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804. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 2. Februar 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

804. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Februar 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Februar 2012: 9.00 – 19.59 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die Aufhebung und Rehabilitierung (Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011)

2. Punkt: Bericht gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 und 2010 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde

3. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Russischen Föderation über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

4. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbil­dung/Grund­kompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden

6. Punkt: Kulturbericht 2010

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird (ChemG-Novelle 2011)

8. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grüner Bericht 2011)

9. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2012 gemäß § 9 LWG 1992

10. Punkt: Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 – NGP 2009


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: EU-Jahresvorschau des BMLFUW 2011 auf Grundlage der Arbeits­programme der EU-Präsidentschaften

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 10

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Mandats­verzicht des Bundesrates Manfred Gruber ............................................................................................................ 12

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 13

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes in den Bundesrat ......................................................................................................................................... 14

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ................................................................................................................ 15

Angelobung des Bundesrates Robert Zehentner ...................................................... 16

Antrittsansprache des Präsidenten Gregor Hammerl ............................................. 17

Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark Mag. Franz Voves gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung – Bekanntgabe ................................................................................. 22

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung                   22

Landeshauptmann Mag. Franz Voves ....................................................................... 22

Debatte:

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 27

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 29

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 31

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 34

Landeshauptmann Mag. Franz Voves .................................................................. ..... 36

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Wiederernennung eines ordentlichen Mitgliedes des Ausschusses der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz .......................... 54

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag über eine Verstärkung der Wirtschaftsunion durch den Herrn Bundespräsidenten                          54

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Moldau über die gegenseitige Hilfeleistung bei Naturkatastrophen oder technischen Ka-


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 3

tastro­phen und die Zusammenarbeit bei deren Prävention durch den Herrn Bundespräsidenten ................................................. 57

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föde­ration betreffend die Übergabe der Büchersammlung Esterházy an die Republik Österreich durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 58

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Ordnungsruf ................................................................................................................. 129

Aktuelle Stunde (12.)

Thema:Für die Zukunft unseres Landes: Defizit- und Schuldenabbau“ ........... 36

Redner/Rednerinnen:

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 37

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 39

Mag. Reinhard Pisec .............................................................................................. ..... 41

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ...........................................  44, 53

Marco Schreuder .......................................................................................................... 47

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 48

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 50

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 51

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .......................................................  60, 61

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 62

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  53, 188

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­minis­terin für Inneres betreffend Ausschreitungen im Umfeld des WKR-Balls 2012 (2875/J-BR/2012) ........................ 127

Begründung: Gerd Krusche ........................................................................................ 127

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 131

Debatte:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 134

Christoph Kainz ...................................................................................................... ... 139

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 142

Efgani Dönmez, PMM .......................................................................................  144, 152

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 146


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 4

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 147

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 149

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufhebung und Rehabilitierung (Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011) (1773/A und 1644 d.B. sowie 8653/BR d.B.) ................................................................................................................. 62

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 62

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 63

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ..... 64

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 66

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 67

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 69

2. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 und 2010 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde (III-449-BR/2011 d.B. sowie 8654/BR d.B.) ................................................................................ 69

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 69

Redner/Rednerinnen:

Mag. Christian Jachs ................................................................................................... 69

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 70

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ..... 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-449-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 76

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1410 d.B. und 1646 d.B. sowie 8656/BR d.B.) ................................. 76

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 76

Redner/Rednerinnen:

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 76

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 77

Mag. Reinhard Pisec .............................................................................................. ..... 78

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 79

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ..... 80

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................... 81

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Jänner 2012 betreffend Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/Grund­Kommunikation­petenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflicht­schulabschlusses (1511 d.B. und 1627 d.B. sowie 8657/BR d.B.) ............................... 81


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 5

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ......................................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 81

Notburga Astleitner ................................................................................................ ..... 83

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 84

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 86

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 86

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 88

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ..... 89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 90

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Jänner 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirt­schaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunter­richts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprü­fungs­gesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1617 d.B. und 1628 d.B. sowie 8658/BR d.B.) ...................................................................................................... 90

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ......................................................................... 90

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 90

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ..... 93

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 94

Notburga Astleitner ................................................................................................ ..... 95

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 96

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 99

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 101

6. Punkt: Kulturbericht 2010 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-441-BR/2011 d.B. sowie 8659/BR d.B.) ............................................................................................................... 101

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ....................................................................... 101

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 102

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 104

Josef Saller .............................................................................................................. ... 106

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 107

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 109

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 111

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 112

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-441-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 113

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird (ChemG-Novelle 2011) (1468 d.B. und 1638 d.B. sowie 8655/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 114

Berichterstatter: Klaus Konrad ................................................................................... 114

Redner/Rednerinnen:

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 114

Werner Stadler ........................................................................................................ ... 115


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 6

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 116

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 118

8. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forst­wirtschaft (Grüner Bericht 2011) (III-446-BR/2011 d.B. sowie 8660/BR d.B.) ...................................................................... 118

Berichterstatter: Georg Keuschnigg .......................................................................... 118

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 118

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 121

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ... 123

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 124

Walter Temmel ........................................................................................................ ... 125

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 153

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 156

Friedrich Hensler .................................................................................................... ... 158

Robert Zehentner .................................................................................................... ... 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-446-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 162

9. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forst­wirtschaft im Jahre 2012 gemäß § 9 LWG 1992 (III-447-BR/2011 d.B. sowie 8661/BR d.B.) ............................. 162

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................ 162

Redner/Rednerinnen:

Friedrich Reisinger ................................................................................................. ... 162

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ... 164

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 165

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 167

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 168

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 169

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-447-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 172

10. Punkt: Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 – NGP 2009 des Bun­des­ministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-420-BR/2010 d.B. sowie 8662/BR d.B.)                        172

Berichterstatter: Georg Keuschnigg .......................................................................... 172

Redner/Rednerinnen:

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 172

Michael Lampel ....................................................................................................... ... 173

Peter Mitterer .......................................................................................................... ... 175

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 176

Josef Steinkogler .................................................................................................... ... 178

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 178

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-420-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 180


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 7

11. Punkt: EU-Jahresvorschau des BMLFUW 2011 auf Grundlage der Arbeits­pro­gramme der EU-Präsidentschaften (III-430-BR/2011 d.B. sowie 8663/BR d.B.) ................................... 180

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 180

Redner/Rednerinnen:

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ... 181

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 182

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 184

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 185

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 186

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-430-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 187

Eingebracht wurden

Petitionen .............................................................................................................  61, 188

Petition betreffend sichere und kurze Zugänge zum Bahnhof Korneuburg (Ord­nungsnummer 30/PET-BR/2012) (überreicht von Bundesrätin Elisabeth Kersch­baum)

Petition betreffend „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ (Ordnungsnummer 31/PET-BR/2012) (überreicht von Bundesrätin Inge Posch-Gruska)

Anfragen der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Personenschutz für Rakhat Aliyev (2865/J-BR/2011)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend desaströse hygienische Verhältnisse bei der Semmelproduktion (2866/J-BR/2011)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend desaströse hygienische Verhältnisse bei der Semmelproduktion (2867/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Traktor(nicht)zulassung auf 50 km/h (2868/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Konsequenzen aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, Teile der Luftverkehrsbetreiberzeugnisverordnung 2008 – AOCV 2008 als verfassungswidrig anzusehen (2869/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verzögerungen bei der angekündigten Novelle zur Zivilluftfahrtpersonalverordnung 2006 (2870/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend die Konsequenzen aus der klaren Verfehlung der SES-Zielvorgaben durch die Geschäftsführung der Austro Control (2871/J-BR/2011)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die luftverkehrspolitischen Zielsetzungen – Luftfahrtstrategie Österreich (2872/J-BR/2011)


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 8

Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vollziehung der Ersatzbestimmungen für das anti-homosexuelle Sonderstrafgesetz § 209 StGB (§ 207b StGB) (2873/J-BR/2012)

Georg Keuschnigg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausschreibung und Vergabe der digitalen Dividende (2874/J-BR/2012)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Ausschreitungen im Umfeld des WKR-Balls 2012 (2875/J-BR/2012)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Situation der Zollab­fertigung an der österreichischen EU-Außengrenze zur Schweiz und zu Lichtenstein (2876/J-BR/2012)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Situation der Zollabfer­tigung an der österreichischen EU-Außengrenze zur Schweiz und zu Lichtenstein (2877/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend kinderpornographische Bilder in der JA Göllers­dorf (2640/AB-BR/2011 zu 2849/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ernest Gabmann und das Finanzdesaster „Skylink“ (2641/AB-BR/2011 zu 2850/J-BR/2011)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der derzeit geltenden Schwellenwerte-Verordnung beziehungsweise Übernahme in das Bundesvergabegesetz (2642/AB-BR/2011 zu 2851/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Grundbuch Neu“ – Umstellung des Grundbuchs­verfahrens (2643/AB-BR/2012 zu 2853/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerichtlich beeideten Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Max Friedrich (2644/AB-BR/2012 zu 2854/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend mögliche Schwangerschaft von Natascha Kampusch (2645/AB-BR/2012 zu 2855/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Quotenregelung im öffentlichen Bereich (2646/AB-BR/2012 zu 2856/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fahrlässigkeit der Ermittlungsbehörde in der Causa „Kampusch“ (2647/AB-BR/2012 zu 2857/J-BR/2011)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ministerweisung Aussetzung


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 9

der Wehrpflicht und Umstellung auf ein Freiwilligenheer (2648/AB-BR/2012 zu 2852/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Angelika Winzig, Kolleginnen und Kollegen betreffend ÖBB-Kundenparkplätze in Vöcklabruck (2649/AB-BR/2012 zu 2858/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienstmarken (Kokarden) des Kriminaldienstes (2650/AB-BR/2012 zu 2860/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen Girokonto von Wolfgang Priklopil (2651/AB-BR/2012 zu 2859/J-BR/2011)


 


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 10

09.00.25Beginn der Sitzung: 9 Uhr

 


Präsident Gregor Hammerl: Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich eröffne die 804. Sitzung des Bundesrates.

Ich habe eine Bitte (in Richtung der Bundesräte der Grünen, die Guy-Fawkes-Masken tragen): dass Sie bitte die Masken abnehmen. Sie schauen dann viel hübscher aus. (Heiterkeit und Beifall. – Die betreffenden Bundesräte nehmen ihre Masken ab.) – Jawohl, passt!

Das Amtliche Protokoll der 803. Sitzung des Bundesrates vom 15. Dezember 2011 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. Bettina Rausch und Juliane Lugsteiner.

09.01.30Einlauf

 


Präsident Gregor Hammerl: Eingelangt sind Schreiben des Salzburger Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates. Durch den Mandatsverzicht von Manfred Gruber tritt an dessen Stelle sein Ersatzmitglied Robert Zehentner.

Darüber hinaus sind Schreiben des Kärntner Landtages, des Wiener Landtages sowie des Oberösterreichischen Landtages über die Wahl je eines Ersatzmitgliedes ein­ge­langt.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes sowie Mandatsverzicht:

„Herrn Bundesratspräsidenten                                                                                      Land Salzburg

Gregor Hammerl                                                                                                                             Landtag

Parlament                                                                                                                                        Präsident

Dr.-Karl-Renner-Ring 1-3                                                                       des Salzburger Landtages

1017 Wien                                                                                                               Ök.-Rat Simon Illmer

ZAHL Zu 002-0/5/671-2011                                                                                              Chiemseehof

DATUM 9. Jänner 2012                                                                                         Postfach 527, 5010

                                                                                                                                     Tel. (0662)8042-2600

                                                                                                                                     Fax (0662)8042-2910

                                                                                                                       simon.illmer@salzburg.gv.at

                                                                                                                                                                  Edt-De

BETREFF

Verzicht auf Ersatzmitgliedschaft im Bundesrat,

Andreas Wimmreuter; Nachnominierung Ersatzmitglied,

Abgeordneter Robert Zehentner

Beilagen: 3 wie zitiert


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 11

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Sitzung des Salzburger Landtages vom 14. Dezember 2011 wurde aufgrund des Verzichtes von Herrn

Andreas Wimmreuter, geb. am 4. Oktober 1963,

Am Limberg 22, 5700 Zell am See

als Ersatzmitglied des Bundesrates einstimmig Herr Abgeordneter

Ök.-Rat Robert Zehentner, geb. am 2. Oktober 1951 am

Hundsdorf 11, 5660 Taxenbach

zum neuen Ersatzmitglied für Herrn Bundesrat Manfred Gruber einstimmig gewählt. Ich bitte Sie, die Änderung in dieser Zusammensetzung zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.

Beiliegend übermittle ich Ihnen eine Verzichtserklärung als Ersatzmitglied des Bun­desrates von Andreas Wimmreuter, eine Zustimmung zur Aufnahme in den Wahl­vorschlag von Ök.-Rat Robert Zehentner sowie einen Wahlvorschlag lautend auf ein neues Ersatzmitglied des Bundesrates des SPÖ Landtagsklubs.

Mit besten Grüßen

Ök.-Rat Simon Illmer

Landtagspräsident“

„An den                                                                                        Sozialdemokratischer Landtagsklub

Präsidenten des Salzburger Landtages                                                                     5010 Salzburg

ÖkRat Simon Illmer                                                                                                             Chiemseehof

Chiemseehof                                                                                                   Telefon: 0662-8042-2447

5010 Salzburg                                                                                                        Fax: 0662-8042-2911

                                                                                                                     Salzburg, 12. Dezember 2011

Verzichtserklärung für Ersatzmitglied des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident,

ich, Andreas Wimmreuter, erkläre mit sofortiger Wirkung und auf eigenen Wunsch den Verzicht auf die Funktion des Ersatzmitgliedes für den Bundesrat und ersuche um Veranlassung aller weiteren Schritte.

Beste Grüße

Andreas Wimmreuter“

„An den                                                                                        Sozialdemokratischer Landtagsklub

Präsidenten des Salzburger Landtages                                                                     5010 Salzburg

ÖkRat Simon Illmer                                                                                                             Chiemseehof

Chiemseehof                                                                                                   Telefon: 0662-8042-2447

5010 Salzburg                                                                                                        Fax: 0662-8042-2911

                                                                                                                     Salzburg, 13. Dezember 2011

Wahlvorschlag für ein neues Ersatzmitglied für den Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident,

nach dem Verzicht von Herrn Andreas Wimmreuter auf die Funktion des Ersatzmit­gliedes für den Bundesrat, gebe ich hiermit bekannt, dass ich im Namen des SPÖ-Landtagsklubs Herrn LAbg. ÖkRat Robert Zehentner als neues Ersatzmitglied für BR Manfred Gruber dem Salzburger Landtag zur Wahl vorschlagen werde.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 12

Mit freundlichen Grüßen

LAbg. Ing. Mag. Roland Meisl

Vorsitzender des SPÖ-Landtagsklubs“

„An den                                                                                        Sozialdemokratischer Landtagsklub

Präsidenten des Salzburger Landtages                                                                     5010 Salzburg

ÖkRat Simon Illmer                                                                                                             Chiemseehof

Chiemseehof                                                                                                   Telefon: 0662-8042-2447

5010 Salzburg                                                                                                        Fax: 0662-8042-2911

                                                                                                                     Salzburg, 13. Dezember 2011

Zustimmung zur Aufnahme in den Wahlvorschlag

Sehr geehrter Herr Präsident,

gemäß § 42 Abs 1 Salzburger Landtags-Geschäftsordnungsgesetz stimme ich, LAbg. ÖkRat Robert Zehentner, hiermit der Aufnahme in den Wahlvorschlag als neues Ersatzmitglied für den Bundesrat zu.

Mit freundlichen Grüßen

LAbg. ÖkRat Robert Zehentner

*****

„Herrn Bundesratspräsidenten                                                                                      Land Salzburg

Gregor Hammerl                                                                                                                             Landtag

Parlament                                                                                                                                        Präsident

Dr.-Karl-Renner-Ring 1-3                                                                       des Salzburger Landtages

1017 Wien                                                                                                               Ök.-Rat Simon Illmer

ZAHL 002-0/5/674-2012                                                                                                    Chiemseehof

DATUM 9. Jänner 2012                                                                                         Postfach 527, 5010

                                                                                                                                     Tel. (0662)8042-2600

                                                                                                                                     Fax (0662)8042-2910

                                                                                                                       simon.illmer@salzburg.gv.at

                                                                                                                                                                  Edt-De

BETREFF

Verzicht auf Mandat des Bundesrates Manfred Gruber;

Anlagen: 1 wie zitiert

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Nachhang zu meinem heutigen Schreiben mit den Verzichten von Andreas Wimmreuter als Ersatzmitglied des Bundesrates und der Nominierung von Abg. Ök.-Rat Robert Zehentner über- mittle ich Ihnen nunmehr im Original den Mandatsverzicht von Herrn Bundesrat Manfred Gruber. Dieser will laut diesem Schreiben mit Ablauf des 31. Jänner 2012 auf eigenen Wunsch auf sein Mandat im Bundesrat verzichten.

Mit besten Grüßen

Ök.-Rat Simon Illmer

Landtagspräsident“

„An den                                                                                        Sozialdemokratischer Landtagsklub

Präsidenten des Salzburger Landtages                                                                     5010 Salzburg

ÖkRat Simon Illmer                                                                                                             Chiemseehof


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 13

Chiemseehof                                                                                                   Telefon: 0662-8042-2447

5010 Salzburg                                                                                                        Fax: 0662-8042-2911

                                                                                                                           Salzburg, 02. Jänner 2012

Verzicht auf Mandat des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident,

lieber Simon,

Gemäß §3 Abs 3 der Geschäftsordnung des Bundesrate (GO-BR) teile ich mit, dass ich, Manfred Gruber, mit Ablauf des 31.01.2012 auf eigenen Wunsch auf mein Mandat im Bundesrat verzichte und ersuche um Veranlassung aller weiteren Schritte.

Beste Grüße

BR Manfred Gruber

Ergeht durchschriftlich an:

Den Präsidenten des Bundesrates“

*****

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes:

„JOSEF LOBNIG

ERSTER PRÄSIDENT DES KÄRNTNER LANDTAGES

zu Ldtgs.ZI. 5-6/30

(Bei Eingaben bitte Geschäftszahl anführen!)

Betreff: Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates gem. Art. 35 Abs. 1 und 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Herrn

Gregor HAMMERL

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl Renner Ring 3

1017 Wien                                                                                                  KLAGENFURT, 19.01.2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Kärntner Landtag hat in seiner 36. (verlangten) Sitzung am 19.1.2012 folgende Wahl in den Bundesrat gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 2 B-VG vorgenommen:

Auf Vorschlag des ÖVP-Klubs wurde zum Ersatzmitglied von Bundesrat Karl Petritz, Franz KOGLER, Preitenegg 13, 9451 Preitenegg gewählt.

In der Anlage wird eine aktuelle Liste der vom Kärntner Landtag entsendeten Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder übermittelt.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage

Ergeht nachrichtlich an:

Bundesratsdirektorin Dr. Susanne BACHMANN, Dr. Karl Renner Ring 3, 1017 Wien“

„MITGLIEDER DES BUNDESRATES UND IHRE ERSATZMITGLIEDER

VOM KÄRNTNER LANDTAG GEWÄHLT


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 14

Stand: 19.1.2012

30. Gesetzgebungsperiode

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

F:

1. MITTERER Peter                                                                                   geb. 23.11.1946, Gastwirt,

                                                                                                      9551 Bodensdorf, Gerlitzenstraße 44

Ersatzmitglied:                                                                                             geb.15.1.1953, Kaufmann,

NEUNER Christof Mag.                                                       9020 Klagenfurt, Sterneckstraße 65

SPÖ:

2. BLATNIK Ana                                                                     geb. 19.7.1957, Berufsschullehrerin,

                                                                                                                                 9072 Ludmannsdorf 49

Ersatzmitglied:                                                                                            geb. 24.10.1988, Studentin,

GRILLITSCH Marie-Theres                                       9020 Klagenfurt, Hans Sachs Straße 33

F:

3. PIROLT Franz                                                                               geb. 14.9.1961, Bürgermeister,

                                                                                                                 9341 Straßburg, Langwiesen 11

Ersatzmitglied:                                                                                       geb. 22.12.1976, Angestellter,

ALTZIEBLER Gerhard Ing.                                               Weißensteinerstr. 151, 9712 Fresach

ÖVP:

4. PETRITZ Karl                                                                    geb. 12.11.1941, Finanzbeamter i.R.,

                                                                                                                                         9560 Steuerberg 27

Ersatzmitglied:                                                                             geb. 20.12.1953, Elektrotechniker,

KOGLER Franz                                                                               9451 Preitenegg, Preitenegg 13“

*****

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes:

„Herrn                                                                                                                             Prof. Harry Kopietz

Präsidenten des Bundesrates                                                                                   Erster Präsident

Gregor Hammerl                                                                                               des Wiener Landtages

Parlament

1017 Wien                                                                                                             Wien, 27. Jänner 2012

00076-2012/0001-MDLTG

Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das Mitglied des Bundesrates Dr. Jennifer Kickert hat mit Wirkung vom 21. Oktober 2011 ihr an achter Stelle gereihtes Mandat im Bundesrat zurückgelegt.

Das Ersatzmitglied Marco Schreuder ist mit Wirkung vom 21. Oktober 2011 auf diese Stelle nachgerückt.

Auf Vorschlag des Grünen Klubs im Rathaus wurde in der Sitzung des Wiener Landtages vom 27. Jänner 2012 Frau Zerife Yatkin als neues Ersatzmitglied für die achte Stelle gewählt.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 15

Mit vorzüglicher Hochachtung

Prof. Harry Kopietz“

„WIENER BUNDESRÄTE

                                                                                                                                 Stand: 27. Jänner 2012

1. Stelle:            Reinhard Todt

Ersatz:                            Alois Aschauer

2. Stelle:            Monika Mühlwerth

Ersatz:                            Dkfm. Hubert Grillmayer

3. Stelle:            Monika Kemperle

Ersatz:                            Martina Ludwig-Faymann

4. Stelle:            Stefan Schennach

Ersatz:                            Martina Malyar

5. Stelle:            Mag. Reinhard Pisec

Ersatz:                            Mag. Martin Hobek

6. Stelle:            Mag. Harald Himmer

Ersatz:                            Dr. Norbert Schnedl

7. Stelle:            Wolfgang Beer

Ersatz:                            Kurt Wagner

8. Stelle:            Marco Schreuder

Ersatz:                            Zerife Yatkin

9. Stelle:            Elisabeth Grimling

Ersatz:                            Katharina Schinner

10. Stelle:         Hans-Jörg Jenewein

Ersatz:                            Dr. Herbert Madejski

11. Stelle:         Mag. Muna Duzdar

Ersatz:                            Fritz Strobl

Auf die Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats ent­fallen die 1., 3., 4., 7., 9. und 11. Stelle.

Auf den Klub der Wiener Freiheitlichen entfallen die 2., 5. und 10. Stelle.

Auf den ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien entfällt die 6. Stelle.

Auf den Grünen Klub im Rathaus entfällt die 8. Stelle.“

*****

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes:

„An den                                                                                                                         Friedrich Bernhofer

Präsidenten des Bundesrates                                             Erster Präsident des Oö. Landtags

Herrn Gregor Hammerl

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                                         26. Jänner 2012

Nachwahlen zum Bundesrat


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 16

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 26. Jänner 2012 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes und Art. 29 des Oö. Lan­des-Verfassungsgesetzes die Nachwahl eines Ersatzmitglieds durchgeführt

hat.

Es wurde gewählt:

Ersatzmitglied an 2. Stelle:    Elisabeth Reich, geb. 31.01.1956,

4170 Haslach an der Mühl, Pfarrwiese 7

Diese Nachwahl wurde notwendig, weil Frau Sabine Breitenfellner mit 25. Jänner 2012 auf ihr Mandat als Ersatzmitglied verzichtet hat. Die Verzichtserklärung von Frau Sabine Breitenfellner ist angeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen

1 Anlage“

                                                                                                                                     „Sabine Breitenfellner

                                                                                                                                                     Blumenweg 5

                                                                                                                                       4171 St. Peter/Wbg.

An den Präsidenten des Bundesrates

Herrn Gregor Hammerl

Dr.-Karl-Renner-Ring 1

1010 Wien                                                                                                                            Linz, 24.1.2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Hiermit gebe ich bekannt, dass ich mit 25.1.2012 auf mein Ersatzbundesratsmandat verzichte. Bitte dies zur Kenntnis zu nehmen.

Freundliche Grüße

Sabine Breitenfellner“

*****

09.02.12Angelobung

 


Präsident Gregor Hammerl: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause an­wesend. Ich werde sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.02.26

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Herr Robert Zehentner.

 


Bundesrat Robert Zehentner (SPÖ, Salzburg): Ich gelobe.

 


Präsident Gregor Hammerl: Ich begrüße nun das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. Wir dürfen heute ganz groß applaudieren. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 17

09.03.20Antrittsansprache des Präsidenten

 


9.03

Präsident Gregor Hammerl: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Mag. Franz Voves! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer! Herr Präsident a. D. Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck! Ich freue mich ganz besonders darüber, dass Sie heute hier sind. Sie sind im Bundesrat, in Österreich und überhaupt eine ganz, ganz große Persönlichkeit.

Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir durften gestern einen Beweis der Stärke unserer bundesstaatlichen Ordnung erleben. Ein Danke allen, die am Steiermark-Empfang gestern Abend in der Säulenhalle mitgewirkt und daran teilgenommen haben, denn von der Steiermark, meine Damen und Herren, sind wesentliche Reformimpulse hervorgegangen, und auch in Zukunft werden solche von der Steiermark ausgehen, so wie auch von anderen Bundesländern. Darauf können wir alle stolz sein!

Auch wenn das Projekt „Reformpartnerschaft“ in der Steiermark von manchen Seiten mit Skepsis betrachtet wird, ist es ein wesentlicher Impuls in unserem Land, in der Steiermark. Die Skepsis gegenüber diesem Projekt rührt meines Erachtens auch daher, dass dieser steirische Weg andere, auch in den Bundesländern, in Zugzwang bring. Dieser Zugzwang ist aber für eine positive Entwicklung notwendig. Es wäre übertrieben, zu behaupten, am steirischen Wesen soll Österreich genesen. Aber von der Steiermark, meine Damen und Herren, ist doch ein wesentlicher Impuls ausge­gangen.

Ich bedanke mich noch einmal bei Landeshauptmann Mag. Franz Voves und Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer für diesen gemeinsamen Weg, den sie gehen, für einen Weg, der auch mich zu dieser Präsidentschaft geführt hat. Ein großes Danke! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Am 16. Jänner wurde im „Standard“ eine Umfrage in Bezug auf die Frage, wo man Ausgaben kürzen soll, veröffentlicht. Nach den ÖBB steht die Forderung nach Abschaffung des Bundesrates an zweiter Stelle. 64 Prozent bewerten den Vorschlag mit „Sehr gut“, 16 Prozent mit „Gut“ und nur 2 Prozent mit „Nicht genügend“. Es scheint also ein breites Einverständnis der Bevölkerung dahingehend vorhanden zu sein, dass man den Bundesrat abschafft und damit Ausgaben einspart.

Warum das, meine Damen und Herren? Ist der Bundesrat wirklich verzichtbar? Oder ist für die Menschen die Bedeutung des Bundesrates nur zu wenig sichtbar? Oder ist es dadurch erklärbar, dass unter dem Zwang des Sparens der Bundesrat für verzichtbar erklärt wird?

Die Debatte um eine Reform des Bundesrates ist ja ein Dauerbrenner. Das erkennt man schon dann, wenn man sich nur die Reden meiner Vorgängerinnen und Vor­gänger in diesem Amt vor Augen hält. Seit 1. Oktober 1920 gibt es diesen Bundesrat, und seit 50 Jahren wird über Reformen in Bezug darauf diskutiert.

Reformen, meine Damen und Herren, sind notwendig, denn die Veränderungen in der Politik, wenn man nur die Einbeziehung Österreichs in die EU bedenkt, oder die Veränderungen in der Gesellschaft, wenn man zum Beispiel die neuen Kommuni­kationsmedien betrachtet, verlangen nach neuen Reformen. Das Recht und damit auch die Verfassung bedürfen angesichts dieser Entwicklungen der Weiterentwicklung. Aber Reformen, sollen sie nachhaltig sein, brauchen Zeit, eine längere, zusammen­hängen­de Zeit für wirklich durchdachte Reformschritte, und nicht nur zu gewissen Gelegen­heiten immer wieder hochkommende plakative Forderungen nach unkoordinierten Reformschritten, die teilweise gar nicht im Zusammenhang mit dem Bundesrat stehen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 18

Vielleicht ist ja schon der halbjährliche Wechsel des Präsidenten ein Grund dafür, dass Reformen zwar angesprochen, aber nicht durchgeführt werden, aber nicht nur das. So ist die jetzige Debatte über die Reform des Bundesrates von mehreren Verengungen gekennzeichnet:

Den Ausgangspunkt für die Debatte bildet die Notwendigkeit des Sparens. Sparen, meine Damen und Herren, ist etwas sehr Wichtiges – gerade angesichts der Schulden, die ein Leben auf Kosten der Zukunft erschweren. Wir leben schon zu lange über unsere Verhältnisse. Aber es ist problematisch, wenn man Debatten um die Verfassung oder einen Teil der Verfassung nur unter dem Blickwinkel des Sparens führt. Dadurch werden wichtige Punkte übersehen.

Die Rede von der Abschaffung des Bundesrates unter dem Zwang des Sparens lässt nämlich oft vergessen, dass der Bundesrat eine wesentliche Konsequenz des bun­desstaatlichen und des föderalen Prinzips ist, auf dem unsere Verfassung in Österreich aufgebaut ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Tatsache, dass die Reformdebatte zuallererst am Bundesrat ansetzt, zeigt, dass der Gedanke und die Bedeutung des Bundesrates zu wenig bedacht und bewusst gemacht worden ist. Und das zeigt sich bis in die höchsten Kreise der Gesellschaft, aber auch der Politik. Viele in der Politik wissen nicht um die Qualität und um die Arbeit des Bundesrates.

Meine Damen und Herren! Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass ein Großteil der Bevölkerung relativ wenig Bescheid weiß um den Bundesrat, aber auch um die Bundesverfassung. Man hat sich daran gewöhnt, was berichtet wird, und denkt oft nicht darüber nach. So schnell geht es! Wenn zum Beispiel gefordert wird, dass die Agenden des Bundesrates von der Landeshauptleutekonferenz wahrgenommen wer­den sollten, so merkt man, dass uns das gewaltenteilige Prinzip in manchen Punkten nicht bewusst ist.

Meine Damen und Herren! Die Landeshauptleutekonferenz ist ja ein Moment der Exekutive, aber nicht der Gesetzgebung. Deswegen sind Vorschläge in Richtung Übernahme der Agenden des Bundesrates durch die Landeshauptleutekonferenz nicht verfassungskonform.

Gerade in letzter Zeit werden Zahlenspiele auch im Zusammenhang mit Einsparungen angestellt: Um wie viele Abgeordnete sollen die einzelnen Gremien vermindert werden, wer oder was soll abgeschafft werden? Das geht so weit, dass man hört, man könnte den Bundesrat, unseren Bundespräsidenten abschaffen, Landtage wenn schon nicht abschaffen, so doch zusammenlegen, ebenso die Zahl der Abgeordneten im National­rat verkleinern.

Alles ist denkbar, meine Damen und Herren. Aber ist das auch gut in unserer Demokratie? Es ist wichtig, diese Diskussion mit konkreten Zahlen zu führen, aber es ist problematisch, wenn über diese Zahlenspiele das Grundsätzliche der Ver­fas­sungsänderung ausgeklammert wird. Bevor man über Zahlen nachdenkt, muss man die Grundlagen bedenken.

Wegen dieser Verengungen ist es mir wichtig zu betonen, dass die Reformdebatte grundsätzlich geführt werden muss. Es ist zu bedenken, dass Änderungen im Bun­desrat etwa Auswirkungen auf das Gefüge der Gesamtverfassung in Österreich haben. Wenn man einen Bauklotz, das wissen wir, aus einem Bauwerk herausnimmt, so kann das ganze Bauwerk labil werden.

Deswegen ist es wichtig, die Debatten um den Bundesrat auf eine übergreifende Basis zu stellen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 19

Die Diskussion um den Bundesrat ist einzuordnen in eine grundsätzliche Debatte um die gesamte Verfassung. Nur so kann der Standort eines Bundesrates neu bestimmt werden. Eine Veränderung des Bundesrates muss mit der Frage verbunden werden, wie das bundesstaatliche Prinzip in diesen neuen Gegebenheiten verwirklicht werden soll.

Die Diskussion um den Bundesrat muss also eingefügt werden in die Diskussion unseres bundesstaatlichen und föderalen Prinzips. Wie erleben zum Teil eine Aus­höhlung dieser Prinzipien in der ganz konkreten Politik durch neue Zentralisie­rungs­tendenzen. Wir müssen uns also grundsätzlich die Frage stellen, wie Länderinteressen im Prozess der Gesetzgebung gestärkt werden können. Wir sollen auch bedenken, meine Damen und Herren, dass der Vertrag von Lissabon den Zwei-Kammer-Parlamenten und damit den Bundesrat neue Chancen einräumt, die für die Län­dermitwirkung an der EU Willensbildung genützt werden können.

Es geht damit noch grundsätzlicher um die Frage der Subsidiarität, der Konstruktion eines Staates von unten nach oben mit der entsprechenden Gewalten- und Macht­teilung und damit auch um den Schutz des Bürgers und der Bürgerin vor zentraler Vereinnahmung. Der Mensch, meine Damen und Herren, muss ja den Mittelpunkt der Politik bilden. Heute haben wir teilweise eine Entwicklung von „Der Mensch als Mittelpunkt“ zu „Der Mensch als Mittel. Punkt.“

Viele Aspekte einer Bundesratsreform sind schon angesprochen worden, etwa im Österreich-Konvent oder in einem Entwurf einer Expertengruppe zur Staats- und Verwaltungsreform aus dem Jahre 2007, zu dem die Landeshauptleutekonferenz eine Gemeinsame Länderposition entwickelte, die im April 2008 beschlossen wurde.

Auch andere Persönlichkeiten – ich möchte nur an Bundesratspräsident i.R. Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck, an unseren Nationalratspräsidenten i.R. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol oder meinen steirischen Vorgänger Prof. Herwig Hösele erinnern – und viele Institutionen haben Reformschritte entwickelt, die teilweise schon mit konkreten Vorgangsweisen und Zahlen konkretisiert sind. Aber auch unser Herr Bundespräsident hat den Österreich-Konvent und seine Ergebnisse zum Anlass genommen, im Blick auf den Bundesrat Reformvorschläge einzubringen. Ein Danke dem Herrn Bundes­präsidenten! Nur zwei der zehn bedenkenswerten Vorschläge seien hier heraus­genommen. So sagte der Bundespräsident am Verfassungstag 2005 wörtlich unter Punkt 1 den Bundesrat betreffend:

„Ich würde es für sinnvoll halten, zu allen Verfassungsgesetzen eine ausdrückliche Zustimmung des Bundesrates vorzusehen. Es wäre damit eine Aufwertung des Bundesrates und der Verfassungsgesetzgebung verbunden.“

Und gerade Letzteres wäre meines Erachtens für die Aufwertung des Bundesrates sehr, sehr wichtig.

Noch eine Forderung des Herrn Bundespräsidenten erscheint aus föderaler Per­spektive für uns sehr wichtig:

„Neben dem heute schon bestehenden Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei Ände­rungen der Finanzverfassung sollte der Bundesrat auch am Zustandekommen des Finanzausgleichsgesetzes gleichberechtigt mit dem Nationalrat mitwirken.“

Meine Damen und Herren, das war 2005, und bis heute ist im Bereich dieser Reform nichts passiert! Wir müssen uns in Zukunft zusammensetzen, mit Fachleuten und so weiter, und wir müssen die vielen Vorschläge, die schon eingegangen sind, disku­tieren, um den Bundesrat aufzuwerten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 20

Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Dr. Clemens Jabloner, hat in der Sen­dung „Hohes Haus“ am 22. Jänner dieses Jahres, vor 14 Tagen also, festgehalten, dass der Bundesrat in der derzeitigen Zusammensetzung – 62 Mitglieder – bleiben muss. Der Bundesrat, so seine Meinung, muss nur aufgewertet werden.

Es ist nicht meine Aufgabe, meine Damen und Herren, in dieser reichen Vorschlags­liste für ein Modell oder für einige Punkte Partei zu ergreifen. Eine so tiefgreifende Reform muss meines Erachtens unter Einbeziehung aller Kräfte des Landes vor sich gehen. Deswegen sollten möglichst alle an einen Tisch, meine Damen und Herren, an dem dann Nägel mit Köpfen gemacht werden – und nicht nur geredet wird.

Es dürfen nicht nur Betroffene geschaffen werden, sondern es gilt, aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Und im Hinblick auf die Verfassung sind wir alle Beteiligte.

Der Bundesrat hat in dieser Hinsicht gute Voraussetzungen. Meine Damen und Herren, ich habe in der bisherigen Zeit als Mitglied des Bundesrates besonders sehr, sehr viel Positives hier im Haus erfahren können, nämlich die gute Diskussionskultur. Diese unterscheidet sich bei Weitem von der Diskussionskultur im Nationalrat.

Meine Damen und Herren! Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass Politik der kontroversen Diskussion bedarf. Im Gegeneinander der Meinungen kann sich das Bessere herausentwickeln. Die kontroverse Diskussion kann aber auch blockieren, wenn dabei das Gemeinsame unter die Räder kommt. Wenn es darum geht, eine Partei in den Mittelpunkt zu stellen und die Konkurrenz der Parteien bestimmend zu machen, wird der Blickwinkel auf das Gemeinsame angesichts der Notwendigkeit der Eigen­profilierung oft sehr stark eingeengt.

Gerade wir in der Steiermark können derzeit erleben, wie wichtig ein konkreter, von verschiedenen politischen Gruppierungen getragener Reformdialog, auch Verwaltungs­reformdialog, ist. Meine Damen und Herren, wir in der Steiermark nehmen auch nicht Rücksicht auf „heilige Kühe“, auch davor machen wir nicht halt. Hier wird einfach diskutiert, und dadurch kommt es zu positiven Veränderungen.

Allerdings müssen – und das ist auch für die anderen Bundesländer wichtig – alle Kräfte eingesetzt werden. Es bedarf einer neuen Diskussionskultur, die von der Sache ausgeht und von dieser her verschiedene Meinungen zusammenzuführen sucht.

Und da, meine Damen und Herren, liegt auch einer der Vorteile des Bundesrates: Er kann mitwirken an der Entwicklung einer Diskussionskultur, die auf der Basis von Länderinteressen über Parteiinteressen hinausgeht. Und das gibt es hier im Bundesrat, meine Damen und Herren, und darauf sind wir stolz! Hier wird richtig diskutiert, und für diese Diskussionen gibt es eine ausgezeichnete Vorbereitung. Wenn hier auch unsere Staatssekretäre, unsere Minister und so weiter anwesend sind, wissen wir, es gibt eine ausführliche Diskussion, aber auch eine Verbindung zur Politik insgesamt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn zum Beispiel einer meiner Vorgänger in diesem Amt, Gottfried Kneifel, einge­fordert hat, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Gemeinden zu verbessern, um durch eine Verwaltungsvereinfachung auch finanzielle Vorteile zu erreichen, so ist das ein wichtiger Ansatz, der auch eine gesetzliche Basis gefunden hat. Ein großes Danke dafür! Wir in der Steiermark sind dankbar für deine Initiative, Gottfried, denn wir brauchen in der Steiermark auch im Zuge der Ein­sparungen der 242 Gemeinden genau diese Grundlage. Nochmals ein großes Danke, Gottfried. – Ihr dürft ruhig applaudieren, Freunde. So schaut’s aus! (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 21

Meine Damen und Herren, besonders danken möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat für diese Diskussionskultur. Die gibt es nur hier. Wir müssen sie nur wieder wesentlich machen – nicht nur im Hinblick auf die Zustimmung zu Ge­setzen, sondern in Zukunft auch im Hinblick auf das Einbringen von Gesetzes­initia­tiven.

Meine Präsidentschaft wird dem Bemühen um eine umsetzbare Reform des Bun­desrates im Blick auf alle mit der verfassungsmäßigen Ordnung in unserem Land Befassten gewidmet sein. Ein besonderes Augenmerk aber, meine Damen und Herren, will ich dabei den Ländern und ihren Anliegen bezüglich dieser Reform schenken.

Über die politischen Gremien hinaus ist auch eine dieser Reform gewidmete Veran­staltung mit dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Dr. Gerhart Holzinger, hier im Bundesrat geplant. Die Reform muss von verschiedenen Kräften in Abstim­mung aufeinander getragen werden.

Meine Damen und Herren, mein Blick geht aber auch über Österreich hinaus und wird sich besonders auf das neue EU-Land Kroatien richten. Graz ist ja eine Drehscheibe für den südosteuropäischen Raum, eine Drehscheibe für das erweiterte Mitteleuropa. Mit unserer Lage und Geschichte ist auch die Verantwortung für Kroatien verbunden, die ich in meiner Präsidentschaft mit einer Europakonferenz des Bundesrates am 9. Mai in der Landstube im Grazer Landhaus unterstreichen werde.

An dieser Konferenz, meine Damen und Herren, werden unter anderem auch der Prä­si­dent der Republik Kroatien, Dr. Ivo Josipović, das Mitglied der Europäischen Kom­mission, Dr. Johannes Hahn, und der Vizekanzler und Außenminister Dr. Michael Spindelegger aktiv teilnehmen. Wir sind stolz darauf, dass sich auch die neue Rektorin der Karl-Franzens-Universität, Univ.-Prof. Dr. Christa Neuper, in die Diskussion ein­bringen wird.

Es ist ja nicht zu vergessen, meine Damen und Herren, Europa ist klein geworden, auch mit der EU-Erweiterung um Kroatien. Zagreb ist gleich weit entfernt von Graz wie Wien. Aus Nachbarn müssen zunehmend Bekannte gemacht werden, damit das Einigungsprojekt EU weiterhin Erfolg haben kann. Ich möchte also bewusst Schritte hin zu einem Verständnis von Politik setzen, das bei den betroffenen Menschen ansetzt. Politik, meine Damen und Herren, ist ein wichtiger Faktor in der Gestaltung unserer von Veränderung geprägten Zeit.

Für die Umsetzung dieser meiner Arbeit möchte ich vor allem der Bundesratsdirektorin Dr. Susanne Bachmann und ihren Mitarbeitern danken; allen Fraktionsvorsitzenden, die die Arbeit der Fraktion koordinieren und all meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundessrat und den Abgeordneten im Nationalrat und im Landtag ein großes Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden unsere Aufgabe nur bewältigen können, wenn wir unsere Initiativen aufeinander abstimmen. Wenn das geschieht, meine Damen und Herren, können wesentliche Schritte für das glückliche Gelingen des Lebens der Österreicherinnen und Österreicher gesetzt werden. Ich bin guten Mutes, dass es gelingen wird, mit Ihrer und Gottes Hilfe – mit Ihrer und Gottes Hilfe!

In diesem Sinne ersuche ich Sie um eine gute Zusammenarbeit, und ich danke noch einmal allen Kolleginnen und Kollegen hier für diese Diskussionskultur. Das findet man nicht in den Ländern, das findet man nicht im Nationalrat, das gibt es nur hier im Bundesrat. Ein großes Danke! Glück auf! (Allgemeiner Beifall.)

9.22


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 22

Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung

 


Präsident Gregor Hammerl: Ich gebe bekannt, dass der Landeshauptmann der Steiermark Mag. Franz Voves seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Der steirische Reform­weg“ abgeben zu wollen.

Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann das Wort erteile, gebe ich darüber hinaus bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an diese Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich diesem entsprechen.

Ich erteile nun dem Landeshauptmann der Steiermark das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

09.23.04Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark zum Thema
„Der steirische Reformweg“

 


9.23.08

Landeshauptmann der Steiermark Mag. Franz Voves: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Meine geschätzten Damen und Herren! Das Wichtigste für alle Damen und Herren des Bundesrates vielleicht vorweg: Ich glaube, ich teile die Mei­nung mit vielen in der österreichischen Spitzenpolitik, dass zurzeit überhaupt nicht die Zeit ist, über die Strukturen unseres Föderalismus in der Weise nachzudenken, dass man an die Abschaffung des Bundesrates denken sollte. Wir haben zurzeit wichtige Aufgaben zu lösen; es ist auch inhaltlich überhaupt nicht der Zeitpunkt, sich solche Fragen zu stellen. Aber ich möchte in meinen Erläuterungen auch auf diesen Punkt noch zurückkommen.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich doch etwas aushole, bevor ich auf den steirischen Weg zu sprechen komme, den viele in ihren Bundesländern auf andere Art ja vielleicht schon vollzogen haben; ich weiß das. Bitte sehen wir gemein­sam, welche Entwicklungen der Mächte sich in Wirtschaft und Politik weltweit, global abspielen! Ich bin der tiefen Überzeugung, dass unsere nächsten Generationen, unsere Kinder und Kindeskinder, nur dann Frieden, Wohlstand und möglichst auch dieses soziale Niveau erleben werden, das wir nach dem Zweiten Weltkrieg erleben durften, wenn dieses Projekt des gemeinsamen Europa wesentlich stärker Wirklichkeit wird. Manche haben vielleicht die „Pressestunde“ gesehen, in der ich das ganz deutlich ausgeführt habe. Ich persönlich bin der tiefen Überzeugung, dass dieses gemeinsame Europa letztlich ein Europa einer politischen Union werden muss.

Ich sage, das langfristige Ziel – in einem Prozess natürlich, anders kann es nicht sein – muss sein, zu Vereinigten Staaten Europas zu kommen. Wir haben sonst keine Chance: Kein Einzelstaat, auch nicht das wirtschaftlich so starke Deutschland, wird in den wirtschaftlichen Kräfteverhältnissen mit den großen Märkten in Amerika, in China, in Indien und jetzt auch schon Südamerika und Russland mithalten können. Und was das dann für unsere nationalen Volkswirtschaften bedeuten würde, das wissen wir wohl alle. Es gibt wenige, die das in der Spitzenpolitik noch aussprechen, ich tue es. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

Jetzt zu den aktuellen Themen. Meine Damen und Herren, die Experten haben recht: Der Euro ist stark. Unsere Wirtschaft ist in vielen Branchen, europaweit gesehen, nach wie vor konkurrenzfähig, wettbewerbsfähig und sehr stark. Der Euro ist stark, aber wir


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 23

haben Probleme mit den Budgets der Nationalstaaten und unserer Schuldensituation bekommen.

Meine Damen und Herren! 8 Billionen € Schulden im Euroraum, davon sind 1,5 Billio­nen € nur aus der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise ableitbar, den Rest haben wir selber produziert – die Politik in Europa, in ihren Nationalstaaten. Das haben wir einzusehen und zu bekennen. Und jetzt kommt das Wichtigste: Wir werden die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft in allen unseren europäischen Staaten nicht in die richtige Richtung lenken können, wenn wir in unseren Haushalten nicht wieder Platz für unsere Zukunftsfelder haben, wenn wir nicht wieder Spielraum erhalten, in die Zukunftsfelder wie Bildung, vom Kindergarten bis zur Universität, in den Bereich For­schung und Entwicklung, in den Bereich erneuerbare Energien und andere Zukunfts­felder investieren zu können.

Wenn alle Staaten nur damit beschäftigt sind, das, was zurzeit als Leistungsanspruch gesetzlich determiniert ist, zu berappen und vielleicht nur die Schulden im Griff zu halten, dann wird das zu wenig sein. Wir müssen uns wieder Spielraum schaffen, politisch aktiv ein erfolgreiches Europa und damit erfolgreiche Einzelstaaten in diesem Europa begleiten zu können. Das ist entscheidend!

Daher sollte man im Kleinen anfangen, das heißt, auch in unseren Bundesländern. Ich möchte klipp und klar vorweg sagen, wir wissen, was in Oberösterreich über viele Jahre passiert ist. Wir wissen, was in anderen Bundesländern alles geleistet wurde, wie sehr man, die individuelle Situation des einzelnen Bundeslandes sehend, dort schon viele Anstrengungen unternommen hat, um zu entsprechenden Reformen zu kommen.

Kollege Schützenhöfer, den ich herzlich begrüße, und ich, wir sind untrennbar in den letzten eineinhalb Jahren unterwegs. Ich hoffe, das wird noch längere Zeit so sein. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

Wir haben unsere Lehren aus den Jahren 2005 bis 2010 gezogen, denn mit einem Bild des Streitens in der Demokratie, in der Politik – wenn sich da zwei zur Zusam­menarbeit finden und dann doch nur immer ein Bild des Streitens abgeben – geht es nicht. Wir, beide Parteien, haben bei der letzten Landtagswahl verloren. Dann haben wir uns getroffen vor dem Hintergrund Budget, Schulden, Wettbewerbsfähigkeit unse­res Bundeslandes und haben gesagt: Pass auf, ziehen wir einen dicken Schlussstrich und denken wir nur an die nächste Generation! Schauen wir, dass sie wieder in eine zukunftsfitte Steiermark gehen kann, so wie wir das genießen durften!

Und jetzt kommt das Entscheidende. Um Reformen dieser Art, die auch auf Bun­desebene stattfinden sollten, überhaupt über die Bühne zu bringen, braucht es Offenheit. Dieses erste offene Wort hat dann zu unglaublicher Offenheit in den ersten Monaten geführt: Transparenz, Ehrlichkeit, nicht mehr das taktische Über-den-Tisch-ziehen-Wollen. Es hat vor allem eines geheißen: Klientelpolitik und Parteipolitik in dieser wichtigen Phase für das Land, für die Republik auf die Seite zu stellen.

Politik hat zurzeit in ganz Europa, wenn es nach mir geht, wenn sich zwei zu einer Koalition finden, nur mehr diese Kernaufgaben der Republik zu sehen – und sonst gar nichts! Wenn ich in Gesprächen, in Verhandlungen immer noch versuche, meine Klien­tel zu bedienen und den anderen über den Tisch ziehen zu wollen, dann wird daraus nichts.

Das ist die wunderbare neue Voraussetzung für das Ganze, die wir jetzt in der Steiermark geschafft haben. Ich sage Ihnen – gleich wieder an alle Fraktionen gerichtet –: Das kann man in der ersten Halbzeit der Legislaturperiode machen, denn wir können ja nicht fünf Jahre lang Politik nur mit Reformen und Sparen machen, das


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 24

muss man in zweieinhalb Jahren erledigen – noch dazu, wenn man das Glück einer Dreiviertelmehrheit wie wir im Landtag haben. Wir sind nämlich beide noch Groß­parteien in der Steiermark.

Dann soll man diese Chance nutzen, und wir nutzen sie, und dazu gehört diese Offenheit. Ich kann das nicht oft genug betonen, weil ich das auch unseren Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene, für eine bestimmte Zeit wenigstens, wenigstens für den Februar, wünschen würde. (Heiterkeit.) Und diese Voraussetzungen haben es dann möglich gemacht, dass wir uns strategisch, konzeptionell, wie ein Unternehmen hingesetzt und gefragt haben: Was haben wir jetzt anzugehen?

Da ist einmal sofort für uns klar gewesen, wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Dort, wo die Politik selbst es direkt beeinflussen kann, muss sie sofort allen anderen Menschen, die dann von irgendetwas betroffen sein könnten, zeigen, dass wir an uns selber sparen und reformieren wollen.

Sie wissen, wir haben noch den Proporz in der Steiermark und leben jetzt eine Koalition im Proporz – das hat es auch noch nie gegeben in dieser Deutlichkeit –, denn bei diesen Bildern, dass man aus einer Proporzsituation Opposition von der Regierung her macht, kennt sich ja niemand mehr aus in der Bevölkerung. Das waren fürch­terliche Bilder. Der Proporz ist mit dem Jahr 2015 weg. Aber wir haben gleichzeitig gesagt: Es sind einige Aufgaben doch Richtung Nationalrat, Richtung Europa gewandert, also verkleinern wir den Landtag von 56 auf 48 Abgeordnete. Wir ver­kleinern die Landesregierung, wir verkleinern damit auch den Stadtsenat in Graz und den Gemeinderat, und wir haben uns 15 Prozent weniger Parteienförderung zuge­sprochen.

Das heißt, dass wir unsere Strukturen in den Parteien in der Steiermark auch einiger­maßen anzupassen haben. Das spüren die Medien, und das spürt die Bevölkerung: Die Politiker haben bei sich selbst auch zu sparen begonnen! Jetzt kann man natürlich sagen als Opposition, das sind symbolische Dinge, aber auch einige Millionen, gar nicht wenig in Summe. Aber es ist wichtig, zu zeigen, wir selber in der Politik sind auch bereit zu Reformen.

Und wo kann man noch direkt wirken? – Das ist der Bereich der öffentlichen Verwal­tung. Wir haben 7 500 Beamte in der Steiermark und 17 000 Mitarbeiter und Mitar­beiterinnen in unseren Spitälern. Wir werden demnächst die Aufbauorganisation des Landesdienstes halbieren. – So: Wir werden bis 2015 700 Beamte weniger haben. Wir haben es zusammengebracht – das war ausschließlich mein Kollege Schützenhöfer – in Sozialpartnerschaft, mit Unterschrift eine Nulllohnrunde für unsere Beamten zu vereinbaren. Das gilt bei uns auf gesetzlicher Basis auch automatisch für den Ge­meinde­bedienstetenbereich, wiewohl wir dort ohnedies ein gutes Angebot gemacht haben, nämlich die Besoldungsreform der Landesbediensteten letztlich ab 1. Jän­ner 2013 zu übernehmen. Noch haben sie es nicht ganz gepackt, aber das wird schon noch kommen, weil das für den Gemeindebedienstetenbereich mehr bedeutet, als die Nichtnulllohnrunde eigentlich gebracht hätte.

Wir haben sofort im öffentlichen Bereich alles getan, um nachvollziehbar, spürbar wirkliche große Einsparungspotenziale darzulegen – nicht nur darzulegen, es wird gelebt! Bei uns kann das jeder nachvollziehen. Wir sind in die Behördenstrukturen gegangen, haben zwei Bezirke zusammengelegt; einen Bundesrat sehe ich da. Knittel­feld und Judenburg sind seit 1. Jänner 2012 der Bezirk Murtal. Da haben die Jour­nalisten den Bürgerinnen und Bürgern die Mikros hingehalten, und was war die Auskunft? – Wir sind total zufrieden, für uns hat die Leistung dieselbe Qualität, überhaupt kein Problem. Aber: Wir ersparen uns dort natürlich einiges an Geld, können einiges fokussieren, und wir werden diesen Weg auch betreffend Bezirkshaupt­mann-


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 25

schaftsüberlegungen weiter fortsetzen und werden um einiges schmäler auch in dieser Struktur werden.

Das zweite große Thema ist die Spitalsreform in der Steiermark, wobei es dort primär um Leistungsangebotskonzentration in unseren Spitälern geht. Sie wissen, dass die höchstwertige Medizin, vor allem in den Operationsmethoden, bestimmte Fallzahlen verlangt und es undenkbar ist, dass wir in unseren 21 Spitälern in der Steiermark in jedem Regionalspital dieselbe höchstwertige Medizin anbieten können. Die Mobilität der Menschen ist heute eine wesentlich größere geworden, aber Sie wissen: früher drei Wochen Spitalaufenthalt bei Gallen- oder Meniskus-OP, heute Laparoskopie oder Endoskopie, was auch immer: zwei Tage Spital, Kreislauf stabil, wieder nach Hause.

Das entwickelt sich technisch ständig weiter, und daher braucht man bestimmte Fallzahlen, konzentriert in sogenannten Schwerpunktspitälern, um da höchstqualitative medizinische Leistung für die Bürgerinnen und Bürger anbieten zu können. Aber mit diesen Leistungsangebotskonzentrationen, ohne dass wir Spitäler sperren – ein einzi­ges, das über Jahrzehnte als spezifische Lungenheilanstalt eingerichtet war, das aber auch aufgrund der Entwicklung im Lungenfachbereich durchaus an ein anderes Spital angedockt werden kann –, also mit diesen Leistungsangebotskonzentrationen er­reichen wir wirklich auch in der Kostenentwicklung in den Spitälern sehr viel.

Es ist nicht leicht, das den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vor Ort klar­zumachen. Hallo (in Richtung des Bundesrates Köberl), Bad Aussee! (Heiterkeit.) Das ist nicht einfach, aber das, was ich damit auch sagen wollte: In Wirklichkeit geschieht es einfach in tiefer Diskussion mit allen Betroffenen. Wir sind nicht immer gleicher Meinung, manchmal müssen wir es auch demokratisch entscheiden. Aber ich glaube, wir sind auch in diesem Bereich auf einem sehr guten Weg.

Das dritte große Kapitel in der Steiermark ist eine Schulreform, wobei es um stand­ortinhaltliche Fragen geht, aber auch um pädagogische, qualitativ pädagogische Maßnahmen, die den Kindern noch mehr Optimum an pädagogischer Begleitung bringen sollen. Auch dort erwarten wir einiges, aber primär an qualitativer Steigerung in der pädagogischen Betreuung für die Kinder.

Und dann kommt die sensibelste Geschichte, die natürlich landauf und republikauf und -ab das Thema ist – das wissen Sie alle bestens aus Ihren Bundesländern –: Das ist die Gemeindestrukturreform. Das muss man wissen, Sie wissen es inzwischen ohnedies: Die Steiermark ist das kleinststrukturierte Bundesland. Wir haben 542 Ge­mein­den, davon fast hundert mit unter 500 Einwohnern und 200 mit unter tausend. Also wir sind sehr kleinstrukturiert, was auch im Finanzausgleich nicht unbedingt von Vorteil für unsere Gemeinden ist.

Aber jetzt geht es um ein sehr wichtiges Argument: Wir erleben seit 20 Jahren in der Steiermark – das hat auch sehr viel mit dem Industrieland in der Obersteiermark über die vielen Jahrzehnte zu tun – unglaubliche Abwanderungsströme und die Gefahr, dass die eine oder andere wunderschöne Region langsam sozusagen austrocknet, weil die Jugend immer stärker abwandert, keinen Job in der Region findet. Ich spreche jetzt von einer größeren Region. Wir haben sieben Großregionen eingerichtet. Und da ist unser großes Anliegen: Wie gelingt es uns gemeinsam, diese Abwanderung aus den wunderschönen Regionen auch unseres Bundeslandes – es ist bei Ihnen das Gleiche –, wie gelingt es uns, wenigstens diese Entwicklung einzudämmen? Man wird das nicht ganz stoppen können. Sie müssen sich vorstellen: Monatlich wächst Graz, Graz Umgebung um tausend Einwohner, die ja von irgendwo weggehen.

Und jetzt kommt es: Die Identifikation, die Verwurzelung, die wir, alle Österreicherinnen und Österreicher, so wahnsinnig gerne leben und schätzen, ist ja nicht, wo das


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 26

Gemeindeamt gerade ist, sondern das ist die Familie, wo wir uns wohlfühlen, das sind unsere vielen Vereine und die ehrenamtlichen Einsatzorganisationen.

Dort sind wir daheim, dort spielt sich eigentlich der Kitt der Gesellschaft, das Mit­einander ab, unsere Blasmusik, unsere traditionellen Trachtenvereine, Chöre und was immer mehr. Und das erzielt man nicht, indem man zuschaut, wie die Jungen aus der Region abwandern, denn dann gibt es nämlich keinen Nachwuchs mehr. Bei uns werden jetzt zum Beispiel die Kommandanten bei der Feuerwehr neu besetzt, und ich höre, dass dort, wo es Abwanderung gibt und viele weit weg pendeln müssen, die Feuerwehr-Verantwortlichen Gefahr laufen, niemanden mehr zu finden für die Kommandostellen. Niemand steht mehr zur Verfügung, weil einfach niemand mehr da ist.

Das haben wir gesehen, Kollege Schützenhöfer und ich, und – das möchte ich auch dazusagen – auch Jüngere in unserer Regierungsmannschaft und den Abgeordneten­reihen haben erkannt, dass deshalb Gemeindestrukturreformen angesagt sind, um diese Abwanderungsströme einzudämmen, um unsere wunderschönen Regionen und deren Traditionen zu erhalten. Das bedeutet ja nicht, dass etwas zerstört wird. Die Ortsteil-Tafel wird weiterhin stehen bleiben, und es wird vielleicht einen Ortsteil-Bürgermeister geben, der ohnedies in einem Gemeinderat – das ist gemeinde­ord­nungsmäßig alles noch neu zu definieren – die Interessen vertritt. Aber eines müssen wir machen: Wir müssen unsere Gelder auf jene impulsgebenden Projekte in den größeren Strukturen konzentrieren, die Wirtschaftswachstum und Beschäftigung und Arbeitsplätze in der Region bedeuten!

Sie müssen sich vorstellen, es ist ein Unterschied, ob die Wünsche – demokratie­politisch ist darauf ja zu achten – von 542 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern oder von nur 300 zu bedienen sind. Es geht nicht um die Bedarfszuweisungsmittel allein, sondern es geht um die vielen Mittel, die aus Wirtschaftsförderung, Tourismus­förderung, Kultur, Sport, was auch immer, kommen. Es ist ein Unterschied, ob man diese auf 300 Einheiten – das ist nur eine Hausnummer – oder auf 542 konzentriert. Bei weniger kann man ganz anderes bewegen, immer mit dem Hintergrund, es so zu fokussieren, dass die Jugend wenigstens in der Großregion eines Bundeslandes Arbeit findet, vielleicht 20, 30 Kilometer – leider – auspendeln, aber nicht überhaupt weg­gehen muss wie in unserem Fall nach Graz oder auch nach Wien. Das ist das, was uns zur Gemeindestrukturreform geführt hat.

Kollege Schützenhöfer und die steirische ÖVP haben es verdammt schwer, sie haben die kleineren ländlichen Gemeinden. Erst heute wieder ein Artikel in der „Kleinen Zeitung“ – ich weiß, was das für Hermann Schützenhöfer heißt. Aber auch meine Partei­kollegen müssen bereit sein. Der Schmerz auch bei diesem Prozess muss bei beiden Parteien gleich groß sein, sonst funktioniert es nicht. Das ist Demokratie. Das heißt, in vertiefenden Gesprächen muss man immer wissen, ob das den Kollegen, ob das den Strukturen noch zumutbar ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Ich will Sie aber nicht länger langweilen, weil Sie in Ihren Bundesländern auch schon unglaublich viel erledigt haben, was ich aus zehn Jahren, die ich jetzt schon in der Landesregierung tätig sein darf, weiß. Ich weiß von meiner lieben Kollegin und meinen Kollegen Landeshauptleuten von dem Bemühen, das da und dort stattfindet. Wir haben nicht gesagt: Bitte, schaut euch das an, das ist das einzig Tolle!, aber Sie wissen, die Umgebung braucht das, und wir machen unsere steirischen Hausaufgaben. Wir sind dankbar und auch erfreut darüber, wenn externe Argumente und auch Lob kommen, das ist etwas Angenehmes, aber in Wirklichkeit sind wir ausschließlich bemüht, unsere Hausaufgaben zu machen. Hoffentlich bleiben wir nicht auf halber Strecke stecken. Sie


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 27

wissen, wir alle haben etwas eigenartige Parteipyramiden, das ist nicht unbedingt Sache der Bevölkerung.

Die steirische ÖVP hat eine Umfrage gemacht – und, Hermann, jetzt beichte ich dir: Wir haben dieselbe gemacht, sogar ein größeres Sample! Ich kann dir alles bestätigen. Sie müssen sich vorstellen, in unserer Umfrage sind 91 Prozent der SPÖ-Wähler für die Reformen in allen Strukturen, wie Spitäler, Gemeinden et cetera. 87 Prozent der ÖVP-Wähler – und jetzt kommt’s –, 67 Prozent der FPÖ-Wähler und auch 87 Prozent der Grün-Wähler sind für diese Reformen. Das heißt, im Schnitt sind über 80 Prozent für Reformen, die zum Teil schon auf halbem Weg, manche auch abgeschlossen sind und schon spürbar werden. Die Umfragen zeigen, das ist der richtige Weg. Eine dritte Kraft – einige mögen mir das verzeihen – haben wir in der Umfrage relativ gering gehalten.

Das, was wir in Zeiten wie diesen wirklich brauchen, ist das Gemeinsame. Ich kann daher den Regierungsmitgliedern auf Bundesebene wirklich nur wünschen, dass das in diesen Tagen doch noch eintreten wird. Wir haben rund um den Nightrace in Schladming alles versucht, mit allen, die dort waren, mit allen Spindeleggers und Faymanns. Wir haben alles versucht, alles aufgezeigt, wie wir das zustande gebracht haben, denn letztlich sind wir alle Menschen, es geht nur um eine menschliche Ge­schichte.

Die Frage ist: Bin ich bereit, in einer Zeit, die in Europa so schwierig ist wie noch nie seit 1945, die so ernst ist wie noch nie, Land und Republik in den Vordergrund zu stellen, oder muss ich noch immer parteipolitisches Kleingeld machen? Es dauert doch nur zwei, drei Jahre, dann können wir wieder eher unterschiedlichere Meinungen vertreten. – Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

9.46


Präsident Gregor Hammerl: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann der Steiermark, Herrn Mag. Franz Voves, für seine Ausführungen im Besonderen auch über die Reformen in der Steiermark.

Meine Damen und Herren, wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Kollege Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm.

 


9.46.50

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Herr Landeshauptmann-Stellvertreter! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten! Heute vor genau fünf Jahren, wie ich glaube, hat der Herr Landes­hauptmann hier ebenfalls eine Stellungnahme abgegeben. Damals haben wir uns mit der RegioNext-Situation in der Steiermark beschäftigt, mit der Gründung von Klein­regionen. Fünf Jahre später – wenn auch eine lange Zeit – ist der Zeitpunkt gekom­men, zu dem in der Steiermark Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Ich darf ein Zitat des englischen Professors Michael Parkinson bringen, der Folgendes sagt: „Unsere Städte und Gemeinden haben Grenzen aus dem 19. Jahrhundert, haben Verwaltungsstrukturen aus dem 20. Jahrhundert und müssen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen.“

In diesem Sinne sind wir in der Steiermark natürlich besonders gefordert, weil – wie schon erwähnt – wir kleinstrukturierte Gemeinden haben, die uns dazu zwingen werden. Man könnte es aufgrund unserer Budgetsituation wahrheitsgemäß auch als Diktat der fast leeren Kassen bezeichnen, weil wir es unserer Zukunftsgeneration schuldig sind, dass wir eine gewisse Lebensqualität vor allem auch in den ländlichen Räumen erhalten.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 28

Ich weiß, wovon ich spreche, ich komme selbst aus einer Gemeinde mit 654 Ein­wohnern, die mit ihrer Nachbargemeinde, die ebenfalls nur 600 Einwohner hat, über die Vereinsstrukturen schon zusammengewachsen ist. Ich denke, es wäre realistisch und ein erster Schritt, einmal diese zwei Kleingemeinden zu fusionieren. Ich denke, für die Bevölkerung wäre das ein Fortschritt, weil wir ausreichend Infrastruktur erhalten und qualitativ verbessern könnten.

Der Herr Landeshauptmann hat betont, dass der Großteil der steirischen Bevölkerung hinter diesen Reformprojekten steht. Ich muss leider feststellen, dass das – ähnlich wie auf Bundesebene – bei der Opposition nicht so ist. Kollege Krusche wird heute noch das Wort ergreifen, daher möchte ich an ihn appellieren, vor allem an die FPÖ, aber auch an die Grünen in der Steiermark, diese Pakete mitzutragen. Das Gleiche gilt eigentlich auch auf Bundesebene – nicht wahr, Efgani?! Es wäre auch Sache der Opposition, in dieser Situation, in der sich der Bund und vor allem auch wir in der Steiermark befinden, doch politische Verantwortung mitzutragen. Ich denke, dass diese Verantwortung einer Opposition auch zustehen würde, denn wenn wir in Zukunft nicht mit einer Sprache sprechen und die Probleme lösen, dann bekommen wir, glaube ich, noch größere Probleme. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Illustration unserer Gemeindestruktur ein paar Zahlen: Wir haben 542 Gemeinden in der Steiermark, 710 Rüsthäuser der Freiwilligen Feuerwehr, 570 Kindergärten und 475 Bauhöfe. Ich komme aus der Wirtschaft und denke darüber nach, welche Synergien zu heben sind allein bei 475 Bauhöfen.

Wir haben 457 Volksschulen. Dazu ist zu sagen, es ist natürlich sehr viel Feingefühl notwendig, denn das Reformpaket der Steiermark beinhaltet auch einen regionalen Bildungsplan, aber wir müssen Kleinschulen, kleine Volksschulen in kleinen Gemein­den mit sieben, elf oder 15 Schülern in Frage stellen, letztendlich auch im Zuge einer Qualitätsverbesserung, denn es ist, glaube ich, objektiv ganz klar feststellbar, dass eine kleine Schule mit sieben oder elf Schülern nicht die gleiche Qualität bieten kann wie eine Volksschule mit acht oder mehr Klassen in zentralerer Lage. Natürlich muss man darauf Rücksicht nehmen, dass die Disloziertheit einer Gemeinde – eher weiter weg von der nächstgrößeren Gemeinde – durchaus auch in Zukunft Besonderheiten erlaubt.

Wir haben weiters 433 Mehrzweck- und Veranstaltungshallen, 408 Fußballanlagen – sehr positiv. Wir haben 98 Freibäder und 91 Sporthallen.

So viel zur Substanz in den steirischen Gemeinden, die wir in Zukunft nicht nur erhalten, sondern qualitativ verbessern wollen, aber dazu braucht es wahrscheinlich mehr als Kooperationen. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir im Vorjahr unter Vorsitz des Präsidenten Kneifel vom Bundesrat ausgehend diese länderübergreifenden Gemeinde­kooperationen zur Beschlussfassung gebracht haben. Ich glaube, hier war der Bundesrat federführend, in die Zukunft denkend und auch durchaus modern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schulfrage ist von der Bildungsseite her für uns essenziell wichtig, vor allem für den ländlichen Raum. Wir müssen die Bildungskapazitäten, die wir für unsere Jugend brauchen werden, natürlich auch ab­sichern.

Die Situation – der Herr Landeshauptmann hat sie geschildert – ist auch in der Steiermark so, dass die Realwirtschaft nach wie vor sehr gut funktioniert und arbeitet. Die Steiermark hat wirtschaftsstrukturell einige Assets, die andere Bundesländer in dieser Form nicht so haben. Wir haben einen Automobil-Cluster, in der Forschungs­förderung, in Bezug auf die Forschungsquote – sie wurde schon gestern erwähnt –, sind wir Österreichs Spitzenreiter, wir haben Universitäten, und wir sind insgesamt gut


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aufgestellt. Es hilft aber nichts: Parallel dazu müssen wir die öffentlichen Strukturen und die öffentlichen Haushalte ebenfalls in den Griff bekommen, um in Zukunft Handlungsspielraum zu haben.

Ich denke, der Grundansatz ist vollkommen richtig. Die Bevölkerung zeigt uns das auch durch Zustimmung nicht nur bei Umfragen, sondern auch in den öffentlichen Diskussionen, solange nicht jemand persönlich betroffen ist, wenn es um Arbeitsplätze, Schulplätze oder sonstige Dinge mehr geht. Aber grosso modo steht die steirische Bevölkerung hinter diesem Reformprojekt.

Unser Schriftsteller und Dichter Reinhard P. Gruber sagt: „Steirerblut ist kein Himbeer­saft“ – ich kann sagen: Mut ist steirisch, Zukunft ist steirisch, Reform ist steirisch! – Glück auf! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.53

 


Präsident Gregor Hammerl: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


9.54.05

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr erster Landeshauptmann-Stell­vertreter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich einerseits im Allgemeinen im Namen der sozialdemokratischen Bundes­ratsfraktion und im Besonderen im Namen der steirischen sozialdemokratischen Bun­desrätinnen und Bundesräte unserem aus der Steiermark kommenden Gregor Hammerl zur Präsident­schaft im Bundesrat recht herzlich gratulieren – ganz im Geiste der Reformpartner­schaft. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl. – Präsident Hammerl: Danke!) Erlauben Sie mir, an anderer Stelle noch einige Bemerkungen dazu anzuknüpfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zweifelsohne ein Highlight der Länderkammer im Geiste des Föderalismus, wenn der zuständige Landeshauptmann zu uns in den Bundesrat kommt. Ich freue mich daher außerordentlich, sehr geehrter Herr Landes­hauptmann, dass du heute da bist! Gott sei Dank sind Politikerinnen und Politiker keine Roboter, da ist auch sehr oft viel Menschliches dabei. Ich freue mich daher außer­ordentlich, sehr geehrter Hermann Schützenhöfer, lieber Erster Landes­haupt­mann-Stellvertreter, dass auch du heute da bist. Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Franz Perhab und ich haben uns gestern lange unterhalten, es war aber nicht ausgemacht, dass wir unsere Redebeiträge mit dem gleichen Thema beginnen. Erlauben Sie mir dennoch, auf die Vergangenheit zu replizieren.

Als Franz Voves am 20. Juli 2007 zum ersten Mal bei uns hier im Bundesrat war, war das zweifelsohne ein politisches Novum. Nach 60 Jahren ÖVP ist aus der Steiermark zum ersten Mal ein roter Landeshauptmann zu uns nach Wien gekommen. Was heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht eine Selbstverständlichkeit ist, war damals keine. Damit möchte ich nicht nur sagen, so ändern sich die Zeiten, sondern ich möchte damit auch keinesfalls in politischen Wunden wühlen. Demokratische Entscheidungen nehmen wir als Demokraten zur Kenntnis; sie sind so, wie sie sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Umso mehr freut es mich, dass heute hier im Bun­desrat das Thema der steirischen Reformpartnerschaft angesprochen und von den maßgeblichen politischen Parteien, aber auch von den politischen Spitzenproponenten deutlich dargelegt wird, dass es natürlich ein unglaublicher politischer und auch persönlicher Kraftakt ist, diese Reformen anzugehen; angesprochen wurde der Gesundheitsbereich, angesprochen wurde der Schulbereich, angesprochen wurde


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auch der Gemeindekooperationsbereich. Dass diese Reformen den tragenden Säulen in einem Bundesland sehr viel Kraft abverlangen, liegt auf der Hand. Ich selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin felsenfest davon überzeugt, dass es den beiden großen Parteien gelingen wird, diese Reformen auch ins Ziel zu bringen.

Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, war es auch sehr schön, zu beobachten – Franz Perhab hat das kurz angesprochen –, inhaltlich die Brücke zu begleiten, von dem politischen Ansatz aus dem Jahr 2007 mit dem Projekt RegioNext eine Brücke zu schlagen hin zu den Reformpartnerschaftsansätzen, die wir 2011 umgesetzt haben und die wir 2012 und wohl auch noch 2013 werden umsetzen müssen. Ich bin felsen­fest davon überzeugt, dass das gut gelingen wird. Diese Brücke inhaltlich darzustellen ist meines Erachtens wohl auch eine indirekte Bestätigung an Max Weber, der einmal gemeint hat:

„Politik bedeutet ein starkes, langsames Durchbohren von harten Brettern mit Leiden­schaft und Augenmaß zugleich.“

Insofern eine vorausschauende und zukunftsorientierte steirische Politik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei all dieser vorausschauenden Zusammenarbeit, bei all dieser Reformpartnerschaft, bei all dieser Gemeinsamkeit schätze ich das Gefahrenpotenzial, dass mittelfristig die steirische ÖVP und die steirische SPÖ zu einer Art steirischer Einheitspartei fusionieren werden, als äußerst gering ein. Es wird beiden Kräften guten Mutes gelingen, die Projekte umzusetzen, aber selbstver­ständlich – das ist klar – werden beide politischen Parteien rechtzeitig vor 2015 das politische Profil wieder schärfen und sich um jede einzelne steirische Wählerstimme bemühen. Das wird wohl politisch – realistischerweise – zu erwarten sein.

Ich habe schon zu Beginn meiner Ausführungen unserem Gregor Hammerl recht herzlich zu seiner Präsidentschaft gratuliert. Erlauben Sie mir nun an dieser Stelle noch einige Anmerkungen dazu.

Es ist zweifelsohne auch ein Novum, dass, wenn aus einem Bundesland ein roter Landeshauptmann nach Wien kommt, hinter ihm hier ein schwarzer Präsident sitzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Spannende dabei ist zweifelsohne für uns auch, dass die sozialdemokratischen steirischen Bundesräte auf einem Ticket und auf Vorschlag der ÖVP nach Wien entsandt wurden. Das ist schon etwas mit sehr viel Charme. Wer jetzt an dieser Stelle meine Ausführungen als rhetorische Spitzfindigkeit entlarven möchte, dem kann ich nur sagen, das ist nicht sehr weit hergeholt.

Aber ich bin auch der Meinung, ja wir sind felsenfest davon überzeugt, dass Gregor Hammerl, vor dem Hintergrund von zehn Jahren als Gemeinderat in der Landes­hauptstadt Graz, zehn Jahren als Landtagsabgeordneter zum Steiermärkischen Landtag und steirischer Obmann des Seniorenbundes und, wie wir häufig auch schon im Bundesrat erleben konnten – das ist nämlich etwas, was für uns Sozialdemokraten ganz wichtig ist –, dass du, lieber Gregor, mit einem sozialpolitischen Herzen am richtigen Fleck unsere Präsidentschaft und auch deine Präsidentschaft zum Wohle des Bundesrates, aber auch zum Wohle des Landes sehr, sehr gut meistern wirst. – Herzliche Gratulation und alles Gute! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Erster Landeshauptmann-Stellvertreter! Zum Thema Reformpartnerschaft ist aus profundem Munde schon so viel gesagt worden, und es wäre müßig, das jetzt zu wiederholen. Es stellt sich daher abschließend die Frage: Soll der Bund oder soll Österreich an der steirischen Seele genesen? – Wahrscheinlich mitnichten. Bleibt


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daher die Frage zu beantworten: In welcher Form wird denn die steirische Politik auf der Bundesbühne wahrgenommen?

