vergessen, um eben diese Versorgungssicherheit in Österreich auch sicherzustellen.

Ein kleines Beispiel aus Deutschland: Wenn ein Atomkraftwerk mit einer Leistung von 1 000 Megawatt eine Stadt mit 1 Million Einwohnern versorgt und insgesamt nach den


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deutschen Plänen bis 2020 20 500 Megawatt vom Netz gehen – 20 500 Megawatt! –, dann sind es also 20 Millionen Einwohner, die dann anderweitig, also mit anderen Energieformen, versorgt werden müssen, und das braucht natürlich auch die entspre­chende Infrastruktur.

Dazu müssen nicht nur unsere deutschen Nachbarn, sondern müssen auch wir in Ös­terreich auf den Atomausstieg reagieren: Das geht vom Bau von zusätzlichen Pump­speicherkraftwerken in den Alpen über den Bau von unzähligen Windrädern im Osten bis eben auch zum Bau der für die europäische Energiewende sehr wichtigen Hoch­spannungsleitungen, die diesen Strom dann auch irgendwie abtransportieren können. Aber schauen wir in die Steiermark! Da hat man sich zwischen Politik und den Behör­den betreffend den Bau von Hochspannungsleitungen über 20 Jahre lang nicht einigen können – und das wird es wohl in Zukunft nicht mehr spielen, wenn wir eine gewisse Versorgungssicherheit in Europa wollen.

Österreich hat natürlich auch hehre Ziele: Bis 2050 beispielsweise will Vorarlberg die Energieautonomie, Österreich im selben Zeitraum die Energieautarkie.

Wasserkraft und erneuerbare Energie predigen ist also insgesamt sicher gut, aber Wein trinken, wenn es ums Bewilligen von dringend notwendigen Infrastrukturprojekten geht, das kann in Zukunft wohl nicht mehr sein.

Wir beschließen also heute ein Versorgungssicherungsgesetz für Krisenzeiten. Die Bot­schaft muss aber auch sein, dass wir die Versorgungssicherheit in „normalen Zeiten“ – unter Anführungszeichen – nicht vergessen dürfen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.02


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


19.02.12

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Nachdem mein Vorred­ner über das Versorgungssicherungsgesetz gesprochen hat, dem wir als Fraktion zu­stimmen werden, möchte ich in meinen Ausführungen über das Bundesgesetz betref­fend das Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid sprechen.

Mit diesem Gesetz, geschätzte Damen und Herren, schaffen wir Sicherheit. Vor weni­gen Wochen war in verschiedenen Medien Folgendes zu lesen:

„Der ostdeutsche Energieversorger Vattenfall blies ... sein 1,5 Milliarden-Projekt im brandenburgischen Jänschwalde ab.“

Er hat seine Pläne für ein Kraftwerk in Jänschwalde bei Cottbus, das die sogenannte CCS-Technologie, wie man zu der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid sagt, demonstrieren sollte, abgesagt. Damit wird die Technik der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, auf die auch Klimaschützer weltweit ihre Hoffnungen setzten, in Deutschland nicht erprobt.

Oder wie erst vor wenigen Tagen der EU-Energiekommissar Günther Oettinger mit­teilte:

„Bei der CO2-Speichertechnologie ... müsse es bis Mitte des Jahrzehnts Klarheit ge­ben, ob sie funktioniere.“

Die EU-Kommission hat bei dieser umstrittenen CCS-Technik für die Speicherung von Kohlendioxid auch die Nordsee bereits als möglichen Lagerplatz im Blick.

„EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte am Montag bei einer Konferenz in Ber­lin gesagt, dass die Lagerung in der Nordsee auch eine Option für Deutschland sei, wie die ,Financial Times Deutschland‘ am Dienstag berichtete.“


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„Ein aktuelles Forschungsprojekt an der Universität Kiel, das von Brüssel mitfinanziert wird, untersucht die Speicherung von CCS unter dem Meeresgrund.“

Bei dieser Technologie, liebe Kolleginnen und Kollegen, „wird das klimaschädliche CO2 aus Abgasen von Industrieanlagen und Kohlenkraftwerken abgetrennt und unterirdisch gespeichert, um es von der Atmosphäre fernzuhalten“, wobei es nicht an dem Ort gela­gert werden soll, wo es anfällt, sondern mit Pipelines zum endgültigen Lagerplatz transportiert werden soll. Durch diese Deponierung in unterirdischen Gesteinsschichten auf unbegrenzte Zeit soll weniger CO2 in die Atmosphäre gelangen.

Mit dem heutigen Bundesgesetz wird diese unterirdische Lagerung von CO2 in Öster­reich auf Basis einer rechtlichen Möglichkeit der EU verhindert. Bis Ende 2018 hat die Bundesregierung einen Bericht über die internationalen Erfahrungen mit dieser Tech­nologie zu erstellen, was bedeutet, dass man abwarten muss, einerseits wie sich diese derzeit sicherlich umstrittene Technologie weiterentwickelt, und andererseits, ob diese Technologie im Sinne des Klimaschutzes sinnvoll und ungefährlich einsetzbar ist.

Mit diesem heute zu beschließenden Gesetz ist Österreich vor dieser nicht unumstrit­tenen Technologie vorerst bis 2018 geschützt, aber wir werden die Entwicklung dieser Technologie besonders beachten müssen. Meine Partei wird daher diesem Gesetz auch ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.05


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


19.05.45

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Brun­ner, du hast sicher recht: Wenn wir eine Energiewende anstreben, werden wir auch über Leitungen reden müssen. Du hast über die Steiermark gesprochen.

Ich kann mich an Folgendes erinnern: Es ist noch gar nicht so lange her, ein bis zwei Jahre, glaube ich, da ist es in Niederösterreich darum gegangen, eine Hochspannungs­leitung von Dürnrohr nach Slavětice zu verdoppeln, und da liegt nicht ganz zufälliger­weise Dukovany daneben – und selbiges ist auch bei der Leitung nach Györ passiert. Also ich denke mir, es ist jetzt schon vielleicht auch eine Frage dessen, wie ehrlich und fair man spielt, wenn man sagt: Ich hole mir jetzt den Strom aus Windkraftanlagen aus Tschechien oder vielleicht aus der Slowakei, und deshalb brauche ich die Hochspan­nungsleitungen. – Das war damals die Argumentation.

Also insofern denke ich schon, dass es klar ist, dass wir darüber reden müssen – auch eine Energiewende braucht Leitungen –, aber vielleicht muss man wirklich ehrlich und fair darüber reden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber ich möchte eigentlich zum Verbot der geologischen Speicherung von Kohlendi­oxid etwas sagen. Kollege Lampel hat mich jetzt ein bisschen irritiert, weil ich mir ge­dacht habe, es geht ja doch um das Verbot, und es hat für mich jetzt aber irgendwie so geklungen, als wäre CCS in Ihren Augen eigentlich eine tolle und eine günstige Mög­lichkeit, CO2 zu speichern. Also das, was man bisher über CCS weiß, ist, dass es rea­listischerweise sicherlich nicht vor 2020/2030 irgendwo großflächig einsetzbar sein wird und dass es das wirtschaftlich noch viel länger nicht sein wird.

Bei CCS ist schon gefährlich, auch wenn es unten in tiefen Gesteinsschichten ruht, CO2 einfach so hinunterzupumpen und zu verpressen und dann zu hoffen, dass nie et­was heraufkommt. Es gibt eine ähnliche Problematik bei der Endlagerung auch in an­deren Technologien, aber ich denke mir, das ist jetzt einfach etwas, von dem wir über-


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haupt noch nicht wissen, wie sich das auswirkt. Das geht ja nicht weg, wenn man es unten speichert, das verschwindet ja nicht!

Wenn das CO2 dann nach oben kommt, kann es erstens einmal schon auch eine er­hebliche Umweltbelastung werden, weil es dann ja punktuell und in großen Mengen auf einmal heraufkommt – sprich: das ist dann auch gesundheitsgefährdend, und wenn man die Luft heute hier herinnen einatmet, dann merkt man vielleicht auch, dass CO2 in größeren Mengen in der Atemluft Kopfweh verursacht, so wie bei mir. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Also es ist nicht ungefährlich. CO2 ist zwar ungiftig, aber es ist nicht ungefährlich.

Das Zweite ist: Die Abscheidung ist sehr energieintensiv. Ungefähr bei zwei Kraftwer­ken braucht man ein drittes Kraftwerk daneben, das einem dann die Energie für die Ab­scheidung liefert. Also die Sinnhaftigkeit dieser Technologie ist derzeit, glaube ich, nicht nur umstritten, sondern sie ist derzeit unumstritten nicht sinnvoll.

Prinzipiell freue ich mich, dass die Bundesregierung jetzt ein Verbot der geologischen Speicherung von Kohlendioxid vorlegt, insbesondere auch deshalb, weil ja in der Ener­giestrategie zuletzt schon noch beabsichtigt gewesen ist, dass wir auch diese Techno­logie einsetzen wollen und dass wir damit rechnen. Das war hoffentlich nur, um insge­samt irgendwie die Rechnung der CO2-Werte in Österreich in den Griff zu bekommen.

Was uns an der Regierungsvorlage stört und warum wir ihr auch nicht zustimmen, das ist im Prinzip so wie bei der FPÖ: Es ist zwar ein Verbot der Nutzung derzeit, aber es ist kein Verbot der Forschung – und die Forschungszwecke sind vom Volumen her jetzt ziemlich hoch angesetzt, nämlich 100 000 Tonnen pro Einheit als Grenze. Und wie vie­le Einheiten an Forschungs-CCS-Projekten wir dann aus dem Boden stampfen, ist nicht gesagt. Das heißt, es kann dann schon eine ganze Menge passieren, und inso­fern ist es für uns nicht ausreichend, zu sagen: Das ist jetzt ein Verbotsgesetz! – Das ist ein sehr lückenhaftes Verbotsgesetz.

Des Weiteren ist es auch nicht verboten, das Kohlendioxid ins Ausland zu transpor­tieren. Und wenn wir diesbezüglich jetzt einmal anfangen, darüber zu reden: Wir schei­den es hier ab, und dann versenken wir es vielleicht in der Nordsee!, so sind das Din­ge, da wird mir eher übel als sonst etwas. Insofern ist es für mich sehr lückenhaft. Ich kann dem nicht zustimmen.

Ich möchte aber auch noch auf ein sehr aktuelles Thema hinweisen, das auch mit einer meiner Meinung nach sehr gefährlichen Technologie zu tun hat, und da ich aus Nieder­österreich komme, ist naheliegend, dass es um die Schiefergasförderungen im Wein­viertel, die die OMV sich vorstellt, geht. Es gibt einige Studien zu Schiefergas, eine ak­tuelle Studie vom deutschen Umweltbundesamt  (Zwischenruf des Bundesrates Tief­nig.) Da geht es um gefährliche Technologien, und CCS ist für mich eine gefährliche Technologie. Kohlendioxid runterzubringen, Schiefergasförderung ist eine gefährliche Technologie, genauso wie Methan raufzubringen, und überall kann etwas entweichen, deshalb passt das auch irgendwie zusammen.

Außerdem geht es ja dann künftig auch um eine Änderung des UVP-Gesetzes, und in diesen UVP-Gesetzen müsste man auch dafür vorsorgen, dass zumindest kurzfristig jetzt einmal gleich der Entfall der Mindestschwellen für die Erdöl- und Erdgasförderung festgeschrieben wird, und in weiterer Hinsicht würde ich mir wünschen, dass es, so wie beim CCS oder eigentlich strenger als beim CCS, auch für Schiefergasförderung in Ös­terreich ein Verbot gibt, so wie das im französischen Parlament inzwischen durchge­setzt worden ist.

Herr Minister, ich lese jetzt gar nicht vor, was das Umweltbundesamt in Deutschland für Auflagen und Forderungen im Falle einer Schiefergasförderung stellt. Ich möchte Ihnen nur gerne diese Studie mitgeben. Es ist ja interessanterweise so, dass der Um-


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weltminister und der Umweltlandesrat in Niederösterreich beide gleich gesagt haben: Nein, kommt nicht in Frage!, vom zuständigen Wirtschaftsminister und dem zuständi­gen Wirtschaftslandesrat hat man leider nichts gehört. Darum würde ich Ihnen gerne diese Studie überreichen, denn ich denke mir, Sie sind wahrscheinlich derjenige, der diese Daten vom Umweltbundesamt vielleicht noch nicht so genau kennt. – Danke. (Beifall bei den Grünen. Bundesrätin Kerschbaum überreicht die genannte Studie Bundesminister Dr. Mitterlehner.)

19.12


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mit­terlehner. – Bitte.

 


19.12.10

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ganz richtig angesprochen worden, dass unter diesen beiden Punkten eben zwei Gesetze zur Beschlussfassung anstehen.

Das eine Gesetz, was die Versorgungssicherung anbelangt, ist eine rein formale Ange­legenheit insofern, als die Befristung dieses Gesetzes mit 31. Dezember dieses Jahres abläuft, und es ist an sich natürlich vernünftig, zur Vorsorge für den Krisenfall eine wei­tere Verlängerung vorzusehen. Das ist mit den Bundesländern auch abgesprochen, die wollen das auf fünf Jahre im Krisenfall, auf den abgestellt wird, verlängern. Da ist dann immer auch die entsprechende Verordnung zu entwickeln. Das heißt, das ist an sich ei­ne grundvernünftige Maßnahme.

Zum Zweiten, was das CCS anlangt, also Carbon Capture and Storage, geht es, wie richtig geschildert worden ist, einfach darum, dass es auf europäischer Ebene die EU, auch die Europäische Energieagentur, durchaus als Möglichkeit angesehen hat, CO2 entsprechend zu verpressen und unterirdisch zu lagern, um da insgesamt dem Klima dienend vorzugehen.

Nachdem den einzelnen Mitgliedsstaaten freigestellt worden ist, die Umsetzung vorzu­nehmen oder nicht, und nachdem die Technologie sehr umstritten ist, also nicht klar ist, ob Vorteile, Nachteile jetzt in dem einen oder anderen Fall größer sind, hat Österreich relativ eindeutig und ohne größere Diskussion entschieden, dass wir das nicht wollen. Um aber auch der Wissenschaft und anderen die Möglichkeit zu geben, anderes zu be­weisen, ist die Möglichkeit vorgesehen, dass Versuchsentwicklungen vorgenommen wer­den, und da ist eine Größenordnung von bis zu 100 000 Tonnen festgelegt.

Was die freiheitlichen Kollegen anbelangt, haben die schon im Nationalrat 10 000 Ton­nen vorgeschlagen, weil ihnen das irgendwie kleiner und sozusagen zweckdienlicher er­scheint. Leider steht dem eine sachliche Begründung entgegen, nämlich dass eine em­pirische Bewertung der gesamten Angelegenheit nach Meinung von Fachleuten nur dann einen Sinn hat, wenn auch eine entsprechende Größenordnung zur Verfügung steht. Ansonsten wird sich in Österreich aufgrund der technischen Notwendigkeiten nie­mand mit dem Thema befassen können.

Soweit wir das sehen, gibt es aufgrund der 100 000 Tonnen, die jetzt vorgesehen sind, niemanden, der tatsächlich eine derartige Versuchsentwicklung starten wird. Wir wer­den sehen, was auf der gesamteuropäischen Ebene bewegt wird. Das zu der Geset­zesmaterie, die sicherlich positiv und von der Grundlage her auch vernünftig entwickelt worden ist.

Zur Frage, die nicht auf der Tagesordnung steht, was das Shale Gas, also Schiefergas anbelangt: Danke für die übermittelte Darstellung und die Information, aber zur Frage, die gestellt worden ist, warum ich mich nicht negativ geäußert habe, könnte man auf der anderen Seite ja fragen, warum ich mich nicht positiv geäußert habe. – Eben des­wegen, weil wir in Österreich für derartige Vorgehensweisen Gesetze haben, und diese


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Gesetze sind das MinroG und auch die UVP-Prüfung, und wenn jemand einen Antrag stellt, ist das nach den entsprechenden Regulativen zu behandeln.

Den Antrag gibt es nicht, und daher ist es auch nicht notwendig, meine Privatmeinung in dem Bereich einzubringen. Ich möchte Ihnen die nicht vorenthalten, die ist eher posi­tiv, denn es ist schön, wenn entsprechende Funde grundsätzlich einmal da sind, in ei­ner Tiefe von, glaube ich, 8 000 Metern. Ich kenne es nur aus der Zeitung. Wenn die Technik sicher ist, wenn die Möglichkeit da ist, ist es schön, wenn man das nutzen kann. Wenn es Gefährdungsmomente gibt, werden die gesetzlichen Regulative verhin­dern, dass entsprechende Umsetzungen stattfinden. So einfach ist das, und ich hoffe, dass das damit geklärt ist, denn es macht keinen Sinn, wenn ich jetzt in einem Nicht-Verfahren Stellungnahmen abgebe. Das irritiert nur alle Beteiligten.

In diesem Sinne danke ich für die Unterstützung, nämlich denjenigen, die die zwei Ma­terien unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.16


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungs­gesetz 1992 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mit­glieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgege­benen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. De­zember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid erlassen wird und das Umweltver­träglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 176

19.18.2329. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1521 d.B. und 1573 d.B. so­wie 8652/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nunmehr zum 29. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Bitte um den Bericht.

 


19.18.38

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. De­zember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz ge­ändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 13. Dezember 2011 in Verhandlung genommen und stellt mehrheit­lich den Antrag, gegen die Vorlage dieses Gesetzesbeschlusses keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


19.19.20

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe heute zum letzten Mal am Rednerpult, keine Angst, da es jetzt drei Mal hintereinander war, aber zum Berufsaus­bildungsgesetz muss ich als jemand, der selbst auch unzählige Lehrlinge ausgebildet hat, Stellung nehmen.

Ich glaube, es war keine gute Tat der Bundesregierung, im Jahr 2008 den sogenann­ten Blum-Bonus aufzulassen, der eigentlich sehr erfolgreich gewirkt und auch die Be­triebe dazu animiert hat, Lehrstellen zur Verfügung zu stellen. In der Zwischenzeit sind leider Tausende Lehrplätze verlorengegangen. Nun soll dieser Fehler ausgemerzt wer­den, und das soll und muss geschehen. Es muss Anreize für die ausbildenden Betrie­be geben, dass sie auch die Last auf sich nehmen, die jungen Leute in ihren Betrieben auszubilden.

Das ist ja auch anzustreben, denn das duale Ausbildungssystem hat Vorbildcharakter, auch innerhalb Europas. Wir glauben, dass die Flexibilisierung der Förderung von Lehrstellen und Lehrbetrieben zwar gut klingt, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist, diese hält aber nicht, was sie verspricht. Da wird die Bürokratie aufgebläht: ergänzende Unterstützungsstruktur. Was heißt das im Klartext? – Wiederum weitere Stellen, die da tätig werden müssen. Es steht auch im Gegensatz zu der sogenannten Schulden­bremse und zur Verwaltungsvereinfachung, und deshalb werden wir diesem Gesetzes­vorschlag nicht zustimmen.

Noch ein paar Sätze zum Lehrlingswesen, das ja auch in die Länderkompetenzen fällt. Ich glaube, dass die Länder auch aufgefordert sind, ihre Hausaufgaben zu machen. Ich bin da eigentlich wiederum stolz, Kärntner zu sein, denn von dort ist auch die Idee der Lehre mit Matura ausgegangen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir haben heuer die ers­ten Lehrgänge bereits geehrt und die Dekrete überreicht. (Zwischenbemerkung von Bun­desminister Dr. Mitterlehner.)

Das war so, man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es neun Bundesländer gibt, und dass der eine dort einmal eine gute Idee hat und der andere da, die dann ange-


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nommen wird. Und es tut auch die Wirtschaftskammer etwas Positives, manchmal. (He-Ruf bei der SPÖ. Bundesrätin Zwazl: Nicht „manchmal“!)

Es gibt jetzt nämlich zum Beispiel in Kärnten – das ist jetzt gerade eröffnet worden – das TAZ, Test- und Ausbildungszentrum. Gemeinsam mit Hilfe des Landes hat die Wirt­schaftskammer da etwas zu Wege gebracht, wo sich die jungen Menschen testen las­sen können, für welchen Beruf sie in erster Linie geeignet sind. Und das ist eine Vor-Aussortierung, die wahnsinnig wichtig ist, um letztlich diese Abbrecher hintanzuhalten. Außerdem ist es auch ein Ausbildungszentrum.

Als letzten Punkt noch: Die schulische Infrastruktur im Bereich der Berufsschulen ist ja größtenteils Ländersache. Wir haben am Montag dieser Woche den Spatenstich für das touristische Ausbildungszentrum in Kärnten gehabt. Da wird die Landesberufs­schule für Gastgewerbe und Hotellerie neu gebaut. 28 Millionen € nimmt das Land Kärn­ten dafür in die Hand und weitere 8 Millionen € für das Internat. Ich glaube, das ist in einer angespannten Budgetsituation, in der wir uns befinden – und gerade heute und wahrscheinlich in dieser oder in der nächsten Stunde wird das Budget im Land Kärnten für das Jahr 2012 verabschiedet –, bemerkenswert.

Es sind bereits eine Schuldenbremse und viele Einsparungen eingeplant, und trotzdem nimmt das Land da 36 Millionen € in die Hand, um letztlich den jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen, und das ist eigentlich eine Investition in die Zukunft. (Bei­fall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

19.23


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Präsidentin Zwazl. – Bitte.

 


19.23.24

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mitterer, ich freue mich, dass ich von dir gehört habe, und ich weiß auch, dass du als Unternehmer, und da kann man gar nicht anders denken, Lehrlinge unterstützt. Aber ich denke, dass das Berufsausbildungs­gesetz auch in die richtige Richtung geht.

Wir haben ja heute schon von Lehrlingen, von Zahlen gesprochen, und da sind die Lehrlinge und der Zugang zur Lehrstelle ein bisschen schlecht weggekommen, weil man das österreichweit gesehen hat. Aber wie du gesagt hast, ist das eine Länderkom­petenz, und jetzt habe ich mir das angeschaut.

Es ist zum Beispiel bei den gesamten Lehrlingen im ersten Lehrjahr so, dass Vorarl­berg ein Plus von 4,6 Prozent hat. Das heißt, in Vorarlberg werden derzeit 2 642 Ju­gendliche im ersten Lehrjahr ausgebildet. Ich freue mich, dass wir in Niederösterreich ein Plus von 3,2 Prozent haben. Wir bilden derzeit im ersten Lehrjahr 6 194 Lehrlinge aus, und Kärnten ist am dritten Platz, ihr habt um 2,2 Prozent mehr Lehrlinge im ersten Lehrjahr, insgesamt sind es im ersten Lehrjahr 2 886.

Und es heißt ja auch, die Betriebe kommen ihrer Aufgabe nicht nach, junge Leute aus­zubilden. Man muss sagen, das stimmt auch nicht, denn Vorarlberg ist da am ersten Platz. Die haben mehr  (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Nicht immer, Ed­gar, aber da schon. Die Betriebe in Vorarlberg sind natürlich super, also da kannst du nichts dafür, aber die sind wirklich gut. (Heiterkeit.)

Gemessen an Lehranfängern in Ausbildungsbetrieben, ohne sonstige Einrichtungen, haben wir in Vorarlberg gibt es jetzt sogar ein Plus von 5,2 Prozent – also 2 586 Lehr­linge. In der Steiermark sind es jetzt um 4 Prozent mehr, also eine Veränderung ge­genüber dem Vorjahr, mit 5 341 Lehrlingen im ersten Lehrjahr. Und bei uns in Nieder­österreich, wir sind am dritten Platz, haben wir in den Ausbildungsbetrieben jetzt 3,3 Pro­zent Lehranfänger, nämlich 5 266.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 178

Da sieht man schon, dass in den Ländern sehr viel gemacht wird. Es täuscht natürlich, wenn man da jetzt den Österreich-Schnitt sieht, weil es jetzt einmal eine Meldung ge­geben hat: 0,8 Prozent minus im ersten Lehrjahr. Das täuscht, weil Wien leider minus 9,9 Prozent hat. Und da muss man natürlich schauen, aber ich glaube, dass unsere Betriebe in den Ländern, auch mit der Unterstützung der Kammer, sehr viel machen, und das freut mich.

Nicht zu vergessen ist, dass wir die Lehre und den Zugang zur Lehre eher negativ hinstellen. Ich habe mir das angeschaut. Wie schaut denn die Akzeptanz bei den jun­gen Leuten aus? Gemessen am Geburtsjahrgang gegenüber dem Vorjahr haben wir in Niederösterreich jetzt einen Anteil von 38,3 Prozent, im Gegensatz zu 2009, als sich nur 36,1 Prozent der Geburtsjahrgänge für eine Lehre entschieden haben. Da denke ich, dass die ganzen Initiativen, die gesetzt wurden, schon Früchte tragen, und deswe­gen ist es wichtig, dass wir da weitermachen.

Ich muss sagen, wenn ich mir das so anschaue, freue ich mich jedes Mal: Wir bilden in Niederösterreich 20 000 junge Menschen aus. Eine Lehre ist nun einmal eine krisensi­chere Berufsausbildung, eine zukunftsträchtige Berufsausbildung. Wir müssen das in der Öffentlichkeit ganz einfach auch positiver besetzen und nicht immer sagen, es macht keiner eine Lehre. Im Gegenteil! Der Zugang der Jungen zur Lehre hat sich in den letz­ten Jahren verbessert – und das muss man auch sagen.

Die Lehre hat ja bei uns auch eine enorme bildungspolitische Bedeutung, und das ist uns gar nicht so bewusst. Wenn man jetzt unsere Betriebe fragt: Was braucht ihr? Was ist euch das Wichtigste? Die Kredite oder Fachkräfte? – Wir haben jetzt eine Umfrage gemacht, und 85 Prozent unserer Betriebe sagen: Wichtig ist es, hochqualifizierte Fach­kräfte zu haben, das heißt, sehr viel in die Ausbildung zu investieren, und auch zu schauen, dass man die Mitarbeiter höher qualifiziert. Denn, wie wir alle wissen, sind ganz einfach Fachkräfte der entscheidende Wettbewerbsfaktor. Was wir da verspielen, das wird sich rächen. Und alles, was wir investieren, das bekommen wir vielfach zurück.

Wir haben in der Bildungspolitik noch sehr viele Baustellen, aber über die Lehrlings­ausbildung gibt es da keinen Zweifel. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lehre muss man viel mehr herausstreichen und auch höher einschätzen. Wir sehen das doch auch daran, dass wir europaweit die geringste Jugendarbeitslosigkeit haben. Das allei­ne ist ja schon ein Argument dafür, dass wir uns darum kümmern.

Es ist auch wichtig, dass die jungen Leute nicht nur eine Lehre beginnen. Es geht auch darum, ob sie froh darüber sind oder gerne einen anderen Beruf eingeschlagen hätten. So haben wir jetzt 1 900 junge Leute gefragt, ob sie noch einmal eine Lehre machen würden. Und da haben 95 Prozent gesagt – also das ist wirklich ein hoher Anteil –, dass sie sehr zufrieden sind und sich freuen, dass sie eine Lehre begonnen haben.

Für uns war dann folgende Antwort noch erfreulicher: Wir haben auch abgefragt, wie denn das Arbeitsklima ist. Und da haben 96 Prozent gesagt, dass sie explizit mit ihrem Ausbildungsbetrieb zufrieden sind. Das sind schon auch Zahlen und Fakten, die man ganz einfach nennen muss, die man publizieren muss, damit die Lehre einen anderen Stellenwert bekommt. Natürlich ist es richtig, dass es in der Probezeit, innerhalb der drei Monate, Auflösungen gibt. Aber da bin ich überzeugt, dass man ganz einfach frü­her ansetzen muss. Man muss die Berufsorientierung in der dritten Unterstufe machen, und zwar verstärkt.

Man muss die Jugendlichen begleiten, dass sie eine wohlüberlegte Berufswahl treffen, denn wir haben noch immer viele Jugendliche, die, wenn man sie fragt, welchen Beruf sie denn einmal machen wollen, sagen: Naja, die Freundin oder Freunde machen das, oder ich habe vor der Haustür eine Lehrstelle. Das ist nicht die richtige Unterstützung, und ich muss auch sagen, dass die Eltern da mehr eingebunden gehören.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 179

Deshalb freue ich mich auch, dass wir jetzt in Niederösterreich ein Pilotprojekt durch­geführt haben, eine Potentialanalyse. Was machen wir damit? – Wir gehen in die Schu­len, in die dritte Unterstufe, und schauen, was für ein Potential unsere jungen Leute ha­ben. Nicht, was können sie nicht, sondern welches Potential haben sie. Man sagt ihnen dann: Für diese Berufsausbildung bist du geeignet!

Ich freue mich, dass wir im nächsten Jahr, im Herbst – im Frühjahr machen wir noch ein Pilotprojekt –, flächendeckend diese Potentialanalyse durchführen werden, mit Un­terstützung des Landes und auch mit Unterstützung der Arbeiterkammer. Uns ist ganz einfach wichtig, unseren jungen Leuten verstärkt Chancen zu geben. Wichtig ist auch, dass bei dieser Initiative die Eltern eingebunden sind, weil wir mit ihnen das Potential ihrer Kinder besprechen. Ich denke, dass wir damit den jungen Leuten helfen und auch die Drop-out-Raten ein bisschen vermindern können. (Vizepräsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Es ist heute auch schon angesprochen worden und man sagt das oft so salopp: Naja, die Jugend von heute, die können nichts, die können nicht rechnen und schreiben und so weiter. Ich lehne das ab! Es sind unsere Kinder, es ist unsere Jugend. Die Jugend ist genauso gut wie wir waren, wenn nicht vielleicht sogar besser. Wenn mir einer so etwas sagt, sage ich immer: Entschuldige bitte, es sind unsere Kinder. Wenn sie von uns nichts mitbekommen haben, dann denkt darüber nach.

Was nützt das aber, wenn wirklich jemand nicht rechnen und schreiben kann? Dann ist ganz einfach wichtig, dass man ihn unterstützt, das heißt, eine Nachhilfe gibt. Bei uns bekommen die jungen Leute eine Nachhilfe, eine Gratis-Nachhilfe. Das machen wir ge­meinsam mit dem AMS. Ungefähr 1 600 junge Leute haben dieses Angebot in An­spruch genommen und ihre Lehrabschlussprüfung gemacht.

Deshalb freue ich mich auch ganz besonders, dass das jetzt auch hier ein Punkt ist, denn in die Novelle hat diese Maßnahme, dass man die Jugendlichen unterstützt und ihnen dieses Coaching zukommen lässt, Eingang gefunden.

Besonders wichtig ist auch eine zusätzliche Maßnahme für Lehrlinge mit Migrations­hintergrund. Deren Zahl hat nun einmal deutlich zugenommen. Da ist es wichtig, dass es aufgrund dieser Novelle ein Coaching gibt, das sie unterstützt.

Sehr gut ist auch, dass Auslandspraktika für unsere Lehrlinge gefördert werden. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wir machen es in Niederösterreich auch, und ich freue mich über jede Unterstützung. Bei uns heißt es: „Let’s walz“. Die jungen Leute kommen mit einem anderen Selbstbewusstsein zurück. Auch damit können wir die jungen Leute unterstützen und ihnen einen anderen Stellenwert in unserer Gesellschaft geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Jugend ist unsere Zukunft, und wir müssen alle Maßnahmen und alle Hilfen, die es gibt, ganz einfach unterstützen, denn wer die Jugend nicht ernst nimmt, verbaut die Zukunft. Ich würde mich sehr freuen, wenn alle hier zustimmen könnten, weil es eine Unterstüt­zung, eine Hilfe für unsere Jugend, für eine bessere Zukunft ist. – Danke schön. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Mag. Klug, Lugsteiner und Zangerl.)

19.33


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


19.33.41

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): 40 Prozent aller Jugendlichen wählen die Ausbildung und gehen in die Lehre. Davon treten 46 000 jährlich zur Lehr­abschlussprüfung an. 82 Prozent bestehen die Prüfung.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 180

Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Drop-out nennt sich die Quote, die übrig bleibt, und wir wissen, dass es andere Möglichkeiten auch noch gibt, zum Drop-out zu werden: Auflösung des Lehrverhältnisses, einvernehmliche Lösung (Bundesrätin Zwazl: Falscher Beruf!) bis hin zum falschen Beruf. Während der Probezeit lösen 5 700 den Lehrvertrag vorzeitig auf. Insgesamt scheiden in Österreich pro Jahr 17 465 der Lehrlinge wieder aus. 8 000 bestehen die Lehrabschlussprüfung nicht – das sind die 18 Prozent.

Das heißt, 25 500 junge Menschen bleiben ohne Berufsausbildung, und das bedeutet am Arbeitsmarkt: arbeitslos. Der Anteil der Jugendlichen ohne Berufsausbildung unter den Arbeitslosen ist drei Mal so hoch wie der derjenigen mit einer Ausbildung. Dazu kommt, dass der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund ohne Berufsausbil­dung noch drastisch höher ist.

Um Chancen auf einen fairen Lehrabschluss und auf einen guten Lehrabschluss zu ge­ben, um die Arbeitslosigkeit der Jugend zu senken und den jungen Menschen mit Mi­grationshintergrund Perspektiven zu geben und insgesamt die Drop-out-Quote zu sen­ken, steht diese Berufsausbildungsgesetznovelle heute auf unserer Tagesordnung.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokra­ten geben die Zustimmung zur Änderung des Berufsausbildungsgesetzes, weil es die Sicherstellung einer hochwertigen Ausbildung garantiert, die besser sichert, dass die Lehrabschlussprüfung mit Erfolg bestanden wird, und wir damit den Jugendlichen Per­spektiven geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.36


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


19.37.03

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe selber eine Doppellehre absolviert als Gas-, Wasser- und Zentralheizungstechniker, und ich muss ehrlich sagen: Ich möchte keine einzige Sekunde dieser Zeit missen. Es war eine ab­solute Bereicherung, ich hatte einen tollen Lehrherrn, und ich kann mir heute fast alles selber reparieren, und nicht nur das, was Installationsbelange betrifft. Das ist wirklich ein großer Wert.