Ich darf in diesem Sinne abschließen mit einem Zitat eines Printmediums mit Sitz in der Steiermark:

„Das mutige Bergvolk hinter dem Semmering beginnt langsam Wien zu erobern, nicht nur kulinarisch, sondern“ auch „politisch.“

Alles Gute und ein herzliches Glückauf! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bun­desräten der Grünen.)

10.02


Präsident Gregor Hammerl: Danke dir, lieber Mag. Gerald Klug, für deine Worte und vor allem dafür, dass du das Gemeinsame betont hast. Wir werden das Gemeinsame hier im Bundesrat, keine Frage, in den nächsten Monaten fortsetzen.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Kollege Krusche. – Bitte.

 


10.02.53

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Herr Landeshauptmann-Stellvertreter! Liebe Zuseher an den TV-Geräten zu Hause! Erlauben Sie auch mir eingangs, bevor ich zum eigentlichen Thema komme, die besten Wünsche und Glückwünsche für deine Präsidentschaft zu übermitteln. Ich wünsche dir viel Kraft und Erfolg, auch namens meiner Fraktion, für deine Amtszeit.

So viel geballte Reformkraft, wie wir heute hier schon gehört haben, erschlägt einen ja schon fast, und Kollege Perhab wird sich nicht wundern, wenn ich diese Reformkraft hier, als Nicht-Mitglied in der Reformpartnerschaft, etwas relativiere.

Es gibt da eine alte Geschichte in der Bibel, da hat sich ein gewisser Saulus, der ein Christenverfolger war, aufgrund einer göttlichen Erscheinung zum Missionar gewandelt und wurde somit zum Paulus. In der Steiermark haben wir eine ähnliche Entwicklung.

Wir haben einen Herrn Landeshauptmann Voves, der vorher 5 Jahre lang das Budget mit Füßen getreten hat und natürlich auch in den Zeiten davor, gemeinsam mit den Funktionären, mit den Landesräten von ÖVP und SPÖ, diese finanzielle Situation zu verantworten gehabt hat, vor der die Steiermark jetzt steht und die jetzt plötzlich in Form einer Erscheinung offensichtlich ans Tageslicht gekommen und ins Bewusstsein gedrungen ist.

Aber wir haben es hier nicht nur mit einem Herrn Landeshauptmann, sondern auch mit einem Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter zu tun. Und Sie haben es heute ja bereits gesagt: Ihr beide seid untrennbar miteinander verbunden. Das ist eigentlich eine ganz schlimme Ausformung von siamesischen Zwillingen. Man nennt so etwas auch Doppelfehlbildung. Damit kommen wir der Sache schon etwas näher.

Sie haben in der „Pressestunde“ vor wenigen Wochen gesagt: Die Sorgen und Probleme der Bevölkerung sollen im Mittelpunkt dieser Reformpartnerschaft stehen. Und Sie haben heute auch hier gesagt – das habe ich sehr interessant gefunden –, Sie haben Wahlen verloren und müssten deswegen gemeinsam arbeiten. Sie haben eigentlich Ihre eigenen hehren Motive, die Sie immer in den Vordergrund stellen, rela­tiviert und hiermit zugegeben, dass es nur um den Machterhalt von Rot und Schwarz geht. Sie haben es ja auch erwähnt, dass Sie die Zweidrittelmehrheit, Sie haben ja über 70 Prozent, retten wollten. (Bundesrat Mag. Klug: Selektive Wahrnehmung!)

Kommen wir jetzt zu diesen Reformen, die ja schon angesprochen wurden. Schulschließungen: minus 40 Schulen in der Steiermark. Das war das Letzte, was von


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diesen Reformplänen ans Licht gekommen ist. Und Sie begründen das – erlauben Sie mir, das so zu sagen: in einer etwas scheinheiligen Art – mit einer Steigerung der Qualität. Gleichzeitig aber gibt es in Wien Versuche mit mehrstufigen Klassen, weil man davon ausgeht, dass gerade in solchen Schulformen eine höhere Qualität geboten werden kann. Was hat das in Wirklichkeit zur Folge? – Eine weitere Aus­dünnung des ländlichen Raums.

Und auch Sie haben heute gesagt, Sie wollen die Abwanderung eindämmen. Wie? Indem Sie Infrastruktur wegnehmen? Kann ich mir schwer vorstellen, dass Sie damit junge Familien bewegen können, sich in solchen Regionen anzusiedeln, wo nicht einmal mehr eine Schule in der Nähe ist.

Den Mitteleinsatz wollen Sie in den Regionen fokussieren. – Hoffentlich kommt da nicht noch mehr „Fohnsdorf“ oder noch ein Vivarium dabei heraus, weil diese Flops kennen wir bereits zur Genüge.

Ein weiterer Punkt ist die große Gemeindestrukturreform mit dem Ziel einer Halbierung; die Zahl wurde ja heute schon oft genannt. Fakt ist vielmehr – man hat es vor wenigen Tagen auch in den Medien verfolgen können –: Für 32 Gemeinden, das sind nicht einmal 6 Prozent dieser 542, ist eine Gemeindezusammenlegung vorstellbar. 59 haben sich bereits dagegen ausgesprochen, und ein bisschen über 100 haben sich einmal unverbindlich informiert. Wenn das die große und breite Zustimmung ist, dann weiß ich nicht.

Wenn Sie sagen, in den Umfragen habe sich herausgestellt, im Schnitt sind 80 Prozent der Steirer für diese Reform, dann frage ich mich: Warum sind dann in jenen Gemeinden, in denen Umfragen zur Gemeindezusammenlegung bereits stattgefunden haben, diese mit demselben Wert gegen die Zusammenlegung ausgegangen? Also hier ist eine gewisse Spannung.

Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Strukturreform auf Gemeindeebene, aber wir sagen, diese muss auf Basis der Freiwilligkeit erfolgen und nicht auf Basis des Drüberfahrens. Und Sie müssen vor allem die Bürger überzeugen – und nicht die Bürgermeister.

Es hat bis jetzt auch noch nie eine konkrete Aussage gegeben, wie viel denn wirklich dadurch eingespart wird und wie viel von dem eingesparten Geld bei den Bürgern dann auch ankommt. Das Einzige, was man hört, ist, Sie wollen die Braven, die sich freiwillig zusammenschließen, belohnen, und daraus ergeben sich dann zwangsläufig die Bösen, die nicht zusammenwollen. Die werden dann bestraft.

Wenn Sie das Sorgen in den Mittelpunkt stellen nennen, dann muss ich Ihnen sagen, da verstehe ich etwas anderes darunter!

Oder: Spitalsschließungen. Gerade gestern in der Zeitung, der Bürgermeister von Mariazell: Benachteiligung der Randregion.

Ein besonders pikantes Beispiel ist ja Eisbach-Rein mit dem Krankenhaus – Sie haben es auch bereits angesprochen – Hörgas-Enzenbach, spezialisiert auf Lungen­heil­kunde. Der dortige Bürgermeister sagt: Eine Katastrophe für die Region. 200 Arbeits­plätze für die Leute, die in unmittelbarer Umgebung wohnen, würden verloren gehen.

Und wenn Sie schon so großartig vom Sparen reden, dann muss ich schon sagen, sehr glaubwürdig ist das nicht, denn diese Spitalsreform ist ja schon länger in Diskussion, und noch am 9. November letzten Jahres, also vor wenigen Monaten, wurde dort feierlich die modernste TBC-Station Europas eröffnet. Diese hat in den zwei Bauetappen zwischen 2007 und 2011 immerhin Gesamtkosten von 3,874 Millionen € verursacht. Und jetzt sperren wir das zu. Das ist Sparen auf Steirisch?!


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Darüber hinaus gibt es eine lange Latte an Kürzungen: Kürzungen im Sozialbereich, im Behindertenbereich, im Tierschutz, Wiedereinführung des Pflegeregresses, Abschaf­fung des Gratiskindergartens. Alles Wahlzuckerln, die Sie vor den letzten Wahlen eingeführt haben und jetzt wieder abschaffen. Oder: Nulllohnrunde für Gemeinde­bedienstete. – Was haben Sie bis jetzt eigentlich wirklich umgesetzt? Die Nulllohn­runde, das ist richtig, ja. (Landeshauptmann Mag. Voves: Offensichtlich vieles, sonst hätten Sie nicht so vieles zu erzählen!) – Das sind ja alles noch Pläne, das sind ja keine konkreten Maßnahmen!

Sie haben eine BH zusammengelegt, eine Expositur geschlossen. Und mit wie viel Herz und Liebe Sie bei dieser Strukturreform dabei sind, zeigt ja allein schon der Name dieses neuen Bezirkes. So etwas Phantasieloses, dass man den „Murtal“ nennt, ist mir überhaupt noch nie untergekommen! Da können sich eigentlich drei Viertel der Steiermark betroffen fühlen, denn die Mur ist etwas länger als das Aichfeld. (Bundesrat Mag. Klug: Gerd, sag doch, dass du sauer bist, weil du nicht dabei bist! Sag es einfach!) – Bei was, Herr Kollege Klug, soll ich denn dabei sein? Ich bin glücklich, bei der FPÖ zu sein (ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP) und mir einen kritischen Blick bewahrt zu haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt: die Abschaffung des Proporzes. – Übrigens, Herr Kollege Perhab, da haben wir zugestimmt. Das ist Ihnen vielleicht entgangen, aber du bist ja relativ selten bei den Landtagssitzungen dabei. (Bundesrat Mayer: Er hat ja sonst auch noch eine Arbeit!) Aber um was geht es denn wirklich? Auch hier geht es um einen Machterhalt von Rot und Schwarz. Verkleinerung des Landtages, eine Pseudoproporz­abschaffung – wer wird geschwächt? Natürlich die Oppositionsparteien. Ich nehme auch die Grünen hier gewissermaßen mit ins Boot, auch die kleinen Parteien haben darunter zu leiden.

Als wir gefordert haben, den Proporz wirklich abzuschaffen, nämlich in der Schul­verwaltung, bei der KAGes, in der ESTAG, bei den diversen Aufsichtsräten, haben Sie das abgelehnt. Das heißt, Sie wollen sehr wohl nach wie vor Ihre Macht, Ihre Aufteilung des Landes in eine rote und schwarze Hälfte beibehalten. Unter Reform­politik verstehen Sie Streichen, Kürzen, Zusperren.

Herr Präsident Hammerl hat es heute in seiner Rede schon sehr richtig gesagt: Bevor man über Zahlen debattiert, soll man sich über die Prinzipien einigen. Das fehlt mir. Es fehlt mir eine Darstellung der Aufgabenreformen. Wir haben nur Kürzungen. Aber wen wundert das eigentlich bei Ihren politischen Vorstellungen und teilweise, muss ich sagen, auch offensichtlich erschütternden Kenntnissen über das eigene Land?! Ich habe mir nur ein paar Dinge aus der letzten „Pressestunde“, die Sie da zum Besten gegeben haben, notiert.

Dass Sie eine zentralistische EU haben wollen, einen Bundesstaat, haben Sie ja mehrmals, auch heute bereits, betont. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie damit wirklich bei den Bürgern, nicht nur in der Steiermark, sondern in ganz Österreich, sind.

Sie haben aber auch so merkwürdige Dinge gesagt wie: Die Steiermark ist nur ein Autozulieferer und produziert selber keine Autos – wörtlich in der „Pressestunde“. Immerhin wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres 2011 über 100 000 Ein­heiten an Fahrzeugen bei Magna Steyr gefertigt.

Sie wollen eine Verstaatlichung von Energie und Verkehr. Ich höre schon, der Proporz feiert fröhliche Urständ’. Und Sie sagen dann so salopp: Mit dem Semmering-Tunnel werden wir halt aufgrund der Sparmaßnahmen ein bisschen später beginnen, aber dafür werden wir ihn schneller bauen. Das zeigt, wie viel Ahnung Sie von der Materie haben. Sie scheinen zu glauben, dass man eine Tunnelbohrmaschine beispielsweise wie ein Auto fährt und dann einfach ein bisschen mehr Gas gibt, und dann ist man


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schneller am Ziel. Eine Beschleunigung solcher Großbauvorhaben geht nur (Bundesrat Mag. Klug: Das ist wieder der Tunnelblick von dir!) – ich weiß, wovon ich rede! (ironische Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug) – dadurch, dass man beispielsweise zusätzliche Angriffspunkte schafft. Das würde aber ein neues Genehmigungsverfahren zur Folge haben.

Ihre Politikvorstellungen sind, so, wie Sie sie dargestellt haben, und angesichts des­sen, was bis jetzt dabei herausgekommen ist, nicht gut für das Land und schon gar nicht gut für die Bürger. Und Sie haben es ja bereits angedroht, Sie wollen in der ersten Hälfte Ihrer Amtszeit diese Kürzungen durchpeitschen. Und was passiert dann? Dann wollen Sie sich wieder bekriegen, dann wollen Sie wieder Wahlzuckerln verteilen?! Sie haben es unausgesprochen gelassen, aber durch die Blume haben wir es alle verstanden. Ich halte das für eine gefährliche Drohung und hoffe nur, dass diese Doppelfehlbildung irgendwann einmal wieder korrigiert werden kann. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.17


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


10.17.08

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann-Stellvertreter! Ich habe jetzt kurz geglaubt, Herr Kollege von der FPÖ, ich bin im Steirischen Landtag gelandet und nicht im Bundesrat. Ich denke, natürlich sollte man hier über Landespolitik sprechen, aber es soll ja darüber hinaus gehen. (Bundesrat Krusche: Das ist das Thema!) Es geht ja hier darum, wie die Länder kooperieren in einem gemeinsamen Österreich. So sehe ich zumindest die Aufgabe des Bundesrats. (Zwischenrufe der Bundesrätin Mühlwerth.– Natürlich, ja, er hat auch gesagt, dass er gerne bei der Freiheitlichen Partei ist, weil er gerne kritisch ist. Ich hoffe, Sie sind es auch gegenüber historischen Vergleichen Ihres Parteiobmanns. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Krusche: Das gehört auch nicht zum Thema!) Ja, aber das musste auch einmal gesagt werden.

Sie haben in Ihrer Rede, Herr Landeshauptmann, am Anfang gesagt, dass es derzeit Wichtigeres gibt als die Frage, ob man den Bundesrat abschaffen soll, reformieren soll und dergleichen. Da gebe ich Ihnen natürlich schon recht. Auf der anderen Seite ist es jetzt Thema, und wir werden jetzt damit umgehen müssen, egal, wie jeder hier dazu steht.

Wenn ich in diesem Zusammenhang seitens der Grünen einen Wunsch äußern darf: Wir halten es für wichtig, dass wir, bevor wir über Sachen diskutieren wie: Wie soll der Nationalrat organisiert sein, wie sollen die Landtage organisiert sein, wie soll der Bundesrat organisiert sein?, einmal darüber diskutieren, wie wir überhaupt demo­kratische Strukturen schaffen wollen, die für den Bürger und die Bürgerin zielführend sind. Und dann kann auch abgeschafft werden, dann kann verkleinert werden, vergrößert werden.

Dann sollen auch Minderheitenrechte gestärkt werden, weil bei Verkleinerungen gibt es nämlich immer ein Riesenproblem: Die kleinen Parteien, die dann natürlich auch personell reduziert sind, müssen dann genauso viele Themen, Gesetze, Akten durch­arbeiten wie die großen Parteien, und das ist wahnsinnig schwierig. Also 100 Gesetze durchackern, das ist wirklich keine einfache Angelegenheit. Wir sind hier zu dritt, wir müssen zu dritt das abdecken, was andere Parteien mit viel mehr Personal machen. Das ist für eine kleinere Partei eine große Herausforderung, und das sollte bei Verkleinerungen von Landtagen meiner Meinung nach immer berücksichtigt werden.


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Aber wie gesagt, es gibt wichtigere Themen, da gebe ich Ihnen recht. Sie haben – und da bin ich Ihnen dankbar, vielen Dank! – gesagt, es ist Zeit, dass wir über die Vereinigten Staaten von Europa sprechen und darüber, wie Europa hier zu organi­sieren ist. Und genau in derselben Diskussion, wie etwas demokratisch organisiert sein soll, muss auch über die Europäische Union diskutiert werden.

Wir müssen auf der einen Seite aufhören, dass man automatisch als Europagegner oder Europagegnerin gilt, wenn man Dinge, Abläufe, Geschehnisse innerhalb der Europäischen Union kritisiert. Das ist nämlich Blödsinn, weil Europa natürlich genauso demokratisch ist. Die Politik der Europäischen Union kritisieren kann man auch als glühender Europäer wie ich. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin für die Vereinigten Staaten von Europa – nämlich in der gesamten Diversität, in der gesamten politischen Vielfalt. Eines sage ich aber auch: Ich will kein Europa, das undemokratisch ist. Ich will kein Europa, in dem zwei Staatschefs, die man ja bekannterweise schon „Merkozy“ nennt, entscheiden, was hier Sache ist, und das Europäische Parlament ausschalten.

Wir haben heute in der Früh ja schon gegen ACTA demonstriert. Ich will kein Europa, in dem so wichtige und für die Bürger und Bürgerinnen alles völlig verändernde Verträge hinter verschlossenen Türen verhandelt werden und das Europäische Parla­ment quasi abstimmen muss, dass dieser Vertrag überhaupt veröffentlicht wird. Das ist nicht ein Europa, wie ich es mir vorstelle.

Sie haben von Offenheit gesprochen. Dann nehmen wir das ernst, dann fangen wir mit Transparenz an! Da ist das Europäische Parlament ein Musterbeispiel. Im Euro­päischen Parlament kann ich mir Ausschüsse im Internet live anschauen, während unsere Ausschüsse – vermutlich auch im Steirischen Landtag – immer noch hinter verschlossenen Türen stattfinden und keine Öffentlichkeit haben. Das halte ich nicht für demokratisch. Wenn wir über Öffnung und über Transparenz reden, dann muss der Staat damit anfangen, nicht die Bürger und Bürgerinnen müssen mit Transparenz anfangen. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben auch von der Zusammenlegung von Gemeinden gesprochen, von einem neuen Föderalismus und von Möglichkeiten von Reformen, die wir dringend brauchen. Ich könnte im Grunde genommen die Rede, die ich für die Aktuelle Stunde vorbereitet habe, doppelt halten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es sind natürlich sehr viele Parallelen, die da miteinander zu tun haben. Eine Verwaltungsreform ist immer auch eine Neuüberlegung betreffend Demokratie und wie man das organisiert – also hebe ich mir das für nachher auf.

Eines möchte ich aber zum Schluss noch sagen, weil Sie über den Proporz gesprochen haben. Jetzt möchte ich Ihnen eine persönliche Geschichte erzählen. Ich bin ja sozusagen ein Zuwandererkind. Meine Eltern sind ins Salzkammergut gekom­men, als ich sechs Jahre war, und da habe ich als Kind schon begriffen, da gibt es anscheinend Bundesländer, aber Menschen definieren sich schon wieder anders. Also ein Bad Ausseer fühlt sich einem Ischler immer noch mehr zugehörig als einem Grazer, das ist so, glaube ich. (Zwischenbemerkung von Landeshauptmann Mag. Voves. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, hier gibt es mehr Leute aus dem Salzkammergut. Ich bin ja in Bad Ischl aufgewachsen und habe als Kind immer geglaubt, Salzburg ist meine Hauptstadt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) So habe ich das immer wahrgenommen.

Neben der Tatsache, dass unsere Nachbarn uns plötzlich gebeten haben, abends die Vorhänge zu schließen, was wir nie getan haben – das machen Holländer nicht; von wegen Transparenz und Offenheit sozusagen –, war einer der größten Schocks für


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meine Eltern – das war in den siebziger Jahren –: Wenn sie mich in einem Sportverein anmeldeten, wenn man in einen Autofahrerklub ging, wenn man zu einer Bank ging, welche Rettungsorganisation man unterstützte, das war immer eine Wahl zwischen Schwarz und Rot.

Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Struktur und diese Kruste aufgebrochen ist, ganz im Gegenteil: Ich habe sogar die Befürchtung, dass bei all den Reformen, die da jetzt angedacht werden, die verkrustete Struktur nur scheinbar aufgehoben wird. Wenn ihr diese verkrusteten Strukturen durchbohren wollt, dann müsst ihr mit den Grünen zusammenarbeiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.23


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Landeshauptmann.

 


10.24.13

Landeshauptmann der Steiermark Mag. Franz Voves: Nur an beide Letztredner gerichtet: Man hat mich dann seitens des ORF nach dieser Pressestunde informiert, dass es eine Benotung durch die Menschen gibt, die da zugeschaut haben. Da gibt es eine Bewertung von null bis fünf; die Bewertung 4,6, die meine Pressestunde bekom­men hat, soll eine der höchsten qualitativen Bewertungen sein, die es überhaupt je gegeben hat. Ich sage es nicht auf mich bezogen, sondern nur: Wenn Sie mir Wissensmangel vorwerfen, hat irgendwer von uns beiden da jetzt ein Problem, glaube ich. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Zangerl.)

Dem Kollegen von den Grünen möchte ich sagen: Ich bin sehr glücklich, dass der Verkleinerung des Landtages – nachdem wir die Minderheitenrechte und anderes ab 2015 ausführlich besprochen haben – die Grünen und die FPÖ – manches weiß er nicht – zugestimmt haben. Also ich glaube, wir sind sehr offen mit dieser Frage umgegangen. Ich würde gerne mit Ihnen allen philosophieren, die im gemeinsamen Europa unsere wirklich gemeinsame Zukunft sehen. Ich kann leider nicht dabei sein, wenn Sie jetzt in der Aktuellen Stunde die Frau Finanzministerin in die Zange nehmen. Vielleicht habe ich schon einiges abgenommen in meinen Beiträgen.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen sehr herzlich danke sagen, dass ich da sein durfte. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

10.25


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Landeshauptmann.

Meine Damen und Herren, wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

10.26.06Aktuelle Stunde

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Für die Zukunft unseres Landes: Defizit- und Schuldenabbau“

mit Frau Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, die ich herzlich hier willkommen heiße. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die


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ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt ein Redner/eine Rednerin der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellung­nahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.27.10

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin Maria Fekter! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehschirmen zu Hause. Heute ist ein ganz wichtiger Tag im Jahreskreis. Maria Lichtmess heißt dieser Tag (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP) – nicht nur zur Ehre unserer Bundesministerin Maria Fekter, die gestern ihren jugendlichen Geburtstag gefeiert hat und der ich dazu auf das Allerherzlichste auch vom Bundesrat aus gratuliere. (Allgemeiner Beifall.)

Feste im Jahresreigen haben es so an sich: Sie regen zum Nachdenken an und geben auch Halt in der Gesellschaft. Maria Lichtmess ist der Tag der Reinigung. Maria Lichtmess ist der Tag, an dem man sich von altem Krempel trennt (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), an dem man neue Überlegungen anstellt, an dem man sich überlegt, wie es mit dem Personal weitergeht. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

In diesem Sinne darf ich erwähnen: Unser Auftraggeber und unser Arbeitgeber sind die Bürgerinnen und Bürger, und wenn wir nicht etwas zustande bringen, das auch den Namen verdient und Qualität hat, dann werden sie sagen, mit denen wollen wir nicht mehr weitertun. Das ist auch früher zu Lichtmess geschehen. Mit Handschlag hat man sich dann getrennt. Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei. Heute gibt es soziale Sicherheit und Kollektivverträge und so weiter, aber ich glaube, das soll uns zu denken geben – nämlich im Sinne einer Reinigung, einer Änderung, eines Beschreitens neuer Wege. Ich glaube, dass dieser Tag auch eine gewisse Symbolwirkung in diese Rich­tung hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir leben in einem ganz tollen Land. Wir haben tolle Zahlen. Wir haben einen Beschäftigungsrekord. Wir haben in der Jugend­beschäftigung die besten Zahlen in der Europäischen Union. Wir haben einen Export­rekord. Unsere Betriebe, vor allem die kleinen und mittleren Betriebe, strahlen eine Hoffnung aus und eine Zuversicht – ich weiß, wovon ich spreche, auch in meiner Funktion als Geschäftsführer eines großen wirtschaftlichen Verbandes.

60 Prozent unseres Wohlstandes kommen aus dem Exportgeschäft. Unser Land ist viel zu klein, als dass wir nur im Inneren Handel betreiben und unsere Produkte und Dienstleistungen anbieten. 60 Prozent unseres Wohlstandes sind aus dem Export, und ich darf hier durchaus an die Worte von Landeshauptmann Voves erinnern. Das war sehr beeindruckend und hat auch mit Lichtmess zu tun. Das sind Positionslichter, die er heute hier gegeben hat, Positionslichter, die auch uns den Weg ausleuchten können, wie wir hinsichtlich der nächsten Maßnahmen zur Verbesserung der budge­tä­ren Situation, der Schuldensituation unserer Republik weitergehen – und damit bin ich beim engeren Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Ich halte es auch für sinnvoll, dass dieses Thema in der Länderkammer diskutiert wird, weil die Bundesländer zeigen, dass es geht, dass man hier etwas weiterbringen kann. Ich bin dankbar, dass Landeshauptmann Voves auch auf das oberösterreichische Beispiel hingewiesen hat. Wir werden in den nächsten fünf Jahren durch Änderung der Strukturen 2,2 Milliarden € im Gesundheitswesen einsparen, ohne dass es für die Patienten und die Bevölkerung Nachteile geben wird.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 38

Das ist ein Beweis, dass die Länder sehr wohl dazu beitragen, dass diese Republik gesundet und dass die finanziellen Verhältnisse in Ordnung gebracht werden können – wenn wir wollen. Wir brauchen nur mehr Mut dazu.

Wir haben kein Einnahmenproblem, wir haben ein Ausgabenproblem. Wenn gesagt wird, die Leute haben über ihre Verhältnisse gelebt – das haben sie nicht. Die Bevöl­kerung hat nicht über ihre Verhältnisse gelebt, die Politik hat über die Verhältnisse entschieden, sonst würde es nicht zu diesem Schuldenberg kommen.

In unserer Bundeshymne heißt es „Land der Berge“, und ich möchte verhindern, dass es in dieser Republik zu einem Land der Schuldenberge kommt. Wir sollten, glaube ich, viel mehr an unsere Kinder und an unsere Enkelkinder denken, wenn wir unsere politischen Entscheidungen treffen.

Die Situation ist dramatisch: derzeit 218 Milliarden € Gesamtschulden des Bundes. Das entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 29 000 €, vom Baby bis zum Greis in dieser Republik, oder mehr als 53 000 € für jeden Erwerbstätigen, wenn man das weiter abwandeln will. 8 Milliarden € zahlen wir an Zinsen. Das ist mehr, als wir für Forschung und Entwicklung oder für Bildung ausgeben – vom Kindergarten bis zur Universität. Das ist viel zu viel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen jetzt bei einer Verschul­dungs­quote von rund 74 Prozent des BIP. 74 Prozent, das ist ein hoher Prozentsatz. Nach Maastricht sollten es 60 Prozent werden oder wieder sein. Wir haben das einmal erreicht. Im Jahr 2007 haben wir diese 60 Prozent des BIP, wie es uns die Europäische Union vorgeschlagen hat, knapp erreicht.

Wir sollten aber bei all diesen Überlegungen die Kirche im Dorf lassen. Weil wir gerade im Bundesrat und damit in der Länderkammer sind: 88 Prozent der Schulden wurden vom Bund angehäuft, nur die restlichen 12 Prozent von den Ländern und von den Gemeinden. Also ich glaube, es besteht größter Handlungsbedarf. Ich will die Länder und Gemeinden nicht ausnehmen. Alle müssen ihren Beitrag leisten, sonst kann das Gesamtwerk der Schuldenbremse nicht gelingen. Länder und Gemeinden sind also nicht der Auslöser der Schuldenbremse.

Frau Bundesministerin, ich bedanke mich bei Ihnen, denn Sie haben in der Koor­dination mit den Bundesländern tolle Arbeit geleistet. Der Solidaritätspakt mit den Bundesländern klappt. Jeder weiß, wie er dran ist, welche Grenzen und welchen Rahmen die Bundesländer einhalten müssen. Das war eine tolle Leistung! – Herzlichen Dank für diese Koordinationsarbeit! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen die Versäumnisse der Vergangenheit korrigieren. Es ist lange genug geredet worden. Wenn ich in Betriebe komme und frage, ob sie imstande wären, 5 Prozent des Aufwandes einzusparen, sagt jeder, das ist doch unser normales Geschäft. Das können wir ohne Weiteres. Wenn der Bund, die Länder und die Gemein­den jeweils 5 Prozent einsparen, hätten wir unser Ziel erreicht. Dann wäre das Sparziel gelungen. Ich glaube, an diesem Beispiel sollten wir uns orientieren und mehr Verant­wortung für die zukünftige Generation beweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht mir nicht darum, dass wir Maastricht einhalten. Es geht mir nicht um das Triple A. Das ist sowieso sehr unverständlich – auch wenn man von den Ratingagenturen spricht – in der Bevölkerung. Mir geht es darum, dass wir unseren Kindern und Enkelkindern nicht einen Schuldenberg hinterlassen, einen Rucksack umhängen, den sie nicht nur nicht mehr tragen können, sondern unter dem sie zusammenbrechen. Das ist eigentlich unser Hauptauftrag und unsere Hauptarbeit für die Zukunft.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 39

Ich ersuche alle, an diesem Werk mitzuarbeiten. Jeder muss seinen Beitrag leisten, so wie es heute Landeshauptmann Voves auch gesagt hat – eine sehr eindrucksvolle Rede und sehr eindrucksvolle Maßnahmen, die hier gesetzt werden. Das wünsche ich mir für unsere Republik, das wünsche ich mir für unsere Länder und das wünsche ich mir für unsere Kinder und für unsere Enkelkinder. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

10.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


10.37.36

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Kneifel, wenn wir den Gedanken über Maria Lichtmess ein bisschen weiterspinnen, dann müssten wir eigentlich alle Wahlen auf diesen Tag verlegen (Heiterkeit bei der ÖVP – Bundesrat Kneifel: Dass uns ein Licht aufgeht!), denn dann können wir uns trennen, dann wird die Politik bewertet, dann wird alles wieder neu. Das wäre der wichtigste und beste Tag des Jahres. – Nein, Spaß beiseite.

Wir besprechen also heute das Thema „Für die Zukunft unseres Landes: Defizit- und Schuldenabbau“. Ich habe dem Kollegen Kneifel sehr aufmerksam zugehört. Er hat von den 5 Prozent gesprochen, die wir einsparen können, wenn wir in allen Bereichen sparen würden, er hat aber nicht gesagt, wie wir dieses Sparen gerecht über die Bühne bringen. Ich glaube, darum geht es auch.

Wir alle wissen, dass die Situation dramatisch ist, und wenn wir heute gehört haben, dass es 8 Billiarden an Schulden gibt und dass nur 1,5 Billiarden – Billiarden wurde gesagt, oder? (Rufe bei der ÖVP: Billionen!) – Billionen von der Finanzwirtschaft kommen, dann wissen wir, dass wir das alles in den Budgets angerichtet haben.

Warum haben wir das in den Budgets angerichtet? – Weil einfach die Ausgaben relativ hoch sind, und zwar für Bereiche wie Pensionen, Krankenversicherung, Alters­versorgung. All das kostet viel Geld und all das wächst auch. Jetzt weiß ich schon, dass man da Einschleifregeln braucht, aber ich weiß auch, dass es ohne zusätzliche Einnahmen nicht gehen wird. Die Frau Bundesminister weiß das auch ganz genau, sie sagt es nur jetzt noch nicht, weil sie glaubt, dass dann der Spargedanke weg ist. Anders wird es aber nicht gehen, denn nur auf der Ausgabenseite dieses Geld herein­zubringen, damit die Budgets wieder in Ordnung sind, damit wir auch wieder Spielraum bekommen, damit wir wieder das tun können, was wir tun müssen, das geht nicht.

Mir geht es um die Steuergerechtigkeit, die es in Zukunft geben wird. Und es gibt einfach viele Menschen, die viel Geld haben.

Da ich in der Diskussion immer wieder höre, das Geld sei quasi ein scheues Rehlein, das sofort flüchtet, wenn irgendwer irgendetwas sagt, dann muss ich sagen: Ich glaube nicht, dass das Geld ein scheues Rehlein ist, denn wohin soll das Geld flüchten? Österreich ist ja ein sicherer Finanzplatz, und ich glaube nicht, dass jetzt jeder sein Geld woandershin verschiebt. Es wird ohnehin genug Geld verschoben, das wissen wir alle, etwa an der Finanzministerin vorbei. Das gibt es halt. Aber das gibt es in jedem Land. Das werden wir nie ganz verhindern können.

In den letzten Wochen und Monaten waren Hunderte Seiten mit Aussagen gefüllt, wo man sich mit der Schuldenbremse beschäftigt hat. Auch wir wissen heute noch nicht genau, wohin die Reise wirklich geht. Wir kennen ein paar Sachen, die wir erfahren haben, aber momentan herrscht ja – das muss ich auch sagen – wirklich eine echte Geheimhaltung. Das ist auf der einen Seite gut, die Presse hat natürlich irrsinnig viele


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Möglichkeiten, das alles sozusagen zu spielen, aber auf der anderen Seite ist es so, dass es draußen in der Bevölkerung nicht so ruhig ist, wie wir das vielleicht glauben wollen, da wird sehr wohl diskutiert.

Beispielsweise ist eine Pensionistin zu mir gekommen und hat mir gesagt: Schau, ich habe jetzt 1,32 € Pensionsanpassung bekommen. Das sind über den Daumen gepeilt 18 € im Jahr, 14-mal gerechnet. Und dann hat sie mir die Mieterhöhung für ihre 75-Quadratmeter-Wohnung gezeigt: 25 €, aber nicht im Jahr, sondern im Monat. (Bundesministerin Dr. Fekter: Wie hoch war die Pension, wenn sie nur 1,32 € Pensionsanpassung bekommen hat?) Die Pension war ein bisschen besser als die Durchschnittspension. (Bundesministerin Dr. Fekter: Weil wir die unteren angehoben haben!) – Nein, Frau Bundesministerin, so geht es ja auch nicht! Auch wenn ich eine bessere Pension habe und ich um 1,32 € im Monat mehr bekomme, habe ich weniger, weil ich zugleich 300 € bis 400 € im Jahr allein für die Wohnung mehr zahlen muss. Und das summiert sich, weil auch alles andere teurer wird, dabei bleibt es ja nicht. Und wenn das ein paar Jahre so weitergeht, dann ist man auch bei der Pension unten angelangt. So ist es!

Da frage ich mich: Wie soll denn da der Wohlstand weiterhin aufrechterhalten werden? Wie wollen wir da den Wohlstand sichern? Wie wollen wir da ein Wachstum zusammenbringen, wenn wir überall  (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Nein, lieber Kollege von der ÖVP! (Bundesrat Hensler: Das ist nicht fair, wenn man punktuell auf einen Fall eingeht!) – Wenn ich überall zurückfahre, ist weniger Geld zum Aus­geben da. Und wenn weniger Geld zum Ausgeben da ist, dann ist das Wirtschafts­wachstum gefährdet. Das wird jeder Volkswirt sagen. Jeder Volkswirt wird dir sagen, dass du auch beim Sparen nicht vergessen darfst, dass so viel Geld da sein muss, dass die Wirtschaft belebt wird. Darum geht es ja! Und die Wirtschaft belebt nur die Masse.

Weil ich vorhin von der gerechten Steuer geredet habe und auch von einer gewissen Schieflage im Finanzsystem, etwas, was wir ja wirklich haben, möchte ich jetzt ein Zitat aus der „Presse“ bringen. Ich weiß jetzt allerdings nicht, ob ich das tun darf, denn wir haben heute so viele Gemeinsamkeiten, dass man sich als Redner da wirklich schwertut. Aber ich zitiere dennoch:

„Schwarzer AK-Chef zürnt: ‚ÖVP agiert im stillen Kämmerlein an Bevölkerung vorbei.‘“

Ich betreibe jetzt nicht Klassenkampf, Frau Bundesministerin – das wird uns auch immer wieder unterstellt, wenn man sich damit auseinandersetzt.

Des Weiteren heißt es dann in diesem Artikel unter der Überschrift „,Verweigerung‘ der Wirtschaft“:

„Man habe klar und deutlich gesagt, jeder müsse einen Beitrag je nach seiner Leis­tungs­fähigkeit übernehmen. Die ,Verweigerung‘ finde tatsächlich bei Wirtschaft, Industrie und Bauern statt. ,Die Masse hat die Last zu tragen. Das wird so nicht gehen‘, betont Zangerl.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Und er sagt dann auch noch: Wir sind keine Klassenkämpfer, sondern „wir sind klasse Kämpfer“. Und da muss ich ihm recht geben. (Heiterkeit.)

Im Zusammenhang mit der Steuergerechtigkeit geht es auch um die Finanztrans­aktionssteuer. Sicher ist das europaweit zu sehen, nur, der Sarkozy sagt: Dann mache ich es alleine! Das mag schon sein, weil in Frankreich in drei Monaten Wahlen sind und er nicht besonders gut dasteht. Aber wir wissen alle, dass wir diese Steuer brauchen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 41

Es gibt die Forderung, die Managergehälter einzufrieren. Es gibt weiters die Forderung, die Reform der Gruppenbesteuerung zu ändern. Ich war dabei, als die Gruppenbe­steue­rung beschlossen wurde, und ich habe auch mitgestimmt, obwohl wir in der Opposition waren, weil es geheißen hat, bei den großen Betrieben bräuchten wir das. Nur: Wir sehen jetzt, wie sich das auswirkt, nämlich, dass die großen Betriebe sehr wenig Steuern zahlen. Einer hat einmal gesagt: Der Portier zahlt eigentlich in diesem Unternehmen am meisten Steuer! Ob das auch gestimmt hat, das weiß ich nicht. (Bundesrat Kneifel: Du darfst nicht alles glauben!)

Und es geht da auch noch um die Millionärssteuer. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja so oberflächlich, das ist ein Wahnsinn!) Ja, ich weiß schon, dass euch das überhaupt nicht passt, deshalb ist es auch nicht angesprochen worden.

Kollege Kneifel vertritt ja im Wirtschaftsbund nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Betriebe. Gesprochen hast du immer nur davon, dass du die großen schonst. Du hast nichts gesagt  (Bundesrat Kneifel: Du hast nicht zugehört!) Ich habe schon zugehört. (Bundesrat Kneifel: Nein, du hast nicht genau zugehört!) Ich gebe zu, ich höre dir nicht immer zu, aber heute habe ich dir sehr aufmerksam zugehört, und ich habe nicht gehört, dass du über diesen Bereich und über Steuergerechtigkeit gesprochen hast. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich weiß schon, dass es auf Bundesebene nicht die Harmonie gibt, die es zurzeit in der Steiermark gibt. Wir stehen ja jetzt ein Jahr vor der Wahl, und da ist es schon klar, dass man sich da überall schwerer tut. Ich glaube aber doch, dass man dieses Modell Steiermark auch einmal versuchen sollte.

Dieses Steuerthema wäre jetzt eine Möglichkeit, wo man wirklich sagen könnte: Okay, wir brauchen das, wir müssen so wie alle anderen Länder auch unsere Budgets in Ordnung bringen, damit wir uns wieder rühren können!

Vielleicht gelingt es, dass wir da eine Gemeinsamkeit zusammenbringen, sodass man am Ende des Tages sagen kann: Jawohl, es ist zwar hart für die Menschen in diesem Lande, aber es ist gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

10.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­des­rat Mag. Pisec. – Bitte.

 


10.47.33

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wirtschaft hat viel mit Fakten zu tun, und ich möchte mich nicht wie meine Vorredner in rhetorischen Ergüssen, denen ich mein Kompliment ausspreche, ergehen, sondern ich möchte mich an Fakten halten. Daher glaube ich, dass es besser wäre, wenn der Titel der heutigen Aktuellen Stunde „Defizit und Schuldenabbau – womit haben wir das verdient?“ hieße.

Womit haben wir das verdient, dass wir heute in diese Lage geraten sind? Wir müssen uns jetzt mit den Fakten auseinandersetzen, die Sie von der Bundesregierung in den letzten Jahren geschaffen haben. 2007 hatten wir, wie schon richtig gesagt wurde, das letzte Maastricht-konforme Budget bezüglich Neuverschuldung. Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen, und seither hat sich da nichts getan.

Ich darf an den Ist-Zustand erinnern: Wir halten heute bei 218 Milliarden € Cash-Verschuldung und wir halten bei über 170 Milliarden € ausstehenden Haftungen. Und das ist noch nicht einmal alles. Es ist, glaube ich, noch nicht einmal im Finanz­ministerium bekannt, wie viel an Gesamtverlust alle Körperschaften – Sozialver­sicherung – in Österreich in Form von Haftungen schreiben. (Bundesministerin Dr. Fekter: Eine Haftung ist aber noch kein Verlust!) – Was Griechenland betrifft,


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 42

werden Sie bald die 30 Milliarden an Haftungen abschreiben können. Das war einer der größten Fehler, den da die Bundesregierung gemacht hat, denn damit haben Sie dem Wirtschaftsstandort Österreich und Wien erheblich geschadet.

Im Budgetentwurf 2012 haben Sie weitere zehnprozentige Ausgaben, die die Einnahmen überschreiten. Das heißt, Sie haben gar nicht vor, eine konsolidierte Budgetpolitik zu machen, Sie haben gar nicht vor, sich mit diesem Thema, das Sie selber für die Zukunft unseres Landes vorgegeben haben, nämlich Defizit- und Schuldenabbau, auseinanderzusetzen. Eigentlich müsste es heißen: Defizit und Schulden – womit haben wir Österreicher, wir Bürgerinnen und Bürger das eigentlich verdient?

Der Finanzmarkt wurde auch angesprochen, und da bin ich dem Herrn Landeshauptmann Voves dankbar, dass er einmal gesagt hat: Nein, der Finanzmarkt ist nicht der allein Schuldige an dieser Krise, weil vier Fünftel eigentlich hausgemacht sind!, und darum geht es in Wirklichkeit.

Erstmals hat Österreich auf dem Finanzmarkt eine fünfzigjährige Staatsanleihe begeben, und zwar mit 3,7 Prozent Verzinsung. Und das ist eigentlich das, was die Crux an der ganzen Sache ist: Sie haben eigentlich gar nicht vor, hier Schulden zurückzuzahlen, sondern Sie haben einfach vor, die Schulden weiter hinaus­zuschie­ben, denn je länger Sie eine Anleihe begeben, desto höher sind die Zinssätze. Besser wären kürzere Laufzeiten mit kleineren Zinssätzen. Aber wie gesagt, Sie haben hier komplett andere Intentionen: Sie haben vor, mit dieser Schuldenpolitik weiterzu­machen!

Die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s, eine der führenden weltweit, hat Ihnen diesbezüglich die „Gelbe Karte“ gezeigt. Sie haben nämlich das Triple-A-Rating verloren, bekamen eine Herabstufung zu Double-A Plus, und das ist deswegen schädlich und das ist deswegen nicht gut, weil dieses Rating deshalb wichtig ist, damit Sie Ihre Staatsanleihe anbringen können. Mit dem Verlust dieses Ratings werden Sie, wird die Bundesregierung und damit wir alle, denn wir Steuerzahler leiden ja darunter, mehr Zinsen zahlen müssen.

Man kann natürlich sagen, wie Sie es ohnehin in den Medien getan haben: Die Rating­agenturen sind mir wurscht, wir machen, was wir wollen! – So kann es aber nicht sein! Amerika zum Beispiel hat auch – und da haben Sie vollkommen recht gehabt – das Triple-A-Rating verloren, hat auch nur Double-A Plus, aber die Zinssätze sind dort wesentlich geringer. Und da geht es um Vertrauen, das Sie wiederherstellen müssen. Sie haben mit Ihrer Politik international an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren.

Amerika hat heute für seine Schatzscheine, für die Staatsanleihen sogar einen nega­tiven Zinssatz. Das heißt, der, der den Amerikanern Geld gibt, muss sogar Geld dafür bezahlen, dass er das Geld auf dem amerikanischen Markt anlegen muss, darf. Das ist ein Beispiel für das Vertrauen, das man auf dem Markt bekommen kann. Wir haben es in Österreich aufgrund der Politik der österreichischen Bundesregierung leider nicht mehr.

Damit darf ich zum zweiten Punkt kommen, zu den Steuern. Denn Ihre Wirtschafts­politik besteht aus vier Punkten: aus Schulden, Steuern, Transferzahlungen an das Ausland, zum Beispiel an Griechenland, und staatliche Bevormundung durch unsere Überverwaltung.

Zu den Steuern, ganz kurz nur, das habe ich eh schon öfters gesagt: Es ist bekannt, dass wir eine weltmeisterliche – in Europa sowieso Spitze – Abgabenquote von 45 Prozent haben. Und 3 Prozent sind – das wissen Sie selber, das Finanzamt leidet


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 43

sicher darunter – bereits uneinbringlich, und zwar deswegen, weil die Steuersätze einfach zu hoch sind.

Damit bin ich bei der Wirtschaftsleistung, Kollege Kraml. Die Wirtschaftsleistung ist der Indikator schlechthin, der anzeigt, wie eine Volkswirtschaft dasteht und sich im internationalen Vergleich bewährt. Man muss sich da anschauen: Woraus besteht ein Wirtschaftswachstum, sprich das Bruttoinlandsprodukt? – Es besteht aus den Indika­toren Konsumnachfrage, Investitionsnachfrage und dem Saldo aus Import und Export.

Kollege Kneifel hat schon richtig gesagt: Im Export stehen wir sehr gut da, das trägt unsere Wirtschaft. Aber die Problematik liegt beim Konsum und bei den Investitionen. Denn: Die Investitionen sind in den Jahren 2005 bis 2011 real um 3 Prozent zurück­gegangen. Das ist dramatisch, denn Investitionen tragen die Wirtschaft, schaffen Arbeitsplätze, schaffen eine Wertschöpfung im Inland. Daher gehört der Output erhöht. Und nur dann, wenn Sie mehr investieren, schaffen Sie mehr Angebote.

Und da liegt das Problem, das wir in Österreich haben: Durch die Staatsverschuldung sind wir praktisch in einen Teufelskreis gekommen. Das zeigt sich an der Konsum­nachfrage. Die öffentliche Konsumnachfrage ist von 2005 bis 2011 nominell um 23 Prozent gestiegen, aber die private Konsumnachfrage nur um 15 Prozent. Diese Kluft von 30 Prozent hat der Staat mit seiner Verschuldungspolitik ausgeglichen, sonst hätten wir überhaupt kein Wirtschaftswachstum mehr.

Das Problem ist, dass Sie ohne Verschuldung überhaupt kein Wirtschaftswachstum mehr erzielen, weil die Bürger einen Einnahmenverlust hinnehmen müssen. Das sehen sie zum Beispiel an der Sparquote. Die Sparquote ist in Österreich erstmals unter 10 Prozent gefallen, die liegt bereits bei 9 Prozent. Darunter leidet wieder die Wirtschaft, weil auf Basis der Sparquote die Banken Kredite an die Unternehmen vergeben können, an die Klein- und Mittelbetriebe. Das heißt, man muss da anders ansetzen, das heißt, man muss es schaffen, dass die Einnahmen der Bürgerinnen und Bürger endlich erhöht werden, und das können Sie nur durch Steuersenkungen auf allen Gebieten schaffen.

Wir Freiheitlichen haben ein anderes Bild von Wirtschaftspolitik. Wir Freiheitlichen haben eine andere Politik, haben andere Werte – haben Werte, die den Bürgern mehr Freiheit geben sollen und weniger staatliche Bevormundung. Wir wollen weniger Schulden, weniger Steuern. Mit weniger Steuern schaffen Sie es, dass die Einnahmen und die Einkommen der einzelnen Bürgerinnen und Bürger gesteigert werden. Eine höhere Sparquote und höhere Konsumausgaben brauchen Sie, um das Wirtschafts­wachstum zu steigern.

Nun möchte ich kurz zu Ihren Prognosen kommen. – Es fällt auf, dass die Prognosen permanent falsch sind. Ich möchte da jetzt dem Wifo nichts vorhalten, die Leute dort sind sicherlich exzellente Wirtschaftsforscher, Wirtschaftswissenschaftler, aber man muss immer zwei Szenarien abbilden. Im Strategiebericht werden immer die Optima verwendet. Sie weisen zum Beispiel im Strategiebericht zum Bundesfinanz­rahmen­gesetz jedes Mal zwischen 2,5 Prozent und 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum aus, und zwar für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und hinterher stimmt das dann niemals.

Die Weltbank hat zu Recht gesagt, wir in Europa – und Österreich ist da an vorderer Stelle dabei – befinden uns schon längst in einer Rezession, man muss endlich den Tatsachen ins Auge schauen, denn die Investoren lassen sich nicht mehr von Formalismen beeindrucken. Daher ist es notwendig, bei den Gesetzen verschiedene Szenarien abzubilden: ein Oberszenarium und ein Unterszenarium und nicht nur ein Szenarium, nämlich das oberste, und das stimmt dann nicht, und dann muss man permanent neue Gesetze einbringen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 44

Da ist mehr Ehrlichkeit und Nachhaltigkeit notwendig. Deswegen ist der Stabilitätspakt, den wir hier im Bundesrat erst letztes Jahr, im Sommer 2011, beschlossen haben, auch falsch, denn der geht ebenso von falschen Prognosen aus.

Apropos Wifo: Ich darf an den Gründer des Wirtschaftsforschungsinstituts erinnern, Ludwig von Mises, einen exzellenten österreichischen Wirtschaftswissenschaftler, der nachgewiesen hat, dass nur ein freies Wirtschaften, gänzlich ohne planwirtschaftliche Eingriffe, die moderne Produktion aufrechterhalten kann und permanente staatliche Intervention zu einer radikalen Senkung des allgemeinen Wohlstandes führt.

Daher ist freiheitliche Wirtschaftspolitik immer verbunden mit Steuersenkungen, mit mehr Freiheit für den Bürger und für die Bürgerin, denn nur dann erzielt sie das Wirtschaftswachstum, das wir brauchen, das wir alle brauchen, um uns international vergleichen zu können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Finanzen Dr. Fekter. Ich erteile es ihr und ersuche sie, nach Möglichkeit die Redezeit von 10 Minuten nicht wesentlich zu überschreiten.

 


10.56.42

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich wünsche dem steirischen Vorsitz für das nächste halbe Jahr alles, alles Gute und möchte gleich einmal lobend erwähnen, dass ich mich als Finanz­ministerin ausgesprochen freue, dass sich die Steiermark entschlossen hat, das Haushaltsrecht in der Form, wie der Bund es hat, auch zu übernehmen. Ich leide nämlich als Finanzministerin schon ein bisschen darunter, dass die unterschiedliche Haushaltsgebarung in den Bundesländern nicht vergleichbar ist und die Datenlage ganz schwierig aufzubereiten ist, weil jedes Bundesland andere Vorschriften hat, und wenn wir da zu ein bisschen mehr Harmonisierung kämen, dann wäre das gut.

Im Hinblick auf das Thema der heutigen Aktuellen Stunde „Für die Zukunft unseres Landes: Defizit- und Schuldenabbau“ brauchen wir zuallererst Strukturreformen in jenen Bereichen, die die großen Ausgabenposten sind. Das sind die Bereiche Gesund­heit und Frühpensionen. Das ist der gesamte Verwaltungs- und administrative Bereich. Das ist das Dienstrecht für Beamtinnen und Beamte, insbesondere für Junglehrer, weil wir da vor einem Wechsel stehen, denn immerhin geht in den nächsten zehn Jahren mehr als die Hälfte der Lehrer in Pension. Das sind – ein ganz großer Ausgaben­posten! – die ÖBB, wo wir auch Reformen brauchen. Und wir brauchen Reformen im Förderwesen, weil Österreich europaweit Förder-Weltmeister ist.

Ohne Reformen in diesen Bereichen werden wir keine kostendämpfenden Effekte erzielen können und nicht nachhaltig unseren Staatshaushalt so stabil halten können, wie wir es wollen. Die Reformansätze sind inzwischen schon weit gediehen und sollen dazu führen, dass wir durch die Schuldenbremse dann im Jahr 2016 ein Nulldefizit haben. Um das zu erreichen, ist es aber notwendig, meine sehr verehrten Damen und Herren – und das betone ich jetzt hier in der Länderkammer –, dass Bund, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten und gemeinsam diese Anstrengungen unternehmen.

Wir müssen in Zukunft die Förderungen aufeinander abstimmen, die Förderziele miteinander koordinieren, gemeinsam Förderstrategien entwickeln, um Doppel- und Dreifachgleisigkeiten beseitigen zu können. Es ist auch notwendig, dass wir uns im Schulbereich gemeinsam hinsetzen, nicht nur, um ein einheitliches Dienstrecht für Landeslehrer und Bundeslehrer zu erreichen, sondern auch, um in der Schulver­waltung mit den Ländern eine gemeinsame Lösung zu bekommen. Natürlich arbeiten


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 45

wir auch im Gesundheitsbereich ganz intensiv an Strukturreformen, weil im Gesund­heitsbereich einerseits die Kassen mitzahlen, im Hinblick auf die Beiträge der Sozial­versicherungen mitzahlen, aber auch der Steuerzahler in Form von Zuschüssen mitzahlt und dann die Länder den Abgang decken, der bei den Spitälern anfällt.

Diese drei Elemente muss man zusammenführen und mittels Reformansätzen auch zu einem Kostendämpfungspfad kommen. Wir sind da auf gutem Weg. Die letzte Geset­zesmaterie den Spitalsbereich betreffend, das KAKuG, wurde ja auch hier beraten und beschlossen, gibt den Ländern inzwischen die Möglichkeit, derartige Refor­men einzu­leiten.

Neben dieser Reformagenda, die mir so besonders wichtig ist, weil wir ohne Reformen in den kostentreibenden Bereichen keine Nachhaltigkeit erzielen, brauchen wir natür­lich auch Zukunftsinvestitionen. Sparen alleine bringt uns nicht in die Zukunft, sondern wir müssen die Bereiche offensiv angehen, wo es um unsere Kinder geht, wo es um unsere Jugend geht, wo es um den Standort geht, wo es um die Zukunfts­inves­titionen  speziell Innovation, Wissenschaft und Forschung  geht.

Wir haben bereits in Loipersdorf diese Bereiche außer Streit gestellt im Hinblick auf den Sparpfad. Wir haben in Loipersdorf gesagt, diese Bundesregierung will auch für die Zukunft aktiv gestalten, und daher werden wir im Bildungsbereich und im Wissen­schaftsbereich, im Forschungs- und Innovationsbereich Geld in die Hand nehmen.

Im Hinblick auf den Defizitabbau, im Hinblick auf den Pfad haben wir uns darauf verständigt, dass alle Maßnahmen, die wir anpeilen, sorgsam hinterfragt werden müssen, dass sie nicht Arbeitsplätze gefährden, dass sie nicht wachstumshemmend sind, dass sie keine Investitionsbremsen darstellen, denn nur dann, wenn wir Voll­beschäftigung aufrechterhalten können und Wachstum in der Wirtschaft haben, können wir auch das ganze Paket bewerkstelligen.

Das Um und Auf ist Vollbeschäftigung, dass die Menschen Arbeit haben und dass damit der Wohlstand weiter gesichert ist. Wir müssen weiters danach trachten, dass wir nicht Maßnahmen setzen, die selbst wieder inflationstreibend sind. Sie wissen, wir haben schon eine im Vergleich zu unseren Nachbarländern doch etwas höhere Inflation, und die dürfen wir durch Maßnahmen nicht weiter anheizen.

Das Dritte, was auch im Hinblick auf einerseits Wirtschaftsstandort, Arbeitsplätze und andererseits Inflation und Wachstum wichtig ist, ist: Wir dürfen den Konsum nicht abwürgen. Daher ist die geringere Sparneigung für mich noch keine beängstigende Zahl, sondern ganz im Gegenteil, wenn die Menschen im Hinblick auf das Weihnachts­geschäft eingekauft haben, dann freue ich mich als Ministerin, denn damit kommt Mehrwertsteuer herein, damit hat der Handel Zuwächse gehabt, damit sind die Beschäftigten im Handel auch abgesichert. Das heißt, die Sparneigung als Negativum zu sehen: Nein, ganz im Gegenteil, es muss die Wirtschaft auch belebt werden, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Damit die Wirtschaft aber auch belebt werden kann, brauchen natürlich die Menschen das Geld im Geldbörsel, und daher sind bei allen Maßnahmen auch diese Effekte mit zu bedenken.

Warum tun wir das alles?  Nicht wegen der Ratingagenturen. Wir haben in Loipers­dorf bereits einen Pfad beim Defizitabbau eingeschlagen, da haben wir noch Triple A gehabt, und zwar sehr stabil. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir tun das für uns selber, denn wenn wir nach wie vor Schulden aufbauen und die Steuergelder mit den Zinszahlungen Richtung Banken lenken, dann ist das die falsche Lenkungs­methode. Ich will das Geld bei den Menschen haben, ich will das Geld dort haben, wo


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die Politik gestalten können muss, und nicht das ganze Geld, das wir steuerlich einnehmen, nur in den Zinsendienst stecken. Das ist nicht der richtige Weg, und das ist auch unsozial! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Wenn wir nichts tun, werden die Schulden weiter anwachsen, und Standard & Poor’s hat uns schon angekündigt, wenn wir über 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Schulden haben werden, dann werden sie uns weiter herabstufen. Werden wir weiter herabgestuft, zahlen wir höhere Zinsen. Wir müssen dann wieder mehr Schulden aufnehmen, und das führt in eine Spirale, in der sich andere Staaten schon befinden. Und in diese Spirale, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich Österreich niemals hineinbringen! Da sind Sparanstrengungen der bessere Weg. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Dass wir aber gar nicht so schlecht unterwegs sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigt der vorläufige Erfolg von 2011. Loipersdorf wirkt bereits. Wir haben im vorigen Jahr wesentlich weniger ausgegeben als ursprünglich geplant, um 2,3 Milliar­den weniger Ausgaben. Das heißt, wir sind bereits voriges Jahr sehr diszipliniert vorgegangen. Wir haben aber gleichzeitig mehr eingenommen als geplant. Das heißt, es hat sich das geplante Defizit Gott sei Dank sehr erfreulich nach unten bewegt, und wir sind anstatt auf 4,4 Milliarden, wie noch ursprünglich im Voranschlag drinnen war, auf 3,2 Milliarden im Vorjahr gekommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Daher, meine Freunde: Wir haben mit Loipersdorf den richtigen Weg eingeschlagen, aber es war noch nicht ambitioniert genug. Es hätte ausgereicht, wenn wir nur unsere eigene Wirtschaft sehen würden. Wir haben eine gesunde Wirtschaft, wir haben fast Vollbeschäftigung, wir haben gute Steuereinnahmen, wir haben einen Senkungspfad – aber wir haben ein Risiko durch unsere Nachbarn, durch Ungarn, durch Italien, wir haben ein Risiko im gesamtstaatlichen europäischen Bereich auch mit Spanien, Portugal, Irland und anderen Staaten. Und sollte dort was passieren  und wir bemühen uns auf europäischer Ebene sehr, dass nichts passiert , dann hätten auch wir wiederum ein Problem.

Nicht innerhalb Österreichs, das ist gut aufgestellt. Aber wir sind ein Exportland, und wenn wir unsere Exporte nicht mehr liefern können, dann gehen bei uns Arbeitsplätze verloren. Wir haben Banken, die in diesen Ländern tätig sind. Wenn dort etwas pas­siert, müssen wir da auch helfen, damit die Sparer ihre Einlagen nicht verlieren. Das heißt, dieses Restrisiko, das durch die Schwäche unserer Nachbarn entstanden ist, dieses Risiko müssen wir ausgleichen, indem wir uns ganz stabil aufstellen. Und wir müssen so stabil dastehen, dass ein bisschen mehr Wind, wenn er zu wehen beginnt, uns nicht umweht.

Daher: Mit Nulldefizit stehen wir stabil da, mit Schuldenabbau stehen wir stabil da, denn in unserem Land können wir das gut bewerkstelligen. Wir haben eine gute Wirtschaft, wir haben fleißige Menschen, wir haben einen sehr hohen Wohlstand. Und um diesen hohen Wohlstand zu erhalten, brauchen wir primär diese Reformen, die uns dann in einen Kostendämpfungspfad führen, der das Defizit bis 2016 in Richtung null bringt. Und da brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung, die natürlich auch ausgewogen in den, sage ich jetzt einmal, Betroffenheiten sein muss.

Selbstverständlich müssen jene, die mehr haben, auch mehr dazu beitragen. Daher haben wir beispielsweise bei den Pensionisten voriges Jahr die Inflationsabdeckung bei den unteren Pensionen zur Gänze und bei den oberen halt ein bisschen weniger sichergestellt, weil die Bezieher der oberen Pensionen eben leichter etwas beitragen können.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 47

Es ist natürlich von jedem ein Beitrag einzufordern, je nach seinem Vermögen. Und da müssen die Vermögenden mehr beitragen als diejenigen, die in der unteren Einkom­mensskala sind. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

Das ist normal, dazu bekennen wir uns auch, und dazu trägt die Wirtschaft auch entsprechend bei. Aber es ist absolut eine Illusion, wenn man glaubt, mit der Besteuerung von den paar Reichen, die wir in Österreich haben, könnten wir ein milliardenschweres Sparpaket schnüren. (Bundesrat Kraml: Das ist ein Beitrag!) Das wird es nicht bringen, sondern wir brauchen primär Reformansätze. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind in einer Koalition mit ganz unterschiedlichen Positionen, und wir werden uns gemeinsam bemühen, ausgewogen vorzugehen und trotzdem eine große Kraftanstrengung zu bewerkstelligen gemeinsam mit den Gemeinden und den Ländern. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Frau Ministerin.

Ich mache nun darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratungen in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.13.04

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ja, also ich hoffe, der ORF hat diese Rede der Frau Ministerin aufge­zeichnet, denn manchmal könnte eine Rede im Bundesrat ja durchaus auch Schlag­zeilen machen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich höre das erste Mal so eine deutliche Ansage, dass Vermögende ihren Beitrag zum geplanten Reformpaket leisten sollen. Wir sagen das ja schon seit Langem, die SPÖ sagt das auch schon seit Langem. (Bundesrat Kneifel: Das ist ja logisch!)

Wenn sich da eine Bewegung auftut, dann bin ich einmal neugierig, welche, denn ich hatte in letzter Zeit den Eindruck, man sollte die Regierung einmal in ein historisches Seminar schicken und studieren lassen, wie Roosevelt das mit dem „New Deal“ in den dreißiger Jahren nach der Wirtschaftskrise gemacht hat. Damals gab es ja eine Vermögenssteuer, ich glaube, von 70 Prozent oder so etwas. Wenn man das heute einführen würde, was Roosevelt damals gemacht hat, dann würde man als Marxist dastehen. Ich sage jetzt eh nicht, dass man das tun soll. Aber er hat in den USA damals gesagt, und das war ja vollkommen richtig, Arbeit muss sich mehr lohnen als Spekulation. Und er hat gesagt, dass in Infrastruktur investiert werden muss, da das Beschäftigung schafft.

Ich freue mich natürlich, und da haben Sie recht, über die hohe Beschäftigungsquote in Österreich. Aber in einem gemeinsamen Markt, in einem gemeinsamen Europa – das hoffentlich im Übrigen nicht nur eine Wirtschaftsunion und eine Fiskalunion ist, sondern demnächst auch eine Sozialunion – sind mir die hohen Arbeitslosenquoten von Jugendlichen in anderen Staaten wie in Spanien nicht egal. Und natürlich hat das Auswirkungen auf Österreich, das ist überhaupt keine Frage.

Wir vonseiten der Grünen haben ja eigentlich recht offen, transparent und klar gesagt, wie wir uns das vorstellen, wie wir glauben, dass man in diesem Land einsparen kann, viel Geld einsparen kann – und zwar mit einer Mischung aus gerechteren Steuern, ökologischeren Steuern, Strukturreformen und Investitionen in die Zukunft. Die Inves­titionen haben Sie genannt, das höre ich sehr gerne, das sage ich ganz offen. Ich höre gerne, dass Investitionen in Forschung, Innovation und Bildung geplant sind. Das ist


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eine der größten Herausforderungen dieses Landes, überhaupt keine Frage, die allerdings nicht nur eine Strukturreform, sondern in Bildungsfragen sicher auch eine inhaltliche Reform sein soll. Wir haben also da relativ klare Vorstellungen.

Der Herr Landeshauptmann hat in seiner Rede natürlich schon recht, wenn er sagt, die Zeiten von Klientelpolitik, gerade in diesen Fragen, sind vorbei. Wir dürfen uns jetzt nicht einigeln und verkrustete Klientelpolitik machen. Gerade große Parteien machen das halt sehr gerne zugunsten ihrer eigenen Wähler und Wählerinnen. Es wurde gesagt, nächstes Jahr wird schon wieder gewählt. Das heißt, da macht man lieber für seine Wählerschaft etwas als für das Gesamte. Das gilt im Übrigen für die Länder natürlich genauso. Und davor warne ich ausdrücklich.

Die Reformen, wie wir sie uns vorstellen, bestehen aus drei Punkten: Strukturreformen, das heißt Ende von Verschwendung, Schritte zu einer ökologischen und sozialen Steuerreform, Investitionen in die Zukunft.

Zu den Strukturreformen – es ist in den Zeitungen gesagt worden, ich wiederhole es gerne –: Kein Mensch in Österreich braucht 19 Krankenkassen. Eine Krankenkasse in diesem Land reicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Kein Mensch braucht Doppelgleisigkeiten durch Föderalismus. Diese doppelten Zuständigkeiten, besonders im Gesundheitswesen, gehören abgestellt. Pensionsversicherungen kann man im Übrigen auch zusammenlegen. Auch die Schulverwaltung – da wurde aber eh gesagt, dass da etwas geplant ist – ist reformierbar. Das Ganze ist möglich, ohne dass es für die Bürger und Bürgerinnen zu irgendeinem Leistungsverlust kommen würde.

Es gibt 599 Vorschläge seitens des Rechnungshofes, die muss man sich genau anschauen, ich sage nur „Wetterdienste“. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.– Ja, aber zusammengerechnet: auch Kleinvieh macht Mist. Das weiß jeder, der selber einen Haushalt führt.

Wir brauchen gerechte und ökologische Steuerreformen und einen Abbau von Steuerprivilegien für Agrardiesel, für Dienstautos, für Kerosin – kein Mensch versteht, warum es das gibt. Wir brauchen Vermögenssteuern. Wer die Vermögensverhältnisse, wir haben das hier schon oft gesagt, kennt, weiß, dass es anders nicht geht, denn wer hat denn von den Bankenrettungen und eigentlich auch Spekulationsrettungen profitiert? Und natürlich braucht es neben den Investitionen in die Bildung auch Inves­titionen in die Ökologie, denn eine Krise gibt es immer noch, und die wird noch viel nachhaltiger bleiben: das ist der Klimawandel.

Die Krise ist auch eine Chance, jetzt zu investieren, um gleich eine zweite Krise sozusagen mitzunehmen. Die Krise krankreden bringt nichts. Die Krise als Chance zu sehen bringt mehr. Reden wir aber auch noch über die Finanztransaktionssteuer. Sarkozy führt diese jetzt in Frankreich im Alleingang ein. Österreich könnte sich doch dranhängen! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Vizepräsident Mag. Himmer. – Bitte.

 


11.18.20

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ein wichtiges Thema, das wir hier be­sprechen, die Budgetpolitik, die Budgetkonsolidierung. Ich glaube, gerade mit dem steirischen frischen Wind, der hier die letzten zwei Tage durch das Parlament gezogen ist, war eigentlich sehr viel Positives aufzunehmen, wenn man sieht, dass es Politiker gibt, die sich ganz massiv an der Sache orientieren und ihre Verantwortung für das Land übernehmen – wo es doch eigentlich klar ist, dass nichts anderes die Aufgabe


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der Politik ist. Und manchmal ist es dann eben so weit, dass man auf diesen Kern zurückkommt. Das ist ja in der Steiermark wirklich angenehm zu sehen.

Von den Rednern, die hier Beiträge gebracht haben, möchte ich mich an Herrn Kollegen Pisec wenden. Ich möchte einmal ausdrücklich betonen, dass ich am Kollegen Pisec sehr schätze, dass er weiß, wovon er spricht, wenn er sich zum Thema Volkswirtschaft zu Wort meldet, weil das eine gute Grundlage dafür ist, dass man über die Dinge diskutieren kann. Es hat ja nicht immer jeder Redner einen solchen fundierten Zugang wie du, Kollege Pisec. Es werden ja an diesem Rednerpult immer wieder auch sehr viele heuristische Zugänge zur Volkswirtschaft vertreten.

Ich möchte nur in Richtung der Freiheitlichen auf der einen Seite anerkennend sagen: Wir haben ja zu dem Zeitpunkt, wo wir gemeinsam in einer Bundesregierung waren, eine recht vernünftige Budgetpolitik zusammengebracht. Aber in jenem Bundesland, in dem ihr die größten Wahlerfolge habt und die meiste Verantwortung tragt, war das schon ein ziemlicher Bauchfleck: Mit einem Landesbudget von 2 Milliarden die 25 Milliarden Haftung zu übernehmen, das könnte man als mutig bezeichnen oder als kühn oder wie auch immer, aber auf jeden Fall kann man sagen, es ist gewaltig danebengegangen. Kärnten ist ein wirtschaftlicher Großbauchfleck geworden, und hätte der Bund nicht geholfen, wäre das ganz schlimm ausgegangen.

Der Kärntner Landeshauptmann war auch anständig genug – daran kann ich mich erinnern –, auch hier im Hohen Haus entsprechend, fast ein bisschen demütig, anzuerkennen und sich beim Bund zu bedanken, dass er da dem Bundesland Kärnten geholfen hat. – Ich möchte das nur in dem Zusammenhang erwähnen, wenn man hier besonders stark die Wirtschaftskompetenz für sich arrogiert.

Ich denke, dass das Allermaßgeblichste, was wir jetzt machen müssen, ist, dass wir diese wenigen Prozentpunkte, die wir weniger ausgeben sollten, um zu einem ausgeglichenen Budget zu kommen, zusammenbringen. Und ich finde, es hätte der Opposition nicht schlecht angestanden, bei der Schuldenbremse zuzustimmen. Ich verstehe schon, das ist ein guter Zeitpunkt, Forderungen einzubringen, aber die Politik besteht eben auch daraus, dass man aufeinander zugeht, um zu Lösungen zu kommen. Das Ergebnis haben wir jetzt gesehen im Verlust des Triple A. Daran trägt natürlich auch die Politik Mitschuld, und ich möchte auch gar nicht sagen, dass das irgendeine Partei ausschließt. Es hat natürlich die Bundesregierung, es haben die Parteien es nicht geschafft, rascher aufeinander zuzugehen, und es ist eben auch mit der Opposition gescheitert, die Schuldenbremse rasch auf die Reihe zu bringen.

Ich möchte abschließend festhalten, dass es völlig klar ist und dass es für die Volkspartei nie in Zweifel gestanden ist, dass jene, die mehr beitragen können, auch zur Budgetkonsolidierung, dass jene, die mehr Einkommen haben, dass jene, die mehr Vermögen haben, mehr beitragen sollen. Aber entschuldigt, bitte: Das ist nichts Neues! Das ist der österreichische Sozialstaat. Darauf baut unser Fundament auf. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Klug.)

Also, Herr Kollege Schreuder, nothing new war das, was die Frau Finanzminister hier gesagt hat. Es wundert mich, dass man sich darüber wundern kann. Das ist an sich die klare  (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder sowie Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) – Es ist ja schön, wenn wir zur Aufklärung beitragen können. Aber ein klares Bekenntnis der Volkspartei hat es immer gegeben, dass die, die mehr beitragen können, das auch tun sollen.

Abschließend: Ich möchte all jene unterstützen, die hier zum Ausdruck gebracht haben, dass jetzt nicht die Zeit für Klientel-Politik ist. Und es ist wohl klar, dass eine Reform nur gelingen kann, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Egal, ob das die Berufstätigen sind, ob das die Pensionisten sind, ob das die Jüngeren sind, ob das die


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Älteren sind, jeder muss seinen Beitrag leisten, nur so kann es gelingen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir Österreicherinnen und Österreicher in einer kritischen Situation, in der wir jetzt sind, so zusammenhalten werden, dass wir für unser Land das Richtige tun. (Beifall bei der ÖVP.)

11.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubvorsitzender Mag. Klug. – Bitte.

 


11.25.14

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Finanzministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft unseres Landes hängt gerade in Zeiten wie diesen mehr als deutlich auch von Europa ab. Ich freue mich daher, dass auch unsere Finanzministerin in unserer Aktuellen Stunde nicht nur diese Aspekte angesprochen hat, sondern auch deutliche Signale zur nationalen Verantwortung heute nicht missen hat lassen.

Sehr geehrte Frau Finanzministerin, wenn ich symbolisch zusammenfassen würde, was ich jetzt im Anschluss von unserer Fraktion noch inhaltlich einbringen möchte, dann würde ich das so zeigen (der Redner macht eine entsprechende Geste mit den Händen)  und sagen: Ein gemeinsamer Weg im Sinne von dem Ziel, den nationalen öffentlichen Haushalt zu konsolidieren. Dieses Ziel eint uns. Und auf dem Weg dorthin müssen wir an den Schrauben noch ein bisschen drehen, dann wird das meines Erachtens gut gelingen. Nur nicht ungeduldig werden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um die Diskussion über die aktuelle Lage nicht nur national, sondern auch in Europa richtig führen zu können, müssen wir uns auch die Frage stellen, was denn eigentlich die wahren Gründe für die derzeitige Krise sind, sonst kommen wir nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den falschen Antworten. Ich glaube, dass wir nicht nur gestern am Abend, sondern auch heute schon klar und deutlich auf den Tisch gelegt haben, und zwar mehrfach: Wir haben die Situation, dass wir in der gesamten Eurozone rund 9 Billionen € Schulden haben, und davon sind 1,5 Billionen durch die Finanzkrise hervorgerufen. Das ist ein beachtlicher Anteil, aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit.

Daher ist es primäre Aufgabe von uns, unsere Hausaufgaben zu machen, die da lauten, den nationalen Haushalt zu konsolidieren. Auch in unserem öffentlichen Haushalt ist das deutlich ablesbar. Man möge sich daher die Zahlen aus 2007, 2008 und 2009 im Bereich der Staatsverschuldung genauer anschauen – ich sage nur als Stichwort: 60 Prozent-Latte vor den Konjunktur- und Arbeitsmarkt-Paketen – und wie sich der öffentliche Haushalt danach national entwickelt hat. Es bedarf also der Erledigung der nationalen Hausaufgaben, aber es gilt natürlich auch ganz wichtige Fragen auf der europäischen Ebene zu lösen.

Daher darf ich ganz kurz Standard & Poor’s zitieren:

„Daher glauben wir, dass ein Reformprozess, der einseitig auf  Sparmaßnahmen beruht, unwirksam sein könnte.“

Meine Damen und Herren, selbst amerikanische Rating-Agenturen kommen zur Einsicht, dass Sparen allein nicht das Allheilmittel ist. (Bundesrat Kneifel: Da muss man investieren!)

Sehr geehrte Frau Finanzministerin, ich darf daher meine Freude darüber zum Aus­druck bringen, dass Sie heute klar und deutlich neben dem Sparen auch Ihre Schwerpunkte im Bereich Konsum, Inlandsnachfrage nicht abwürgen und Wachstum und Wohlstand fördern, damit wir auf Zeit den öffentlichen Haushalt stabilisieren können, hier im Bundesrat platziert haben.


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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auf der europäischen Ebene haben wir zwei maßgebliche Hausaufgaben zu machen, nämlich aktive Schritte zur Finanzmarkt­regulierung und nachhaltige Investitionen. Daher benötigen wir erstens eine umfang­reiche Reform der Finanzmärkte – dazu gehört eine strikte und effizientere Über­wachung, aber auch eine strengere Kontrolle, bis hin zur Verschärfung der Eigen­kapitalvorschriften – und zum Zweiten ein europaweites Konzept für neue Arbeitsplätze und neues Wirtschaftswachstum. Arbeit und Wachstum sind zwei grundlegende, wichtige Faktoren, um stabile Haushalte schaffen zu können und letztlich zu wach­senden Staatseinnahmen gelangen zu können.

Gerade die letzte Abschlusserklärung des Rates, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat doch in de facto allen europäischen Regierungen die Einsicht gebracht, dass Wachs­tum und Beschäftigung der zentrale Kern zur Sicherung des Wohlstandes sind. Daher wird Kaputtsparen immer eine Sackgasse bleiben, oder, um es abschließend mit den Worten unserer geschätzten Frau Finanzministerin zusammenzufassen: den Konsum nicht abwürgen und Wohlstand sichern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.30


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.30.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Also der Opposition das jetzt in die Schuhe zu schieben, dass wir das Triple A verloren haben, finde ich wirklich kühn. Wir sind sicherlich nicht daran schuld. (Bundesrat Mag. Himmer: Einen Beitrag geleistet!)

Es ist eine Annahme – vielleicht –, dass, wäre die Schuldenbremse im Verfassungs­rang gewesen, wir dieses Triple A nicht verloren hätten. Keineswegs ist das gesichert. Es steht nirgends festgeschrieben, dass es nicht trotzdem passiert wäre. Von der Opposition zu verlangen, ohne Wenn und Aber, dieser sich dann im Verfassungsrang befindlichen Schuldenbremse zuzustimmen, wenn sich die Regierung untereinander nicht einig ist, das ist, finde ich, wirklich ein unverschämtes Ansinnen. (Bundesrat Mag. Himmer: Es ist um Österreich gegangen! Um Österreich!)