Ich möchte auch ein Signal an die Jugendlichen geben, die vielleicht zusehen: Man kann auch mit einer Lehre noch vieles aus seinem Leben machen! Das Wichtigste ist jedoch, und das sage ich immer, dass man einmal ein Fundament hat. Und das Funda­ment ist nun mal, wenn man sich in die Arbeitswelt begibt, die abgeschlossene Berufs­ausbildung. Und wenn man sich dann entscheidet, weiterzugehen, kann man die Mas­terprüfung machen oder einen Ingenieur dranhängen, oder man kann auch berufsbe­gleitend die Matura nachholen und dann etwas ganz anderes machen. Das Wichtigste bleibt jedoch dieser Grundsockel.

Es ist absolut begrüßenswert, dass wir seit Kurzem auch die Möglichkeit haben, Lehre mit Matura zu machen, da kann man nämlich beides in einem machen. Das ist zwei­felsohne kein einfacher Weg, aber es ist ein sehr bereichernder Weg.

Dafür, dass wir diesen bereichernder Weg und dieses System haben, bewundern uns sehr viele. Ich war mit dem Kollegen Georg Keuschnigg als Mitglied der türkisch-öster­reichischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe in der Türkei. Wir waren in diesen drei Tagen sehr viel unterwegs, und unter anderem waren wir beim Vizebürgermeister von Istanbul. Der hat uns erklärt und erzählt, dass er österreichische Institutionen wie WKO, bifi, WIFI und wie sie alle heißen, in die Türkei zu Symposien einlädt, damit sie


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sich das dort anschauen und dieses System für die Türkei adaptieren können. Also: So schlecht kann das nicht sein! Das ist absolut begrüßenswert. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Allein das zeigt schon, dass wir auf dem Gebiet wirklich ein Role Model sind, und da­rauf können wir stolz sein.

Eine Message vielleicht noch an die Jugendlichen zu Hause: Lernt was G’scheit’s, und man kann auch Politiker werden. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

19.39


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­rat Zangerl. – Bitte.

 


19.39.51

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Schauen wir einmal! Es kommt immer darauf an, ob es etwas Gescheites ist.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Vorab möchte ich schon sagen, dass dieses Gesetz auch von mir die nötige Zu­stimmung erfahren wird. Ich stehe auch hundertprozentig hinter diesem Gesetz, und das ist auch in Ordnung so, wiewohl man auch weiß, dass an jedem Gesetz irgendje­mand immer etwas herumzunörgeln hat. Das ist die Natur der Sache: Wo viele Men­schen beieinander sind, gibt es viele Gedanken, und das ist bei jedem Gesetz dassel­be. Trotzdem sei es auch mir gestattet, ein paar Anmerkungen, sagen wir Anregungen zu diesem Gesetz zu machen, nicht jetzt umzusetzen, sondern für die Zukunft. Schau­en wir einmal, wie sich das entwickelt!

Das Berufsausbildungsgesetz sieht in § 19c die Möglichkeit von Beihilfen an Ausbil­dungsbetriebe vor, die aus Mitteln des Insolvenzentgeltfonds finanziert werden können. Die Ausgestaltung dieser Beihilfen ist in den Richtlinien des Förderausschusses des Bundesberufsausbildungsbeirates definiert. Konkret gibt es eine Basisförderung für Lehr­betriebe sowie qualitätsorientierte Beihilfen, zum Beispiel als Unterstützungsmaßnah­me für lernschwache Jugendliche, für die Weiterbildung von Lehrlingen, von Ausbild­nern, Prämien für ausgezeichnete Lehrabschlussprüfungen sowie auch für die Förde­rung von jungen Frauen in vorwiegend technischen Lehrberufen.

Was noch zu überlegen wäre, ist eine Möglichkeit zur Förderung von zielorientierten Maßnahmen, um die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Lehrlinge weiter zu verbessern, insbesondere um die Drop-out-Quote zu senken und Instrumente für das Qualitätsmanagement in der Ausbildung zur Verfügung zu stellen. Ich neige deshalb zur Ansicht, dass für die Vergabe von Fördermitteln an Lehrbetriebe künftig aus­schließlich Kriterien der Ausbildungsqualität maßgeblich sein sollten. Die Arbeitgeber­seite tendiert eher zur Beibehaltung der Basisförderung, nehme ich an. (Bundesrätin Zwazl: Bei uns schneiden wir hinsichtlich der Qualität sensationell ab, weil inzwischen 98 Prozent !) – Frau Präsidentin, wir kommen noch dazu.

Derzeit gibt es eine Abgeltung für die Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr, im zweiten und im dritten Lehrjahr. Das ist schon alles in Ordnung, alles super geregelt, aber die knapper gewordenen Mittel sollten nach meiner Meinung an den Nachweis ei­ner qualitätvollen Ausbildung im Lehrbetrieb gekoppelt sein. Das würde zu einem hö­heren Ausbildungsniveau führen, was wiederum insgesamt eine Aufwertung der Lehr­lingsausbildung zur Folge hätte.

Was ist der Hintergrund meiner Überlegungen? – Uns allen droht in den nächsten Jah­ren ein gewaltiger Fachkräftemangel, und das hat heute Minister Hundstorfer nachhal­tig aufgezeigt. Laut einer für die Bundesregierung erstellten Studie wird der Rückgang


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bei den 15-Jährigen bis zum Jahre 2017 enorme Probleme bei den künftigen Fachkräf­ten auslösen. Bis 2017 wird bei unverändertem Einstellverhalten und ohne Anrechnung der AMS-Lehrstellen die Zahl der Lehrlinge extrem sinken. Unsere Betriebe, so schätzt man, werden die größten Probleme bekommen. Sie werden Probleme bekommen, die dringend benötigten Fachkräfte überhaupt noch ausbilden zu können. Umso mehr wä­re es ein Gebot der Stunde, konkrete Verbesserungen bei der Lehrlingsausbildung um­zusetzen, um Jugendlichen einen attraktiven Ausbildungsweg anzubieten.

Bekanntermaßen haben wir einen Geburtenrückgang. Da werden wir auch nichts mehr ändern können, geschätzte Kollegen! Sicher ist jedoch auch, dass immer weniger Ju­gendliche eine Lehre anstreben und lieber eine weiterführende Schule besuchen. Wenn über die Qualität der Lehrlinge oftmals so herumgenörgelt und herumgeredet wird, darf man sich auch nicht wundern, wenn der so dringend benötigte Nachwuchs dann aus­bleibt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Krankjammern macht krank. Man muss nur im­mer wieder behaupten, dass die Lehrlinge eigentlich die Schwächsten in der Schule sind. Dann setzt sich dieser Gedanke fort, und weil das alle sagen, wissen es nachher auch alle. Und wenn es alle wissen, sind Eltern und ihre Kinder bestrebt, einen Bil­dungsweg mit besserem Ansehen einzuschlagen. Das ist menschlich.

Aufgefangen werden könnte diese Entwicklung durch eine Bildungsreform, die auch dafür sorgt, dass die Entscheidung für einen Ausbildungs- beziehungsweise Berufsweg zu einem Zeitpunkt fällt, wo diese auch seriös getroffen werden kann. Derzeit sind es meist die Statusambitionen der Eltern, die spätestens ab der dritten Volksschulklasse zu bangen beginnen, ob sich für ihre Sprösslinge der Übertritt in eine weiterführende Schule ausgehen wird.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Wirtschaft, auf deren Schultern ja die Last der Ausbildung ruht, für die Einhaltung genereller und allseits verbindlicher Ausbildungs­standards ein offenes Ohr hat. Nur wenn am Ende einer Lehrzeit eine zertifizierte Be­rufsqualifikation mit verlässlichen Perspektiven steht, kann die Lehre im Wettbewerb gegenüber den weiterführenden Schulen bestehen. Das sollten wir, und damit meine ich die Vertretung der Arbeitnehmer und auch jene der Wirtschaft, in unsere Überle­gungen einfließen lassen. Durch das Fehlen von festgesetzten Minimalstandards in der Lehrlingsausbildung gerät mitunter die Berufsausbildung zu einer Art Glücksache.

Die Qualität der Ausbildung selbst ist in unzähligen Betrieben – gottlob! – auf einem ausgezeichneten Niveau. Manchmal sehr gut, in wenigen Fällen auch noch ziemlich passabel. Ist aber die Ausbildung irgendwo mangelhaft, fällt das wegen fehlender Mini­malstandards erst gar nicht auf. Da sollten wir uns schon fragen, warum die allen Be­trieben vorgeschriebene Ausbildungsplanung und -dokumentation in Österreich im Un­terschied zu Deutschland offenbar nicht durchzusetzen ist.

Die Zufälligkeit des Wohnortes des Lehrlings sollte sich auch nicht auf die finanziellen Rahmenbedingungen des Auszubildenden und seiner Familien auswirken. Die Kosten einer Internatsunterbringung treffen nämlich in den allermeisten Fällen den Jugendli­chen selbst und natürlich auch seine Eltern. Und auch Fahrtkosten müssen aufgrund der geringen öffentlichen Förderung großteils selber getragen werden.

Ich möchte noch einen Blick auf unsere weiblichen Lehrlinge werfen, und denen würde ich ganz gerne zurufen: Mädels, oder wie wir in Tirol sagen, Madln traut euch! Mäd­chen werden in allen Branchen dringend benötigt und haben alle Chancen, neue Be­rufe zu ergreifen. Die Betriebe brauchen nur ausreichend attraktive Ausbildungsplätze für die Mädchen anzubieten, denn auch Mädchen – und ich hoffe, ich sage das jetzt richtig – stellen ihren Mann.


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Ein Blick auf die Einkommenssituation des Facharbeiternachwuchses zeigt, dass der Burschenanteil in den zehn bestbezahlten Lehrberufen 96 Prozent ausmacht. Der Mädchenanteil in den zehn am schlechtesten bezahlten Lehrberufen macht 89 Prozent aus. Ich meine, das sollte uns ein bisschen nachdenklich machen.

Schlussendlich möchte ich noch auf die Benachteiligung der Lehrlinge gegenüber an­deren Arbeitnehmern im Hinblick auf die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall hinwei­sen: Während es bei Arbeitern und Angestellten einen einheitlichen Zeitraum von sechs Wochen gibt, hinken die Lehrlinge mit lediglich vier Wochen Entgeltfortzahlung deutlich hinterher.

Ja, wie ich gesagt habe: Es gibt überall etwas zu nörgeln, aber ich will nicht zu den Nörglern gehören. Ich ersuche Sie, das als Anregung aufzufassen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, diese Maßnahmen sollten irgend­wann in nächster Zukunft offensiv angegangen werden, aber nicht so, bitte, dass man wieder zur Wirtschaft sagt, deren Klein- und Mittelbetrieb ohnehin schon zum Großteil mit dem Rücken zur Wand stehen, ihr müsst und müsst und müsst. Das wäre der fal­sche Weg und die falsche Botschaft! Wir alle werden uns gemeinsam um diese Pro­bleme kümmern müssen, weil wir dies unserer Jugend und auch irgendwo uns selbst schuldig sind, damit die Lehre auch in Zukunft eine Zukunft hat. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.49


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­rätin Junker. – Bitte.

 


19.49.16

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Meine Damen und Herren! Kollege Zangerl, manchmal weiß man bei dir nicht, was du wirklich willst. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Lehrlingsausbildung bei uns in Österreich ist wirklich ein sensationelles Projekt. Bei uns in Tirol sind es nach wie vor 50 Prozent der Pflichtschulabgänger, die in die Lehre gehen, und in Tirol haben wir auch einen Überhang an Lehrstellen gegenüber den Lehr­stellensuchenden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das vorliegende Berufsausbildungsgesetz, über das wir jetzt schon sehr viel gehört ha­ben und das wir jetzt beschließen werden, soll den Lernschwächeren helfen. Da haben wir manchmal Sorge. 80 Prozent ist handwerkliches Geschick und 20 Prozent ist schu­lisch bedingt, da tun sich manche schwer, und genau dort wird jetzt angesetzt bezie­hungsweise geholfen. Ich glaube, dass dadurch die Drop-out-Quote gesenkt werden kann.

Ich darf jetzt hier ein Beispiel anführen, das wir schon seit 2003 im Bezirk Innsbruck-Land verfolgen. Da ist einmal der Bezirksschulinspektor, da sind die Pflichtschulen, die Wirtschaftsbündler und die Wirtschaftskammer, und da gibt es das Projekt „Schule, Wirtschaft und du“. Die Unternehmer machen das ohne Entgelt. Das kostet den Staat und das Land nichts. Da wurde im ersten Schritt den Berufsorientierungslehrern in Se­minaren beziehungsweise in Workshops gezeigt, was die Wirtschaft braucht, welche Forderungen die Wirtschaft an die jungen Menschen, die ins Berufsleben einsteigen wol­len, stellt.

Der zweite Schritt war dann so etwas wie eine Berufsmesse. Da gehen Unternehmer in die Schulen, und zwar einmal im Jahr. Eingeladen werden die Polytechnischen Lehr­gänge und die Hauptschulen, dritte und vierte Klasse, und auch die Unterstufe Gym­nasium. Und in die Schulen gehen 30 bis 35 Unternehmer, die dort ihren Beruf vor­stellen und die mit den Lehrlingen vor Ort sind, und die jungen Menschen dürfen dann auch handwerklich arbeiten. Also es ist nicht so, dass da jemand nur dasteht und


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erklärt, was ein Mechaniker macht oder was eine Apothekenhelferin macht oder was ein Maler oder ein Fliesenleger macht, sondern die Schüler dürfen auch probieren, wie der Beruf ist, wie sich das abspielt.

Unser Problem dabei ist im Moment, dass zu wenige Eltern mitgehen. In der Berufs­findung muss es uns wirklich gelingen, dass die Eltern bei den ersten Schritten ihrer Kinder schon dabei sind, dass sie sich von der dritten Klasse Hauptschule oder dritten Klasse Unterstufe Gymnasium schon mit der Frage beschäftigen: Wo hat mein Kind seine Schwerpunkte, welche Neigungen hat es, und wie kann es dann im Leben bes­ser vorankommen?

Ich glaube, wenn es uns gelingt, dass Eltern, Kinder, Lehrer und Unternehmer gemein­sam an der Berufsorientierung arbeiten, dann werden wir mehr Kinder und Jugendliche haben, die den Lehrabschluss positiv gestalten und die dann auch ein besseres Aus­kommen in der Berufswelt haben. Daran sollten wir auch in Zukunft arbeiten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.52


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Mit­terlehner. Ich erteile es ihm.

 


19.53.09

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider ist der Herr Kollege Mitterer jetzt nicht da, dem ich sagen wollte, dass wir schon im Nationalrat und im Wirtschaftsaus­schuss die Debatte hatten, was die Ausrichtung des Blum-Bonus anbelangt. Es ist dort mit einer bestimmten Hartnäckigkeit die Meinung vertreten worden, dass der Blum-Bo­nus sozusagen die Ultima Ratio in dem gesamten Metier wäre. Das Problem dabei ist, dass der Blum-Bonus so ausgerichtet war, dass die Betriebe, weil wir damals viele Lehrstellensuchende hatten, über das übliche Ausmaß hinaus, in dem sie Lehrlinge aus­gebildet haben, also zusätzlich Jugendliche aufnehmen sollen. Und diese Zusätzlich­keit ist mit entsprechenden Förderungen belohnt worden.

Jetzt haben wir ein anderes Problem – das haben Sie angesprochen, aber auch Frau Bundesrätin Junker hat es soeben angesprochen –, nämlich, dass wir in Zukunft öfter einen Lehrstellenüberhang haben werden und weniger Jugendliche, die wirklich eine Lehrstelle haben wollen. Warum? – Ganz einfach deshalb, weil der demografische Wandel dazu führt, dass weniger Jugendliche im Alter von 15 Jahren auf dem Markt sein werden. „Auf dem Markt sein“ heißt, sich in diesem Alter für die Schule oder für die Lehre zu entscheiden. Und sie werden in einem Wettbewerb stehen – sie als Ver­treter oder wer immer als Vertreter von Betrieben – mit denen, die im schulischen Be­reich tätig sind.

Es kam gestern im ORF die Meldung, dass die Zahl der Volksschüler im Schul­jahr 2010/2011 einen Tiefstand erreicht hat und dass auch die Zahl der Hauptschüler gesunken ist, dass es aber Besuchsrekorde in den maturaführenden Schulen gibt. Das heißt im Klartext: Der Wettbewerb zwischen Schule und Ausbildung ist im Gange. Und wenn in Tirol noch 50 Prozent feststellbar sind, so ist das schön. Wir sind froh, wenn wir insgesamt die 40 Prozent halten können. Und da ist genau das, was Sie angespro­chen haben, wichtig, nämlich mit der zu beschließenden Novelle die Qualität stärker ins Visier zu nehmen.