Sie beide waren sich nicht einmal einig. Ihr von der ÖVP wolltet – wenn ich mich richtig erinnere –, dass diese 60 Prozent auch dingfest gemacht werden. Da war die SPÖ wieder dagegen, die gemeint hat: Nein, das muss man ja aussetzen können, wenn es wieder einmal krisenhaft wird. Und dann zu sagen, die Opposition ist jetzt schuld?! (Bundesrat Mag. Himmer: Es wär halt ums Land gegangen!) – Nehmt euch bei der eigenen Nase!

Wir haben heute schon wirklich sehr viel Positives gehört. Ich gebe zu, mir hat das vom steirischen Landeshauptmann sehr gut gefallen, dass sie gemeinsam – Schützenhöfer von der ÖVP und die SPÖ – sagen, wir müssen in der Krise auch zusammenarbeiten und wir müssen schauen, dass wir da nicht Klientelpolitik betreiben.

Ich wünsche Ihnen aber allen sehr viel Glück und wirklich alles Gute dazu, dass Sie diese Klientelpolitik innerhalb Ihrer Bundesländer – und Sie haben vier schwarze und vier rote Landeshauptleute und einen freiheitlichen Landeshauptmann –, dass Sie diese Hürden auch tatsächlich überspringen können. Sie wissen es, wir wissen es auch, das wird noch ein sehr steiniger Weg werden.

Und ich möchte nur, weil das so aus dem Gedächtnis verschwunden zu sein scheint, erinnern, dass die Konvergenzkriterien von der Regierung schon vor Ausbruch der


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 52

Krise nicht mehr eingehalten worden sind, und dies nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Man hat das Geld mit vollen Händen ausgegeben, als ob es kein Morgen gäbe. Und viele Experten haben – auch in Österreich – gewarnt und haben gesagt: Ihr müsst aufpassen, gebt nicht so viel Geld aus, lebt nicht über eure Verhältnisse! – Als ob es nie gesagt worden wäre. Niemand hat – unabhängig von einer Schuldenbremse im Verfassungsrang oder auch nicht – die Regierung daran gehindert, sich rechtzeitig einzubremsen und zu sagen: Wir fangen jetzt mit dem Sparen an.

Aber da ist natürlich bei Ihnen auch die Angst da gewesen, den einen oder anderen Wähler zu vergrämen. Das ist eh immer dasselbe: Jetzt brennt der Hut, jetzt müssen wir halt. Es wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben als den einen oder anderen zu vergrämen.

Und zum Thema Klientelpolitik möchte ich schon die heutige „Presse“ zitieren. Diese schreibt:

„Budgetloch-Stopfen mit Wohnbaugeld

Ohne Zweckbindung von Förderungsgeldern und ohne umfassende Reform des Finanzausgleichs kann sich die Regierung die Staatssanierung gleich wieder abschminken.“

Da geht es ausnahmsweise nicht um Kärnten, da geht es wieder einmal um Nieder­österreich – auch nicht zum ersten Mal. Die haben ja schon einmal die Wohnbaugelder verspekuliert und sind auch (Bundesrat Kainz: Stimmt ja nicht!), nicht so arg, aber auch (Bundesrat Kainz: Stimmt ja nicht!) – stimmt nicht? –, auf die Nase gefallen. Aber man kann das nicht relativieren und sagen: Na, das war aber nicht so viel und es ist alles nicht so schlimm. 4,5 Prozent hättet ihr bekommen müssen, 1,8 Prozent habt ihr gekriegt – das war ein Verlustgeschäft.

Und da schreibt der Autor, das Wohnbaugeld zum Stopfen der Budgetlöcher zu nehmen, ist einfach nicht in Ordnung, und es gibt nur zwei Möglichkeiten: Man braucht die Wohnbauförderung nicht, dann sollte man sie abschaffen – denn das wird ja immer von Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit 0,5 Prozent gesponsert –, oder man braucht dieses Geld für die Wohnbauförderung, dann ist es eigentlich eine Frechheit, dass man es zum Stopfen von Budgetlöchern nimmt. Das macht das Kraut noch nicht fett, das ist ganz klar, aber es ist schon ein sehr markantes Beispiel dafür, was da alles noch vor Ihnen liegt.

Und wir haben ja alle – auch von den Oppositionsparteien – Vorschläge gebracht. Wobei ich es wirklich entzückend finde, dass die Grünen-Chefin Glawischnig jetzt die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten fordert – das fordert die FPÖ seit 20 Jahren. Jetzt haben es die Grünen neu erfunden, das erste Mal gehört, ich weiß es nicht. Es ist auf jeden Fall – auch wenn es die Grünen sagen – deswegen nicht falscher. Es ist eine richtige Forderung, aber da ist noch wirklich viel zu tun. Und es bricht Ihnen kein Zacken aus der Krone, wenn Sie Forderungen oder Vorschläge auch von der Opposition aufgreifen und in Ihre Überlegungen mit einbeziehen. Denn es ist nicht so, dass sich die Opposition generell zurücklehnt und sagt: Ja, die habt ihr gemacht, diese Schulden, und jetzt schaut halt, wie ihr da wieder rauskommt!, sondern wir sind durchaus bereit, da mitzutun. Aber es muss natürlich Hand und Fuß haben. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 53

11.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zur Abgabe einer abschließenden Stel­lung­nahme hat sich noch einmal die Frau Bundesministerin für Finanzen zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.36.09

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Im Hinblick auf die gemeinsamen Anstrengungen ist jeder Vorschlag willkommen, der die Beschäftigung sichert, der das Wachstum ankur­belt, der nicht inflationstreibend ist und, vor allem auch, der fair und gerecht ist. Derzeit haben wir bedauerlicherweise die meiste Last auf dem Mittelstand abgeladen. 2 700 000 Einkommensbezieher zahlen keine Lohnsteuer oder Einkommensteuer.

Aber dann zahlt der Mittelstand gleich einmal einen Einstiegssteuersatz von 34 Pro­zent. Auch das muss man laut sagen, dass das eine Schwäche unseres Systems ist, dass auf dem Mittelstand eigentlich die große Steuerlast abgeladen wird. Auch das möchte ich bei den künftigen Reformen immer mit bedenken: dass wir nicht noch mehr den Mittelstand belasten.

Und die Zukunft, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind unsere Kinder. Und daher werden wir bei den Familien nicht den Sparstift ansetzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Klug.)

11.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Frau Ministerin.

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

11.37.43 Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältig­ten und verteilten Anfragebeantwortungen 2640/AB bis 2651/AB und des

Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 des Bundes-Verfassungs­gesetzes betreffend die Wiederernennung des Landeshauptmannes von Vorarlberg Mag. Markus Wallner als Mitglied im Ausschuss der Regionen beziehungsweise

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag über eine Verstärkung der Wirtschaftsunion sowie

über ein Abkommen mit der Republik Moldau über die gegenseitige Hilfestellung bei Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen und die Zusammenarbeit bei deren Prävention und

über ein Abkommen der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Bücher­sammlung Esterházy an Österreich beziehungsweise

den Mitteilungen des Ministerratsdienstes betreffend

den Aufenthalt des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos am 2. und 3. Februar 2012 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates sowie

den Aufenthalt des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle am 1. und 2. Februar 2012 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates bei gleichzeiti­ger Vertretung am 2. Februar 2012 durch die Bundesministerin für Justiz Dr. Beatrix Karl

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 54

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 8)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Wiederernennung eines ordentlichen Mitgliedes des Ausschusses der Regionen gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                        „Republik Österreich

                                                                                                                                            Werner Faymann

                                                                                                                                                   Bundeskanzler

Herr Präsident des Bundesrates

Gregor Hammerl

Parlament - Bundesrat

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                    Wien, am 12. Jänner 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gem. Art. 23c Abs. 5 B-VG informiere ich Sie, dass die Bundesregierung im Rahmen der 126. Sitzung des Ministerrates am 10. Jänner 2012 Herrn Landeshauptmann Mag. Markus Wallner erneut als ordentliches österreichisches Mitglied des AdR vorgeschlagen hat.

Herr Mag. Markus Wallner wurde mit Beschluss des Rats vom 26. April 2010 auf Grundlage seines damaligen politischen Mandats - Landesstatthalter von Vorarlberg ­ zum ordentlichen Mitglied im Ausschuss der Regionen ernannt. Der Vorarlberger Landtag wählte ihn am 7. Dezember 2011 zum Landeshauptmann, die Vorarlberger Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 13. Dezember 2011 beschlossen, dass Landeshauptmann Mag. Markus Wallner auch auf Grundlage seines geänderten politischen Mandats weiterhin Mitglied im Ausschuss der Regionen bleiben soll. Dies wurde dem Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 mitgeteilt.

Durch den innerstaatlichen Mandatswechsel ist dem Rat der EU ein Antrag auf Wiederernennung als ordentliches Mitglied des AdR vorzulegen. Die Wiederernennung von Herrn Landeshauptmann Mag. Markus Wallner wird dann gemäß Art. 305 AEUV mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU erfolgen. Mit der Ernennung ist im Februar 2012 zu rechnen.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen“

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gregor Hammerl                                                                                                             16. Jänner 2012


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 55

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                         GZ: BMeiA-EU.8.33.02/0001 -l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 10. Jänner 2012 (Pkt. 43 des Beschl.Prot. Nr. 126) der Herr Bundespräsident am 12. Jänner 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag über eine Verstärkung der Wirtschaftsunion erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Das BMeiA wird dem Nationalrat und dem Bundesrat laufend über den Fortgang der Verhandlungen berichten, sodass der Nationalrat und der Bundesrat jederzeit die Möglichkeit zu Stellungnahmen haben. Da es sich um einen laufenden Verhandlungs­prozess handelt, geschieht dies im Verständnis, dass eine vertrauliche Behandlung aller übermittelten Dokumente sichergestellt ist, und zwar auf einer dem Geheim­haltungsgrad „eingeschränkt"/"restreint" entsprechenden Ebene.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                       „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

GZ BMeiA-EU.3.18.25/0106-III. 1/2011

Vertrag über eine verstärkte

Wirtschaftsunion (Fiskalpakt);

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Am 9. Dezember 2011 sind die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, in einer Erklärung überein­ge­kommen, eine Reihe von Maßnahmen zu treffen, um die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken. Neben Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz des ESM-Vertrags und Anpassungen des Sekundärrechts der Union zur Verbesserung der Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion gehört dazu auch ein neuer Fiskalpakt in Form eines völkerrechtlichen Vertrags, dessen Grundzüge in der Erklärung bereits umrissen sind.

Wesentliches Element dieses neuen Fiskalpakts ist die Verpflichtung, in den nationalen Rechtsordnungen auf verfassungsgesetzlicher oder gleichwertiger Ebene eine Schuldenbremse mit automatischem Korrekturmechanismus im Falle von Abweichun­gen zu verankern. Die Umsetzung dieser Verpflichtung soll vom Gerichtshof der Union überprüft werden können. Die Schuldenbremse soll dem Ziel nachhaltiger ausge­glichener Budgetpolitik dienen. Der Fiskalpakt soll zudem einen Schwellenwert von 0,5 % des nominellen BIP für das jährliche strukturelle Defizit vorgeben, der in der Regel nicht überschritten werden soll. Den am Fiskalpakt teilnehmenden Mitgliedstaaten wird ein Konsolidierungspfad für die Rückführung der Staatsschulden unter den im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Schwellenwert von 60 % des BIP vorgegeben. Für Mitgliedstaaten im Defizitverfahren ist dabei die Erarbeitung von Wirt­schaftsprogrammen mit detaillierten Angaben zu den notwendigen Strukturreformen vorgesehen, sowie die Überwachung der Einhaltung derselben sowie der jährlichen


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Budgetplanung dieser Mitgliedstaaten. Der Fiskalpakt soll auch einen Mechanismus zur Vorabinformation über geplante Emissionen von Staatsanleihen durch die Mitgliedstaaten vorsehen.

Darüber hinaus ist eine stärkere Koordination im Bereich der Wirtschaftspolitik vorge­sehen.

Weiters ist die regelmäßige Abhaltung informeller Treffen der Staats-und Regierungs­chefs der Euro-Zone vorgesehen, zu denen auch der Präsident der Europäischen Kommission und der Präsident der Europäischen Zentralbank eingeladen werden sollen.

Da der Europäische Rat bei seinem Treffen am 8. und 9. Dezember keine Über­einstimmung über eine entsprechende Änderung der Verträge der Union erzielen konnte, wird in Aussicht genommen, jene Teile der Übereinkunft der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone, welche nicht im Rahmen des Sekundärrechts der Union oder des ESM-Vertrages umgesetzt werden können, im Wege eines inter­nationalen Vertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Euro-Zone sowie weiteren interessierten Mitgliedstaaten der Union umzusetzen.

Mit der Verhandlung dieses Vertrages über eine Verstärkung der Wirtschaftsunion sollen folgende Personen betraut werden:

Werner Faymann                                  Bundeskanzler

Dr. Michael Spindelegger                   Vizekanzler und Bundesminister für

                                                                      europäische und internationale Angelegenheiten

Dr. Maria Fekter                                    Bundesministerin für Finanzen

Bot. Mag. Walter Grahammer         Ständiger Vertreter Österreichs bei der EU

Bot. Dr. Judith Gebetsroithner         Außenpolitische Beraterin des Bundeskanzlers, Bundeskanzleramt

MR Dr. Christa Peutl                            Stellvertretende Leiterin der Sektion IV

                                                                      (Koordination), Bundeskanzleramt

MR Dr. Edith Frauwallner                   Leiterin der Gruppe III/A (Internationale

                                                                      Angelegenheiten, Europäische Integration und

                                                                      Allgemeine Wirtschaftspolitik), BMF

MMag. Peter Part                                  Stv. Leiter der Abt. III.1 (Allgemeine

                                                                      Wirtschaftspolitik), BMF

BR Dr. Robert Weiss                          Leiter der Rechtsabteilung an der Ständigen

                                                                      Vertretung Österreichs bei der

                                                                      Europäischen Union

Der geplante Vertrag wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Das BMeiA wird dem Nationalrat und dem Bundesrat laufend über den Fortgang der Verhandlungen berichten, sodass der Nationalrat und der Bundesrat jederzeit die Möglichkeit zu Stellungnahmen haben.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler und der Bundesministerin für Finanzen stelle ich daher den


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 57

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die oben angeführten Personen zu Verhandlungen über einen Vertrag über eine Verstärkung der Wirtschaftsunion zu bevollmächtigen.

Wien, am 5. Jänner 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gregor Hammerl                                                                                                             12. Jänner 2012

Parlament, Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                         GZ: BMeiA-MD.8.33.02/0002-l.2a/2011

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 25. Oktober 2011 (Pkt. 9 des Beschl.Prot. Nr. 118) der Herr Bundespräsident am 4. November 2011 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Moldau über die gegenseitige Hilfeleistung bei Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen und die Zusammenarbeit bei deren Prävention erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                       „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-MD.4.36.13/0002-IV.2b/2011

Abkommen zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Republik Moldau

über die gegenseitige Hilfeleistung bei

Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen

und die Zusammenarbeit bei deren Prävention;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Im Bereich der Katastrophenhilfe hat Österreich in den letzten zwei Jahren bereits mehrmals Unterstützung für Moldau geleistet. Dies geschah im Wege des Gemein­schaftsverfahrens für den Katastrophenschutz bzw. im Rahmen der Nato-Partnerschaft für den Frieden. Österreich erachtet es als sehr wichtig, diesen Themenbereich nun auf


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 58

eine bilaterale gesetzliche Grundlage zu stellen und ein Katastrophenhilfeabkommen mit der Republik Moldau abzuschließen.

Im Rahmen des Gespräches zwischen der Bundesministerin für Inneres und dem Minister für Inneres der Republik Moldau, das am 25. September 2010 in Chisinau stattgefunden hat, wurden daher unter anderem Fragen der Zusammenarbeit im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes sowie der Katastrophenhilfe behandelt. Ein österreichischer Entwurf für ein entsprechendes Katastrophenhilfeabkommen wurde während des Besuches offiziell übergeben.

Österreich hat mit allen Nachbarländern, außer Italien, Abkommen über die gegen­seitige Hilfeleistung bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen abgeschlossen. Diese Abkommen bewähren sich sehr gut. Nach einhelliger Ansicht liegt der Abschluss eines derartigen Abkommens auch mit der Republik Moldau im Hinblick auf die mittelbare Nachbarschaft zu diesem Lande im Interesse Österreichs.

Auf Expertenebene wurde bereits weitgehend Einigung über den Text erzielt, so dass nun Verhandlungen über das Abkommen aufgenommen werden können.

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird voraussichtlich keine erheblichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Finanzen stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Michael Schwarzinger, Österreichischer Botschafter in Rumänien (mitakkreditiert in der Republik Moldau), und, im Falle seiner Verhinderung, Gesandten-Botschaftsrat Mag. Jürgen Heissel zur Leitung der Verhandlungen über das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen zu bevollmächtigen.

Wien, am 19. Oktober 2011

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gregor Hammerl                                                                                                             26. Jänner 2012

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                          GZ: BMeiA-RU.8.33.02/0001-l.2a/2012


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 59

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 10. Jänner 2012 (Pkt. 26 des Beschl.Prot. Nr. 126) der Herr Bundespräsident am 12. Jänner 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Büchersammlung Esterházy an die Republik Österreich erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                       „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-RU.5.28.18/0036-V.1/2011

BMeiA-RU.8.19.03/0026-1.2/2011

Abkommen zwischen der Regierung der

Republik Österreich und der Regierung

der Russischen Föderation betreffend die

Übergabe der Büchersammlung Esterházy

an die Republik Österreich;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Zu Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Bestände aus der Büchersammlung der Familie Esterházy von der sowjetischen Armee ins Gebiet des heutigen Russland verbracht. Seit Jahren laufen Gespräche mit der Russischen Föderation über die Rückgabe dieser Bücher. Bereits 2003 hat die Österreichische Bundesregierung einen Antrag auf Rückgabe der Esterházy-Bücher gestellt (vgl. Beschluss der Bundes­regierung vom 1. April 2003, sh. Pkt. 16 des Beschl.Prot. Nr. 4).

Auf russischer Seite besteht mittlerweile der politische Wille, die Esterházy-Bücher zurückzugeben. Präsident Medwedjew hat dies dem Herrn Bundespräsidenten anlässlich seines Besuchs in Moskau am 19. Mai 2011 zugesagt. Aus rechtlicher Sicht ist auf russischer Seite ein völkerrechtliches Abkommen erforderlich, das von der russi­schen Duma genehmigt werden muss.

Auf österreichischer Seite besteht großes Interesse an der Rückgabe der kulturell wertvollen Bücher.

Im zu verhandelnden Abkommen sollen die Verpflichtung der Russischen Föderation zur Übergabe der Bücher und die Übergabemodalitäten festgelegt werden. Eine Anlage zum Abkommen soll eine Liste der zu übergebenden Bücher enthalten.

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegen­heiten zur Verfügung stehenden Mitteln. Aus dem beabsichtigten Abschluss des Abkommens werden für die Republik Österreich keine Kosten entstehen, da durch einen privatrechtlichen Vertrag geregelt werden soll, dass die mit der Abwicklung der Rückgabe verbundenen Kosten von der Esterházy-Privatstiftung getragen werden.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 60

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Botschafter Dr. Martin Eichtinger,                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                      internationale Angelegenheiten

Botschafter Dr. Helmut Tichy,                            Bundesministerium für europäische und

Stv. Delegationsleiter                                             internationale Angelegenheiten

Gesandte Dr. Teresa Indjein                              Bundesministerium für europäische und

                                                                                        internationale Angelegenheiten

Gesandter Dr. Hans Martin Windisch-          Bundesministerium für europäische und

Grätz                                                                            internationale Angelegenheiten

Legationsrätin MMag. Ulrike Köhler                Bundesministerium für europäische und

                                                                                        internationale Angelegenheiten

Das Abkommen wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Ich stelle daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlungen über das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Büchersammlung Esterházy an die Republik Österreich zu bevollmächtigen.

Wien, am 2. Jänner 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„Bundeskanzleramt Österreich

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                                     Geschäftszahl: 350.200/0009 I/4/12

                                                                                                                                                 Abteilungsmail:

An den                                                                                     Sachbearbeiterin: Gabriele MUNSCH

Präsidenten des Bundesrates                                 Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

                                                                                                                                Telefon: 01/531 15/2264

Parlament                                                                                                          Datum: 25. Jänner 2012

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert DARABOS am 2. Und 3. Februar 2012 in Brüssel bzw. vom 3. bis 5. Februar 2012 in München aufhalten wird.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 61

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Bundeskanzleramt Österreich

Mag. Stephan LEITNER                                       Geschäftszahl: BKA-350.200/0007 I/4/2012

MINISTERRATSDIENST

                                                                                                                 Abteilungsmail: mrd@bka.gv.at

An den                                                                                              Sachbearbeiterin: Ingeborg HEIM

Präsidenten des Bundesrates                                      Pers. eMail: lngeborg.heim@bka.gv.at

                                                                                                                                Telefon: 01/531 15/2217

Parlament                                                                                                          Datum: 25. Jänner 2012

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz TÖCHTERLE am 1. Und 2. Februar 2012 in Kopenhagen aufhalten wird. Seine Angelegenheiten in der Sitzung des Bun­desrates am 2. Februar 2012 lässt er an diesem Tag durch die Bundesministerin für Justiz Dr. Beatrix KARL wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Es ist die Petition 30/PET-BR/2012 betref­fend sichere und kurze Zugänge zum Bahnhof Korneuburg, überreicht von Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum, eingelangt, die dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso eingelangt ist der Bericht gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 und 2010 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde, der dem Justizausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde und bereits einen Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung bildet.

Genauso ist die EU Vorhaben Jahresvorschau 2012, Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend eingelangt, die dem Wirtschaftsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Darüber hinaus ist die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Justiz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes eingelangt, die dem Justizausschuss zur Vorberatung zuge­wiesen wurde.

Weiters eingelangt ist die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Gesundheit 2012 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 und des Programms des Rates (Dänemark, Zypern), die dem Gesundheitsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

In weiterer Folge ist auch die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie 2012 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates einge-


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 62

langt, die dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Gleichfalls eingelangt ist der Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Euro­päischen Kommission für 2012 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2011/12 gemäß Art. 23f Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz iVm § 7 EU-InfoG, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Außerdem ist noch der Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012, Achtzehnmonatsprogramm des polnischen, dänischen und zypriotischen Vorsit­zes des Rates der Europäischen Union eingelangt, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlos­sen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesrätinnen und Bundesräte Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausschreitungen im Umfeld des WKR-Balls 2012 an die Bundesministerin für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Ich begrüße nun vor Eingang in die Tagesordnung die Frau Justizministerin ganz herz­lich bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

11.42.481. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufhebung und Rehabilitierung (Aufhebungs- und Rehabilitierungs­gesetz 2011) (1773/A und 1644 d.B. sowie 8653/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um den Bericht.

 


11.43.04

Berichterstatter Christian Füller: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufhebung und Rehabilitierung (Aufhebungs- und Rehabilitie­rungsgesetz 2011). Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 63

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte. (Es ertönt der Klingelton eines Handys.)

 


11.43.47

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! – Danke für die Auftrittsmusik, Frau Kollegin.

Zum vorliegenden Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz: Es ist das eigentlich die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels unserer Geschichte und sieht im Wesentlichen die rückwirkende Aufhebung von Entscheidungen der Sonder- und Standgerichte sowie der ordentlichen Strafgerichte aus der Zeit des autoritären Ständestaates sowie die Rehabilitierung von diesbezüglichen Justizopfern vor.

Ehrlich gesagt, dieses Gesetz ist längst überfällig. Und besonders erwähnenswert ist, dass über einige Jahre wirklich gute Gespräche und Verhandlungen stattgefunden haben, in die sich Präsident Neugebauer und Präsidentin Prammer, aber auch – das muss man auch erwähnen – Abgeordneter Steinhauser von den Grünen eingebracht haben, um dieses Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz sozusagen auf Schiene zu bringen, um die Justizopfer aus dieser Zeit, also von 1933 bis 1938, zu rehabilitieren.

Ich füge mit besonderer Anerkennung hinzu, dass sich die freiheitliche Fraktion im Nationalrat dann auch noch entschlossen hat, das Gesetz zu unterstützen und mitzustimmen. Ich hoffe, die Bundesratsmannschaft der Freiheitlichen kann sich diesem hoffnungsvollen Akt auch anschließen, sodass wir hier eine gemeinsame Beschlussfassung haben.

Es geht, um es genau zu definieren, um einen Kreis von Personen, die zwischen 6. März 1933 und 12. März 1938 verwaltungsbehördlich angehalten, strafgerichtlich verurteilt oder ausgebürgert wurden, weil sie sich für den Erhalt eines unabhängigen und demokratischen Staates Österreich eingesetzt haben. Ich wiederhole: sich für den Erhalt eines unabhängigen und demokratischen Staates Österreich eingesetzt haben.

Die Geschichtsbücher bezeichnen diese Februarkämpfe 1934 als österreichischen Bürgerkrieg oder als bewaffnete Kämpfe, die sich vom 12. bis zum 15. Februar 1934 abgespielt haben und die zu mehreren hundert Toten in verschiedenen österreichi­schen Industriestandorten geführt haben.

Ich habe schon von Verurteilungen durch Sonder- und Standgerichte gesprochen. Dabei ist erwähnenswert, dass allein in den Tagen dieses Februars 1934 21 Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Hunderte Menschen wurden grundlos inhaftiert, und es gab mehr als 10 000 Anhaltungen. Auch Abgeordnete dieses Parlaments waren davon betroffen; darüber wird wahrscheinlich Frau Kollegin Duzdar Näheres berichten.

Wenn das auch die überwiegende Zahl der Personen nicht mehr persönlich verneh­men kann, weil sie längst nicht mehr unter uns weilen, so ist das doch ein äußeres Zeichen der nachträglichen Wiedergutmachung, die eine diesbezügliche Rehabilitie­rungs­klausel natürlich beinhaltet.

Es gibt da ein besonderes Prozedere, das einzuhalten ist: Antragstellung beim Gericht für Strafsachen in Wien; da können sich Betroffene, Verwandte et cetera um eine entsprechende Feststellung bemühen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 64

Wir haben beim Bundesministerium für Justiz einen Rehabilitierungsbeirat eingerichtet, der dann die Fälle prüfen wird, und es ist dann auch in der Kompetenz des Gerichtes gelegen, eine Stellungnahme abzugeben und den historischen Sachverhalt ent­sprechend festzustellen.

Wir sind der Auffassung, dass das eine sehr praktikable und verwaltungsverein­fachende Lösung darstellt.

Ich bedanke mich auch bei der Ministerin für die Unterstützung bei diesem Gesetz. Meine Fraktion wird dem sehr gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


11.48.10

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Mayer, ich habe bei Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört, und wenn ich das, was Sie heute gesagt haben, mit dem vergleiche, was man früher vonseiten Ihrer Fraktion zu diesem histo­risch wichtigen Thema gehört hat, so meine ich feststellen zu können, dass sich die Auffassung Ihrer Partei diesbezüglich in den letzten Jahren sehr gewandelt hat. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, da wir dadurch heute in der Lage sind, dieses Reha­bilitierungsgesetz zu beschließen.

Es handelt sich um ein Gesetz, das kein Gesetz wie jedes andere ist, sondern das sich mit der österreichischen Vergangenheit auseinandersetzt. Der Zeitabschnitt von 1933 bis 1938 war noch bis vor Kurzem Gegenstand von politischen Kontroversen und emotionalen Gefechten, obwohl sich die Wissenschaft seit 30 Jahren über die histo­rischen Tatsachen einig ist.

Und obwohl die historischen Tatsachen bekannt sind und waren, wird und wurde dieses Kapitel der Geschichte in Österreich weitgehend tabuisiert. Manchmal konnte man darüber in den Zeitungen lesen – oftmals wurden diese Artikel ausgelöst durch eine Diskussion darüber, wie man dazu steht, dass das Porträt von Engelbert Dollfuß im Parlamentsklub der ÖVP gehangen ist. Oft war das der alleinige Anlass der medialen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Und es wurde dann immer darauf verwiesen, dass es diesbezüglich unterschiedliche Geschichtsauffassungen zweier politischer Parteien gäbe und auch zur Person Engelbert Dollfuß.

Die Diktatur von 1933 bis 1938 ist jedoch keine Frage von Parteienbefindlichkeiten, wie dies manchmal von Medien dargestellt wurde, sondern ist von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Das Ausschalten des Parlaments 1933, in der noch so jungen Republik, und das Regieren mit kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzen hat ohne Zweifel die demokratische Republik Österreich zerschlagen. Das Verbot der politischen Parteien, der Sozialdemokratischen und Kommunistischen Partei, sowie der Gewerkschaften und etlicher anderer Vereine hat aufrechte Demokraten und Demokratinnen in die Illegalität und Kriminalität gedrängt. Gerade die Beseitigung der demokratischen Strukturen in der Ersten Republik, die Unterdrückung, die Verfolgung, die Hinrichtung von Menschen, die sich nichts anderes zuschulden kommen haben lassen, als für ein unabhängiges, demokratisches Österreich einzustehen, hat unter anderem auch den Weg für den Nationalsozialismus in Österreich geebnet.

Mit dem heutigen Gesetz wird erstmals der Unrechtscharakter der Verfolgungs­maßnahmen im Austrofaschismus durch Engelbert Dollfuß unmissverständlich festgestellt. Auch wenn dies nicht ausdrücklich so im Gesetz festgehalten wird, so ist


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die Bezeichnung der Verfolgung von Demokraten und Demokratinnen als Unrecht ein Bekenntnis dazu, wer in den Jahren 1933 und 1934 die Demokratie und den Rechts­staat beseitigt hat.

Mit diesem Gesetz wird heute erstmals auch Abschied von jeglicher Behauptung genommen, es könne Situationen geben, in denen diktatorische Mittel legitim sein kön­nen. Eben darin liegt der besondere Wert dieses Gesetzes: Es wird ganz klar festgehalten, dass es Unrecht war, in Österreich 1933 eine Diktatur zu errichten, und dass es kein Argument geben kann, einen solchen Schritt zu rechtfertigen – keine Bedrohung von außen, nicht die Furcht vor dem eigenen Machtverlust im Inneren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht einfach, fast 80 Jahre nach dem Austro­faschismus dieses Geschichtskapitel hier im Parlament wieder aufzumachen, aber für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist es nie zu spät, auch wenn heute der Großteil der in dieser Zeit zu Unrecht Verurteilten nicht mehr lebt und diesen histori­schen Moment nicht miterleben kann. Die Auseinandersetzung mit der Vergan­genheit darf niemals als abgeschlossen betrachtet werden, sie muss immer weitergeführt und auch den nächsten Generationen mitgegeben werden.

So wie damals in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts birgt auch die Wirt­schaftskrise heute mit der Zunahme von Armut und sozialer Ungleichheit in Österreich wie auch allgemein in Europa demokratiegefährdende Tendenzen in sich. Wir sollten uns daher entschieden gegen alle Versuche verwahren, im Namen einer Wirtschafts­krise demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten einzuschränken. Wir sollten uns an den Frauen und Männern ein Beispiel nehmen, die im Februar 1934 das eigene Leben dafür eingesetzt haben, um ihre demokratischen Rechte und die sozialen Errungen­schaften zu schützen, und wir sollten deren Ausbau, nicht deren Abbau und nicht die Einschränkung des österreichischen Parlamentarismus zur Maxime unseres Handelns machen.

Geographisch nicht weit weg von uns tragen heute die Völker der Mittelmeerregion einen Kampf für Demokratie und Rechtsstaat aus, wobei bisher schon Abertausende Menschen ihr Leben lassen mussten. In unserem politischen Bewusstsein oder politischen Selbstverständnis verbinden wir aber leider manchmal diese Demokratie­bewegungen, die sich vor unserer Haustür abspielen, keineswegs mit unserer eigenen Vergangenheit. Vielleicht empfinden wir sogar, dass Demokratie schon immer Be­stand­teil unseres politischen Systems gewesen ist – als hätte unsere heutige demokra­tische Republik immer schon auf diesem Territorium bestanden. Demokratiefeindliche und autoritäre Diktaturen, faschistische Diktaturen liegen in Österreich aber nicht einmal 70 Jahre zurück. Was sind 70 Jahre in der Menschheitsgeschichte?

Das Bekenntnis zur Demokratie ist unsere ständige Pflicht, denn am Beispiel der dreißiger Jahre kann man nur allzu gut erkennen, dass die Abschaffung der Demo­kratie auch schrittweise und schleichend erfolgen kann, weshalb es wichtig ist, sich entschieden gegen jede Art des Demokratieabbaus zur Wehr zu setzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Rehabilitierungsgesetz ist daher heute ein historischer Meilenstein in der Auseinandersetzung Österreichs mit seiner Vergan­genheit. Es freut mich sehr, dass eine politische Einigung erzielt werden konnte und dass die Österreichische Volkspartei auch den politischen Willen aufgebracht hat, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dafür danke ich.

In der Vergangenheit wurden vonseiten Ihrer Fraktion oftmals Unverständnis und Ablehnung dem sozialdemokratischen Anliegen einer Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus entgegengebracht. Es ist aber den Sozialdemokraten und Sozial­demo­kratinnen stets um ein klares Bekenntnis zur Demokratie und zu objektiver


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historischer Wahrheit gegangen; denn die Zerstörung der Demokratie in den Jah­ren 1933 und 1934, die Verfolgung und Hinrichtung unzähliger unschuldiger Menschen hat den Boden auch für den Nationalsozialismus aufbereitet. Und welche Schreckens­herrschaft danach gefolgt ist, brauche ich Ihnen heute nicht darzulegen.

Ich bedanke mich bei all jenen Abgeordneten, die diesen Gesetzesantrag im Nationalrat eingebracht und jahrelang darüber verhandelt haben. Heute sind wir so weit, dass wir dieses Gesetz, das schon längst, wie mein Kollege Mayer gesagt hat, überfällig war, beschließen können.

Es wird Sie nicht überraschen, dass meine Fraktion diesem Gesetz wohlwollend zustimmen wird. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


11.56.27

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Um gleich die Antwort auf die Frage des Kollegen Edgar Mayer, ob wir uns diesem Gesetz anschließen werden, vorwegzunehmen: Ja, das werden wir tun. Wir werden diesem Gesetz heute hier zustimmen.

Es gab im Vorfeld der Meinungsbildung hier durchaus kritische Stimmen, ich möchte das gar nicht verhehlen. Ich denke, dass man bei einer Gesetzesmaterie, der man zustimmt, auch durchaus kritische Stimmungen und kritische Stimmen einfließen lassen soll, denn allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Und das gilt natürlich auch im speziellen Fall, bei diesem Gesetz.

Ich denke, dass es wichtig und notwendig ist, diesem Gesetz zuzustimmen, weil es sich um ein Versöhnungsgesetz handelt, weil es darum geht – die Vorrednerin hat es gesagt –, 80 Jahre nach einer Diktatur, die wir in Österreich hatten, hier endlich beide Seiten zu einer Form der Versöhnung zu bringen.

Trotzdem muss man auch die Frage stellen und muss die Frage erlaubt sein, wenn es hier im § 4 Abs. 3 heißt: „Allen, die sich zwischen dem 12. November 1918 und 12. März 1938 in Wort und Tat für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich eingesetzt haben , gebührt die Achtung der Republik.“, wie es im Einzelfall aussieht. Denn es sind das schöne Worte, aber trotzdem muss immer auch der Einzelfall angesehen werden.

Wir haben hier mit diesem Gesetz eine Bausch-und-Bogen-Entlastung, auch für private Schuld jedes Einzelnen, aber Schuld ist immer individuell und muss auch individuell gesehen werden.

Wir haben zum Beispiel im Fall des Richard Bernaschek, das war einer jener, die bei dem ersten Schusswechsel in Linz dabei waren, eindeutige Hinweise darauf, dass er sich keinesfalls für ein unabhängiges, demokratisches Österreich eingesetzt hat.

Er selbst schreibt da: „Das Programm der Nationalsozialisten steht uns näher ... Österreich ist nicht lebensfähig, und daher verlangen wir den Anschluß an ein großes Wirtschaftsgebiet, und zwar als Deutsche an das Deutsche Reich.“ – Nachzulesen im Buch „Die Tragödie der österreichischen Sozialdemokratie“, 5. Kapitel.

Ich möchte ihm nicht ins Grab nachspucken, das liegt mir fern, und er hat seine Leistungen auch durchaus erbracht, nur: Wenn wir heute hier mit einem Bausch-und-Bogen-Gesetz sagen, dass alles, was damals passiert ist, heute geklärt ist, dann muss man natürlich immer auch die Frage nach der Schuld des Individuums stellen. Und die


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Frage der Schuld des Individuums kann niemals durch ein großes Gesetz ausgelöscht werden. Das würde nämlich schon ein bisschen auch daran erinnern, wie nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei mit der Vertreibung der Sudetendeutschen umgegangen wurde. Denn dort hat man dann auch mit einem Gesetz diese Ver­brechen straffrei gestellt, und die individuelle Schuld wurde in weiterer Folge eben nicht mehr gesehen. Das ist immer ein bisschen ein Problem bei solchen Gesetzen. Über­haupt, wo es sich in diesem Fall ja auch um eine akademische Diskussion handelt, denn das betrifft zwei heute lebende Personen, die direkt betroffen sind – Familien­angehörige sind es natürlich wesentlich mehr. Es sind zwei Lebende.

Ein weiterer Punkt, der mir nicht unwichtig erscheint und der mir leider Gottes auch in der Debatte rund um dieses Gesetz fehlt, ist folgende Tatsache: Da gibt es zum Beispiel den Herrn Josef Gerl, der am 20. Juli 1934 ein Sprengstoffattentat auf eine Signalanlage der Donauuferbahn verübt und bei der Flucht einen Gendarmen nieder­geschossen hat.

Welches Gesetz behandelt eigentlich das Schicksal des Gendarmen? Der Gendarm war jetzt nicht unbedingt der durchideologisierte Häscher, der von der damaligen Regierung losgeschickt wurde, um den Herrn Gerl umzubringen. Man darf und sollte natürlich auch gerade in so einem sensiblen Fall nicht vergessen, dass es hier Opfer auf beiden Seiten gegeben hat. Ich habe immer ein bisschen ein Problem, wenn man Opfer nur auf einer Seite sieht. Nichtsdestotrotz wird dieses Gesetz zur Versöhnung dieser beiden Lager beitragen.

Es ist ja auch heute – man hat es im Nationalrat gemerkt und man merkt es auch heute hier – Gott sei Dank eine andere Generation von Politikern am Werk. In den 1970er Jahren war das noch eine wesentlich andere Debatte und eine wesentlich andere Situation, als wir sie heute haben, weil es ja kaum mehr jemanden gibt aus der älteren Generation – ich weiß nicht, ob jemand hier im Raum ist? Ich bin Jahr­gang 1974, also mein Bezug zum Jahr 1934 ist ein sehr distanzierter, auch der meiner Großeltern. Das war in meiner Familie kein Thema, dementsprechend kann man dann natürlich auch anders damit umgehen und anders darüber diskutieren und darüber sprechen.

Abschließend und zusammenfassend möchte ich Folgendes sagen: Ja zu diesem Gesetz, Ja zu einer Versöhnung, Ja zu einem Versöhnungsgesetz, aber, bitte schön, die individuelle Schuld des Einzelnen kann auch durch ein Gesetz nicht genommen werden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.

 


12.02.03

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben mich jetzt ins Grübeln gebracht, Herr Kollege Jenewein, auch wenn ich nicht allem zustimme, was Sie gesagt haben. Ich überlege gerade, ob das ein Versöhnungsgesetz ist. Ich denke jetzt wirklich darüber nach – jetzt live hier sozu­sagen –, weil ich gerade versuche zu verstehen, was ein Versöhnungsgesetz sein könnte.

Ich glaube ja eher, es geht darum, dass das Unrecht, das damals ausgesprochen wurde, auch als Unrecht bezeichnet wird, und ich halte das nicht für eine Versöhnung, sondern für eine historische Korrektur, die aus meiner Sicht dringend notwendig war. Also ich glaube, wenn man das als Versöhnungsgesetz sieht, geht das schon ziemlich


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an den Intentionen des Gesetzes vorbei. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Nichtsdestotrotz freue ich mich tatsächlich, dass wir alle diesem Gesetz zustimmen. Es wird schon auch für Zeithistoriker und -historikerinnen sehr spannend sein, wenn die Zeit des Austrofaschismus durchforstet und erforscht wird, natürlich auch der Umgang mit dem Austrofaschismus erforscht wird, und wie Österreich all die Jahre danach damit umgegangen ist.

Die Verhandlungen zu diesem Gesetz haben ja doch recht lange gedauert und waren manchmal auch schon fast am Scheitern. Herrn Staatssekretär Ostermayer muss man da wirklich ein großes Lob aussprechen, weil er dann auch wieder angespornt hat, da etwas zu tun, und das wieder ins Rollen gebracht hat. Man muss sich auch bei Herrn Neugebauer von der ÖVP bedanken, und man muss sich besonders bei der ÖVP bedanken. Wir wissen, dass gerade die ÖVP sich bei diesem Gesetz bewegen musste und sich auch mit gewissen Mythen der Vergangenheit – Geschichte hat ja auch sehr viel mit Mythos zu tun – auseinandersetzen musste. Leider hängt eben manches Bild noch in einem Parlamentsklub – es hing nicht, es hängt immer noch –, aber vielleicht könnt ihr das innerhalb eurer Fraktion auch noch einmal besprechen, ob es wirklich so klug ist, dass ein Bild von Dollfuß noch in Parlamentsräumlichkeiten hängt.

Nichtsdestotrotz sind wir wirklich froh, dass nach all diesen Verhandlungen jetzt ein Rehabilitationsgesetz, so würde ich es bezeichnen, zustande gekommen ist, auch wenn das Wort „Austrofaschismus“ nicht vorkommt. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Wir sind der Meinung, man sollte die Dinge auch historisch beim Namen nennen. Sei’s drum, das ist jetzt nicht der wesentliche Punkt.

Am meisten berührt hat uns Grüne der Kontakt zu einer Familie. – Deswegen sage ich auch, es handelt sich nicht um ein symbolisches Gesetz für zwei Überlebende, sondern es handelt sich um ein ganz konkretes Gesetz für die zwei Überlebenden, aber auch für alle Familien, die damals irgendwie davon betroffen waren.

Eine dieser Familien war die Familie Fischer aus Graz. Diese Geschichte hat mich wirklich berührt, weil sie natürlich auch viel Zeitgeschichte erzählt. Dieser Mann wurde in der Zeit des Austrofaschismus im Rahmen der Trotzkistenprozesse verurteilt – er war ein Trotzkist. Da kann man anderer Meinung sein, aber er war nun einmal einer.

Er wurde verhaftet, verurteilt, ist nach dem Anschluss vor den Nationalsozialisten geflohen und wurde dann in Frankreich von den Franzosen inhaftiert, weil der Verdacht bestand, er sei ein deutscher Spion – also der zweite Arrest. Dann wurde Frankreich von den Nazis besetzt. Er wurde von den Nazis verhaftet und im KZ Buchenwald eingesperrt, weil er ja Trotzkist war. 1945 wurde er aus dem KZ befreit und 1947 von den Sowjets verhaftet, denn Trotzkist durfte man auch bei den Sowjets nicht sein.

Dieser Mann ist viermal inhaftiert worden, viermal verurteilt worden. Ein Urteil war immer noch rechtskräftig – und das hat die Familie schon bestürzt –, und zwar war das erste Urteil aus der Zeit des Austrofaschismus immer noch rechtsgültig.

Es ist einfach erfreulich, dass jetzt zuletzt die Situation – nach den Aufhebungen der anderen Urteile: die Sowjetunion hat die Urteile schon in den frühen neunziger Jahren aufgehoben, die Nazi-Urteile wurden ja zum Glück aufgehoben – hier korrigiert wird. Dass das Urteil des Austrofaschismus immer noch gültig war, war natürlich auch historisch nicht korrekt. Deswegen: Danke schön, dass wir hier heute eine historische Korrektur machen! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.06



BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 69

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.07.242. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 und 2010 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde (III-449-BR/2011 d.B. sowie 8654/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Bitte um die Berichterstattung.

12.07.45

 


Berichterstatter Christian Füller: Bericht des Justizausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 und 2010 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde.

Der Text liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 und 2010 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegen­de Verfahren beendet wurde (III-449-BR/2011 d.B.), zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.08.41

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir machen einen Zeitsprung: Wir springen wieder in die Jahre 2009 und 2010. Der Bericht über die erteilten Weisungen ist ein sehr, sehr interessanter Bericht, denn er macht sichtbar, wie das Zusammenspiel zwischen dem Ministerium – dem Justizministerium – und den Staatsanwaltschaften und den Oberstaatsanwaltschaften funktioniert.

In 13 Verfahren wurden Weisungen erteilt, und wir sehen beim Blättern in den Berichten und bei Durchsicht der Berichte eines: Die Weisungen haben den Charakter von Handreichungen und Hilfestellungen. Also es sind auch aus Sicht der Staats­an­waltschaften und Oberstaatsanwaltschaften willkommene Hilfestellungen – Anwei­sun­gen, Entscheidungen, Leitlinien –, die helfen, Verfahren rasch, effizient abzuschließen.

Und es waren wirklich brisante, schwierige, aber auch von der Öffentlichkeit sehr beachtete Verfahren, in denen sich das Justizministerium die Hand reichend, helfend eingeschaltet hat – unter anderem drei Verfahren, in die Politikerinnen und Politiker involviert waren. Also auch da wird gehandelt, da wird entschieden, da wird Recht


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 70

gesprochen. Das macht eigentlich einen Rechtsstaat aus. Das ist eine hohe Qualität. Daran war auch das Justizministerium sehr aktiv beteiligt.

Es gab auch – wir haben vorhin das Verbotsgesetz und das Versöhnungsgesetz diskutiert – den brisanter Fall der Störaktion von Jugendlichen bei einer Gedenkfeier vor dem KZ in Ebensee. Diesbezüglich hat die Oberstaatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet.

Auf Vorschlag, auf Weisung des Justizministeriums wurde das Verfahren gegen einen Jugendlichen eingestellt, weil man Anzeichen dafür hatte, dass da eine mangelnde Reife vorliegt, er zu jung ist, das Unrecht noch nicht einsehen kann und auch von der Reife her, geistig noch nicht so weit ist. Aber gegen die anderen wurde das Verfahren fortgeführt. Drei Jugendliche wurden rechtskräftig verurteilt, und ein Jugendlicher wurde rechtskräftig freigesprochen. Also unser Rechtssystem funktioniert, auch dank der Unterstützung, der Begleitung durch das Justizministerium.

Warum erwähne ich dieses Verfahren gegen die Jugendlichen wegen der Störaktion bei der Gedenkfeier vor dem KZ in Ebensee? – Weil es eigentlich aktuell ist, anlässlich der Vorfälle in den letzten Tagen.

Ich erwarte mir, dass die Staatsanwaltschaften nicht nur gegen die Jugendlichen vorgehen, sondern auch aktuelle Vorkommnisse aus der letzten Zeit dementsprechend engagiert und aktiv untersuchen, also dass man nicht nur die Jugendlichen zur Verantwortung zieht, sondern dass man auch hinterfragt, wie weit politische Spitzen nicht nur politisch überzogen, sondern auch gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.12.09

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Der Bericht des Justizministeriums über die in den Jahren 2009 und 2010 erteilten Weisungen steht heute hier zur Diskussion. Mit der Vorlage dieses Berichtes kommt das Justizministerium seiner Verantwortung gegenüber dem Parlament nach, und das Parlament übt seine Kontroll­rechte aus.

Wir haben es gehört: Für das staatsanwaltliche Handeln hat die Justizministerin die Letztverantwortung. Das ist auch eine sehr große politische Verantwortung, gerade in Zeiten, in denen sich komplexe Wirtschaftsstrafdelikte mehren.

Es ist daher sicherlich kein leichtes Ressort, das Sie übernommen haben. Die Zeitun­gen sind voll mit Wirtschaftskriminalfällen, und der Ruf der Justiz in der Bevölkerung war auch schon einmal besser. Gerade Verfahren von überlanger Dauer, die sich dahinschleppen, wenn es eben um Fälle der Wirtschaftskriminalität geht, tun dem Ansehen der Justiz nichts Gutes.

Der Eindruck in der Bevölkerung entsteht – und das nicht unberechtigt –, dass bei kleineren Vermögensdelikten, die begangen werden, die Justiz eben schnell zur Hand ist, dass bei den einen mit aller Gewalt ermittelt wird, wie bei dem Verfahren gegen die Tierschützer, gegen die mit Lauschangriff und Rasterfahndung vorgegangen wurde und wo die Verhältnismäßigkeit und der Einsatz der Mittel äußerst fragwürdig waren, und bei den anderen – das ist eben der Eindruck – so lange ermittelt wird, bis es keine Beweise mehr gibt und das Ermittlungsverfahren eingestellt wird.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 71

Es entsteht nicht unberechtigterweise der Eindruck, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und dass gerade bei großen Vermögens- und Wirtschaftsdelikten, die von Menschen aus der Wirtschaft, aus der Politik begangen werden, die Staatsanwaltschaft zurückhaltender ist. Denn wie soll denn ein Bürger verstehen können, dass – und ich muss diesen Fall nennen – in der Causa Grasser seit zwei Jahren von der Staats­anwaltschaft ermittelt wird oder Ermittlungen geführt werden und bis zum heutigen Tag keine Anklageschrift vorliegt?

Was die Frage der Untersuchungshaft betrifft, bin ich als Juristin sehr vorsichtig – und mir ist bewusst, wie vorsichtig und sorgfältig man mit diesem Instrument umgehen muss –, aber aus meiner beruflichen Erfahrung als Anwaltsanwärterin kann ich nicht behaupten, dass sehr zimperlich mit diesem Instrument umgegangen wird. Ich würde mir wünschen, dass man nicht nur bei prominenten Persönlichkeiten, wenn es um die Frage der Untersuchungshaft geht, zimperlich wird, sondern bei allen Menschen, ganz unabhängig von Vermögen und Ansehen.

Es stehen ein Ex-Minister und persönliche Freunde des Ministers im Verdacht, sich mit Geldflüssen, die sich in Höhe von mehreren Millionen Euro bewegen – unter anderem auch im Zusammenhang mit dem Verkauf von österreichischem Staatseigentum –, bereichert zu haben. Ich rede von Verdacht. Die Liste der Vorwürfe wird von Tag zu Tag immer länger, und die Verdachtsmomente verhärten sich auch zunehmend. Sie vollständig aufzuzählen, würde den Rahmen der Rede heute sprengen, aber es gibt den Verdacht der Veruntreuung, der Bestechung, der Geschenkannahme, der Steuer­hinterziehung, und es ist tatsächlich für die Mensch nicht nachvollziehbar, weshalb die Ermittlungen so in die Länge gezogen werden. Es ist nicht verständlich, was die Gründe für die jahrelangen Ermittlungen sind, und die Frage stellt sich natürlich, ob nicht durch die Verzögerung Absprachen und die Unterdrückung von Beweismitteln möglich sind, so wie es der Fall auch in Liechtenstein gezeigt hat.

Solche Vorfälle, Frau Ministerin, fügen dem Ansehen der Justiz einen großen Image­schaden zu. Es entsteht das Bild einer Staatsanwaltschaft, die personell überfordert ist und nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt, um zügig und schnell Ermittlungsverfahren zu führen und sie abzuschließen.

Es entsteht weiters das Bild in der Bevölkerung, dass einflussreiche Menschen mit viel Geld und Macht sich von besten Anwälten vertreten lassen können, Millionenbeträge für Kautionen zahlen können und es sich irgendwie mit der Justiz richten können.

Die Justiz und natürlich auch die Politik haben die Aufgabe, diese schiefe Optik einer Zwei-Klassen-Justiz zurechtzurücken und dafür Sorge zu tragen, dass die Staatsanwaltschaft mit ausreichend fachkompetentem Personal ausgestattet wird, um den Herausforderungen komplexer Wirtschaftsstraffälle Herr zu werden.

Mit der Einrichtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im September vorigen Jahres ist meines Erachtens auch ein richtiger Schritt gesetzt worden. Auf­grund der steigenden Anzahl der Fälle im Wirtschaftsstrafrecht wird man jedoch nicht darum herumkommen, in dieser Hinsicht mehr politische Verantwortung an den Tag zu legen – vonseiten des Justizministeriums, vonseiten der Politik generell.

Werte Kollegen und Kolleginnen, wir werden diesem Bericht natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 72

12.17.34

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Frau Abgeordnete Duzdar hat gemeint, dass die Justiz den Eindruck erwecke, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. – Das weise ich für die Justiz wirklich auf das Schärfste zurück. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Mag. Duzdar: In der Bevölkerung!)

Vor den Staatsanwälten, vor dem Richter sind alle gleich, ohne Ansehung der Person, ohne Ansehung der politischen Stellung oder ihrer sonstigen Stellung. Es werden alle gleich behandelt. Aber man darf natürlich auch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Das möchte ich schon auch festhalten.

Es gibt eben auch bei den Ermittlungsverfahren große Unterschiede. Es gibt Ermitt­lungsverfahren, die einfach einen höheren Ermittlungsaufwand haben, weil es kom­plexere Verfahren sind. Das sind gerade auch die von Ihnen angesprochenen großen Wirtschaftsstrafverfahren. Die sind sehr komplex geworden, vor allem auch durch die zunehmende Globalisierung in der Wirtschaft. Das spiegelt sich natürlich auch in diesen Verfahren wider. Wir haben da sehr oft internationale Verflechtungen. Diese bedingen Rechtshilfeersuchen, und das kostet natürlich auch Zeit. Das heißt, das muss man natürlich alles berücksichtigen.

Ich habe selbst bereits einige Staatsanwaltschaften besucht und konnte mir etwa bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt oder bei der Staatsanwaltschaft Wien die Akten­berge ansehen, die bei einzelnen Ermittlungsverfahren zu bewältigen sind.

Ein solches Ermittlungsverfahren in einem großen Wirtschaftsstrafverfahren hat einen Umfang, der natürlich mehr Zeit erfordert als andere Verfahren, die leichter aufzuklären sind, die leichter zu ermitteln sind. Ich glaube, man muss wirklich bei jedem Verfahren genau hinsehen, was die Gründe dafür sind, dass es lange dauert. Sind die Gründe dafür, dass zum Beispiel ein Rechtshilfeersuchen notwendig ist, sind die Gründe dafür zum Beispiel, dass ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde und das länger dauert? – Das sind Gründe, die natürlich eine längere Dauer rechtfertigen können.

Nicht zu rechtfertigen ist es natürlich, wenn andere Gründe vorliegen, und das müssen wir uns immer genau ansehen. Aber von vornherein zu sagen, jedes lange dauernde Verfahren ist ein schlecht geführtes oder falsch geführtes Verfahren (Zwischenruf bei der SPÖ), das ist auch angesichts der sehr guten Arbeit, die in den Staatsanwalt­schaften geleistet wird, wirklich überzogen. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist Gott sei Dank eine sehr gute, aber, wie gesagt, es ist nicht immer einfach in diesen Fällen.

Gerade bei großen Wirtschaftsstrafverfahren kommt natürlich eines dazu: Bloße juristische Kompetenz reicht nicht bei der Bewältigung derartiger Fälle. Das heißt, wir brauchen da mehr wirtschaftliches Know-how. Das haben wir natürlich auch erkannt, dass da mehr wirtschaftliches Know-how notwendig ist.

Es macht keinen Sinn, dass wir alle unsere Staatsanwälte und Staatsanwältinnen zu echten Wirtschaftsexperten ausbilden, sondern sie sollen sehr gute Juristen sein – und das sind sie auch. Aber wir sind auch dazu übergegangen, ihnen Wirtschafts-Know-how zur Verfügung zu stellen, indem wir ihnen auch Wirtschaftsexperten zur Seite stellen, Wirtschaftsexperten, die sie dabei unterstützen, diese sehr komplexen Wirtschaftsfälle aufzuarbeiten. Denn eines ist klar: Eine juristische Beurteilung kann man erst dann vornehmen, wenn man auch den wirtschaftlichen Hintergrund versteht. Und das soll eben gemeinsam mit Wirtschaftsexperten bewältigt werden. Diese Wirtschaftsexperten, die wir den Staatsanwaltschaften zur Verfügung stellen, kommen etwa aus dem Bereich der Steuerberatung, der Wirtschaftsprüfung, des Controlling oder auch von der Oesterreichischen Nationalbank. Das soll natürlich auch helfen, diese Verfahren zu beschleunigen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 73

Sie sehen, wir überlegen natürlich auch Maßnahmen, wie wir diese Verfahren beschleunigen können, weil uns auch bewusst ist, dass es gerade diese Verfahren sind, die im Fokus der medialen Öffentlichkeit stehen und damit natürlich auch ganz stark das Bild der Justiz prägen. Es ist dadurch ein sehr einseitiges Bild.

Lassen Sie mich dazu nur zwei Zahlen sagen: Wir haben an den österreichischen Gerichten pro Jahr mehr als drei Millionen Geschäftsfälle, bei den Staatsanwalt­schaften mehr als 600 000 Fälle. Also allein wenn man sich das jetzt vor Augen hält, zeigt das, wie wenig Fälle in Relation dazu eigentlich wirklich quasi medial, öffentlich präsent sind. Und das ist ein gutes Zeichen. Aber, wie gesagt, das hindert uns natürlich nicht daran, dass wir Maßnahmen überlegen, wie wir noch besser werden können, auch in den Verfahren, die eben auch in der medialen Öffentlichkeit stehen.

Ich kann Ihnen auch berichten, dass ich heute eine Pressekonferenz gegeben habe, wo es genau um das Thema gegangen ist, das Sie angesprochen haben, nämlich das Vertrauen in die Justiz, das ja so wichtig ist, und die dafür notwendigen Maßnahmen.

Ich habe heute eine Vertrauensoffensive gestartet, wo es wirklich darum geht, das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zurückzugewinnen. Das ist mir nämlich ganz besonders wichtig. Ich glaube, das muss uns allen wichtig sein. Wir dürfen ganz einfach nicht vergessen, dass die Justiz eine der tragenden Säulen unseres demo­kratischen Rechtsstaates ist und natürlich auch ganz wesentlich für das Funktionieren einer Gesellschaft ist. Und deshalb hoffe ich, dass es durch eine Reihe von Maß­nahmen auch gelingen wird, das Vertrauen in die Justiz wieder zurückzugewinnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt komme ich zum eigentlichen Bericht, um den es ja heute geht. Die Bestimmung des § 29a Abs. 3 des Staatsanwaltschafts­gesetzes verpflichtet mich, jährlich gegenüber dem Nationalrat und dem Bundesrat über die von mir erteilten Weisungen zu berichten, nachdem das der Weisung zugrun­de liegende Verfahren beendet worden ist. Da ich ja die Ressortverantwortung erst am 21. April letzten Jahres übernommen habe, enthält der Bericht nur Weisungen, die meine Amtsvorgängerin erteilt hat. Der Umstand, dass auch Weisungen aus dem Jahr 2009 berichtet werden, ist einfach damit zu begründen, dass die zugrunde liegenden Verfahren erst im Jahr 2011 beendet worden sind, wie gesagt, erst dann darf darüber berichtet werden.

Der Bericht gibt mir aber auch die Gelegenheit für einige grundsätzliche Ausführungen zum Thema Weisungsrecht und zu meinem Amtsverständnis, steht doch die Diskus­sion über dieses externe Weisungsrecht der Justizministerin gegenüber den Staats­an­waltschaften seit Langem, insbesondere jedoch seit der Gesetzwerdung und Um­set­zung des Strafprozessreformgesetzes, im Mittelpunkt der rechtspolitischen Diskussion.

Mich selbst begleitet diese Diskussion, ehrlich gesagt, bereits seit meinem Amtsantritt. Das war eines der bestimmenden Themen von Anfang an, weshalb ich die Gelegenheit heute auch besonders schätze, Ihnen nach einer Reihe von Gesprächen, die ich mit Betroffenen und auch mit Entscheidungsträgern in- und außerhalb der Justiz geführt habe, nun heute meine Haltung zur Staatsanwaltschaft und zu ihrer Stellung in der Gesellschaft näher ausführen zu können.

Im Rahmen der Beschlussfassung des Artikels 90a B-VG wurde explizit eine Weisungsbindung der Staatsanwälte normiert. Darüber hinaus wurde mit dem zugleich mit der B-VG-Novelle 2008 beschlossenen Strafprozessreformbegleitgesetz II in § 29a StAG eine nähere Regelung des Weisungsrechts der Justizministerin getroffen. Damit wird sichtbar, dass der Verfassungsgesetzgeber zum einen von einer umfassenden Weisungsbindung der Staatsanwälte ausging und zum anderen eine Weisungsbindung gegenüber dem Bundesminister für Justiz und damit einem Verwaltungsorgan vor Augen hatte. Ich halte diese Entscheidung des Gesetzgebers für eine sehr weise.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 74

Aufgrund des weiterhin bestehenden Weisungsrechts bleibt die Justizministerin für das Agieren der nunmehr zu Organen der Gerichtsbarkeit erklärten Staatsanwälte dem Parlament gegenüber verantwortlich. Oder anders formuliert: Bei der Ausübung des Weisungsrechts des Bundesministers gegenüber den Staatsanwälten handelt es sich nach wie vor um Verwaltung. Daher kann die Ausübung dieses Weisungsrechts auch vom Parlament kontrolliert werden, was ich im Sinne der Transparenz der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften auch uneingeschränkt begrüße.

Die jüngere Rechtsentwicklung fügt sich in dieses Bild einer dem demokratischen Prinzip verpflichteten Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Verfolgung von Straftaten ein. Im Zuge der Strafprozessreform 2008 wurden aufgrund der neuen Rolle der Staatsanwaltschaft als Leiterin des Ermittlungsverfahrens auch die Bestimmungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes über das Berichtswesen und das Weisungsrecht wesentlich geändert, einfach mit der Zielsetzung, Weisungen der vorgesetzten Behörde völlig transparent und nachvollziehbar zu gestalten.

Das Berichtswesen und auch das Weisungsrecht sind in einem zweigliedrigen Zug gestaltet, wobei die Staatsanwaltschaften an die Oberstaatsanwaltschaften und diese wiederum an das Bundesministerium für Justiz zu berichten haben. Weisungen der Bundesministerin für Justiz richten sich an die Oberstaatsanwaltschaften, die wiederum den Staatsanwaltschaften Weisungen erteilen. Weisungen sind grundsätzlich schriftlich zu erteilen. Werden sie mündlich – etwa im Rahmen einer Dienstbesprechung – erteilt, so ist von der angewiesenen Behörde darüber eine Niederschrift zu verfassen.

Eine Ausfertigung der schriftlichen Weisung oder eben der Niederschrift der münd­lichen Weisung ist von der Staatsanwaltschaft dem Ermittlungsakt anzuschließen, sodass jede erteilte Weisung und eben auch mündlich erteilte Weisungen jedenfalls allen Beteiligten des Verfahrens bekannt sind und auch zum Gegenstand gerichtlicher Kontrolle gemacht werden können, nämlich im Falle der Einstellung durch einen Antrag auf Fortführung oder im Falle der Anklage durch einen Einspruch gegen die Anklageschrift.

Durch das strafrechtliche Kompetenzpaket wurde zudem dem Rechtsschutz­beauf­tragten die Möglichkeit eingeräumt, gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens, das von der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftssachen und Korruption, also von der sogenannten WKStA, geführt wurde und an dem wegen der Bedeutung der Straftat oder der Person des Beschuldigten ein besonderes öffentliches Interesse besteht oder in dem noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung beurteilt werden, einen Antrag auf Fortführung des Ermitt­lungsverfahrens an das Gericht zu stellen.

Überdies kann der Rechtsschutzbeauftragte die Generalprokuratur mit einer Anregung auf Einbringung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes befassen, wenn die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gesetzwidrig war, und auf diese Weise höchstgerichtliche Rechtskontrolle aktivieren.

Weisungen der Bundesministerin für Justiz sind aber nicht nur Parteien öffentlich zu machen, sondern auch jährlich dem Nationalrat und dem Bundesrat vorzulegen, wenn das der Weisung zugrunde liegende Verfahren bereits beendet ist. Somit steht jede Weisung der Bundesministerin für Justiz unter mehrfacher öffentlicher Kontrolle.

Aufgrund dieser Transparenz ist unsachliche oder politische Einflussnahme auf einzelne Strafverfahren ausgeschlossen, weil jede erteilte Weisung öffentlich wird und von der Bundesministerin für Justiz auch öffentlich gegenüber dem Nationalrat und dem Bundesrat zu vertreten ist.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 75

Neben diesen formellen Kontrollen des Weisungsrechts möchte ich Ihnen aber auch die inhaltliche und praktische Handhabung des Weisungsrechts darstellen. Die Unab­hängigkeit der Rechtsprechung ist, und ich glaube, da sind wir uns alle einig, ein sehr hohes Gut. Und auch die Staatsanwälte sind, wenngleich weisungsgebunden, gemäß Artikel 90a B-VG Organe der Rechtsprechung.

Meinem Verständnis einer unabhängigen und lediglich dem Gesetz verpflichteten Justiz folgend werden Berichte der Staatsanwaltschaften daher nicht dahin gehend geprüft, welche Richtung der Erledigung den Wünschen des Justizministeriums, der öffentlichen Meinung oder wessen Anliegen auch immer entspricht. Der allein ausschlag­gebende Maßstab für die Erteilung einer Weisung durch die Bundes­ministerin für Justiz ist vielmehr die sachliche und rechtliche Vertretbarkeit des staats­anwaltschaftlichen Vorhabens aufgrund der bestehenden Aktenlage und natürlich auch aufgrund der geltenden Rechtslage.

Mit anderen Worten: Weisungen werden nur dann erteilt, wenn eine unvertretbare Entscheidung in Aussicht genommen wird, eine unvertretbare Entscheidung im Sinne von fehlerhafter Entscheidung, denn, ehrlich gesagt, Fehler passieren überall und können natürlich auch in diesem Bereich passieren.

Nach der gängigen Praxis der zuständigen Strafrechtssektion im Justizministerium werden bei der Prüfung der Berichte der Staatsanwaltschaften aufsichtsrechtliche Maßnahmen immer nur dann ergriffen, wenn die Vorgangsweise rechtlich nicht vertretbar oder die Entscheidungsgrundlage noch nicht hinreichend ist oder wesent­liche Beweisergebnisse nicht berücksichtigt wurden. Konkret zur Prüfung der Beweis­würdigung wendet die Strafrechtssektion im Justizministerium die vom Obers­ten Gerichtshof in der zu den Grenzen der gerichtlichen Überprüfung im Rahmen eines Fortführungsantrages dargelegten Maßstäbe an. Das heißt, dass die Justizministerin in Ansehung der Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaften nur prüft, ob die Staats­anwaltschaft den Rahmen pflichtgemäßen Ermessens überschritten hat. In derartigen Fällen wird entweder um ergänzende Berichterstattung ersucht oder mittels Weisung die erforderliche Anordnung getroffen.

Vor diesem Hintergrund werden Sie nachvollziehen können, dass ich das Weisungs­recht in der jetzt bestehenden Form wirklich begrüße und sehr positiv bewerte. Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage besteht völlige Transparenz über die erteilten Weisungen. Inhaltlich betrachtet dient das Weisungsrecht dazu, allenfalls vorkom­mende Fehler in der sachlichen oder rechtlichen Beurteilung durch die Staatsan­walt­schaften bereits innerhalb der Willensbildung durch die Staatsanwaltschaften zu vermeiden. Insoweit dient das Weisungsrecht der Justizministerin daher auch und vor allem dem Rechtsschutz.

Diesen Anforderungen werden auch die in diesem vorliegenden Bericht dargestellten im Berichtszeitraum ergangenen 13 Weisungen in bereits beendeten Verfahren gerecht. Der Maßstab der rechtlichen Kontrolle wurde in keinem Fall überschritten, wie zum Teil auch bestätigende gerichtliche Entscheidungen beweisen.

Aber, Hohes Haus, ich glaube, es ist auch von ganz zentraler Bedeutung, dass ein demokratischer Rechtsstaat natürlich auch eine Begründung für staatliches Vorgehen verlangt. Begründung bedeutet natürlich auch Aufwand und Belastung, aber nur sie gewährleistet auch die Möglichkeit zur Reflexion, die Fähigkeit, einen einmal eingenommenen Standpunkt auch zu überdenken und Beweisergebnisse miteinander und in ihrem Zusammenhang abzuwägen. Eine überzeugende und schlüssige Begrün­dung trägt stets zur Akzeptanz der Entscheidung bei und stellt damit auch ein ganz wesentliches Element eines tragfähigen Vertrauens in die Funktion unseres Rechts­staates dar.


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Wenn Sie die in diesem Bericht dargestellten Fälle betrachten, so werden Sie sehen, dass wir diesem Begründungserfordernis in transparenter, rechtsstaatlicher Weise nachkommen. Was ich anbieten kann, ist eine klare und transparente Wahrnehmung der Ausübung der ministeriellen Fachaufsicht, das Betonen der rechtlichen Kontroll­funktion des Weisungsrechts und der Zusammenarbeit. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.33.443. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1410 d.B. und 1646 d.B. sowie 8656/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte um den Bericht.

 


12.34.01

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.34.46

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Abkommen handelt es sich, wie bei ähnlichen, die wir schon abgeschlossen haben, um Rahmenverträge, wo dann konkrete Maßnahmen folgen.

Derartige Abkommen gibt es ja bereits mit vielen Ländern innerhalb und außerhalb der EU, zum Beispiel China, Frankreich, Großbritannien, Italien, Korea, Kroatien, Maze­donien, Polen, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn, und derzeit wird mit Indien verhandelt.

Es gibt eine beeindruckende Bilanz dazu: an die 2 850 Projekte im Zeitraum von 1997 bis 2006 mit einem Budgetgesamtvolumen von ungefähr 5,5 Millionen.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 77

In unserer globalen Welt gibt es viele große und wichtige Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt: Energie, Gesundheit, Umwelt, Klima, Ernährung. Daher sind natürlich gerade grenzüberschreitende Projekte in Wissenschaft und Forschung wichtiger denn je. Diesbezügliche Abkommen zwischen Ländern sind also mit Sicherheit ein wichtiger Baustein bei der Bewältigung vieler Probleme. Know-how ist gefragt, in vielen Dingen, um das zu bewältigen, ob Mathematik, Physik, Medizin, Naturwissenschaften und vieles andere mehr. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Grenzüberschreitende Vernetzung ist ebenso gefragt.

Zusätzlich geht es neben wissenschaftlichen Erkenntnissen natürlich auch um Arbeits­plätze, Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und Forschung.

Wissenschaft ist keine Einbahn, sondern muss bei der Bewältigung der künftigen Probleme ein Anliegen aller sein. Daher werden wir dieses Abkommen natürlich sehr begrüßen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.37.19

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Es liegt hier ein Abkommen mit der Russischen Föderation vor. Es ist noch gar nicht sehr lange her, da haben wir hier das letzte dieser Art beschlossen, und das war damals mit Serbien. Das ist das jüngste.

Man kann eigentlich nur sagen: Was kann es Besseres geben, als die Mobilität junger Menschen, die in Forschung und Lehre tätig sind, zu unterstützen? Denn: Es bringt die Menschen zusammen, es hilft, Erfahrungen auszutauschen, es ist wichtig für die Wirtschaft, es ist wichtig, in diesem Forschungsbereich auch etwas Gemeinsames zu schaffen. Und das ist ja keine Einbahn.

Mein Vorredner hat ja Länder genannt, die von einer Forschungsstärke sind, die beein­druckend ist: Südkorea, Indien. Indien ist einer der forschungsreichsten Staaten mit den besten Universitäten dieser Welt. Im Top-Ranking ist Indien immer dabei. Und jetzt die Russische Föderation, wo die Universitäten von ihrem Aufbau her etwas anders funktionieren als unsere Universitäten. Das heißt, an den Universitäten ist der Forschungs­anteil etwas geringer, dafür gibt es eigene Forschungsinstitute.

Aber wenn junge Menschen, aus Ost und West in diesem Fall, zusammenkommen, dann hat das auch immer einen Mehrwert. Die Russische Föderation beeindruckt uns in diesen Wochen und Monaten mit einem unglaublichen Lernprozess an Demokratie, an Courage, an Mut. Wenn ich an die Menschen denke, die in St. Petersburg und in Moskau für ein ordentliches Wahlrecht und für ordentliche, korrekte Wahlen auf die Straße gegangen sind, dann muss ich sagen, das hat alles auch eine Folgewirkung.

Ich selber arbeite zusammen mit Moskau und mit Belgrad im universitären Bereich, und ich merke, dass wir diese jungen Menschen auch immunisieren, immunisieren in vor allem eine Richtung, nämlich immunisieren gegen die schlimmste Giftküche, die wir kennen, das ist der Nationalismus, noch schlimmer der verhetzende Nationalismus. Deshalb ist diese Mobilität so wichtig, und deshalb begrüße ich dieses Abkommen, weil es ja nicht nur den großen, sondern auch kleineren Universitätsinstituten in Österreich die Möglichkeit der Mobilität gibt und weil auch ein bisschen der Hauch und die Luft des Internationalen nach Österreich kommt. Ich freue mich und ich glaube, dass das ja auch einstimmig ist.

Lassen Sie mich aber noch ein kleines Postskriptum anbringen. Frau Bundesminis­terin, ich glaube, Sie haben meine Kollegin Muna Duzdar zum vorhergehenden Punkt


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ein bisschen falsch verstanden, wo Sie so scharf zurückgewiesen haben, dass die Justiz blind auf einem Auge ist oder eine Ungleichbehandlung da ist.

Meine Kollegin Muna Duzdar hat auf etwas klar hingewiesen und hat gesagt, wenn man mit den Menschen spricht, so gibt es dieses Unverständnis, wie einige wenige – sie hat hier ganz explizit zum Beispiel den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser angesprochen – behandelt werden, und dass die Bevölkerung vielfach den Glauben verloren hat, dass hier Recht noch rechtens ist, dass hier in der gleichen Art und Weise untersucht wird. Dieser Eindruck entsteht aufgrund einer unglaublichen Verschleppung, aufgrund eines unglaublichen Netzwerkes helfender Hände. Man erinnere sich nur daran, dass in Liechtenstein die Akten entwendet wurden aus dem Bericht und einen Monat lang fehlten. Man denke daran, dass zum Beispiel eine Finanzbeamtin alle Finanzverfahren rund um die Familie – Familie meine ich jetzt einmal groß – sogar aus Tirol nach Wien gezogen hat, das in ihrem Zimmer versteckt hat, und bisher ist die einzige Maßnahme, dass die Finanzbeamtin, die offensichtlich hier zu einem helfenden Netzwerk gehört, vom Dienst suspendiert wird.

Für die Bevölkerung heißt das, dass irgendwie nichts passiert. Die Menschen glau­ben – man hört das ja immer wieder –, die da oben richten es sich mit Geld, Einfluss und Netzwerk. Genau das hat meine Kollegin Muna Duzdar angesprochen. Und das ist Gift in der Seele der Menschen, wenn sie einmal glauben und wenn sie das Gefühl haben, bei bestimmten Menschen mit ihren Beziehungen, ihren Verbin­dungen und ihren Machenschaften bewegt sich nichts, und es ist Recht nicht überall gleiches Recht.

Ich glaube, das hat sie angesprochen. Sie hat nicht Ihnen den Vorwurf gemacht, sondern sie hat hier ein Stimmungsbild wiedergegeben, und das können Sie jeden Tag und überall hören, wenn dieser Fall angesprochen wird. Ich wollte das nur zurechtrücken, damit diese scharfe Zurückweisung von Ihnen nicht so stehen bleibt. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.43.27

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Forschungsaustausch, Forschung und Investitionen zu fördern und in diesem Sinne, wie es in diesem Gesetz steht, Mobilität zu fördern, ist natürlich zu begrüßen. Das muss unterstützt werden. Das tun wir Freiheitliche natürlich ohne Wenn und Aber.

Kurz ein Unterschied zwischen österreichischer Forschung und russischer Forschung, denn das ist mir aufgefallen in Artikel 2 in diesem Gesetz, da das Wort „Universitäten“ nicht explizit genannt wird. Vielleicht bitte nachher um eine Erklärung, ob Sie mit „Hochschulen“ auch die Universitäten meinen. Ich nehme an, ja, aber trotzdem, warum haben Sie es nicht verwendet?

Das hat mich irgendwie auf den Gedanken gebracht, den Unterschied zwischen Uni­versitäten in Österreich und Russland kurz zu erklären. In Österreich finden auf den Universitäten nach dem Humboldt‘schen Prinzip des 19. Jahrhunderts bekanntlich Forschung und Lehre in einem statt, die forschungsgebundene Lehre.

In Russland ist das anders. Dort ist auf den Universitäten eigentlich nur die Lehre beheimatet, die Forschung hingegen ist zentralisiert. Das kommt aus der Geschichte heraus, aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1992, als der gesamte Kollek­tivismus, die ganze Zentralmacht zusammengebrochen ist und die staatlichen Betriebe


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 79

in die Privatwirtschaft übergeführt worden sind, die Forschung aber bis heute noch zentral stehen geblieben ist. Daher ist auch die Forschung nicht an den Universitäten zentralisiert, sondern die Forschung ist in der Russischen Akademie der Wissen­schaften, der ranghöchsten Forschungseinrichtung in Moskau, zentralisiert.

Aber die Russische Föderation hat vor, sich dem westlichen Standard anzunähern, den westlichen Forschungslevel zu erreichen. Sie hat daher vor – das ist in Planung und bereits in Arbeit –, bei Moskau diesen großen Forschungs- und Technologiepark Skolkowo zu errichten mit über 30 000 Mitarbeitern und Beschäftigten, vor allem mit jungen Forschern, die dort arbeiten und innovativ tätig sein dürfen und müssen im Sinne der Naturwissenschaften, der technologischen Entwicklung. Es ist dies eine Art russisches Silicon Valley.