Herr Bundesrat Zangerl, was Sie angesprochen haben, wird teilweise mit dieser No­velle erledigt. Qualität zu erreichen heißt, man muss schauen, dass die richtige Berufs­wahl getroffen wird. Dazu gibt es das Coaching. Man muss nicht nur schauen, dass die Lehrlingskandidaten bei der Prüfung nicht durchfallen, sondern man muss auch schau­en, dass sie überhaupt zur Prüfung antreten. Da gibt es Pläne, was Lehrabschlussprü-


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fungen anbelangt, und Abwicklungen, die vielleicht noch verbessert werden können, wenn es heißt, dass schon an die 2 000 Jugendliche nicht einmal zur Prüfung antreten. Daher ist es notwendig, auch die entsprechende Qualität bei der Prüfung vorzusehen. Das ist auch in dieser Novelle intendiert.

Nächster Punkt: Wir wollen in die Ausbildung Qualität hineinbringen. Da braucht es Leitlinien für die Berufsausbildung, weil sich da verschiedenes verändert hat. Und dass auch der Erfahrungsaustausch – die Frau Präsidentin Zwazl hat das angesprochen – wichtig ist, dass internationale Praktika und dergleichen mehr wichtig sind, ist auch kei­ne Frage.

Und zu dem, was Sie, Herr Dönmez, angesprochen haben: Andere Länder – das gilt für die Türkei, das gilt aber auch für Griechenland – importieren von uns das, was wir an System hier haben. Ich glaube, dass das an sich positiv ist.

Insgesamt haben wir natürlich eine Weiterentwicklung bei der Gesamtthematik. Das geht in Richtung Modulsystematik, was die Lehrberufe anlangt. Es geht auch in die Problematik hinein, dass immer noch zu viele, vor allem Mädchen, nur wenige Lehrbe­rufe auswählen. Bei den Burschen sind wir da schon im einstelligen Bereich, da haben wir nicht mehr, etwa beim Kfz-Mechaniker, die Szenerie, dass die im zweistelligen Be­reich dominieren, sondern da ist die Breite schon viel besser geworden.

Das heißt, auch da wird es darum gehen, einiges zu entwickeln. Wir haben da si­cherlich noch nicht das Ende der Entwicklung erreicht. Deshalb hoffe ich, dass wir hier für diese Novelle eine breite Zustimmung bekommen, denn es ist eine wichtige Materie und eine klare Orientierungshilfe.

Meine Damen und Herren, da ich hier jetzt wahrscheinlich das letzte Mal in diesem Jahr rede, möchte ich es nicht verabsäumen, Ihnen alles Gute zu den Feiertagen zu wünschen, insbesondere zu den Weihnachtsfeiertagen.

Ich darf aber diese Gelegenheit auch dafür nützen, mich bei den Regierungsparteien für die Unterstützung zu bedanken, aber auch bei den Oppositionsparteien für die wirk­lich weiterführende Debatte. Es war alles sehr sachbezogen und vieles davon weiter­führend.

In diesem Sinne danke ich für die Möglichkeit, manchmal hier bei Ihnen zu sein. (All­gemeiner Beifall.)

19.57


Vizepräsident Reinhard Todt: Herr Bundesminister, danke für Ihre Wünsche. Auch wir wünschen Ihnen alles Gute und vor allem ein gutes neues Jahr.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Zangerl, bitte.

 


19.58.24

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen, wenn jemand glaubt, dass ich die Segel streiche, wenn mir jemand eine Antwort auf etwas anderes gibt, als ich gesagt habe, dann hat er sich bei mir ge­täuscht.

Tatsache ist, dass ich angeregt habe, eine Imageverbesserung für die Lehrlinge her­beizuführen. Das ist die Quintessenz meiner Aussagen. Und wenn das falsch ist, dann bin ich wahrscheinlich im falschen Boot. Aber es kann nicht sein, dass man ständig he­rumeiert: Alle gehen sie in die Schule, ganz gleich, ob sie es packen oder nicht, und brauchen hunderttausend Nachhilfestunden! – Aber trotzdem ist alles super. Und dann darf man das hier nicht sagen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 186

Man muss schauen, dass für diejenigen, die handwerklich begabt sind, die Berufslauf­bahn imagemäßig so gestaltet wird, dass sie wieder in die Lehrberufe gehen, dass sie wieder einen glücklichen Beruf ausüben können.

Ich würde euch empfehlen: Schaut euch bitte einmal das norwegische System an, wo ein abgeschlossener Meister mindestens das gleiche Image hat wie bei uns ein Bache­lor! – Gute Nacht, liebe Kollegen! (Beifall bei Bundesräten der FPÖ.)

19.59


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Alois Stöger bei uns im Bundesrat (allgemeiner Bei­fall) und verabschiede Herrn Bundesminister Dr. Mitterlehner.

20.00.1730. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten ge­ändert wird (1519 d.B. und 1587 d.B. sowie 8630/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisinger. Bitte um den Bericht.

 


20.00.35

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheits­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstal­ten geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Pirolt. Ich erteile es ihm.

 


20.01.30

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen! Dieses Gesetz sollte wohl eher Kranken- und Kuranstalten-Strukturfehlentwicklungs-Änderungsgesetz heißen, denn die Problemstellung, die wir hier haben, ist ja wohl folgende, dass letzten Endes ein Wettrüsten der Vergangenheit jetzt Zug um Zug aufgearbeitet werden soll, und das bei einer Mischung aus privaten Kranken- und Kuranstalten und öffentlichen Kuranstalten, und dazwischen noch mit vielen Privatkliniken, die jederzeit, während wir hier sitzen, vielleicht noch das eine oder andere Institut eröffnen können, wo letzten Endes unsere Primare in den öffent­lichen Spitälern dann vielleicht den Nebentätigkeitskatalog, den sie sowieso ausrei­chend und ordentlich pflegen, auch weiterhin beibehalten können.


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Auf eines müssen wir schon aufpassen: Das Strukturgesetz, der Strukturplan, der Großgeräteplan greift mittlerweile teilweise, und er greift interessanterweise vor allem bei jenen Spitälern, die privat geführt sind oder kirchlichen Organisationen gehören. Das können wir in Kärnten durchaus beweisen. Die Krankenhäuser Friesach und St. Veit haben einen Abgleich gemacht. Abteilungen wie Gynäkologie und Palliativme­dizin sind aus einem Haus herausgenommen und in ein anderes Haus implantiert wor­den. Das funktioniert recht gut, wie sie es auch beweisen. Die Versorgung über die Landesgrenze hinaus ins Murtal, hin nach Neumarkt bis Scheifling funktioniert gut.

Wir wollen kein Gesetz, das letzten Endes den Leistungskatalog herunterfährt, damit ein Break-even-Point überschritten wird, wo ein Krankenhaus einfach nicht mehr führ­bar ist. Das führt dazu, dass wir in den Randregionen draußen letzten Endes die klei­nen Versorgungseinheiten womöglich verlieren.

Interessant ist aber: Es gäbe Sparpotenzial, wenn man es intern suchen würde und wenn man es umsetzen könnte. Wenn ich es wieder auf Kärnten herunterbreche, dann haben wir folgende Situation: Wir hatten bis vor ein paar Jahren in den Bereichen so­ziale Ausgaben und Gesundheitsausgaben Steigerungsraten von zirka 10 Prozent. Lan­desrat Ragger hat es zuwege gebracht, dass wir bei den Sozialausgaben Steigerungs­raten haben, die in etwa die Inflation ausmachen.

Ich meine, dasselbe muss auch bei den Krankenanstalten möglich sein. Aber da gibt es einen Hemmschuh: Das ist die Gewerkschaft! Und da habe ich in den letzten Tagen beim AKH Wien, wo man auch sparen will, schon den Eindruck, dass die Gewerkschaft dazwischenfunkt. Man gibt sich nicht zufrieden, bevor man nicht ein ähnliches Ergebnis hat wie bei den ÖBB, wie bei der Post oder wie bei der AUA, bis die Betriebe nicht mehr können, und dann muss man sie frisch aufsetzen. Das ist eine große Gefahr!

Das Gleiche gilt auch für Klagenfurt. Klagenfurt hat eines der modernsten Spitäler in Europa, mit Sicherheit in Österreich, aber wir kriegen keine Kostenstruktur zusammen, weil man es nicht darf. Wenn man in Wolfsberg eine Abteilung auflassen würde, wür­den sich die Ärzte weigern, in dieselbe Abteilung nach Klagenfurt zu fahren, um dort zu arbeiten. So, meine Herrschaften, kann es wohl nicht sein! (Zwischenruf des Bundes­rates Mayer.) – Aus meiner Sicht braucht man da einfach mehr Flexibilität, aber die ist nicht gegeben. Da muss von allen Seiten etwas mehr Willen zustande kommen, dann wird das funktionieren.

Ich habe mir einige Stellungnahmen angesehen und muss sagen: Die sind ja merkwür­dig verhalten, und zwar von allen Institutionen, die eine abgegeben haben. Die Ärzte­kammer ist mehr oder weniger sowieso dagegen. Eine Stellungnahme war überhaupt interessant – ich darf zitieren –:

„Generell wird darauf hingewiesen, dass der Gesetzesentwurf insbesondere in den“ Punkten soundso „kaum mehr lesbar und nur mehr mit akribischem Fleiß verständlich ist. Eine radikale Vereinfachung und erhöhte Verständlichkeit wäre dringend anzustreben.“

Die freiheitliche Fraktion wird diesem Entwurf nicht zustimmen. Des Weiteren werde ich auch im Sinne des Landes Kärnten nicht zustimmen. Da möchte ich Kollegen Karl Petritz und Kollegin Ana Blatnik bitten, mich dabei zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.06


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­rätin Köberl. Ich erteile es ihr.

 


20.06.45

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich


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meine, dass genau das Gegenteil der Fall ist: dass gerade mit dieser Gesetzesände­rung die Möglichkeit für eine modulare Zusammensetzung von Krankenanstalten ge­schaffen wird und dass man damit eine höhere Flexibilität der Angebotsstruktur errei­chen wird, die auf den regionalen Bedarf abgestimmt ist.

Mit diesen Möglichkeiten der verschiedenen Betriebs- und Organisationsformen kann zum Beispiel auch bei längeren Rekonvaleszenz-Phasen dem patientenspezifischen Bedarf entsprochen werden.

Mit dieser Novelle, die uns heute hier zur Abstimmung vorliegt, wird umgesetzt, was im Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2010 einvernehmlich zwischen Bund, Län­dern und der Sozialversicherung beschlossen wurde. In diesem Strukturplan wurden erstmals sowohl patientenorientierte als auch effizienzfördernde Flexibilisierungsmög­lichkeiten in Spitälern und auch an den Nahtstellen zwischen Spital und ambulantem Bereich festgelegt. Es können dadurch die Leistungen besser an den tatsächlichen Be­darf vor Ort angepasst, und auch die Effizienz der Spitäler kann dadurch gesteigert werden.

Die Medizin entwickelt sich stetig weiter, wie wir alle wissen, und die Verweildauer bei sämtlichen Operationen und Behandlungen hat sich in den letzten Jahren wesentlich verkürzt. Niemand bleibt freiwillig länger als unbedingt nötig in einem Krankenhaus. Wenn die Möglichkeit besteht, zieht man für kleinere Eingriffe meistens Tageskliniken vor.

Dennoch haben wir in Österreich sehr viele Akutbetten in den Spitälern im Vergleich zu den anderen EU-Staaten, wo im Schnitt 3,8 Akutbetten je tausend Einwohner zur Verfügung stehen. In Österreich sind es mit 6,4 Akutbetten je tausend Einwohner fast doppelt so viele. Dementsprechend werden auch mehr Patienten aufgenommen als in der restlichen EU.

Mit dieser Novelle haben wir etwas vorliegen, das den Ländern und den Spitalsträgern ermöglicht, eine abgestufte Versorgungsstruktur zu schaffen. Damit kann die medizi­nische Akutversorgung patientenorientiert, wohnortnah und – das ist ganz wichtig – in hoher Qualität langfristig sichergestellt werden.

Als neue Versorgungsform werden die Standardkrankenanstalten der Basisversorgung vorgesehen. Das ist sozusagen ein Nahversorger für ein Einzugsgebiet unter 50 000 Ein­wohnern, mit Wochenklinik, Tagesklinik und Akutversorgung. Weiters werden für be­stimmte Leistungsbereiche Referenzzentren zur Durchführung komplexer medizinischer Leistungen vorgesehen.

Durch den Verweis auf den Leistungskatalog des Österreichischen Strukturplans Ge­sundheit – in Bezug auf die in den jeweiligen Organisationsformen zulässigen Leistun­gen – wird mit dieser Gesetzesnovelle eine enge Verzahnung mit dem Strukturplan sichergestellt. Der ständigen medizinischen Weiterentwicklung folgt nun die Anpassung der leistbaren medizinischen Versorgung.

Wir werden mit diesem Gesetz ein Instrument schaffen, mit dem wir die regionale Ver­sorgung, und zwar vor allem im ländlichen Bereich, effektiv und strukturkonform schaf­fen können. Es geht auch darum, kleinere Standorte aufrechtzuerhalten und die Ver­sorgung der Bevölkerung in den Regionen zu verbessern. Der flexiblere Umgang mit Leistungen, die dem Bedarf der Bevölkerung angepasst sind, heißt auch ein besserer Umgang mit unseren Mitteln und die Aufrechterhaltung und Absicherung der Standorte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.10


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­rätin Diesner-Wais. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 189

20.10.36

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen schon lange, dass wir in der Verwaltung und der Struktur unseres Gesundheits­systems Taten setzen müssen. Im Strukturplan 2010 – wir haben es schon von Frau Kollegin Köberl gehört – sind bereits patientenorientierte und effizienzsteigernde Maß­nahmen festgeschrieben worden, die das ermöglichen.

Herr Kollege Pirolt! Wenn Sie sagen, in Kärnten sind es nur die privaten Krankenhaus­träger, bei denen sozusagen der Strukturplan schon greift und auch etwas bringt, so kann ich vom Land Niederösterreich Folgendes sagen: Im Land Niederösterreich hat das Land alle Spitäler übernommen, und dadurch haben wir mehrere Punkte geschafft. Erstens haben wir dadurch die Gemeinden entlastet, die es in der heutigen Zeit oh­nehin nicht so einfach haben. Zweitens haben wir dadurch eine Basis geschaffen, da­mit mehr Effizienz und Einsparungen beim Einkauf, bei den verschiedenen Dingen er­reicht werden können. (Bundesrat Ertl: Die Kosten für die Patienten sind erheblich ge­stiegen, weil sie jetzt zahlen müssen!) – Nein, die Standortgemeinden nicht!

Aber es wurde auch der Grundstein dafür gelegt, dass es einzelne Schwerpunktkran­kenhäuser gibt und damit auch wieder Einsparungen erzielt werden können. Daraus folgend wird natürlich auch die Qualität verbessert. Dieses Gesetz gibt den Ländern die Möglichkeit, nach Bedarf und Notwendigkeit in der Region den Betrieb der Kranken­häuser zu organisieren. Da gibt es jetzt die verschiedensten Möglichkeiten, eben mit den Schwerpunktkrankenhäusern, den Standardkrankenhäusern mit Basisversorgung. Fachbezogen können wir neben den Abteilungen jetzt Departments, Fachschwerpunk­te, Wochenkliniken und Tageskliniken führen.

Wenn Sie sagen, Herr Kollege Pirolt – er hört mir nicht zu! (Bundesrat Schennach: Das ist bei den Kärntnern ...! – weitere Zwischenrufe) –, dass dies nicht für den ländli­chen Raum ist, so muss ich sagen, gerade dieser Schritt ist eine Chance für den ländli­chen Raum, damit dort auch die kleineren Krankenhäuser für die Zukunft erhalten blei­ben können. Diese Novelle dient den Menschen, dass sie im ländlichen Raum auch zu einer wichtigen Akutmedizin kommen, und das eben wohnortnahe! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich meine, die Befürchtungen der Ärztekammer, dass durch die neuen Modelle die ho­he medizinische Qualität nicht aufrechtzuerhalten ist, sind ernst zu nehmen. Man soll dort, wo es Organisationsänderungen gegeben hat, dann auch evaluieren, ob die Qua­lität in Ordnung ist.

Aber ich denke auch, um die notwendige Qualität aufrechtzuerhalten, sind Ärzte in ge­nügender Zahl sehr notwendig. Ich merke, dass wir gerade im ländlichen Raum schon in verschiedenen Fachrichtungen mit einem Ärztemangel zu kämpfen haben. Auch da hat das Land Niederösterreich einen wichtigen Punkt gesetzt: Wir haben eine Medizin-Uni gegründet.

Aber ich glaube, das allein reicht nicht; daher auch meine Frage: Haben wir genug Ausbildungsplätze, um den Bedarf der Zukunft zu decken? – Denn das ist eine wichti­ge Grundvoraussetzung, wenn wir die demografische Entwicklung kennen und ernst nehmen. Ich komme aus dem ländlichen Gebiet, daher ist es mir auch besonders wich­tig, dass im ländlichen Gebiet die medizinische Versorgung genauso wie im urbanen Bereich sichergestellt wird, und das auch mit der gleichen Qualität.

Vielleicht noch ein Punkt: In meinem Bezirk machen wir gerade ein Projekt gemeinsam mit Tschechien, „Health across“, da wollen wir in Zukunft über die Staatsgrenzen hin­weg zusammenarbeiten. Ich glaube, das ist auch eine gute Sache, damit wir die Ver­sorgungssicherheit im ländlichen Raum weiter gewährleisten können.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 190

Ich glaube, dieses Gesetz ermöglicht es den Ländern, mit einer hohen Verantwortung für die Gesundheit unserer Bürger zu arbeiten. Daher werden wir dem Gesetz natürlich zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.14


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile es ihr.

 


20.15.00

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Mi­nister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in ko­legi! Wenn man von Kärnten spricht und hier betont, wie flexibel Kärnten ist und wel­chen guten Willen Kärnten hat – beim Pflegepersonal, bei der Pflege, bei den Sozial­ausgaben –, dann muss ich euch ehrlich sagen: Da wird mir ganz schlecht! (Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Was geschieht in Kärnten? – In Kärnten geschieht, dass zu einem Drittel in den Kran­kenhäusern Pflegepersonal abgebaut wird – das ist nämlich dieser „gute Wille“ –, dass Eltern vor Kurzem eine „Heißes Eisen“-Diskussion über ein Behindertenzentrum orga­nisiert haben und der Herr Soziallandesrat dazu eingeladen worden ist, weil dieses Be­hindertenzentrum vor der Schließung steht, weil es der Herr Sozialreferent so will. Und wer sagt ab? – Der Herr Soziallandesrat, der „Flexible“ mit dem „guten Willen“!

Ich muss euch ehrlich sagen, da hören sich die Flexibilität und der gute Wille endlich einmal auf! Ich will nicht so einen Weg der Flexibilität gehen, und ich bin auch nicht gu­ten Willens, es zu unterstützen, dass man Kärnten hier immer als dieses Bundesland, vor allem betreffend Sozialausgaben, darstellt. Kärnten ist wunderschön, wirklich wun­derschön – landschaftlich! Aber bei den Sozialausgaben ist es alles andere als schön.

(Die Rednerin setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.)

Danke. – Hvala. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.17


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Stö­ger. Ich erteile es ihm.

 


20.17.41

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist dies für mich ein ganz wichtiger und ein ganz besonderer Tag: Wir werden heu­te, wenn Sie zustimmen, einen ganz entscheidenden nächsten Schritt in einer Gesund­heitsreform setzen!

Ich erinnere daran: Ich habe den ersten großen Schritt einer Gesundheitsreform da­durch gesetzt, dass ich die Finanzierung der Gesundheit durch die Gebietskrankenkas­sen begonnen und – mittlerweile traue ich mich auch, es zu sagen – sichergestellt ha­be. Das war der erste große Schritt. Die Menschen brauchen keine Angst zu haben, in Österreich werden sie versorgt! Diese Versorgung ist finanziell abgesichert, und wir denken auch an die Zukunft. – Erster Schritt der Gesundheitsreform.

Der zweite Schritt der Gesundheitsreform ist auch schon umgesetzt, Sie haben ihn schon beschlossen, nämlich die Ärztegesellschaften einzuführen, um in der Region sicherzustellen, dass Ärztinnen und Ärzte zusammenarbeiten können, dass sie auch neue Formen der Zusammenarbeit ausprobieren, damit aber auch länger Leistungen für die Versorgung der Bevölkerung in der Region anbieten können. – Das war der zwei­te große Schritt.

Der dritte große Schritt ist heute begonnen worden und muss noch fortgesetzt werden. Warum sage ich „begonnen worden“? – Wir beginnen jetzt, die Versorgung der Patien-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 191

tinnen und Patienten in den Regionen sicherzustellen. Ich bemühe ein Beispiel – die Steirer mögen es mir verzeihen –, ich nenne das Beispiel Bad Aussee: große politische Diskussionen über den Standort des Krankenhauses. Warum?

Wir haben bisher eine Verpflichtung gehabt, sowohl 30 Betten im Bereich Interne als auch 30 Betten im Bereich der Chirurgie vorzugeben. Wenn ich richtig liege, hat die Region Bad Aussee einen Einzugsbereich von 12 000 bis 15 000 Einwohnern – in die­ser Größenordnung, stimmt das? Da ist es natürlich ein Problem, genügend Aufgaben für die Chirurgie zu haben. Dann hat man Ärzte, die dort zwar rund um die Uhr tätig sind, aber wenig Erfahrung haben, und da ist es nicht mehr gut möglich, die notwen­dige Qualität auch zu erreichen. Insofern macht es Sinn, sicherzustellen, dass auch in der Region rund um Bad Aussee Interne-Leistungen angeboten werden, Notfallleistun­gen angeboten werden, aber möglicherweise medizinische, chirurgische Eingriffe von einem anderen Krankenhaus mitbetreut werden – Montag, Mittwoch und Freitag, oder wie man es dann in den Bundesländern auch organisiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verantwortung für die Bundesländer wird mit diesem Gesetz größer, das ist ganz klar, aber die notwendige Versorgung der Bevölkerung kann dadurch auch sichergestellt werden.

Dieses Gesetz hat meiner Meinung nach einen kleinen Pferdefuß, ich sage das so. (Bundesrat Gruber: Schönheitsfehler!) – Einen Schönheitsfehler, danke! Mir wäre es wirklich lieber, wenn dieses Gesetz sofort in Kraft träte. Das braucht nicht noch neun Ausführungsgesetze! Ich bin wirklich der Auffassung, wir sollten die Gesetze zum Spital hier im Parlament, im Nationalrat und im Bundesrat, beschließen, und das müss­te reichen. Ich sage immer, bei Krankenanstalten- oder Spitalsgesetzen würde ein ein­heitliches Spitalsgesetz in ganz Österreich auch reichen. (Allgemeiner Beifall.)

Gestatten Sie mir noch einen Blick auf die Kärntner Situation, das muss ich mir jetzt herausnehmen. Ich war persönlich dabei, als das Klinikum Klagenfurt eröffnet wurde, ich war schon mehrmals in diesem Krankenhaus. Ich habe großes Interesse daran, wie denn die Krankenanstalten in Österreich funktionieren. Ich kann Ihnen eines sagen – und das ist meine Erfahrung –: Die Ruhe und der Umgang im Krankenhaus, auch die Sorge für die Patientinnen und Patienten sind besser umgesetzt worden in der Zeit, als Landeshauptmann-Stellvertreter Peter Kaiser auch für die Organisation die Verantwor­tung hatte. (Beifall bei der SPÖ.) Leider – ich sage das so – hat die Kärntner Landesre­gierung eine andere Entscheidung getroffen, und seither bekomme ich auch öfters kriti­schere Anmerkungen über die Entwicklung.

Ich denke, es ist wichtig, in den Ländern Verantwortung für die Versorgung der Kran­kenanstalten zu übernehmen. Man braucht auch Ruhe und mittelfristige Entwicklung. Wir brauchen genügend Pflegepersonal in der Region, wir brauchen Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, auch in der Region tätig zu sein. Mit diesem Gesetz schaffen wir dafür die Voraussetzungen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.23


Vizepräsident Reinhard Todt: Es liegt eine Wortmeldung von Herrn Bundesrat Petritz vor. – Bitte.

 


20.23.53

Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herr Minister! Lieber Freund Pirolt! (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Das war eine Ansage!) Ich wollte mich an und für sich zu dieser Sache nicht mehr melden, aber du hast mich herausgefordert. (Bundesrat Gruber: Das sind Männerfreundschaf­ten!)

Ich halte dieses Gesetz, das vorliegt, für in Ordnung, von meiner Seite und von der Seite der ÖVP her. Aber, lieber Pirolt, deine Aussage hat mit diesem Gesetz an und für


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sich nichts zu tun, denn in Klagenfurt handelt es sich um die handelnden Personen, und diese handelnde Person ist Frau Manegold. Das muss man wissen. (Bundesrat Pirolt: Sie hat einen klaren Auftrag!) Und Frau Manegold wird von der FPK gehalten! Sie ist in Frage gestellt, und sie ist in Zugzwang. (Neuerliche Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Ich wollte das nur klarstellen. Ich kann hier nicht mit dir mitstimmen, weil die ganze Sa­che einfach nicht stimmt! Man soll das wirklich klar und deutlich aussagen: Im LKH Kla­genfurt, im größten Krankenhaus Kärntens handelt es sich tatsächlich um die Führung und um die Organisation, und dafür ist Frau Manegold zuständig. – Das wollte ich nur zur Richtigstellung sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.25


Vizepräsident Reinhard Todt: Auch die Kärntner Debatte ist somit zu Ende. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen ... (Widerspruch des Bundesrates Pirolt.) – Noch eine Wortmeldung. Wird das eine tatsächliche Berichtigung? (Ruf: Nein, das ist keine Be­richtigung!) – Bitte.

 


20.25.38

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Es wird nicht lange dauern, aber, Kollegin Ana Blatnik, ich kann das nicht ganz im Raum stehen lassen.

Dieses Behindertenzentrum in Klagenfurt, das jetzt thematisiert wurde, wird nicht auf­gelassen, es wird reduziert. Das weißt du ganz genau! Die restlichen, verbleibenden Kärntner Behinderten werden letzten Endes draußen in den Bezirken aufgefangen. Ich glaube, das ist eine gute Lösung: eine dezentrale.

Der nächste Punkt: Das Pflegepersonal ist nicht um 30 Prozent gekürzt worden, das ist Unsinn. Du weißt ganz genau, dass nach der Kärntner Heimverordnung der Personal­schlüssel von 1 : 3 auf 1 : 2,5 erhöht worden ist. Aber – und das stimmt jetzt schon (Bundesrätin Blatnik: Die Qualität!) – die Diplomierten sind um 30 Prozent zurückge­fahren worden. Das ist ein Faktum. (Bundesrätin Blatnik: Bitte, Franz, die Qualität!)

Lieber Karl! Zum Klinikum Klagenfurt: Frau Dr. Manegold ist, glaube ich, eine sehr gute Managerin, das weißt du auch. Sie hat einen klaren Auftrag, aber leider Gottes (Zwi­schenrufe bei ÖVP und SPÖ) nimmt die Wadlbeißerei eben kein Ende! (Beifall bei der FPÖ.)

20.26


Vizepräsident Reinhard Todt: Ich denke, jetzt ist die Kärnten-Debatte beendet.

Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.27.20 31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Kranken­anstalten-Arbeitszeitgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz und das Berufs­ausbildungsgesetz geändert werden (Zahnärztliche Assistenz-Gesetz) (1499 d.B. und 1592 d.B. sowie 8631/BR d.B.)

 



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Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen zum 31. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte um den Bericht.

 


20.27.40

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Geschätztes Präsidium! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Krankenanstalten-Ar­beitszeitgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Ver­lesung des Antrages.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Köberl. Ich erteile es ihr.

 


20.28.35

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erinnern Sie sich vielleicht noch an Ihren letzten Zahnarztbesuch? – Wenn nein, dann wird es Zeit, dass Sie sich bei Ihrem Zahn­arzt wieder um einen Termin kümmern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn ja: Erinnern Sie sich vielleicht noch an die freundliche, kompetente Zahnarzthel­ferin? (Ja-Rufe bei der SPÖ.) – Meist sind es ja Frauen, die Sie nicht nur zu Ihrem Zahnarztstuhl begleitet haben, Ihnen möglicherweise noch Mut zusprechen mussten, die letztendlich auch noch fachgerecht dem Arzt oder der Ärztin assistiert und für die­sen auch noch alles Mögliche gemischt und hergerichtet haben.

Um genau diese Zahnarztassistentinnen geht es heute. Das zahnärztliche Personal in den Ordinationen hat zwar eine entsprechende Ausbildung, meist machen die Assis­tentinnen auch laufend Kurse, um auf dem neuesten Stand zu sein, dennoch werden sie bis dato nur als Hilfspersonal geführt. Es gab bis jetzt keine gesetzliche Regelung, die Tätigkeit wurde daher auch nicht als Gesundheitsberuf anerkannt. Dies soll sich mit unserem heutigen Beschluss ändern.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, das ist ein wichtiger Tag, besonders für uns Frauen, nicht nur dass wir die Töchter in die Bundeshymne aufgenommen haben, sondern es sind auch meist Frauen, die bei fast 5 000 Zahnärzten in ganz Österreich beschäftigt sind.

Offensichtlich hat man sich bereits 1961 beim Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste damit beschäftigt: Dort sind die Ordinationshilfen geregelt, aber es wird explizit darauf hingewiesen, dass jene in Ordinationen von Fachärzten für Zahnheilkunde sowie Dentisten ausgenommen sind.

Es besteht aber schon lange ein Bedarf an der Schaffung des Berufsbildes eines Ge­sundheitsberufes mit einer reglementierten Ausbildung. Seit Anfang der neunziger Jah­re wurde daran gearbeitet, einen Lehrberuf zahnärztliche Assistentin zu schaffen. Da aber im Gesundheitsbereich bis jetzt keine gesetzliche Grundlage für Lehrausbildun­gen bestand, war die Schaffung einer Lehre etwas kompliziert und hat daher sehr lan­ge gedauert. Jetzt ist es aber so weit, und diese Berufsgruppe bekommt endlich ein vernünftiges Gesetz, mit dem auch die bestehende Ausbildung abgeändert wird und nunmehr ein Regellehrberuf im Gesundheitswesen eingeführt wird.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 194

Mit den Übergangsbestimmungen in diesem Gesetz wird auch gewährleistet, dass in Ausbildung stehende Personen eine Berufsqualifikation erlangen und ebenfalls als Fach­kraft mit Qualifikation anerkannt werden.

Mit der Spezialqualifikation Prophylaxeassistentin wird eine erweiterte Ausbildung, auf­bauend auf die zahnärztliche Assistentin, nun ebenfalls gesetzlich geregelt. Diese ge­setzliche Änderung bringt nicht nur den Zahnärzten eine Absicherung ihrer Ordination, sondern vor allem mehr Rechtssicherheit für die DienstnehmerInnen und natürlich auch für uns Patienten bei der Behandlung.

Gerade der Prophylaxe, denke ich, sollte in den Ordinationen mehr Raum gegeben werden, wie es in Zahnambulatorien schon teilweise geschieht.

Herr Minister Stöger, ich gratuliere zu dieser Gesetzesvorlage und zur Schaffung eines neuen Lehrberufes. Wir haben ja heute schon sehr viel über die Lehre gehört. Dieser Gesetzesbeschluss ist auch ein Beweis für die gute österreichische Gesundheitspolitik. Wenn die zahnärztliche Assistentin jetzt auch noch ihrer Ausbildung entsprechend ent­lohnt wird, dann können wir vollauf zufrieden sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.32


Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


20.32.38

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Kollegen und Kolleginnen im Bundesrat! Wir haben schon ge­hört, wir beschließen heute eine Änderung des Zahnärztegesetzes. Einerseits setzen wir dadurch auch EU-Recht um und andererseits schaffen wir ein neues Berufsgesetz für die zahnärztliche Assistenz. Als Frau freue ich mich natürlich besonders, denn es sind gerade als zahnärztliche AssistentInnen sehr viele Frauen tätig, und die bekom­men jetzt ein neues Berufsbild und ein neues Gesetz. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis es so weit gekommen ist, aber mit diesem Gesetz wird die Zahnarztassistenz als Ge­sundheitsberuf anerkannt und auch eine Ausbildung festgelegt.

Die Ausbildung erfolgt im Rahmen einer dreijährigen Lehre, wir haben heute schon sehr viel über die Lehre gesprochen. Die Lehre ist ein gutes und bewährtes System und wir können wirklich sehr stolz darauf sein, denn von außen erachtet man unser duales System als eine Besonderheit. Man kommt aus vielen Ländern, um sich das an­zuschauen, denn es ist wirklich eine gute Ausbildung, bei der man fachliches Wissen paart mit der praktischen Tätigkeit, und die praktische Tätigkeit ist für die jungen Men­schen und ihr Berufsleben sehr wertvoll.

Diese verbesserte Ausbildung ist natürlich ein Vorteil für jene Frauen, die beim Zahn­arzt arbeiten, aber auch für uns Kunden und Patienten, die hinkommen, denn es ist gut, wenn man weiß, man wird von gut ausgebildeten Menschen umsorgt.

Es ist auch schon angesprochen worden, dass man auf diese Ausbildung dann noch eine weitere aufsetzen kann und damit die Qualifikation als „Prophylaxeassistentin“ er­langt.