Wenn wir da in Österreich mitmachen dürfen, ist das sicherlich förderlich. Russland leidet nämlich bis heute noch an dem großen Brain-Drain 1992, nach dem Zusam­menbruch der Sowjetunion, als, wie bereits erwähnt, zahlreiche Forscher ins Ausland abgewandert sind aufgrund der Bezahlung. Es ist ein großes Ziel der russischen Regierung, hier junge Forscher herauszubilden. Das ist schon von einem gewissen Erfolg gekrönt, weil, der demographischen Struktur entgegenwirkend, statt der älteren Forscher praktisch mehr junge Forscher in diesen Technologiepark Skolkowo hinein­wachsen.

Das kann uns nur helfen, wenn wir hier mitwirken können, und in diesem Sinne befürworten wir diesen finanziellen Beitrag auf jeden Fall. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.46.22

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Punkt, dass eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit begrüßenswert ist und dass alle davon nur profitieren können, steht, glaube ich, außer Zweifel. Man muss sich jedoch zwei Punkte näher ansehen.

Der eine Punkt ist: Wir stehen im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe, und wir haben in den letzten Monaten, was den Aufenthaltstitel betrifft, einige deutliche Verbesserungen gemacht mit der Rot-Weiß-Rot-Karte und so weiter, aber es gibt nach wie vor einige Hürden, Hürden, wodurch Menschen, die als Lehrende, als ForscherIn­nen oder auch als Studierende hier in Österreich aktiv werden möchten, nach wie vor mit großen Schwierigkeiten konfrontiert sind.

Das eine ist zum Beispiel die Ausstellung einer Aufenthaltskarte, der andere Punkt ist, dass Haftungserklärungen seitens der Universitäten und Forschungseinrichtungen für diese Personen übernommen werden müssen, und zwar sechs Monate über den eigentlichen Dienstvertrag hinaus. Das ist zum Beispiel ein Risiko, das die wenigsten Forschungs- und Lehreinrichtungen eingehen können und eingehen möchten.

Daher ist immer zu bedenken, wir haben zwar in diesem Bereich wirklich schon vieles gemacht, aber es gibt noch einige Barrieren, die wir aus dem Weg räumen müssen. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit ist grund­sätzlich immer zu begrüßen, jedoch muss man auch ganz genau hinsehen, in welchem Bereich es diese Zusammenarbeit gibt. Und diese Frage, in welchem Bereich es eine Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation gibt, konnte auch im Ausschuss nicht


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 80

befriedigend beantwortet werden. Eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit im Bereich der Rüstungsindustrie und in Atomfragen ist für meine Partei – und ich glaube, da spreche ich auch für die Mehrheit der ÖsterreicherInnen – absolut inakzep­tabel.

Russland hat erst gestern im UN-Sicherheitsrat sein Veto gegen eine Syrien-Resolution eingelegt. Russland ist auch jenes Land, das den Iran im Bereich der Nukleartechnologie unterstützt und auch beliefert. Erst diese Woche wurde deswegen von der EU und von den USA ein verschärftes Embargo auferlegt und der Stopp von Öllieferungen beschlossen. Da wäre es meines Erachtens wahrlich ein Witz, wenn wir über die Hintertüre hier eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit in diesen zwei Bereichen, im Bereich der Rüstungsindustrie und im Bereich der Nuklear­tech­nologie, unterstützten.

Daher ein klares Signal: Ja zu einer wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit, aber ein absolutes Nein – und da werden wir genau hinschauen – in diesen zwei Bereichen. Im Bereich der Nukleartechnologie und im Bereich der Rüstungsindustrie darf es und kann es keine Zusammenarbeit geben, insbesondere deshalb, weil Russ­land hier eine wirklich tragende Rolle hat, was Waffenlieferungen betrifft und was die Nukleartechnologie betrifft mit all den internationalen Verflechtungen.

Wir werden natürlich dieser Vorlage unsere Zustimmung erteilen, aber ich möchte explizit erwähnen, wir werden uns das ganz genau anschauen, in welchem Bereich es hier zu technisch-wissenschaftlichen Kooperationen kommt. – Danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.49

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte, Frau Minister.

 


12.50.39

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Es wurde die Frage gestellt, ob auch Universitäten von diesem Abkommen erfasst sind, weil der Begriff „Hochschulen“ verwendet wird. Natürlich sind auch Universitäten erfasst, und dieses Abkommen geht sogar noch viel weiter. Wenn Sie sich den allgemeinen Teil der Erläuterungen zu diesem Abkommen ansehen, so ist da ja auch davon die Rede, dass zum Beispiel auch Landesforschungseinrichtungen – etwa das Joanneum Research in Graz – im Rahmen des Abkommens Projekte mit russischen Institutionen realisieren können. Also Sie sehen, ein sehr breiter Anwendungsbereich, und ich halte das auch für sehr zielführend. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder betrifft, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen damit zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 81

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit.

12.52.284. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Jänner 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/Grundkompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses (1511 d.B. und 1627 d.B. sowie 8657/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich bitte um den Bericht.

 


12.53.03

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrats vom 19. Jänner 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich der Basisbildung/Grundkompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Daher erspare ich Ihnen dessen Verlesung und komme gleich zum Ausschussantrag.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Ich darf zur Beratung dieses Tagesordnungspunktes sehr herzlich Frau Bundes­minister Schmied bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.54.41

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist heute wahrlich ein Freudentag, meinen Redebeitrag zu dieser Artikel-15a- und Länderverein­barung hier leisten zu dürfen.

Seit einigen Jahren bin ich in der Erwachsenenbildung tätig, und seit Beginn dieser Tätigkeit begleitet mich das Thema „Basisbildung“, speziell im Bereich erwachsener Menschen, immer wieder, und deswegen freut es mich, dass wir in dieser Thematik jetzt sozusagen einen deutlichen Schritt weiter sind. Mehr als zwei Jahre schwieriger


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 82

Verhandlungen zwischen verschiedenen Länderinteressen und denen des Bundes haben jetzt ermöglicht, erstmals eine Vereinbarung in der Erwachsenenbildung zu treffen und eine Finanzierungsmöglichkeit für Bildungsprojekte zu schaffen, die den Menschen die Chance geben, Versäumtes nachzuholen oder eine zweite Chance zu ergreifen.

Vor meinem beruflichen Einstieg in die Erwachsenenbildung und meiner jetzigen Tätigkeit als VHS-Leiter habe ich es nicht für möglich gehalten, wie viele Menschen es in Österreich gibt, die massive Schwierigkeiten in den Bereichen Lesen, Rechnen oder Schreiben haben. Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich 400 000 bis 600 000 Menschen zu dem Bereich der Betroffenen, nämlich zu Menschen mit keinen oder nur geringen Basisbildungskompetenzen zählen.

Jeder von ihnen kann sich vorstellen, mit welchen Benachteiligungen diese Menschen konfrontiert sind, die Probleme mit sinnerfassendem Lesen haben. Nachteile entstehen nicht nur im Beruf, sondern auch in der Freizeitgestaltung. Die betroffenen Menschen sind aufgrund ihrer Mängel in den Basisbildungskompetenzen und der daraus resultierenden geringeren Schulbildung oft die Ersten, die ihren Arbeitsplatz verlieren.

Schlimm ist oft auch die Situation und der Umgang damit in den Familien. Das früher unter dem Schlagwort „Analphabetentum“ zusammengefasste Problem ist oft noch über weite Strecken ein Tabuthema und wird in der Familie oder im Bekannten- und Freundeskreis verschwiegen. Sehr oft wissen nur die Betroffenen über ihr Problem Bescheid und kaschieren diese Schwächen. Ich habe mit Vertreterinnen und Vertretern von Sozialämtern oder Behörden, mit Beamtinnen und Beamten gesprochen, die sagen, über die Jahre hinweg merkt man, wer vielleicht Probleme mit Lesen und Schreiben hat, wenn es darum geht, auf Ämtern Formulare auszufüllen, wenn über Jahre hinweg jedes Mal die Brille vergessen wird, wenn Menschen immer wieder mit einer eingebundenen Hand kommen, um dann von beamteter Seite Hilfe zu bekommen, wenn es darum geht, Formulare ausfüllen zu müssen.

In der westlichen Obersteiermark, in den Bezirken Murau und Murtal, hat es in den letzten zwei bis drei Jahren große Anstrengung gegeben, Projekte zu erstellen, die für die verschiedensten Zielgruppen offen sind, und diese auch zu verwirklichen. Das Bildungsnetzwerk Steiermark hat in einem Zeitraum von rund eineinhalb Jahren 15 Trainerinnen und Trainer aus den verschiedensten EB-Einrichtungen, Erwachsen­bil­dungseinrichtungen, ausgebildet. Darunter waren auch vier Trainerinnen und Trainer aus der Volkshochschule, an der ich tätig bin.

Die einzelnen Erwachsenenbildungseinrichtungen haben in monatelanger Arbeit ge­mein­sam mit den Trainerinnen und Trainern eine jeweils auf die Zielgruppe angepasste Curricula erarbeitet und mussten bis dato die Finanzierung der Pilot­projekte sicher­stellen. Zu dieser Finanzierung zählten nicht nur die Kosten für Trainerinnen und Trainer, sondern oftmals war es auch nötig – auch für uns –, Kursräume neu anzumieten, zu adaptieren, zu renovieren, weil die Menschen, die zu uns gekommen sind, aufgrund ihrer Problematik meistens auch schlechte Erinnerungen an das Regel­schulwesen haben und daher auch in einem herkömmlichen Schulungsraum nicht wirklich schulbar beziehungsweise zu trainieren sind. Das heißt, die ganze Gestaltung war komplett umzustellen.

Seit Dezember 2011 können die einzelnen Anbieter – und das begrüße ich sehr – ihre Angebote akkreditieren lassen. Ich begrüße auch, dass im Akkreditierungsverfahren sehr strenge Richtlinien und Kriterien zu erfüllen sind. Ich glaube auch, eine Schwem­me von Anbietern, die möglicherweise die Qualitätskriterien nicht erfüllen könnten, wären in diesem sensiblen Bereich äußerst kontraproduktiv. Zu den Bildungs­defiziten kommen bei den Menschen dann oft auch noch soziale, ökonomische und psychische


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 83

Probleme hinzu, sodass wirklich nur dementsprechend ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen damit umgehen können.

Die Steirische Arbeiterkammer, die ja Trägerin der Volkshochschulen in der Steiermark ist, hat sich im Jahr 2010 dazu entschlossen, ein Pilotprojekt zu finanzieren, und zwar auch aus der Notwendigkeit heraus, dass viele der Betroffenen unselbstständig beschäftigt sind und auch Mitglieder der Arbeiterkammer sind. Aber es kann keine Dauerlösung sein, dass diese Projekte vollkommen außerhalb der öffentlichen Förderschiene laufen und privat oder von den Institutionen finanziert werden müssen.

Daher freut es mich ganz besonders, dass mit dieser 15a-Vereinbarung ein gutes Ergebnis erzielt werden konnte. Der finanzielle Hintergrund, Angebote in Anspruch nehmen zu können, fällt für die Betroffenen in Zukunft weg, die Anbieter können beginnen, ihre Projekte umzusetzen.

Besonders spannend ist – wir haben ja auch im Ausschuss darüber diskutiert –, wie wir dann letztendlich zu den Betroffenen kommen. Das ist ein sehr spannendes Thema in diesem Bereich, aber die Anbieter können jetzt endlich beginnen und die Arbeit auch mit Sicherheit angehen.

Daher freut es mich ganz besonders, Frau Bundesministerin, dir seitens der Bundes­ratsfraktion der SPÖ recht herzlich zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung zu gratulieren, und wir freuen uns, hier unsere Zustimmung geben zu dürfen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Astleitner. – Bitte.

 


13.00.26

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Es geht um eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, eine sehr begrüßenswerte Vereinbarung, eine 50 : 50-Vereinbarung über die Förderung von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses. Wenn, wie das Kollege Füller schon gesagt hat, die UNESCO-Kommission Österreich zu der Ansicht kommt, dass zwischen 300 000 und 600 000 Menschen in Österreich über keine ausreichenden Kompetenzen in den Basisfähigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen, dann muss ich sagen: Da ist eine erschreckend hohe Zahl!

Kollege Füller ist auf die Erwachsenenbildung eingegangen. Daher möchte ich ein bisschen früher ansetzen, nämlich bei den Jugendlichen. Ich darf kurz aus den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 25. Jänner zitieren – viele unausgebildete junge Erwachsene in den Städten –: „22.000 Junge sind ohne Ausbildung und ohne berufliche Perspektive.“

Konkret wurde von der Arbeiterkammer untersucht, wie es mit der weiteren Schul­karriere der 15-Jähringen ausschaut, und zwar im Jahr 2006. Von 12 349 Jugendlichen sind nach vier Jahren 821, das sind 7 Prozent, nicht mehr im Bildungssystem, auch nicht als Lehrlinge in den Berufsschulen zu finden. Es ist längst nicht so, sagt der Leiter der AK-Bildungsabteilung, dass alle Jugendlichen, die eine Schule abbrechen, in eine Lehre wechseln. Ein Teil bleibt lange zu Hause, meldet sich nicht beim Arbeitsmarktservice und kommt damit nicht als Klientel für eine Ausbildung in Frage.

Auch mein Vorredner hat schon dieses Problem angesprochen und die Frage auf­geworfen, wie wir denn an diese Menschen herankommen könnten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, besonders gute Informationen zu geben, Initiativen zu setzen und alle


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Kanäle zu nutzen, die wir haben, eine enge Kooperation mit den Schulen und Betrieben, Zusammenarbeit mit dem AMS und so weiter.

Frau Bundesministerin, ich wünsche mir auch einheitliche Qualitätsstandards bei den Prüfungen, bei diesen Externistenprüfungen und bei denen, die sie abnehmen.

Weil wir hier in der Länderkammer sind, darf ich sagen, dass es in Oberösterreich ein Maßnahmenpaket gibt, das Bildungslandesrätin Mag. Hummer gemeinsam mit dem Landesschulrat für Oberösterreich, mit dem AMS Oberösterreich, der Wirtschaftskam­mer und der Arbeiterkammer Oberösterreich ausgearbeitet hat. Erstmals sind alle Angebote in einer Broschüre zusammengeführt worden, und das finde ich sehr, sehr wichtig. Damit können die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen entsprechende Hilfestellung geben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus meiner Sicht ist es natürlich vorrangig Aufgabe der Pflichtschule, Lesen, Schreiben, Rechnen, soziale Kompetenz und vieles mehr zu vermitteln. Wenn es jedoch zusätzliche unterstützende Maßnahmen gibt, kostenlose Maßnahmen, wie wir hören, dann ist das sehr begrüßenswert. Herzlichen Dank, Frau Bundesministerin! (Allgemeiner Beifall.)

13.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mühl­werth zu Wort. – Bitte.

 


13.04.18

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es von den Vorrednern schon gehört – und wir sind uns ja selten einig –; wie wichtig Bildung ist, wie wichtig es ist, über die Grundkompetenzen zu verfügen, und dass die Zahl derer, bei denen laut Schätzung der UNESCO dies nicht der Fall ist, – zwischen 300 000 und 600 000 – einfach zu hoch ist. Wir stimmen darüber hinaus darin überein, dass man ohne Grundkompetenzen so gut wie keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Daher ist es gut und richtig, hiefür ein niederschwelliges Angebot zu schaffen, sodass die Menschen die Grundkompetenzen nachholend erwerben können. Das unterstützen wir Freiheitliche wirklich sehr gerne und aus vollem Herzen.

Trotzdem muss man sich angesichts einer so hohen Zahl die Frage stellen, wie so etwas möglich ist. Wie gibt es das, dass Leute neun Jahre die Schule durchlaufen und sie am Ende verlassen, ohne in ausreichender Form lesen, schreiben und rechnen zu können, und das nie irgendeinem Lehrer aufgefallen ist? Das ist wirklich zu hinterfragen, und dagegen muss auch etwas getan werden.

Eine IHS-Studie besagt, dass 280 000 Österreicher im erwerbsfähigen Alter keinen positiven Pflichtschulabschluss haben, also nicht die Mindestanforderung erfüllen, und immer noch jährlich 5 000 Jugendliche dazukommen. Das sind die künftigen Sozial­hilfeempfänger, die da das Schulsystem verlassen. Das kann doch nicht in unserem Sinn sein! Wir meinen, es muss am System liegen. Infolgedessen muss auch am System etwas geändert werden.

In den letzten Jahrzehnten hat man zuschauen können, wie die Anforderungen hinuntergeschraubt, hinuntergeschraubt und noch einmal hinuntergeschraubt worden sind. Ich rede damit nicht einer übertriebenen Leistungsanforderung und einem unmenschlichen Druck das Wort. Ich wünsche mir keinen Gott Kupfer, der den Schüler Gerber sekkiert. Das wollen wir nicht!

Auch Professor Hengstschläger hat jedoch – und das werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt noch eingehender diskutieren – durchaus richtig verlangt oder gesagt, dass man bei aller notwendigen Förderung von Talenten dafür natürlich auch


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arbeiten muss. Das kommt nicht von alleine, sondern da muss man schon etwas tun dafür.

Man muss auch – das wissen wir alle, und in vielen Bereichen geschieht es auch –, die Schüler, die schwach sind, schon am Wege begleiten.

Da fällt mir ein, ich habe einmal eine Dokumentationssendung gesehen, die brachte ein mich tief beeindruckendes Beispiel einer jungen Frau, die erzählt hat, wie es ihr in Österreich neun Jahre lang gelungen ist, alle Lehrer zu täuschen und sich durchzu­schummeln. Die konnte nicht einmal ungenügend, die konnte überhaupt nicht lesen und schreiben. Sie hat dennoch einen positiven Pflichtschulabschluss geschafft und danach eine Lehre angeschlossen, die sie auch positiv abgeschlossen hat. Sie hat immer noch nicht lesen und schreiben können, und niemandem ist es aufgefallen. Da fragt man sich schon: Wie geht das? (Bundesrat Kneifel: Die kann aber nicht so dumm gewesen sein!) Nein, das sage ich ja auch nicht. (Bundesrat Kneifel: Das ist doch ein Zeichen von Intelligenz!)

Kollege! Ich würde überhaupt nie die Behauptung in den Raum stellen, dass jemand, der nicht lesen und schreiben kann, dumm sein soll. (Bundesrat Kneifel: Das ist ein Naturtalent!) Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, und wir wissen, dass die, die nicht lesen und schreiben können, extreme Fertigkeiten und Strategien entwickeln, um das vertuschen zu können. Die machen das sogar unglaublich geschickt, aber irgendwann kommt es heraus, und sie sind – das wurde heute schon gesagt – extrem unglücklich. Es bedeutet ja totalen psychischen Stress, ständig eine Entdeckung zu befürchten.

Kurse gibt es ja auch jetzt schon, und wir haben gehört, dass es in den Bundesländern Privatinitiativen gibt, aber die Scham ist zu groß, diese auch in Anspruch zu nehmen. Die Betroffenen genieren sich, da hinzugehen und zu sagen, zu bekennen: Ich kann nicht lesen und nicht schreiben!, obwohl es das Richtige wäre und ihnen das helfen würde.

Wir müssen also auch bei den Förderungen in der Schule ansetzen, die ja in manchen Bundesländern, in Wien zum Beispiel, zurückgefahren worden sind. Das muss man auch sagen. Da muss ich schon auch kritisch sagen: Wir müssen schauen, dass wir unser Geld in die richtigen Kanäle leiten!

Es ist ja nicht unbekannt, dass ich kein Freund der Gesamtschule bin und das als Experiment betrachte, in dem Geld verbraten wird. Wenn man nach Deutschland schaut und sich deutsche Studien anschaut, dann sieht man, dass keinesfalls bewie­sen ist, dass die Gesamtschule die bessere Schule ist, die den sozialen Ausgleich schafft. Das wird dort widerlegt beziehungsweise wird bestätigt, dass dem nicht so ist, dass das Gegenteil der Fall ist. Der Wissens- und Kenntnisunterschied zwischen einem Gesamtschüler und einem Gymnasiasten in Deutschland beträgt zwei Jahre. Also was ist jetzt so toll daran? Da meine ich: Schauen wir lieber, dass wir die Schüler gut fördern, geben wir dort das Geld hin, und machen wir nicht ständig ein neues Experiment, eine neue Baustelle auf in der Hoffnung, dass sich dann etwas ändern wird! (Beifall bei der FPÖ.)

In dem konkreten Fall, ein Angebot zu schaffen, um Menschen, die diese Basis­kompetenzen nicht haben, diese nachholend erwerben zu lassen, sind wir voll dabei und werden daher diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 



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13.10.16

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon gesagt, viele Zahlen wurden genannt von den Vorrednerinnen und vom Vorredner, Kollegen Christian Füller. Deshalb erspare ich uns das.

Ich möchte anmerken, dass ich, obwohl ich nicht Lehrer bin, in sehr viele Schulen komme. Ich bin einer der Botschafter von „Zusammen:Österreich“, und ich bin auch beim „projektXchange“, mit dem wir schon an die Schulen gegangen sind, bevor das Projekt „Zusammen:Österreich“ angefangen hat. Wir haben mit SchülerInnen und Lehrern sehr interessante und spannende Diskussionen geführt.

Dass, obwohl wir in Österreich eine Schulpflicht von neun Jahren haben, es dennoch sehr, sehr viele „schaffen“, nach Beendigung der Schulpflicht nicht über die wichtigen Grundkenntnisse wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu verfügen, diese Grund­techniken nicht zu beherrschen, liegt auch an den Rahmenbedingungen, die an den Schulen vorzufinden sind. Wenn sich in Konferenzräumen vier Lehrer einen Arbeits­platz teilen müssen und wenn Rechner dort stehen, die sozusagen aus dem Jahre Schnee sind, so sind das Arbeitsbedingungen, die schleunigst verbessert gehören, denn unter solchen Rahmenbedingungen ist es wahrlich schwer, Qualität abzuliefern.

Aufgrund der demographischen Entwicklung, die sich ja auch in den Klassenzimmern widerspiegelt, ist es auch schwierig für die Lehrerinnen und Lehrer, auf Kinder und SchülerInnen einzugehen, die Lernschwächen haben, die beim Erlernen der deutschen Sprache Unterstützung brauchen. Es steht oft ein Lehrer/eine Lehrerin  und, wenn es gut geht, ein zweiter Begleitlehrer/eine zweite Begleitlehrerin vor 20 SchülerInnen. Das sind die Rahmenbedingungen, die genau das produzieren, worüber wir hier heute diskutieren: dass nämlich trotz Schulpflicht immer mehr SchülerInnen aus den Schulen herauskommen, die die kulturellen Grundtechniken nicht ordentlich beherrschen.

Dieses Programm ist ja vorerst auf drei Jahre befristet, läuft von 2012 bis 2014, und viele Bildungsveranstaltungen müssen erst, wie der Kollege es ohnehin schon angesprochen hat, erst akkreditiert werden. Insgesamt können um die 12 600 Per­sonen von diesem sehr wichtigen Angebot Gebrauch machen. Das sind in etwa zwei bis vier Prozent der Betroffenen. Das bedeutet, dass erst in etwa 100 Jahren alle Menschen in Österreich die Grundtechniken des Lesens und Schreibens beherrschen werden.

Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Vorhabens doch ein sehr, sehr langer Zeitraum, und ich denke, da sind wir uns alle einig, dass wir zwar auf einem richtigen Weg sind, wo wir ganz wichtige Schritte setzen, dass aber diese Bemühungen noch sehr intensiviert gehören, denn ein so langer Zeitraum ist meines Erachtens nicht akzeptabel.

Wir werden diesem Gesetz natürlich auch unsere Zustimmung erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum sowie bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


13.14.18

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrats! Ich möchte zuerst kurz Bezug nehmen auf die Ausführungen von Ihnen, Frau Bundesrätin Astleitner, und auch von Frau Bundesrätin Mühlwerth. Eines ist wichtig, und darin sind wir uns, glaube


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ich, alle einig: Das, was wir jetzt beschließen, ist ja nicht die Lösung aller bildungs­politischen Fragestellungen. Da geht es für mich auch nicht um ein Entweder-oder, sondern es ist ein Sowohl-als-auch. Wir müssen auf der einen Seite die begonnenen bildungspolitischen Reformschritte konsequent weiter setzen, und wir müssen auf der anderen Seite schauen – und verzeihen Sie, das ist jetzt vielleicht kein schönes Wort –, auch im Reparaturbereich deutliche Akzente zu setzen, motivierend zu wirken und Impulse zu geben.

Für mich geht es natürlich darum, dass wir an all dem, was wir begonnen haben, den Kindergarten zunehmend als Bildungseinrichtung zu sehen – ein ganz wichtiger Schritt –, die Sprachförderung entschlossen voranzutreiben – ohne deutsche Sprach­kennt­nisse ist ein Bildungserfolg nicht möglich –, dranbleiben müssen. Es wird auch dringend notwendig sein, dass wir die Deutschförderung im Pflichtschulbereich noch vor dem Sommer entsprechend verlängern, damit diese Maßnahme auch im nächsten Schuljahr fortgesetzt werden kann.

Frau Bundesrätin Mühlwerth, Sie haben Markus Hengstschläger zitiert. Damit stimme ich zu 100 Prozent überein. Grundkompetenz ist die Basis für jedes Talent. Grund­kompetenz ist überhaupt die Ausgangsbasis, um am gesellschaftlichen Leben und am beruflichen Leben teilnehmen zu können. Wenn Markus Hengstschläger in seinem Buch schreibt, Erfolg ist das Ergebnis von Talent und harter Arbeit, dann kann man dem ja nur zustimmen.

Die Frage ist, wo haben wir Mechanismen und Möglichkeiten, damit wir seitens der öffentlichen Hand im öffentlichen Bereich dort, wo die Familie ist gleich Umwelt diese Werte, die Disziplin, die Einstellung nicht vermitteln kann, das entsprechend stützen, ich möchte fast sagen, nachholen können, um nicht auf Potenziale zu verzichten. Hengstschläger sagt auch, Vielfalt ist eine Chance, und Hengstschläger sagt auch, jeder von uns kann etwas besonders gut, es ist nur immer unterschiedlich oder – und da zitiere ich immer ganz gern Antoine de Saint-Exupéry –: In jedem von uns steckt ein kleiner Mozart, aber es ist nicht immer das Komponieren.

Es geht nicht nur ums Finden der Talente, das wäre ja vielleicht auch noch einfach, sondern es geht darum, Interessen, Neigungen, Begabungen auch zu wecken. Da muss die öffentliche Schule ansetzen, und wir müssen auf die Vermittlung der Grund­kompetenzen zentrales Augenmerk legen – deshalb auch die Bildungsstandards, die wir gemeinsam beschlossen haben, vierte, achte Schulstufe.

Und wir werden uns mit allen Bildungssprechern in den nächsten Wochen zusam­mensetzen, um auch den neuralgischen Punkt neunte Schulstufe zu diskutieren, denn auch ich kann es nicht hinnehmen, dass ganz viele Jugendliche die Schulpflicht und damit die Schule verlassen, ohne ein entsprechendes Abschlusszeugnis zu haben, weil sie eben die Schulpflicht letztlich durch Klassenwiederholungen absolvieren, aber so nicht einmal einen Hauptschulabschluss oder Pflichtschulabschluss erreichen. Das sind die Punkte, an denen wir arbeiten müssen.

Dennoch freue ich mich sehr, dass der 15a-Vertrag geglückt ist. Es ist wirklich ein besonderer Artikel-15a-Vertrag, und das sage ich nicht nur, weil ich jetzt hier bei Ihnen im Bundesrat bin, es ist nämlich der erste 15a-Vertrag in der Zweiten Republik im Bereich der Erwachsenenbildung. Es ist das allererste Mal, dass sich hier Bund und Länder im Interesse der Erwachsenenbildung zusammentun. Als Vorbild dient uns in dem Fall die Europäische Union mit ihren Kofinanzierungsprogrammen. Wir haben ein Kofinanzierungsmodell entwickelt, der Bund zahlt 50 Prozent, die Bundesländer zahlen 50 Prozent, und die Bundesbeteiligung gibt es nur, wenn sich alle vom Neusiedler See bis zum Bodensee an die Spielregeln halten. Das ist die einzige Möglichkeit, um österreichweit für einheitliche Qualität zu sorgen.


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Ich möchte ganz besonders Diplomkaufmann Hans Wehsely danken, der zwei Jahre lang mit den Ländern, mit den Sozialpartnern, mit Experten dieses Programm ausge­arbeitet hat. Jetzt geht es um Qualität der Anbieter, Qualität der Kursinhalte, Qualifi­kationen. Wir konzentrieren uns auf Basisbildung und Nachholen von Pflichtschulab­schlüssen. Das sind die beiden Bereiche.

Wie schon völlig richtig bemerkt wurde, ist jetzt die große Herausforderung natürlich jene, dass wir unsere Zielgruppe auch erreichen und ansprechen, dass es nicht als Makel erlebt wird, einen Kurs zu besuchen, sondern dass Bildung als Chance wahrgenommen wird. Es ist wichtig, diesen 15a-Vertrag mit Leben zu erfüllen.

Ich möchte gerade Sie als Mitglieder des Bundesrates bitten, in den Bundesländern ein besonderes Augenmerk auf dieses Programm zu legen. Wir werden das auch begleitend evaluieren, aber ich glaube, es ist jetzt, in dieser Einführungsphase, wichtig, dass wir es vor allem auch in einer positiven Haltung, in einer wertschätzenden Haltung zu den Menschen bringen, als Chance, um am Leben teilzuhaben, als Chance, um hier einfach auch an den eigenen Qualifikationen bestmöglich zu arbeiten.

Vielen Dank für die erwartbar breite Zustimmung! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.21.04

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Österreich ist ein hoch und weit entwickeltes Land, und trotzdem – und wir haben die Zahlen gehört – gibt es Hunderttausende Menschen, die keinen Pflichtschulabschluss haben. Man kann – und das wurde auch heute diskutiert – über das Schulsystem diskutieren, und hier gehört sicher auch entsprechend angesetzt. Nur, es wird immer wieder Kinder geben, die eben in dieser Lebensphase nicht lernwillig sind. Es wird Kinder geben, die in dieser Lebensphase schwierige soziale Verhältnisse haben, und solche, die, vielleicht auch durch Krankheit geprägt, einfach einen Schulabschluss nicht erreichen können.

Genau diese Basisfähigkeiten – Lesen, Schreiben, Rechnen – sind jene, die wir alle brauchen, die ein jeder in unserem Staat für seinen Beruf braucht, aber vielleicht noch stärker für die gesellschaftliche Akzeptanz braucht. Was als Kind versäumt wurde, ist später sehr schwer nachzuholen. Es ist begrüßenswert, dass mit dieser Gesetzes­vorlage die Erwachsenenbildungsorganisationen den Auftrag erhalten, diese Defizite auszugleichen, und dass die Möglichkeit bestehen wird, dieses Defizit gratis auszugleichen – hoffentlich nicht umsonst!

Geschätzte Damen und Herren, es ist eine Artikel-15a-Vereinbarung, und die Frau Bundesminister hat schon darauf hingewiesen: Es ist die erste im Erwachsenen­bildungsbereich. Ich glaube, auch das ist ein Signal, wenn hier Bund und Länder sich die Kosten teilen, dass auch im Bildungsbereich föderale Lösungen möglich sind.

Damit darf ich den Fokus auch ein bisschen auf die Erwachsenenbildung lenken, weil wir sehr oft von Ausbildung reden, aber wissen, dass es kein Aus bei der Bildung gibt, weil Lernen etwas Lebenslanges ist. Es ist hier oft sehr wichtig, entsprechend für die Motivation zur Erwachsenenbildung, zur Weiterbildung im Erwachsenenalter zu sorgen, und da ist es auch wichtig, dass Kosten entsprechend übernommen werden.

Ich bin selbst Obmann einer Bildungsorganisation in Niederösterreich, die 3 500 Kurse anbietet, mit 120 000 Teilnehmern, wo es möglich ist, Mittel der Europäischen Union, der ländlichen Entwicklung abzurufen, mit Mitteln des Bundes, mit Mitteln des Landes und mit Teilnehmerbeiträgen ein entsprechendes Kursangebot anzubieten.


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Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, ich darf dich bitten, vielleicht mit deinem Kollegen Jannach im Nationalrat ein Gespräch zu führen. Er hat im Sommer eine Anfrage gestellt, warum gerade diese Kurse, die seitens der EU, des Bundes und des Landes mit Teilnehmerbeträgen gefördert werden, eigentlich abgehalten werden: „Halten Sie es für notwendig“, dass Kurse mit dem Thema „Zeit für mich“ oder mit dem Thema „Baustellenmanagement“ oder mit dem Thema „Fitnesstraining für den Geist – Wege zum besseren Gedächtnis“ gefördert werden?

Ich halte es für notwendig, dass solche Kurse gefördert werden, und ich finde es gut, dass es dieses Angebot gibt. Ich würde bitten, auch hier einen breiten Konsens herzustellen, weil wir, glaube ich, die Erwachsenenbildung verstärkt ausbauen müssen, weil sich das Berufsleben rascher ändert, weil die Lebenserwartung höher wird und dieser Weiterbildungsprozess ein andauernder ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir stimmen ja eh zu!)

An Sie, Frau Bundesminister, habe ich eine Frage: Wie viel Prozent – ich habe es nirgends herausgefunden –, wie viel Prozent des Budgets gehen in die schulische Ausbildung und wie viel in die Erwachsenenausbildung? – Es wäre interessant, hier einmal einen Vergleich heranzuziehen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bildung ist ein gesellschaftlicher Wert. Bildung ist eine Frage der Intensität, aber auch eine Frage der Breite; mit diesem Gesetz erreichen wir eine entsprechende Breite. Ich bin froh darüber, dass wir dieses Gesetz heute beschließen können. Es ist ein gutes Gesetz, und wir werden dem natürlich gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schweig­kofler. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.25.47

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute zu diesem Tagesordnungspunkt schon sehr viel gesprochen worden, und ich kann fast alles unterschreiben, bis auf das, was Frau Mühlwerth gesagt hat: dass sie keine Unterstützerin oder Verfechterin der Gesamtschule ist. (Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.) Da haben wir ein bisschen eine Differenz.

Aber ich darf eines sagen, gerade zum Nachholen der Bildungsabschlüsse, bezie­hungsweise meine Überlegung dazu; als langjähriger Lehrer habe ich mir überlegt: Wie passiert denn so etwas? – Sie haben recht, es ist wirklich so, dass uns Schüler abhandenkommen, die in der Hauptschule sind, am Ende der vierten Klasse zwar die Schulpflicht erledigt und eventuell eine Wiederholungsprüfung haben, aber im Herbst nicht zur Wiederholungsprüfung antreten – und schon sind sie weg!

Genau dahin zielt jetzt diese Artikel-15a-Vereinbarung. Frau Ministerin, ich darf mich bei Ihnen sehr herzlich dafür bedanken, dass Sie die Geduld hatten, zwei Jahre lang mit den Ländern zu verhandeln, dass dieses Ergebnis, dieses äußerst positive Ergebnis, herausgekommen ist. Ich habe mir die Tiroler Zahlen angeschaut und war schon verwundert: Auch in Tirol gibt es 3 000 Frühabbrecher, also junge Menschen zwischen 15 und 24, die weder einen Schulabschluss noch einen Lehrabschluss haben. Ich hoffe, dass diese Chance auch von allen jenen genützt wird.

Ich bin auch froh darüber, dass im Budget des Unterrichtsministeriums dafür 54 Mil­lionen € bereitstehen. Auch als ich vor zwei Jahren das Budget des Unterrichts­ministeriums gelesen habe, war schon zu sehen, dass im Bereich der Erwachsenen-


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bildung nicht gespart wird, sondern dass im Bereich der Erwachsenenbildung sogar mehr Geld eingesetzt wird.

Ja, daher darf ich nur eines sagen: Ich hoffe, dass wirklich viele Menschen diese Chance nutzen, wir alle können dazu beitragen. So wie ich es auch in der Gemeinde oft erlebe, dass mir die Mitarbeiter erzählen, wenn Menschen hinkommen und etwas ausfüllen sollten, dass sie dann alle möglichen Ausreden erfinden. Es ist dann also ersichtlich, dass es eben auch hier Probleme gibt.

Danke schön noch einmal für diese Initiative! Und wir hoffen, dass viele Menschen diese Chance nutzen. – Danke schön (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.28.385. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Jänner 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1617 d.B. und 1628 d.B. sowie 8658/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Bitte um den Bericht.

 


13.28.53

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Jänner 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schüler­beihilfengesetz 1983 geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor. Daher verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gregor Hammerl (den Vorsitz übernehmend): Meine geschätzten Damen und Herren, wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile nun Frau Bundesrätin Mühlwerth das Wort. – Bitte.

 


13.30.35

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade waren wir uns beim


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vorhergehenden Tagesordnungspunkt so schön einig, und das ist jetzt wieder vorbei. Wiewohl ich natürlich nicht verhehlen möchte, dass dieses Gesetz eine ganze Reihe von sehr positiven Maßnahmen hat, die wir absolut begrüßen.

Dazu gehört zum Beispiel die Integration auf der neunten Schulstufe; eigentlich überfällig, sodass man sich schon fragen muss: Wieso denn erst jetzt? – Wir haben in Wien vor Jahren schon einem entsprechenden Schulversuch zugestimmt. Das heißt, dieser ist auch mit den Stimmen der FPÖ beschlossen worden, weil wir gesagt haben: Es kann ja nicht so sein, dass es neun Schuljahre gibt, es endet die Integration auf der achten Schulstufe, und dann hängen die irgendwo in der Luft. Das ist daher gut, und da sage ich nicht zum ersten Mal: Besser spät als nie!

Wir finden es auch in Ordnung, dass es ein modulares System für Berufstätige und für Kollegs gibt. Das ist durchaus positiv zu sehen, vor allem für Berufstätige, weil man schon weiß – wenngleich vielleicht nicht jeder aus eigener Erfahrung –, wie schwierig es ist, wenn Beruf, Familie und auch noch eine zusätzliche Ausbildung, die ja dann meistens am Abend stattfindet, zu bewältigen sind. Und ich sage: Hut ab vor jedem, der das in Angriff nimmt und es dann auch noch positiv erledigen und positiv abschließen kann!

Daher wird es sicher eine Hilfestellung sein, wenn ich nicht drei Jahre lang von sechs bis neun von Montag bis Freitag jeden Tag in die Schule gehen muss, sondern dort vielleicht auch nicht immer Anwesenheitspflicht habe, wie das ja zum Beispiel an der Berufstätigenschule am Henriettenplatz der Fall ist. Das ist sicher eine Erleichterung für jene, die zu einem zusätzlichen Abschluss kommen wollen.

Auch die Lernbegleiter an den Schulen sind positiv zu sehen. Auch da: leider erst jetzt statt schon viel früher! Wir kennen ja die Probleme an den Schulen. Gerade vorhin haben wir uns darüber unterhalten, wie viele Schüler es gibt, die nicht ausreichend lesen und schreiben können. Daher ist es ganz wichtig, im Zuge des Frühwarnsystems jene Schüler herauszuholen, sie allein oder in Kleingruppen zu fördern und ihnen so quasi einen Coach zur Seite zu geben, damit sie eben nicht künftig die Module wiederholen müssen, so wie sie früher zur Nachprüfung gehen mussten oder die Aufstiegsklausel bekommen haben.

Das ist also wirklich eine gute Maßnahme, die auch den Eltern helfen wird. 160 Mil­lionen € im Jahr sind es, die die Eltern unfreiwillig an Nachhilfe zahlen müssen! Das wird sich mit dieser Maßnahme hoffentlich deutlich reduzieren, im Sinne der Eltern und der Schüler.

Auch das Überspringen von Modulen ist gut. Es war ja bis jetzt nicht einfach, eine Klasse zu überspringen, wiewohl mir schon klar ist, dass das nicht so einfach ist. Nur zu sagen, einer ist einem bestimmten Gebiet besonders begabt, also in Mathematik oder sonst irgendwo, und das befähigt ihn gleich dazu, eine Klasse zu überspringen – wir wissen, dass man da die sozialen Aspekte und vor allem die soziale Entwicklung des Kindes mit berücksichtigen muss. Aber jene, die schneller vorankommen, sollen die Möglichkeit haben, gemäß ihren Möglichkeiten auch schneller voranzukommen.

Aber das ganze Gesetz ist natürlich auch unter dem Titel „Modulare Oberstufe“ zu sehen, und da setzt eben unsere Kritik an und unsere Skepsis ein. Denn es ist ja nach dem Gesetz dann auch möglich, bis zu drei Module, also bis zu drei Nichtgenügend, parallel zum normalen Unterricht nachholen zu können. Die Befürworter sagen natürlich, das ist gut, weil das Kind dann keine Klasse mehr wiederholen muss.

Ja, grundsätzlich sage ich auch: Niemand will, dass die Kinder eine Klasse wieder­holen müssen und ein Jahr verlieren. Trotzdem, ein wenig einschränkend sage ich dazu: Ich kenne schon auch Fälle, in denen es für die Entwicklung der Kinder so


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schlecht nicht war, dieses eine Jahr zu wiederholen, und sie in Wirklichkeit in ihrer Entwicklungsgeschichte eigentlich ein Jahr gewonnen haben, auch wenn es natürlich, rein als Zahlenspiel betrachtet, ein verlorenes Jahr zu sein scheint.

Wir haben also mit dieser modularen Oberstufe und mit diesen drei Nichtgenügend unser Problem, das ist ja nicht unbekannt. Aber was mir bei der Schuldebatte jetzt generell noch fehlt, ist – und das ist auch im vorhergehenden Tagesordnungspunkt ein bisschen angeklungen –, dass wir uns auch wieder auf nachhaltiges Lernen konzen­trieren müssen. Es soll eines nicht der Fall sein, und unserer oder zumindest meiner Meinung nach fördert das Modulsystem ein bisschen das, was ich nicht will, nämlich sich Wissen anzueignen, es dann bei der Prüfung abzugeben und zwei Wochen später keine Ahnung mehr von dem zu haben, was man da eigentlich gelernt hat. Es ist also schon wichtig, etwas nachhaltig zu wissen und dieses eben auch zu behalten.

Wir müssen das Augenmerk auch darauf lenken, dass vernetztes Denken wichtig ist, dass assoziatives Denken ganz wichtig ist, dass man das große Ganze sehen können muss, statt nur detailverliebt irgendwo einen Teilbereich zu erkennen, weil das ja auch später für uns oder für unsere Kinder ganz wichtig sein wird. Über Professor Hengst­schläger haben wir uns ja schon unterhalten. Und selbstverständlich unterstütze ich es auch, dass wir die Talente fördern müssen, sie vielleicht auch erst hervorholen müssen, weil den Schülern noch gar nicht bewusst ist, was sie alles können, und dies dann auch entsprechend fördern.

Ich würde es aber nicht so nehmen, dass ich sage: Wir fördern das jetzt ganz extrem, und das andere, was sie nicht so gut können, vernachlässigen wir. Das klingt manchmal ein bisschen an. Ich will jetzt niemandem persönlich etwas unterstellen, aber manchmal hat man ein wenig den Eindruck: Na ja, das ist dann nicht so wichtig.

Ich glaube schon, dass man, wenn man von Allgemeinbildung spricht, alles können muss. Man wird nicht alles gleich gut können – das ist schon klar, das ist uns allen so gegangen –, aber man muss trotzdem schauen, dass man dann auch dort, wo man nicht so gut ist, wenigstens die Grundkompetenzen hat. Man muss auch deutlich aussprechen – und das muss man auch den Eltern sagen, weil das nicht nur eine Aufgabe der Schule ist –, dass die Kinder gewisse Leistungen zu erbringen haben, dass eine gewisse Disziplin notwendig ist und dass Lernen auch Anstrengung bedeutet. Das wollen wir nicht verschweigen.

Ich sehe es ja positiv: Erst wenn ich mich angestrengt habe und wenn ich mir wirklich Mühe gegeben habe, etwas zu lernen, etwas zu schaffen, dann bin ich nachher umso zufriedener und sehr stolz auf mich, dass ich das, von dem ich gar nicht geglaubt habe, es je zu können, geschafft habe. Ich glaube, das muss man den Schülern auch vermitteln. Auch den Eltern muss man es manchmal vermitteln, dass man sagt, es ist nichts per se Böses, wenn man das Wort „Leistung“ in den Mund nimmt – obwohl es ja manchmal zu einem Unwort geworden ist –, sondern es ist auch durchaus etwas Positives.

Die Begabtenförderung ist jetzt zwar ein wenig erhöht worden, aber es ist nach meinem Dafürhalten noch immer zu wenig, das muss ich sagen. Die wirklich Hoch­begabten oder die teilweise Hochbegabten führen bei uns ein stiefmütterliches Dasein; es ist so, als würde man sich dafür genieren, dass es solche Kinder überhaupt gibt. Aber ganz im Gegenteil, wir sollten stolz darauf sein und sie auch entsprechend fördern. Dafür könnte man hier ein bisschen tiefer in die Tasche greifen, weil es keine Schande ist, in einem Land Eliten auszubilden. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Daher: Dieses Gesetz hat, wie ich schon ausgeführt habe, durchaus sehr gute Ansätze, es sind sehr gute Dinge drinnen. Wir haben – noch einmal – unser Problem


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mit dem Modulsystem in der Oberstufe, weil wir glauben, dass es nicht zu dem Ziel führen wird, das man sich vorstellt. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend; ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, wenn es gut funktioniert. Wir haben hier ja nicht das letzte Mal über die Bildung debattiert. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

13.39


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Schweigkofler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.39.42

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Oberstufe neu – in diesem Gesetz, in dem ganzen Gesetz ist ja sehr vieles verpackt. Wiederum kann ich auch, wie schon vorhin, sehr vieles von dem unterschreiben und unterstreichen, was Frau Mühlwerth gesagt hat, aber es gibt doch einige ganz, ganz große Differenzen, die wir beide da haben.

Wenn ich mir anschaue, was Erziehungswissenschafter über ein Jahr, das wiederholt werden muss, schreiben, dann sagt der eine, dass es ein vergeudeter Lebensabschnitt ist, ein Jahr zu wiederholen, und andere schreiben, dass das unpädagogisch ist. Es ist teuer und es ist auch unwirksam. Dazu kann man nur einen Rechnungshofbericht zitieren, der sagt, dass jene Schülerinnen und Schüler, die ein Jahr wiederholen müssen, Österreich, der Volkswirtschaft jährlich 150 Millionen € kosten.

Derzeit sind wir in einer großen Spardebatte. Da ist es wohl ein großes Anliegen, dass möglichst wenig Kinder ein Jahr wiederholen sollten. Zum Vergleich: In Österreich wiederholen ungefähr 4 Prozent ein Schuljahr, in Finnland beispielsweise 0,4 Prozent. Wenn von den 150 Millionen am Anfang nur 25 Prozent pro Jahr eingespart werden würden, wären das auch schon 37 Millionen. Auf Jahre gerechnet wäre das ein ganz tolles Ergebnis. Aus all diesen Gründen wurde eben diese Oberstufe neu konzipiert.

Man darf auch eines sagen: All jene Länder, die heute wirtschaftlich sehr gut dastehen, haben zuerst ihr Bildungssystem reformiert. Daher ist es und muss es unser Anliegen sein, dieses Bildungssystem zu reformieren.

Frau Ministerin, daher darf ich vor allem dir und auch deinem Pendant von der ÖVP, Herrn Abgeordneten Amon, sehr herzlich für dieses Gesetz danken! Ihr beide habt dieses Gesetz auf den Weg gebracht.

Es gibt sehr viele Neuerungen. Wie gesagt, dieses modulare System ist sicherlich ein Riesenvorteil. Der Lehrer ist jetzt verpflichtet, den Lehrstoff in diese Module einzuteilen. Bisher war es ja so: Ein Schüler hat das erste Halbjahr mit einem Nichtgenügend abgeschlossen, im zweiten Halbjahr hat er den Fleiß entdeckt, hat es positiv abgeschlossen, und damit war das ganze Jahr positiv. Das wird es nicht mehr geben. Jetzt muss er auch das Modul eins – nennen wir es Modul eins – positiv abschließen, und erst dann, wenn er alle Module positiv abgeschlossen hat, darf er zur Matura antreten. Ich glaube, das fördert nicht nur die Leistung, sondern es ist auch notwendig, dass die Schüler selbständiger werden, dass sie sich selbst besser organisieren müssen. Das ist, wie gesagt, ein sehr großer Vorteil.

Das Frühwarnsystem wurde bereits erwähnt. Lerncoaching, kleine Gruppen und so weiter bringen große Vorteile und Unterstützung für jene, die diese Unterstützung auch brauchen.

Als Lehrer möchte ich auch noch eines sagen: Schule ist auch Anstrengung. Es ist wirklich so, dass heutzutage oft vermittelt wird, dass Schule lässig sein soll, cool sein soll. Was geschieht dann bei dem Cool- und Lässigsein? – Dann denken die Schüler,


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sie müssen nichts mehr lernen. Ich bin der Meinung, dass sich oftmals auch die Ein­stellung ändern muss. Gibt es Schüler, die ausgezeichnete Leistungen erbringen, dann schimpfen die anderen: Was bist du denn für ein Streber? Gerade dieses System hat sich leider Gottes breitgemacht. Ich sage meinen Schülern immer: Wenn man vom Nachbarn abschreibt, ist das eine Schande, denn damit gesteht man ein, dass der Nachbar um vieles besser ist als man selbst. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Diese Oberstufe neu ist einerseits dazu da, um jenen Hilfestellungen zu geben, die sie brauchen, und andererseits aber auch, um Leistung zu fordern und Begabte zu fördern. Ein weiterer positiver Aspekt in dem Gesetz ist die Integration in der neunten Schulstufe. Ich muss sagen, dass das auch ein erster Schritt ist. Es sollte ja weitergehen, sodass letztendlich diese Sonderschulen in Österreich verschwinden. Jeder weiß, dass, wenn ein Schüler kommt und sagt: Ich war in der Sonderschule, das Wort „Sonder“ einen eher negativen Beigeschmack hat. Wir sollten das vergessen.

Wir Tiroler schauen oft gerne über die Grenze nach Südtirol. In Südtirol gibt es keine Sonderschule, sondern alle Menschen mit Behinderungen sind im Regelschulwesen. Im Übrigen haben auch die Südtiroler seit Mitte der siebziger Jahre eine Gesamtschule, und die PISA-Ergebnisse sind ausgezeichnet.

Ein herzliches Dankeschön für dieses Gesetz, die SPÖ wird dem selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.45


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.45.09

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Als der Redner die Höhe des Mikrofons verstellt, löst sich ein Teil desselben. – Heiterkeit.) – Wieder unser berühmter Protest (Der Redner bringt den Teil des Mikrofons wieder an.) – Bevor ich alles zerstöre! (Zwischenrufe der Bundesrätin Mühlwerth und bei der ÖVP. – Heiterkeit im Saal.) – Der Herr Präsident hat gesagt, natürlich ist es schöner.

Zur Tagesordnung: Die Überführung des Schulversuches zur Integration in der Poly­technischen Schule ins Regelschulwesen und die Ausweitung auf die einjährigen Haushaltungsschulen ist im Grunde ein Schritt in die richtige Richtung. Aber für uns geht das zu wenig voran. Zumindest die schrittweise Ausweitung in die berufs­bildenden mittleren und höheren Schulen sowie die AHS-Oberstufe sollten mit vor­bereitet werden. Weiterhin ist von einem inklusiven Unterricht nicht die Rede. Der Lehrplan der Sonderschule findet auch im Poly und in der Haushaltungsschule Anwendung. Sonderschulen bleiben erhalten. Sonderschullehrpläne am Poly und an einjährigen Schulen bleiben erhalten. Es gibt keine Vorbereitung auf Ausweitung auf mittlere und höhere Schulen, und es gibt weiterhin keinen inklusiven Unterricht.

Das Schuljahr dauert nicht mehr ein Jahr, sondern zwei Semester. Am Ende jedes Semesters gibt es ein Zeugnis. Der Lehrplan wird in Semester und weiter in Kompe­tenzmodule aufgeteilt. Die Frage, von wem und in wie viele Module aufgeteilt wird, bleibt offen. Unterrichtsveranstaltungen können klassen- und schulübergreifend ange­boten werden. Schulleiter müssen den Stundenplan so gestalten, dass das Über­springen von Unterrichtsgegenständen oder die Teilnahme am Unterricht in einem höheren Semester möglich wird. Schulstufen, Jahrgangsklassen, Klassenschüler­höchstzahlen bleiben weiterhin erhalten.


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Die neue Oberstufe kann 2013/2014 bis 2016/2017 als Schulversuch weitergeführt werden. Danach ist sie verpflichtend, und eine Evaluierung ist nicht vorgesehen.

Individuelle Lernbegleitung für SchülerInnen ab der zehnten Schulstufe ist grund­sätzlich als positiv anzusehen. Die Schulen bekommen um 35 Prozent mehr Förder­budget. Dienstrechtliches muss aber noch erarbeitet werden. LernbegleiterInnen sind keine FachnachhilfelehrerInnen. Semesterprüfungen bei „Nicht genügend“ beziehen sich nur auf die im Semesterzeugnis festgehaltenen Bildungs- und Lehraufgaben, die nicht erfüllt wurden. Semesterprüfungen können auf Antrag der SchülerInnen auch über den Lehrstoff eines höheren Semesters abgelegt werden.

Es bleibt dabei, dass man mit maximal zwei „Nicht genügend“ aufsteigen kann, bei drei „Nicht genügend“ entscheidet die Klassenkonferenz. Es ist kein echtes Modulsystem. Es gibt aus unserer Sicht zu wenig Fördermaßnahmen. Es gibt keine Begabtenkurse, erst ab der zehnten Schulstufe. Im Ausschuss haben wir gehört, dass gerade in der neunten Schulstufe sehr viele sitzen bleiben; es gab Signale, dass man es andenkt, nicht erst in der zehnten Schulstufe anzusetzen, sondern das schon in der neunten Schulstufe zu machen.

Das Ganze bedeutet auch – und das hat auch Kollegin Mühlwerth angesprochen – einen enorm hohen organisatorischen Aufwand, und deswegen werden auch wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall des Bundesrates Schreuder. – Bundesrätin Blatnik: Schade!)

13.49


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Astleitner. – Bitte.

 


13.49.22

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich immer, wenn Themen aus dem Bereich Bildung auf der Tagesordnung sind. Ich freue mich auch, dass heute von der Frau Bundesminis­terin schon eine Reihe von Weiterentwicklungen im Bildungsbereich, im Schulbereich genannt wurden. Ich denke da an die Bildungsstandards, an die Verlässliche Volksschule, an die Neue Mittelschule.

Ich möchte mich jetzt auf die modulare Oberstufe konzentrieren, die heute auch Thema ist. Ich finde es ehrlich gesagt schade, dass ihr – FPÖ und Grüne – dieser Weiter­entwicklung eines wichtigen Bereiches im Schulsystem nicht zustimmen könnt.

Wie sehe ich das? – Natürlich habe ich in meinen Diskussionen auch gehört, dass viel Unsicherheit herrscht. Allerdings darf ich sagen, dass es ja auch Pilotversuche gegeben hat, bei denen es sehr gute Ergebnisse gegeben hat. Aus meinen Diskus­sionen mit den Lehrerinnen und Lehrern habe ich den Eindruck, dass man dieser Modu­larisierung auch positiv gegenüberstehen könnte und es die Zustimmung von allen Seiten geben kann.

Kollege Dönmez! Für mich ist es so, dass die Aufteilung in die verschiedenen Module bereits in den Lehrplänen berücksichtigt sein muss. Du hast ja gesagt, dass sich nirgends findet, wie das aufgeteilt werden soll.

Ich denke, dass ein Kernstück dieser neuen modularen Oberstufe sicherlich das effiziente Fördersystem ist. Es kann natürlich nicht sein, dass erst dann gefördert und von den sogenannten Lerncoaches begleitet wird, wenn (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn es zu spät ist!) – Ganz genau, wenn es zu spät ist. Die Förderung muss eigentlich durch das sogenannte Frühwarnsystem, das wir haben, und durch andere Dinge früher ansetzen.


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Erfreulich für mich ist auch, dass für Begabte etwas gemacht wird. Für besonders Begabte soll es und muss es interessante Zusatz- und Förderangebote geben. Aus meiner Sicht ist es natürlich auch wesentlich, dass Lehrerinnen und Lehrer bereit sind, diese Begleitstunden, diese Förderstunden zu übernehmen. Das soll ja zusätzlich zur Lehrverpflichtung gemacht werden. Ich sehe immer wieder in der pädagogischen Arbeit, dass dabei in kleineren Gruppen gearbeitet werden kann, und das halte ich für ganz wichtig und positiv.

Über die gesamte Aufteilung wird mein Kollege Köberl noch sprechen. Ich möchte aus Sicht der ÖVP-Fraktion festhalten: Natürlich geht es auch um Eigenverantwortung. Wir haben jetzt sehr viel vom Fördern gesprochen, aber natürlich sind die Jugendlichen auch selbst verantwortlich, dass sie gar kein „Nicht genügend“ bekommen. Es wird niemandem etwas geschenkt. Das hat man auch in der Diskussion so oft gehört: Ja, Aufsteigen mit einem Fünfer, mit zwei Fünfern, das widerspricht ja praktisch jeder pädagogischen Arbeit. – So ist es nicht, ganz im Gegenteil. Das ist ja eigentlich neu. Früher konnte man – du hast es auch schon angesprochen (die Rednerin wendet sich an Bundesrat Schweigkofler) – mit einem „Nicht genügend“ aufsteigen, ohne es auszubessern. Das fällt jetzt weg. Es muss alles positiv abgeschlossen sein, um zur Matura zugelassen zu werden. Das halte ich schon für einen Ansatz in Richtung „Leistung muss sich lohnen“.

Wichtig und wertvoll ist, wie gesagt, die intensive Begleitung und Betreuung. Ich denke, wenn es gelingt, Schülerinnen und Schüler zu motivieren, die Anzahl der Klassen­wiederholungen und für die Eltern die Anzahl der Nachhilfestunden zu reduzieren, dann sind wir auf einem sehr guten Weg. Schade, dass ihr nicht zustimmen könnt. Die ÖVP-Fraktion kann zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundes­ministerin Dr. Schmied: Danke! – Ruf bei der SPÖ: Bravo!)

13.53


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste hat sich unsere Frau Bundesminister Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.54.02

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte noch einmal die schon erwähnte Formel zur Sprache bringen, weil es mir ganz wichtig ist, und zwar nicht nur persönlich, sondern weil es auch Grundlage unserer Bildungspolitik ist, eine positive Relation zum Begriff „Leistung“ herzustellen.

Ich bekenne mich zu der Formel: Erfolg und Leistung sind das Ergebnis individueller Leistungsvoraussetzungen und harter Arbeit. Diese Formel hat für mich Gültigkeit, und es ist mir wichtig, dass wir, wenn wir bildungspolitische Maßnahmen diskutieren, wenn wir sie beschließen, diese Maßnahmen auch einer kurzen Überprüfung unterziehen. Für mich sind dabei drei Postulate oder drei Prinzipien entscheidend, und ich würde sie gerne mit Ihnen teilen, sie mit Ihnen austauschen.

Der erste Punkt entspricht meiner tiefen Überzeugung: Vielfalt ist eine Chance für unsere Gesellschaft. Ich darf einmal mehr Hengstschläger zitieren, weil mich sein Buch wirklich sehr interessiert hat, seine These folgt aus dem Prinzip „Vielfalt ist eine Chance“: Vielfalt ist eine Chance. Jeder von uns ist Elite, weil jeder irgendetwas besonders kann und weil in jedem von uns etwas Besonderes steckt.

Da ist ein Menschenbild wiedergegeben, mit dem ich mich zu 100 Prozent identifiziere.

Der zweite Punkt, der mir wichtig erscheint, ist: Es geht darum, Individualität und Eigenverantwortung zu stärken. Unser Ziel muss der souveräne Bürger, die souveräne


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Bürgerin sein. Was meine ich damit? – Man muss in Eigenverantwortung Probleme lösen können.

Der dritte Punkt, der mir wichtig ist: Ohne Grundkompetenzen geht gar nichts.

Ich darf diese drei Punkte noch einmal wiederholen: Vielfalt ist eine Chance, Individu­alität und Eigenverantwortung stärken, Grundkompetenzen sind die Basis für alles. Unter diesen drei Motiven können wir unsere bildungspolitischen Maßnahmen immer einer Bewertung unterziehen, und sie sollten diesen Bewertungstest positiv schaffen, um in unseren Katalog aufgenommen zu werden, um auf unserer Agenda zu sein.

Wenn ich das jetzt anwende und auf das vorliegende Maßnahmenpaket übertrage, nämlich auf die neue Oberstufe, dann finde ich ganz viele Ziele mit dieser Maßnahme unterstützt, wenn nicht gar erreicht.

Da ist einmal das Frühwarnsystem – das heißt, es wird früher auf Stärken und Defizite aufmerksam gemacht. Da ist die Einführung des Lernbegleiters – also Individualität stärken, Eingehen auf den Schüler, auf die Schülerin mit dem Ziel, Leistung zu erreichen, denn an den Grundkompetenzen, an Leistungsnachweis führt nichts vorbei. Im Gegenteil: Das neue System ist sogar strenger als das bisherige, weil nämlich jedes Semester – und ein Semester ist ein Modul – positiv absolviert werden muss. Da gibt es kein Pardon – mit einem Nichtgenügend geht es eben doch weiter – mehr, sondern der Leistungsnachweis muss erbracht werden. Damit ist das für mich auch die Grundlage, dass an Grundkompetenzen, Leistung und an einem Leistungsnachweis kein Weg vorbeiführt. Damit ist auch dieser Punkt erfüllt.

Ich konnte in Berichten von 40 Schulstandorten nachlesen, den einen oder anderen Standort habe ich auch persönlich besucht. Durch dieses neue System werden die Schüler und Schülerinnen auch selbstbewusster. Sie beginnen, den Lernstoff besser einzuteilen. Sie entscheiden sich für ihre Lernbegleiter. Wenn sie bei einem Prüfer zwei Mal ein „Nicht genügend“ haben, haben sie die Möglichkeit, den Prüfer zu wechseln. Auch das stärkt Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein. Insgesamt wird das Schulklima verbessert, das berichten mir alle, die bis dato an diesen Schulversuchen teilgenommen haben. Wichtig ist mir, dass wir die Schulen gut auf die Umstellung vorbereiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich riesig, dass die Zusam­menarbeit – vor allem mit Herrn Abgeordnetem Amon, mit Elmar Mayer sowieso – so gut klappt. Wir haben bisher im Bildungsbereich 45 Regierungsvorlagen eingebracht. Ich lasse also das Wort „Stillstand“ nicht gelten, wer immer es sagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben jetzt schon sehr viele Projekte in Umsetzung: Bildungsstandards, vierte, achte Schulstufe, neue Matura, jetzt kommt Oberstufe neu. Ich höre schon von einzel­nen Standorten: Wir müssen das alles schaffen, wir müssen uns gut vorbereiten.

Daher haben die Standorte bis 2017 Zeit, stufenweise in das Modell einzusteigen. Wir sind uns sehr bewusst, dass wir das seitens des Ministeriums begleiten müssen. Da braucht es auch entsprechende Planungssoftware, damit die administrative Abwicklung gut gelingt.

Wir bewegen uns dabei – ich sage das hier im Bundesrat sehr bewusst – im Bereich der Bundesschulen. Es ist hier eine sehr klare Kompetenz auch in der Umsetzung, in der Verantwortung, dass die Maßnahmen auch tatsächlich im Klassenzimmer ankommen; und ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass dieses Projekt gut gelingen wird.


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Ich möchte Ihnen, Frau Bundesrätin Mühlwerth, zu zwei Punkten noch etwas sagen. Zu dem Thema Aufsteigen mit drei „Nicht genügend“: Das ist eine Kann-Bestimmung. Da geht es wieder um Individualität, um die individuelle Situation des Schülers, der Schülerin. Wenn die Umstände es besser erscheinen lassen, dass eine Klasse wiederholt wird, dann wird das auch in der Praxis stattfinden. Aber das Kurssystem lebt davon, dass man mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten letztlich das Ziel erreichen kann.

Weil Sie das Thema Nachhaltigkeit angesprochen haben: Das ist mir besonders wichtig. Die Nachhaltigkeit werden wir durch die neue Matura sichern, weil wir da auf Kompetenz abstellen und allein schon durch die Standardisierung in den Grundkom­petenzen sicherstellen, dass wir das österreichweit sichern.

Auch da gefällt mir ein Begriff ganz besonders, um den es uns jetzt und in Zukunft, glaube ich, in der Schule gehen muss, nämlich souveräne Kompetenz. Es geht also nicht um das Nachbeten von Wissen, sondern um das Anwenden, um das Kritikfähig-Sein, eben um souveräne Kompetenz. Daran müssen wir arbeiten. In diese Richtung geht jetzt auch die Arbeit an den Lehrplänen. – So weit zum Thema.

Zu Herrn Bundesrat Dönmez wollte ich noch sagen: Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir dieses Modulsystem, die neue Oberstufe, nicht schon an der neunten Schulstufe beginnen lassen sollen. Nun wissen wir, das ist uns sehr bewusst: Die neunte Schulstufe ist der neuralgische Punkt im Schulsystem, aus vielen Gründen.

Wir müssen daran arbeiten, dass uns in der siebenten und achten Schulstufe Bildungs- und Berufsberatung besser gelingt. Wir haben nämlich noch heute sehr, sehr viele junge Menschen, die die Wahl des Schultyps für die Oberstufe, für die Sekun­darstufe II, nicht entsprechend ihren individuellen Neigungen und Interessen treffen, sondern möglicherweise aus einem abgeleiteten Nutzen, weil die Eltern das wollen, weil sie meinen: Geh doch in die Handelsakademie, dann kannst du nachher in der Wirtschaft arbeiten. Wenn aber der junge Mensch mit Soll und Haben so gar keine Freude hat, aber unglaublich musisch begabt oder handwerklich begabt ist, dann ist eine Handelsakademie wohl nicht das Richtige für diesen jungen Menschen.

Daher wissen wir, dass wir an dem Punkt ansetzen müssen, in der siebenten und in der achten Schulstufe Grundkompetenzen, Talente, Neigungen herauszuarbeiten, und zwar durch harte Arbeit. Wenn wir diese Schritte geschafft haben und uns der neunten Schulstufe auch mit Reformmaßnahmen gestellt haben, dann, glaube ich, ist es so weit, darüber nachzudenken, das Kurssystem schon früher einzuführen. Jetzt ist die Drop-out-Quote in der neunten Schulstufe zu hoch, um da schon das Kurssystem wirksam werden zu lassen.

Zum Thema Integration: Ich sehe das so wie Sie. Das ist ein notwendiger, richtiger nächster Schritt. Wir müssen beim Thema Integration weiter gemeinsam arbeiten. Wir müssen aber, glaube ich, auch – Sie haben sicher die Diskussionen der letzten Tage mitverfolgt – die Gesellschaft auf die inklusive Schule noch ein Stück vorbereiten. Wir haben sehr, sehr viele Gespräche mit Betroffenen, aber auch mit Bundesländern.

Das ist in den Bundesländern höchst unterschiedlich. Schauen Sie zum Beispiel nach Tirol, schauen Sie sich die Diskussionen dort an. Auch hier ist der Weg der Modellregionen möglich; das heißt, wir fangen eben mit einzelnen Gebieten an, dort mit den betroffenen Beteiligten die konkreten Umsetzungsmodelle zu erarbeiten, und setzen dann die nächsten Schritte.

Ich weiß, dass heute Vormittag in der Diskussion mit Frau Finanzministerin Fekter kurz das neue Dienst- und Besoldungsrecht für die Lehrerinnen und Lehrer angesprochen wurde. Mir ist wichtig, dass wir dieses Projekt, nämlich neues Dienst- und Besoldungs-


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recht für neue Lehrerinnen und Lehrer, sehr stark entwickeln entlang all der Reformprojekte, die wir hier beschließen; das heißt, dass wir das Arbeitsgebiet, das Arbeitsfeld der künftigen Lehrer und Lehrerinnen auch entsprechend weiter fassen.

Ich werde immer wieder gefragt: Wie weit ist denn das neue Dienst- und Besol­dungs­recht für die neuen Lehrerinnen und Lehrer? Da sage ich einmal mehr, ich habe das auch im Plenum des Nationalrats gesagt: Mir ist wichtig, dass es hiezu eine Dienst­geberposition gibt. Da reicht die Fachministerin allein nicht aus. Wir werden die Sozialpartnergespräche dann beginnen – Wenn-dann-Ketten mache ich sonst eher selten –, wenn wir als Dienstgeberseite geeint auftreten.

Ganz zum Schluss wollte ich noch kurz die Antwort auf die Frage, die Herr Bundesrat Preineder an mich gestellt hat, nachreichen. Die Frage bezog sich auf die Aufteilung meines Budgets auf die Bereiche Schule und Erwachsenenbildung. Für mein Budget ist die Antwort relativ einfach: Der überwiegende und überwältigende Anteil geht in den Bereich Schule. Das liegt aber an der Kompetenzaufteilung. Für die Erwachsenen­bildung sind primär die Bundesländer zuständig. Man muss auch sehen, dass wir in der Schule primär und Gott sei Dank – dazu bekenne ich mich – einen starken öffentlichen Sektor haben, was das Angebot betrifft, während in der Erwachsenen­bildung sehr, sehr viel privatwirtschaftlich passiert und eben auch seitens der Unternehmen in Aus- und Weiterbildung investiert wird. Das heißt, so einfach wird das mit einer Statistik nicht sein. Für meinen Bereich ist die Antwort eindeutig.

Wie gesagt, ich möchte mich noch einmal bedanken beim Regierungspartner. Das Jahr 2011 war aus meiner Sicht für die Bildung ein gutes Jahr. Ich freue mich jetzt auf die Umsetzung, darauf, dass alle diese Maßnahmen im Klassenzimmer ankommen. Das muss jetzt die Aufgabe sein, darauf werde ich jetzt Wert legen. Ich bitte um Ihre Unterstützung. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum.)

14.07


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster ist Herr Kollege Köberl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.07.48

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister, Sie haben sich für die gute Zusammenarbeit bedankt. Ich darf Ihnen danken für Ihr klares Bekenntnis zur Leistung, für den Hinweis auf die Eigenverantwortung und für das Festhalten der Tatsache, dass an den Grundkom­petenzen kein Weg vorbeiführt. Ich tue das nicht nur als Mitglied dieses Hauses, sondern auch als Lehrer und als Vater zweier Töchter, die derzeit eine Oberstufe besuchen.

Da wir in der heutigen Sitzung einen steirischen Schwerpunkt haben, möchte ich auch zu diesem Tagesordnungspunkt ein steirisches Beispiel anbringen. Die „Kleine Zeitung“ vom 1. Februar bringt unter dem Titel „Hier funktioniert das Modulsystem“ einen Bericht über das Oberstufengymnasium der Ursulinen in Graz, eine der sogenannten Pilotschulen für die Erprobung des Modulsystems an der Oberstufe.

Die Direktorin, Schwester Anna Kurz, fasst es so zusammen:

„Im Prinzip haben es alle sehr gut aufgenommen, Schüler, Lehrer und Eltern“. Ferner heißt es im Artikel: „Auch wenn es anfangs viel zu erklären gab – und es viel mehr Arbeit () bedeutet.“ Nach Ausführungen der Direktorin passiere das Nachbringen negativer Leistungen dort sogar schneller als im herkömmlichen Schulwesen, da auch das Halbjahreszeugnis verbindlich ist.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 100

Die Eckpunkte dieses Modulsystems darf ich noch einmal kurz zusammenfassen: Die schrittweise Umsetzung ab Schuljahr 2013/14 und bis 2017; semesterweise Module. Es gibt diese Semesterprüfungen. Maximal zwei Wiederholungen sind möglich, wobei jeweils nur ein Teil, ein Fachgebiet, das zuvor negativ beurteilt wurde, geprüft wird. Man darf dabei auch den Lehrer wechseln. – Viele von uns werden aus Erzählungen von Bekannten aus früherer Zeit hören, dass sie eigentlich ein Jahr verloren haben, weil sie vielleicht in einem Fach nicht besonders fleißig waren, aber vielleicht auch mit dem Professor oder der Professorin nicht besonders gut konnten.

Alle Module – das haben wir gehört – müssen positiv sein, damit man zur Matura antreten kann, auch das war bisher nicht der Fall. Das hat mich persönlich zu dem Schluss geführt, dass das hier auch härter und strenger geworden ist.

Zu erwähnen ist ferner, dass der Aufstieg in die nächste Klasse bei maximal zwei „Nicht genügend“ im Zeugnis – und einmal in der Oberstufe bei Zustimmung der Lehrerkonferenz auch mit drei „Nicht genügend“ – möglich ist.

Kollegin Astleitner hat es bereits ausgeführt: Besonders herausheben dürfen wir das Frühwarnsystem. Da wird es Lernbegleiter geben, die bereits während des laufenden Schuljahres frühzeitig darauf hintrainieren, dass es zum Schluss eben kein „Nicht genügend“ gibt.

Die Schulversuche in den Pilotschulen haben eines deutlich gezeigt: Rund 60 Prozent der „Nicht genügend“ sind dort weggefallen, weil die Schüler individuell an der Schule direkt gefördert wurden.

Kollege Schweigkofler hat auch den wirtschaftlichen Aspekt davon gezeigt, wie viel nämlich auf der anderen Seite in Nachhilfe investiert wurde. Wenn man das einsparen kann, ist das nur zu begrüßen.

Wir haben es gehört: Bei besonderen Begabungen gibt es die Möglichkeit, auch ganze Module zu überspringen. Man kann auch Dinge im Voraus machen, ganz im Sinne der Eigenverantwortung.

Zum ersten Mal institutionalisieren wir auch die Begabtenförderung. Das war bisher nicht der Fall. Es lässt sich jetzt darüber diskutieren, Frau Kollegin Mühlwerth, ob zu wenig oder zu viel, aber es liegt letzten Endes im Entscheidungsbereich der Schule und des Direktors, zu sagen, wie viel man von allen Mitteln für den Förder­maßnahmenbereich ausgeben will – nämlich für die Förderung schwächerer, aber auch für die Förderung begabterer Schüler, die eben an einer Schule vorzufinden sind.

Mit dem heutigen Beschluss, haben wir gehört, setzen wir auch einen weiteren wichtigen Schritt, nämlich die Integration in der neunten Schulstufe, die in Polytech­nischen Lehrgängen und einjährigen Schulen bereits positiv erprobt wurde. Es ist jetzt schon passiert, und wenn es dafür zukünftig zusätzliche Ressourcen gibt, kann man das nur unterstützen.

Frau Ministerin, Sie haben es angesprochen: Ein Problemfeld bleibt noch weiter offen, nämlich die neunte Schulstufe. Wir haben auch im Ausschuss darüber diskutiert. Dort gibt es dieses Modulsystem nicht. Die Experten sind sich uneinig darüber, ob es zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll wäre.

Aber lassen Sie mich Zahlen nennen, die da den aktuellen Handlungsbedarf deutlich zeigen. Rund 30 000 Schülerinnen und Schüler beenden die neunte Schulstufe an einer Oberstufe nicht positiv. Warum?, habe ich im Ausschuss gefragt, und es wurde eigentlich eine simple Formel genannt: Rund ein Drittel, also 10 000, beenden die Schulpflicht und wollen und werden in die Berufswelt aussteigen.


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Ich muss aber hier eines deutlich sagen, da ich auch in einer Polytechnischen Schule tätig bin: Es ist oft ein bisschen frustrierend zu sehen, dass man, nur damit die Schülerzahlen beziehungsweise Eröffnungszahlen erreicht werden, Schülerinnen und Schüler aus der dritten Leistungsgruppe in weiterführende Schulen aufnimmt, die dann möglicherweise während des ersten Semesters wieder an die Polytechnische Schule wechseln und dort eigentlich ideal auf die Berufswelt vorbereitet werden.

Rund 10 000 beenden ihre Karriere, weil sie an einen anderen Schultyp wechseln und nach diesem einen Jahr eigentlich erkennen, dass sie woanders besser aufgehoben sind. Ebenfalls rund 10 000 wiederholen die Klasse. – Es ist daher notwendig, dass wir in nächster Zeit auf die neunte Schulstufe unsere besondere Konzentration lenken. Auch hiezu gibt es schon Termine und vorbereitende Gespräche, auch das sei positiv erwähnt.

Außer Streit steht bei allen Beteiligten und auch bei allen heutigen Debattenbeiträgen, dass unser Bildungssystem die Kinder nach ihren Begabungen fördern soll und dass auf die Stärken und nicht auf die Schwächen zu schauen ist. Organisatorisch, auch das sei erwähnt, ist die Umsetzung an den einzelnen Schulstandorten sicher eine große Herausforderung. Vom pädagogischen Standpunkt ist diese modulare Oberstufe aber ein innovatives Modell, das seitens der ÖVP und auch von mir gerne mitgetragen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesministerin Dr. Schmied: Danke!)

14.14

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.14.586. Punkt

Kulturbericht 2010 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-441-BR/2011 d.B. sowie 8659/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 6. Bericht­erstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich bitte um den Bericht.

 


14.15.06

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Kulturbericht 2010 der Bundes­ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 den Antrag, den Kulturbericht 2010 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke schön, Frau Kollegin.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 102

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


14.16.16

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte vorweg etwas Grund­sätzliches dazu sagen. Der Kulturbericht war im Oktober 2011 im Kulturausschuss im Nationalrat. Erst heute, im Februar 2012, liegt er dem Bundesrat vor. Das sind vier Monate. Das ist ein bisschen eigenartig. Das zeigt, welchen Stellenwert Kunst und Kultur in dieser Bundesregierung offenbar hat.