Was mir noch besonders wichtig erscheint, das sind die Übergangsbestimmungen, die in diesem Gesetz enthalten sind, denn ich glaube, es ist auch ganz wichtig, dass nicht nur jene, die den Beruf jetzt neu erlernen, sondern auch jene, die schon in Ausbildung sind, diesen Berufstitel bekommen und führen dürfen und natürlich auch dann in den Berufsschutz fallen. Das ist für ihr späteres Leben etwas Wichtiges.

Mit diesem Gesetz schaffen wir einen neuen Gesundheitsberuf mit einer verbesserten Ausbildung. Eng verbunden für die Zahnarztassistentin und natürlich auch für uns Pa-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 195

tienten ist damit, dass ein guter Service gewährleistet wird. Daher können wir diesem Gesetz nur die Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.35


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


20.35.30

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Inhaltlich ist schon alles gesagt worden und es ist deutlich gemacht worden, was neu ist. Ganz besonders ist: Wir haben 50 Jahre und mehr gebraucht, den Frauen, die bei den 4 735 Zahnärzten in Österreich arbeiten, auch ein Berufsrecht zu geben. Ich bin froh darüber, dass das heute bei Ihnen über die Bühne geht.

Bitte, liebe Zahnärztinnen und Zahnärzte – ich möchte das auch unterstreichen –, schauen Sie auch darauf, dass dies ein starker Beruf wird! Ein bisschen erkennt man das auch am Geld, das man für diese Berufsqualifikation zahlt. Ich sage das auch deutlich dazu, ich habe es auch im Nationalrat gesagt.

Abschließend möchte ich mich bedanken, nicht nur bei den Zahnärztinnen und Zahn­ärzten, sondern, weil das in diesem Jahr, so ich annehme, mein letzter Auftritt im Ho­hen Haus ist, nämlich bei allen, die in Österreich mitwirken, dass es so ein gutes Ge­sundheitssystem gibt, dass sie sich tagtäglich der Sorgen und Ängste der Menschen annehmen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich bei allen zu bedanken, die da­zu beitragen, den Ärztinnen, den Ärzten, dem Krankenpflegepersonal, den technischen Diensten, aber auch dem, der das Krankenbett schiebt, auch dem oder derjenigen, die die Menschen pflegt, und auch der Putzfrau, die dafür sorgt, dass das Krankenhaus keine Keime hat. All jenen möchte ich herzlich Danke sagen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.37


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke, ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

20.37.5432. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Neuen Psy­choaktiven Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, NPSG) (1518 d.B. und 1593 d.B. sowie 8611/BR d.B. und 8632/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nun kommen wir zum 32. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte um den Bericht.

 


20.38.18

Berichterstatterin Martina Diesner-Wais: Ich bringe den Bericht des Gesundheits­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 196

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


20.39.08

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Wir gehen einen Weg, der für Österreich untypisch ist, der aber ein sehr guter Weg ist. Drei Ministerien, ein gemeinsamer Weg – Herr Mi­nister, ich gratuliere herzlich zu dieser Gesetzesinitiative. Ich denke mir, das kann Vor­bildwirkung haben, hier kann wirklich etwas erreicht werden.

Es ist so, dass Chemikalien, die als legale Alternative zu Drogen gelten, mit diesem Gesetz, das ab Jänner 2012 in Kraft treten wird, verboten sind. Die oft für jugendliche Zielgruppen sehr ansprechend vermarkteten sogenannten neuen psychoaktiven Sub­stanzen stellen ein kaum einschätzbares Gesundheitsrisiko für die Konsumentinnen und Konsumenten dar. In Reaktion auf die leichte Abänderbarkeit der einzelnen Zu­sammensetzungen werden aber mit diesem Gesetz ganze Substanzgruppen erfasst.

Mit dem Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz beschreitet Österreich neue Wege. Einerseits soll mit diesem Gesetz der Verbreitung von Chemikalien zu Konsumzwe­cken Einhalt geboten werden. Andererseits – und ich denke mir, das ist sehr, sehr wichtig – soll die Informationsgrundlage vor allem in Richtung Prävention geschaffen werden. Der Umgang mit Drogen erfordert von uns allen sehr große Sorgsamkeit, und die Menschen, die von dieser Sucht betroffen sind, brauchen auch sehr viel Hilfe und Verständnis. Ich denke mir, dass wir mit diesem Gesetz den Weg gehen können, für die Menschen, die diese Chemikalien bis jetzt genommen haben, verführt wurden, die­se Chemikalien zu nehmen, dieses hohe Risiko zu entschärfen.

Es ist nicht nur ein sehr hohes Risiko, dieses Risiko kann zum tödlichen Risiko werden. Ich bin davon überzeugt, dass die Erzeuger dieser Substanzen sehr oft nicht einmal wissen, welches Risiko sie für diese Menschen bereithalten, weil es bei den Erzeugern und bei den Händlern teilweise wirklich nur um Profitgier geht und um nichts anderes.

Das neue Gesetz verfolgt den Ansatz, dass nicht nur einzelne Substanzen – ich habe es schon gesagt –, sondern Verbindungsklassen vorausschauend erfasst werden kön­nen. Es soll mit den definierten gerichtlichen Straftatbeständen gezielt angebotsseitig die Erzeuger und Händler treffen, ohne jedoch – und das ist, glaube ich, auch sehr, sehr wichtig – Konsumenten und Konsumentinnen strafrechtlich zu verfolgen, denn wir würden hier die Drogenkranken wiederum in eine Kriminalität hineintreiben, wiederum in eine neue schwierige Situation hineintreiben. Ich glaube, dass das nicht richtig wäre. Durch die Definition der justizstrafrechtlichen Tatbestände sollen die Erzeuger und Händler von ihren Machenschaften abgeschreckt werden, oder, wenn sie sich nicht ab­schrecken lassen, für das Profitinteresse, die Verleitung zu und Vermarktung von Sub­stanzen und Produkten, bei deren Konsum ein erhebliches Gesundheitsrisiko nicht un­wahrscheinlich ist, aber zur Verantwortung gezogen werden können.

Die Substanzen können, auch wenn keine bestimmten Personen verfolgt oder verurteilt werden, trotzdem aus dem Verkehr gezogen werden, außer es wird ein rechtmäßiger Verwendungszweck glaubhaft gemacht.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 197

Ich denke mir, man kann das jetzt auf drei Dinge beschränken, die vorhanden sein müssen, um den Tatbestand zu erfüllen. Erstens: Verboten ist, das Zeug genau des­wegen zu verkaufen, damit der Kunde sich zudröhnt – um das jetzt in einer sehr ein­fachen, aber deutlichen Sprache zu sagen. Für Industrie und Forschung hingegen – und auch das ist, glaube ich, sehr wichtig – sollen diese Substanzen legal bleiben. Zweitens: Nur der Verkauf ist strafbar – das möchte ich nochmals betonen, weil ich glaube, dass das sehr, sehr wichtig ist. KonsumentInnen müssen zwar damit rechnen, dass ihnen die Substanzen weggenommen werden, aber sie kommen ohne Strafe da­von. Drittens: Es geht um chemische, veränderte Substanzen. Natürliche Substanzen mit berauschender Wirkung bleiben legal, sofern sie nicht im Suchtmittelgesetz gere­gelt sind.

Ich denke mir, dass wir hier ein wichtiges Gesetz beschließen, mit dem wir nicht aus­grenzen, nicht noch mehr verurteilen, sondern mit dem wir helfen und manches gefähr­liche bis tödliche Risiko vermeiden können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.43


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte.

 


20.43.58

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, es wird Ihnen nicht viel anders ergehen als mir, nämlich dass Sie es genauso erschre­ckend und zunehmend besorgniserregend finden, dass es immer wieder Menschen gibt, die ganz bewusst und gezielt chemische Substanzen mit drogenähnlicher Wirkung erzeugen und anbieten, nur mit der einen Absicht, damit das große Geld zu machen.

Diese chemischen Substanzen sind oft Nebenprodukte der Arzneimittelproduktion oder durchaus auch bekannte Substanzen mit leicht veränderten chemischen Strukturen und unterliegen daher nicht der Drogengesetzgebung, obwohl sie auch eine drogen­ähnliche Wirkung haben. Diese neuen Drogen konnten deshalb, obwohl sie im höchs­ten Maße gesundheitsgefährdend sind, legal vertrieben werden.

Die Versuchung, diese neuen psychoaktiven Substanzen auszuprobieren, ist daher vor allem bei den Jugendlichen relativ hoch. Relativ hoch ist aber auch die Gefahr von ge­sundheitlichen Risiken, da diese Substanzen überhaupt nicht einschätzbar sind. Wir wissen auch alle, dass jemand, der einmal Drogen probiert und so versucht, der realen Welt zu entfliehen, meist in der irrealen Welt mit all ihren sozialen, wirtschaftlichen und vor allem gesundheitlichen Folgen landet.

Es ist aber auch unbestritten, dass Drogenmissbrauch nicht nur per Gesetz in den Griff zu bekommen ist. Es braucht, glaube ich, begleitend dazu auch entsprechende Maß­nahmen zur Prävention. Mit Aufklärung und dem verstärkten Bewusstmachen, welche Folgen ein bisschen Probieren haben kann, kann vielleicht so mancher Einstieg in die Drogenabhängigkeit wirkungsvoller als mit jedem Gesetz verhindert werden.

Dennoch bin ich sehr froh, dass es gelungen ist, hier ein Gesetz zu schaffen, um der Verbreitung dieser neuen Drogen entgegenzuwirken. Erzeuger und Händler sollen damit abgeschreckt werden, und hoffentlich wird ihnen damit auch das Handwerk ge­legt. Mit diesem Gesetz wird skrupellosen Drogenproduzenten aktiv der Kampf ange­sagt. Damit ist Österreich auch europaweit Vorreiter, und vielleicht gelingt es auch, dass die EU einmal ein Gesetz, welches von Österreich ausgeht, übernimmt und nicht nur immer umgekehrt. (Bundesrat Boden: Ja, freilich! Weil wir so wichtig sind!)

Die ÖVP-Fraktion wird diesem Gesetzesbeschluss jedenfalls zustimmen. – Danke. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.46



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 198

Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


20.47.08

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist noch nicht so lange her, dass das Thema Spice durch alle Medien gegangen ist. Es war, wie soll man sa­gen, eine beliebte Alternative zu verbotenen Substanzen, wie zum Beispiel Cannabis, und ich kann mich noch erinnern, es war lange Zeit die Frage, warum das Zeug über­haupt wirkt und warum das funktioniert. Es war nicht bekannt, was drin ist, und es war auch nicht bekannt, welche Nebenwirkungen es hat, aber es war legal.

Das Verbot dann umzusetzen, als man dann draufkommen ist, dass es sehr wohl abhängig macht und dass es sehr wohl auch erhebliche gesundheitliche Schäden mit sich bringen kann, hat dann auch noch eine Zeit lang gedauert, weil das irgendwie eine neue Geschichte war.

Inzwischen ist es so, dass es von diesen neuen psychoaktiven Substanzen alle zwei Monate etwas Neues am Markt gibt, wie man hört – die Namen merkt man sich schon gar nicht mehr –, die Kids sich freuen: Aha, jetzt ist es legal!, es ausprobieren und sich mehr oder weniger als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen. Es ist, glaube ich, das Allerschlimmste daran, dass man wirklich nicht weiß, welche Langzeitwirkungen die­se Dinge haben.

Insofern stimmen wir natürlich diesem Gesetz heute zu, und ich bin auch froh darüber, dass es – wie soll man sagen – eine einfache Handhabung geben wird, um künftig die­ser Substanzen auch wirklich habhaft zu werden und sie möglichst rasch verbieten zu können.

Ich möchte auch betonen, wie die Kollegin Gruska vorher, dass es ganz wichtig ist, dass die KonsumentInnen in dem Fall nicht bestraft werden, denn das Suchtmittelge­setz ist gerade für die Gruppe, die es betrifft, auch schon jetzt oft ein großes Problem, mit den Auswirkungen, die diese Bestrafungen und diese Verfolgungen für den Konsu­menten und die Konsumentin mit sich bringen. In dem Zusammenhang würde ich mir wirklich wünschen, dass man diesen Zugang, wie man ihn jetzt bei den psychoaktiven Substanzen hat, vielleicht auch einmal für das Suchtmittelgesetz andenkt, denn letzt­endlich geht es um Aufklärung, damit ich weiß, was ich tue. Ich glaube, den meisten hier ist bekannt, es gibt legale Drogen, es gibt illegale Drogen. Die legalen Drogen sind zum Teil gefährlicher als die illegalen, also das heißt jetzt nicht nur ehemals Spice und Cannabis, sondern das heißt auch Alkohol, Nikotin und andere weiche Drogen, die nicht verboten sind.

Ich würde mir wünschen, dass man beim Suchtmittelgesetz auch diesen Weg be­schreitet. Damit könnte man wahrscheinlich eine ganze Menge Geld einsparen, wenn man die ganzen polizeilichen Verfolgungen von Konsumentinnen und Konsumenten einsparen würde. Aber es gibt da auch andere Ansätze. Es gibt zumindest in diesem Bereich Menschen, die sogar gern Steuern zahlen würden.

Also ich meine, dass wir in Österreich irgendwann einmal darüber nachdenken könn­ten, diesen Zugang, den wir jetzt haben, nämlich einen relativ strikten Zugang im Ver­gleich zu anderen Ländern, auch in der Umgebung – beispielsweise in Tschechien wird das anders gehandhabt (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – vielleicht auch einmal zu überdenken. Im Prinzip geht es einfach darum, dass den Menschen bewusst sein muss, was sie tun. Es gibt Studien, diese Studien kann man veröffentlichen, und dann wissen die Leute auch, was sie machen.

Wie gesagt, wir stimmen dem Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz zu, auch weil es vielleicht ein gutes Vorbild für weitere Umsetzungen ist.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 199

Ich möchte auch erinnern: Rausch ist so ein Ding, mit dem man dem Alltag entflieht, legal oder illegal; und ich würde schon bitten, dass man sich auch darüber Gedanken macht, warum immer jüngere Menschen und immer mehr Menschen sich wirklich häufig diesem Rausch und dieser Flucht aus dem Alltag ergeben müssen. Auch das ist, glaube ich, ein Punkt, an dem man arbeiten muss in der Gesellschaft, um nämlich zu verhindern, dass diese Sucht, ständig zugedröhnt zu sein, überhaupt erweckt wer­den kann.

Egal, ob mit legalen oder illegalen Drogen, es ist ungesund für die Zukunft unserer Kin­der. Ich denke, auch das zu beachten ist ganz wichtig. – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

20.51


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


20.51.33

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschreiten neue Wege. Ich möchte meine Rede nützen, um ganz, ganz deutlich zu sagen, wie die Situation in Österreich ist.

Wir merken, dass wir zunehmend mehr psychoaktive Substanzen am Markt finden, das steigt gewaltig an. Wir merken auch – und das überprüft die AGES PharmMed –, dass die Qualität dieser Substanzen sehr unterschiedlich und sehr, sehr gefährlich sein kann und ist. Ich sage ganz deutlich allen, die leicht verführt werden können: Tun Sie das nicht! Das ist eine ganz, ganz große Gesundheitsgefahr! Wer immer Ihnen diese psy­choaktiven Substanzen anbietet, das ist eine Gesundheitsgefahr! Das soll man nicht verwenden!

Wenn Sie das heute beschließen, schafft der Gesetzgeber Möglichkeiten, das auch für Österreich einzudämmen, zurückzunehmen und die Schuldigen, die schnelles Geld ma­chen, zu bestrafen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.52


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.53.1933. Punkt

Jahresvorschau des BMG 2011 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programmes der Europäischen Kommission für 2011 und des Programms des Rates (ungarische Präsidentschaft) (III-426-BR/2011 d.B. sowie 8633/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen damit zum 33. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Bitte um den Bericht.

 


20.53.45

Berichterstatterin Martina Diesner-Wais: Der Bericht des Gesundheitsausschusses über die Jahresvorschau des BMG 2011 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programmes der Europäischen Kommission für 2011 und des Programms des Rates (ungarische Präsidentschaft) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 200

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 den Antrag, die Jahresvorschau des BMG 2011 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission für 2011 und des Programms des Rates (ungarische Präsidentschaft) (III-426-BR/2011 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

Da ich heute das letzte Mal hier beim Rednerpult bin, möchte ich noch allen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute im neuen Jahr wünschen! (Allgemeiner Beifall.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Herr Bundesminister, wir wünschen Ihnen ein schönes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und alles Gute für 2012! (Bundesminister Stöger verlässt den Saal.)

Wir begrüßen bei uns nun Herrn Staatssekretär Schieder. (Allgemeiner Beifall.)