Ich darf nur an die Regierungserklärung erinnern: Da wurde überhaupt kein Wort darüber verloren – nur so zu Abrundung. Dann haben wir diesen Kulturbericht in Händen gehalten, und ich war sehr überrascht, als ich hier wiederum nichts darüber gefunden habe, wie es mit der Evaluierung der Österreichischen Bundestheater weitergeht.

Im Jahr 2008 – das ist vier Jahre her – wurde eine Effizienzanalyse der Öster­reichi­schen Bundestheater in Auftrag gegeben. Man hört zwar immer wieder, dass es diese Analyse angeblich schon gibt, aber entweder wird sie unter Verschluss gehalten, oder sie ist nie abgeschlossen worden. Das passt auch dazu, dass wir den Bericht jetzt erst vier Monate später im Bundesrat haben. Auch das zeigt, welchen Stellenwert Kunst und Kultur bei der derzeitigen österreichischen Bundesregierung innehaben.

Ich möchte auch, bevor ich auf die Details eingehe, noch etwas sagen, weil es mir wichtig und weil es notwendig ist. Man könnte natürlich, wenn man sich die Zahlen im Kulturbericht ansieht, zu dem Schluss kommen, dass durch Budgetkürzungen die Besucherzahlen in den Museen automatisch steigen. Das geht derzeit aus diesem Bericht hervor.

Das ist ein relativ gefährliches Spiel. Wir geben im Jahr 2012 0,6 Prozent des BIP für Kunst und Kultur aus. Das ist jetzt nicht sonderlich viel. Das heißt, man muss damit entsprechend haushalten. Wir wissen natürlich alle, was sich in den letzten Jahren im österreichischen Budget abgespielt hat, und es ist klar, dass es Einsparungen in vielerlei Bereichen geben muss.

Es ist aber gefährlich, wenn wir das weiterhin machen. Wenn im Kulturbereich weiter gespart wird, müssen wir mittelfristig davon ausgehen, dass die derzeitige Entwick­lung – nämlich auf der einen Seite Sparen, auf der anderen Seite Steigerung der Besucherzahlen – nicht ewig so weitergehen wird.

Dementsprechend möchte ich für meine Fraktion einmahnen, dass wir künftig hier nicht mit dem Rotstift arbeiten. Gerade im Kunst- und Kulturbereich ist das eine relativ gefährliche Sache. Man kann wirklich nicht behaupten, dass die Förderungen für unsere Bundesmuseen und Bundestheater dermaßen üppig ausgestattet sind, dass man hier ein großes Einsparungspotenzial hat. Das ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt.

Genauso wie Folgendes ein wesentlicher Punkt ist: Wir hatten im letzten Jahr das Jahr der Freiwilligentätigkeit. Da muss man etwas Positives über das Land Niederösterreich sagen. Sind die Kollegen aus Niederösterreich da? (Bundesrat Preineder: Sind da!) – Sind da, gut. Wie in Niederösterreich die Förderung der freiwilligen Musikgruppen gehandhabt wird, das ist großartig! Das ist wirklich ein Paradebeispiel dafür, wie man es auch in anderen Bundesländern machen sollte.

Ich weiß schon, das ist Ländersache und hat jetzt nicht direkt etwas mit dem Kulturbericht 2010 zu tun, aber es ist wichtig und es gehört einmal gesagt. Das hat nichts mit einer Musikantenstadl-Kultur zu tun, und das hat nichts mit dem zu tun, was uns landläufig als Volksmusik verkauft wird, sondern es ist ganz dringend, dass in


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einem Land wie Österreich, in einem Musikland wie Österreich, gerade bei der Jugendförderung angesetzt wird. Das vermisse ich in meinem Bundesland sehr (Beifall bei der FPÖ), denn wir haben in Wien zu wenig Musikschulen.

Wir haben in unserem Bundesland leider viel zu wenig Plätze, wir haben zu wenig Musikschulen, wir haben ein Nachwuchsproblem, und darum erwähne ich es hier auch, auch wenn es Ländersache ist. Wenn die Länder dieser Verantwortung nicht nach­kommen, dann braucht es einen Nationalen Aktionsplan, wonach wir uns als Republik Österreich dazu bekennen, dass wir Musikland in Europa sein wollen, und wir fördern das auch aktiv. Und wenn wir das aktiv fördern, dann werden wir auch diese Probleme nicht mehr haben.

Ich habe das in Richtung Niederösterreich jetzt allerdings nicht als Anbiederung gemeint – ich hoffe, das ist richtig angekommen (Zwischenruf bei der ÖVP) –, aber das ist jedenfalls eine ganz wichtige Sache.

Für uns ist Kulturpolitik keine Verzierung und kein Ornament, sondern es ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft auch steht. Es ist identitätsstiftend, und ab dem Zeitpunkt, wo man den Menschen diese Identität wegnimmt oder wo diese Identität nachhaltig beschnitten wird, gibt es große Probleme auch im Gemeinschafts­gefühl in einer Gesellschaft. Daher sagen wir auch, dass die Bewahrung der Identität ein Gewissensthema in unserer Epoche ist, denn in einer globalisierten Welt, in der die nationalen Unterschiede mehr und mehr ineinander übergehen, ist gerade Kunst und Kultur eines der wesentlichen Stilmittel, wodurch man sich unterscheiden kann und womit man auch etwas beitragen kann in einer gemeinsamen europäischen Welt, in einer Welt, die immer mehr zusammenwächst. Diese Unterscheidungsmerkmale sind ganz, ganz wesentlich.

Wenn ich mir allerdings den Kulturbericht 2010 anschaue, muss ich feststellen, dass wir uns da immer wieder auch mit Kultur-Strizzis auseinandersetzen müssen. Und ich werde Ihnen da auch zwei Beispiele nennen, wo ich nicht der Meinung bin, dass es wirklich notwendig ist, dass da vonseiten des Bundes Gelder hineinfließen.

Da gibt es zum Beispiel den früheren Direktor des MAK, den Herrn Peter Noever, der über Jahre hinweg vom Bund Gelder lukriert hat. Auf der einen Seite hat er für den verurteilten Kinderschänder Otto Muehl Ausstellungen organisiert, er hat auch dem großen Führer Kim Jong-il eine große Ausstellung im MAK gewidmet, und auf der anderen Seite hat er Partys für seine Mutter mit Geldern des MAK organisiert.

Oder aber, weil es mein Bundesland betrifft und weil auch der Betreffende in den vergangenen Jahren immer wieder Gelder des Bundes bekommen hat, der Herr Gerald Matt, ein mittlerweile durchaus über die Grenzen Wiens bekannter „Museums­mensch“, der in der Vergangenheit durch seinen pädophilen Aktionismus in der Kunst­halle aufgefallen ist. Er hat vom Land Wien Geld bekommen, aber er hat in der Vergangenheit leider Gottes auch vom Bund Gelder bekommen.

Ich darf Sie erinnern – für die Leute, die das interessiert beziehungsweise die das vielleicht gesehen haben – an die Ausstellung der Frau Teresa Margolles „Das Leichentuch“, wo man eine Totgeburt, einen menschlichen Fötus, in einen Betonblock einbetoniert hat. Das Ganze wurde dann auch gefilmt, und dieses Video wurde dann in der Kunsthalle dargebracht. – Das ist gefördert worden von der Stadt Wien, da hat es Dreijahresverträge gegeben, und da hat es auch Gelder vom Bund gegeben!

So stellen wir uns die Kulturförderung in unserem Land nicht vor! Wenn jemand der Meinung ist, dass das Teil seines expressiven Schaffens ist, dass das Teil seines Kulturschaffens sein soll – dann soll er das machen, aber dann soll er das auch selbst finanzieren!


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Das ist, bitte schön, Kunst und Kultur an der Bevölkerung völlig vorbei und auch an der theoretischen Kundschaft vorbei, denn wir wissen natürlich auch, dass da die Besucher­zahlen massiv manipuliert worden sind, wir wissen, dass kaum zahlendes Publikum in diese Kunsthalle gegangen ist. Und da ist jahrelang weggeschaut worden, das war bekannt! Die Stadt Wien hat hier jahrelang weggeschaut. Und ich erwähne es deswegen, weil es auch hier gesagt werden muss. Gerade in so einer Debatte müssen solche Dinge erwähnt werden. Gott sei Dank sind wir mittlerweile vom Herrn Matt geheilt, den gibt es nicht mehr, zumindest derzeit nicht aktiv. (Bundesrat Schreuder: Aber nicht wegen dieser Kunst!) Nicht wegen dieser Kunst, aber Gott sei Dank ist er weg. Es fügt sich halt das eine ins andere.

Und ob das Kunst ist, was die Frau Margolles gemacht hat, darüber ließe sich sicher­lich trefflich streiten. (Bundesrat Schreuder: Wollen Sie zensurieren oder was?) Wollen Sie mir das unterstellen oder was? (Bundesrat Schreuder: Ich frage ja nur!) – Wenn Sie eine Frage haben, kommen Sie nachher zu mir, ich werde es Ihnen dann sagen. Ich will da überhaupt nichts zensurieren, ich bin nur der Meinung, dass so etwas im geförderten Bereich nichts verloren hat. Dass Ihnen das gefällt, das kann ich mir vorstellen (Bundesrat Beer: Sehr herablassend!), aber meiner Meinung nach ist das nicht förderungswürdig.

Ein wesentlicher Punkt, der im Kulturbericht angesprochen wird und der auch hier debattiert werden soll, ist die Zusammenführung des Völkerkundemuseums und des Kunsthistorischen Museums – unserer Meinung nach ein Fehler. Das liegt nicht in Ihrem Verantwortungsbereich, Frau Minister, das wurde leider Gottes schon von einer Ihrer Vorgängerinnen initiiert. Bis zum heutigen Tag hat es nicht funktioniert. Es ist auch insofern problematisch, als das Völkerkundemuseum – das größte Völker­kunde­museum in Europa im Übrigen – mit ein paar hunderttausend Euro abgespeist wird. Bis zum heutigen Tag also hat diese Zusammenführung nicht funktioniert, und es scheint auch nicht so zu sein, dass sie künftig funktionieren wird.

Weiters finden sich im Kulturbudget so wesentliche Dinge wie 1 Million € für die Umdich­tung der österreichischen Bundeshymne. Auch das ist etwas, was man nicht ganz verstehen kann. Wenn man auf der einen Seite sparen muss und uns überall erklärt wird, dass der Rotstift angesetzt werden muss, für so einen Humbug 1 Million € hinauszuwerfen, halten wir nicht gerade für den richtigen Weg.

Ich möchte Ihnen abschließend zusammenfassend sagen, dass dieser Kulturbericht für uns zeigt, dass die Kulturpolitik in diesem Land in die völlig falsche Richtung geht, dass es notwendig sein wird, dass man auch da neue Prioritäten setzt. Darum werden wir diese Wahrnehmung auch heute hier zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.26


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste ist Frau Kollegin Blatnik zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.26.54

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Werte Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi!  Die Umdichtung der Hymne war wichtig. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.) Das habe ich schon bei meiner letzten Rede gesagt und das möchte ich heute hier noch einmal klarstellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kunst und Kultur ist die Seele einer Gesellschaft. Ein Land ist reich, wenn es Kunst und Kultur fördert. Und wenn mein Vorredner vorhin gesagt hat, wenn ich es richtig verstanden habe, dass der Stellenwert von der Regierung gerade bei Kunst und Kultur infrage gestellt worden ist, möchte ich betonen,


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dass es unserer Bundesministerin gelungen ist, in Zeiten wie diesen – nämlich in Zeiten der Wirtschaftskrise und der Finanzkrise – das Kulturbudget in unveränderter Höhe zu verhandeln. Das Kulturbudget ist gleich geblieben, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich auch eine Art Kunst.

Kultur und Kunst ist meiner Meinung nach für die Gesellschaft eine Bereicherung, eine Entwicklung. Kunst- und Kulturförderung ist für mich eine Investition in eine offene, neugierige Gesellschaft, der wir mit Respekt, mit Anerkennung, mit Toleranz und Achtung begegnen müssen. Und ich glaube auch, dass wir Kunst und Kultur nicht unter betriebswirtschaftlichen Aspekten betrachten sollen, sondern Kunst und Kultur muss man als kulturellen Wert sehen. Den kulturellen Wert von Kunst und Kultur muss man anerkennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die für Kunst und Kultur eingesetzten finanziellen Mittel sehe ich als Gewinn an Freude, und ich sehe es auch, lieber Herr Jenewein, als produktiven Widerspruch. Das muss erlaubt sein. Und ich sehe Kunst und Kultur als Vielfalt und als spannend.

Dieser Kulturbericht, der in einem neuen, leserfreundlichen Layout erschienen ist, zeigt uns die kulturelle Entwicklung im Jahr 2010. Ich möchte nicht alles aufzählen, sondern vor allem auf die Wichtigkeit der Kulturvermittlung eingehen, weil ich glaube, Kultur­vermittlung, Internationalisierung und Nachwuchsförderung sind ein Muss in Kunst und Kultur und absolut unverzichtbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was heißt „Kultur vermitteln“? Kultur vermitteln heißt, vielen Menschen, besonders aber der Jugend und den Kindern, Kunst und Kultur näherzubringen. Kulturelle Bildung ist Triebfeder für Kreativität und Reflexion in allen Bereichen des Lebens.

Entscheidend und ein großer Schritt, um mehr Menschen zur kulturellen Bildung zu motivieren, war sicherlich die Einführung des freien Eintritts für alle Kinder und Jugend­lichen unter 19 Jahren in die Bundesmuseen und in die Österreichische National­bibliothek, welche ab 1.1.2010 in Kraft getreten ist. In den vergangenen zwei Jahren haben 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche diesen freien Eintritt genützt. Im ersten Jahr hat diese Initiative, die Initiative des freien Eintritts, eine BesucherInnen-Zuwachs­quote von 24 Prozent erzielt.

Wenn Kinder und Jugendliche Bundesmuseen besuchen, kommen sie meist mit Begleitpersonen, und deswegen ist auch ein Plus bei der Gesamtbesucher- und Gesamt­besucherinnenzahl und bei den Vollzahlern und Vollzahlerinnen ersichtlich. Konkret heißt das, dass im Jahr 2009/2010 um 9 Prozent mehr Menschen Bundesmuseen besucht haben. Bei den Vollzahlerinnen und Vollzahlern ist ein Plus von 20 Prozent zu verzeichnen. Und das, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist für mich ein ganz großer kulturpolitischer Meilenstein.

Eine weitere museumspolitische Offensive ist sicherlich die Vermittlungsoffensive für Kinder und Jugendliche, die eine offensive und kreative Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche fördert. Was bewirkt das? – Es bewirkt, dass das Bewusstsein für die Schätze unserer Kultur gestärkt wird und sich vor allem junge Menschen deren bewusst werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas erwähnen, was für mich auch sehr wichtig ist: die Kooperationen und die Partnerschaften mit Kunst- und Kulturein­richtungen und Schulen, denn die direkte Förderung von Kunst und Kultur vermittelnden Projekten vereint kultur- und bildungspolitische Ziele.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kulturelle Vielfalt zu erhalten ist sehr wichtig. Wie unsere Frau Bundesministerin vorhin gesagt hat: Vielfalt ist eine Chance. Und gerade


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 106

diese kulturelle Vielfalt gilt als Garant für die Pluralität unserer Gesellschaft und ist ein Zeichen der Besonderheit unseres Landes.

Zum Schluss möchte ich mich bei dir, liebe, geschätzte Frau Bundesministerin, und bei all deinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für diesen Bericht bedanken. Wir werden ihn selbstverständlich zur Kenntnis nehmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.35


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster hat sich Herr Kollege Saller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.35.17

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke eingangs der Frau Minister und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für den Bericht. Ich glaube, er gibt einen ausgezeichneten Überblick über unser kulturelles Schaffen.

Kultur bedeutet Vielfalt. Der Bericht beweist, dass wir uns kulturpolitisch nicht zu verstecken brauchen und dass in den allermeisten Fällen ausgezeichnete Arbeit geleistet wird. Österreich ist eine Kulturnation. Kultur ist für den Tourismus wichtig, aber auch für uns selber, für die Österreicherinnen und Österreicher. Wir selber identifizieren uns auch mit unserer Kultur, und ich glaube, das muss man auch einmal festhalten. Und nicht zuletzt geben ja auch 4 Millionen Besucher ein Zeugnis davon, was alles geschieht und was man alles besichtigen kann.

Wenn ich allein in Salzburg die Museumslandschaft betrachte: Da gibt es zum Beispiel die Residenzgalerie, das Museum der Moderne, das Haus der Natur, das Salzburg Museum, das Dommuseum, das Barockmuseum, Mozart-Museen, Freilicht-und Kelten­museen, viele Regionalmuseen und regionale Sammlungen. Die große Vielfalt der musealen Landschaft ist unerschöpflich.

Dazu kommen die vielen engagierten Direktorinnen und Direktoren mit ihren Teams, die beeindruckende Programme mit vielen spannenden Aktivitäten gestalten. Das alles garantiert eine wichtige, große Umwegrentabilität.

Eine besondere Aufgabe – das möchte ich auch noch aus dem Bericht heraus­nehmen – erfüllen unsere Bibliotheken. Sie erwecken Lust auf Lesen. Auch im Com­puter­zeitalter darf das Lesen nicht vergessen werden. Das öffentliche Büchereiwesen hat eine wichtige Bedeutung. Das qualitative und quantitative Angebot wird ja auch ständig erhöht.

Ebenso wichtig wie die Bibliotheken ist die Unterstützung und Förderung der Volks­kultur. Musikkapellen, Musikschulen, das Schützenwesen, Traditions- und Brauchtums­vereine sind für uns eine besondere Identifikation. Man stelle sich vor, in unseren Städten und Gemeinden gäbe es keine Volkskultur: Es würde dort unheimlich ruhig zugehen, wenn wir nicht die vielen Vereinigungen hätten, die zu den gegebenen Anlässen aufmarschieren beziehungsweise auftreten.

Abschließend möchte ich die viele ehrenamtliche Arbeit im Kulturbereich hervorheben. Es ist ja nicht so, dass alles nur bezahlte Personen sind. Die sind wichtig, die braucht man, aber ohne Ehrenamtlichkeit würde es in diesem Bereich schlecht aussehen. Daher ist diesen ehrenamtlichen Mitarbeitern ganz besonders zu danken und ist ihre Arbeit ganz besonders hervorzuheben. Ohne diese Menschen wären wir um vieles ärmer. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.38



BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 107

Präsident Gregor Hammerl: Ich darf nun Herrn Bundesrat Schreuder das Wort erteilen. – Bitte. (Bundesrat Schreuder begibt sich zum Rednerpult und stellt dort ein rundes, rot eingerahmtes Schild mit der Aufschrift: „ACTA“ auf, wobei das Wort wie auf einem Verbotsschild durchgestrichen ist.)

 


14.39.28

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wie unsere Gesellschaft tickt, das ist ja immer ganz gut nachvollziehbar, also was sozusagen die größten Stellenwerte in einer Gesellschaft hat. Mir hat einmal ein Architekturhistoriker gesagt, man kann das immer an Gebäuden verfolgen: Was sind die größten Gebäude, die in einer Zeit errichtet werden?

Wir leben in der Zeit der großen Bankgebäude – Sie (zu Bundesministerin Dr. Schmied) kommen ja auch aus einer Bank, aber das ist jetzt nicht Thema.

„Geratet“ werden Länder ja mittlerweile nach ihrer Kreditwürdigkeit. Ich wage zu behaupten, würde es eine Rating-Agentur für Kultur und Kunst geben, für die ich jetzt einfach einmal plädiere – ich glaube, da sind wir uns einig in diesem Haus –, hätten wir das Triple A wohl noch, wenn es um die Kulturleistung geht.

Nichtsdestotrotz, man sollte sich nicht ausruhen, sondern immer auch kritisieren, immer überprüfen, immer schauen: Wo kann man einsparen? Wie schaut es mit der Verteilungsgerechtigkeit unter den Kulturinstitutionen aus? Was wird besonders geför­dert, was wird zu wenig gefördert?

Ich gebe Ihnen schon recht, Volkskultur ist total wichtig, aber wenn ich zum Beispiel nach Schweden schaue, wie dort auch junge Bands, Popmusiker, Rockmusiker, DJs in kleinsten regionalen Gebieten gefördert werden, dann sehe ich diesbezüglich in Österreich noch großen Nachholbedarf. À la longue, wenn man bedenkt, dass Schweden einer der größten Pop-Exporteure Europas ist, ist das nämlich auch etwas, das wirtschaftlich nützt. Da gibt es sicher noch viel zu tun in diesem Land, und da können wir uns nicht zufrieden ausruhen und sagen, wir sind eh so super – so super wir auch sind.

Wir alle wissen, ein Großteil der Touristen und Touristinnen kommt aus zwei Gründen nach Österreich: entweder wegen der Berge und des Schifahrens oder weil Kultur und Kunst so interessant und spannend sind. Und recht haben sie, das ist ja keine Frage: schönes Land, schöne Kultur, schöne Berge. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich bin ja nun kein Hansi-Hinterseer-Hörer, gebe ich zu, ich glaube auch nicht, dass er öffentliche Förderungen notwendig hat, aber wir wollen über die Institutionen und die Kunst und Kultur reden, die öffentlich gefördert werden sollen. Damit komme ich noch einmal zurück zum Thema Verteilungsgerechtigkeit, und ich kann nicht anders: Ich muss über die Bundestheater sprechen. Diese sind natürlich für einen ehemaligen Max-Reinhardt-Seminaristen wie mich ein besonderes Anliegen.

Es gibt eine Studie – der Herr Kollege Jenewein von der FPÖ hat es erwähnt –, die den Steuerzahler 550 000 € gekostet hat. Diese Studie ist nicht öffentlich. Jetzt sickert zwar durch, dass es ein Einsparungspotenzial bei den Bundestheatern von 14 Millionen € gäbe, aber wie und was, das erfahren wir nicht. Ich halte das nicht für demokratisch, ich wiederhole mich. Diese Studie wäre auch ein Fall für WikiLeaks, wobei ich hoffe, dass sie dort einmal auftaucht. Es ist nicht einzusehen, warum die Öffentlichkeit eine Studie um 550 000 € zahlen soll, aber die Ergebnisse nicht wissen und nicht überprüfen darf: Investieren wir, die Steuerzahler, eigentlich richtig oder auch nicht? Diese 14 Millionen € würden wohl sehr viele Menschen interessieren.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 108

Ich bitte Sie wirklich inständig, Frau Ministerin: Veröffentlichen Sie bitte diese Studie – nicht nur aus kulturpolitischen Gründen, sondern aus demokratiepolitischen Gründen! (Bundesrat Kneifel: Welche Studie ist das?) – Eine Studie, in der es um die Bun­destheater geht, wie sie strukturiert sind und welches Einsparungspotenzial sie haben. Das ist die Studie, die der Herr Kollege Jenewein schon erwähnt hat.

Sehr froh war ich, dass der Kollege von der ÖVP die Bibliotheken erwähnt hat, ein eigentlich völlig unterschätztes Thema in der Öffentlichkeit, aber ein wahnsinnig wichtiges Thema. Jetzt weiß ich nicht, ob gerade von der Freiheitlichen Partei Kärntens jemand anwesend ist, aber mich würde zum Beispiel interessieren, warum Klagenfurt und Villach meinen, keine kommunalen Bibliotheken haben zu müssen. In Grünau im Almtal – das hat, glaube ich, ein bisschen weniger Einwohner – wird eine Kommunalbibliothek eröffnet. Villach, Klagenfurt? – Die brauchen das anscheinend nicht, die brauchen keine belesenen Menschen. Ich habe keine Ahnung, was da der Hintergrund ist.

Man muss aber bedauerlicherweise auch sagen, dass erfolgreiche Bibliotheksmodelle auch seitens des Ministeriums eingestellt worden sind, ich nenne da Bad Radkersburg. In Bad Radkersburg – ein sehr spannendes und sehr erfolgreiches Projekt – gab es eine Kombination von kommunaler Bibliothek und Schulbibliothek, das war eine Bibliothek. Die Schulbibliothek gibt es noch, eine Kommunalbibliothek gibt es leider nicht mehr. Das finden wir ausgesprochen bedauerlich.

Es ist heute auch sehr viel über Kunst und Kultur im philosophischen Sinne ge­sprochen worden: Was ist Kunst und Kultur, was bedeutet das für die Gesellschaft? Da kann man natürlich viel sagen und alles ist richtig, und alles ist aber gleichzeitig auch falsch. Das ist das Spannende an Kunst und Kultur, weil natürlich ein kreativer Prozess immer andere Gründe und andere Ziele hat.

Die Freiheitliche Partei ist immer ganz gut im Propagieren von interessanten Kultur­projekten, denn wenn ich höre, dass Sie sich über etwas aufregen, weiß ich meistens, das ist etwas Interessantes. Damit kann man sich einmal auseinander­setzen, denn Provokation war natürlich immer schon ein wichtiger Bestandteil von Kunst und Kultur.

Ich fand es schon sehr bezeichnend – jetzt ist er leider nicht im Saal –, dass der Herr Jenewein auf meine etwas provokante Frage, ob er denn zensurieren möchte, meinte: Na ja, wenn es Ihnen gefällt. Mhm! Und wenn es mir gefällt, und so. Und das quasi als Richtschnur von Förderungswürdigkeit, ob einem etwas gefällt, das ist für mich nicht einzusehen. Das kann nicht der Sinn und Zweck von Kulturpolitik sein. Wenn das die Sicht der Blauen in kulturpolitischen Fragen ist, dann mache ich mir über Schwarz-Blau, das ja vielleicht irgendwann einmal doch wieder kommen soll, größere Sorgen, als mir lieb ist – das sage ich ganz ehrlich –, weil Kunst und Kultur natürlich immer dort aneckt und vor allem aber auch dort wichtig ist, wo es die Bruchlinien innerhalb einer Gesellschaft gibt.

Selbstverständlich spiegeln sich die Globalisierung, unser Wirtschaftssystem, wie wir es derzeit haben, die Fragen rund um die Integration von Migranten und Migrantinnen dort, wo die sozialen Bruchstellen unserer Gesellschaft sind, dort, wo die Debatten stattfinden, in der Kunst und Kultur wider.

Daher möchte ich mit einem ganz dringenden Appell, Frau Ministerin, abschließen: Österreich braucht dringend ein Haus der Kulturen, unbedingt! Danke schön. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Zangerl.)


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 109

14.46


Präsident Gregor Hammerl: Ich darf nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied das Wort erteilen. – Bitte.

 


14.46.40

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist wirklich schade, dass Herr Bundesrat Jenewein jetzt nicht da ist, denn wir haben offensichtlich einige Probleme miteinander, aber ich denke, es wird ihm dann schon übermittelt werden.

Der erste Punkt: Mir jetzt hier mit dem Kulturbericht die Terminplanung vorzuwerfen, das geht einfach ins Leere. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe großen Wert darauf gelegt, während meiner Amtszeit die Berichtslegung zu beschleunigen. Wir haben den Kulturbericht 2010 vor dem Sommer 2011 an das Parlament über­mittelt, die weitere Terminplanung liegt nicht in meiner Steuerung. Also dieser Vorwurf – da lege ich Wert auf die Feststellung – geht ins Leere. Daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen ist unzulässig.

Der zweite Punkt: Ich bin eine Vertreterin der Public Governance. Vielleicht weil ich aus dem Bereich von Corporate Governance komme, ist mir Public Governance ein großes Anliegen. Was meine ich damit: Wer verantwortet was und zieht die Konsequenzen? Auch da lege ich Wert auf die Feststellung, dass unter dieser Verantwortung von Public Governance die Kunsthalle Wien nicht in meinen Verantwortungsbereich gehört, und ich lege auch Wert auf die Feststellung, so unangenehm damals das Thema Peter Noever auch war, dass wir gemeinsam mit dem Kuratorium rasch und konsequent die entsprechenden Schlüsse gezogen haben.

Der dritte Punkt – da schließe ich mich dem Vorredner an –: Ich bin persönlich sehr froh, dass wir kein Ministerium des guten Kunstgeschmacks haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Wichtig ist mir in der Kunst- und Kulturpolitik – und da darf ich Ihnen meine kunst- und kulturpolitischen Ziele zusammenfassend darlegen –, dass erstens Kunst und Kultur vermittelt wird, die Teilhabe an Kunst und Kultur. Es ist mir zweitens die Förderung der Zeitgenössischen Kunst ein großes Anliegen, der Künstler und Künstlerinnen, die mit uns leben, die unsere Zeitgenossen sind. Ich glaube, ihnen gehört unsere besondere Aufmerksamkeit, und das vor allem auch in einem Land, das zu Recht das kulturelle Erbe hoch schätzt und aus dem kulturellen Erbe auch eine große Verantwortung für die Zukunft trägt.

Die Prinzipien sind für mich unverrückbar und lauten: Freiheit der Kunst und Eintreten für ein offenes kulturelles Klima! Das ist mir ganz, ganz wichtig.

Sie, Herr Bundesrat Schreuder, haben die Evaluierung der Bundestheater ange­sprochen. Diese Evaluierung ist abgeschlossen, wir sind jetzt mitten in der Umsetzung, werden im nächsten Kulturausschuss auch im Detail über die einzelnen Umsetzungs­schritte berichten. Mir ist hier sehr wichtig – gerade aus demokratiepolitischen Überle­gungen sehr wichtig –, dass wir bei diesem Detailbericht – und das sind 700 Seiten betriebswirtschaftlicher, juristischer Analyse der Bundestheater – Public Governance großschreiben und ernst nehmen.

Was bedeutet das? – Dass die jeweils in Verantwortung befindlichen Personen auch die Detailinformationen haben: die Theater, die Theaterdirektoren, die Aufsichtsräte, die Holding in der Verantwortung, das Ministerium. Es ist für mich aber auch selbst­verständlich, dass es neben dem Schutz der Privatsphäre auch einen Schutz der Institutionensphäre gibt. Ich lasse es nicht zu, dass Künstlergagen, dass Probenpläne, dass Details bis hin in die Planung der einzelnen Häuser in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Das würde nämlich den einzelnen Häusern und vor allem auch den Mit­arbeitern und Mitarbeiterinnen schaden. Da lege ich Wert auf eine konsequente Public


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Governance, dass jeder in seinem Verantwortungsbereich auch die Detail­infor­ma­tionen hat.

Ich möchte gar nicht daran denken, wenn ich an den Redebeitrag von vor ein paar Minuten denke, wie dann derartige Detailberichte in der Öffentlichkeit diskutiert werden würden. Das wäre kontraproduktiv und wäre nicht zum Wohle der Kunst und Kultur und der guten Weiterentwicklung der Institutionen. Diese Prognose traue ich mich hier abzugeben.

Wichtig ist in Zeiten, in denen über Sparpakete gesprochen wird, das klare öffentliche Bekenntnis zur öffentlichen Finanzierung von Kunst und Kultur. Hier haben die Bundesländer eine große Aufgabe. Wenn wir in diesem Punkt die Bundesverfassung sehr ernst nehmen würden, dann müssten wir den Bund nahezu als subsidiär betrach­ten, denn die primäre Aufgabe in der Kunstförderung liegt bei den Bundesländern. Es ist mittlerweile Faktum, dass einzelne Bundesländer die Förderungen kürzen und es zu Engpässen kommt.

Ich möchte Sie ersuchen – und Sie sind ja auch in Ihren Parteien wirksam und aktiv –, mich dabei zu unterstützen, dass wir gerade in dieser schwierigen Phase das Kunst- und Kulturbudget stabil halten können. Ich habe in diesem Punkt ja ein Vorbild, den deutschen Bundesstaatsminister Neumann: Ihm ist es gelungen, für 2012 das Kunst- und Kulturbudget sogar um mehr als 5 Prozent zu erhöhen. Das wage ich ja im Augenblick gar nicht als Ziel zu formulieren, aber bitte helfen Sie mit, dass das Kunst- und Kulturbudget stabil bleibt, denn gerade, wenn es knapp wird, sind schnell Kürzungen bei den Ermessensausgaben beschlossen, und das würde im Bereich des Bundes die Kunstförderung massiv treffen. Also hier bitte ich wirklich auch um Ihre Unterstützung.

Wenn ich aus meiner Sicht ein paar Punkte des Berichts 2010 herausgreifen darf, dann war einer mit Sicherheit die Einführung des freien Eintritts in die Bundesmuseen. Ich freue mich, dass viele Institutionen diesem Beispiel gefolgt sind. Ich freue mich, dass wir Investitionsbeschlüsse betreffend Kunstkammer und 21er Haus fassen konnten. Herr Bundesrat Saller hat das öffentliche Büchereiwesen und die Volkskultur bereits erwähnt; das möchte ich unterstreichen.

Zum Abschluss habe ich eine große Bitte, weil es wirklich jetzt auch wichtig ist, ihr nachzukommen. Wir sind gerade dabei, in Österreich, aber auch mit der Europäischen Union die Strukturfondsperiode vorzubereiten. Die Regionalfonds sind ja wichtige Quellen zur Kofinanzierung von Projekten in Österreich, von Projekten regionaler Bedeutung. Seitens der Europäischen Union haben wir grünes Licht, hier auch Kunst- und Kulturprojekte in die Listen der operationellen Programme aufzunehmen. Also warum nicht zum Beispiel Stübing, warum nicht andere Beispiele aus den Bun­desländern auf diese Listen setzen? Dann können wir nämlich die nationalen Förderungen durch EU-Kofinanzierungsmittel ergänzen.

Ich denke, gerade in Zeiten knapper Budgets sollten wir nichts unversucht lassen und keine Möglichkeit auslassen, zu öffentlichen Finanzierungen zu kommen. Also die konkrete Bitte ist, in Ihren Bundesländern darauf zu achten, dass in den operationellen Programmen zum Europäischen Regionalfonds die Kunst- und Kulturprojekte, kulturelles Erbe, Festivals, Kultureinrichtungen miterwähnt werden, damit wir EU-Mittel auch für Kunst und Kultur in Zukunft stärker nutzen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.55


Präsident Gregor Hammerl: Ich darf nun Herrn Bundesrat Kneifel das Wort erteilen. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 111

14.55.58

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar für diese offene Debatte zum Thema Kultur anlässlich der Vorlage des Kulturberichtes. Ich darf auch für meine Fraktion feststellen, dass wir ein klares Ja zu einer offenen Kulturpolitik sagen, dass wir selbstverständlich ein Kulturgeschmacksministerium ablehnen würden, dass wir sehr stark auch auf eine Förderung der regionalen Kultur, der Kultur in den Ländern drängen, wie Sie es auch genannt haben, wo ja entsprechend den Bestimmungen der Verfassung die kulturellen Aktivitäten und die Kulturförderung sehr stark auch Ländersache sind.

Ich möchte auch an den Redebeitrag des Herrn Kollegen Schreuder anschließen, der gesagt hat: Na ja, das Triple A haben wir verloren, aber so schlecht sind wir nicht in Österreich! – Vielleicht könnten wir uns auf drei Bereiche einigen, wo wir Weltmeister sind. Ich würde einmal sagen in der Weißweinerzeugung. Da sind wir wirklich die Besten. Wir sind unschlagbar beim Schifahren in allen Disziplinen, beim Schifliegen natürlich auch. Wir sind ein Land der Musik, und wir sind ein Land der Kultur. Also diese drei Disziplinen können wir ohne Weiteres als Spitzendisziplinen für Österreich gelten lassen.

Die Kultur ist ein wesentlicher Faktor auch in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Ich würde sagen – das hat einmal ein gescheiter Mann gesagt –: Die Wirtschaft brauchen wir zum Leben, die Kultur brauchen wir zum Erleben. Beides ist wichtig im Leben. Man muss die Existenz sichern, man braucht aber auch Erlebnisse. Erleben, das macht das Leben interessant, facettenreich und vielfältig. Und das brauchen wir ganz gewiss.

Damit bin ich beim Kulturbericht, der wirklich schon ausführlich von den Vorrednern gewürdigt wurde. Ich möchte auch den großen Anteil der Ehrenamtlichen in diesem Bereich vor den Vorhang holen. Ich komme aus der ältesten, nachweisbar ältesten Stadt Österreichs, wir feiern heuer 800 Jahre Stadtrechtserhebungsjubiläum in Enns. Und wir haben ein Stadtmuseum mit 27 Schauräumen, das ausschließlich von Ehrenamtlichen geführt wird. Das ist das größte Museum Österreichs, das aus­schließlich von Ehrenamtlichen betrieben wird. Dafür wird niemand bezahlt. Das muss man sich einmal vor Augen führen: Wir haben tausende Besucherinnen und Besucher. Und ich glaube, das ist eine Wertung pars pro toto für viele andere Fälle.

Sie selber sind oft bei Vernissagen, bei kulturellen Veranstaltungen und wissen, was in diesem Bereich geleistet wird. Ich denke, das ist nicht hoch genug zu bewerten, denn wir brauchen in diesem Bereich alles: Wir brauchen die kleinste Kulturinitiative, von den kleinsten Musikgruppen, Popgruppen oder was immer, bis hinauf zum Musiktheater eines Landes, bis hinauf zu den staatlichen Bühnen und Einrichtungen. Das macht die Vielfalt und die Attraktivität Österreichs aus.

Das hat auch eine wirtschaftliche Rentabilität. Das ist nicht nur für sich wertvoll, hat nicht nur einen Selbstwert, ist nicht nur identitätsstiftend – das alles ist schon gesagt worden –, sondern das hat auch eine Umwegrentabilität. Das bringt große Unter­nehmen und Betriebe ins Land, es wird kulturelle Qualität geboten. – Das darf man nicht unterschätzen. Kultur ist wichtig, genauso wichtig, wie jede andere wirtschaftliche und wichtige Aktion in unserem Budget und in unserer Gesellschaft.

Frau Bundesministerin, ich möchte anlässlich der Debatte über den Kulturbericht noch auf eine wichtige Maßnahme namens dieses Hauses aufmerksam machen. Wir haben hier im Bundesrat vor mehreren Jahren – es war genau am 20. Juli 2007 – eine einstimmige Entschließung dahin gehend gefasst, dass der Donaulimes zum Weltkulturerbe ernannt wird. Alle Fraktionen standen hinter diesem Thema, und ich


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möchte in Erinnerung rufen, dass in diesem Zusammenhang – auch von allen Frak­tionen unterschrieben – bereits zwei parlamentarische Anfragen betreffend den Verlauf dieses Prozesses an Sie gerichtet worden sind. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir nicht nur Papier produzieren, sondern unsere eigenen Anträge auch ernst nehmen und auch weiter verfolgen. Ich würde bitten, dass diese Entschließung, die damals einstimmig beschlossen worden ist, auch zum Erfolg geführt wird. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Alle drei betroffenen Bundesländer – Oberösterreich, Niederösterreich und Wien – stehen geschlossen hinter diesem Anliegen, haben sich mehrmals in Manifesten und in Verträgen zu diesem Anliegen bekannt. Es geht um die UNESCO-Prädikatisierung. Ich halte das für eine wichtige Angelegenheit, auch für einen Beitrag zum Erleben von Europa. Ich sehe nicht ein, dass der Limes, der von Großbritannien bis nach Regens­burg bereits zum Kulturerbe ernannt ist, ab Regensburg nicht diese Wertung erfährt. Der Rest, der sogenannte „nasse Limes“ an der Donau bis zum Schwarzen Meer, ist nämlich nicht prädikatisiert worden. Ich halte es für eine Chance, Europa entlang dieses Limes erlebbar zu machen. Die Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe würde dem Nachdruck verleihen. Ich darf Sie daher ersuchen, darüber wieder einmal mit den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Ministerium zu reden.

Ich sehe im Besonderen auch noch einen anderen Grund dafür. Es geht nicht nur darum, dass man aus der ursprünglichen militärischen Anlage ein UNESCO-Welterbe macht, sondern es geht auch darum, aus einer militärischen Anlage ein Friedens­denkmal zu gestalten, um den Friedensgedanken erlebbar und spürbar zu machen, vermitteln zu können. Mit dem Prädikat Weltkulturerbe könnte diese Idee nach­vollziehbar und deutlich gemacht werden.

Das wäre mein Anliegen: dass diese einstimmig gefasste Entschließung, hinter der alle Fraktionen stehen, die von allen betroffenen Bundesländern unterstützt und gefördert wird, gemeinsam zu einem Erfolg geführt wird. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­des­rat Schennach. – Bitte.

 


15.03.55

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich habe mich jetzt infolge der Ausführungen des Kollegen Kneifel spontan zu Wort gemeldet. – Kollege Kneifel, es ist richtig, dass der ehrenamtliche Faktor im Bereich des Kultur- und Kunstschaffens sehr hoch ist. Aber bei all dem Lob für diesen ehrenamtlichen Faktor dürfen wir eines nicht übersehen: dass es Menschen in Österreich gibt, die vom Kultur- und Kunstschaffen leben – das ist ein Beruf, das ist eine Berufung –, und wenn wir uns den Sozialbericht über die Künstler und Künstlerinnen ansehen, dann wissen wir, dass wir doch nicht so ganz weltmeisterlich sind, was zum Beispiel die Einkommensverteilung betrifft. Es wird darum gerungen, hier zu mehr Gerechtigkeit zu kommen. Wenn zum Beispiel im Musikbereich der Durchschnittslohn einer Frau bei 600 €, jener eines Mannes bei 700 €, respektive 700 € und 800 €, liegt, dann, muss man sagen, sind wir nicht weltmeisterlich.

Zweitens, Kollege Kneifel: In Zeiten der Wirtschaftskrise – du hast die Bereiche Wirt­schaften und Erleben gebracht – ist es natürlich so, dass die Kunst- und Kulturbudgets in den Ländern, aber auch beim Bund reduziert werden. Daraus ergibt sich eine Kollision – und das ist ein ganz geschicktes Hantieren –, nämlich die Kollision zwischen den gebundenen Geldern und jenen Geldern, die für freies Schaffen zur


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Verfügung stehen. Das sind Spannungen, denen wir uns stellen müssen als ein Land, das stolz auf seine Kultur ist. Man darf nicht so blauäugig durch die Gegend laufen und sagen: Es ist alles so toll, wir sind Weltmeister! Dahinter – die Frau Bundesministerin nickt – gibt es erhebliche Probleme. Gerade diese vielen unzähligen Ensembles, Gruppen – egal, ob vom Theater, aus der Musikbranche, wo immer sie herkommen – haben es verdammt schwer, sofern es sich um nicht gebundene Häuser handelt.

Drittens, wenn wir schon immer wieder die Ehrenamtlichkeit betonen: Ich glaube, der ganze Charity-Bereich würde zusammenbrechen ohne die große Bereitschaft von Künstlern und Künstlerinnen, die sich immer und überall zur Verfügung stellen und bei Veranstaltungen helfen, damit diese auch erfolgreich sind. Wir dürfen aber auch deren Situation nicht übersehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine Balance erzielen und auch die Frau Ministerin darum bemüht ist, auch in Abstimmung mit den Ländern. Das ist ganz wichtig, denn wenn gebundenes Budget des Bundes auf gebundene Budgets der Länder trifft, dann wird sozusagen der freigestaltende Bereich immer weniger.

Ein weiterer Punkt, der hier diskutiert worden ist – und ich schaue jetzt unseren neuen Präsidenten an –, betrifft die Bibliotheken. Die Bibliotheken sind eine interessante Sache, weil – und das wäre eine interessante Aufgabe für die Zeit Ihrer Präsidentschaft (in Richtung Bundesrat Hammerl) – diese kompetenzmäßig nicht geregelt sind. Städte, die sich eine Bibliothek leisten wollen, sage ich einmal, leisten sich eine. Wenn Klagenfurt und Villach sagen: Wir leisten uns das nicht!, dann ist das offensichtlich der Ausdruck der Stadtpolitik. Die Frau Bundesministerin hat nun einen Bibliotheksförde­rungs­fonds eingerichtet, der natürlich nicht alles ausgleichen kann, und so manches Bundesland gewährt auch symbolische Förderungen; das Burgenland zum Beispiel 7 000 € im Jahr für alle Bibliotheken.

Es wäre doch einmal interessant, in einer Enquete des Bundesrates die Zukunft der Bibliotheken zu hinterfragen. Bibliotheken in der Zeit der Digitalisierung wäre zum Beispiel ein ganz spannendes Thema, von der Ausrichtung her, von der Benutzung her, oder aber auch dahingehend, wie in unserem föderalen Land die Verantwortung für die Bibliotheken zwischen den Ländern, Städten und Gemeinden und dem Bund verteilt ist.

Ich finde, das ist wirklich ein interessantes, spannendes Thema, das wir einmal in einer parlamentarischen Enquete verhandeln könnten. Vielleicht kann unser neuer Präsident das vielleicht einmal auf seine Agenda nehmen, denn das ist etwas, das im Augenblick in diesem so vielfach kompetenzmäßig geregelten Österreich gar nicht geregelt ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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15.09.377. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird (ChemG-Novelle 2011) (1468 d.B. und 1638 d.B. sowie 8655/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Konrad. Ich bitte um den Bericht.

 


15.09.49

Berichterstatter Klaus Konrad: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird.

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen und nach Beratung den Antrag gestellt, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


15.10.47

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Wir ändern heute das Chemikaliengesetz ab, und es ist erfreulich, dass das einstimmig erfolgen wird. – Du (in Richtung Bundesrätin Kerschbaum) wankelst? (Zwischenruf der Bun­desrätin Kerschbaum.) Ich habe mir gedacht, da deine Kollegen mitgestimmt haben, wirst du wahrscheinlich auch dafür sein.

Der Begriff „Chemie“ ist ein Begriff, der für viele Menschen abstoßend ist, aber wir begegnen ihr tagtäglich in unserem Leben. Bei den verschiedensten Produkten, die wir tagtäglich anwenden, haben wir mit Chemie zu tun. Das geht vom Waschmittel über die Farbe, über die Lacke bis hin zu den Reinigungsmitteln – viele Produkte, die man sich aus dem alltäglichen Leben eigentlich nicht mehr wegdenken kann. Daher sind Sicherheit, ausreichende Information und ein sogenannter sorgsamer Umgang besonders wichtig.

Mit Inkrafttreten der REACH-Verordnung wurde eine neue europäische Chemikalien­politik eingeleitet und damit das weltweit modernste Regelsystem geschaffen, das klar und überschaubar ist und auch nachvollziehbare Regeln enthält.

Nun werden die chemischen Stoffe registriert, aber darüber hinaus auch bewertet, und es gibt Zulassungen und Beschränkungen, die festgelegt worden sind. Es gibt natürlich auch umfassende Information zu den Gefahren und Risken, die von den chemischen Stoffen ausgehen, damit wir sie erkennen und auch entsprechend handeln.

Ein weiterer Teil ist die CLP-Verordnung, mit der europaweit ein internationales System zur Einstufung und auch zur Kennzeichnung und zur Verpackung von chemischen Stoffen geschaffen wurde. Diese Verordnung soll schrittweise in Kraft treten und bis 2015 zur Gänze umgesetzt sein. Daher ist es für uns notwendig, dass wir Ausfüh­rungsregeln auch in unser Chemikaliengesetz implementieren.


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Es werden nun europaweit die Eigenschaften der Chemikalien erfasst, für alle Beteiligten – egal, ob es sich um die Hersteller, die Importeure, die Käufer oder auch um die Anwender handelt. Es ist wichtig, dass sie alle so handeln, dass es zu keinen Beeinträchtigungen unserer Gesundheit und auch unserer Umwelt kommt.

Mit dieser Novelle wird daher auch das österreichische Giftrecht neu gestaltet. Es ist wichtig, dass das Schutzniveau – und das geschieht mit diesem Gesetz – für alle Menschen, die mit Chemikalien hantieren, erhöht wird.

Die Novelle trägt auch zu einer Verwaltungsvereinfachung für unsere Wirtschaft und für den landwirtschaftlichen Bereiche bei. Dadurch kann auch der Verwaltungsaufwand bei den Behörden gemindert und verringert werden. Das freut mich besonders an dieser Novelle, dass es erstmals auch eine Verwaltungsvereinfachung gibt und nicht nur immer höhere Auflagen, die einen Mehraufwand bedeuten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr Transparenz, klare Regeln, mehr Sicherheit und eine Verwaltungsvereinfachung im Chemikaliengesetz: Dazu kann unsere Fraktion nur zustimmen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Stadler. – Bitte.

 


15.14.39

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Chemikaliengesetz der Europäischen Union hat sich in den letzten Jahren deutlich und Gott sei Dank, muss ich sagen, weiterentwickelt. Die vorliegende Gesetzesnovelle ist daher eine dringend notwendig gewordene gesetzliche Maßnahme, um geltendes EU-Recht umzusetzen. Das natio­nale Vollzugsinstrumentarium wird entsprechend den Vorstellungen der Europäischen Kommission an das Marktüberwachungsrecht angepasst.

Frau Kollegin Diesner-Wais hat schon sehr ausführlich über die einzelnen Punkte dieser Novelle berichtet, weshalb ich mich nun auf ein, zwei Punkte beschränken kann, um nicht immer wieder dasselbe zu wiederholen.

Kollegin Diesner-Wais hat angesprochen, dass allein das Wort „Chemie“ schon ab­stoßend auf die Menschen wirkt. Ich möchte nicht unbedingt „abstoßend“ sagen, aber zumindest gibt es gewisse Sorgen und Bedenken beim Umgang damit. Dem ist sicher­lich zuzustimmen.

In Bezug auf das Wissen um die Bedeutung der Chemie im täglichen Leben ist es, glaube ich, von besonderer Priorität, weil man einfach ohne Chemie nicht leben kann, dass die Menschen wissen, dass die Handhabung, der Umgang mit Chemikalien geordnet ist, und zwar so geordnet, dass man immer weiß, wo das Produkt hergestellt wurde, ob das Produkt auch zugelassen ist, wo es zugelassen wurde und ob es auch registriert ist, und dass geregelt ist, wie die Produkte zu handhaben sind. All diese Punkte beinhaltet diese Novelle zum Chemikaliengesetz, sie geben den Menschen in Zukunft vielleicht mehr Sicherheit.

Die Handhabung betreffend möchte ich noch besonders hinweisen auf die Bereit­stellung des Sicherheitsdatenblattes. Die Bedeutung des Sicherheitsdatenblattes ist sehr hoch, es soll das Produkt vom Hersteller bis hin zum Endverbraucher begleiten. Es ist im Umgang mit Chemikalien sehr wichtig, weil dieses Sicherheitsdatenblatt auf mögliche Gefahren im Umgang mit dem Stoff hinweisen wird. Ebenfalls Inhalt dieses Sicherheitsdatenblattes sind die richtige Handhabung, Erste-Hilfe-Maßnahmen, Maß­nahmen im Brandfall und Hinweise zur richtigen Entsorgung des Produktes.


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Geschätzte Damen und Herren! Die SPÖ-Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage gerne die Zustimmung geben. Es ist ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Sicherheit, mehr Übersichtlichkeit und schlussendlich auch weniger Verwaltungsaufwand. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.17.41

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Diesner-Wais, ja, wir stimmen zu, diese Novelle ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich hab’ das jetzt nur kurz erwähnt, weil du schon von Einstimmigkeit gesprochen hast. Von den Kollegen von der FPÖ kann ich es nicht sagen, aber wir werden zustimmen.

Ich möchte die Novelle des Chemikaliengesetzes ein bisschen unter dem Blickpunkt des Konsumentenschutzes betrachten. Mit REACH und diesem CLP werden jetzt tausende alte und neue Chemikalien wieder näher unter die Lupe genommen; manche wird es vielleicht – hoffentlich – danach nicht mehr geben. Sie werden bewertet und auf ihre Gefährlichkeit eingeschätzt. Das ist eine wichtige Sache.

Ich bin auch sehr froh, dass dieses Sicherheitsdatenblatt künftig wieder den Konsu­men­tinnen und Konsumenten zur Verfügung stehen wird, damit sie sich informieren können über die Inhaltsstoffe und darüber, wie sich das auf die Gesundheit auswirken kann, wenn man das Mittel ins Auge bekommt oder man sich verätzt. Das Problem ist allerdings, dass dieses Sicherheitsdatenblatt nur für Gemische und für Stoffe gilt, von denen man weiß, dass man es mit einer Chemikalie zu tun hat. Dass man bei einem Eimer Farbe weiß, dass etwas Chemisches darin enthalten ist, ist klar, aber wenn es um Kleidung oder um andere Dinge geht, um Babyflascherl etwa, ist das oft schon nicht mehr so leicht erkennbar.

Wir haben im Ausschuss gehört, es gibt aufgrund der REACH-Verordnung ein Recht der KonsumentInnen auf Information darüber, ob in einem Produkt gefährliche Chemi­kalien, bedenkliche Chemikalien enthalten sind oder nicht. Leider ist das in der Verordnung so begrenzt, dass nur ab einer Menge von 0,1 Masseprozent Auskunft von den jeweiligen Produzenten gegeben werden muss. Es wäre natürlich schön, wenn es auch eine aktive Informationspolitik in dieser Hinsicht gäbe, denn erstens muss man einmal wissen, was man nachfragt, damit man eine Antwort bekommt, und zweitens sind 0,1 Masseprozent doch relativ viel, wenn es um gefährliche Stoffe geht.

Ich denke da nur an Probleme, die in den letzten Jahren immer wieder aufgetaucht sind: krebserregende Stoffe im Babyflascherl und in Kinderspielzeug, Hormone im Mineralwasser. Das sind dann Dinge, die dann irgendwo aufpoppen, weil es jemand zufällig entdeckt hat. Aber es gibt keine aktive Information, welche Stoffe in einem Produkt enthalten sein können, wenn es um Chemikalien geht.

Wenn kein Verdacht da ist, dann wird einfach nicht untersucht, und das betrifft leider auch das Trinkwasser und das Grundwasser. Da gibt es zwar schon gewisse Para­meter, die untersucht werden, aber es gibt eine ganze Latte von Dingen, die nicht untersucht werden und trotzdem drinnen sein können.

In Korneuburg habe ich leider seit einem Jahr ungefähr das Problem – das Problem gibt es schon länger, seit einem Jahr wissen wir davon, dass wir das Problem haben –, dass Thiamethoxam im Grundwasser entdeckt wurde. Ich muss sagen, das ist eine Erfahrung gewesen, da hätte ich mir wirklich erwartet oder da hätte ich geglaubt, die Behörde und die Politik würden da mehr Information automatisch zur Verfügung


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stellen. Die Leute waren beunruhigt, sie haben gehört, da gibt es Grenzwertüber­schreitungen, das ist ein Nervengift, das in erster Linie gegen Insekten eingesetzt wird, und sie haben sich gefragt: Was macht das mit mir? Also die Leute waren einfach beunruhigt und nervös, und die Information von behördlicher Seite war knapp bis nicht vorhanden.

Ich weiß, das hat jetzt nicht unbedingt direkt mit dem Chemikaliengesetz zu tun, aber ich glaube, es ist letztendlich der Punkt, dass ich als Konsumentin, wenn ich eine Frage habe oder wenn ein Problem auftaucht, mich darauf verlassen will, dass ich von der Behörde umfassend informiert werde und auch die Auswirkungen umfassend erfahre. In dem Fall, beim Thiamethoxam, ist es leider so, dass die Behörde offen­sichtlich zum Teil gar nicht alle Auswirkungen dieses Stoffes wissen konnte.

Es gibt neue Studien oder es wurden neue Studien beauftragt, die leider nicht veröf­fentlicht sind. Eine Chemikalie reagiert vielleicht, wenn ich mit dem Finger hineingreife, anders, als wenn sie sich im Trinkwasser oder im Grundwasser befindet. Alle Auswir­kungen sind offensichtlich nicht immer von allen Chemikalien wirklich bekannt. Wie gesagt, wir werden der Novelle zum Chemikaliengesetz zustimmen, sie ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber ich würde mir wirklich wünschen, dass man noch mehr Augenmerk darauf legt, dass die Menschen, wenn sie Information haben wollen, diese Information von der Behörde auch bekommen, weil das eine ganz, ganz wichtige Sache ist, um das Vertrauen der Menschen in die Behörde aufrechtzuerhalten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte.

 


15.22.31

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das Ziel des Chemikaliengesetzes ist es, das hohe Schutzniveau, das wir in Österreich für die Gesundheit der Menschen, für die Umwelt haben, abzusichern und auszubauen. Die REACH-Verordnung wurde bereits genannt. Mit ihr wurde in Europa eine neue Chemikalienpolitik eingeleitet: Es gibt eine verpflich­tende Registrierung von chemischen Stoffen und darauf aufbauend eine umfassende Information über die Chemikalien. Und das Wichtigste ist: Durch diese Information kann man entsprechende Maßnahmen setzen und so das Risiko minimieren, wenn derartige Chemikalien angewendet werden. Gefahren und Risken, die von chemischen Stoffen ausgehen, sollen so beseitigt und vermieden werden. Es gilt das Vorsorge­prinzip bei all diesen Verordnungen, der REACH-Verordnung und dem Chemikalien­gesetz.

Im Zusammenhang mit der REACH-Verordnung wurde auch eine Europäische Chemikalienagentur ins Leben gerufen, wo rund 500 Expertinnen und Experten genau an dieser Thematik arbeiten, Chemikalien erfassen, registrieren, Maßnahmen, Auswir­kun­gen abschätzen und damit Gesundheit für die Menschen sicherstellen und eine ordentliche Umwelt garantieren. Österreich ist dort auch federführend dabei und wirkt hier gestaltend mit. Wir, Mitarbeiter meines Hauses, des Lebensministeriums, ge­nießen international hohe Reputation und hohe Anerkennung, verfügen über großes Fachwissen und bringen dieses auch auf der europäischen Ebene ein.

Die vorliegende Novelle des Chemikaliengesetzes ist als begleitende Maßnahme dringend notwendig, weil wir damit auch Verordnungen der Europäischen Union umsetzen und damit das Chemikalienrecht völlig neu positionieren. Wichtig ist, dass es


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hier definierte Zuständigkeiten gibt, auch Kooperationen sowie Sanktionen bei allfäl­ligen Verwaltungsübertretungen.

Ich betone noch einmal: Das Ziel ist, das hohe Schutzniveau für die Gesundheit und für die Umwelt auszubauen. Österreich hat eine führende Position als Mitgestalter des Chemikalienrechtes. Das, was wir auch haben, ist eine sehr gute Kooperation mit der Wirtschaft, mit den Bundesländern, auch mit den Organisationen, weil wir alle vom gemeinsamen Interesse getragen sind, dass dann, wenn Chemie, wenn Chemikalien in verschiedensten Lebensbereichen eingesetzt werden müssen, die Sicherheit an oberster Stelle stehen muss, was sie auch tut. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.25.21 8. Punkt

Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grüner Bericht 2011) (III-446-BR/2011 d.B. sowie 8660/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nunmehr zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich bitte um den Bericht.

 


15.25.27

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Hoher Bundesrat! Ich trage Ihnen den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft vor.

Es liegt hier wieder ein umfassender Bericht im Umfang von 336 Seiten über die wirtschaftliche und soziale Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft vor.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung den Antrag, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


15.26.22

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Lassen Sie mich vorab Gregor Hammerl, der jetzt leider nicht im Raum ist, und der gesamten Steiermark alles Gute für die kommende Prä­sidentschaft wünschen. Viel Erfolg! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Perhab: Danke! Danke!)


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Ich komme nun zum Grünen Bericht, einem Bericht mit jeder Menge Informationen, Daten, Fakten und Vergleichszahlen, einem Bericht, der die Probleme aufzeigt, mit denen unsere Bauern und Bäuerinnen täglich zu kämpfen haben.

Im Vergleich zu den katastrophalen Ergebnissen 2008/2009 zeigt dieser Bericht für 2010 eine Steigerung der durchschnittlichen land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte um 20 Prozent auf. Das klingt natürlich vorerst sehr gut, doch ist bei näherer Betrachtung bestimmt kein Grund zum Feiern, da, wie Sie wissen, die Einkünfte in der Land- und Forstwirtschaft 2009 um bis zu 28 Prozent gefallen sind. Trotz eines Plus von 20 Prozent liegt das Betriebsdurchschnittseinkommen 2010 noch immer unter dem Wert von 2008. Da braucht man sich wirklich nicht zu wundern, dass das Sterben vorwiegend der kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, wenn es uns hier nicht einmal gelingt, die Inflationsrate abzugelten. Seit 1990 haben rund 90 000 Betriebe, das ist zirka ein Drittel der damals mehr als 280 000 land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, ihre Tore für immer geschlossen.

Aus diesem Grünen Bericht geht auch hervor, dass die Bandbreite der jährlichen Einkommen zwischen 6 040 € in den kleineren und 45 648 € in den größeren Betrieben liegt. Diese Zahlen machen deutlich, warum etwa zwei Drittel der Betreiber kleiner und mittlerer bäuerlicher Betriebe, die zirka 70 Prozent der Betriebe repräsentieren, gezwungen sind, eine oder mehrere außerbetriebliche Nebenerwerbstätigkeiten auszuführen, um finanziell überleben zu können.

Ich kann die Existenzängste der Bauern in Österreich sehr gut verstehen. Urlaub, Krankenstand oder Pflegefreistellung sind aufgrund der täglich anfallenden harten körperlichen Arbeiten bei jeder Witterung kaum zu verwirklichen.

Für eine Durchschnittspension von sage und schreibe 754 € müssen unsere Landwirte ein Leben lang auf vieles verzichten. Ständig neue EU-Richtlinien und die damit ver­bundene Bürokratie sorgen für zusätzliche Belastungen. Selbst die Einkünfte eines Asylanten beziehungsweise eines Mindestsicherungsbeziehers werden für eine Null-Leistung wesentlich höher bewertet.

Die Politik muss die Bauern im Kampf gegen die Billigkonkurrenz, globales Bevölke­rungswachstum, Klimawandel und Wirtschaftskrise unterstützen und ist aufgerufen, nachhaltige Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Bauern zu setzen.

Die Erzeugung ökologisch wertvoller und gesunder Lebensmittel unter Bedachtnahme auf eine tier- und umweltgerechte Produktionsweise hat Zukunft und muss noch mehr als Marke Österreichs hervorgehoben werden.

Eine Möglichkeit besteht auch in der Umstellung auf erneuerbare Energien in Richtung Biomasse, Solar- und Windenergie.

Im Hinblick auf die Weltwirtschafts- und Finanzkrise ist es unbedingt erforderlich, eine Renationalisierung der Agrarpolitik voranzutreiben. Um eine größtmögliche Eigenver­sorgung der österreichischen Bevölkerung mit Lebensmitteln zu erreichen, sind folgende Maßnahmen unbedingt erforderlich:

Erstens ist die Versorgungsautarkie in Österreich sicherzustellen. Diese ist bei tieri­schen Produkten wie Rind- und Schweinefleisch weitgehend erreicht. Bei Schweine­fleisch sind es zirka 85 Prozent, aber die Tendenz ist fallend. Der Selbstversor­gungsgrad bei Geflügel und Eiern liegt jedoch nur bei zirka 72 beziehungsweise 74 Prozent. Hier ist die Tendenz aufgrund der Automation steigend.

Zweitens: Im Bereich der Selbstversorgung bei pflanzlichen Ölen und Erdäpfeln ist ebenfalls noch großer Handlungsbedarf. Zudem ist sicherzustellen, dass der heimische


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Bedarf an natürlichen und biologisch erzeugten Futtermitteln in Österreich gedeckt wird.

Drittens: Gleichzeitig ist eine gezielte nationale Lebensmittelvorsorge durch Lagerhal­tung zu entwickeln, um extremen Preissteigerungen entgegenzuwirken beziehungs­weise einer Lebensmittelknappheit vorzubeugen.

Dadurch macht sich Österreich bei einer möglichen Krisensituation vom internationalen Agrarmarkt unabhängig und schafft Versorgungssicherheit für die Bevölkerung.

Ich möchte hier auch noch in einzelnen Punkten auf die EU-Agrarpolitik eingehen. Der uns vorliegende Grüne Bericht zeigt deutlich eine ungleiche Verteilung der EU-Fördermittel auf. Daraus geht hervor, dass knapp die Hälfte der Betriebe zusammen nur zirka 10 Prozent der Gelder erhielt. Während 35 Prozent der Betriebe im unteren Förderbereich im Durchschnitt nur 2 083 € je Betrieb erhielten und einen Förderanteil von nur 6 Prozent hatten, lukrierten 3 Prozent der Betriebe am oberen Ende zirka 17 Prozent aller Fördermittel, im Durchschnitt zirka 78 000 € je Betrieb.

Dieses System führt leider dazu, dass kleine Betriebe zum Schaden der Konsumenten letztendlich geschlossen werden.

Wie wir alle wissen, läuft das österreichische Programm für die Entwicklung des ländlichen Raumes 2013 aus, und der Kampf um die Agrarfördergelder für die darauf folgende Periode ist bereits voll im Gange. Aus Brüssel wird laut, dass die EU-Fördermittel für land- und forstwirtschaftliche Betriebe aufgrund der Wirtschaftslage deutlich geringer ausfallen werden.

Für den Zeitraum 2007 bis 2013 erhält Österreich rund 4 Milliarden € an EU-Mitteln. Das sind zirka 4 Prozent des Gesamtvolumens von 96,2 Milliarden €. Die meisten Fördergelder bekommt Polen mit zirka 14 Prozent, gefolgt von Italien und Deutschland mit zirka 9 Milliarden oder knapp 10 Prozent.

Immerhin fließen 45 Prozent der EU-Beiträge Österreichs oder rund 400 Millionen € in die europäische Agrarpolitik. Zudem zahlte Österreich laut Finanzbericht der Kommission im Jahre 2009 um 432 Millionen € mehr ein, als es aus den EU-Töpfen zurückerstattet bekommen hat.

Aus unserer Sicht ist auch ein Vorpreschen der österreichischen Regierung bei der von der EU geplanten Abschaffung der Ferkelschutzkörbe zu vermeiden. Diese Vorge­hensweise hätte fatale Folgen für die Landwirtschaft und würde zu einem Massen­bauernsterben führen, da Österreichs Schweinefleisch am europäischen Markt nicht mehr konkurrenzfähig wäre.

Wir kennen diese Situation ja bereits von den Legehennen. Hier haben Rot und Schwarz große Nachteile für die heimischen Geflügelbauern verursacht. Durch den vorauseilenden Gehorsam gegenüber der EU wurde das Verbot der Käfighaltung in Österreich bereits zwei Jahre früher realisiert. Das mit 1. Jänner 2012 wirksame Verbot wurde aber bislang nur von zehn der 27 EU-Mitgliedstaaten umgesetzt, und es wird bereits über Ausnahmeregelungen diskutiert.

Es stellen sich daher einige Fragen: Warum profitieren große und reiche Betriebe noch immer am stärksten von den Förderungen? Warum schaffen wir es nicht, endlich für eine gerechtere Aufteilung der Ausgleichszahlungen und somit günstigere Lebens­verhältnisse für den ländlichen Raum zu sorgen? Warum sorgen wir nicht dafür, dass die Einkommenssituation den kleinen und mittleren Betrieben ein Überleben ermög­licht?

Ich möchte Sie hier aufrufen, sich endlich wieder auf die Seite der österreichischen Bauern und Konsumenten zu stellen und einen gemeinsamen Aktionsplan zu erar-


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beiten, der die Eigenständigkeit unseres Heimatlandes durch eine nachhaltige Bewirtschaftung von Grund und Boden garantiert, der die Leistungen des Bauern­standes würdigt und auch entsprechend honoriert.

Bei den Bauern ist höchster Handlungsbedarf gegeben. Und solange versucht wird, den Grünen Bericht dazu zu benutzen, die dargestellten Probleme der Bauern schönzureden, werden wir diesem Bericht nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte. (Bundesrat Kainz: Das wird schwierig, das in 10 Minuten alles klarzustellen! Fast unmöglich!)

 


15.37.37

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Liebe Kollegen im Bundesrat! Wir diskutieren den Grünen Bericht, und mein Vorredner hat schon auf die Probleme der Landwirtschaft in Österreich hingewiesen. Die Probleme sind vielschichtig, und die zeigt der Grüne Bericht auch auf. Dafür ist dem Ministerium auch ein herzliches Dankeschön zu sagen, dass dieser Bericht jährlich immer wieder erstellt wird und die Situation in allen Breiten, Tiefen und Sparten entsprechend beleuchtet.

Ich glaube, es ist aber kein Bericht, der dazu angetan ist, die Landwirtschaft in große und kleine Betriebe zu teilen. Erstens weiß keiner, wo die Grenze ist, Kollege Ertl, das ist noch nicht definiert. Ich kenne als Bauer eine einzige Trennlinie zwischen einem großen und einem kleinen Betrieb: Jeder, der mehr Fläche hat als ich selbst, hat einen großen Betrieb, und jeder, der weniger Fläche hat als ich selbst, hat einen kleinen Betrieb. Das ist die einzige Trennlinie. Sonst gibt es keine, es gibt keine statistische.

Tatsache ist, dass nicht die großen Betriebe die kleinen vernichten, sondern es ist so, dass die Schnellen die Langsamen fressen. Es ist wichtig – und darum habe ich das heute auch bei der Bildungsdebatte angesprochen –, dass die Förderungen für den Bereich Bildung in der Landwirtschaft weiter fließen. Es tut mir deshalb weh, wenn Kollegen Ihrer Fraktion dann diese Maßnahmen, die auf die Bildung in der Land­wirtschaft abzielen, als Förderungen hinstellen, die ungerechtfertigt, unnötig und unnotwendig wären. Ich glaube, da wäre es wichtig, wenn man für die Landwirtschaft eintritt und die Probleme aufzeigt, dass man dann auch für die Maßnahmen und die Kosten, die diese verursachen, entsprechend eintritt.

Kollege Schreuder ist jetzt nicht da, aber er hat auch gesagt, die Dieselrückvergütung gehört abgeschafft, die ist nicht gerechtfertigt. Wir wissen aber, dass die Betriebe immer weniger werden, dass sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft fortsetzt.

Damit darf ich auf den Grünen Bericht eingehen. Es ist erfreulich – es wurde bereits gesagt –, dass der Grüne Bericht 2011 ein Plus von 20 Prozent beim Einkommen pro Betrieb zeigt, wo doch im Jahr davor, 2010, ein Minus von 28 Prozent im Bericht ausgewiesen war.

Das ist einfach eine Situation, die mit den höheren Erzeugerpreisen begründbar ist, die aber auch zeigt, wie schwierig es ist, in der heutigen Zeit einen Landwirtschaftsbetrieb zu führen, weil die Einkommen – 20 Prozent hinauf, 28 Prozent herunter – extrem schwanken. Man würde keinem Arbeitnehmer zumuten, mit solchen Schwankungen des Einkommens auszukommen. Bei uns in der Landwirtschaft heißt es eben, langfristig planen, längerfristig vorausdenken und seine finanziellen Ressourcen auch entsprechend aufzuteilen.


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Wir hatten zwar in den meisten Sparten ein Plus, aber es gab auch Sparten, die einen Rückgang des Einkommens zu verzeichnen hatten. Es waren das die Dauer­kulturbetriebe, es waren das die Schweinemastbetriebe, und es waren das die Berg­bauern in der Zone 4.

Es wurde auch aufgezeigt – und ich glaube, das sollte uns allen gemeinsam zu denken geben –, dass in Österreich die Tierbestände und die Anzahl der Tierhaltungsbetriebe laufend sich reduzieren, dass in manchen Bereichen der Eigenversorgungsgrad nicht mehr erreicht wird – im Bereich Schweinehaltung haben wir das – und dass es in Österreich für jene Betriebe, die in der Tierproduktion tätig sind und tätig bleiben wollen, immer schwieriger wird, Stallbauten durchzuführen, weil es hier immer wieder auch entsprechende Proteste gibt. Wenn wir das eine wollen, nämlich heimische Lebensmittel aus eigener Produktion, dann müssen wir die Produktion auch zulassen, gestatten, ermöglichen und gutheißen.

Geschätzte Damen und Herren! Es geht auch darum, dass wir – und das wurde auch gesagt – unsere heimische Produktion entsprechend sichern. Das heißt, wir müssen sie zulassen. Wir müssen aber auch dort aufpassen, wo die Europäische Union in der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik momentan an uns Anforderungen stellen möchte. Hier ist eine Ausweitung der Ökologieflächen auf 7 Prozent gefordert. Das heißt, dass wir mehr Flächen aus der Produktion nehmen, obwohl die Nachfrage nach Agrar­produkten gut ist. Ich glaube, das sollte uns zu denken geben, und dagegen sollten wir auch auftreten, damit wir nämlich die Produktion entsprechend aufrechterhalten.

Positiv zu sehen ist, dass der Konsument unsere sehr umweltgerechte und sehr naturnahe, unsere regionale Produktion und vor allem den Bioanteil in der Produktion schätzt. Das kommt der österreichischen Biolandwirtschaft zugute, auch im vergan­genen Jahr ist der Anteil der Biolandwirtschaft wieder um 4 Prozent gestiegen. Etwa ein Fünftel der österreichischen Agrarfläche wird biologisch bewirtschaftet, und – auch das ist für die Biobauern ein positives Ergebnis – in diesem Bereich waren die Ein­kommensschwankungen wesentlich geringer.

Es gilt aber, neben der Sicherstellung der Produktion auch um die Sicherstellung der öffentlichen Mittel zu kämpfen, denn zum einen stammt das Einkommen zu einem wesentlichen Prozentsatz – von den Experten des Hauses wurden 70, 80 Prozent genannt – aus diesen Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft; ich möchte sie nicht Förderungen nennen.

Sicherzustellen gilt, dass diese Ausgleichszahlungen, dass diese Mittel für die Landwirtschaft aus Brüssel auch entsprechend fließen und in der gegebenen Höhe bleiben, so wie es das Europäische Parlament beschlossen hat. Es gilt auch, sicher­zustellen, dass die nationalen Mittel aufgebracht werden, weil dadurch Mittel aus Brüssel kofinanziert werden und nach wie vor der Grundsatz gelten soll, kein Euro soll in Brüssel liegen bleiben. Das heißt, das Geld, das wir für kofinanzierte Programme aus Brüssel brauchen, muss auch in Österreich zur Verfügung stehen. Ich glaube nicht, dass uns eine Renationalisierung in diesem Bereich hilft, weil hier genau dieses europäische Agrarsystem Planungs- und Finanzierungssicherheit für die österreichi­schen Bauern gewährleistet.

Geschätzte Damen und Herren, dieses System ist aber nicht ein System, das primär die Bauern fördert, sondern auch und vor allem die Konsumenten, denn es wäre zu den Produktionspreisen für die österreichische Landwirtschaft, für die europäische Landwirtschaft nicht möglich, mit jenen günstigen Produktpreisen auf dem Markt zu sein, wenn es nicht diese Ausgleichszahlungen gäbe. Diese Ausgleichszahlungen ermöglichen es dem Konsumenten in Europa und Österreich, günstig Lebensmittel einzukaufen, Lebensmittel, die aus der heimischen Landwirtschaft stammen.


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Neben dieser Aufgabe der Nahrungsmittelversorgung ist es aber auch die gesell­schaftliche Leistung, die wir Bauern oder die Landwirtschaft erbringen, sei es die Landschaftsgestaltung, die Landschaftserhaltung, der Umweltschutz, die Versorgungs­sicher­heit und wie angesprochen qualitativ hochwertige Nahrungsmittel für unsere Bürger.

Ich glaube, die Landwirtschaft in Österreich hat Zukunft, und die sollten wir auch entsprechend mitgestalten. Das hoffe ich auch für die nächsten Maßnahmen, die im Maßnahmenbericht auch angeführt sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


15.45.39

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Der vorliegende Grüne Bericht ist gleichzeitig auch ein Nachschlagewerk und zeigt, wie sich die Land- und Forst­wirtschaft in der letzten Zeit entwickelt hat, beziehungsweise ist er auch eine Grundlage, die darüber Aufschluss gibt, wie sich die Land- und Forstwirtschaft wird entwickeln können. Wie in jedem Wirtschaftszweig gibt es ein Auf und ein Ab, und die Land- und Forstwirtschaft ist ein Teil davon. Geschätzte Damen und Herren, eines sollen wir aber nicht tun: Wir sollen uns die Land- und Forstwirtschaft auch nicht kaputtreden.

Aus dem vorliegenden Bericht geht auch hervor, wie sich die Einkommenssituation der österreichischen Bauern darstellt und dass es im vergangenen Jahr eine Verbesserung gegeben hat – wir haben es schon gehört –, ein Plus von zirka 20 Prozent. Dem steht natürlich ein Einkommensverlust von 28 Prozent in den Jahren davor gegenüber.

Das erhöhte Einkommen ist vor allem auf die höheren Preise bei der Getreide- und Öl- beziehungsweise Eiweißfruchternte sowie bei den Hackfrüchten zurückzuführen, die erzielt wurden, auf die höheren Milchpreise, und auch bei den tierischen Produkten konnte der Ertrag gesteigert werden.

In Niederösterreich, dem flächenmäßig größten Bundesland, konnte mit 30 Prozent der deutlich höchste Einkommenszuwachs erzielt werden. Die öffentlichen Gelder in meinem Bundesland betrugen 21 153 €, das ist ein Plus von 2 Prozent, je Betrieb, und das sind im Durchschnitt um zirka 15 Prozent mehr als bei allen anderen Betrieben.

Das Jahr 2011 war auch das Jahr des Waldes. Damit wurde weltweit auf die außer­gewöhnliche Bedeutung des Ökosystems Wald hingewiesen. Besonders in Zeiten des Klimaschutzes ist es von ungemeiner Wichtigkeit, den äußerst wertvollen Lebensraum Wald zu thematisieren und den Menschen die Wichtigkeit dieser Funk­tionen nahezubringen.

Der Wald als Naturschutz, der Wald als Lawinenschutz und Hochwasserschutz reinigt und speichert wertvolles und gutes Trinkwasser. Er produziert den notwendigen Sauerstoff und entzieht dabei auch der Atmosphäre das Treibhausgas CO2. Darüber hinaus schafft der Wald Arbeitsplätze, und er bietet vielen Wald- und Forstbesitzern Einkommen. Nicht zuletzt produziert der Wald den wohl umweltfreundlichsten Rohstoff Holz, der nahezu in allen Lebensbereichen der Menschen in Verwendung steht.

Ich habe mir auch die Situation der Frauen in der Landwirtschaft im Bericht ein bisschen angeschaut. Ihm ist zu entnehmen, dass eine Genderkompetenz nur in einem geringen Ausmaß zu verzeichnen ist (Zwischenruf bei der FPÖ) und dass es keine spezifischen Schwerpunkte, Zuständigkeiten oder Ressourcen in Bezug auf die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen gibt.


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Bei der Verteilung der Betriebsleitung auf Frauen und Männer zeigt sich aber deutlich, dass im Westen – zum Beispiel in Vorarlberg mit etwa 19 Prozent – der Anteil der Betriebsleiterinnen geringer ist als im Osten. In Niederösterreich, in meinem Bundes­land, werden 41 Prozent der Betriebe von Frauen geführt, und dieser doch sehr hohe Anteil an Betriebsleiterinnen findet teilweise die Ursache darin, dass viele Betriebe auch aufgrund der Größe nicht mehr lebensfähig sind und die männlichen Haushalts­mitglieder einer auswärtigen Arbeit nachgehen müssen.

Der Wald sichert in Niederösterreich rund 23 000 Arbeitsplätze, und er stellt für die 45 000 Betriebe mit Waldfläche auch eine sehr wichtige Lebensgrundlage dar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bäuerinnen und Bauern brauchen Einkommen. Sie stellen hochwertige Lebensmittel her – wir haben das heute schon gehört –, sie pflegen unsere heimische Kulturlandschaft, und sie produzieren auch erneuerbare Energie. Die Herausforderungen für die Landwirtschaft liegen im Bereich des Klimawandels, der starken Preisschwankungen, der zunehmenden Billigkon­kurrenz sowie dem vermehrten Bedarf an Agrarrohstoffen und Lebensmitteln.

Gleichzeitig mit dem Grünen Bericht wurde der Bericht über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2012 präsentiert. Dieser unterstreicht vor allem die Bedeutung der Förderungen sowie Leistungsabgeltung im Rahmen der beiden Säulen in der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik, der Marktordnung und der Ländlichen Entwicklung. Der Bericht sieht ein wesentliches Ziel in der Weiterentwicklung des ländlichen Raumes und damit in der Erhaltung einer bäuerlichen und vor allem wettbewerbsfähigen Landwirtschaft, wobei auch auf die Notwendigkeit des Ausbaues der Beschäftigungsmöglichkeiten hingewiesen wird.

Aus der ersten Säule der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik – kurz GAP sind im Jahr 2012 716 Millionen € an Direktzahlungen vorgesehen. Im Rahmen des Programms der zweiten Säule stehen für die Ländliche Entwicklung 8 Milliarden € an öffentlichen Mitteln zu Verfügung.

Hohes Haus! In Österreich sperren immer mehr kleinere landwirtschaftliche Betriebe aufgrund ihrer Unrentabilität zu. Dies hat in den verschiedensten Bereichen seine Ursache. Daher braucht ein erfolgreicher und nachhaltiger Wirtschaftsstandort wirt­schaftliche Rahmenbedingungen, die auf eine soziale Gerechtigkeit abzielen. Einen Strukturwandel hat es in der österreichischen Landwirtschaft – so wie in vielen Bereichen – immer gegeben.

Der Strukturwandel sollte sich jedoch in Zukunft in dem Maße darstellen, dass auch den landwirtschaftlichen Betrieben ein Überleben gesichert wird, denn unsere Land­wirte sind Lebensmittelproduzenten, sie pflegen unsere Kulturlandschaft und stellen erneuerbare Energiequellen zur Verfügung. Ich würde mir in Zukunft allerdings eine gerechtere Verteilung der Fördermittel wünschen.

Die SPÖ-Fraktion nimmt diesen Bericht zur Kenntnis, und wir bedanken uns bei Ihnen, Herr Bundesminister, sowie bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Erstellung des doch sehr umfangreichen Datenmaterials. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.53.23

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Zunächst einmal herzlichen Dank Ihren MitarbeiterInnen, Herr Minister, die diesen sehr guten und umfassenden Bericht gemacht haben.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 125

Die VorrednerInnen haben ohnehin schon sehr vieles gesagt, deshalb möchte ich mich nur mit einem Teilbereich aus diesem Bericht befassen, und zwar mit dem Bereich der biologischen Landwirtschaft. Hier sind sehr interessante Zahlen zu vernehmen, und zwar gibt es einen Anstieg in allen Bereichen, sei es bei den bewirtschafteten Grün­flächen, im Weinbau, im Bioobstbau, bei den Erntemengen bei Soja. Den einzigen Rückgang hat es bei den Speiseerdäpfeln gegeben – aber das war sozusagen aufgrund der rückläufigen Anbauflächen –, und bei den Bio-SchweinehalterInnen hat es einen geringen Rückgang von 5 Prozent gegeben.

Man sieht an diesen Zahlen ganz einfach, dass der Biomarkt ein sehr großer Markt für die KonsumentInnen ist und gleichzeitig auch für die Biobauern und BiobäuerInnen ein attraktives Einkommen darstellt, denn wenn man sich die Einkünfte aus den Bio­betrieben im Jahr 2010 ansieht, zeigt sich, dass die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft in fast allen Bereichen gestiegen sind – im konventionellen Bereich mit Forstanteil plus 6 Prozent, im biologischen Bereich 8 Prozent, im Futterbaubetrieb hat es einen Anstieg von 13 Prozent gegeben. Den einzigen Rückgang hat es im Bereich der Fruchtbetriebe gegeben.

Dass ein kleines Land wie Österreich mit den Großen mithalten kann, ist schwierig, glaube ich. Umso wichtiger ist es, dass wir auf Qualität setzen, auf biologische Produkte setzen, weil es da meines Erachtens nur Win-win-Situationen gibt: für jene, die als Biobauern tätig sind, und auch für die KonsumentInnen. Die Politik ist natürlich gefordert, die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass es sich auch für die Bio­betriebe rentiert.

Einen Kritikpunkt möchte ich anbringen – es wurde auch schon kurz erwähnt –, und zwar ist in den letzten 20 Jahren ein Rückgang von 100 000 bäuerlichen Betrieben zu verzeichnen. Ich glaube, das sind Zahlen, die uns doch nachdenklich stimmen sollten. Ebenso zu erwähnen ist, dass der Einsatz der Pestizide um 12,4 Prozent gestiegen ist. Das ist unseres Erachtens eine totale Fehlentwicklung, und ich glaube, das ist ein Zeichen für das Fehlen einer nationalen Pestizidstrategie. Sehr geehrter Herr Minister, ich hoffe, dass wir da in Zukunft rückläufige Zahlen haben werden, und ich bin gespannt, welche Strategie Sie uns vorlegen werden.

Auf jeden Fall: Herzlichen Dank den MitarbeiterInnen, die diesen Bericht gemacht haben! Wir werden ihn natürlich auch zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

15.57


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Temmel. – Ich darf noch darauf hinweisen, dass ich beabsichtige, die Behandlung der Tagesordnung um 16 Uhr für die Behandlung der Dringlichen Anfrage zu unterbrechen. – Bitte.

 


15.57.24

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorerst gratuliere und danke ich allen, die zum Zustandekommen dieses Berichtes beigetragen haben: den Wirtschafts- und Sozialpartnern, den im Nationalrat vertretenen politischen Parteien und den Experten.

Dieser Grüne Bericht 2011 ist bereits der 52. seit Bestehen des Landwirtschafts­gesetzes und gibt eine detaillierte Darstellung der Situation der heimischen Land- und Forstwirtschaft wieder.

Im Berichtsjahr 2010 erhöhten sich zwar die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft je Betrieb um 20 Prozent auf 22 863 €. Diese Zuwächse reichen aber nicht aus, um den


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Einkommensrückgang von 28 Prozent je Betrieb im Jahr 2009 zu kompensieren. Es konnte auch das Einkommensniveau der Jahre 2008 und 2007 nicht erreicht werden.

Der Ertrag 2010 stieg um 7 Prozent gegenüber 2009. Ausschlaggebend waren vor allem die Erzeugerpreise bei Getreide, Körnermais, Öl- und Eiweißfrüchten, Hack­früchten und im Weinbau. Nur im Obstbau waren die Ernte und der Ertrag um 1 Pro­zent niedriger, da es eben geringere Mengen gab.

Bei Milch- und Rinderbetrieben gab es auch eine leichte Steigerung, vor allem aufgrund der gestiegenen Verkaufsmenge. Trotz Mehrverkauf von 3 Prozent ist die Ertragssituation bei den Schweinebetrieben aufgrund der niedrigen Preise gleich geblieben.

Der Aufwand 2010 ist um 3 Prozent gestiegen. Hier sind vor allem die Energiepreise, die höheren Kosten für Diesel, Futtermittel und Pflanzenschutzmittel hervorzuheben. Die Marktfruchtbetriebe hatten die kräftigsten Einkommenssteigerungen, mussten aber im Jahr zuvor große Einkommenseinbußen auf sich nehmen.

Die Einkünfte der Biobetriebe stiegen nur um 9 Prozent, die Zahl der Betriebe stieg aber um 4 Prozent auf 21 728. Es werden fast 20 Prozent – zum heutigen Zeitpunkt ist dieser Wert wahrscheinlich übertroffen – biologisch bewirtschaftet.

Die Ausgleichszahlungen für Maßnahmen betrugen insgesamt 2 327 Millionen € und blieben gleich hoch wie im Vorjahr; davon finanzierte die EU 58 Prozent, der Bund 20 Prozent und die Länder 22 Prozent.

In Österreich entfallen auf die zweite Säule – Ländliche Entwicklung – 50 Prozent. Obwohl neben den anderen Schwerpunkten – wie Verbesserung der Wettbewerbs­fähigkeit, Verbesserung der Umwelt und Landschaft, Lebensqualität und Diversifizie­rung im ländlichen Raum – der Schwerpunkt 4, LEADER, nur 6 Prozent der Gesamt­mittel beträgt, finde ich gerade dieses Förderprogramm für die Ländliche Entwicklung sehr wichtig.

Als Obmann von „LEADER Südburgenland“, einer von 86 lokalen Aktionsgruppen in Österreich, weiß ich genau, dass Ideen aus der Region entstehen und auch umgesetzt werden, weil man sich dadurch besser mit den Projekten und der Region identifiziert.

Ein wichtiger Bereich für die nachhaltige Entwicklung, den Umweltschutz und zusätz­liche Wertschöpfung sind die erneuerbaren Energieträger.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Sitzung war geprägt von der Vorsitzübernahme des Landes Steiermark durch unseren Präsidenten Gregor Hammerl, dem ich auch von dieser Stelle aus herzlich gratuliere, und von den beeindruckenden Zukunftsvisionen des Landeshauptmannes Mag. Franz Voves.

Ebenfalls ein gebürtiger Steirer, Arnold Schwarzenegger, der wohl bekannteste leben­de Österreicher und ein Visionär der erneuerbaren Energie, hat es vor eineinhalb Wochen bei seinem Besuch in Güssing auf den Punkt gebracht: Alle sollten dem Beispiel Güssing folgen.

Die Stadt Güssing und die Gemeinden rund um Güssing machen es vor, wie man aus nachwachsenden Rohstoffen CO2-neutrale Energie gewinnen kann. So bleibt die Wertschöpfung in der Region und verhindert die Abwanderung – wie in vielen länd­lichen Gebieten leider noch vorhanden – in die Ballungszentren. Gerade bei den biogenen Rohstoffen ist noch sehr viel Potenzial für die erneuerbaren Energieträger vorhanden.

Ich danke in diesem Zusammenhang unserem Lebensminister Dipl.–Ing. Nikolaus Berlakovich, der sich immer wieder dafür einsetzt, dass die Rahmenbedingungen in


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der Land- und Forstwirtschaft, bei den erneuerbaren Energieträgern und bei allen Themen des ländlichen Raumes verbessert werden.

Nochmals herzlichen Dank an alle, die zum Entstehen dieses Grünen Berichtes beigetragen haben. Wir nehmen diesen selbstverständlich zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP.)

16.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlun­gen zur Tagesordnung.

16.02.12 Dringliche Anfrage

der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Inneres betreffend Ausschreitungen im Umfeld des WKR-Balls 2012 (2875/J-BR/2012)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres, die ich hiermit herzlich bei uns im Bundesrat begrüße. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nun Herrn Bundesrat Krusche als erstem Anfragesteller zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort. – Bitte.

 


16.02.53

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseher! Der WKR-Ball – das heißt, Frau Präsidentin, Wiener Korporationsring-Ball; ich weiß schon, es ist etwas verwir­rend, weil kein „B“ für das Wort „Burschenschaften“ darin vorkommt – ist ja hinlänglich bekannt. Er ist im Vorfeld medial breitgetreten worden. Er hat am vergangenen Freitag in Wien stattgefunden und war – man kann schon fast sagen, traditionell – von Demonstrationen und Ausschreitungen begleitet. (Bundesrat Schreuder: Und verbalen Entgleisungen!)

Nur: Die Dimension der Ausschreitungen und der Proteste war diesmal etwas neu. Offensichtlich und feststellbar wurden diese Proteste geschürt. Ich nehme da auch alle anderen Fraktionen in diesem Hause in gewisser Weise mit in Verantwortung. (Bundesrat Schreuder: Das ist unfassbar! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es waren SPÖ-Organisationen, die Grünen, SOS Mitmensch, kirchliche Organisationen, die Kultusgemeinde und viele andere mit dabei. (Bundesrat Schreuder: Denken Sie einmal darüber nach!)

Warum diese neue Breite des Protestes? – Man hat dafür die Gedenkfeier, den Holocaust-Gedenktag anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz herangezogen, und dies wurde zum wesentlichen Argument gegen den Ball.

Als ich das das erste Mal gehört habe, habe ich geglaubt, das sei eine Einzelmeinung. Ich kann es nicht glauben, dass so etwas an den Haaren herbeigezogen wird. Es wurde aber leider offensichtlich von allen dankbar aufgegriffen.

Dieser Ball, meine Damen und Herren, findet seit 43 Jahren immer am letzten Freitag im Jänner statt. Und dieser Tag fällt, wie es der Gregorianische Kalender so will, innerhalb von 43 Jahren öfter auf den 27. Jänner. Das war dieses Mal bereits das siebente Mal. Und bekannterweise wurde das letzte Mal davor, als das Datum des


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Balles auf diesen Gedenktag gefallen ist, nämlich im Jahr 2006, der Pachtvertrag mit der Hofburg abgeschlossen, der bis zum heurigen Jahr gegolten hatte.

Warum also gerade heuer diese Aufregung? Warum gerade bei diesem Ball, obwohl am selben Tag in ganz Österreich Dutzende andere Bälle stattfinden? (Bundesrat Schreuder: Das kann ich Ihnen sagen!) – Die Antwort ist verblüffend einfach: Wirklich, Sie haben recht, die FPÖ unterstützt diesen Ball, nimmt auch zahlreich teil an diesem Ball, und im Gegensatz zum Jahr 2006 ist die FPÖ wieder eine starke Kraft in Österreich. Wir liegen in den Umfragen gleichauf mit der SPÖ und liegen deutlich vor der ÖVP. Deshalb ist jede Gelegenheit recht, uns damit zu bekämpfen. Man schlägt die Burschenschaften und meint die FPÖ.

Auf die undifferenzierte Pauschalierung in Bezug auf die Burschenschaften will ich hier nicht näher eingehen, denn die Vorurteile und Pauschalverdächtigungen, dass es sich da ausschließlich um Rechtsradikale und Nazis handle, pflegt ja auch der ORF und hegt sie sehr gut, und das alles eigentlich wider besseres Wissen.

Sie, Frau Bundesminister, haben in einer Anfrage an den Abgeordneten Öllinger von den Grünen gesagt, dass es keinen Anlass gäbe, aus ideologischen Gründen Studen­tenverbindungen oder deren Mitglieder zu beobachten oder zu belauschen. Auch sei nicht bekannt, dass Besucher des WKR-Balles Neonazis wären oder in Verbindung mit Neonazis stünden. – Das waren die Antworten aus Ihrem Ministerium. Und ungefähr gleichlautend waren auch die aus dem Verteidigungsministerium von Herrn Bundes­minister Darabos.

Trotzdem hat der Herr Öllinger dann anschließend in einer Pressekonferenz davon schwadroniert, dass Rechtsextremisten auf diesem Ball ihr Unwesen treiben würden. (Bundesrat Schennach: Das ist richtig! – Bundesrat Todt: Ja!)

Sie alle, meine Damen und Herren, haben den Rauswurf aus der Hofburg gutge­heißen, und sogar den aus dem Weltkulturerbe durch die UNESCO. Aber Sie scheinen sich dabei nicht im Klaren zu sein, welche Schleusen Sie damit geöffnet haben.

Ich habe heute eine Nachricht bekommen, eine Aussendung von GRAS in Linz, Grüne und Alternative StudentInnen, einer Vorfeldorganisation von Ihnen, Herr Schreuder. (Bundesrat Schreuder: Ja!) Sie erwarten massive Proteste beim Burschenbundball am 11. Feber. (Bundesrat Schreuder: Sehr gut!) „Rektorat und Landeshauptmann am rechtsextremen Burschenbundball“, heißt es da. Das Demonstrationsmotto fordert zu Kannibalismus auf: „Burschis auffressen“ nennt sich das Motto. (Bundesrat Schreuder: Nehmen Sie das wörtlich?) – Das steht in der Aussendung von GRAS.

„Wien“ hat „vorgezeigt, wie wirksam konsequenter antifaschistischer Protest sein kann“, freut sich die GRAS-Sprecherin. Aber der Landeshauptmann von Ober­österreich Pühringer hat sich ja bereits empört, als er einen Ball des CV in Linz durch den Hintereingang betreten musste. Und, meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie und Ihre CV-Verbindungen werden die Nächsten sein, die von diesen Protesten betroffen und überrollt werden. (Bundesrat Dönmez: Sicherlich nicht! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber es wird ja noch Wasser auf die Mühlen dieser selbsternannten Gutmenschen und Antifaschisten gegossen, die sich nämlich selber am faschistischsten verhalten. Ich kann hier nichts anderes sagen, als dass bei diesen Demonstrationen in Wien zu einem Gutteil linke Chaoten und – ich sage das bewusst – auch Gesindel am Werk war, denn wie anders soll man Menschen bezeichnen, die in einer Demokratie harmlose Ballbesucher, die zum überwiegenden Teil auch sehr gute Steuerzahler sind, zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland, die die Wirtschaft in Wien und den Tourismus beleben, beschimpfen und bedrohen (Zwischenruf des Bundesrates


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Schennach) mit den Worten: Wir werden euch alle kriegen! Oder: Nazi-Hure! – Das sind nur einige der fast harmloseren Beschimpfungen. Aber die sind wir ja mittlerweile schon gewohnt, über die rege ich mich eigentlich gar nicht mehr auf.

Aber, wie ich bereits eingangs gesagt habe, neu war die Dimension der Gewalt und des Hasses, die vor allem die Ballbesucher zu spüren bekommen haben (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach) – und das offensichtlich deshalb, weil im Vergleich zu den vergangenen Jahren, Frau Minister, die Polizei es nicht geschafft hat, die Ballbesucher entsprechend zu schützen, obwohl es im Vorfeld bereits absehbar war, welche Strategie von den Demonstranten gewählt wird oder werden sollte, die offensichtlich auch recht erfolgreich war.

Man braucht sich nur die diversen Homepages anzuschauen: „Den WKR-Ball crashen“ und „antifa.net“ und wie sie alle heißen, die zu gezielten Strategien zur Störung dieses Balles aufgerufen haben. Und natürlich ist auch ein Gutteil deutscher Berufs­demonstranten angereist, die normalerweise – alles im Internet nachzulesen, Frau Kollegin – zwischen „Stuttgart 21“ und irgendeinem Castor-Transport pendeln. Die haben jetzt halt einmal einen Ausflug nach Wien unternommen.

Es ist ja genau so gekommen, wie es in den diversen Internetforen angekündigt war: Es wurden Frauen bespuckt. Es kam zu körperlichen Attacken und tätlichen Angriffen, mit Verletzten. Es waren natürlich zahlreiche Vermummte zu sehen, trotz eines Vermummungsverbots, das wir haben. Es wurden Taxitüren aufgerissen, Pfefferspray hineingesprüht. Rohe Eier wurden auf die Ballgäste geworfen. Es wurden Ballkleider zerrissen. Es gab Brandanschläge auf Häuser von Studentenverbindungen.

Es war eine perfekte Organisation. Ich habe es selber gesehen, wie ein junges Mädchen ganz aufgeregt ihr Handy zum Ohr nahm und ihre „Truppen“ kommandierte: Ich habe gerade zehn Ballbesucher, die auf dem Weg zum Ball sind, gesehen!, und sie hat ihre Leute mobilisiert, damit sie schnell herkommen, um uns zu attackieren.

Ich frage mich, ich frage die Wiener Kollegen: Ist das das Bild, das Wien seinen Gästen vermitteln will? (Bundesrat Todt: Auf diese Gäste können wir in Wien verzichten! – Beifall bei SPÖ und Grünen.) – Ja, „schön“. (Bundesrat Todt: Auf Ihr rechtsradikales Umfeld können wir verzichten!) – Ich werde auf Ihre unqualifizierte Zwischenmeldung und Ihren Zwischenruf nicht eingehen. Das ist es nicht wert (Bundesrat Todt: Dann schauen Sie mich nicht an! Schauen Sie woanders hin!), dass ich mich mit so pauschalierenden Vorurteilen überhaupt auseinandersetze. Herr Kollege, das ist dumm! Entschuldigen Sie, wenn ich das so sagen muss. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Todt: Das geht auch nicht!)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth (das Glockenzeichen gebend): Ich erteile Herrn Bundesrat Krusche einen Ordnungsruf.

 


Bundesrat Gerd Krusche (fortsetzend): Ich nehme den Ordnungsruf zur Kenntnis und kann damit leben. (Bundesrat Mag. Klug: Das war der erste!)

Die Polizei hatte leider diese Ausschreitungen nicht im Griff, wobei ich die Schuld keineswegs beim einzelnen Polizisten sehe, der da im Einsatz war – die Polizisten haben ihr Bestes gegeben –, sondern es waren offensichtlich mangelhafte Vorbereitun­gen und mangelhafte Maßnahmen im Vorfeld daran schuld.

Ich kann das auch aus eigenem Erleben bestätigen: Ich hatte eine Irrfahrt mit dem Taxi hin und her am Ring zwischen Kärntner Straße und Schottengasse hinter mir, und überall sind verzweifelte Polizisten gestanden und haben gesagt: Da können Sie nicht hineinfahren! Wenn Sie da hineinfahren, wird Ihr Taxi beschädigt! Oder: Wenn Sie zu Fuß gehen, werden Sie zusammengeschlagen! – Das waren die Aussagen von Polizisten, die einen von einem Ende an das andere Ende geschickt haben, weil sie


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selber die Übersicht verloren haben, weil offensichtlich von oben die Organisation gefehlt hat.

Dazu kommt noch die offensichtlich auch gezielte Verharmlosung in der Bericht­erstattung. Ich bin eine halbe Stunde, nachdem der Ball eigentlich schon hätte anfan­gen sollen, im Taxi gesessen und hörte „Radio Arabella“. Vermummte Demonstranten haben an den Türen gezogen, gegen die Türen gedroschen, aber auf „Radio Arabella“ hörte man: eine friedliche Demonstration! – In Wirklichkeit aber ist der Eindruck entstanden, dass die Besucher dieses Balles zum Abschuss freigegeben sind. (Bun­desrat Schennach: Wow!) Und das erweckt durchaus Zweifel an der Rechtsstaa­tlichkeit bei uns. Es stellt sich schon die Frage: Sollten die Ballbesucher dieses Mal nicht geschützt werden, so wie es in den vergangenen Jahren sehr wohl der Fall war?

In diesem Zusammenhang stelle ich mit meinen Kollegen folgende Fragen – Frau Vorsitzende, ich weiß, dass sie schriftlich zugegangen sind, ich werde sie aber trotzdem verlesen; wir haben eine neue Situation, das Fernsehen ist nämlich live dabei, und ich frage mich: Wie soll sich ein Zuseher ein Bild über die Qualität der Antworten und über die Vollständigkeit der Antworten auf Fragen bilden können, die er nicht kennt? –:

„Wer trug die Verantwortung für diesen Einsatz der Exekutive?

Wurde versucht, Berufsdemonstranten aus Deutschland an der Grenze abzu­fan­gen ?

Wenn nein, warum nicht?

Warum wurde am Heldenplatz, , eine Gegendemonstration“ in unmittelbarer Nähe „zugelassen?

Warum konnte die Blockade in der Herrengasse nicht verhindert werden?

Warum kam von der Einsatzleitung kein Befehl, die Herrengasse zu räumen?

Wer war dafür verantwortlich?

Wie viele Anzeigen wurden im Zusammenhang mit den Demonstrationen  einge­bracht?

Welche strafbaren Handlungen wurden angezeigt?

Wie viele Festnahmen erfolgten?

Waren auch Ballbesucher unter den Festgenommenen?

Welche Sachschäden“ sind entstanden oder „wurden festgestellt?

Wie hoch ist die Summe aller Sachschäden?

Wie viele Ball-Besucher wurden durch Demonstranten verletzt?

Wie viele Polizisten wurden verletzt?

Wie viele Unbeteiligte wurden verletzt?

Welcher Art waren die Verletzungen?

Wurde der Bruch des Vermummungsverbots  überwacht und geahndet?

Wenn nein, warum nicht?

Welche Waffen oder gefährlichen Gegenstände wurden bei den Demonstranten sichergestellt?

Wie hoch waren die Kosten für den Polizeieinsatz ?


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 131

Welche Konsequenzen“ und Lehren ziehen Sie für die Zukunft aus diesen Vorfällen? – Danke.

(Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Und wie viele amtsbekannte Neo­nazis ?)

16.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Frau Bundesministerin für Inneres Mikl-Leitner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

 


16.19.06

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Vielen herzlichen Dank! Geschätzte Bundesräte! Selbstverständlich werde ich all diese Fragen in Bezug auf den WKR-Ball, die hier gestellt wurden, beantworten.

Zu Ihrer ersten Frage „Wer trug die Verantwortung für diesen Einsatz der Exekutive?“:

Die Verantwortung lag dafür bei der Sicherheitsbehörde erster Instanz, also bei der Bundespolizeidirektion Wien. Einsatzleiterin war Vizepräsidentin Frau Dr. Michaela Pfeifenberger, die auch heute hier anwesend ist.

Ich darf die Frage 2 „Wurde versucht, Berufsdemonstranten aus Deutschland an der Grenze abzufangen und die Einreise zu verweigern?“ und die Frage 3 zusammen­fassend beantworten:

In Abstimmung mit den deutschen Behörden wurden verstärkt Grenzraumüber­wachungsmaßnahmen in der Vorphase des WKR-Balles aktiviert. Auch sonst gibt es selbstverständlich einen permanenten Kontakt zwischen den österreichischen und den deutschen Sicherheitsbehörden.

Frage 4: „Warum wurde am Heldenplatz, also in nächster Entfernung, eine Gegen­demonstration zugelassen?“

Es gab zwei Demonstrationen, die angemeldet waren unter dem Titel „Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz.“

Dazu darf ich wie folgt erläutern: Gemäß dem § 6 Versammlungsgesetz sind „Ver­sammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde zu untersagen.“

Aus den vorliegenden Gefährdungseinschätzungen ergab sich somit kein Grund, die Versammlungen zu untersagen und den Teilnehmern an den Versammlungen am Tage des Holocaust Memorial Days den Zutritt zum Mahnmal am Wiener Heldenplatz zu verwehren.

Ich darf die Fragen 5 bis 7 zusammenfassen: „Warum konnte die Blockade in der Herrengasse nicht verhindert werden?“ Warum gab es keinen Befehl zur Räumung? „Wer war dafür verantwortlich?“

Um genau 20.42 Uhr wurde im Bereich Herrengasse-Strauchgasse ein zufahrender Bus mit diversen Wurfgegenständen wie zum Beispiel Flaschen und Steinen beworfen. Auftragsgemäß, gemäß der Weisung der Einsatzleiterin war der gefährliche Angriff zu beenden und für Ballbesucher, die durch Blockaden oder drohende gefährliche Angriffe am Zugang zum Veranstaltungsgelände gehindert wurden, eine sichere Begleitung sicherzustellen. Es galt das Motto „Sicherheit vor Pünktlichkeit“, Ziel war es vor allem, die Ballbesucher sicher zum Ball zu bringen. Eine Aufhebung der Blockade hätte zu diesem Zeitpunkt einen unverhältnismäßig hohen Kräfteeinsatz erfordert. Freie Kräfte wurden zur Sicherung der Zufahrtsroute Tuchlauben und Kohlmarkt zusammen-


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gezogen, und gerade diese Zufahrtsroute konnte auch bis zum Schluss garantiert werden.

Zu den Fragen 8 und 9 von Ihnen: „Welche strafbaren Handlungen wurden ange­zeigt?“

Ich darf Sie im Konkreten ganz genau auflisten: viermal wegen § 83 Strafgesetzbuch: Körperverletzung; fünfmal § 84 Strafgesetzbuch: schwere Körperverletzung; sechsmal § 269 Strafgesetzbuch: Widerstand gegen die Staatsgewalt; sechsmal § 125 Straf­gesetzbuch: Sachbeschädigung; einmal § 126 Strafgesetzbuch: schwere Sachbeschä­digung; einmal § 131 Strafgesetzbuch: räuberischer Diebstahl; zweimal § 142 Straf­gesetzbuch: Raub; einmal § 173: vorsätzliche Gefährdung durch Sprengmittel; einmal § 50 Waffengesetz; einmal § 43 Schieß- und Sprengmittelgesetz; einmal § 3 Verbots­gesetz.

Verwaltungsübertretungen: neunmal § 81 Sicherheitspolizeigesetz: Ordnungsstörung; viermal § 82 Sicherheitspolizeigesetz: aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht; fünfmal § 76 Straßenverkehrsordnung: vorschriftswidriges Verhalten von Fußgängern; einmal § 1/1 Z 1 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz; einmal § 1/1 Z 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz.

Zur Frage 10: „Wie viele Festnahmen erfolgten?“

Insgesamt wurden neun Personen gemäß StPO und zwölf Personen gemäß dem Verwaltungsstrafgesetz festgenommen, sprich in Summe wurden 21 Personen festgenommen.

Die Beantwortung der Fragen 11 und 12 darf ich zusammenfassen: „Waren auch Ballbesucher unter den Festgenommenen? Wenn ja, wie viele?“

Nein, es waren keine Ballbesucher unter den Festgenommenen.

Zur Frage 13: „Welche Sachschäden wurden im Zusammenhang mit den De­monstrationen beim WKR-Ball zur Anzeige gebracht oder festgestellt?“

Sachbeschädigungen im Umfeld der Veranstaltung wurden hintangehalten, jedoch kam es an folgenden Örtlichkeiten zu Sachbeschädigungen: in Wien VIII, Strozzigasse 11; in Wien 7, Zieglergasse 7, kam es zu Sachbeschädigungen an PKWs; in Wien 1, Heldenplatz, gab es Sachbeschädigung am Denkmal der Exekutive, und zwar kam es zu einer Beschädigung durch einen Farbbeutelwurf, die Farbe konnte trotz Reinigung nicht zur Gänze entfernt werden; weiters in Wien 1, Bankgasse 6: Sachbeschä­digungen an einem PKW und einem Baugerüst; in Wien 1, Burgring 5: Beschädigung eines Funkwagens.

Zur Frage 14: „Wie hoch ist die Summe aller Sachschäden?“

Die Gesamtsumme der Sachschäden liegt derzeit noch nicht vor, da bitte ich um Verständnis, das braucht Zeit.

Zur Frage 15: „Wie viele Ball-Besucher wurden durch Demonstranten verletzt?“

Zum derzeitigen Zeitpunkt wissen wir, dass drei Ballbesucher verletzt worden sind, dass sie mit Reizgas besprüht worden sind und leichte Augenverletzungen erlitten haben. Diese drei Betroffenen haben nicht auf das Eintreffen des Rettungsdienstes gewartet, sondern gingen zur Hausfeuerwehr in der Hofburg und haben dort eine kurze Augenwäsche durchgeführt und haben es dann vorgezogen, direkt am Ball zu bleiben.

Zur Frage 16: „Wie viele Polizisten wurden verletzt?“


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Es wurden sieben Polizisten verletzt. Was haben sie sich zugezogen? Wie wurden sie verletzt? – Zweimal Knalltrauma, dreimal Abschürfungen, einmal eine Verletzung einer Hand und einmal eine gebrochene Zehe. Das sind die Verletzungen, die vorliegen.

Zur Frage 17: „Wie viele Unbeteiligte wurden verletzt?“

Es wurde eine Person verletzt, diese Person hat Prellungen und Abschürfungen erlitten.

Die Fragen 18 bis 20 darf ich auch zusammenfassen, was den Bruch des Ver­mummungsverbotes betrifft. Die Bestimmungen des § 9 Versammlungsgesetz wurden beachtet, das Einschreiten bei Verstößen gegen das Vermummungsverbot stand unter Entscheidungsvorbehalt der Einsatzleiterin.

Gemäß § 9 Versammlungsgesetz „dürfen an einer Versammlung keine Personen teilnehmen, die ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verbergen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhindern. () Von der Durchsetzung der Verbote nach Abs. 1 kann abgesehen werden, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit nicht zu besorgen ist.“

Aus diesem Grund und vor allem aufgrund der herrschenden tiefen Temperaturen wurde von der Durchsetzung des Vermummungsverbotes Abstand genommen. Sie alle wissen, dass zahlreiche Gäste mit Hauben und Schals unterwegs waren.

Zur Frage 21: „Welche Waffen oder gefährliche Gegenstände wurden bei den Demonstranten sichergestellt?“

Es wurden pyrotechnische Gegenstände sichergestellt, wie etwa eine zwei Meter lange Stange und ein Sprengsatz in Dosenform, 1,2 kg im Konkreten, und zwar hoch­explosives Selbstlaborat.

Zur Frage 22: Wie hoch waren die Kosten und wie viele Kräfte waren im Einsatz?

Im Rahmen des WKR-Balles waren 1 781 Exekutivbeamtinnen und Beamte im Einsatz, davon im Konkreten 280 aus anderen Bundesländern. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja ein Wahnsinn!) Zu den Personalkosten: Sie betragen 519 304 €. (Weiterer Ruf bei der ÖVP: :.. sparen!)

Zu Ihrer letzten Frage, zur Frage 23: Welche Konsequenzen zieht das Innen­ministerium daraus?

Selbstverständlich, wie bei jedem Großeinsatz, wird es auch da eine Evaluierung geben, und die Erkenntnisse aus dieser Evaluierung werden selbstverständlich auch Einfluss bei künftigen Großeinsätzen finden, das heißt die Erfahrung, das Know-how wird selbstverständlich auch weiterhin genutzt.  Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

16.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Frau Ministerin.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates und einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 134

16.30.26

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, herzlichen Dank für Ihr Kommen und herzlichen Dank vor allem auch für die konkrete Beantwortung unserer Dringlichen Anfrage. Das ist eine ganz „schöne Speisekarte“, wenn man sich das so vor Augen führt, was für Ereignisse am letzten Freitag in Wien vorgefallen sind.

Ich darf ganz kurz erzählen, wie das seit dem Jahre 2009 war.

Im Jahr 2009 gab es 30 verletzte Polizisten.

Im Jahr 2010 gab es 15 verletzte Polizisten, ein Geschäft und ein Polizeiauto in Flammen. Damals war mittendrin – davon gibt es auch schöne Fotos – der grüne Nationalratsabgeordnete Öllinger. Das war insofern spannend, als damals gerade am selben Tag eine Nationalratssitzung stattgefunden hat und er es vorgezogen hat, lieber bei der Demonstration zu sein, als an der Nationalratssitzung teilzunehmen.

2011: Brandsätze und Steine gegen Polizisten, brennende Papierkörbe, zertrümmerte Schaufenster, beschädigte Polizeifahrzeuge.

Und im Jahr 2012 gab es Menschenjagden durch die Straßen, es gab Festnahmen, es gab einen Brandanschlag, es gab eine 1,2 Kilogramm schwere Bombe.

Da stelle ich mir jetzt schon die Frage, weil ich das bei der Wortmeldung meines Kollegen Krusche auch herausgehört habe: Man hat ja da auch ein bisschen gelächelt, vor allem auf der Seite, und gesagt, selber schuld, warum macht man das denn nicht.

Ich weiß nicht, ob das wirklich so lustig ist, denn wenn man nämlich die Konsequenzen durchdenkt: jemand, der bereit ist, 1,2 Kilogramm Sprengstoff gegen Menschen einzu­setzen, was passiert denn da?! – Da nehme ich doch auch in Kauf, dass Menschen zu Schaden kommen, und mehr noch, ich nehme in Kauf, dass Menschen getötet werden.

Und da soll es natürlich in weiterer Folge durchaus zu einer Diskussion kommen, dass man sagt: Na, das müssen wir uns schon einmal genau anschauen! Von welcher Seite geht denn die Gewalt in Wahrheit aus? Von welcher Seite wird denn laufend gemobbt? Von welcher Seite werden denn Menschen attackiert auf der Straße? Wer sind denn die politischen Brunnenvergifter in diesem Land? (Bundesrat Schreuder: Sie sind das!)

Ja, da stehen sie, ja, da sitzt er! (Bundesrätin Kerschbaum: Wir sind es nicht!) Ihr habt heute sogar die Guy Fawkes-Masken getragen. Sie wissen, was der Guy Fawkes gemacht hat, oder? Wissen Sie das, oder kennen Sie nur den Film? –Der hat zwei Tonnen Sprengstoff am 5. November 1605 unter dem Parlament, im House of Lords in England, deponiert und wollte dann das Parlament sprengen. Und Sie setzen sich heute mit den Masken hier her –das passt alles wunderbar zusammen! (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Dönmez: Sie haben nicht kapiert, worum es geht!)

Nein, ich habe schon gewusst, worum es geht. Aber das Symbol – umdrehen müssen Sie es, verkehrt –, das dahintersteht, ist auch eindeutig. Man identifiziert sich mit einer Figur, die mit zwei Tonnen Sprengstoff ein Parlament in die Luft sprengen wollte. (Bundesrat Schreuder: Was wollen Sie sagen?) Bis zum heutigen Tag ist das ein Feiertag in Großbritannien, gibt es Veranstaltungen dazu. Bis zum heutigen Tag! Ich weiß, dass Ihnen das unangenehm ist, ich weiß es, Herr Kollege. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Grünen.)

Schauen Sie, Sie versuchen, sich als die guten Menschen hier herzustellen, Sie versuchen laufend, uns in ein Eck zu drängen, in das wir nicht gehören. Und dann, wenn man einmal nachfragt: Na wie schaut es eigentlich aus, wo ist eigentlich die Gewalt hergekommen?, hören wir heute eine „Speisekarte“ von Verfehlungen straf-


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rechtlicher Natur, verwaltungsrechtlicher Natur, dass man sich denkt: Na hallo, ja wo leben wir denn? (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ja wo leben wir eigentlich? Ist es denn  wirklich möglich, dass es eine Gutmenschen-Apartheit gibt, die feststellt: Zu dem Ball darf man gehen, aber zu dem Ball darf man bitte nicht gehen!

Und das in Richtung der ÖVP gesagt: Jetzt sind wir gerade dran, es wird gerade versucht, uns in die Ecke zu stellen. Ich darf Sie daran erinnern: Es hat im Jänner in Linz einen CVer-Ball gegeben, da waren die Ausschreitungen nicht so groß. Nur: Die Aufrufe waren genauso degoutant, die Aufrufe waren genauso unappetitlich!

Wir haben heute gehört, dass die GRAS jetzt schon ankündigt, dass es massive Randale geben wird, weil der oberösterreichische Landeshauptmann – in dieser (der Redner deutet in Richtung ÖVP) politischen Farbe beheimatet – sich die Frechheit herausnähme, zum Burschenbundball in Linz zu gehen.

Ja, da hört sich doch alles auf! (Bundesrat Kneifel: Der geht seit 15 Jahren hin!) Jetzt muss ich einem Landeshauptmann vorschreiben: Ja dort darfst du aber nicht hingehen!

Dort wäre es in Ordnung, wenn der Landeshauptmann bei der Demo der GRAS dabei wäre, na das wäre kein Problem, selbst wenn es dann Ausschreitungen gäbe, das wäre kein Problem. Da würde man sagen: Na ja, da ist halt ein bisschen was passiert, 1,2 Kilogramm Sprengstoff, ist ja nicht so schlimm!

Ich sage Ihnen etwas: Das ist unfassbar, was da passiert!

Und weil wir immer wieder hören, dass wir dafür verantwortlich seien, dass da so viele böse Menschen kämen und das Ansehen im Ausland dadurch beschädigt würde: Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, meine Herren und meine Damen von der SPÖ, also meine Damen und meine Herren von der SPÖ – im Unterschied zu anderen habe ich ja Erziehung genossen (Bundesrat Kraml: Mir brauchen Sie nichts zu sagen! Bundesrat Mag. Klug: Das hört man nicht immer!) –: Im Jahr 1971 war es der SPÖ vorbehalten, ein Kabinett zu berufen – nicht, wo vier Rechtsextreme drinnen gesessen sind, sondern damals sind vier ehemalige NSDAP-Mitglieder Minister gewesen! Und der damalige Minister Gratz musste sich in einem Interview mit der holländischen Presse dafür verantworten. (Bundesrat Dönmez: Was kann  dafür?) Und wissen Sie, was die Antwort darauf war? – Na ja, es wäre wirklich nicht notwendig gewesen! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Mühlwerth, Schreuder und Dönmez. Beruhigen Sie sich ein bisschen, das ist nicht notwendig, dass man so laut wird! Sie können ja dann eh herauskommen und reden. (Bundesrat Schreuder: Werde ich machen!) Ja, ich bitte darum, ich freue mich schon darauf!

Und wissen Sie, zu diesem Totschlag-Argument „Das sind ja Rechte!“: Ja um Himmels Willen, was ist rechtsextrem? – Rechtsextrem, das haben wir gehört, das gibt es nicht, das ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht definiert. Das ist ein Totschlag-Argument! (Rufe bei der SPÖ, darunter: Das gibt es ja gar nicht!)

Das ist ein Totschlag-Argument! Damit versucht man, Menschen mundtot zu machen.

Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es gibt niemanden in der Freiheitlichen Partei und in der Freiheitlichen Bewegung, der auch nur eine Sekunde lang mit den Taten der NS-Zeit, mit den Gräueltaten, mit den Morden, sympathisiert. Den gibt es nicht! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. Bundesrätin Kerschbaum: Geh!) Es gibt niemanden!

Aber ich sage Ihnen was dazu: Wir differenzieren auch  (Unruhe im Sitzungssaal.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Am Wort ist Kollege Jenewein!

 



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Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (fortsetzend): mit Ihrem Verhalten ja ohnehin, Sie wollen ja mir auch das Wort wegnehmen. Ich soll ja das auch nicht sagen dürfen. Ich darf ja nicht einmal  (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Stadler: Über Ihr Verhalten brauchen wir nicht zu reden! Mit Ihrem Verhalten sind Sie kein Vorbild!) Könnten wir ganz kurz, bitte!

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Wort ist Kollege Jenewein – und jeder, der besonders viel zu sagen hat, kann sich zu Wort melden. Bitte um ein bisschen Diskussionskultur!

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (fortsetzend): Ich darf wiederholen (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie zeigen hier ein Sittenbild, das sagt weit mehr über Sie aus als über mich. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das sollten Sie sich auch einmal vor Augen halten! (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt niemanden in der Freiheitlichen Partei, der auch nur eine Sekunde mit den NS-Gräueln sympathisieren würde. Aber wir differenzieren auch, und wir waren immer fair, auch zu unserer Eltern-, zu unserer Großeltern-Vergangenheit, und wir haben nie Kollektivvorwürfe gemacht. Das überlassen wir Ihnen. Da haben Sie recht! Sie machen Kollektivvorwürfe, Sie tun alles über einen Kamm scheren.

Wir haben heute in der Früh über ein ähnliches Thema diskutiert, und ich habe heute in der Früh auch schon gesagt: Es ist immer die Schuld des Individuums zu betrachten. Ich kann nicht sagen: Da in der Hofburg sind dreieinhalbtausend Neonazis, und darum stecken wir jetzt die Hofburg in Brand und demonstrieren, werfen Farbbeutel und sprengen und was weiß ich alles! (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Ja, ich weiß, Sie machen das. Ich weiß eh, Herr Schreuder, Sie finden das lustig. (Bundesrat Schreuder: Ich tu’ sprengen?! Entschuldigen Sie!) Sie finden das lustig. (Bundesrat Schreuder: Hallo?! Glauben Sie ...?  Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Sie sind nämlich der politische Brandstifter (Bundesrat Schreuder: Ich habe doch nichts verbrannt! Das ist doch unerhört!), und Sie tragen die politische Verantwortung dafür. (Beifall bei der FPÖ.)

Selbstverständlich, Sie tragen die politische Verantwortung dafür! (Bundesrat Schreuder: Entschuldigen Sie sich!) – Ich denke nicht einmal daran! (Bundesrat Schreuder: Er wirft mir Brandstiftung vor!) Ja, ich habe gesagt, Sie sind der politische Brandstifter, und Sie haben die Verantwortung dafür zu tragen, und Sie sind  (Ruf bei den Grünen: Ihr seid Kellernazis!) „Kellernazis“, gut, fürs Protokoll: Wir hören hier gerade, wir sind „Kellernazis“.

Ich stelle fest, wir sind keine „Kellernazis“, und ich stelle weiters fest, dass Herr Schreuder auf der einen Seite im Vorfeld der Debatte durchaus Sympathien für die Demonstranten hat erkennen lassen, und ich stelle weiters fest, dass er dann in weiterer Folge, als er die „Speisekarte“ von wegen Anzeigen, von wegen Sprengstoff und Sonstigem gefunden hat, dann auf einmal nichts mehr damit zu tun haben will. (Ruf: Sie waren nicht am Ball, und !)

Nein, Frau Kollegin, ich war nicht auf dem Ball. Ich war bei der Gegen-Demo. Ich habe mir das nämlich vor Ort angesehen. Sie werden lachen: Ich war nicht am Ball, obwohl ich Burschenschafter bin. – Ich weiß, da kriegen die Gutmenschen gleich wieder Sodbrennen.

Aber ich war nicht auf dem Ball. Ich habe mir das angeschaut, und ich habe das auch über Twitter verfolgt. Und das ist eigentlich der Punkt, auf den ich kommen wollte.

Wir haben zwar unsere Dringliche Anfrage hier schon abgeschlossen, aber das wäre insofern spannend, als man, wenn man sich dann die Twitter-Channels angeschaut


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hat, die da durch die Gegend gegeistert und geflogen sind und virtuell verfügbar waren, dann auf einmal gesehen hat: Es wurden dann die Leute dorthin beordert, wo es gerade am spannendsten war. Da hat man dann gelesen: Jetzt schnell in die Herren­gasse kommen! – Das Schöne ist, ich habe das alles gesichert, ich kann das allen beweisen, ich habe das alles zu Hause gespeichert.

Da stelle ich mir dann schon die Frage: Hat die Polizei ebenfalls diese Meldungen gelesen? Hat die Polizei sich das ebenfalls angeschaut, oder war man so sehr darauf bedacht, zu deeskalieren, dass man bestimmte Dinge gar nicht mehr so wirklich hätte verfolgen wollen?

Ich werde Ihnen ein weiteres Beispiel sagen: Der Wiener FPÖ-Stadtrat David Lasar, seines Zeichens Mitglied der Kultusgemeinde, war ebenfalls Gast auf dem Ball. Der war nicht bei der Gegendemo, sondern der war auf dem Ball. Der wollte durch die Herrengasse, wie es eigentlich auch von der Polizei zugelassen gewesen wäre, zum Ball gehen, kommt aber nicht mehr durch, wird attackiert und wird angeschrien. Er hat das sogar mit seinem Handy gefilmt. Dann geht er zur Polizei und sagt: Bitte schön, helfen Sie mir, ich will da jetzt durch! Das gibt es ja nicht, warum kann ich da jetzt nicht zugehen? – Und es wird ihm nicht geholfen. Erst nachdem er sich ausweist und als Stadtrat zu erkennen gibt, wird er weitergeleitet.

Da stelle ich mir natürlich die Frage: Was macht eigentlich jemand, der vielleicht in einem Ballkleid oder in einer Ballhandtasche, die ja nicht so groß ist, keinen Ausweis mithat und sich nicht zu erkennen geben kann als jemand, der in Wien Stadtrat und Mitglied der Wiener Landesregierung ist? Wird dem dann auch geholfen? – Diese Frage muss auch erlaubt sein.

Es gibt hier schon auch eine differenzierte Betrachtungsweise. Man muss hier schon auch zur Kenntnis nehmen, dass es durch die Taktik der Deeskalation durchaus Probleme gegeben hat, denn wenn man sich von einem wild gewordenen Mob auf der Nase herumtanzen lässt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn am nächsten Tag die Glasscherben auf dem Boden liegen. Und wenn man sich mit Hunden ins Bett legt, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn man am nächsten Tag Flöhe hat. Und genau das ist in diesem Fall passiert.

Aus diesem Grund, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten wir schon einmal auch ein bisschen innehalten: Wir haben hier Täter, und wir haben hier Opfer. Das wurde heute eindeutig bewiesen und eindeutig klargelegt. Es gibt auf der einen Seite jene Opfer, die aufgrund der Tatsache, dass sie zu einem Ball gehen wollten, attackiert wurden, und es gibt auf der anderen Seite Täter. Und wir sollten, bitte schön, hier keine Opfer-Täter-Umkehr machen. Das wäre unredlich. (Ruf: Das macht ja ihr!)

Ach ja? – Ich höre gerade, das machen wir. Ich habe zwar gerade, glaube ich, vor einer Viertelstunde von der Frau Innenminister gehört, wo denn die Leute angezeigt wurden und wo es Straftatbestände gegeben hat, und auf der anderen Seite, wo es sie nicht gegeben hat. Aber es ist in Ordnung. Ich nehme diese Logik auf und ich nehme diese Logik in mich auf, und vielleicht kann ich es heute am Abend nachvollziehen. Im Moment entzieht sich das noch ein bisschen meiner Gedankenwelt. Aber wahrschein­lich liegt das daran, dass ich nicht so intelligent bin wie Sie. (Bundesrat Mag. Klug: Das kommt schon noch!) – Ja, vielleicht kommt es ja. Ich bin ja auch lernfähig. So ist es nicht.

Ich ersuche dringlichst um eines – das gilt für alle, es gilt auch für meine Fraktion, es gilt aber auch für die anderen; ich nehme mich da selbst durchaus auch an der Nase –, und ich habe hier heute auch versucht, sehr sachlich, sehr ruhig zu bleiben und nicht untergriffig zu werden. Ich könnte das hier auch anders bringen. (Ruf: Das brauchen Sie nicht zu beweisen! – Weitere Zwischenrufe.) Ich könnte Ihnen auch Fotos zeigen.


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(Bundesrat Mag. Klug: Das müssen Sie uns nicht beweisen!) Ich habe selbst fotografiert bei den Gegendemonstrationen. Es gibt genug Fotos, und wir sammeln auch noch weitere. Es gibt sehr viele Leute, die Fotos gemacht haben. Ich hätte das auch machen können, ich hätte Ihnen heute hier unverpixelt diese Fotos zeigen können, und ich hätte sie auch Richtung Innenministerium zeigen können.

Was, mit Verlaub, Frau Innenministerin, Ihre Argumentation bezüglich des Vermum­mungsverbots betrifft: Ich kann nachvollziehen, dass man bei minus 7 Grad davon absieht, dass man jemandem sagt: Runter mit der Haube, runter mit dem Schal! Problematischer wird das dann schon bei schwarzen Sonnenbrillen mitten in der Nacht. Da stelle ich mir dann schon die Frage, ob das ebenfalls dem Augenschutz dient oder ob man sich vor der mitternächtlichen Sonneneinstrahlung hätte schützen wollen. – Das ist auch ein Interpretationsspielraum, aber ich nehme das einmal zur Kenntnis. Man hätte das auch durchaus anders handhaben können.

Ich fordere dringlich auf, dass wir, dass sich auch dieses Haus hier dazu bekennt, dass Konflikte, politische Konflikte – und das sind ja zu einem Gutteil politische Konflikte – auch politisch ausgetragen werden, nämlich wenn wir dorthin kommen, dass Veranstaltungen der FPÖ laufend – und ich erlebe das seit mittlerweile fast 20 Jah­ren – damit konfrontiert sind, dass man leider dort zufahren muss, weil da De­monstranten sind, die aber nicht so friedlich dort sitzen und vielleicht demonstrieren, weil sie eine andere Meinung haben, sondern die schon einmal zum Stein greifen, die schon einmal zur Steinschleuder greifen.

Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es sind immer dieselben Pappenheimer, es sind immer dieselben Personen, die es betrifft. Sie finden sie dann bei der GRAS, Sie finden sie bei den Grünen allgemein, Sie finden sie bei der Sozialistischen Jugend.

Und dann, wenn man sich die Fotos anschaut – und das ist für mich eigentlich das Überraschende, denn ich meine, ich habe ja kein Problem damit, wenn jemand gegen mich demonstriert, da bin ich ja ein relativ liberaler Mensch, ich habe da kein Problem damit, wirklich nicht (Bundesrat Mag. Klug: Das hört sich aber nicht so an!) – na ja, wie es sich für Sie anhört, das ist das eine; ich sage es Ihnen, wie es ist, ich bin wirklich ein liberaler Mensch –, wenn man sich dann die Fahnen anschaut, die da bei dieser Demonstration gezogen werden, da haben sie dann die roten Fahnen mit Hammer und Sichel, da steht dann: Demokratie abschaffen! Burschis fressen! – Das ist „wundervoll“. (Zwischenruf des Bundesrates Füller.)

Ich weiß schon, in manchen von Ihnen schlummert vielleicht noch der Alt-Marxismus. Das kann sein. Aber vielleicht wäre das Jahr 2012 auch einmal ein Zeitpunkt, sich von diesen Dingen zu verabschieden. Es funktioniert nicht mehr! Die Zeit des Kom­munismus ist vorbei. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich brauche weder die rechts­extremen Neonazis, wie Sie sie bezeichnen, und ich brauche auch nicht die Kommunisten. Die will ich auch nicht. Ich will keine totalitären Regime. Ich bin Demokrat. Wir sind alle Demokraten, wir bekennen uns zur Demokratie. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Füller: Was haben Kommunisten mit totalitären Regimen zu tun?)

Wenn Sie sich gleichzeitig mit roten Fahnen, mit Hammer und Sichel identifizieren, dann ist das Ihre Sache, mir ist das wurscht. Nur, bitte schön, machen Sie es nicht in einer Art und Weise, wo Menschen  (Zwischenrufe der Bundesräte Dönmez und Schreuder, die auf die über dem Präsidium angebrachten Landeswappen weisen.) – Ja, ich weiß schon, am österreichischen Bundesadler – das sind die letzten Reste der Besatzungszeit –, da haben wir noch Hammer und Sichel draufgenommen.

Aber – da werden Sie auch wieder Sodbrennen bekommen – wenn Sie sich das österreichische Bundeswappen anschauen, finden Sie auch drei Farben vorrätig,


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nämlich Schwarz, Rot und Gold – zu Hammer und Sichel. Damit ist jedem Genüge getan. – Ich danke Ihnen vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

16.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kainz. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.47.47

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher an den Fernsehschirmen!

Wir beschäftigen uns heute mit einer Dringlichen Anfrage rund um die Ausschreitungen beim WKR-Ball vergangenen Freitag, und da wiederum, auch im Rahmen dieser Anfrage und der konkreten Fragestellung, vor allem mit der Arbeit und der Rolle der österreichischen Exekutive.

Wenn man diese Diskussion jetzt mitverfolgt, dann merkt man, dass eigentlich die politische Dimension, der politische Zugang und der parteipolitische Zugang zu diesem Thema sehr stark spürbar sind. Ich denke, wir sollten sehr aufpassen, dass wir nicht eine Situation, eine Stimmung, die wir haben, noch durch Kraftausdrücke unter­streichen und untermauern. Wenn ich mir die letzten Redebeiträge angehört habe, so sind, glaube ich, einige Kraftausdrücke zurückzunehmen und auf das Entschiedenste zu verurteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Wenn wir uns mit dem Vorfeld dieser Veranstaltung, diesem Ball der Studenten­verbindungen, der ja seit Jahren stattfindet, auseinandersetzen, so gibt es für mich verschiedene Grundlagen und Umstände, die letztendlich wahrscheinlich die Basis waren und die dazu geführt haben, wozu sie geführt haben.

Einerseits dieser traditionelle Korporationsball, der von den Studentenverbindungen und den schlagenden Burschenschaften organisiert wird – das war die Veranstaltung, das war sozusagen der Anlass –, zweifellos war aber auch das Datum – Freitag, der 27. Jänner – ein ganz besonderes Datum: das Datum des internationalen Holocaust-Gedenktages, ein Datum, das uns alle letztendlich sehr bewegen muss, und ein Datum, das manche Menschen ganz besonders bewegt. Ich glaube, es würde dieser Republik und es würde allen politischen Kräften dieser Republik guttun, mit der entsprechenden Wertschätzung für so ein Datum letztendlich auch die richtigen Schlüsse zu ziehen und dieses sensible Datum letztendlich auch in die Gesamt­überlegungen mit einzubeziehen, auch wenn das in den letzten Jahren schon einige Male der Fall war. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann gab es auch im Vorfeld bereits eine mediale Begleitung, die diese Situation letztendlich ein bisschen aufgeschaukelt hat, aufgeheizt hat, aufgerüttelt hat. Da hat auch jeder wahrscheinlich bewusst – weil ich davon ausgehe, dass man bewusst zu Pressekonferenzen und Pressegesprächen lädt – vielleicht auch ganz bestimmte Worte gefunden.

Dann gab es letztendlich die Situation, dass wir angemeldete Demonstrationen hatten, die auch in einer Demokratie und einem Rechtsstaat zulässig sein müssen, und dann gab es aber auch noch nicht angemeldete Demonstrationen. Es gab angemeldete Demonstrationen von der Grünalternativen Jugend, die haben sich am Christian-Broda-Platz versammelt, und es gab eine Demonstration, angemeldet von einem gewissen Herrn Roman Birke, der am Dr.-Karl-Lueger-Ring bei der Hauptuni sozu­sagen seine Demonstration abgehalten hat. Dann gab es eine Vielzahl von unan­gemeldeten Demonstranten, die laut Polizeibericht sozusagen der linken Szene zuzuordnen sind.


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Dann kommt etwas dazu, was heute eingetreten ist, nämlich an diesem Rednerpult: dass man nicht versucht, sich sachlich mit dieser sehr schwierigen Situation auseinan­derzusetzen, sondern dass man versucht, weiterhin noch Öl ins Feuer zu gießen, indem hier Worte wie „Brunnenvergifter“ und „Brandstifter“ gesagt werden. Das tut nicht gut. (Ruf bei der FPÖ: Na, geh!)

Nein, das tut nicht gut, liebe Freunde. Ich sage euch das nur. Wenn ihr das nicht versteht, dann braucht ihr euch über manche Dinge auch nicht zu wundern. (Bun­desrätin Mühlwerth: Also wir sind schuld, dass ! Bei den anderen ist es immer !) Ich glaube, das ist schon ein Punkt, damit muss man sehr, sehr sensibel umgehen. – Das war meiner Meinung nach die Situation am 27. Jänner am frühen Abend.

Und jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, komme ich zum eigentlichen Inhalt dieser Dringlichen Anfrage, nämlich auch zur Arbeit der Exekutive. Da sind wir uns alle einig, dass wir in Österreich in einem Rechtsstaat leben und dass wir in Österreich in einem der sichersten Länder der Welt leben. Darauf können sich die Österreicher verlassen, aber darauf können sich auch die Besucher unseres Landes verlassen, seien es die Touristen im Sommer und im Winter, seien es die Besucher, die eine Veranstaltung besuchen (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben aber nicht alle !) – und der WKR-Ball ist auch eine Veranstaltung.

Auf die Polizei in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann man sich verlassen. Die Polizei hat sich gut vorbereitet auf diese Veranstaltung. Da muss ich die Worte des Herrn Bundesrates Krusche entschieden zurückweisen, der sagt, dass sich die Polizei mangelhaft vorbereitet hat. Das weise ich auf das Entschiedenste zurück, denn dass die vielen Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten nicht einen hervorragenden Dienst gemacht haben, ist eine unfaire Unterstellung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Bei 1 781 Polizistinnen und Polizisten, die einen Kostenaufwand für den Steuerzahler von 519 304 € verursachen – was uns das zweifellos wert ist, weil wir in einem Rechtsstaat leben –, dann so flapsig hier am Rednerpult zu sagen, die Polizei hat sich nicht gut vorbereitet, das weise ich im Namen der Polizistinnen und Polizisten und auch der Frau Vizepräsidentin auf das Entschiedenste zurück. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Jenewein: Sie haben nicht zugehört!)

Die Aufgabe der Polizei, bezogen auf diese Veranstaltung, ist zweifellos, den Schutz der Besucher zu gewährleisten, die diesen Ball besuchen wollen. Ihre Aufgabe ist es, die Demonstranten letztendlich auch zu schützen, dafür zu sorgen, dass nichts passiert und die Demonstration in geordneten Bahnen abläuft. Aber die Aufgabe der Polizei ist es auch, die Passanten zu schützen, Personenschäden nach Möglichkeit hintanzu­halten und Sachschäden nach Möglichkeit zu minimieren. Bei 3 000 Demonstranten, die an diesem Freitag letztendlich vom Demonstrationsrecht einerseits Gebrauch gemacht haben, andererseits nicht angemeldet und daher illegal demonstriert haben – stimmt –, haben wir unterm Strich natürlich einige verletzte Polizisten, verletzte Demonstranten und einige Sachschäden.

Nur: Ich glaube, wenn wir jetzt vielleicht in der Fernsehberichterstattung ein paar Tage zurückgehen und sehen, was sich woanders abspielt, dann können wir froh und stolz darauf sein und dankbar sein, dass es so ausging, wie es ausgegangen ist. Da möchte ich auch der Frau Vizepräsidentin Pfeifenberger zu ihrer Arbeit herzlichst gratulieren, weil es keine einfache Situation war, die die Polizei da zu bewältigen hatte.

Der Ablauf der Demonstration war letztendlich ruhig, und sie wurde sachlich abge­wickelt. Das ist nicht einfach, und da sieht man auch, wie die Polizei versucht zu deeskalieren, dass man mit den Verantwortlichen der Demonstranten Kontakt auf­nimmt und versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und nicht einfach sozusagen


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die Polizeigewalt ausübt und sich nur auf die mechanische Ausrüstung zurückzieht, sondern das Gespräch sucht. Und wenn die Polizei mit den Demonstranten das Gespräch sucht, dann kann man diese Gesprächskultur zweifellos auch hier im Bundesrat erwarten.

Ich komme noch einmal auf die Bilanz zu sprechen, weil auch Herr Kollege Jenewein die Bilanz der Jahre 2009 bis 2011 angesprochen hat, als Geschäfte gebrannt haben, als Autos demoliert wurden. Und da sagen Sie, Herr Kollege, der Polizeieinsatz vergangenen Freitag war kein Erfolg, wo wir all das verhindert haben? Da vergleichen Sie den Erfolg unserer Exekutive und den Erfolg der österreichischen Sicherheits­struktur mit den Jahren davor, wo wir leider viel mehr zu verantworten hatten? (Bundesrat Jenewein: Das habe ich nicht gesagt!)  Ich glaube, dass diese Zahlen für sich sprechen und zeigen, wie hervorragend unsere Exekutive gearbeitet hat und wie gut unsere Exekutive versucht hat, zu entschärfen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch eines erwähnen, weil das die Frau Innenministerin auch erwähnt hat: dass natürlich der Einsatz das eine ist, aber die Lehren daraus zu ziehen das andere ist. Ich bin sehr froh, dass natürlich, wie bei jedem Einsatz und bei einem Großeinsatz ganz besonders, auch hier evaluiert wird: Wo können wir noch Verbesserungen durchführen, wo können wir letztendlich aus diesen Situationen lernen?

Letztendlich ist der Abend und auch der Ball an sich über die Bühne gegangen, mit einer Stunde Verspätung – aber mit einer Stunde Verspätung beginnen andere Bälle auch, vielleicht aus anderen Gründen. Der hat auch mit einer Stunde Verspätung begonnen, aber unter diesen Voraussetzungen, in dieser Situation können wir Danke sagen und Danke vor allem unserer Exekutive sagen.

Ich möchte bewusst auch noch auf das Datum eingehen, denn ich glaube, wir sollten in der Betrachtung und in der Analyse dieser Situation vergangenen Freitag auch dem Datum den richtigen Stellenwert zuordnen. Der 27. Jänner ist ein besonderer Tag, ist der Gedenktag an die Holocaust-Opfer, und da kann man nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich glaube, alle Veranstalter sind gut beraten, auch diese Situation mit zu bewerten. Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, dass der Kollege Jenewein versucht, die Opfer- und die Täterrolle umzudrehen. (Bundesrat Jenewein: Ich bin der Täter, ach so?)  Ja, das ist ein bisschen gefährlich. (Bundesrat Jenewein: Die Offiziere in Salzburg sind auch Täter? Die haben auch einen Ball gemacht!)

Aber ich sage auch ganz ehrlich – und ich nehme mich hier sehr zurück –, ich möchte in diesem Zusammenhang schon erwähnen, dass schon Ihr Bundesparteiobmann gesprochen hat von: Wir sind das neue Judentum!, dass Ihr Bundesparteiobmann gesprochen hat von: Wir sind uns vorgekommen, als ob es die Reichskristallnacht gewesen wäre. – Jetzt sei es dahingestellt, in welchem Zusammenhang, und es sei dahingestellt, wann und wo er es gesagt hat, aber wenn man sich die mediale Bericht­erstattung anschaut, die mit diesem WKR-Ball und Ihrem Bundesparteiobmann zusam­menhängt, und Sie blättern diese zig Seiten durch, so kommt diese Aussage einige Male vor. Also kann es nicht ganz falsch sein, und ich denke, er wäre auch gut beraten, sich da zu distanzieren und wahrscheinlich auch zu entschuldigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir leben in einem Rechtsstaat, und ich glaube, dieser Einsatz der Exekutive vergangenen Freitag hat gezeigt, dass wir zu Recht auf unsere Bundespolizei, zu Recht auf unsere Exekutive, zu Recht auf unsere Rechtsstaatlichkeit und zu Recht letztendlich auch auf das Innenministerium und die Frau Innenministerin stolz und dafür dankbar sein können, weil das für mich ein Beweis ist, dass in dieser Republik das Demonstrationsrecht zu seinem Recht kommt, aber in


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dieser Republik auch eine Veranstaltung ordnungsgemäß abläuft. Ich glaube, dass auch in diesem Fall die moderne Polizeiarbeit, diese Sicherheit und diese Strukturen, mit den Kosten von 519 000 €, die zu Recht aufgewendet wurden, ein gutes Beispiel dafür sind.

Ich danke der Exekutive und hoffe, dass wir alle in Zukunft auch hinsichtlich der Wortwahl ein bisschen vernünftiger damit umgehen, denn eines will in diesem Raum, glaube ich, niemand und auch in dieser Republik niemand: dass wir uns auseinan­derdividieren lassen und Positionen einnehmen, wo wir dann nicht mehr zurückkönnen.

In diesem Sinne danke ich und wünsche alles Gute. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.00.26

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich möchte zu Beginn, bevor ich mich mit dieser Dringlichen Anfrage auseinandersetze, zu dieser Täter-Opfer-Geschichte ein paar Worte sagen.

Kollege Kainz hat dankenswerterweise auf dieses sensible Datum hingewiesen, auf den 27. Jänner. Er hat es nicht ausgesprochen, aber ich spreche es aus: dieser Ball – die Täter haben auf den Opfern getanzt, so stellt sich das für mich ganz einfach dar. (Bundesrat Krusche: Infame Unterstellung! – Bundesrat Jenewein: Lächerlich! Eine infame Unterstellung! Das ist eine infame Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

So stellt sich das (Bundesrat Jenewein: Infam und widerwärtig!) für die Menschen, die auch dagegen demonstriert haben (Bundesrat Jenewein: Für Sie vielleicht!) – auch für mich (Bundesrat Jenewein: Ja Sie machen das so selten!) –, dar. Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit. So stellt es sich für mich dar! (Beifall bei der SPÖ.)

In Auschwitz wurden über eine Million Menschen ermordet, industriell ermordet! Und an diesem Tag veranstalten Sie einen Ball, verteidigen diesen Ball, sagen: Das Datum ist Zufall, denn wir machen das immer so! (Bundesrätin Mühlwerth: Ist es ja auch!), und stellen sich hierher und sagen: Wir sind jetzt die Opfer! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wer sind die Opfer? (Bundesrat Jenewein: Ja wir waren die Opfer, und wir werden gerade von Ihnen schon wieder zu Opfern gemacht!)

Wenn man sich mit dieser Dringlichen Anfrage auseinandersetzt – ich muss mich bei Ihnen, Frau Bundesministerin, herzlich bedanken für die sachliche Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage –, stellt sich die Frage, warum diese Dringliche heute eingebracht wurde. Und ich denke, die Dringliche wurde deshalb eingebracht, weil man wieder einmal eine Nebelgranate gebraucht hat, um die Aussagen des Herrn Strache zuzudecken. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Man hat einfach eine Nebelgranate gebraucht. Herr Kainz hat es ausgesprochen, ich brauche es nicht zu wiederholen und möchte es auch gar nicht wiederholen, denn das, was Strache behauptet hat, ist ungeheuerlich.

Wenn man sich Aussagen der FPÖ zu früheren WKR-Bällen anschaut, sieht man, die FPÖ steht zur Polizei so, wie sie es gerade braucht: Einmal wird die Polizei gelobt, das andere Mal werden Anfragen gestellt, warum dies und jenes nicht geschehen ist. Daher noch einmal herzlichen Dank für die sachliche Beantwortung, Frau Ministerin.


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Zum Beispiel im Jahr 2009 wurde die Polizei gelobt, und von eurem – ich weiß jetzt nicht, was er ist, ich glaube, Bundesgeschäftsführer, aber ich weiß es nicht genau (Bundesrat Jenewein: Informieren Sie sich vorher!) – Sicherheitssprecher, Herrn Vilimsky, wurde gefordert, jedem Polizisten, der dort Dienst getan hat, 150 € als Prämie zu bezahlen. – Die FPÖ nimmt das so, wie sie es gerade braucht! Daher stellt sich das für mich so dar: Das ist eine Nebelgranate, um diese Aussagen des Herrn Strache zuzudecken.

Dass dieser Ball ein beliebter Ball und Treffpunkt der europäischen Rechten ist, zeigt eine Reihe von Menschen, die ihn schon besucht haben. 2008: Jean-Marie Le Pen, der deutsche Neonazi Jörg Hähnel von der NDP. Hähnel wurde übrigens von der deutschen Justiz wegen Wiederbetätigung schuldig gesprochen.

Weiters waren dort: Bruno Gollnisch (Ruf bei der FPÖ: Wer ist das?), Enrique Ravello. – Soll ich erzählen, wer das ist? Herr Ravello ist Chefredakteur der Zeitschrift  (Bundesrat Jenewein: Nein, der Vorhergehende!) – Der Vorhergehende ist Ex-EP-Mandatar des Front National. (Bundesrat Jenewein: Wie heißt der?) 2005 bezeichnete er Antirassismus als „geistiges AIDS“. – Das sind die Leute, die diesen WKR-Ball sehr gerne von der europäischen Ebene her besuchen und die dorthin kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich kann noch ein paar vorlesen, was zu diesem Ball von der europäischen rechtsradikalen Szene alles heraufkommt (Bundesrat Jenewein: Ja was kommt denn „herauf“?) – und warum sich dann zu Recht Menschen beleidigt fühlen und auch dagegen demonstrieren.

Und Sie bezeichnen das alles dann als „Sachbeschädigung“, als sonst irgendetwas (Bundesrat Jenewein: Nein, die Polizei!) und fragen hier an. (Bundesrat Jenewein: Die Polizei bezeichnet es als Sachbeschädigung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das ist ohnehin beantwortet worden. Aber Sie sagen zu friedlichen De­monstranten „Gesindel“! (Bundesrat Jenewein: Die waren nicht friedlich!) Das haben Sie gesagt, Herr Krusche! Sie sagen zu friedlichen Demonstranten „Gesindel“! (Bun­desrat Jenewein: Haben Sie nicht zugehört: 1,2 Kilogramm Sprengstoff!? 1,2 Kilo­gramm Sprengstoff! Haben Sie nicht zugehört?! – Anhaltende Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.)

Soll ich noch ein paar rechtsradikale Europäer vorlesen, die sich dort treffen? Ich glaube, ich erspare es mir. Das ist, und ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit, ausgesprochene rechtsradikale Provokation, die von Ihnen verteidigt wird, und das sehe ich hier nicht ein!

Noch ein paar so Punkte, ungute Dinge, die auf rechtsradikalen Seiten zu finden sind. Als jemand niedergeschlagen wurde, war die Frage: „Hast du dich an der  roten Sau vergriffen?“ – Antwort darauf: „Nein ich wars diesmal nicht, aber weiß wers war.“ (Bundesrat Krusche: Was hat denn das mit dem Ball zu tun?) – Das hat mit dem Umfeld etwas zu tun. Mit diesem Umfeld hat das etwas zu tun und ist zufällig am nächsten Tag erschienen, nachdem Menschen, auch Demonstranten, niederge­schlagen wurden. (Bundesrat Jenewein: Von wem? – Bundesrat Mag. Klug: Das wird geklärt!) – Wird geklärt! Das wird geklärt.

Ich sage Ihnen nur, auf den rechtsradikalen Seiten erscheint: „Hast du dich an der  roten Sau vergriffen?“, „Nein ich wars diesmal nicht, aber“ ich kenne ihn. „Bekommst“ eine persönliche Nachricht. (Bundesrat Schennach: Aber vielleicht wissen die Herren, wer „Prinz Eugen“ und Herr ?)

Es geht dann weiter: „Wie war das Tanzen, sah dich nachher nicht mehr?“ Der andere schreibt dann: „An die fetten, häßlichen Weiber der“ Lesbenantifa. „Im Schatten, den


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so eine Veranstaltung wirft, solltet ihr nicht übermütig werden.“ Der andere: „das Problem von denen. Sie glaubten, sie wären sicher.“ – Und jetzt kommt es: „Auch sie glaubten falsch!“

Was ist das? – Das ist eine klare Drohung gegen Demonstranten. Eine klare Drohung! (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Das ist das, was Sie hier verteidigen! Und mit diesem Ball provozieren Sie diese Dinge, das will ich Ihnen damit sagen.

Hören Sie auf damit! Distanzieren Sie sich von diesem Ball, und laden Sie nicht Rechtsradikale nach Österreich ein (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), dass sie sich hier vergnügen können. (Bundesrat Jenewein: Und Sie bestimmen das! Sie bestimmen, wen wir einladen! Wir werden Ihnen nächstes Mal eine Liste vorlegen, und Sie machen ein Hakerl!)

Schauen Sie  (Anhaltende Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.)  Nein.

Ich habe mir in Ihren Reden so viele Provokationen anhören müssen, dass Sie das aushalten müssen. Sie provozieren hier rechtsradikales Gedankengut, Sie laden Rechtsradikale zum Tanzen ein – und dann thematisieren Sie hier „Täter und Opfer“. Wer hier die Täter sind, das wissen jetzt alle! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.10.02

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich war selbst am 27. Jänner auf der Kundgebung. Die Kundgebung, an der ich teilgenommen habe, hat um 11 Uhr begonnen. Als Rednerinnen und Redner waren geladen: Frau Heinisch-Hosek, unsere Frauenministerin, die Präsidentin des ÖGB, der Präsident der IKG und einige Menschen aus den Opferverbänden.

Unter den Demonstranten waren sehr viele ältere, betagte Menschen, Überlebende des Holocaust, die, als die RednerInnen das Wort ergriffen haben, in Tränen ausgebrochen sind.

Und das Einzige, was wir alle in der Hand gehabt haben, Kollege Krusche, Kollege Jenewein (Bundesrat Jenewein: Um 11 Uhr Vormittag!), waren keine Steine, keine Brandsätze, sondern Blumen. (Bundesrat Jenewein: Hat ja keiner etwas gesagt!) Wir haben die Blumen zu einem Schriftzug geformt, um ein Zeichen zu setzen. Wir wollten ein Zeichen setzen – und da geht es jetzt nicht darum, dass wir Ihnen verbieten möchten, dass Sie an einem Tag zusammenkommen und feiern. Ich habe überhaupt kein Problem damit. Ich habe echt kein Problem damit, wenn Konservative feiern, wenn auch die Freiheitlichen zusammenkommen und feiern, aber womit ich ein Problem habe, ist, dass Sie sich nicht vom Rechtsextremismus distanzieren (Bun­desrätin Mühlwerth: Wie oft sollen wir uns noch distanzieren? Es wird immer zu wenig sein!), dass Sie, wie der Kollege vorher schon richtig erwähnt hat, ausgewiesene Rechtsextremisten, Antisemiten zu diesem Ball nach Österreich eingeladen haben, dass dieses Gedankengut bei Ihnen nach wie vor salonfähig ist und mitten in die Gesellschaft hineingetragen wird. Das ist das eigentliche Problem, das ich sehe.