20.55.4834. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz zur Festlegung von Haftungsobergrenzen des Bundes (Bundeshaftungsobergrenzengesetz – BHOG) erlassen, das AUA-Finan­zierungsgesetz, das Bundesgesetz vom 14. Feber 1973 betreffend die Übernah­me der Bundeshaftung für Darlehen und sonstige Kredite der Flughafen Wien Betriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung, das Bundesgesetz vom 8. No­vember 1973 betreffend die Übernahme der Bundeshaftung für Anleihen, Darle­hen und sonstige Kredite der Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke – Alpine Montan Aktiengesellschaft, das Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 be­treffend die Übernahme der Bundeshaftung für die Konversion von Anleihen, Darlehen und sonstigen Krediten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (Verbundgesellschaft) und der Sondergesellschaften, das Energieanleihegesetz 1982 und das BAWAG P.S.K.-Sicherungsgesetz aufgeho­ben und das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das IAKW-Finanzierungsgesetz, das Bundesgesetz vom 3. Juni 1964 betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck-Brenner, das Tauernautobahn-Finanzie­rungsgesetz, das Pyhrn Autobahn-Finanzierungsgesetz und das Arlberg Schnell­straße Finanzierungsgesetz geändert werden (1517 d.B. und 1561 d.B. sowie 8644/BR d.B.)

35. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird (1509 d.B. und 1565 d.B. sowie 8645/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nun kommen wir zu den Punkten 34 und 35 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 34 und 35 ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um die Be­richte.

 


20.56.34


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 201

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Festlegung von Haftungsobergrenzen des Bundes (Bundeshaftungsobergrenzenge­setz – BHOG) erlassen, das AUA-Finanzierungsgesetz, das Bundesgesetz vom 14. Fe­ber 1973 betreffend die Übernahme der Bundeshaftung für Darlehen und sonstige Kredite der Flughafen Wien Betriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung, das Bun­desgesetz vom 8. November 1973 betreffend die Übernahme der Bundeshaftung für Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite der Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke – Alpine Montan Aktiengesellschaft, das Bundesgesetz vom 24. Jän­ner 1979 betreffend die Übernahme der Bundeshaftung für die Konversion von Anlei­hen, Darlehen und sonstigen Krediten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Ak­tiengesellschaft (Verbundgesellschaft) und der Sondergesellschaften, das Energiean­leihegesetz 1982 und das BAWAG P.S.K.-Sicherungsgesetz aufgehoben und das Bun­deshaushaltsgesetz, das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das IAKW – Finanzierungs­gesetz, das Bundesgesetz vom 3. Juni 1964 betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck-Brenner, das Tauernautobahn-Finanzierungsgesetz, das Pyhrn Autobahn-Fi­nanzierungsgesetz und das Arlberg Schnellstraße Finanzierungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme nun zum zweiten Bericht. Es ist dies der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


20.59.00

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Dieser Gesetzentwurf über die Haftungsobergrenzen hat durchaus auch positive Aspekte. Die Zusammenfassung aller Haftungen mit einer Obergrenze ist be­grüßenswert. Auch das Monitoring durch die Statistik Austria, wie es dort vorgesehen ist, ist sicherlich eine gute Idee. Die Prüfung hinsichtlich Auswirkungen auf Familien, Jugendliche und Generationen ist ebenfalls begrüßenswert.

Wir sollen hier eine Obergrenze der Haftungen für 193 Milliarden € beschließen. Der­zeit liegt die Haftung für diese ausgelagerten Schulden bei zirka 112 Milliarden €. Das heißt, wir lassen mit diesem Gesetz eigentlich eine Steigerung um 72 Prozent zu. Ich frage mich, wie das mit der Schuldenbremse vereinbar sein soll.

Wahrscheinlich oder sogar sicher wäre es gescheiter gewesen, wenn wir heute ein Ge­setz für eine Haftungsobergrenze für den Euro-Rettungsschirm beschließen würden, da haben wir nämlich schon 220 Milliarden € an Haftungen. Aber auch sonst ist dieses


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 202

Gesetz eher als Stückwerk zu bezeichnen. Es fehlt der Zusammenhang. Wie wird bei­spielsweise ein Monitoring bei den Bundesländern einbezogen? Wie soll das dort gere­gelt werden? Und wie bereits gesagt, der Kontext zur Schuldenbremse mit all den da­raus resultierenden Folgen und Maßnahmen fehlt eigentlich völlig. Man hat irgendwie das Gefühl, dieses Gesetz ist zu einem Zeitpunkt gebastelt worden, wo die Schulden­bremse noch nicht das wirkliche Thema war.

Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Das war in aller Kürze die Be­gründung dafür. Trotzdem: schöne Weihnachten! (Beifall bei der FPÖ sowie des Bun­desrates Dönmez.)

21.01


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


21.01.30

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir be­schließen ein Gesetz, mit dem erstmals verbindliche Haftungsobergrenzen für den Bund eingeführt werden, und es findet auch eine Haftungsübernahme von außerbudgetären Einrichtungen erstmals Berücksichtigung. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Gleichzeitig haben sich auch die Länder verpflichtet, für Landeshaftungen Obergren­zen festzusetzen. So werden die Länder in Zukunft sicherlich verstärkt nachdenken, wie sie in diesem Rahmen ihre Haftungen einsetzen, und dann kommt es hoffentlich nicht mehr zu einer Monster-Haftung wie jener des Landes Kärnten in der Höhe von 20 Mil­liarden € für die Hypo. (Bundesrätin Mühlwerth:  Niederösterreich!) Jetzt und auch nach den Ausführungen von Frau Kollegin Blatnik verstehe ich auch den Werbeslogan „Kärnten is a Wahnsinn“, der einmal aktuell war. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Wie in jedem Unternehmen ist es auch im Staat wichtig, das Risiko zu antizipieren, denn nur dann, wenn das Gesamtrisiko transparent ist, haben wir auch Freiräume für die Planung und Gestaltung der Zukunft, was vor allem für die nächste Generation wichtig ist. Darum verstehe ich auch nicht, warum die Opposition wieder einmal nicht über den Tellerrand hinaus schauen kann oder will. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum zu Wort. – Bitte. (Bundesrat Mayer – in Richtung der sich zum Rednerpult bege­benden Bundesrätin Kerschbaum –: Nimm dir ein Beispiel! – Bundesrätin Kerschbaum: An der Kürze? Werde mich bemühen!)

 


21.03.04

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen leider zweimal Nein sagen. Der Finanzausgleichsgesetz-Novelle werden wir aus folgenden Gründen nicht zustimmen: Es gibt diese 20 Millionen € für die Unter­stützung des Bundesamtes für Migration und Asylwesen, doch sind da keine Verbes­serungen erkennbar. Es ist nicht erkennbar, dass die Fälle schneller abgewickelt werden, aber die Qualität leidet. Das ist nicht unser Ziel. Auch ein Zweckzuschuss zur Transparenzdatenbank ist jetzt nicht unbedingt der Bereich, wo wir zustimmen wollen.

Beim Bundeshaftungsobergrenzengesetz geht es darum, dass wir prinzipiell natürlich die kommende Transparenz begrüßen. Wir begrüßen auch, dass es eine Obergrenze geben wird. Aber was uns ein bisschen fehlt: Es gibt zwar einen Bericht aus dem Bud­getausschuss dazu, aber es geht – wie ich leider auch im Ausschuss noch einmal ver­sichert wurde – nur um eine Aufsummierung der Haftungen. Das heißt, wir werden


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 203

dann nicht nur wissen, welche Haftungen die staatsnahen Unternehmen angehäuft ha­ben, sondern auch, welche sie mehr oder weniger selbst übernommen haben. Die feh­len nämlich jetzt noch.

Prinzipiell: Die zusätzliche Transparenz ist wichtig, aber es wäre eben auch wichtig, dass man dann daraus Schlüsse zieht und vielleicht bei manchen Vorhaben von staats­nahen Unternehmen – wie bei der ASFINAG, wo es mit den Haftungen sehr üppig hergeht – überlegt, ob man wirklich alles braucht, was da so an Haftungen angedacht ist. Deshalb werden wir dem nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Kraml zu Wort. – Bitte.

 


21.04.52

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Im Stabilitätspakt 2011 sind verbindliche Haf­tungsobergrenzen für die Bundesebene, für die Länderebene und für die Gemeinde­ebene vorgesehen. Im BHOG werden jetzt auch die außerbudgetären Einheiten er­fasst. Die verbindlichen Haftungsobergrenzen werden für die Jahre 2012 bis 2014 ge­schaffen. Die Bundeshaftung darf maximal 193,1 Milliarden € an Kapital betragen, die wiederum auf die einzelnen Bereiche aufgeteilt werden.

Mit dem BHOG wird auch eine Melde- und Berichtspflicht an die Statistik Austria einge­führt, allerdings nicht für alle Bereiche. Da hat man sich nicht einigen können. Insge­samt gesehen sollte das BHOG zu einer stabilen Geld- und Budgetpolitik führen, und die werden wir in den nächsten Jahren ganz sicher brauchen.

Im Tagesordnungspunkt 35 geht es um Änderungen im Finanzausgleichsgesetz, und zwar im Wesentlichen um drei Punkte. Erstens: die Ertragsanteile der Länder aus der Umsatzsteuer werden für die Jahre 2012 bis 2014 um 20 Millionen € pro Jahr angeho­ben. Mit diesen zusätzlichen Finanzmitteln sollten die Landesverwaltungsgerichtshöfe, das Bundesamt für Asyl und die Transparenzdatenbank errichtet werden.

Für den Umbau des Kinderbetreuungsangebotes erhalten die Länder für die Jah­re 2012 bis 2014 jährlich 15 Millionen €, und auch für die sprachliche Frühförderung gibt es zusätzliches Geld. Wichtig wird sein, dass die Gemeinden finanziell wieder in die Lage versetzt werden, ihren Aufgaben nachzukommen. Das ist jetzt nicht mehr ganz so der Fall.

In Zukunft wird auch jede Aufgabe zu prüfen sein, und am Ende des Tages werden wir ohne zusätzliche Mittel sicherlich nicht auskommen. Dann wird es darum gehen, wie diese zusätzlichen Mittel steuergerecht verteilt werden.

Wir werden diesen beiden Punkten zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


21.07.11

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn diese 193 Milliarden € wirklich die Bundeshaftungsobergrenze wären, wäre es wirklich transparent, aber zu meiner Überraschung – nach einer exzellenten Frage vom geschätzten Herrn Kollegen Gruber im Finanzausschuss – ist das noch nicht alles.

Das Finanzministerium weiß noch nicht, was wirklich die Summe der gesamten Bun­deshaftungen ist und wie es wirklich mit dem österreichischen Staatshaushalt dort aus-


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 204

schaut. Ich war überrascht, als ich das gehört habe. Das wollte ich nur zur Abstimmung dazusagen, nämlich dass dieses Gesetz offensichtlich noch nicht das Ende ist. – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Mag. Schie­der. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


21.08.06

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die zwei Gesetzesmaterien, die gerade miteinander verhandelt worden sind, sind einerseits das Bundeshaftungsobergrenzen­gesetz, das eine bundesseitige Umsetzung der Vereinbarung im Österreichischen Sta­bilitätspakt des heurigen Jahres darstellt.

Es gibt auch quasi aufseiten der Länder und Gemeinden die Umsetzung. Damit wird zum ersten Mal die Möglichkeit geschaffen, dass das Gesamtrisiko des Bundes durch die Haftungsübernahmen vollständig überblickt, in weiterer Folge überwacht und da­durch in weiterer Folge in einem erträglichen, finanzpolitisch sinnvollen Ausmaß gehal­ten werden kann.

Der Haftungsrahmen für Bundeshaftungen ist zurzeit in der Höhe von 64 Prozent des Bruttoinlandprodukts oder 193,1 Milliarden € möglich. Es ist richtig, er ist zurzeit nicht voll ausgenützt. Der tatsächliche Ausnützungsstand der Haftungen Ende September des heurigen Jahres beträgt 112 Milliarden € und ist damit auch signifikant niedriger als die Gesamtobergrenze von 193 Milliarden €, was die maximale Ermächtigung zu Haf­tungsübernahmen darstellt.

Das heißt nicht, dass mehr geplant ist. Ganz im Gegenteil. Es ist auch so, dass durch den Abfall von Haftungen – sprich: durch den Wegfall von Haftungen, die auch eine zeitliche Begrenzung haben – eine Reduktion auf 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts jedenfalls bis 2014 erreicht wird und vermutlich schon bis 2013 erreicht werden kann, nämlich dann, wenn nicht neuer Haftungsbedarf entsteht, oder dass, wenn neuer Haf­tungsbedarf entsteht, er durch Kürzung anderer Haftungen kompensiert werden kann. Unter diesen Maßnahmen ist schon 2013 eine Reduktion auf 60 Prozent des Bruttoin­landsproduktes möglich.

Es sind alle Haftungsübernahmen des Bundes, auch von den außerbudgetären Einhei­ten, die dem Sektor Staat zugerechnet werden, in diesen Haftungsobergrenzen be­rücksichtigt und abgebildet. Wir müssen uns hier an den Vorgaben des ESVG orien­tieren, und das ist auch sinnvoll, weil damit auch quasi die Festlegung der betroffenen außerbudgetären Einheiten genau gemäß den europäischen Vorgaben jährlich aktua­lisiert werden kann und auch Teil der ausführlichen Rechenschaftspflicht gegenüber den Gremien des Nationalrates und des Budgetausschusses ist.

Das zweite Gesetz, die Novelle des Finanzausgleichsgesetzes 2008 betreffend, hat ei­nerseits die erfolgreiche Hinzurechnung von jeweils 20 Millionen € in den Jahren 2012, 2013 und 2014 zu den Ertragsanteilen der Länder zum Gegenstand, womit eine Ver­einbarung von Oktober 2011, die mit den Finanzausgleichspartnern getroffen wurde, erfüllt wird, nämlich eine Finanzierung zur infrastrukturellen Aufwertung zur Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen und zur Einführung der Transparenzdatenbank sowie des Bundesamtes für Asyl und Migration. Es stellen übrigens sowohl die Lan­desverwaltungsgerichtshöfe als auch das Bundesamt gelungene Beispiele einer erfolg­reichen Umsetzung von Verwaltungsreform dar, und die Transparenzdatenbank wird ja auch in der weiteren Folge ein gelungenes Beispiel sein. Aber jetzt geht es darum, in der Programmierung und im Zusammenspiel der Datenbanken diesen Erfolg gemein­sam mit den Ländern auch sicherzustellen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 205

Der zweite Punkt ist die Neuregelung der Verteilung des Getränkesteuerausgleichs an die Gemeinden, wo es im Wesentlichen nicht zu einer monetären Erhöhung kommt, sondern die seinerzeitige Aufteilung zwischen den einzelnen Gemeinden vom Verfas­sungsgerichtshof nicht mehr als verfassungskonform anerkannt wurde und jetzt mit dieser Novelle sichergestellt wird, dass bei der Budgetierung der Mittel auch von einer gesicherten Rechtsgrundlage auszugehen ist, damit auch die Gemeinden auf einer ge­sicherten Basis ihre Budgetierungen bezüglich der Getränkesteuer vornehmen können.

Der letzte und dritte Punkt ist nicht minder wichtig, ganz im Gegenteil, ich halte ihn für besonders wichtig, nämlich dass die Zweckzuschüsse an die Länder für den Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes auch noch einmal verlängert worden sind. Das ist ja, obwohl eigentlich Kinderbetreuung keine Bundeszuständigkeit ist, ein klares politisches Signal auch seitens des Bundes, dass der Ausbau von qualitativ hochwertiger Kinder­betreuung auch der Bundesregierung und dem Bund ein wichtiges Anliegen ist und man daher auch die Bemühungen der hiefür zuständigen Länder mit diesen Zweckzu­schüssen unterstützt, genauso wie auch allfällige Zweckzuschüsse für die sprachliche Frühförderung oder, wie es heißt, für die frühe sprachliche Förderung im Rahmen des Kindergartens – hiefür 5 Millionen €; für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtun­gen 15 Millionen € – zur Verfügung gestellt werden.

Es soll aber hier auch nicht unerwähnt bleiben, dass für die konkrete Ausgestaltung der Bedingungen, der Konditionalitäten und der Aufteilung eine Artikel-15a-Vereinbarung zurzeit gerade in Diskussion auch mit den Finanzausgleichspartnern ist und demnächst abschlussreif ist, sodass hiermit dann auch die zweite notwendige Rechtsgrundlage, nämlich die 15a-Vereinbarung geschaffen wird.

Ich halte beide Gesetzesmaterien für sehr, sehr wichtig, denn das Bundeshaftungs­obergrenzengesetz war ein wichtiges Vorhaben zur Begrenzung des finanziellen Risi­kos des Staates. Ich bitte aber auch, dass man Haftungen nicht mit Schulden ver­wechselt. Das sind schon zwei verschiedene Finanzinstrumente. Es ist aber trotzdem sehr wichtig, auch bei den Haftungen die Begrenzung derselben einzuführen, genauso wie die Finanzausgleichsnovelle sicherstellt, dass Verwaltungsreform und Kinderbe­treuung in Österreich weiter vorangetrieben werden können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsober­grenzengesetz erlassen, das AUA-Finanzierungsgesetz und weitere Gesetze aufgeho­ben und das Bundeshaushaltsgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezem­ber 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 ge­ändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 206

21.15.26 36. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geldgesetz 2010, das Finalitätsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarktaufsichts­behördengesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Ratingagenturenvollzugsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zah­lungsdienstegesetz geändert werden (1508 d.B. und 1563 d.B. sowie 8646/BR d.B.)

37. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Guatemala über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1469 d.B. und 1564 d.B. sowie 8647/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 36 und 37 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 36 und 37 ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um die Be­richte.

 


21.15.55

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwe­sengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geldgesetz 2010, das Finalitätsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Kapital­marktgesetz, das Ratingagenturenvollzugsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme gleich zum zweiten Bericht des Finanzausschusses, jenen über den Be­schluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Guatemala über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Dezember 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2
B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


21.17.39

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Gesetz geht es um die neuen Eigenkapitalrichtlinien, die den systemrelevanten Banken in Öster-


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reich vorgeschrieben werden. Dieses Gesetz ist bereits vor zwei Jahren in der EU in Brüssel verabschiedet worden und kommt zwei Jahre später nach Österreich. Ehrlich gesagt: So werden Sie die Finanzmärkte nie in den Griff kriegen. Die sind wesentlich schneller, da müssen Sie wesentlich schneller zu Entscheidungen kommen.

Dieses Gesetz wäre im Grunde ganz sinnvoll, weil es die Banken zu einem verantwor­tungsvollen Handeln zwingt. Und da bin ich nicht deiner Meinung, liebe, geschätzte Sonja, dass die österreichischen Firmen genügend Eigenkapital haben, denn das ha­ben sie definitiv nicht. Diesbezüglich gibt es genügend Berichte. (Bundesrätin Zwazl: Sie haben einen Zuwachs von 7 Prozent!) Haben sie definitiv nicht, und dadurch sind die Firmen von den Kreditlinien der Banken abhängig, und deswegen wird jetzt dieses Basel III zu weiteren restriktiven Kreditlinien führen.

Das Wesentlichste dieses Gesetzes ist aber etwas anderes, nämlich dass sich der ös­terreichische Staat und damit die Staatswirtschaft Sonderrechte ausbedungen hatte, und zwar Sonderrechte, die den Finanzmarkt betreffen, denn der österreichische Staat ist ja der größte Finanzmarktspekulant Österreichs, der über zwei Drittel der gesamten Anleihen an der Wiener Börse bedient, weil er sein marodes Staatsdefizit finanzieren muss. Diese Sonderrechte betreffen die Staatsanleihen. Die Staatsanleihen sind näm­lich von dieser Eigenkapitalhinterlegung ausgenommen, und das ist eine eindeutige Ungerechtigkeit gegenüber den Klein- und Mittelbetrieben und sonstigen Betrieben Ös­terreichs, denn für die gilt das bei den Corporate Bonds nicht. Die müssen nämlich sehr wohl Eigenkapital hinterlegen, und damit müssen sie höhere Zinsen anbieten, da­mit die Banken diese Anleihen kaufen.

Durch diese Sonderregelung, also dadurch, dass diese Eigenkapitalquote für diese Staatsanleihen nicht gilt, möchte der österreichische Staat die Banken, die er so sehr kritisiert – aber er braucht sie unbedingt –, mit einem Wettbewerbsvorteil dazu zwingen oder herausfordern, diese Anleihen zu kaufen. Das lehnen wir Freiheitlichen eindeutig ab. Das ist ein typisches Beispiel, wie eine ungesunde österreichische Staatswirtschaft die gesunde Realwirtschaft verdrängt. Dies geht absolut zulasten einer positiven Wirt­schaftsleistung Österreichs.

Damit komme ich zum zweiten Punkt: Sie suchen die Investoren, Sie suchen den Fi­nanzmarkt. Aber was bietet der österreichische Staat einem Investor, den er für die Fi­nanzierung dieser maroden Staatswirtschaft benötigt? – Sie bieten 218 Milliarden € Staatsverschuldung, Sie bieten jedes Jahr 10 Prozent mehr Ausgaben als Einnahmen. Und das BIP, die Wirtschaftsleistung als Messzahl, die Sie im Stabilitätspakt immer an­führen, stimmt ja sowieso nicht. Wir haben jetzt mit einer Rezession zu tun. Die Wirt­schaftsleistung, die Sie mit 2 Prozent angeben – 2012, 2013, 2014 –, wird so nicht kommen. Und wenn diese Wirtschaftsleistung nicht kommt, stimmen Ihre Verschul­dungszahlen nicht (Staatssekretär Mag. Schieder: Sie haben die falschen Zahlen!), die Prozentsätze, die Sie ja unbedingt in die Verfassung hineinschreiben wollen. Und an dem Tag, wo Sie diese Schuldenbremse implementieren wollen, an diesem Tag ha­ben Sie die Schuldenbremse auch schon gebrochen, weil der ganze Stabilitätspakt da­rauf aufbaut, dass Sie weitere Schulden machen. Das kann nicht funktionieren!

Daher werden die Investoren fragen: Was sind die tatsächlichen Größen? Was ist Ihre tatsächliche Leistung (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ), die des österreichi­schen Staates, der Bundesregierung? Was ist die tatsächliche Leistung? – Dass Sie Überschüsse produzieren, darum wird es gehen. (Bundesrat Mag. Klug: Welche Pro­zentsätze kommen in die Verfassung?) Denn: Das Schneeballsystem der Bundesregie­rung, alte Staatsanleihen durch neue Staatsanleihen zu tilgen, wird so nicht mehr funktionieren. (Ruf: Wer hat diese Rede geschrieben?) Mit einer Entlastung steigen die Reallöhne, steigen die Gewinne, steigt die Kaufkraft, und dann, sehr geehrter Herr Staatssekretär, dann steigt die Wirtschaftsleistung.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 208

Aus diesem Grund lehnen wir Freiheitlichen dieses Basel III, diese Basel-III-Restrik­tionen ab, aber in erster Linie wegen der Wettbewerbsvorteile für den österreichischen Staat. – Danke sehr.

Ich komme zum angenehmen Teil des heutigen Abends, des ganzen Tages, und darf im Namen meiner freiheitlichen Fraktion frohe und gesegnete Weihnachten wünschen: allen Bundesrätinnen und Bundesräten und auch allen parlamentarischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für den Bundesrat in diesem Hause, diesem wunderschönen Hause, das aus der glorreichen Gründerzeit der österreichischen Monarchie stammt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

21.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


21.22.55

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die von der internationalen Finanzbranche eingegangenen Risiken haben uns massive Probleme gebracht. Dies führte zu negativen Auswirkungen auf unsere Wirtschaft; das ist ja hinlänglich bekannt. Diese Krise war aber vor allem auf das Fehlen von interna­tionalen und europäischen Regelwerken zurückzuführen. Als Reaktion darauf kam es im Rat zu einer Novellierung der Basel-II-Richtlinien mit einem Maßnahmenpaket, durch das die Eigenkapitalvorschriften für Handelsbuch und Wiederverbriefung erhöht wurden sowie die europäischen Aufsichtsregelungen gestärkt wurden.

Wir diskutieren aber heute hier Basel II und die Novellierung, die absolut nichts mit Ba­sel III zu tun hat. Basel III wird noch kommen, und wir haben das ja auch im EU-Aus­schuss schon diskutiert. Das ist eine ganz andere Baustelle, Herr Kollege.

Mit diesem Maßnahmenpaket wird sichergestellt, dass die internationalen und natio­nalen Finanzmarktaufsichten effizienter zusammenarbeiten werden. Weiters werden die Kreditinstitute, die in die Wiederverbriefung investieren, zu einer Due-Diligence-Prüfung verpflichtet. All diese Maßnahmen, die natürlich auch den Verbraucher schüt­zen, zielen darauf ab, das Finanzsystem transparenter zu machen und somit das Ver­trauen wiederherzustellen. Und das ist unserer Fraktion sehr wichtig.

Ich schließe mit den besten Weihnachtswünschen unserer Fraktion und erlaube mir noch, an Sie zu appellieren, Ihre Weihnachtsgeschenke in der Region zu kaufen. Sie sichern dadurch Arbeits- und Ausbildungsplätze, leisten einen Beitrag zur Lebensqua­lität, schonen die Umwelt und verhindern das Abwandern in die Ballungszentren mit den bekannten Folgeproblemen. In diesem Sinne: Schöne Weihnachten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei Bundesräten der FPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

21.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


21.24.54

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wir stimmen beiden Punkten zu. Ich kann mir die Erläuterungen der Gesetze jetzt ersparen. Frau Kollegin Winzig hat alles gesagt, was wichtig ist; ich will das jetzt nicht wiederholen.

Ich darf Ihnen allen im Namen der SPÖ-Fraktion ein frohes Weihnachtsfest und für 2012 alles Gute wünschen! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

21.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Mag. Schie­der. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 



BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 209

21.25.44

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fülle von Weihnachts­wünschen und kurz gehaltenen Reden macht mir natürlich jetzt Druck, zu versuchen, den doch umfassenden Inhalt dieser Gesetzesinitiative bezüglich CRD III und Omni­busrichtlinie hier trotzdem kurz darzustellen.

Ich möchte aber Folgendes vorausschicken, vor allem für den einen Kollegen im Bun­desrat, der sich vorhin zu Wort gemeldet hat: In Wahrheit geht der Großteil zurück auf einen EU-Richtlinienbeschluss vom November 2010. Wir haben bereits Anfang 2011 den Großteil all dieser Vorschriften, die die EU zur Umsetzung in nationales Recht vor­gelegt hat, umgesetzt. Der wesentliche Teil ist die Neuregelung des Vergütungs- und Bonisystems in Kreditinstituten und Finanzinstituten. Und bei dem heutigen Beschluss geht es darum, noch einen restlichen Teil, der noch in Ausarbeitung war, fristgerecht mit Jahresende umzusetzen.

Der zweite Punkt, weil Sie Zahlen genannt haben: Ich kann Ihre Budgetzahlen nicht ganz nachvollziehen. Das österreichische Budget für 2012 ist prognostiziert mit 3,2 Pro­zent Defizit bei 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum. Wir haben nicht 2 Prozent und sonstige hohe Werte zugrunde gelegt, sondern wir haben die niedrige Prognose, die leider niedrige Prognose genommen, denn die Kunst des guten Kaufmanns ist es, immer von den möglichst schlechtesten Annahmen, was die Einnahmen betrifft, auszu­gehen, um auf der sicheren Seite zu budgetieren.

Realwirtschaftlich ist – das muss man aber auch sagen – entgegen der Diskussion auf den europäischen Finanzmärkten die österreichische Volkswirtschaft eine sehr gute, getragen von den UnternehmerInnen, Firmen, Großunternehmen und Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmern. Wir haben eine hohe Produktivität, wir haben einen hohen Leistungsstandard, wir haben einen hohen Ausbildungsstandard, und wir gehören auch bei wichtigen volkswirtschaftlichen Kennzahlen wie zum Beispiel Arbeitslosenrate, Ju­gendbeschäftigungsrate zu den Besten in der Europäischen Union. Es ist mir insofern ganz wichtig, das zu betonen, weil auch ganz andere, horrende Zahlen innerhalb Euro­pas und auch in Amerika in diesem Bereich herrschen und weil das eine ganz, ganz wichtige Voraussetzung auch zum Erhalt der Kaufkraft in diesem Land ist.

Noch in aller Kürze: Was ist – in Ergänzung zu den Ausführungen der Kollegin, die vor­hin gesprochen hat – noch in dieser CRD-III-Richtlinie? – Mehr Risikoprofil und Risiko­überprüfung seitens des Unternehmens, Einrichtung eines Vergütungsausschusses für die strengere Umsetzung der Vergütungspolitik – das heißt, Boni nur unter strengeren Auszahlungsbedingungen –, stärkere Regeln für Eigenkapitalanforderungen und er­höhte Risikogewichtung und Offenlegungsbestimmungen. Das sind alles Lehren aus der Finanzkrise, dass wir sagen: mehr Eigenkapital, mehr Eigenkapital vor allem bei mehr Risiko, und mehr Transparenz.

Die Omnibusrichtlinie geht ja zurück auf die sogenannten De-Larosière-Empfeh­lungen, wo es um einen stärkeren Aufsichtsrahmen geht, um Verbraucherschutz zu stärken und um so auch das Risiko und die Erschütterungsgefahr bei Finanzkrisen zu verringern. Hier geht es vor allem auch um die neue europäische Aufsichtsagentur. Da ist zum Beispiel auch ein verstärkter Aufsichtsrahmen für Ratingagenturen drinnen. Ich möchte hier aber auch nicht verheimlichen, dass meiner Meinung nach die Diskussion noch wesentliche Schritte weitergehen muss und ich hier sehr unterstütze, was Kommissar Barnier ursprünglich zur Regulierung zum Beispiel von Ratingagenturen angekündigt hat.

Dann gibt es noch weitere Änderungen im Versicherungsaufsichtsgesetz, die ebenfalls diesem Gedanken Rechnung tragen, und auch eine bessere Strukturierung der Auf­sichtsorgane zwischen Finanzmarktaufsicht und Oesterreichischer Nationalbank. Alle


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 210

diese Maßnahmen bringen einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand auch für die zwei Aufsichtsstrukturen mit sich, aber keine Mehrbelastung für den Steuerzahler und die Steuerzahlerin. Das heißt kein Mehr an Kostenbeiträgen des Bundes, sondern diese bleiben dort fixiert, wo sie jetzt sind. Die Mehrbelastungen werden durch stärkere Sy­nergieeffekte in der Kostenstruktur dieser beiden Einrichtungen getragen. Und wir wer­den gleichzeitig auch die Geldwäsche-Vor-Ort-Prüfungen bei der Finanzmarktaufsicht konzentrieren, um sie somit schneller, effektiver und auch effizienter in der Nutzentra­gung auszustatten.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie diesen beiden Gesetzesvorlagen – also auch dem Abkommen mit Guatemala – Ihre Zustimmung geben.

Auch ich darf Ihnen allen Frohe Weihnachten wünschen, ein gutes Jahr 2012, vor al­lem in der Hoffnung, dass 2012 doch ein besseres Jahr wird, als es uns vorausgesagt ist. Ich möchte nicht nur den Damen und Herren Bundesräten alles Gute von meiner Seite wünschen, sondern auch allen Zuschauerinnen und Zuschauern, die durch die Initiative von ORF III auch die Möglichkeit haben, die Bundesratsdebatten und damit auch Demokratie live im Fernsehen zu erleben.

Ich selbst habe heute natürlich auch den ganzen Tag beobachtet, was los ist, auch weil ich mich immer frage, wann wir hier erscheinen müssen. Das ist ein wesentlicher Beitrag, auch um Demokratie und parlamentarische Institutionen in diesem Land zu verstehen.

In diesem Sinne alles Gute für 2012! (Allgemeiner Beifall.)

21.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Staatssekretär, wir wünschen Ihnen auch das Allerbeste!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. De­zember 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Repu­blik Guatemala über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 211

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist abermals die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.33.00 38. Punkt

Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2012

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 38. Punkt der Tagesordnung.

Da mit 1. Jänner 2012 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Steiermark über­geht und gemäß Artikel 36 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Gregor Hammerl, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der VizepräsidentInnen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin bezie­hungsweise des Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nun in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wählen­den Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundes­rätin Mag. Susanne Neuwirth lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Ich nehme die Wahl gerne an und danke für das Vertrauen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gratuliere.

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundes­rat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Ruf: Ein Hearing! – Heiterkeit.) – Das ist Stimmen­einhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass sich der Gewählte herzlich bedankt. (Heiterkeit und allge­meiner Beifall.)

Wahl der SchriftführerInnen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftfüh­rerInnen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 212

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Josef Sal­ler, Ewald Lindinger und Martina Diesner-Wais für das erste Halbjahr 2012 zu Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand besteht, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Ein­wand erhoben

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Wahl­vorschlag ist damit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik und Diesner-Wais sowie die Bundesräte Saller und Lin­dinger nehmen die Wahl an.)

Ich gratuliere den Gewählten. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der OrdnerInnen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordner und der Ordnerin.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Karl Boden und Cornelia Michalke für das erste Halbjahr 2012 zur Ordnerin beziehungs­weise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand besteht, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle ebenfalls Stimmeneinhelligkeit fest. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Tiefnig und Boden sowie Bundesrätin Michalke nehmen die Wahl an.)

Ich gratuliere allen Gewählten. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.37.08Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen, 2862/J bis 2864/J, ein­gebracht wurden.

Darüber hinaus teile ich mit, dass die Petition betreffend Optimierung der österrei­chischen Entwicklungszusammenarbeit, überreicht von Bundesrat Stefan Schennach (29/PET-BR/2011), eingebracht wurde, die dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zugewiesen wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg er­folgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 2. Februar 2012, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 213

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen wie immer jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs- be­ziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 31. Jänner 2012, 14 Uhr, vorge­sehen.

Ich wünsche Ihnen allen, auch den Hörern und Sehern Frohe Weihnachten! (Allge­meiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

21.38.09Schluss der Sitzung: 21.38 Uhr

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1017 Wien