Die Frau Innenministerin fühlt sich gedrängt, dass Sie hier eine Dringliche Anfrage der FPÖ mündlich beantwortet. Machen wir das ab jetzt bei jeder Dringlichen Anfrage oder nur bei solchen Themen?


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Warum lassen wir uns vorne hertreiben und vorführen? Warum grenzen wir uns nicht klar und entschieden ab? – Und da möchte ich jetzt die Kollegen der SPÖ und auch der ÖVP in die Verantwortung nehmen: Ihre Abgeordneten im Nationalrat haben die Hand gehoben, und zwar nicht so, ich weiß, aber Sie haben die Hand gehoben, als ein Martin Graf eines der repräsentativsten Ämter in diesem Land bekommen hat, obwohl wir heute wissen, immer schon gewusst haben und jetzt nachweislich wissen, aus welchem Umfeld er sich speist, welches Gedankengut seine Mitarbeiter haben. Und diese Leute repräsentieren unsere Republik. – Da muss ich sagen: Ein klarer Schluss­strich gehört hier gezogen! (Beifall bei den Grünen.)

Nicht nur gegenüber einem Martin Graf, sondern auch einem H.-C. Strache gegenüber, der genauso, wie Sie das jetzt hier vorgeführt haben, eine totale Täter-Opfer-Umkehr betreibt und sich als Unschuldslamm hinstellt. Alle haben ihn falsch interpretiert und falsch zitiert und was weiß ich noch. – Niemand hat ihn falsch interpretiert! Es gibt – und das ist das Problem – keine Abgrenzung!

Ihr habt Leute in euren Reihen, die mit den Rechtsextremisten in Austausch sind, nachweisbar über die Homepage, die jetzt ohnehin vom Netz genommen wurde, Alpen-Donau, weitere sind gekommen. Da kaufen eure Abgeordneten „nette“ T-Shirts, Aufkleber und so weiter (Bundesrat Jenewein: Wer?), und dann stellt ihr euch hierher und beschwert euch, warum wir euch das vorhalten! – Nicht, weil ihr rechts seid, sondern weil ihr euch nicht vom rechten Gedankengut, von Neonazis distanziert! Das ist der Grund, warum es diese Empörung gibt.

Und dann die Leute, die dagegen demonstrieren, hier mit Linksextremisten zu vergleichen oder als Brandstifter zu bezichtigen, das ist eine bodenlose Frechheit! (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Dass es bei einer Demonstration, bei der schätzungsweise 8 000 Demonstranten auf die Straße gehen, einige Volltrotteln gibt – und das sage ich wirklich in dieser Klarheit, dass es einige Volltrotteln gibt –, die nicht wissen, wie sie sich artikulieren sollen und auf die PolizistInnen losgehen oder mit Sachen um sich schmeißen oder auch die Leute am Ballzugang behindern, das ist nicht in Ordnung. Die sollen zum Ball gehen, aber wir dürfen demonstrieren, denn ein Recht in diesem Land ist die Meinungsfreiheit. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir verurteilen nicht die FPÖ, sondern dieses Gedankengut. Und wenn da inter­nationale Rechtsextremisten nach Wien kommen, ist das natürlich eine Rufschädigung für unser Land. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Wenn der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich einen Burschenschafterball besucht, so kann man ihm das nicht übel nehmen. Es ist seine freie Entscheidung. Nur: Er ist mit den Grünen in der Koalition, und die Grünen haben bestimmte Werte, für die sie stehen.

Sie haben vorhin, Herr Kollege, auch selbst gesagt, Sie sind für Liberalität und Frei­heit. – Das sind wir auch. Ich bin für absolute Liberalität und Freiheit, und ich setze mich sogar dafür ein, dass, obwohl ich nichts mit Ihrer Ideologie anfangen kann, auch Leute wie Sie Ihre Meinung äußern können.

Aber das, was ich wirklich nicht brauche, ist, dass es keine Abgrenzung zum Rechtsextremismus gibt, zum Antisemitismus gibt und dass Muslime pauschal als Feindbilder aufgebaut werden, so, wie es die Rechte in Europa unter der Federführung der FPÖ gegenwärtig vorantreibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist pauschal!)

Es gibt Entwicklungen in diesem Bereich, das wisst ihr genauso (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke), die schaue ich auch sehr kritisch an. Aber da eine ganze


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Glaubensgemeinschaft zu denunzieren, zu diffamieren, damit macht man keine Politik, das ist kein Stil!

Daher kann ich wirklich nur appellieren, dass irgendwann einmal in diesem Land ein Politiker auch den Anstand hat, dass er, wenn gewisse Sachen gefallen sind, auch die Konsequenzen daraus zieht. Und Herr Strache mit seinen Äußerungen ist längst überfällig. Eigentlich sollte und müsste er seinen Rücktritt einreichen, denn wenn das, was er sich da geleistet hat, in einem anderen Land gesagt worden wäre, wäre dieser Politiker schon längst Geschichte.

Es gibt auch eine Online-Plattform, wo innerhalb kürzester Zeit mittlerweile – ich habe gerade erst darauf geschaut – über 7 000 Unterschriften gesammelt worden sind, die den Rücktritt von H.-C. Strache fordern. Und ich lade wirklich die zwei Regierungs­parteien ein: Distanziert euch in einer klaren Art und Weise von diesen Leuten! Ein erster Schritt wäre, Martin Graf von seiner Funktion zu entheben. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.18.21

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Jenewein, ich kenne ja wirklich keine Partei, die so gut ist im Austeilen von Vorurteilen, im Menschen-aufeinander-Hetzen und die beim Einstecken so eine dünne Haut hat wie die Freiheitliche Partei. Ich kenne wirklich keine einzige Partei, die sich jetzt offensichtlich in einem Verfolgungswahn wähnt, in einer Paranoia, dass die gesamte Republik, alle Journalistinnen und Journalisten dieser Welt und ich weiß nicht wer aller sie jetzt verfolgt und sie jetzt die armen Opfer einer Treibjagd wären oder irgendwie so.

Also die Aussendungen, die in den letzten Tagen seitens der FPÖ über die APA gelaufen sind, kann ich wirklich nicht verstehen. (Bundesrat Jenewein: Das wundert mich nicht!)

Herr Kollege Jenewein, Sprache zeigt ja manchmal schon, welches Bild jemand vertritt. Und Sie haben uns vorgeworfen, Brunnenvergiftung zu begehen. Vielleicht darf ich Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, woher der Ausdruck „Brunnenvergiftung“ kommt: Das ist ein zutiefst antisemitischer Begriff. (Bundesrat Jenewein macht eine Handbewegung.) – Sie winken ab. Dann gehen Sie auf Wikipedia, geben Sie einmal „Brunnenvergiftung“ ein.

„Brunnenvergiftung“ ist ein Begriff aus dem Mittelalter. Da hat man nicht gewusst, woher die Pest kommt. Man wusste nicht, dass sie von Flöhen kommt, die über Ratten übertragen werden. Also was hat man gesagt? – Die bösen Juden sind es! (Bun­desrätin Mag. Neuwirth: Genau!) Man hat den Juden vorgeworfen, Brunnen zu ver­giften, und hat sie aus der Stadt verjagt. Man hat sie umgebracht. Man braucht nur auf den Judenplatz zu gehen, dort ist das nachvollziehbar. – Und daher stammt der Aus­druck „Brunnenvergiftung“, den Sie benützen.

Ich sage es nur. Vielleicht benützen Sie dieses Wort nie wieder, ich weiß es nicht, aber ich finde es sehr bezeichnend, dass Sie in einer Rede wie der heutigen einen Ausdruck verwenden, der ganz klar aus einem antisemitischen Kontext kommt und dieser Geschichte entstammt.

Der gesamte Umgang Ihrer Partei mit dem WKR-Ball und mit den Demonstrationen und die Umkehr, dass jetzt sozusagen die Undercover-Journalisten die linkslinke Jagdgesellschaft sind und die Demonstranten linkslinke Gutmenschen – diesbezüglich


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frage ich mich immer, was eigentlich das Gegenteil davon ist: ein Bösmensch, ein Schlechtmensch?; ich wäre nicht gerne ein Schlechtmensch, aber gut –, das ist unfassbar!

Sie haben angefangen – und das hat begonnen, das muss man einfach so sagen, 1986 mit der Machtergreifung Haiders in der Freiheitlichen Partei –, Menschen gegen­einander zu hetzen und den sozialen Frieden in diesem Land zu gefährden. Sie haben angefangen, ganze Gruppen pauschal zu verurteilen und für etwas verantwortlich zu machen. Sie haben angefangen, eine gesamte Religion zu verunglimpfen. (Bundesrat Jenewein: Und Ihre Leute schmeißen Steine!)

Meine Leute schmeißen Steine? – Das sind Unterstellungen, die Sie hier machen! (Bundesrat Jenewein: Das ist Faktum!) Das ist unfassbar! Wer mich kennt, weiß im Übrigen, dass ich der friedliebendste Mensch dieser Welt bin. (Bundesrat Jenewein: Ich habe ja ...!) Und ich werfe keine Steine, und ich wüsste nicht, wer meine Leute wären: Ist das meine Mutter oder mein Freund? Wer sind meine Leute? Ich weiß es nicht. (Bundesrat Jenewein: Ihre politischen!)

Sie haben mir sogar Brandstiftung unterstellt. (Bundesrat Jenewein: Ja, klar!) – Also wirklich! Wissen Sie, es ist ständig, es ist ununterbrochen Ihre Partei, die an diesem Gedankengut anstreift. Ich weiß, dass es nicht jede und jeder von der Freiheitlichen Partei ist, das wissen wir alle, aber es sind immer – immer! – Leute von den Freiheitlichen, die anstreifen, verurteilt werden, in Netzwerken stecken, mit Täto­wie­rungen, die eindeutig sind, auf Facebook gefunden werden, die rechtsradikale Sachen im Internet kaufen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die eindeutig dieses Gedankengut haben.

Jetzt reden wir noch einmal über die Burschenschaften, die ja dort gefeiert haben: Sind das diese Burschenschaften, die Barden einladen, die dann so etwas singen können wie: „Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an“? Sind Mitglieder Ihrer Partei in diesen Burschenschaften, ja oder nein? Sind es Burschenschaften mit frei­heitlichen Mitgliedern, die Holocaust-Leugner einladen, ja oder nein? Bei wem durfte Irving auftreten und seine abstruse Holocaust-Leugnung bekannt geben und die Existenz von Gaskammern verleugnen? Waren das Menschen von Ihrer Partei in diesen Burschenschaften, ja oder nein? Denken die Burschenschaften heute noch immer so, ja oder nein?

Schade, dass man keine schriftliche Anfrage an Oppositionsparteien stellen kann, Sie hätten es verdient! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.23.43

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch ich war bei der Demonstration, bei der Kundgebung am Heldenplatz. Ich glaube, ich bin um halb acht Uhr eingetroffen und war bis ungefähr neun Uhr und ich habe in diesem Zeitraum keinen Steinewerfer gesehen. (Bundesrat Mitterer: Ja, um 8 Uhr in der Früh!)

Ich habe einen etwas angetrunkenen, etwas aggressiveren Menschen erblickt, der ist aber dann von den „Mitkundgebern“ beruhigt worden und „heruntergekommen“. Ich habe einmal einen Feuerwerkskörper erblickt, das war es. Ansonsten war es eine Kundgebung, wo auf einer Bühne Reden gehalten wurden und man sich einig war, warum man da ist.


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Und der Grund, warum wir dort waren, war, dass es vorher eine Provokation gegeben hat, und die Provokation ist meiner Meinung nach vom WKR ausgegangen. Wenn an diesem Tag – und es kann mir keiner erzählen, dass vom WKR niemand weiß, was an dem Tag gefeiert wird – ein Ball ausgerufen wird, dann muss man wohl damit rechnen, dass andere Menschen sich dadurch betroffen fühlen und andere Menschen dann kundgeben wollen, dass das nicht ... (Bundesrätin Mühlwerth: Fünfmal betroffen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ja, aber Ihr habt gewusst, oder die haben das gewusst – ihr gehört ja nicht dazu; ich weiß jetzt nicht, wer. Das ist immer so ein bisschen vermischt worden: Auf der einen Seite gab es immer die Bösen, die die FPÖ angreifen, und auf der anderen Seite geht es um den WKR-Ball, der euch ja sowieso gar nichts angeht. – Also das ist meiner Meinung nach auch nicht ganz klargestellt. (Bundesrat Krusche: ...6 festgelegt!)

Aber wie gesagt, ich habe bei der Kundgebung am Heldenplatz keinerlei Gewaltaus­schreitungen bemerkt. Ich habe sehr viele Polizisten gesehen, die zumindest am Heldenplatz, glaube ich, nicht überbeschäftigt waren beziehungsweise zumindest nicht mit Einsätzen überbeschäftigt waren.

Die Provokation war der Ball, und die Provokation war auch, dass sehr wohl Menschen mit einer sehr rechtsrechten Vergangenheit, die auch nicht leugnen, jetzt noch sehr rechtsrechte Politik zu machen, bei diesem Ball waren. Ich denke da nur an – meinen Kollegen will ich jetzt nicht sagen – einen Mann, der bei mir im Bezirk wohnt, nämlich den Herrn Horst Rosenkranz. Der gibt eine Zeitschrift heraus, die laut Dokumen­tationsarchiv als rechtsextrem eingestuft wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sagt gar nichts!) – Das sagt schon etwas. Ja, doch, das sagt schon etwas.

Ich habe auch schon „fakten“ in der Hand gehabt. Und seid mir nicht bös, aber ich weiß nicht, wovon ihr euch abgrenzt! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wenn ihr euch von der Ideologie nicht abgrenzt, die in den „fakten“ steht, dann könnt ihr mir nicht erzählen, dass ihr euch vom Nationalsozialismus abgrenzt. Also sagt, wovon ihr euch abgrenzt! (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) Ihr sagt immer, ihr grenzt euch von allem ab, aber von solchen Dingen grenzt ihr euch nicht ab, und von Herrn Rosenkranz grenzt ihr euch offenbar auch nicht ab.

Ich war bei der Demo. Ich habe keine Steine geworfen. Ich habe mir jetzt gerade anhören müssen, dass ich ein „G’sindl“ bin, weil ich bei der Demo war. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) – Ich habe bei der Demo niemanden beflegelt. Ich habe selber ein großes Problem damit, wenn ich Gewalt beobachte; dann versuche ich, einzuschreiten. Ich bin irrsinnig harmoniebedürftig.

Ich habe aber dann beim Heimgehen schon gesehen, dass es in den Seitengassen sehr wohl solche und solche gab. Ich habe Glatzköpfe gesehen, die eindeutig zuordenbar waren (Bundesrätin Mühlwerth: Ach so? Und warum waren die zuor­denbar?), und ich habe welche gesehen, die schwarz angezogen waren. Ich brauche beides nicht! Ich brauche beides nicht, aber ich brauche auch nicht, dass ihr da hinten sitzt und uns dann beschimpft als Brunnenvergifter et cetera. Das ist ein Wahnsinn! Das ist meiner Meinung nach ... (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Dann redet einmal mit uns, welche Ideologie wir haben, und dann könnt ihr vielleicht irgendwann einmal irgendetwas sagen, aber sicher nicht Brunnenvergifter zu mir, und sicher nicht, dass ich Steine geworfen habe. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) Das ist eine Frechheit, was ihr uns da unterstellt! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Jenewein: ... gesagt! Dann holen wir uns das Stenographische Protokoll!) Dagegen muss man sich wirklich verwehren, und das habt ihr aber gemacht.


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 149

Und unter welchem Vorwand habt ihr es gemacht? Unter welchem Vorwand? Ihr habt eine Anfrage an die Frau Bundesministerin gestellt, um etwas herauszufinden. – Im Übrigen: Ich weiß nicht, aber ich habe auch vernommen, es war eine Anzeige wegen des Verbotsgesetzes dabei. Ich nehme einmal an, das war kein Linkslinker, aber ich weiß nicht, vielleicht hat man den Täter schon, oder es ist das schon irgendwie verifiziert. Den Täter muss es geben, denn sonst hätte er keine Anzeige gekriegt.

Ich distanziere mich von Gewalt auf beiden Seiten, das ist für mich ganz klar, und das könnt Ihr auch schriftlich von mir haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich bin sehr, sehr froh, dass es junge Menschen gibt und auch ältere Menschen in diesem Land – es waren nicht nur junge bei der Kundgebung und bei der Demo –, die sehr wohl feinfühlig sind und die nicht zulassen, dass bei einem Ball getanzt wird an einem solchen Tag. Erstens einmal schadet es unserem Ansehen, und zweitens einmal haben wir alle gelernt, was vor nicht ganz einem Jahrhundert in Österreich los war und was das für eine Zeit war.

Und ich bin wirklich froh – leider, leider sind es sowieso nicht mehr so viele, aber ich bin wirklich froh –, dass es noch Jugendliche gibt, die darüber nachdenken, was dort passiert ist, und ob man ein kleines Anstreifen an diese Zeit zulassen soll oder nicht. Ich bin der Meinung, man soll es nicht zulassen.

Wenn sich jemand zu distanzieren hat, dann seid das wirklich ihr. Und dann distanziert euch klar, und zwar solltet ihr sagen, wovon ihr euch distanziert: Distanziert ihr euch von einem Herrn Rosenkranz? Distanziert ihr euch von „fakten“, oder distanziert ihr euch nur von einem Herrn Hitler anno dazumal? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das fällt euch vielleicht leicht, aber wahrscheinlich auch nicht jedem von euch. – Dem Herrn Rosenkranz zum Beispiel nicht. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.29.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Auch von unserer Seite ein Danke für die Beantwortung, für die prompte und vor allem für die detailreiche (Ruf bei der ÖVP: Genaue!) Beantwortung unserer Anfrage, die ich natürlich schon als dringlich erachtet habe, weil die Angele­gen­heit nicht lustig ist.

Ich finde es wirklich interessant: Ihr wehrt euch gegen Pauschalverurteilungen, und im selben Atemzug, wo ihr sagt, man soll das nicht machen, macht ihr es selber. Ihr unterstellt uns pauschal, wir sind alle Rechtsextremisten, wir sind alle Nazis, wir sind eine rechtsextreme Partei. (Bundesrätin Kerschbaum: Nein, das hat ...! Hör zu!) Was ist das anderes als ein Pauschalurteil?!

Und: Wie oft sollen wir uns eigentlich noch vom Nationalsozialismus distanzieren? Wir haben das schon so oft gemacht (Bundesrat Kraml: Wo?), aber ihr wollt es nicht zur Kenntnis nehmen, denn das passt nicht in das Schema hinein und das passt nicht in das Bild hinein. Und deutlicher als der Heinz-Christian Strache sich in der „ZiB 2“ distanziert hat, kann man es nicht mehr machen! (Ironische Heiterkeit bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Mag. Klug: Das hat er ja selber nicht geglaubt!) – Ja, da wird gelacht, und dann heißt es: Nein bitte, das ist ja alles nicht so!, und: Das glauben wir ihm nicht! – Man kann es euch nie recht machen.

Ich sage euch eines: Ich distanziere mich hier nicht mehr, denn ich muss das nicht mehr. Ich habe es nicht nötig, mich zum fünfhunderttausendsten Mal von etwas zu distanzieren, das ich ablehne. Punktum! (Bundesrat Schreuder: Martin Graf auch?


BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 150

Martin Graf?) Und das gilt für meine Kollegen auch, das gilt auch für den Dritten Präsidenten Martin Graf. Punkt, Ende! (Bundesrat Schreuder: Nein! Distanzieren Sie sich von Martin Graf auch? Von seiner Burschenschaft?) – Nein, wozu? Warum soll ich mich von einem aufrechten Demokraten distanzieren? Ich wüsste keinen Grund. (Bundesrat Schreuder: Und von seiner Burschenschaft?)

Dann möchte ich nur zu Ihrer Behauptung – weil ihr strotzt ja vor Behauptungen – schon etwas sagen. Sie leben ja auch nach dem Motto: Ich behaupte etwas, ich schmeiße da irgendetwas in die Runde, und dann glauben es alle. Dieses Lied ist niemals bei der Burschenschaft Olympia gesungen worden. Und Herr Dr. Gerfried Sperl musste im „Standard“ einen Widerruf dazu machen, wo er Folgendes schreiben musste:

„Ich, Dr. Gerfried SPERL, widerrufe die Behauptung, dass bei einem Liederabend der Wiener akademischen Burschenschaft OLYMPIA am 25.1.2003 ein Lied mit dem Text ,mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an ...‘ vorgetragen wurde, als unwahr.“

(Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum. – Bundesrat Schreuder: Okay, Irving! Irving!)

Ja, jetzt sagen Sie: Okay!, aber Sie hoffen ja immer (Bundesrat Schreuder: Irving!), wenn Sie irgendetwas sagen, dass Sie mit diesen Behauptungen durchkommen. (Bundesrat Schreuder: Irving! Was ist mit Irving?) Sie warten ja geradezu darauf, dass man Ihnen das Gegenteil beweist, dass man Sie widerlegen kann. (Bundesrat Schreuder: Was ist mit Irving?)

Warum machen Sie das? Warum fordern Sie von uns ein, dass wir uns mäßigen? (Bundesrat Schreuder: Was ist mit Irving?) Wir sollen gemäßigt sein, wir sollen auf dieses Rücksicht nehmen und auf jenes – Sie tun das alles nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe von Ihnen beiden – den Kollegen Dönmez jetzt ausgenommen, der deutlich gesagt hat, dass er diese Gewaltsachen nicht goutiert (Bundesrat Schreuder: Ich auch nicht!) und sie auch zurückweist – keinerlei Distanzierung in diese Richtung (Zwischen­rufe der Bundesräte Kerschbaum und Schreuder) – auch nur ansatzweise – gehört, indem Sie gesagt hätten: Ich will nicht, dass da Gewalt ausgeübt wird.

Ganz im Gegenteil! – Na was ist denn schon eine Bombe mit einem Sprengsatz von 1,20 Kilo? (Bundesrätin Kerschbaum: Wer hat das gesagt? – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Das nimmt man einfach so mit, wie man eine Handtasche mit sich trägt, weil es lustig ist, weil man nicht bereit ist, sie notfalls auch einzusetzen und damit in Kauf zu nehmen (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum), auch Menschen zu töten, wie es mein Kollege Hans-Jörg Jenewein gesagt hat? Das macht man einfach so, weil einem gerade danach war? – Das glauben Sie ja wohl selber nicht!

Und Sie haben selber genug zu tun, sich von Ihren linken Kollegen zu distanzieren, die ... (Bundesrätin Kerschbaum: Von welchen?) – Ja, alle, die da immer demonstrie­ren, die, die auch sagen, sie sind von den Grünen – die Sozialistische Jugend gehört da auch dazu –, die zum Beispiel Folgendes getan haben – gehen wir einmal weg vom WKR-Ball – bei einer friedlichen Demonstration, bei der nicht nur Freiheitliche waren, sondern ganz normale Bürger, die eben im 20. Bezirk gegen den Bau einer Moschee demonstriert haben. Es war eine friedliche Kundgebung, die durch die Stadt gegangen ist.

Es gab das übliche Geheul von der linken Seite mit Trommeln und Pfeifen und bespucken. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Daneben skandierend, einher­laufend, junge Buben – auch noch solche, die meiner Meinung nach da verhetzt wer-


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den –, die skandieren: Nazis raus! Also auch die Bürger, die da demonstriert haben, waren jetzt einfach einmal Nazis. Tötet sie!, war das Nächste! (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Tötet sie! – Das haben wir aufgenommen, das können wir beweisen.

Oder wenn wir, wenn die Freiheitlichen das Fest im Rathaus haben, das im Innenhof des Wiener Rathauses stattfindet (Bundesrat Kainz: ... zur Sache reden? Was hat das ...?), und dann kommen die Demonstranten, und es passiert wieder das Gleiche. Es geschieht wieder das Gleiche, weil es immer dieselben sind – ich will Ihnen verdeut­lichen, dass das nicht zum ersten Mal passiert – und sie skandieren dann: Ein Baum, ein Strick, brecht Strache das Genick!

Das sind aber alles Sachen, liebe Kollegen von den Grünen, wo ihr dann lacht und sagt: Ja mein Gott, jetzt tut euch nichts an! – Man kann hier nicht mit zweierlei Maß messen.

Ich habe das schon letztes Mal gesagt, dass es keinesfalls die Absicht war, die Opfer des Holocaust zu verhöhnen und den Tag der Befreiung von Auschwitz hier in irgendeiner Form zu verunglimpfen, oder es so dastehen zu lassen, als ob wir auf deren Gräbern tanzen wollten – das habe ich damals zurückgewiesen, das weise ich heute zurück –, es war ein zufälliges Zusammentreffen! Und Sie wissen auch, eine Ballplanung geschieht nicht von heute auf morgen, sondern die geschieht Jahre im Voraus. Nicht immer schaut man sich das Datum an und sagt: Aha, das ist der 27. Jänner. – Dann war es das schon, dann steht das Datum! Dann steht der Ball, und du kannst nicht mehr zurück! Aber ich möchte nicht, dass uns unterstellt wird, dass wir das tun, weil wir das latent sowie alles gut finden. Ich kenne keinen!

Ja natürlich, es hat den einen oder anderen gegeben, der sich da nicht genügend abgegrenzt hat, die waren aber auch gleich alle weg. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Es gibt keinen Herrn Königshofer mehr in der Partei. Der musste zurücktreten, weil auch H.-C. Strache gesagt hat: Das geht nicht, das wollen wir nicht, wir lassen das. (Bundesrat Schreuder: Na, was ist mit Martin Graf?) – Martin Graf hat nichts gemacht; ich weiß nicht, wovon Sie reden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte Ihnen jetzt noch etwas mitgeben, weil es so dargestellt worden ist: Na ja, es ist ja Gott sei Dank sowieso nicht viel passiert. Und im Übrigen hat der Kollege Krusche die Polizei nicht angegriffen, Herr Kollege Kainz, er hat gesagt, die Einsatzleitung hat das offensichtlich nicht ordentlich geplant. (Bundesrat Kainz: Ist die Einsatzleitung keine Polizei?)

Mir hat ein Exekutivbeamter erzählt (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kainz) – was auch zeigt, dass die Leitung nicht optimal war –, dass Exekutivbeamte aus den Bundesländern in einen Bus gesetzt wurden – da waren nur Leute aus den Bundesländern, und die kennen sich in Wien nicht aus –, und die haben verzweifelt die Herrengasse gesucht und haben halt 10 Minuten gebraucht, bis sie dort hingekommen sind. (Bundesrat Kainz: Na geh bitte, das glaubt Ihnen ja niemand! Das ist ja fürch­terlich!)

Ob Sie es glauben oder nicht, das ist eigentlich völlig uninteressant. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist die Frage, ob es so war! Glauben ist eine Glaubensfrage (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kainz), die hat etwas mit Religion zu tun, ansonsten war es offensichtlich so. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Es haben viele dieser Dinge, die auch meine Kollegen heute schon aus persönlichem Erleben angesprochen haben, stattgefunden, die auch mir nahe stehende Personen erlebt haben, zum Beispiel jener Anschlag auf die Burschenschaft Bruna Sudetia in der Strozzigasse (Zwischenruf des Bundesrates Kainz), wo Vermummte eingedrungen


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sind, ein bengalisches Feuer hineingeschmissen haben, versucht haben, die Tür einzutreten, und die Personen, die sich dort einfach nur getroffen haben, weil sie gemeinsam auf den Ball gehen wollten, noch am nächsten Tag geschockt waren, weil sie nicht damit gerechnet haben und so etwas auch noch nie erlebt haben.

Ich denke, das muss auch nicht sein, auch dann, wenn andere eine Veranstaltung machen, die mir überhaupt nicht passt. Es würde keinem Freiheitlichen einfallen, eine grüne Veranstaltung zu stören. Keinem! Nein, das hat von uns auch noch niemand getan. (Beifall bei der FPÖ.)

Das hat von uns auch noch niemand getan. Ich kenne keinen, und ich weiß auch von keinem. Und wäre es so, dann würde ich das auch verurteilen, nur dass das klar ist. (Zwischenrufe der Bundesräte Kerschbaum und Schreuder.)

Aber weil Sie so gesagt haben: Na ja, jetzt tut euch nichts an, es ist ja eigentlich nichts passiert!, möchte ich schließen mit etwas, was Friedrich Torberg seine Tante Jolesch sagen lässt (Bundesrat Mag. Klug: Die hat aber viel gesagt!):

„Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist“! (Beifall bei der FPÖ.)

17.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Dönmez. (Bundesrat Dönmez bringt einen Tablet-PC mit ans Rednerpult.)

 


17.38.57

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Wir leben im Zeitalter der Informationstechnologie, das ist manchmal sehr nützlich. (Der Redner schwenkt den Tablet-PC Richtung Plenum hin und her und zeigt ein Video.)

Hier auf YouTube, für alle einsehbar, eine Wahlkampfveranstaltung der FPÖ mit lauter netten Burschen – und Sie stellen sich hier her und sagen, ihr grenzt euch vom Nationalsozialismus ab. (Bundesrat Jenewein: Sollen wir das Spiel spielen? Das kön­nen wir gerne machen!)

Das sind Neonazis, die bei jeder Veranstaltung von euch dabei sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Woran sieht man das?) Und darum braucht ihr und euer Parteiobmann, wurscht, wo er hingeht, immer auch Polizeischutz – wir nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich kann euch den Link gerne schicken. Man braucht nur auf YouTube „FPÖ“ einzu­geben, und dann kommen alle diese Kurzvideos, die jeder dann für sich selber bewerten kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

17.40.15Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesord­nung wieder auf.

Wir setzen die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 8: Grüner Bericht 2011, fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte, Herr Minister.

 



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17.41.21

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Grünen Bericht: Es wurde von den Vorrednern eingangs schon erwähnt, dass es ein Plus bei den Einkommen gegeben hat, das ist erfreulich. Es wurde aber nicht das große Einkommensminus aus dem Jahr 2009 kompensiert, das die Landwirtschaft gehabt hat. Das zeigt, wie volatil die Preissituation ist, wie extrem die Einkommensschwankungen sind – die Amplitude ist extrem hinauf- und hinuntergegangen – und wie unsicher es ist, agrarisch zu wirtschaften, nicht nur aufgrund von Wind und Wetter, diesen Einfluss hat es immer gegeben, sondern auch aufgrund der Marktsituation, teilweise bedingt durch Spekulation, wodurch es ein extremes Ausschlagen von Preisen und damit Unsicherheit bei den Einkommen gibt.

Unter diesem Titel findet auch die Diskussion zur gemeinsamen Agrarpolitik statt, die seit zwei Jahren intensiv läuft und die heuer in eine sehr heiße Phase tritt. Im Oktober des vergangenen Jahres hat die Kommission die sogenannten Legislativvorschläge vorgelegt, also den Gesetzestext, wie die Agrarpolitik von 2014 bis 2020 ausschauen soll.

Da hat Österreich im Vorfeld bereits einige Hürden genommen. Eine EU-weite Flächenprämie wird es nicht geben, wie es die osteuropäischen Länder beispielsweise wollten, auch dass die Unterstützung für die Bergbauern in der zweiten Säule bleibt, aber es sind noch sehr viele Fragen offen.

Zum einen ist die finanzielle Ausgestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik überhaupt nicht gesichert. In der ersten Säule etwas. In der zweiten Säule, das ist das Herzstück der österreichischen Agrarpolitik, nämlich Umweltprogramm, Bergbauernprogramm, sind die Finanzmittel gar nicht gesichert. Dort ist mit großen Einschnitten zu rechnen. Wir kämpfen darum, dass diese Mittel gesichert sind, weil gerade die zweite Säule Österreich sehr viel Ansehen bringt und Österreich zu einem Vorbild in der Agrarpolitik macht. Jedenfalls von Kommissionspräsidenten Barroso abwärts wird Österreich wegen seiner Agrarpolitik gelobt.

Daher ist eine Renationalisierung, wie es angesprochen wurde, auch der falsche Weg, denn was vielleicht als simple Lösung klingt, renationalisieren wir die gemeinsame Agrarpolitik und machen wir alle Dinge selber, funktioniert deswegen nicht, weil wir uns auf völlig liberalisierten Märkten bewegen. Wir haben das im Vorjahr bei Dioxin in Futtermitteln in Deutschland gesehen. Der Schweinepreis ist unter Druck gekommen, und sofort, beinahe über Nacht ist das Schweinefleisch nach Österreich gekommen und hat den Markt überschwemmt. Da kann es keine Renationalisierung der Agrar­politik geben, weil diese in koordinierter Weise nur im gemeinsamen europäischen Konzert stattfinden kann.

Im Übrigen ist es auch so, dass wir durch die österreichische Agrarpolitik mehr Geld aus Brüssel bekommen, als wir für den Agrarsektor einzahlen. Das heißt, die Rückflüsse sind höher. Wir zahlen in etwa 1,2 Milliarden € als aliquoten Anteil am Mitgliedsbeitrag Österreichs in die Europäische Union ein und bekommen aber 1,3 Mil­liarden € durch die Entwicklung des Agrarprogramms, des Umweltprogramms, der Bergbauernunterstützung zurück. Das heißt, es gelingt uns, diese Mittel auszulösen. Diese Mittel stehen aber jetzt angesichts der Budgetsanierung zur Diskussion.

Ich darf schon an die Damen und Herren des Hohen Hauses in diesem Zusam­menhang appellieren. Wenn man sich die öffentliche Diskussion zu diesem Thema anschaut, dann sieht man, dass manche politischen Gruppierungen, aber leider auch die Arbeiterkammer geradezu so tun, als ob das Budget über die Landwirtschaft zu


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sanieren wäre. Es wird ja jeder verstehen, dass das bei einem Budget von 70 Milliar­den €, wenn der Agraranteil 3 Prozent beträgt, nicht geht.

Es hat der Agrarbereich beim Budgetsanierungspaket Loipersdorf seinen aliquoten Anteil mit 240 Millionen € getragen. Das Lebensministerium, die Landwirtschaft hat so wie einige wenige Ministerien den höchsten Kürzungsprozentsatz gehabt, im Gegen­satz zu anderen Ressorts. (Bundesrat Mag. Klug: Das war Konsens, Herr Minister!) Ich sage das nur deswegen, weil es immer so dargestellt wird, als ob da Milliarden­beträge zu holen wären.

Der Punkt ist, dass es mir darum geht, dass man die Dynamik in der Landwirtschaft erhalten muss und dass man genau die Programme, für die wir in Europa gelobt werden, Umweltprogramm, Bergbauernprogramm, nicht gefährden darf, indem man dort Kürzungen vornimmt, nach dem Motto, die Bauern bekommen einen Haufen Geld und da gehört ohnehin gekürzt, und übrigens, die Großen bekommen noch viel mehr Geld. Also so simpel ist die Welt nicht, denn wenn dort diese Gelder wegkommen, dann kann Österreich diesen ökologischen Weg in der Landwirtschaft nicht mehr gehen.

Die EU schickt sich gerade an, ökologisch zu wirtschaften, und wenn wir das gefährden, dann wird es die Biolandwirtschaft, wie sie hier gelobt wird, nicht mehr geben. Wir sind Bioweltmeister, auch als Ergebnis des Umweltförderungsprogramms und auch, weil die großen Betriebe in die Biolandwirtschaft eingestiegen sind. Ich ersuche Sie, die Fakten anzuschauen.

Zum Thema gerechte Verteilung, weil das immer wieder kommt: Sie dürfen diese Zahlungen nicht mit Sozialzahlungen verwechseln. Die Verteilung ist deswegen gerecht, weil sie leistungsorientiert ist. Wenn ein 5 Hektar Ackerbaubetrieb und ein 100 Hektar Ackerbaubetrieb nicht dieselben Leistungen erbringen, dann kann doch der 5 Hektar Ackerbaubetrieb nicht dieselben Prämien bekommen wie ein 100 Hektar Ackerbaubetrieb. Das ist ja völlig gegen das Leistungsprinzip.

Der Punkt ist, wenn das Umweltprogramm für größere Betriebe so uninteressant wird, dann steigen die aus, das ist ein freiwilliges Programm, und es wird diesen ökolo­gischen Weg in der Landwirtschaft nicht mehr geben. Bedenken Sie das bei Ihrer politischen Argumentation!

Im Übrigen haben wir drei Kürzungsstufen für Großbetriebe jetzt schon in den Programmen: In der ersten Säule die sogenannte Modulation, wo ein ansteigender Prozentsatz gekürzt wird. Betriebe bis 5 000 € bekommen keine Kürzung ihrer Prä­mien, aber ab 5 000 € steigt der Kürzungsprozentsatz, bis jetzt beträgt die Kürzung 10 Prozent dieser Prämien. Und Betriebe, die mehr als 300 000 € bekommen, haben eine weitere 4-prozentige Kürzung zu verzeichnen. Und dieses Geld der großen Betriebe fließt in die ländliche Entwicklung zur Finanzierung des Umweltprogramms, Bergbauernprogramms für kleine Betriebe. – Erster Kürzungspunkt.

Zweiter Kürzungspunkt: Umweltprogramm: Ab 100 Hektar gibt es Kürzungen, 100, 300 Hektar und bis 1 000 Hektar gibt es Kürzungen der Prämien, die den Kleineren zugutekommen.

Dritter Kürzungspunkt: Im Bergbauernbereich wird ab 60 Hektar gekürzt, ab 100 Hektar bekommt der diese Prämie nicht mehr. Bedenken Sie, dass wir diese soziale Symmetrie hier eingebaut haben, dass aber gleichzeitig gewahrt sein muss, dass auch für Großbetriebe das Umweltprogramm so interessant ist, dass sie hier mittun, auch in der Biolandwirtschaft oder sonst wo. Und ich will diesen Wert nicht gefährden, nicht aus Bestemm oder weil ich hier mauere, sondern weil ich nicht etwas gefährden will, was uns in Europa berühmt macht.


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Wenn Sie sich die Statistik anschauen, abseits jeder Parteiideologie, dann sehen Sie, dass wir nach wie vor eine bäuerlich strukturierte Landwirtschaft haben, die leistbare Lebensmittel in hoher Qualität erzeugt. Schauen Sie sich andere Systeme in Europa an, wo es in die Massenproduktion und in die industrialisierte Tierhaltung geht. Diesen Weg zu gefährden, das wäre falsch. Trotzdem wird der Agrarbereich seine Einspa­rungs­beiträge leisten, indem wir ein Strukturprogramm hinstellen. Und da können Sie mir glauben, es ist einfacher, irgendwo eine Million Euro zu kürzen, als Strukturen zu ändern, die dann mittel- und langfristig Einsparungseffekte erzielen. Das machen wir.

Es ist von einer Pestizidstrategie gesprochen worden. Wenn ich größere Betriebe aus dem Umweltprogramm hinausdränge, wo sie Auflagen bekommen bei der Düngung, beim Pflanzenschutz, beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, dann herrscht dort freier Markt, dann müssen sich die den freien Marktkräften aussetzen, weil sie keine Öko­prämie bekommen, und dann muss produziert werden auf Teufel komm raus unter Einsatz von Pestiziden und Dünger. Bedenken Sie das, wenn eine politische Debatte geführt wird.

Noch einmal: Es wird jeder seinen Beitrag leisten, und es muss dieses Sparpaket ausgewogen sein. Aber nur zu sagen, so und jetzt gehen wir es bei den Bauern an, das wird es nicht geben. Das war auch die Intention in der Diskussion zum Ferkel­schutzkorb. Wir haben uns mit dem Bundesminister Stöger auf eine Lösung geeinigt, die von allen akzeptiert wird, insbesondere auch von jenen, die am meisten betroffen sind, nämlich den Schweinebauern.

Wir erleben in der Legehennenhaltung gerade ein Fiasko auf europäischer Ebene. Mit 1. Jänner 2012 hätte die Käfighaltung bei den Legehennen verboten werden sollen. Österreich hat mit 1. Jänner 2009 umgestellt. Es gab einen Megaaufwand, um die bäuerlichen Betriebe dorthin zu bringen. So, liberalisierter Markt. Jetzt kommen täglich 50 Millionen Eier aus Käfighaltung von Staaten, nicht nur in Osteuropa, auch in Westeuropa, die noch nicht umgestellt haben, zwölf Staaten, auf liberalisierten Märkten. Und jetzt sagen Sie mir, wie Sie einem österreichischen Produzenten, einem Bauern, der Bodenhaltung oder Biohaltung macht, erklären, wie das hier funktionieren soll.

Daher kämpfen wir darum, unsere Betriebe zu erhalten, und daher sind wir für den Tierschutz – ja, artgerecht, da sind wir Vorbilder –, aber es muss schon entsprechende Marktregeln geben. Darum geht es auch bei der gemeinsamen Agrarpolitik und bei der Budgetsanierung. Ich bin ganz dabei.

Frau Bundesrätin Ebner! Sie haben gesagt, die Landwirtschaft soll nicht kaputtgeredet werden. Da haben Sie recht! Ich verstehe nicht, dass in der öffentlichen Diskussion in ganz Europa unsere ökologisch nachhaltige Landwirtschaft gelobt wird, die gemein­same Agrarpolitik soll so werden, wie sie in Österreich ist – ohne Selbstberühmung –, während wir in Österreich das mutwillig verändern und ins Negative verdrehen wollen.

Das heißt aber nicht, dass man nicht sparen will. Natürlich wollen wir sparen. Wir haben den Strukturwandel, das ist ja angesprochen worden, und es wird ihn auch weiter geben. Leider kommen die kleinen Betriebe und auch die großen aufgrund des enormen Preisdrucks in Schwierigkeiten und können nur vom Marktpreis nicht leben. Daher brauchen sie Prämien. Wir verlangen von ihnen Ökoleistungen, sie bekommen die Prämien nicht einfach, weil sie als Bauern so nett sind, sondern weil sie konkrete Leistungen vollbringen.

Zum viel zitierten Thema Agrardiesel: Es ist nicht die Landwirtschaft alleine, die eine Mineralölsteuerrückvergütung bekommt. Die Schifffahrt, die ÖBB, der Flugverkehr, angeblich die Wiener Linien, die Wirtschaft bekommen eine Energieabgaben­rück­vergütung, das heißt, es gibt viele Gesellschaftsbereiche, die Derartiges bekommen.


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Mir geht es darum, dass man, wenn man von Gerechtigkeit spricht, sich wirklich ansieht, wer etwas bekommt, und nicht so tut, als ob die Bauern eine privilegierte Gruppe wären, die frisch fröhlich mit Gratissprit fährt.

Im Übrigen gibt es so ein Mineralölrückvergütungssystem in ganz Europa, in unseren Nachbarstaaten Deutschland und Italien und in anderen Länder auch. Da geht es um Wettbewerb auf freien Märkten. Es geht nicht um Bestehen, sondern um eine vernünftige, sachliche Diskussion, in der jeder versucht, ein ordentliches Budgetkon­solidierungspaket auf die Reihe zu bringen. So wird es auch sein am Ende des Tages, jedenfalls tun wir seitens der Landwirtschaft alles dafür. Dieses Budgetkonso­lidie­rungspaket soll der Landwirtschaft eine Perspektive geben. Wenn wir in zwei Jahren eine neue gemeinsame Agrarpolitik haben, wird sie auch in Österreich sehr große Veränderung bringen. Es sind noch nicht einmal die Finanzmittel gesichert, aber wir wissen jetzt schon, dass es eine Veränderung geben wird.

Es geht darum, diese Betriebe in schwerer werdenden Zeiten wettbewerbsfähig zu halten. Darum ersuche ich Sie in dieser Debatte. Der Grüne Bericht ist ein guter Anlass dazu, und ich danke den Mitarbeitern meines Hauses für die ausgezeichnete Arbeit an diesem Grünen Bericht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konrad. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.53.09

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum Grünen Bericht komme, erlauben Sie mir, persönlich etwas anzubringen: Ich war im Dezember krank und hatte Zeit, vor dem Fernsehschirm die Debatte im Bundesrat zu verfolgen. An dieser Stelle möchte ich mich einmal beim ORF dafür bedanken, dass er diese Übertragung macht. Mit den Erläuterungen, die zwischendurch gegeben werden, leistet er wirklich gute Arbeit. Es ist nämlich wichtig, dass unsere Tätigkeit hier im Bundesrat auch nach außen publik wird, dass die Damen und Herren vor den Fernsehgeräten wissen, worum es im Bundesrat geht. (Allgemeiner Beifall.)

Es wurde schon einige Male gesagt, dass sich die Diskussionskultur hier im Bundesrat schon von jener im Nationalrat unterscheidet – der Minister wird es am besten wissen, er ist sehr oft auch im anderen Haus aktiv. Selbst bei der Debatte, die vorhin zur Dringlichen Anfrage geführt wurde, muss man eines sagen: Bei all den Emotionen, die natürlich vorhanden sind, glaube ich schon – wenn man Live-Übertragungen des Bundesrates und des Nationalrates sieht –, dass einige Damen und Herren vielleicht doch ab und zu bei uns hereinschauen und unsere Debatten verfolgen sollten. Man kann unterschiedliche Meinungen haben. Man kann das auch kräftig vertreten, aber es sollten auch andere Platz finden, um die eigene Meinung zu vertreten. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Dönmez.)

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Grünen Bericht: Der Herr Minister hat es schon gesagt, es geht natürlich um die Nahrungssicherheit der Bevölkerung in Österreich. Es geht darum, dass es Nahrungsmittel für jene Menschen, die wir hier zu vertreten haben, gibt, die zu einem Preis und in einer Qualität auf dem Markt sind, die passend sind. Das Förderwesen in der Landwirtschaft ist generell sinnvoll, es macht Sinn, dass man die Produktion unterstützt.

Es gibt allerdings schon Schwierigkeiten, und das ist ja nicht der erste Grüner Bericht, zu dem ich sprechen darf. Immer wieder geht es im Grunde genommen um die gleichen Themen. Der Bereich der Landwirtschaft ist eben einer jener Bereiche, in


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denen immer ein Rückgang zu verzeichnen ist. Immer weniger Landwirte produzieren die Nahrungsmittel in Österreich. Der Politik werden Vorwürfe gemacht – ja, wir könnten das eine oder andere besser machen, keine Frage, aber im internationalen Vergleich sind wir in Österreich durchaus gut aufgestellt.

Herr Minister, natürlich gibt es einige Punkte, die anzusprechen sind. Sie haben die Meldungen aus der Arbeiterkammer angesprochen. Manche Dinge wären vielleicht einfacher darzustellen, um zu zeigen, dass in der Landwirtschaft Chancengleichheit herrscht, dass nicht nur Große gefördert werden. Es herrscht Chancengleichheit mit anderen Branchen, ob das jetzt die Wirtschaft ist oder ob das die Arbeitnehmer sind. Alle in Österreich machen das im Großen und Ganzen, ob das die Arbeitnehmer­veranlagung ist, ob das die Steuererklärungen aus dem Wirtschaftsbereich sind. Alle machen das.

In der Landwirtschaft gibt es nach wie vor die Pauschalierung, und ich glaube, dass gerade diese Pauschalierung im Landwirtschaftsbereich auch ein bisschen die Ge­schich­ten nährt, wenn es heißt, dass die Abfuhr von Steuern nicht gerecht ist. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.) – Das mag sein, dass es, wie Sie sagen, Legendenbildung ist. Aber wenn es Legenden sind, dann schaffen wir dem Abhilfe und schaffen diese Pauschalierungen ab – zumindest für Betriebe, die größer als 20 Hektar sind. Dafür gibt es ja Parlamente, dass man in einen Diskussionsprozess eintritt und schaut, ab welcher Größe das Sinn macht.

Ich glaube, man sollte die Grenze nicht zu hoch ansetzen, denn wenn es Arbeit­neh­mern zumutbar ist, dass sie ihre Arbeitnehmerveranlagung machen, wenn es Ein­personenunternehmen zumutbar ist, dass sie ihre Einkommenserklärungen abgeben, dann wird es den Landwirten auch zumutbar sein, solche Erklärungen abzugeben. Herr Minister, da nehme ich mich selbst mit hinein, ich habe selbst eine kleine Landwir­tschaft. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.)

Wenn dem so ist, Herr Minister, warum nicht? Wenn eine Negativsteuer herauskommt, warum nicht? Ich glaube schon, dass das Steuersystem einen Schritt fairer werden würde, wenn man auch diesen Bereich mitbeachten würde. Gerade in der Land­wirt­schaft gibt es ja gute Ausbildungen, ich habe selbst einen landwirtschaftlichen Facharbeiter. In diesen Bereichen wird auch ausgebildet, man lernt Buchhaltung und diese ganzen Dinge. Warum macht man das dann nicht? Mit der Umsetzung solcher Wünsche nach einer Gleichbehandlung im steuerrechtlichen Bereich tut man ja niemandem etwas Böses. Wenn jemand vorher keine Steuern gezahlt hat und kein Einkommen hat, dann zahlt er dann auch keine Steuern.

Zur Verteilung der Fördermittel haben Sie gesagt, dass es schon eine Abstufung gibt, dass größere Betriebe Abschläge haben. Aber ich glaube, man muss sich das wirklich noch einmal genauer anschauen. Sie sagen es, der Topf ist enden wollend, und es gibt einfach nur jene Mittel, die für diesen Bereich vorhanden sind. Wie die Mittel aufgeteilt werden, wie wir das zuwege bringen, daran sind wir ein Stück mit beteiligt.

Förderungen haben im Grunde genommen den Sinn, dass sie einem auf die Beine helfen. Aus der Wirtschaft wird man das kennen, dass man Anschubförderungen bekommt, damit man sein Produkt einmal auf dem Markt etablieren kann. Förderungen haben auf der anderen Seite im sozialen Bereich natürlich den Sinn, dass jene Menschen, die wirklich Notwendigkeiten haben, diese abgedeckt bekommen. In der Landwirtschaft ist das quasi eine Dauerbasisförderung, und wir müssen einmal schauen, wie wir diese Fördermittel so effizient einsetzen, dass wir der Landwirtschaft und den Landwirtinnen und Landwirten auch Gutes tun.

Wenn wir immer und immer und immer wieder laut Grünem Bericht – ich wüsste nicht, wann es einmal anders war; vielleicht lange vor meiner Zeit – einen Rückgang in der


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Bauernschaft verzeichnen müssen, dann müssen wir irgendwann einmal klare Verhält­nisse schaffen und schauen, wie man das stoppen kann. Bis jetzt macht man immer so weiter, wie wir es vorher gemacht haben, wie es in den Vorjahren war, und das führt nicht zu dem Ziel, dass sich die Landwirtschaft so stabilisiert, dass die Landwirtinnen und Landwirte ihren Job auch im kleinstrukturierten Bereich beibehalten. (Präsident Hammerl übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Minister, ich glaube, es gibt noch viel zu tun, ich bedanke mich aber bei Ihnen und bei allen, die am Grünen Bericht mitgearbeitet haben. Er gibt uns die Möglichkeit, dieses Thema gut zu diskutieren. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.00


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Kollege.

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegem Hensler. – Bitte.

 


17.00.55

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Erlauben Sie mir vorerst, ein persönliches Wort zu sagen. Geschätzter Herr Bundesminister, du hast in deiner Wortmeldung versucht, schlicht und einfach die schwierige Situation, aber gleichzeitig die Lage der Landwirtschaft zu präsentieren, und man hat herausgehört – erlaube mir, dass ich das persönlich so sage –, ich habe herausgehört, dass du mit vollem Herzen, vollem Engagement und vollem Einsatz für die Bauern, für die Konsumenten, für die Österreicherinnen und Österreicher arbeitest. Dafür recht herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Erlauben Sie mir, noch etwas zur Agrarpolitik zu sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich habe heute sehr wohl vom Herrn Kollegen Ertl gehört, was alles nicht geht, was alles negativ ist. Ich möchte nur sagen, ich bin tief beeindruckt von deinem Fachwissen über die Landwirtschaft. Beachtlich! Aber ich möchte schon sagen, gerade die Landwirtschaft ist heute an einem Punkt angelangt, dass wir ganz einfach Men­schen brauchen, dass wir Konsumenten brauchen, die überzeugt sind, dass dieser Weg der Gemeinsamen Agrarpolitik zielführend ist.

Verhehlen möchte ich auch nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir haben im abgelaufenen Jahr im Grünen Bericht 20 Prozent Steigerung ausgeworfen. Ja, wir haben es notwendig gebraucht, denn wir haben schon gehört, die letzten Jahre waren sehr schwierig für die Landwirtschaft. Aber es ist ganz einfach wichtig, dieses Vertrauen in die Bauernschaft aufzubauen.

Unsere Gesellschaft – ich möchte es so formulieren, meine sehr geehrten Damen und Herren –, die Menschen und die Bürger erwarten drei Grundvoraussetzungen:

Erstens einmal hochwertige Lebensmittel. Ja, da sind wir Vorreiter – Sie erkennen das immer wieder, wenn Sie von Skandalen in Europa hören –, da haben wir ganz hervorragende, ich möchte nicht sagen, Hausaufgaben gemacht, sondern für uns, für diejenigen, die Verantwortung getragen haben, war es eine Selbstverständlichkeit, die Rahmenbedingungen zu schaffen, geschätzter Herr Bundesminister.

Auf der anderen Seite: Pflege der Kulturlandschaft. Auch das möchte ich klar und deutlich erwähnen, denn das bedeutet Erholung, Freizeit, Lebensqualität, und nicht zuletzt boomt der Fremdenverkehr. Das ist auch eine Sparte der Landwirtschaft. Da arbeiten die Bäuerinnen und Bauern für unser Heimatland Österreich.

Der dritte sehr wichtige Faktor ist erneuerbare Energie. Da haben wir uns wirklich alle bemüht. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich komme aus einer Region, in der sehr


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viel in erneuerbare Energie investiert wird, aus dem Raum Bruck an der Leitha. Da gibt es Biogas-Anlagen, Windkrafträder und vieles, vieles andere mehr. Wir wissen, wovon wir sprechen, und wir haben uns sehr bemüht, auf diesem Weg voranzuschreiten, der auf der einen Seite zielführend für unser Heimatland Österreich ist, aber gleichzeitig auch richtungweisend für unsere unmittelbaren Bereich in dieser Landwirtschaft.

Das ist unsere Aufgabe, und wir machen sie sehr gerne, aber die Herausforderungen werden von Tag zu Tag größer. Das hängt natürlich nicht vom Fleiß der Bauern ab, sondern da hängen sehr viele Punkte zusammen: Klimawandel, Trockenheit, Dürre, Überschwemmungen, Bevölkerungszuwachs – die Menschen werden mehr und brauchen mehr Lebensmittel –, Preisschwankungen und vieles, vieles andere mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das alles – das möchte ich heute auch an die Fernsehzuseher richten – hat seinen Preis. Jawohl, auch unsere Bauern sind vehement bestrebt, auf der einen Seite all diese Voraussetzungen zu erfüllen, auf der anderen Seite möchten sie für ihre Arbeit aber auch einen gerechten Preis lukrieren.

Meine Damen und Herren, wir haben derzeit zirka 180 00 bäuerliche Betriebe. Wir haben schon gehört, sehr viele werden von unseren Bäuerinnen geführt, und sie werden im Zuerwerb und im Nebenerwerb geführt. Aber die Landwirtschaft – das möchte ich auch noch sagen – braucht Verständnis, wir brauchen das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger, der Konsumenten und eines jeden Einzelnen. Es soll ganz einfach das Herzstück unserer Landwirtschaft sein, dieses Bindeglied aufzubauen – das möchte ich abschließend erwähnen –: Bürger, Konsument und Bauern.

Abschließend möchte ich noch zu diesem Bericht sagen: Es ist wirklich ein hervor­ragender Bericht. Ich habe sehr ausführlich in diesem Bericht nachgelesen, ich habe versucht, gewisse Dinge – ich möchte es so formulieren – zu begreifen und auch zu verstehen, dass gewisse Dinge zum gegebenen Zeitpunkt nicht machbar, aber sehr wohl als Faktum der Möglichkeiten für die Zukunft gewährleistet sind.

Ich danke dir, geschätzter Herr Bundesminister, für deinen Einsatz. Die Aufgaben für unsere Zukunft werden immer schwieriger. Es ist ganz einfach wichtig, national die Rahmenbedingungen zu schaffen, aber eines ist auch unbestritten: Wir brauchen übergreifende Zusammenarbeit in einem vereinten Europa.

In diesem Sinne wird die Österreichische Volkspartei den Bericht sehr gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.08


 Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Kollege Zehentner. – Bitte.

 


18.08.14

Bundesrat Robert Zehentner (SPÖ, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Zuerst, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich mich einmal recht herzlich für die freundliche und freundschaftliche Aufnahme hier be­danken.

Geschätzte Damen und Herren und insbesondere liebe Zuseher an den Fernseh­schirmen! Es ist reiner Zufall, dass bei meiner ersten Plenarsitzung der Grüne Bericht zur Diskussion steht. Der Grüne Bericht ist für mich schon jahrelang die Grundlage für meine agrarpolitische Arbeit. Nebenbei bemerkt bin ich seit über 20 Jahren entweder als Vollmitglied oder als Ersatzmitglied in der §-7-Kommission und kenne daher sozusagen auch den Werdegang dieses Werkes.

Der Grüne Bericht ist ein sehr umfassendes Zahlenwerk, doch dieser Bericht ist, wie es so mit Statistiken ist, eine Momentaufnahme, aber wenn man die Berichte der letzten


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Jahren aneinanderreiht, dann kann man sehr viele seriöse Erkenntnisse daraus erlan­gen.

Der Grüne Bericht stellt zu wiederholtem Male fest, dass die Fördermittel bei uns ungerecht verteilt sind. Das ist keine Momentaufnahme, aus einer Momentaufnahme kann man diese Erkenntnis nicht ablesen, da muss man eine Zahlenreihe vergleichen. Was aber für mich besonders dramatisch ist, ist der Umstand, dass die Ungleichheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, von Bericht zu Bericht immer größer wird. (Zwischen­ruf des Bundesrates Hensler.) – Lass dir nur Zeit!

Ein Beispiel des Vergleichens dieser Zahlen im Grünen Bericht: Wenn ich jene Bauern hernehme, die unter dem Durchschnitt, unter den bekannten 12 500 € pro Bauer und pro Jahr, gekriegt haben, dann sehe ich, es haben diese Bauern im letzten Berichtsjahr um 60 € mehr bekommen, wenn ich jene Bauern herausnehme, die über 25 000 € bekommen, dann sehe ich, dass die jetzt um 700 € mehr haben. Aus diesen beiden Zahlen sieht man, wohin die Entwicklung geht. Das ist für einen Bericht nicht dra­matisch, aber wenn man das fortschreibt, wird es immer schwieriger, unsere von allen so hochgepriesene bäuerliche Landwirtschaft aufrechtzuerhalten, was immer das letzten Endes auch sein mag. Da müsste man einmal diskutieren, was das ist.

Und noch ein Vergleich, der sich schon fünf, sechs Jahre sehr, sehr gleichmäßig, aber steigend durchzieht. Wenn das bäuerliche Einkommen ein Plus vorne hat – es hat nicht immer ein Plus vorne gehabt, da kennen wir die Ursachen –, aber wenn es ein Plus vorne hat, dann sieht man, es haben die Bergbauern ein sehr kleines Plus, wenn nicht ein Minus vorne. Und wenn man die Gruppe der Bergbauern hernimmt, die ja eine sehr große ist bei uns in Österreich, so sieht man, es haben die Bergbauern, selbst wenn sie insgesamt ein Plus haben, dann, wenn man die Bergbauern der Erschwernisstufe 3 und 4 herausnimmt, ein Minus. Und das ist eine Tendenz, die die Worte „Wir müssen schauen, dass unsere Landschaft erhalten bleibt!“ sozusagen etwas hohl klingen lässt, selbst für einen Bergbauern, wie ich einer bin.

Ich glaube, da besteht Handlungsbedarf. Es ist jetzt sicherlich nicht die Zeit, um sich hinzustellen und zu sagen: Da brauchen wir mehr Geld, und da brauchen wir mehr Geld! Das wissen wir alle. Wir haben eine Gesamtverantwortung, und da können wir das nicht sagen. Aber wenn ich in Richtung 2014 denke, dann muss ich sagen: Es muss unsere oberste Priorität sein, dass wir die Förderung, und zwar nur in den extremen Bergbauernlagen, also in der Berghöfekatastergruppe 3 und 4, kräftig erhöhen.

Ich habe mich auch mit den Zahlen ein wenig beschäftigt. Eine kräftige Erhöhung in diesem Bereich würde rund 40 Millionen € kosten. Aus einem Gesamttopf von 1,7 Milliarden € ist das, glaube ich, eine bewältigbare Hebeübung.

Oder ich nehme eine andere Zahl her: Wenn man zum Beispiel bei den Förderungen in der Landwirtschaft Obergrenzen einführen würde, wenn wir sagen würden, pro Bauer aus den verschiedensten Bereichen – ohne Investitionsförderung, sondern jene För­derung, die jährlich den Bauern zukommt (Zwischenrufe bei der ÖVP); ja, lassen Sie sich nur Zeit – führt man das ein mit 25 000 €, dann würde das rund 300 Mil­lionen € freimachen. Die hätten wir zur Verfügung, um auf der einen Seite gewisse Ungerech­tig­keiten auszugleichen, andererseits für ein aktives Investitionsprogramm in der Landwirtschaft, um die Bauern fit zu machen. Und wir könnten damit durchaus auch einen Beitrag zum Budget leisten.

Das geht nicht? Das wäre eine völlige Illusion? Ich habe das noch nie gehört, dass jemand sagt, in Österreich kann das Bundesbudget über das Landwirtschaftsbudget saniert werden. Da sprechen ja die Zahlen so eine deutliche Sprache. Nur – wir haben das gestern und auch heute in diesem Haus vom Landeshauptmann Voves gehört, wir


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haben das auch von der Finanzministerin und von vielen Personen gehört, und ich kann das nur unterstreichen –: Wir müssen alle nach unseren Möglichkeiten dazu beitragen, um die missliche Lage des Bundesbudgets zu verbessern. Und aus­schließen werden wir Bauern uns nicht können. Das ist, glaube ich, auch nicht soli­darisch.

Vielleicht noch ein paar Sachen: Natürlich hat einer, der 10 Hektar hat, nicht die Berechtigung, gleich viel zu kriegen wie einer, der 100 Hektar hat. Aber schauen wir uns die Praxis an! Wenn jemand 10 Hektar hat, kriegt er eine bestimmte Summe an Förderungen, wenn einer 20 Hektar hat, kriegt er schlagartig die doppelte Förde­rungssumme, hat aber zum Beispiel in den Betriebskosten nicht den doppelten Traktor, nicht den doppelten Ladewagen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.) Ja, das ist nur, weil die Bergbauern da auch sehr hoch oben sind, aber generell ist die Modulation in Österreich extrem schwach. Die greift auf das fast nicht zu. – Das dazu.

Dann hätte ich noch eine Frage, bevor ich zum Abschluss komme, Herr Bundes­minister. Wir haben vorhin gehört, dass eigentlich der Pestizideinsatz in Österreich kräftig zugenommen hat. Wie verträgt sich das mit unserem so hochgelobten Umweltprogramm? Das ist mir ein Rätsel. Vielleicht können Sie mir das erklären, denn ich möchte es draußen den Bauern erklären.

Das wäre es inhaltlich gewesen zum Grünen Bericht, aber, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, nachdem das meine erste Rede hier herinnen ist, habt ihr alle ein bisschen ein Anrecht darauf, dass ich euch in ein paar Sätzen sage, wie der Zehentner Robert tickt. Ich glaube, das ist für die weitere Diskussion durchaus interessant. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Nachdem ich im vergangenen Oktober eingetreten bin in den Klub der Sechzigjährigen und nachdem Geburtstage, besonders runde Geburtstage, es ja so an sich haben, dass man sich einmal irgendwo in ein stilles Ecklein hinstellt und denkt: Wie ist das alles gelaufen bis jetzt?, kann ich sagen: Meine Generation und all jene, die ein bisschen älter sind als ich und die jünger sind sowieso, wir müssen uns einfach einmal eingestehen: Wir sind auf die Butterseite des Lebens gefallen! Immer Frieden, immer Freiheit, immer Demokratie: Das ist nicht selbstverständlich! Da braucht man nicht weit zu fliegen. Ihr wisst ja, wo überall es noch so ist, dass Menschen heute noch ihr Leben riskieren, damit sie in einer Demokratie mit ein bisschen Freiheit leben können. Ich meine, das ist nicht so selbstverständlich.

Diese Oberbegriffe, sage ich, in unserer Politik haben ja wahnsinnig viel Energie freigesetzt. Damit haben wir es einerseits von unseren Gemeinwesenorganisationen her und andererseits jeder von sich aus doch geschafft, dass wir auch eine ganz passable Kaufkraft haben. Denn: Friede, Freiheit, Demokratie und kein Geld – na ja, ihr wisst es, das ist halt auch nicht wirklich lustig! Wir haben also doch eine ganz passable Kaufkraft zusammengebracht, aber jetzt gibt es ein Riesenproblem mit dem Nicht-mehr-besser-Werden. Ich schaue da nicht hin zu den 500 000 Armen in Österreich, die für so ein reiches Land wie Österreich ja eigentlich eine Schande sind, ich schaue da hin zu der großen Gruppe der anderen, und denen müssen wir seitens der Politik sagen: Ein Besser-Werden müssen wir einmal etwas hintenanstellen! Wir müssen uns um die ungefähr 500 000 kümmern, das ist schon klar, aber ein Besser-Werden für eine breite Gesellschaftsschicht, die Illusion soll man nicht verbreiten. Das ist einfach eine Illusion!

Ich glaube, da ist jetzt dann egal – das sage ich immer, das habe ich auch im Salzburger Landtag oft gesagt –, ob man auf der Seite sitzt oder ob man auf der Seite


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sitzt (der Redner deutet nach rechts und links), wichtig ist mir, dass man die Fragen der Zukunft mit Solidarität oder mit Teilen bewältigt.

Und darum bitte ich euch, dafür bin ich in die Politik gegangen, und dafür arbeite ich. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.19


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Kollege Zehentner, ein großes Danke.

Ich erteile nun Herrn Bundesrat Keuschnigg das Wort. – Bitte. (Bundesrat Keuschnigg verzichtet.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.20.269. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2012 gemäß § 9 LWG 1992 (III-447-BR/2011 d.B. sowie 8661/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Temmel. Ich bitte um den Bericht.

 


18.20.41

Berichterstatter Walter Temmel: Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forst- und Wasserwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2012 gemäß § 9 LWG 1992 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2012 gemäß § 9 LWG 1992 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Ich danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Kollege Reisinger. – Bitte.

 


18.21.42

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt die aktuellen Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft. Ich sehe gerade auch rückblickend auf die vorausgegangene Dis­kussion über den Grünen Bericht eine sehr breite Übereinstimmung, was die Ziel­setzung betrifft.

Wir wollen und wir brauchen weiterhin eine krisensichere Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. Wir wollen und wir brauchen eine gepflegte Kulturland-


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schaft und eine intakte Umwelt. Wir wollen und wir brauchen auch im zunehmenden Maße Energie aus Biomasse und biogene Rohstoffe. Ich denke, wir sind uns auch darüber einig, dass wir diese Leistungen in erster Linie von bäuerlichen Familienbe­trieben wollen und nicht von einer industrialisierten Landwirtschaft.

Es gibt natürlich unterschiedliche Wege, wie man diese Ziele erreichen kann. Wie Herr Kollege Konrad gesagt hat, wäre natürlich der beste Weg, wenn es kostendeckende Preise gäbe und wir dieses ganze Ausgleichszahlungssystem gar nicht benötigen würden. Allerdings leben wir in einem freien Markt, und wir haben die Kräfte des Weltmarkts zu berücksichtigen, auch was die Landwirtschaft betrifft. Es gibt auch eine Zielsetzung der Europäischen Union, dass Lebensmittel für alle leistbar sein müssen. Es braucht daher diese Ausgleichszahlungen, um Lebensmittel zu diesen Preisen erzeugen zu können, es braucht auch einen finanziellen Ausgleich für eine Vielzahl von nationalen Bewirtschaftungsauflagen im Umwelt- und im Tierschutzbereich.

Herr Bundesminister, ich bin dir sehr dankbar, dass du dich auch in Brüssel sehr vehe­ment dafür einsetzt, dass dieser österreichische Weg so weitergegangen werden kann. Wir brauchen auch Investitionshilfen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe.

Faktum ist auch, dass rund 70 Prozent des Einkommens der Bauern bereits Ausgleichs­zahlungen sind. Das bedeutet: Die Produktion rechnet sich in vielen Bereichen nicht mehr. Ich verstehe daher die Forderung mancher Spitzenfunktionäre im Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Arbeiterkammer überhaupt nicht, wenn sie behaupten, bei den Bauern wäre jetzt das große Geld zu holen, das wir zur Sanierung des Budgets brauchen. Nicht genug damit, dass unsere Bäuerinnen und Bauern zu kaum kostendeckenden Preisen Lebensmittel erzeugen, nicht genug damit, dass sie ständig mit neuen Umwelt- und Bewirtschaftungsauflagen konfrontiert sind, nicht genug damit, dass unsere Bäuerinnen und Bauern auch ihren Grund und Boden für die verschiedensten Interessen und Bedürfnisse im öffentlichen Bereich zur Verfügung stellen, fordern diese Bosse von ÖGB und Arbeiterkammer jetzt eine scheibchenweise Enteignung des Grundbesitzes. (Bundesrat Mag. Klug: Funktionäre, nicht „Bosse“! – Bundesrätin Mag. Neuwirth: Wo denn?)

Die Erhöhung der Grundsteuer und die Einführung der Erbschaftssteuer ist eine Enteignung. (Bundesrat Mag. Klug: Was ist daran eine Enteignung?) Es geht nämlich nicht um den Ertrag aus Grund und Boden, es geht um den Besitz von Grund und Boden, der hier besteuert werden soll. Und das steht hier drinnen. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe. – Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In diesem Forderungskatalog der Arbeiterkammer, herausgebracht im Jänner, also aktuell, wird das gefordert. Und dabei geht es nicht um die superreichen 10 Prozent der Österreicher. (Bundesrat Mag. Klug: Wenn das so aufregt, dann war das ein Treffer! – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Es geht darum, dass die Arbeiterkammer bereits ab 150 000 € Vermögenswert 3 Prozent Erbschaftssteuer verlangt. Da ist jeder Eigenheimbesitzer drinnen, da ist sogar jede Eigentumswohnung mit drinnen. Das steigt dann schrittweise bis zu 20 Prozent ab einem Vermögenswert von 500 000 €. Das ist bereits ein Fünftel des Besitzes, das der Staat einheben soll, ginge es nach der Arbeiterkammer.

Was hier auch drinnen steht, und das darf ich zitieren: Die Erbschaftssteuer sei bestens dazu geeignet Vermögenssubstanz anzugreifen und Vermögensbestände umzuverteilen, damit wir Budgetlöcher stopfen können. Wenn das Sinn und Zweck hat und sinnvoll ist und wenn das keine Enteignung sein soll, dann weiß ich auch nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das nennt man kalte Enteignung! – Bundesrat Mag. Klug: 96 Prozent zahlen keine Steuern!)


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Das Schönste, was ÖGB-Präsident Foglar noch sagt und was wirklich viele Bauern und Bäuerinnen ärgert, ist: Erben ist ja keine Leistung. – Es ist sehr wohl eine Leistung! (Bundesrat Mag. Klug: Wo ist denn das eine Leistung?) Wenn Bäuerinnen und Bauern ein Leben lang nachhaltig, sparsam und hart arbeitend ihren Hof bewirtschaften, damit sie ihn dann in die Hände ihrer Kinder geben können, damit diese wieder weiterwirtschaften, ist das sehr wohl eine Leistung! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Das ist ja nicht erben!)

Das gilt nicht nur für die Kinder der Bauern, das gilt auch für andere Österreicherinnen und Österreicher, die sich hart arbeitend Eigentum schaffen und dieses weiter­vererben. Es kann schon sein, dass es vielleicht für einen ÖGB-Präsidenten ein Leichtes ist, ein bisschen etwas zur Seite zu legen von seinem ÖGB-Gehalt und dies weiterzuvererben. Das ist vielleicht keine Leistung, da mag er schon recht haben.

Geschätzte Damen und Herren, mit derart populistischen Forderungen wird nur Hass und Neid geschürt. Das ist Klassenkampf, weil das heute auch schon mal zur Diskussion gestanden ist. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Die Rede ist Klassenkampf! Das ist nicht der steirische Weg!) Klassenkampf, den wir jetzt nicht brauchen, und vor allem ist das auch etwas, derartige Forderungen nämlich, was wir auch mit der besten Agrarpolitik nicht mehr korrigieren und ausgleichen können.

Was wir jetzt brauchen, ist das, was in Österreichs Geschichte immer sehr gut war, auch wenn es uns nicht so gut gegangen ist, nämlich eine funktionierende Sozial­partnerschaft, wo sich die Sozialpartner zusammenfinden, einen gemeinsamen Weg gehen und gemeinsame Lösungen finden und sich nicht derartige Dinge ausrichten. Nur miteinander geht es und nie gegeneinander! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Mehr wollen wir auch nicht!)

18.29


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


18.29.15

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Reisinger, wenn ein Budget saniert werden muss, dann müssen wir uns alle solidarisch dazu bereit erklären, ansonsten wird es nicht möglich sein. Und gerade die Mittelschicht, die Arbeiterinnen und die Arbeiter waren in den letzten Jahren und Jahrzehnten diejenige Schicht, die eigentlich unser System, unsere Wirtschaft auf diesem Stand gehalten hat. Ich denke, es ist auch die Bauernschaft aufgerufen, einen gewissen Solidaritätsbeitrag zur Sanierung des Budgets zu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung bekennt sich dazu, dass trotz der notwendigen Sparmaßnahmen auch weiterhin die finanziellen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und flächendeckende Landwirtschaft im Budget aufgebracht werden müssen. Mit dem Bundesvoranschlag für das Jahr 2012 sind ausreichend Mittel zur Kofinanzierung der Gemeinschaftsprogramme budgetiert worden, sodass die kofinanzierten Förderungen aus dem EU-Haushalt ausgeschöpft werden können. Die drei Säulen  das ist das Umweltprogramm, das sind die Agrarumweltmaßnahmen aus dem ÖPUL 2007, das Bergbauernprogramm, das sind die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile zugunsten von Landwirten sowie die Investitionsoffensive  werden durch die Regionaloffensive für den gesamten ländlichen Raum, für die Klein- und Mittelbetriebe und zur Stärkung der Gemeinden ergänzt.

Für die ländliche Entwicklung sind im Budget 2012 1,079 Millionen € an EU-, Bundes- und Landesmitteln vorgesehen. Für die Ausgleichszahlungen werden 276 Millionen €


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zur Verfügung gestellt. Die Mittel für die Agrarumweltmaßnahmen in Höhe von 424 Millionen € sollen eine umweltgerechte, standortgemäße sowie nachhaltige Bewirtschaftungsweise sichern.

Es müssen aber auch in Zukunft ausreichend Mittel für die Grundabsicherung der Landwirte sichergestellt werden, eine Sicherstellung in den Bereichen Sicherheit der Lebensmittelversorgung, des Tierschutzes sowie des Wasser- und Umweltschutzes. Bei der Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten wird es in den verschiedensten Bereichen die eine oder andere Veränderung geben müssen. So wird es zum Beispiel für Rindfleisch eine einheitliche Betriebsprämie geben. Dies bedeutet, dass alle bisherigen Direktzahlungen, ausgenommen die für Mutterkühe und Anteile der Schlacht­prämie, zusammengefasst werden. Neben den Direktzahlungen sind die Intervention- und Exporterstattungen zu erwähnen. Diese tragen ebenfalls zur Stabilisierung der Preise und damit der Einkommen bei.

Die ländliche Entwicklung in der gemeinsamen Agrarpolitik wird auch in nächster Zeit ein wichtiges Ziel sein und bleiben müssen. Neben der Förderung von Berufsbildungsmaßnahmen mit dem Schwerpunkt auf einer qualitativen Neuausrichtung, der Erzeugung sowie der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden vor allem junge Landwirtinnen und Landwirte durch die Bereitstellung einer Niederlassungsprämie zur Weiterbewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Betriebe motiviert.

Im Programm sind weitere Maßnahmen für Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie den ländlichen Raum vorgesehen. In meinem Heimatland Niederösterreich fordern daher die SPÖ-Bauern eine gerechte Förderpolitik im Agrarwesen. Keine Millionärsförderun­gen mehr! Dies würde bedeuten, dass an Millionäre oder sogar Milliardäre keine Förderungen in Millionenhöhe mehr ausgezahlt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP, darunter: Klassenkampf!)

Wir in Niederösterreich, wir sind ein aufstrebendes Land. Die Agrarförderungen dürfen nur praktizierende Landwirte, das sind solche, die Haupt- oder Nebenerwerbslandwirte sind, erhalten. Es soll eine Förderobergrenze bei Direktzahlungen geben. Diese Förderobergrenze soll maximal 50 000 € pro Betrieb und Jahr betragen. Auch soll bei den Direktzahlungen die Intensität des Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft nach einem Standard-Arbeitszeitmodell ein Förderkriterium sein. Weiters wird eine Pauschalzahlung für Kleinlandwirte von 1 000 bis 3 000 € je Betrieb und Jahr gefordert. Dies sind nur einige Maßnahmen, die das Überleben von kleineren Landwirtschaften erleichtern oder überhaupt möglich machen würden.

Die Konsumentinnen und Konsumenten streben immer mehr nach höchster Lebens­mittelsicherheit, und daher ist es besonders wichtig, die Grundlagen für die Qualitäts­sicherung der tierischen Produkte zu erfassen beziehungsweise auf diese hinzu­weisen. Um unseren Bäuerinnen und Bauern ein entsprechendes Einkommen zu sichern und damit auch für die Zukunft eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft zu erhalten, ist es erforderlich, dass die notwendigen Förderungen und Leistungsabgel­tungen bereitgestellt werden; Förderungen, die zur Erhaltung einer vielfältigen Kultur und Landschaft sowie einer vitalen ländlichen Region beitragen können. Unsere Fraktion nimmt diese Maßnahmen auch zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Kollege Pirolt. – Bitte.

 


18.35.49

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs noch einen kleinen Rekurs: Herr


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Kollege Todt, es enttäuscht mich schon ein bisschen, dass du vorhin angekündigt hast, dass du solche in Wien nicht sehen oder nicht haben willst. – Ich zähle mich auch zu den „Solchen“. Das lässt jedenfalls tief blicken, was deine Geisteshaltung anlangt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Gemeint war es nicht so! Das wissen Sie aber ohnehin!) – Herr Kollege Klug, ich bin zurzeit am Wort!

Den Bericht leitet ein Einkommensplus für die Landwirtschaft ein. Heruntergebrochen bedeutet das je nicht bezahlter Arbeitskraft zirka 17 500 € jährlich, das heißt zirka 1 250 € im Monat. Damit sind wir, so glaube ich, durchaus nicht im Bereich der Spit­zen­verdiener. Der Grüne Bericht enthält auch noch eine Tabelle, einen Ist und Soll-Vergleich, was die Einkommenssituation anbelangt. Wenn man die Verzinsung des Eigenkapitals mit 3,5 Prozent berücksichtigt, dann liegt der durchschnittliche landwirt-schaftliche Betrieb in Österreich 50 Prozent unter dem Sollwert. Das heißt, die Kollegen der roten Fraktion können bei der Umsetzung von eventuellen Buchführungs­gelüsten schauen, wie sie sich Steuern bei den Bauern holen werden. Das wird nicht gehen, denn die Buchhaltungen werden etwas ganz anderes ausweisen. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Nein, nein, Frau Kollegin! Nein, nein! Der Bericht hat ja doch wohl auch einen Wahr­heitsgehalt, und den muss oder sollte man auch so zur Kenntnis nehmen. Wenn man das noch auf die Zone 4-Bauernbetriebe herunterbricht, so liegen die überhaupt nur mehr bei 30 Prozent des Solleinkommens.

Grundsätzlich ist es aber erfreulich, dass sich die Bundesregierung zu einer flächen­deckenden Landwirtschaft bekennt, die nachhaltig und multifunktional sein soll und in Zukunft, so hoffe ich jedenfalls, vor allem auch familienfreundlich gestaltet sein soll, familienbetriebsfreundlich, denn das ist ja der Knackpunkt. Ich selber bin praktizieren­der Bauer, und ich weiß aus meinem Umfeld, was da los ist. Es gibt den gesunden bäuerlichen Familienbetrieb, den man – ich sage es einmal so – massiv stützen soll. Es helfen uns nicht die Weltmarktpreise. Wir dürfen aber vor allem nicht von Preisen reden, die kostendeckendes Produzieren zulassen, denn damit spielen wir genau jenen in die Hände, welche viele Hektar besitzen und die großen Betriebe haben. Da werden wir also die Lösung nicht finden.

Insgesamt ist der Bericht auf dem richtigen Weg, die Kulturlandschaft zu erhalten. Die entkoppelten Betriebsprämien oder die Schlachtprämien sind schon erwähnt worden. Frau Kollegin Ebner, eines ist natürlich auch klar: Betriebe hören jetzt nicht unbedingt deshalb auf, weil sie unrentabel sind, so wie Sie sagen, sondern viele kleine Betriebe hören einfach auf, weil der bürokratische Aufwand zu dem, was an Output produziert wird, in keinem Verhältnis mehr steht. Da haben wir ein Problem, und da wissen wir aber vielleicht auch seitens der zuständigen Stellen nicht, wie man das in den Griff bekommen soll, wenn man die Qualität und ähnliche Dinge garantieren muss. Kollege Efgani Dönmez, ich bin biologisch produzierender Landwirt, und ich weiß auch um die Bereiche. Du wirst wahrscheinlich viel verstehen vom Konsum solcher Lebensmittel; ich weiß auch, wie man sie produziert und welche Schwierigkeiten man damit hat. Wenn man biologische Futtermittel braucht, um sie in der Tierproduktion anzuwenden, dann haben wir ständig damit zu kämpfen, dass wir gute Qualitäten an Futter bekommen. Da einfach ins Bodenlose auszuweiten wird an sich nicht funktionieren; also auch das geht so nicht! (Bundesrat Dönmez: Qualität statt Quantität!) – Ja.

Grundsätzlich vielleicht auch noch: Der Agrardiesel muss bleiben. Wenn man da glaubt, den kann man abschaffen: Dieser Diesel wird auf Grund und Boden verfahren, nicht auf dem Asphalt.

Das Nächste ist noch: Die Einheitswerterhöhung ist genauso eine Angelegenheit. Wenn man vorher wieder auf das Solleinkommen der Landwirtschaft zurückschaut,


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dann kann man auf der anderen Seite nicht auch noch verlangen, dass die Einheits­werte und damit letzten Endes die Kosten für die Landwirtschaft steigen.

In diesem Sinne: Wir werden diesem Maßnahmenbericht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.41


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Tiefnig. – Bitte.

 


18.41.09

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Geschätz­ter Präsident! Die Maßnahmen der Land- und Forstwirtschaft für 2012 stellen vieles in Aussicht. Ich bin davon überzeugt, dass die Landwirtschaft in der Vergangenheit schon viel zur Solidarität beigetragen hat.

Unser Bundesminister hat ja gesagt: Durch die Modulation, welche bei 5 000 € Aus­gleichszahlungen beginnt und die jetzt auf bis zu 10 Prozent nach oben gesetzt wurde, haben unsere Landwirte mit höheren Prämien Kürzungen erhalten. Unsere landwirt­schaftlichen Betriebe werden auch dementsprechend durch Bodenuntersuchungen bewertet, und die Einheitswertbewertung errechnet sich unter anderem nach den Bo­den­punkten. Somit wird durch eine Bodenuntersuchung die Qualität des Bodens bestimmt, der durch eine umweltgerechte Landwirtschaft zusehends besser wird. Dafür müssen wir auch in der Pauschalierung mehr zahlen.

Geschätzter Kollege Zehentner, ja, du hast aus deiner Sicht vom Berggebiet sicherlich recht, dass hier in der Zone 4 das Einkommen eher rückläufig ist. Aber die Zone 4 ist abhängig von den Ausgleichszahlungen. Wir im Innviertel sind abhängig vom Markt. In den letzten Jahren war der Marktpreis rückläufig, somit haben wir auch dement­sprechende Einbußen gehabt. Mit dem Einkommensplus von 20 Prozent im Jahr 2011 haben wir aber trotzdem nicht das Einkommen von 2009 erreichen können.

Dadurch muss auch Solidarität zwischen Berggebiet und den sogenannten Gunstlagen herrschen. Es kann doch nicht sein, dass die Milchproduktion aus den sogenannten Gunstlagen, wie man immer behauptet, ins Berggebiet kommt, wo sie trotzdem geför­dert werden muss. Die europäische Politik hat das teilweise in der Schweineproduktion gemacht, die Schweineproduktion nach Spanien verlagert und dort mit entsprechen­dem Aufwand an Mitteln gefördert. Dank unseres Bundesministers wird hier sicherlich eine vernünftige Lösung gefunden werden.

Danke schön auch dafür, dass die Mittel der GAP für das kommende Jahr wieder gesichert sind! Es wird nicht einfach sein, in den nächsten Jahren auf europäischer Ebene diese Mittel zu sichern, denn wir haben keinen Wolfgang Schüssel, der im Jahr 2006 die Mittel nach Hause gebracht hat, mit denen keiner mehr gerechnet hatte. Ich muss sagen, es war ein Herzeige-Projekt für Österreich, damals die zusätzliche Milliarde für die österreichische Landwirtschaft nach Hause zu bringen, denn in der Milliarde ist auch das Thema LEADER, Ländliche Entwicklung in der 4. Säule, inbe­griffen.

Im Bezirk Braunau allein sind in den vergangenen Jahren, also von 2007 bis zum heutigen Tag, 14,5 Millionen € investiert worden. Aus dem Topf Landwirtschaft wurden 14,5 Millionen € im Bereich Wirtschaft und Tourismus investiert. LEADER-Mittel kommen Projekten zugute, die seitens der Landwirtschaft mit Wirtschaft und Tourismus gemeinsam entwickelt werden, und somit kommen sie wieder der Wirtschaft zugute. Es ist also wichtig, dass diese Mittel auch in Zukunft dementsprechend erhalten bleiben.

Ein besonderes Augenmerk legt unser Minister natürlich auf die Bildung. Ich bin davon überzeugt, dass im Bildungsbereich noch viel möglich wäre, auch im Bereich Berg-


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gebiete. Ich sehe das bei uns im Bezirk Braunau, wo ich als Bezirksbauernkammer-Obmann die Meisterausbildung forciert habe. Ich sehe in dem Bereich schon, dass das Jammern bei den Jungen aufgehört hat. Sie haben deswegen zwar keinen besseren Preis, aber sie blicken über den Tellerrand hinaus und haben andere Perspektiven. Das Wichtigste ist einfach eine dementsprechende Ausbildung, dann wird sich die Landwirtschaft weiterentwickeln.

Ein Punkt, an dem auch angesetzt werden muss – und dafür sage ich auch ein Danke­schön –, ist das Thema Forschung. Vor Kurzem durften wir den Geschäftsführer der Lenzing AG kennenlernen, er hat in diesem Bereich auch erklärt, was alles in Holz, in Zellulose drinnen ist. Wir sind fast alle mit Baumwollkleidern bekleidet, aber mit Holz wäre noch viel mehr an Möglichkeiten als mit Baumwolle gegeben. Ich muss sagen, da sind auch Forschungsmöglichkeiten für Holz gegeben, es kann als Trägermittel wie Essigsäure und im Lebensmittelbereich, aber auch im Textilbereich verwendet werden.

Dafür muss auch in Zukunft Geld in die Forschung kommen, weil so auch die Land­wirtschaft davon profitieren kann. Wir sehen das zum Beispiel bei uns in Utzenaich in Oberösterreich, wo im Bereich Gras sehr viel geforscht wird und auch schon entsprechende Ergebnisse herauskommen, sodass die Landwirtschaft Möglichkeiten im Energiebereich, aber auch im Zellulosebereich hat und Geld verdienen kann.

Zum Schluss: Wir werden auch unseren Beitrag zum Steuertopf leisten. Aber wir müssen Einnahmen erwirtschaften, damit wir Steuer zahlen können. Ich bin froh, wenn jeder Bauer Steuern zahlt, weil er dann ein Einkommen erwirtschaftet. Nur muss man sagen, zurzeit sind wir abhängig von Ausgleichszahlungen, nicht von Förderungen, weil Förderungen nur dann gegeben sind, wenn es Sozialleistungen sind. Es sind Ausgleichszahlungen, und diese Ausgleichszahlungen sind Gott sei Dank für das kommende Jahr gesichert. Ich hoffe, dass wir diese auch in den nächsten Jahren absichern können. (Bundesrat Mag. Klug: 96 Prozent zahlen keine!)

In diesem Sinne sage ich ein Dankeschön dem Ministerium und allen Mitarbeitern dafür, dass sie sich immer wieder die Mühe machen, diese Berichte zu erstellen und die positiven Ausblicke für die Landwirtschaft zu geben. – Ein herzliches Dankeschön!

Ich glaube, der Landeshauptmann der Steiermark hat es heute vorgezeigt: Es geht nur miteinander, dass wir dies bewegen können. Ich fordere auch alle auf, hier diesem Bericht zuzustimmen! – Herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.46


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gelangt Kollege Konrad. – Bitte.

 


18.46.47

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Damen und Herren! Zuallererst möchte ich einmal klar festhalten, dass auch unsere Fraktion sehr daran interessiert ist, dass die Land­wirtschaft in Österreich funktioniert. Ich habe das bereits vorhin beim Grünen Bericht gesagt und bitte schon, es nicht so darzustellen, als ob die SPÖ-Fraktion per se etwas gegen Landwirte hätte. Das stimmt absolut nicht! Erstens bin ich selbst einer; wir haben in unseren Reihen einige Landwirte, genauso wie ihr sie in den eigenen Reihen habt. (Bundesrat Mag. Klug: Genau!)

Was uns allerdings schon ein Anliegen ist: Natürlich gibt es andere Branchen, auch andere Bereiche, wo wir unterschiedlicher Anschauung sind. Es gibt irgendwie Liebkinder, da unterstellt man den anderen Fraktionen immer, dass sie schon grund­sätzlich dagegen sind. Wenn ich jetzt zum Beispiel den anderen Bereich, die Eisen­bahn, ansprechen würde: Da würde man euch zum Beispiel unterstellen, dass ihr grundsätzlich etwas gegen sie hättet, was ja auch nicht stimmt. Ihr seid natürlich Fans


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der Eisenbahn, darüber brauchen wir gar nicht zu reden. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Fast Fans!

Aber was wir uns schon erlauben – und ich glaube, das muss man Arbeiterkammer und ÖGB auch zugestehen –, ist, dass die Bereiche natürlich schauen, wo man auch sparen kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, es ist so, wie es am Vormittag der Landeshauptmann gesagt hat: Wir sind in der Politik gut beraten, wenn wir keinen Themenbereich auslassen, uns selbst nicht und vor allem auch nicht andere Themenbereiche, ob das jetzt die Beamtenschaft ist, ob das der Bereich der Arbeitnehmer ist oder ob das auch der Bereich der Land­wirtschaft ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Minister wird es bestens wissen: Die finanziellen Mittel sind enden wollend. Das ist einfach so. Wir werden wahrscheinlich – außer, der Minister findet irgendwo noch einen besonderen Schatz, aber sonst gilt das auch für ihn – in Zukunft mit etwas weniger Geld auskommen müssen. Was einem schon erlaubt ist, ist, dass wir unsere Sicht darstellen, wie diese Mittel aus unserer Sicht verteilt werden könnten, damit es fair ist und damit die Landwirtschaft in ihrer Vielfalt, wie sie besteht, erhalten werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin nicht unbedingt der große Sprüche-Erzähler, aber einer ist mir da gleich einmal in den Sinn gekommen, der da heißt: Wenn du immer das tust, was du immer getan hast, wirst du immer das bekommen, was du immer bekommen hast. Wenn das, was du tust, nicht wirkt, dann tu etwas anderes!

Sehr geehrte Damen und Herren, Jahr für Jahr ist laut Grünem Bericht eben festzu­halten, dass die Kleinlandwirtschaft niedergeht. Wir müssen einfach fördertechnisch schauen: Wie können wir die Mittel verteilen? – Wenn es keine neuen gibt, dann muss man schauen, dass man die Mittel dort, wo sie vielleicht, sage ich jetzt einmal, in einem Ausmaß konsumiert werden, das es nicht Not hätte, ein bisschen kappt und sie dort, wo die Notwendigkeit vorhanden ist, hingibt. Nichts anderes hat mein Kollege vorhin gesagt, nichts anderes hat meine Kollegin gesagt, und nichts anderes sage ich. (Bundesrat Mag. Klug: Bravo!) Daher bitte ich wirklich auch festzuhalten, dass unsere Fraktion (Bundesrat Mag. Klug: Genau das ist die Linie!) sehr an einer gut funktionierenden Landwirtschaft interessiert ist. (Bundesrat Reisinger: Das ist wichtig!)

Selbstverständlich ist das wichtig, Kollege! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Reisinger.) Wir sind auf dem gleichen Weg, aber nicht immer Hand in Hand. Ich glaube, es liegt ja wirklich auf der Hand, dass wir die Bereiche verändern müssen. So, wie wir es getan haben, wird es immer das gleiche Ergebnis geben, dass die Klein­landwirtschaft niedergeht. Ich glaube, das ist nicht in eurem und nicht in unserem Interesse. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Bravo, Klaus!)

18.50


Präsident Gregor Hammerl: Nächster Redner: Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte.

 


18.51.02

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte hier die aufkeimende Harmonie nicht stören. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Die brauchen wir noch!) Ich bin ohnedies dafür! Ich bin schon sehr für Harmonie und dafür, dass man vernünftig miteinander redet. Und ich begrüße es ausdrücklich, dass sich hier alle Fraktionen sehr engagiert einbringen und das Thema Landwirtschaft diskutieren. Ich meine, der ganze Sektor kann sich nur


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fortentwickeln, wenn es Rede und Gegenrede gibt und wenn wir daraus die richtigen Schlüsse ziehen.

Aber um bei Ihnen, Herr Bundesrat Konrad, anzuschließen: Das ist ja genau der Punkt! Sie sagen: den Größeren nehmen, den Kleinen geben. – Was auf dem Tisch liegt, heißt: dem Sektor überhaupt wegnehmen! Das liegt auf dem Tisch. Es hat niemand von Ihrer Seite gesagt: Nehmen wir es da jemand weg und geben es den Kleinen. (Bundesrat Mag. Klug: Na ja, jeder wird etwas beitragen müssen! Sie auch!)

Ich meine nur, weil Sie versuchen, es so schön zu zeichnen. Tatsache ist – und ich betone das noch einmal, dass man mir hier nichts Falsches unterstellt –: Ja, auch der Agrarsektor wird seinen Sparbeitrag leisten. Es hat niemand gesagt: die Landwirtschaft nicht! Aber es geht darum, wo man ansetzt und dass wir schon auch in der Ressortverantwortlichkeit stehen, nämlich klug zu sparen und seinen Beitrag zu leisten. – Zum einen. (Bundesrat Mag. Klug: Sozial gerecht!)

Bio und konventionell: Ja, wir sind stolz auf unsere Biolandwirtschaft. Ich habe das erwähnt, es ist ein Ergebnis der österreichischen Agrarpolitik, weil Ökoprämien gegeben werden und damit auch größere Betriebe in die Biolandwirtschaft einsteigen. Aber wir müssen auch unsere konventionelle Landwirtschaft entsprechend würdigen, denn immerhin 93 Prozent der Österreicher ernähren sich nicht bio, sondern kon­ventionell.

Das Ziel der heimischen Agrarpolitik ist, dass wir den Tisch der Menschen decken, mit biologischen, mit konventionellen, jedenfalls mit österreichischen Lebensmitteln, die eine hohe Qualität sichern. Das ist der höchste Anspruch, den die Bauern in Österreich an sich stellen, dass wir den Menschen ordentliche Lebensmittel in hoher Qualität präsentieren können, im Lichte einer großen europäischen Konkurrenz, wo die Märkte austauschbar sind.

Der Punkt ist schon: Worum ich mich bemühe, ist, die Partnerschaft zum Konsumenten auszubauen, weil der Konsument jeden Tag, wenn er im Supermarkt ins Regal greift, entscheidet, wie unsere Landwirtschaft ausschaut. Wenn nur das billigste Produkt genommen wird, dann wird es keine bäuerliche Landwirtschaft geben, weder groß noch klein. Die können dann alle nicht existieren. Daher bemühen wir uns um öster­reichi­sche Qualität, sowohl bio als auch konventionell, wo auch Sicherheit da ist. Das ist das höchste Gut, egal, ob im flachen Land oder im alpinen Raum erzeugt wird.

Der zweite Punkt: Förderungen. Das Bemühen der Agrarpolitik ist es nicht, einem Bauern eine Förderung zu geben, weil er eben ein Bauer ist – etwa nach dem Motto eines Indianerreservats: weil du ein Indianer bist, bekommst du eine Prämie –, sondern die Bauern bekommen leistungsbezogene Prämien, egal, ob im Berggebiet oder im flachen Land.

Ökoprämien: Das Wesen des Umweltprogramms ist, dass es freiwillig ist. Wenn ein Bauer eine Ökoleistung erbringt, bekommt er eine Ökoprämie. Ein Biobauer bekommt mehr als ein konventioneller, einer, der nichts für die Umwelt tut, bekommt gar nichts. Alle Zahlungen unterstellen Ökoleistungen. Auch die Direktzahlungen der ersten Säule sind im Rahmen von Cross Compliance, guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand, an Umweltauflagen gebunden.

Mir ist es wichtig, dass die Bevölkerung weiß, dass ihr Bauer nicht Geld bekommt, weil er lieb und nett ist, sondern weil er Leistungen für die Gesellschaft erbringt. Die Bauern tun es gerne, ja, und sie gestalten auch die Landschaft, unter schwierigsten Bedin­gungen, in verschiedenen Gegenden.

Der Punkt ist nur – ich bitte Sie, das in der Diskussion zu berücksichtigen, und aus diesem Grund kämpfe ich für die Einkommen der Bauern –, die Eisenbahner haben ein


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Plus, eine Lohnerhöhung von 2,4 Prozent gehabt, ich gönne es ihnen; die Metaller plus 4,2 Prozent. Die Zahlungen der Landwirtschaft seit dem Jahr 2007, EU-Periode, wur­den nie valorisiert und haben im Wert verloren. 1 €, der im Jahr 2007 auch 1 € wert war, ist heute 73 Cent wert. Daher: Verstehen Sie bitte unser Engagement, warum wir für diese Zahlungen kämpfen! Sie wurden ohnedies nie wertberichtigt, das sieht das EU-System nicht vor.

Wenn jetzt die Erzeugerpreise besser werden, ist das erfreulich. Aber im Dunstkreis steigen auch die Betriebsmittel – im Bericht steht es ohnedies drin –: Die Düngemittel steigen um 33 Prozent, Energie um 17 Prozent, Futtermittel um 15 Prozent. Das heißt, es wird auch die Marge für die Bauern geringer. Daher: Verstehen Sie bitte unser Engagement, unseren Einsatz für diese bäuerlichen Zahlungen!

Arbeitszeitmodell: Wir haben eine Berücksichtigung des Faktors Arbeit bei diesen Prämien. Es ist klar, dass ein Bauer im flachen Land pro Hektar nicht so viel Arbeits­einsatz hat wie einer im Berggebiet. Daher gibt es das Bergbauernprogramm, weil eine höhere Erschwernis da ist und der Bauer dort eine Prämie bekommt, die einer im flachen Land eben nicht bekommt. Damit soll ja eine höhere Erschwernis abgegolten werden.

Wie man hier an den Stellschrauben dreht, das ist die Weiterentwicklung, damit es einigermaßen ausgewogen ist. Aber genau das Bergbauernprogramm bedeutet, ungünstige Lagen, erschwerte Gebiete besonders zu unterstützen, weil wir auch oben am Juchhe, irgendwo im Berggebiet, Bauern haben wollen, die dort Leistungen für die Gesellschaft erbringen.

Der Punkt Pauschalierung, ein heiß diskutiertes System! Ich sage deswegen „Legen­den­bildung“, weil es so dargestellt wird, als ob die Bauern keine Steuern zahlen. Erster Punkt: Die großen Betriebe zahlen Einkommensteuer, sie sind buchführungspflichtig. Ab einer gewissen Einkommensgrenze ist man voll in der Buchhaltung drinnen, und was man einnimmt, das versteuert man eben.

Dann gibt es für die Kleineren eine steuerliche Pauschalierung. Aber das ist kein Taschenspielertrick, sondern das ist einfach eine pauschale Steuererfassung, ein unbürokratisches System! Denn wenn jeder Bauer eine Buchhaltung machen müsste, braucht man Steuerberater, Kontrolle und so weiter. (Bundesrat Pirolt: Und eine Negativsteuer!) Es ist ein einfaches Erfassungssystem, und der Punkt ist: Wir reden jetzt bei der Budgetsanierung über Verwaltungsreform. Wenn jeder Bauer Buchhaltung mit einer Bilanz machen müsste, braucht es Kontrollore, und dann steht hinter jedem Misthaufen ein Kontrollor. Die Frage ist, ob wir derartige Beamte überhaupt haben, ein Heer von Beamten, die das machen.

Mir geht es nur darum, dass wir ein bewährtes System zwar weiterentwickeln müssen, es aber nicht über Bord werfen und es nicht auf irgendeine Art kriminalisieren. Das sagt ja die Landwirtschaft: Wir sind für ein Vorziehen der Hauptfeststellung, weil wir das System modernisieren wollen. Das sagen wir, aber nicht, dass man das System kippt, das bewährt ist und das gerade kleineren Betrieben hilft. Unbestritten ist es für die kleineren Betriebe ein Vorteil.

Abschließend: Ich danke den Mitgliedern der §-7-Kommission für ihren Einsatz, auch über alle Parteigrenzen hinweg. Dass hier besonders die Bäuerinnen erwähnt werden, ist ein wichtiger Punkt. Ich habe vor zwei Jahren einen Bäuerinnenwettbewerb ge­startet, um die Leistungen der Frauen in der Landwirtschaft vor den Vorhang zu bitten. Sie stehen oft unter einer enormen Mehrfachbelastung: nicht nur den Betrieb zu führen und betrieblich überleben zu müssen, sondern sich auch um die Familie zu kümmern, um die Kinder, um ältere Menschen, die sie pflegen müssen.


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Der Druck ist also gewaltig, und mir geht es darum – auch in den Programmen –, dass man die Frauen in der Landwirtschaft entlastet, auch von einem großen psychischen Stress, da wir sie brauchen. Es wäre eine österreichische Landwirtschaft nicht denkbar ohne den Einsatz der Frauen, wenn 41 Prozent der Betriebe von Frauen geführt werden, und dies in einem extremen Wettbewerb.

Abschließend noch einmal: Worauf wir in der heimischen Landwirtschaft stolz sind, ist der Punkt, dass wir trotz eines brutalen Wettbewerbes von Lebensmittelskandalen ver­schont geblieben sind und damit das Konsumentenvertrauen in einer brutalen Welt sichergestellt haben. Blicken Sie auf den Fall EHEC, die spanische Gurke, die es nicht war: ein Verdacht gegen die spanische Gurke, und sofort, über Nacht, flächen­deckender Schaden in ganz Europa – auch für die österreichischen Gemüsebauern, die eine Top-Qualität gemacht haben! Die Konsumenten haben sofort das Vertrauen verloren, die Märkte reagieren unverzüglich.

Daher braucht es gewisse Sicherheitsnetze. Wenn jemand ein Gauner ist, dann ist das nicht zu akzeptieren, aber für alle anderen, die korrekt arbeiten, braucht es Sicher­heitsnetze. Daher noch einmal: Wir werden unseren Beitrag leisten, aber eben in einem Gesamtgefüge, in dem dies ausgeglichen und ausgewogen der Fall ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

18.58


Präsident Gregor Hammerl: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Danke, das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.59.2510. Punkt

Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 – NGP 2009 des Bundes­minis­ters für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-420-BR/2010 d.B. sowie 8662/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Nunmehr gelangen wir zu Punkt 10 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Bitte um den Bericht.

 


18.59.43

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Hohes Haus! Ich erstatte Ihnen den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Nationalen Gewässer­bewirtschaftungsplan 2009.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 den Antrag, den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Kollege Tiefnig. – Bitte.

 


19.00.15

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundes­minis­ter! Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Der Gewässer­bewirt­schaftungsplan 2009 ist ein umfangreiches Werk von über 220 Seiten und ist trotzdem


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nur ein Steckbrief zum Donau-Rhein-Elbe-Dokument. Er reicht von Wasserverbrauch, Gewässergebrauch und Wasserschutz bis hin zum Klimawandel, er ist also sehr umfangreich.

Hochinteressant ist in diesem Bericht, dass zirka 74 Prozent der Abwässer über Gemeinden oder Kommunalentsorger entsorgt werden und nur 19 Prozent über Genos­senschaften. Dementsprechend wird die Wasserversorgung zum größten Teil über die Gemeinden sichergestellt.

Der Grund dafür, dass der Bericht im Bereich des Landwirtschaftsministeriums ist, ist wahrscheinlich, dass die Landwirtschaft einer der größten Verbraucher von Wasser – gemessen am Anteil der Gesamtbevölkerung – ist. Daher ist sie durch diese Nutzung und auch die Tierhaltung verpflichtet, die Nitratbilanz immer wieder zu erstellen und sicherzustellen, dass keine Einleitungen in die Fließgewässer und in die stehenden Gewässer vorkommen. Ich muss sagen, die Landwirtschaft hat in diesem Bereich mit der Nitratrichtlinie und mit dem bestehenden Umweltprogramm seit 2001 Hervor­ragendes für Wasserqualität geleistet.

Im Bereich der Wassernutzung ist es sehr interessant, dass 6 400 Kraftwerke zirka 67 000 Gigawatt Strom erzeugen. In Zukunft wird es wichtig sein, diesen Weg im Einklang mit dem Naturschutz – Natura 2000 – weiterzugehen. Im Endeffekt muss das Ziel sein, dass Energiesicherheit in Einklang mit Natur und Umwelt vorherrscht. Dazu gibt dieser Bericht einen hervorragenden Überblick.

Interessant wird auch sein, wie sich der Klimawandel auf unsere Gewässer auswirken wird, auf die Wasserqualität der Brunnen, aber auch auf die Fließgewässer. Im vergan­genen Herbst gab es teilweise wenig Wasser in Donau, Salzach oder Inn, die Kraft­werke konnten nur wenig Strom produzieren. Wie können wir den Ausgleich schaffen? Wie werden sich die Gewässer im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ent­wickeln? Inwiefern sind die Fauna und Tierwelt wie Fische, Krebse und weitere Organismen betroffen? – Dieser Bericht wird auch immer wieder Hinweise geben, wie sich das Ganze in Zukunft entwickeln wird.

In diesem Sinne muss ich noch ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums aussprechen, die ein umfangreiches Werk mit wie gesagt 220 Seiten zum Nachlesen geliefert haben. Das ist sicher für uns aber auch für das Publikum vor dem Fernseher interessant, weil viele Zahlen und Daten beinhaltet sind, die uns alle betreffen. In diesem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön dem Ministerium.

Wir stimmen dem Bericht natürlich gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

19.03


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster gelangt Kollege Lampel zu Wort. – Bitte.

 


19.03.51

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wir diskutieren heute den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan 2009, der alle sechs Jahre erscheint. Dieser Gewässerbewirtschaftungsplan ist ja das im Was­ser­rechtsgesetz definierte Planungsinstrument. Dieses sehr umfangreiche zweibändige Werk besteht einerseits aus dem Textdokument, in dem die wasserwirtschaftliche Situation in Österreich sowie die geplante künftige Entwicklung beschrieben werden, und andererseits aus dem Anhang mit Tabellen und Karten für detaillierte Infor­mationen, wobei die Karten nur im Internet verfügbar sind.


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Trotz dieses sehr guten umfangreichen Werkes möchte ich zwei Bemerkungen hierzu abgeben. Eine davon wurde bereits im Ausschuss diskutiert, nämlich dass im Text­dokument sehr wenige Vergleichszahlen von vergangenen Jahren zu sehen sind, damit hätte die Entwicklung besser dokumentiert werden können.

Ein weiterer für mich sehr wichtiger Punkt ist natürlich das Thema Grundwasser. In der Einleitung des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans steht, dass die Vorgaben dieses Plans auf den Zielen und Grundsätzen des Wasserrechtsgesetzes basieren, wonach die Wasserwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung zum Schutz und zur Reinhaltung der Ressource danach auszurichten ist, wie zum Beispiel, dass die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet werden kann, dass eine nach­haltige Wassernutzung auf Grundlage eines langfristigen Schutzes der vorhande­nen Ressourcen gefördert wird, dass eine Verbesserung der aquatischen Umwelt, unter anderem durch spezifische Maßnahmen zur schrittweisen Reduzierung von Einleitun­gen von gefährlichen Stoffen sichergestellt wird, dass Grundwasser so rein­zuhalten ist, dass es als Trinkwasser verwendet werden kann, und dass Grundwasser so zu schützen ist, dass eine schrittweise Reduzierung der Verschmutzung des Grundwas­sers und Verhinderung der Verschmutzung sichergestellt wird. – Das ist nur ein kurzer Abschnitt der Aufzählung.

Des Weiteren möchte ich noch einen Auszug hierzu aus der Homepage www.wasseraktiv.at bringen. Inhaber dieser Homepage ist das Lebensministerium, zum Thema Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 steht dort Folgendes:

„‚Damit setzen wir einen Meilenstein in der österreichischen Wasserpolitik. Unser Ziel ist, unser Wasser sauber und gesund für die kommenden Generationen zu erhalten und zu verbessern, so Umweltminister Niki Berlakovich. Bei der Erstellung des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans war es vordringliche Aufgabe, die Interessen der Ökonomie und der Ökologie in Einklang zu bringen.“

Weiter ist dann zu lesen: „Im Rahmen des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans soll es zu einer weiteren Reduzierung der Grundwasserbelastungen durch Nitrat und Pestizide in Ostösterreich bis 2015 kommen. Laufende Maßnahmen (wie z.B. das Aktionsprogramm Nitrat, verschiedene Pflanzenschutzmittelregelungen und das intensive Förderprogramm im Rahmen der ländlichen Entwicklung) sollen durch gezielte Zusatzmaßnahmen in belasteten Gebieten ergänzt werden.“

Das hat mich sehr positiv gestimmt. Herr Bundesminister! Diese Aussagen im Natio­nalen Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 beziehungsweise auf der Homepage des Lebensministeriums stehen aber in krassem Widerspruch zu den Vorkommnissen rund um die geplante Ansiedelung von Schweinestallungen im Raum Lichtenwörth. Vielen ist dieses Gebiet am Rande der Mitterndorfer Senke, dem größten Grundwasser­vorkommen Mitteleuropas, bereits bekannt. Es liegt im Zustrombereich von Brunnen­anlagen verschiedener Wasserversorger, das Grundwasser wird gefähr­det, und einzelne Messstellen zeigen bereits Nitratwerte weit über den Grenzwerten. Dieses Gebiet wurde unverständlicherweise seitens der niederösterreichischen Landesregie­rung im Gegensatz zu den Nachbargebieten nicht als Grundwasserschongebiet ausgewiesen.

Geschätzte Damen und Herren, in der Gemeinde Lichtenwörth werden bereits mehr als 25 000 Schweine gehalten, mit dieser Zahl sind Ferkel, Mastschweine und so weiter gemeint. Bei den Auflagen für die UVP-Prüfung und für die Verfahren nach der IPPC ist ja kurioserweise nur die Zahl der Mastschweine von besonderer Bedeutung, Ferkel leben scheinbar nur von Luft und scheiden nur Luft aus. Auch die Gemeinde Lichtenwörth ist gegen die Ansiedlung von weiteren Massentierhaltungsbetrieben und


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für den Schutz des Grundwassers. Das Thema Grundwasser wurde in all den Ver­fahren bis dato noch nicht direkt behandelt.

Herr Bundesminister, die Bevölkerung der Region, die Wasserversorger, das Land Burgenland – da gibt es einen einstimmigen Beschluss aller Parteien –, viele Unter­stützerinnen und Unterstützer verschiedenster Couleurs und von verschiedenen Institutionen werden weiterhin – und das verspreche ich Ihnen – für die von Ihnen getätigte Aussage: „Unser Ziel ist, unser Wasser sauber und gesund für die kom­menden Generationen zu erhalten und zu verbessern“, kämpfen, bis auch in dem betreffenden, sehr sensiblen Gebiet ein Grundwasserschongebiet verordnet wird beziehungsweise Maßnahmen zur Reduzierung der Nitratbelastung veranlasst werden, damit eine weitere Ansiedlung von Massentierhaltungsstallungen nicht kommen kann. Aufgrund dieser Aussagen lade ich Sie herzlich ein, mit uns mitzuarbeiten!

Herr Bundesminister, abschließend darf ich, um auf den Gewässerbewirt­schaftungs­plan 2009 zurückzukommen, Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich gratulieren. Es ist ein sehr umfangreiches Werk. Es ist, wie Sie sagen, ein Meilenstein. Es ist aber sicherlich in manchen Punkten verbesserungsfähig. Aber wichtig ist, dass das, was drinnen steht – ich habe es vorhin auszugsweise erwähnt – auch entsprechend umgesetzt wird. Ich schließe mit Ihrer Aussage:

„Unser Ziel ist, unser Wasser sauber und gesund für die kommenden Generationen zu erhalten und zu verbessern.“ (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum. – Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Danke!)

19.09


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster ist Herr Kollege Mitterer zu Wort gemel­det. – Bitte. (Bundesrat Mitterer – auf dem Weg zum Rednerpult zu Bun­desminister Dipl.-Ing. Berlakovich –: Heute muss ich Sie einmal loben, Herr Minister!)

 


19.10.29

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! In Anbetracht der späten Stunde und vor allem weil meine beiden Vorredner schon sehr ausführlich über diesen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan gesprochen haben, kann ich mich kurz halten, aber ich möchte trotzdem ein paar Anmerkungen machen.

Es ist in der letzten Zeit, vor allem in den letzten Monaten, so viel über Österreich und in Österreich gesprochen worden – über Triple A, über Schuldenbremse, Schulden­abbau, Staatsverschuldung –, dass man fast den Eindruck hatte, Österreich sei ein armes Land, was bei Weitem nicht stimmt. Wir haben aber auch Stärken vorzuweisen. Den drei Bereichen, in denen Österreich reich ist, die Herr Kollege Gottfried Kneifel heute angeführt hat, möchte ich einen vierten hinzufügen, und das ist mit Abstand das Wasservorkommen in Österreich. Wir sind in dieser Hinsicht ein reiches Land, und wir sind froh, dass wir dieses Wasser auch schützen können. Da ist die Politik in Zukunft gefordert, und sie war auch bisher gefordert.

Der Bedarf an Wasser pro Person liegt bei etwa 150 Litern am Tag, hochgerechnet – auch was die Betriebe anlangt – sind es 260, sodass wir einen Wasserbedarf von in etwa 2,6 Milliarden Kubikmetern per anno haben. Wir haben aber 84 Milliarden zur Verfügung, und somit verbrauchen wir von diesem herrlichen und kostbaren Trink­wasser, das wir in Österreich haben, nur 3 Prozent. Das ist, glaube ich, ein Erfolg. Die Politik ist gefordert, dieses Wasser auch rein zu halten, und dabei ist Österreich wie gesagt ein Vorbild, und nicht nur Österreich.

Ich möchte aber, was Österreich anlangt, dem Herrn Bundesminister und auch seinen Vorgängern einmal ein Lob aussprechen – was ich ja nicht immer tue vom Rednerpult aus, denn das war die Politik, die dazu geführt hat, dass dieses Wasser in dieser


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hohen Qualität zur Verfügung steht. Wir in Kärnten haben schon Anfang der siebziger Jahre reagiert, als damals erstmalig die Badeseen zu kippen drohten. Wir haben der Bevölkerung große Mittel abverlangt, um letztlich diese stehenden Gewässer, die durch den damals sehr starken Tourismus sehr belastet waren, zu schützen.

Das hat dazu geführt, dass wir in Kärnten stolz darauf sind – und nicht nur in Kärnten, in den anderen Bundesländern verhält es sich ähnlich –, dass wir Badeseen mit Trinkwasserqualität anbieten können, wozu kein anders Land in Europa in der Lage ist. Dass wir darüber hinaus in Kärnten natürlich das führende Land in Bezug auf Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung sind, lässt sich allein dadurch erklären, dass wir nicht nur viel Wasser sondern auch hohe Berge haben, und das Wasser entwickelt natürlich auch durch die Steigungen Kraft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Ressource schrumpft aber trotzdem aufgrund des höheren Bedarfs weltweit. Ich möchte noch einen Appell an Sie alle richten: Wir als Österreicher sollten dafür sorgen, dass die Verfügungsgewalt über unsere Wasserschätze ausschließlich in österreichi­scher Hand zu belassen ist. Einer Liberalisierung, wie bereits mehrfach versucht wurde, ist mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Ein Abverkauf unserer wichtigsten Lebens­grundlage an die EU oder andere Interessenten ist mit allen Mitteln zu verhindern. Österreich muss in dieser Frage autonom bleiben dürfen. Das ist Gott sei Dank über die Parteigrenzen hinweg – einschließlich auch der grünen Fraktion – in diesem Hohen Haus eigentlich gesichert.

Die freiheitliche Fraktion wird diesem Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 selbst­verständlich zustimmen und hofft – und ich glaube, diese Hoffnung ist wirklich begrün­det –, dass wir auch in den nächsten Jahren einen so positiven Bericht zur Kenntnis­nahme bekommen. (Allgemeiner Beifall.)

19.14


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.14.54

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann dem Kollegen Mitterer nur zustimmen, wir sind in Österreich gesegnet mit gutem und mit ausreichend Wasser. Wichtig ist, dass wir damit nicht schleißig umgehen und unser Wasser, sowohl das Wasser als Lebensraum, als auch das Wasser als Lebensmittel, schützen.

Mir ist schon bei der Ausschusseinteilung aufgefallen und ich war etwas überrascht darüber, dass gerade der Gewässerbewirtschaftungsplan, wenn es eine Trennung zwischen Umwelt und Landwirtschaft gibt, nicht zur Umwelt, sondern zur Landwirt­schaft gehört. Das ist im Ausschuss kurz besprochen worden. Ich finde es trotzdem eigenartig, denn gerade im Bereich des Grundwassers ist das Auffälligste, dass Landwirtschaft und Umwelt nicht immer zusammenpassen und nicht immer zusam­menspielen. Wenn es also irgendwo Gegenspieler gibt, dann in diesem Bereich, und gerade beim Wasser sieht man das am besten.

Ich habe heute schon die Probleme, die wir in Korneuburg mit Thiamethoxam im Grundwasser haben, angesprochen. Thiamethoxam macht nicht nur im Grundwasser Probleme, es wird auch verdächtigt, dass es Bienensterben auslöst. In Deutschland ist deshalb diese Beize mehr oder weniger schon verboten. Bei uns ist es nicht so weit. Bei uns gibt es noch ein Programm, die AGES prüft – ich weiß jetzt nicht, zwei, drei Jahre schon –, ob es Auswirkungen gibt. Ich weiß auch nicht, ob es schon Ergebnisse gibt, sie wurden immer wieder in Frage gestellt. Für uns in Korneuburg gibt es zu dem Thema wirklich noch sehr viele offene Fragen.


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Ich würde mir wünschen, dass man gerade beim Grundwasser – üblicherweise kommt das irgendwann einmal in die Trinkwasserleitung, die Leute trinken es, und dann geht es um die Gesundheit – verstärkt Untersuchungen macht und es nicht nur auf Nitratbelastungen, sondern eben auch auf diese Pflanzenschutzmittel – ich würde eher sagen Pestizide – überprüft.

Ich habe vorher schon angesprochen, dass das Problem ist, dass nur untersucht wird, wenn es einen Verdacht gibt. Wenn es keinen Verdacht gibt, wissen wir nicht, was wir trinken. Insofern ist die Qualität  (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Das stimmt ja nicht! Das stimmt ja nicht!) – Naja, Sie können es mir ja vielleicht dann erklären. Meines Wissens  (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Das Wasser wird doch permanent untersucht!) – Ja, das Trinkwasser wird permanent untersucht, und es gibt 20 Parameter, die gesucht werden. Es gibt aber insgesamt 1 000 Chemikalien und darunter auch viele Pestizide, die man finden kann. Nicht jedes Pestizid, das in der Landwirtschaft ausgebracht wird, wird dann auch im Trinkwasser und im Grundwasser gesucht. Das ist meiner Meinung nach ein Problem, das könnte man, wenn man ehrlich ist, auch ein bisschen näher und öfter betrachten.

Ein weiteres Problem, das ich im Weinviertel in erster Linie auch für das Grundwasser sehe, sind die Schiefergasbohrungen, die die OMV plant. Sie als Umweltminister haben sich ja gegen diese Schiefergasbohrungen ausgesprochen. Dummerweise ist es jetzt so, dass die OMV ihre Probebohrungen macht, und es wird aufgrund der UVP-Richtlinie, die besagt, dass man bei so kleinen Löchern noch keine UVP braucht, eben vorher keine Umweltverträglichkeitsprüfung geben. Es wird auch nicht kontrolliert, jedenfalls nicht vom Ministerium, nicht von der öffentlichen Hand, ob dieses Fracking Auswirkungen auf das Grundwasser haben wird.

Also mein Vertrauen darauf, dass die OMV das so genau kontrolliert und die Daten dann vielleicht auch noch an die Öffentlichkeit geraten, ist enden wollend. Ich würde Sie wirklich bitten, Herr Minister, dass Sie da Ihre Verantwortung als Umweltminister wahrnehmen, denn Sie vertreten diesen Bereich in der Regierung. Es ist klar, dass der Herr Wirtschaftsminister da andere Interessen vertritt und auch andere Sichtweisen hat. Aber es wäre wirklich auch für das Grundwasser wichtig, dass das kontrolliert wird, auch schon jetzt bei den Probebohrungen.

Wir werden den Bericht heute natürlich zur Kenntnis nehmen, es gibt aber zwei Dinge, die ich mir für den künftigen Bericht wünschen würde: Das eine ist schon ange­sprochen worden, das sind diese Gegenüberstellungen und Vergleiche. Schauen wir uns zum Beispiel die Ergebnisse von Überwachungsprogrammen der Fließgewässer an (die Rednerin zeigt die betreffende Seite aus dem Bericht): Ich habe da zwar schöne Kügelchen – einmal, zweimal –, nur einmal ist der Ist-Zustand dargestellt, und das andere zeigt das, was wir gerne hätten. Das ist schon lieb und schön und gut und nett, nur zeigt mir das nicht, ob wir jetzt auf dem Weg zu diesem Ziel sind. Das zeigt mit nur den Jetzt-Stand, und nicht den letzten Stand, und nicht, wohin und in welche Richtung wir gehen. Es würde den Bericht sicher interessanter machen, wenn man auch beobachten könnte, wie sich die Gewässergüte und die Grundwassergüte entwickeln.

Der zweite Punkt, den ich mir wünschen würde: Mit dem Wasser gibt es ja manchmal auch Probleme, nämlich mit Hochwasser; und die hängen zusammen beziehungs­weise treten vermehrt auf aufgrund des Klimawandels – das ist ja nichts Neues. Deshalb würde ich mir wünschen, dass man diese Auswirkungen des Klimawandels vielleicht auch in diesem Plan berücksichtigten könnte, zumindest in einem kleinen Kapitelchen.


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Ganz zum Schluss noch eine Bitte: Ich habe das Vorwort des Ministers vermisst. Auch Ihr Foto habe ich vergeblich gesucht. Das war eine Überraschung für mich. So ein Vorwort drückt ja normalerweise auch etwas aus, nämlich wo man hinwill, und ist so eine kleine Zusammenfassung.

In den zwei Seiten vorne geht es zwar im Prinzip durchaus darum, wo man hinwill, aber es gibt eigentlich keine Zusammenfassung, nichts Einfaches, Übersichtliches, damit das auch Otto Normalverbraucher oder Elisabeth Normalverbraucherin lesen und dann schauen kann: Was interessiert mich näher? So eine Zusammenfassung würde den Bericht etwas aufpeppen, ansonsten nehmen wir das, wie gesagt, gerne zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.20


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Steinkogler zu Wort. – Bitte.

 


19.21.05

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich kann mich meinen Vorrednern anschließen und ebenfalls sagen, dass wir in einem sehr gesegneten und wasserreichen Land leben. Ich komme aus dem Salzkammergut, also aus einer Gegend, wo wir höchste Qualität beim Grundwasser haben, wo aber auch die Seen Trinkwasserqualität haben. Kollege Kainz überzeugt sich jedes Jahr von der Qualität des Offensee-Wassers (Bundesrat Kainz: Ja! – Heiterkeit bei der ÖVP), aber auch unser Traunsee und unser Attersee haben Trinkwasserqualität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Gewässerbewirt­schaftungs­plan informieren die Autoren zum einen über Planungen und Maßnahmen, die auf eine wasserwirtschaftliche Ordnung zielen, in der alle Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse aufeinander abgestimmt sind, und zum anderen sind alle Schutzgebiete und die dazu notwendigen Programme zur stufenweisen Verbesserung aufgelistet. Gewässerab­schnitte sind nach dem Grund ihrer Veränderung durch Aktivitäten des Menschen bewertet, und auch Fortschritte sind angeführt.

Es wurde schon sehr viel gesagt. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch eines betonen: dass gerade in unserem Land – und ich kann von Oberösterreich sprechen – die Umsetzer, die sogenannten Gewässerbezirke hervorragende Arbeit leisten, dass gerade die Gewässerbezirke in den letzten Jahren innovative und öko­logisch nachhaltige Programme mit der Bevölkerung, mit den Gemeinden erstellen und dann auch dementsprechend umsetzen.

Das ist gerade im Hinblick auf die Klimaveränderung von größter Wichtigkeit, nämlich der Ausbau, zum Teil auch der Rückbau oder der ökologische Umbau. Ich glaube, deshalb ist gerade dieser Bericht ein gutes Instrumentarium, nach dem es zu handeln gilt. Deshalb können wir diesem Bericht mit gutem Gewissen zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.23


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte.

 


19.23.06

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke Ihnen, dass die Fraktionen unisono diesen Nationalen Gewäs­serbewirtschaftungsplan als sehr positiv bewerten. Es ist dies tatsächlich ein Meilen­stein der österreichischen Wasserpolitik.


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Ich nehme auch zur Kenntnis, Frau Bundesrätin, dass Sie mein Foto vermissen. Ich kann diesem Wunsch gerne nachkommen. (Heiterkeit.)

Aber das ist ja nicht der Punkt bei dieser Sache, sondern es ist klar festzuhalten, und das ist ja von vielen angesprochen worden: Das oberste Ziel ist es, der österreichi­schen Bevölkerung sauberes Trinkwasser in ausreichender Menge und Qualität sicherzustellen. Auch wenn wir diesbezüglich in einem gesegneten Land leben, sind doch unsere Anstrengungen sehr massiv dahinter, das sicherzustellen.

Frau Bundesrätin Kerschbaum, wenn Sie sich hierher stellen und sagen, es werde nur dann untersucht, wenn etwas passiert, muss ich Ihnen sagen: Verunsichern Sie bitte nicht die Bevölkerung! Die Wasserversorger, die Genossenschaften, die Verbände untersuchen permanent! (Bundesrätin Kerschbaum: Aber nur 20 Parameter!) – Sie haben hier gesagt, es werde nur untersucht, wenn etwas passiert. Das stimmt nicht! (Bundesrätin Kerschbaum: Aber nur 20 Parameter!) – Nein!

Es wird gewissenhaft untersucht, permanent überwacht, nämlich von den Landes­behörden inklusive Bundesbehörden, weil man natürlich aufpassen muss, wenn etwas ins Grundwasser gerät. Aus irgendeinem Grund, Stichwort Landwirtschaft, kann etwas passieren, und da geht es dann darum, dass sofort Alarm geschrien wird! Es werden alle Substanzen, auch Metaboliten und all diese Dinge, untersucht. Ich meine, dafür gibt es ja die Kompetenz der wasserwirtschaftlichen Organe, die das tut.

Da ist niemand in Schutz zu nehmen oder auszuklammern, sondern: Beim sauberen Wasser gibt es keine Kompromisse! Also bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis, partei­übergreifend gibt es da einen Konsens, dass hier gewisse  (Bundesrätin Kerschbaum: Warum haben wir dann ?) – Das kostet ja auch einiges, und das machen wir ja auch.

Der Punkt insbesondere bei dem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan war die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Und zwar geht es da nicht um die Qualität des Wassers, sondern um den ökologischen Zustand unserer Fließgewässer. Die Anstrengung um Trinkwasserqualität bei den Badeseen fordert einen jahrzehntelangen Einsatz von viel Geld. Aber etwa 65, 66 Prozent unserer Fließgewässer haben keinen guten ökologischen Zustand. Das heißt, sie sind nicht fischpassierbar, weil es Quer­bauwerke wie Wasserkraftwerke und Hochwasserschutzeinrichtungen gibt; und Ziel des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplanes ist es, in einer Langfristperspektive bis 2027 diesen ökologischen Zustand zu verbessern, und zwar in einer europäischen Anstrengung.

Der erste Plan läuft bis 2015. Ziel dabei ist, hier zum Beispiel Fischpassierbarkeit sicherzustellen. Wir wenden Fördermittel für Gemeinden und für die Energiewirtschaft auf, damit beispielsweise Fischaufstiegshilfen gemacht werden. Das kostet enormes Geld, stößt manchmal auf Unverständnis, ist aber Teil der europäischen Konzeption, die wir umsetzen.

Genauso auch die Frage der Restwassermengen bei Wasserkraftwerken, wie viel da dotiert wird, auch da gibt es ein permanentes Hintasten. Da geht es um die Frage: Wie kann ein Wasserkraftwerk möglichst effizient sein, möglichst viel Wasser zur Verfügung haben, möglichst viel Energie produzieren, dass aber gleichzeitig auch der ökologische Zustand garantiert ist?

Abschließend: Wir haben diesen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan einem Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren unterzogen, wie ich es noch nie gekannt habe; dabei bin ich schon länger in der Politik auf der Gemeinde- und Landesebene. Sechs Monate lang konnten sämtliche Institutionen, jede Bürgerin, jeder Bürger, Einwände einbringen. Wir haben rund 400 Stellungnahmen gehabt in einem offenen Prozess. Wir


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haben auch in den Bundesländern mit den NGOs Diskussionen veranstaltet und haben diesen Gewässerbewirtschaftungsplan Vertretern der Wirtschaft, der Energiewirtschaft und der NGOs präsentiert, weil er insgesamt ein Fortschritt ist und ein Beispiel dafür, wie man Ökologie und Ökonomie vereinbaren kann.

Diesbezüglich darf ich erwähnen: Ich habe als Basis dieses Gewässerbewirtschaf­tungsplans – das war ein Wunsch insbesondere der Energiewirtschaft – den Kriterien­katalog oder, wie wir ihn nennen, Wasserkatalog erlassen, um eben Wasserkraftwerks­verfahren effizienter und sparsamer zu genehmigen. Oft ist es so, dass ein Verfahren, ein Wasserkraftwerksprojekt beantragt wird, und dann dauert das Genehmigungs­verfahren endlos lange, kostet einen Haufen Gutachten, sehr viel Geld und Zeit; und am Schluss heißt es dann, das wird nicht genehmigt.

Dieser Wasserkatalog ist eine Art Checkliste. Dadurch soll im Vorfeld geklärt werden: Wie hoch ist der ökologische Schaden? Wie viel Energie wird erzeugt? Wie ist der Effekt bei einem Projekt? Dann sieht der Kraftwerksprojektwerber, ob es einen Sinn hat, dass er ansucht, oder ob er besser die Finger davon lassen sollte. Dieser Wasserkatalog wurde ebenfalls mit der Energiewirtschaft und den NGOs erarbeitet und soll einfach dazu führen, dass wir bei Genehmigungsverfahren rascher, effizienter und sparsamer vorgehen.

Sie sehen also, es gibt schon konkrete Ergebnisse. In diesem Sinn danke ich für Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

19.28


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.28.1311. Punkt

EU-Jahresvorschau des BMLFUW 2011 auf Grundlage der Arbeitsprogramme der EU-Präsidentschaften (III-430-BR/2011 d.B. sowie 8663/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Somit kommen wir zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


19.28.28

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über die EU-Jahresvorschau des BMLFUW 2011 auf Grundlage der Arbeitsprogramme der EU-Präsidentschaften.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 den Antrag, die EU-Jahresvorschau des BMLFUW 2011 auf Grundlage der Arbeitsprogramme der EU-Präsidentschaften zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 



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19.29.08

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Diese EU-Jahresvorschauen der einzelnen Ministerien bieten uns immer wieder eine hervorragende Gelegenheit, die Positionen der Euro­päischen Union, aber noch mehr unsere eigenen, die österreichischen Positionen, die österreichischen Vorgehensweisen einer grundlegenden Diskussion zu unterziehen. Wir merken bei diesen Europa-Diskussionen hier im Bundesrat, wie sehr da Österreich-Politik zu Europa-Politik wird, wie diese Politikfelder verschwimmen, wie Europapolitik zur nationalen Politik wird.

Erlauben Sie mir bei dieser vorliegenden Jahresvorschau, mich weniger im Jahr 2011 aufzuhalten, sondern das sozusagen weiterzuprojizieren, nämlich auf das Jahr 2012. In beiden Jahresvorschauen bildet die gemeinsame Agrarpolitik ein ganz, ganz wesent­liches Element. Mit dieser gemeinsamen Agrarpolitik werden die Grundlagen, die Perspektiven, die Rahmenbedingungen für sechs weitere Jahre festgelegt. Aus diesem Grund ist eine hohe politische Konzentration auf diese Materie gerechtfertigt.

Sie haben heute schon sehr viel über Landwirtschaft gehört, auch zu diesem Kapitel. Ich werde mich daher eher etwas kürzer halten.

Was hat diese gemeinsame Agrarpolitik bisher bewirkt? Wir haben eine flächen­deckende funktionierende Landwirtschaft in Österreich. Die österreichischen Land­schaften sind weltberühmt. Wir haben eine ökologische Landwirtschaft erhalten, und, um auf die Vordiskussionen einzugehen, wir haben in manchen Teilen dieser öster­reichischen Landwirtschaft die kleinststrukturierten Betriebe beinahe ganz Europas.

Es ist für mich oft erstaunlich, wie schwer es den Abgeordneten und Kollegen der SPÖ fällt – ich habe ja dieses Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft vom Kollegen Konrad gehört –, sich von diesem Argument zu verabschieden, dass bei uns die kleinen Betriebe benachteiligt werden. Zum Beispiel bei der Milchwirtschaft dümpeln wir am Ende der Tabelle dahin, matchen uns mit Portugal und Griechenland um die letzten Plätze. Da gibt es dieses Größenargument, aber es ist in der Realität einfach nicht vorhanden. Vielleicht kann man das einmal zur Kenntnis nehmen.

Wir freuen uns über diesen Konsens und über dieses Bekenntnis, das möchte ich klar sagen; und ich glaube dir das auch, Kollege Konrad, persönlich. Allerdings, wenn man die derzeitige öffentliche Debatte verfolgt, dann ist die von vollkommen anderen Parametern geprägt. Rede vielleicht einmal mit deiner Nationalrats-Kollegin Kuntzl, die gerade am Wochenende einen wirklich heftigen Untergriff in Richtung bäuerliche Familien gestartet hat.

Und wir haben auch eine sehr erfolgreiche österreichische Landwirtschaft. Wir haben seit der Öffnung der Grenzen, seit dem Beitritt zur Europäischen Union ein unglaublich großes Außenhandelsdefizit weitgehend abgebaut. Wenn die Kurve so weitergeht, werden wir im Jahr 2013 bei den Lebensmittelexporten erstmals einen Überschuss haben; wir werden trotz aller Importe von Südfrüchten, Kaffee und anderen Produkten mehr österreichische Agrarprodukte ausführen als einführen. Das ist ein großer Erfolg!

Mit dieser gemeinsamen Agrarpolitik haben wir eine starke Politik für die ländlichen Räume machen können. Der Agrarsektor trägt sehr, sehr viel bei, um diese ländlichen Regionen zu erhalten. Auch das ist eine Anknüpfung an die heutige Diskussion. Der steirische Landeshauptmann Voves hat berichtet, wie sehr seine Regionen von Abwan­derung geprägt sind. Wir wissen es und haben es von den Wirtschaftswis­senschaftern bestätigt bekommen, dass diese Agrarpolitik zur Stabilisierung, zum Wirtschaftswachstum in diesen ländlichen Regionen beiträgt, und darum soll es gehen.


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Im Herbst 2011 wurden die Legislativvorschläge, sozusagen das Regelwerk, unter dem die Agrarpolitik künftig stattfinden soll, vorgelegt. Die sind so lange Theorie, solange das Finanzpaket nicht abgesegnet ist. Der dänische Vorsitz jetzt im ersten Halb­jahr 2012 wird diese Entscheidungsfindung weiter vorbereiten. Eine erste Möglichkeit einer Entscheidung wird unter zypriotischer Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2012 bestehen.

Jetzt, glaube ich, geht es darum, dass wir alle Register ziehen, um zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen, das für Österreich passt. Es geht um sehr viel. Die Sache ist gut vorbereitet. Unsere Erfahrung ist: Je mehr wir gemeinsam marschieren, umso besser setzen wir uns auch durch. Um diese Unterstützung darf ich alle hier im Hohen Haus, im Bundesrat ersuchen. – Vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

19.34


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


19.34.00

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landwirtschaftsminister! Lieber Georg Keuschnigg, eine kleine Nebenbemerkung muss ich dir leider zurückgeben: Es ist so, wie man’s dreht und wendet, aber die soziale Balance stimmt einfach nicht. Das gilt auch für die Landwirt­schaftsförderung. Die Kleinen bekommen zu wenig und die Großen bekommen zu viel. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Georg Keuschnigg, wofür braucht ein Mateschitz von Red Bull, ein Mayr-Melnhof oder ein Piëch eine Bergbauernförderung? Da stimmt doch irgendetwas im Gesamtsystem nicht! Aber ich will jetzt nicht zurückgehen in die innerösterreichische Debatte. Die hast du angeleiert, deshalb muss ich dir einfach sagen: Die soziale Balance in Österreich stimmt da nicht.

Gehen wir zur Landwirtschaft. Dieser Tagesordnungspunkt gibt uns die Möglichkeit, ein bisschen einen Ausblick zu geben. Die Kohäsionspolitik verändert sich leicht für den Zeitraum der nächsten sechs Jahre. Das wird eine sehr spannende Zeit werden. Für uns ist es sehr wichtig, dass etwas ganz Erfolgreiches für Österreich weitergeführt wird, nämlich die sogenannten LEADER-Projekte, die Förderung, die Entwicklung des ländlichen Raums; wobei das eben nicht reine Landwirtschaftsprojekte sind, sondern die tatsächliche, umfassende Förderung: Kaufkraftstärkung, Förderung der Lebens­qualität, der Bildungsstandorte und so weiter. Es geht darum, die Abwanderung aus den Dörfern durch eine geänderte Lebensqualität hintanzuhalten.

Ich meine, es ist doch Tatsache, dass wir auf der einen Seite den Produktionsraum der Städte haben und auf der anderen Seite den Reproduktionsraum des Landes. Wenn ich mir anschaue, dass so viele junge Frauen die Führerschaft der Betriebe überneh­men, ist das doch ein Zeichen. Wollen wir hoffen, dass sie dann auch Männer finden, die mittun, wenn sie diese Betriebe übernommen haben. Lange Zeit hatten wir ja das umgekehrte Problem. Das halte ich für wichtig.

Noch ein Hinweis: Wir waren ein bisschen überrascht, dass der Globalisierungsfonds praktisch ein Landwirtschaftsfonds geworden ist, aber die Folgen der Globalisierung sind nicht nur eine Frage der Landwirtschaft. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Aber nun zum Kapitel Umwelt. Was derzeit für die Umweltpolitik der EU besonders wichtig, maßgeblich ist: Da Dänemark gerade den Vorsitz des Rates der EU führt, trifft es sich irgendwie doppelt, dass ausgerechnet die für den Klimawandel zuständige Kommissarin Dänin ist, und die Dänen geben jetzt wirklich Gas und fokussieren ihre Präsidentschaft ganz auf die Umweltpolitik, neben Wirtschaftskrise und so weiter. Sie


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setzen ganz auf den spezifischen Aspekt der Umweltpolitik und führen den Kampf gegen den Klimawandel, setzen sich für eine Reduktion der Treibhausgase ein. Nach dem mäßigen Erfolg von Durban – aber immerhin hat die EU es geschafft, bei diesem Thema sehr geeint und sehr bestimmt aufzutreten – ist das eines der ganz wesent­lichen Dinge.

Dazu gehört die Förderung der erneuerbaren Energie, was untrennbar verbunden ist mit der Effizienzsteigerung, zum Beispiel im Rahmen der Wärmedämmung, um eben Leitungsverluste zu begrenzen. Es geht aber auch um Alternativen zum Individual­verkehr. Den müssen wir in den Griff bekommen, um diese Reduktionsziele für Treibhausgase auch tatsächlich zu erreichen.

Auch wenn Kanada aus dem Kyoto-Protokoll beziehungsweise aus diesem Abkommen ausgestiegen ist, seien wir froh, dass ein anderes Land, mit dem wir sehr stark in Verhandlungen sind, nämlich die Türkei, es unterzeichnet hat und derzeit zu einer internen Ratifizierung übergeht.

Etwas, was in den nächsten zehn beziehungsweise jetzt nur mehr acht Jahren ganz wichtig ist, sind die 20 Maßnahmen zur Biodiversität. Das alles wurde eingeleitet durch das „Internationale Jahr der Biodiversität 2010“. Das Bittere nämlich ist: Verlieren wir eine Art, so ist diese Art auf dieser Welt für immer verloren. Wir haben schon 95 Prozent der Artenvielfalt verloren. Insofern ist dieser Kampf für die Biodiversität etwas ganz Wichtiges! Da müssen wir – das sage ich jetzt speziell in Richtung Land­wirtschaft, Georg Keuschnigg – schauen: Wo gibt es Übernutzungen? Im Bereich der Fischerei etwa müssen wir etwas gegen das Leerfischen der Meere unternehmen! Aber auch ein ganz wesentlicher Faktor für den Verlust von Biodiversität ist die Luftverschmutzung. Da sind Maßnahmen notwendig, um die 20 globalen Ziele der Biodiversitäts-Konvention, die sich die EU bis 2020 gesetzt hat, zu erreichen.

Ein wichtiger Punkt, lieber Kollege Kneifel – da treffen wir uns ja immer –, ist die Was­serpolitik der nächsten Jahre, vor allem, dass man neben der euromediterranen Zusammenarbeit, neben der Schwarzmeer-Zusammenarbeit und neben der baltischen Zusammenarbeit die Donauraum-Strategie dermaßen prominent und dermaßen wichtig platziert hat. Das fällt unter Wasser: Wasser als Wasserstraße, Wasser als eine Straße, die Völker und Kulturen verbindet, die die Möglichkeiten schafft, auch hier einen gemeinsamen Lebensraum zu kreieren und auszubauen mit der Donau, wo wir es auch schaffen, zu einer guten gemeinsamen Entwicklung zu kommen mit Staaten, die Kandidaten-Status haben, die noch nicht dabei sind. Hier finden wir eine Situation vor, die man mehr als eine Nachbarschaftspolitik bezeichnen kann.

Das Thema Wasser ist generell – das hat heute auch schon ein Vorredner gesagt – ganz, ganz wichtig. Im März ist bereits das nächste große Weltwasser-Forum. Wasser wird knapp – nicht in Österreich, obwohl es hier regionale Unterschiede gibt, was Wasserknappheit betrifft; es gibt schon auch Regionen, wo man das Wasser herbeikarren muss. Aber Wasser birgt auch die Problematik von Extrem-Ereignissen, und da geht es um etwas, was wir grenzüberschreitende Wasserpolitik nennen.

Daher auch mein Ersuchen, Herr Umweltminister, Herr Landwirtschaftsminister, dass auch Österreich endlich das UN-Übereinkommen für nicht schiffbare Gewässer­sys­teme ratifiziert, die mehr als einen Staat umfassen – Deutschland hat ratifiziert, Ungarn hat ratifiziert, Luxemburg hat ratifiziert, Österreich nicht –, weil das ein Weg ist, ein Wasserrecht zu bekommen, neben den Rules of Helsinki, die man annehmen kann oder nicht. Es gibt eben immer dann, wenn das Wasser knapp wird, welche, die Oberanrainer sind, also bei den Quellen, und die hier mächtig sind, und all jene, die hintennach kommen, sind hilflose Unteranrainer. Wenn wir so manche Sicherheits-


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studie anschauen, sehen wir, Konflikte in der Welt sind in Zukunft in erster Linie da­durch gekennzeichnet, dass es um den Kampf um die Herbeiführung von Wasser geht.

Ein vorletzter Punkt: Wichtig ist – und das ist ein Ziel der Europäischen Union –, alles unter dem Motto der Nachhaltigkeit zu betrachten. Ich finde das sehr wichtig.

Jetzt kommen wir zu einem kleinen negativen Punkt, der natürlich die Umwelt stark mit berührt: Wir haben gestern im Umweltausschuss den Energieplan bis 2050 behandelt. Mein Gott, das ist natürlich ein unglaublicher Plan: Wo sind wir in 30 Jahren?! Aber auch dieser EU-Energieplan, diese Energiestrategie zeigt, dass die EU sich noch nicht verabschiedet hat und die Nutzung der Atomenergie, der Nuklearenergie in der Energiestrategie der Europäischen Union nach wie vor – ich muss das hier sagen – eine zentrale Rolle spielt.

Da ist es wichtig, dass Österreich in allen Foren und auch durch seinen Umweltminister immer und immer wieder auftritt und eine ganz klare Antiatom-Politik macht. Ich weiß, innerhalb Europas ist der Wind nicht günstig, und es gibt Projektplanungen von Staaten, die genau in diese Richtung gehen. Hier ist es notwendig, dass Österreich Allianzen eingeht. Und wenn Deutschland Stück für Stück abschaltet, ist auch Deutsch­land jetzt ein wichtiger Allianzpartner.

Aber insgesamt zeigt die EU-Politik die richtigen Ziele an. – Ob der Weg immer so eingehalten wird, werden wir sehen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

19.45


Präsident Gregor Hammerl: Als nächstem Redner darf ich Herrn Kollegem Pirolt das Wort erteilen. – Bitte.

 


19.45.18

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Uhr „reitet“ immer ein bisschen hintennach, sagt man. Dieser Bericht von 2011, diese Jahresvorschau: Ich glaube, bis 2020 wird uns durch­aus eine gemeinsame Agrarpolitik begleiten.

Ich nehme nur ein paar Punkte heraus, das meiste ist ja schon gesagt.

Zur Zielsetzung Qualitätspaket: Da frage ich mich schon, wie weit wir dem nahe kommen, wenn beim Einkommenszuwachs jene Länder, die weniger auf Qualität schauen müssen – Dänemark, Frankreich, Holland –, in etwa bei 40 Prozent Einkom­menszuwachs haben, Österreich, das sehr bedacht auf Qualität ist, es aber nur auf 20 Prozent bringt. Das gibt mir ein bisschen zu denken.

Ein wichtiger Punkt ist der ländliche Raum. Wir spüren es alle Tage: Es wird nicht genügen, dass wir draußen auf dem Land schön wohnen können. Wenn es uns nicht gelingen wird, im ländlichen Raum auch eine Art Beschäftigungsoffensive zu starten, werden die Menschen auf Sicht und Zeit diese Bereiche verlassen. Da, denke ich, sind noch nicht alle Maßnahmen, vielleicht auch steuerlicher Natur, ausgeschöpft, um zumindest einmal einen Stillstand erreichen zu können.

Ein Punkt noch: die Gentechnik. Da, glaube ich, ist es wichtig, dass wir weiterhin ein Selbstbestimmungsrecht in der Union behalten; wünschenswert wäre es, dass die gesamte Union die Gentechnikfreiheit einmal im Programm festschreibt. Es wäre nicht schön, das können Sie mir glauben, wenn wir überall irgendwelche Pollenbarrieren aufstellen müssten. Diesbezüglich hat es in Kärnten einmal einen Kämpfer gegeben, den Volker Helldorff, der da praktisch ein Mann der ersten Stunde war.


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Insgesamt, glaube ich, ist aber dieser Weg an sich richtig – auch wenn man ein paar Stellschrauben nachjustieren muss. Da ist man, wie ich meine, auf einem guten Weg, und wir werden diesem natürlich zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.47


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.47.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein bisschen eigenartig, wenn wir heute über die EU-Jahresvorschau des BMLFUW 2011 reden. Das liegt nicht an Ihnen, Herr Minister, ich weiß, aber ich würde doch bitten, dass man in der Präsidiale vielleicht ein bisschen mehr darauf achtet. Meines Erach­tens sind gerade diese EU-Vorschauen sehr spannend, und wenn wir sie dann immer im Nachhinein diskutieren, ist das irgendwie nicht ganz so zielführend.

Ich habe mir den Bereich Nuklearenergie herausgesucht und habe eigentlich erwartet, dass sich genau in diesem Bereich im Vergleich zum Vorjahr inzwischen einiges getan hätte, aber wenn man den Bericht durchliest, kommt man drauf, so viel Unterschied ist da gar nicht.

Da steht beispielsweise drinnen, dass die Kommission überlegt, einen Vorschlag über eine europäische Herangehensweise an nukleare Haftungsregelungen vorzulegen. Das ist etwas, was wir schon relativ lange in regelmäßigen Abständen hören, aber immer in eher länger werdenden Abständen. Ich weiß, eine wirklich reelle Haftung wird es nicht geben, aber die Haftungsregelungen derzeit sind so etwas von lächerlich, da muss man etwas tun. Und genau das ist ein Knackpunkt, mit dem man Atomkraft in Europa – ja oder nein? entscheiden könnte.

Wenn ich dann in der Energie-Roadmap, die Kollege Schennach schon angesprochen hat, lese – und ich möchte mich bedanken, dass diese auf die Tagesordnung des EU-Ausschusses gekommen ist –, dass die Atomkraft dazu beiträgt, die Systemkosten und Elektrizitätspreise zu senken, und deshalb eine große CO2-arme Option im EU-Strom-Mix bleiben wird, denkt man, das ist aus der Zeit vor Fukushima. Leider ist es nicht so, denn die Roadmap ist ziemlich aktuell, und offensichtlich hat sich da bezüglich der Ansicht des Herrn EU-Kommissars Oettinger nicht sehr viel geändert, gerade wenn man bedenkt, dass Haftungsregelungen angepasst werden sollten.

Und was den nächsten Punkt angeht, wo es um die Endlagerung geht und dass es hier eine Richtlinie für Endlagerung geben soll – die gibt es inzwischen ja –, müsste man eigentlich wissen, dass die Atomkraft unter vernünftigen Bedingungen in Wirklichkeit niemals die Systemkosten und die Elektrizitätspreise senken kann.

Da würde ich Sie bitten, dass Sie auch weiterhin diese Forderung Österreichs massiv und eindringlich vertreten in der Europäischen Union. – Wobei man gerade bezüglich der Endlagerung schon auch sagen muss, auch wir haben unser Endlager-Problem noch lange nicht gelöst. Ich habe jetzt im „Standard“ gelesen, dass das Zwischenlager in Seibersdorf auf unbestimmte Zeit verlängert worden wäre – meines Wissens nicht auf unbestimmte Zeit, aber vielleicht können Sie mir da Näheres sagen. Prinzipiell sollte es ja irgendwann einmal von einem Zwischenlager in ein Endlager wandern, nur: Endlager-Pläne gibt es bei uns nicht. Wir fordern sie zwar von allen anderen, aber wir haben sehr wohl auch unseren radioaktiven Abfall und haben noch nicht wirklich Überlegungen angestellt, außer, wo wir es vielleicht irgendwann einmal hinexportieren könnten.


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Da Kollege Schennach auch die Kooperation mit Deutschland angesprochen hat: Ich habe den Eindruck, dass Deutschland in puncto Anti-Atompolitik inzwischen schon ein ziemlicher Vorreiter ist und wir bald hintennach hinken werden, aber es wäre sicher ganz wichtig, dass man hier die Zusammenarbeit noch verstärkt. Ich denke da jetzt an Temelín, an dieses UVP-Verfahren in Temelín, wo es immerhin das Angebot gibt, jetzt leider nur einen Informationsabend zu machen. Aber da könnte man gemeinsam mit Deutschland etwas machen – ich weiß, dass es auch in Deutschland Bemühungen gibt, eine Anhörung im Land zu machen –, damit nicht alle Österreicher, wenn sie sich zu Temelín äußern wollen, nach Budweis fahren müssen, sondern dass sie das auch im Land tun können, sodass es vielleicht wirklich eine etwas effektivere und effizientere Abwicklung dieses UVP-Verfahrens gibt.

Da würde ich Sie bitten, Herr Minister, in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundes­kanzler, sich wirklich intensiv dafür einzusetzen, dass wir eine Anhörung bekommen und nicht nur einen Informationsabend.

Und zu guter Letzt etwas, was ich mir auch noch wünschen würde von Ihnen. Ich war letztens bei einer Veranstaltung in Raabs, mit Herrn Molin vom Umweltministerium. Ich war ganz verwundert, wie begeistert er war von der Idee, dass die Stresstests irgend­ein Atomkraftwerk abdrehen könnten. Wenn man sich anschaut: Für Dukovany wird die Laufzeit verlängert, und in Mochovce wurde offenbar auch nichts wirklich Störendes gefunden. Aber mich würden die Veröffentlichungen über die Stresstests wirklich sehr interessieren, die es bis jetzt gibt. Die könnte man ja auch irgendwo öffentlich machen, vielleicht im Umweltministerium ins Netz stellen und vielleicht auch eine Stellungnahme dazu anfügen. Auch wenn es jetzt nicht ein öffentliches Verfahren ist, aber man könnte die Bevölkerung darüber informieren, wie diese Stresstests, von denen ja so viel geredet wurde und von denen man sich so viel verspricht, wirklich ausschauen. Meines Wissens sind es nur ein paar Seiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.53


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister Berlakovich gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


19.53.05

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um zum Thema Anti-Atompolitik hier klar die österreichische Position zu deponieren: Österreich ist frei von Atomkraft und wird es auch weiter sein, und Österreich hat auch die richtigen Lehren aus Fukushima gezogen, weil wir dieses Thema in Europa vorantreiben – ohne Anmaßung, aber weil es tatsächlich so ist.

Also hier zu sagen, Deutschland ist bei der Anti-Atombewegung weiter als Österreich, das ist schon ziemlich dreist, weil wir einen Aktionsplan beschlossen haben, wo wir uns bemühen, ganz Europa dorthin zu bringen. Und wie wir gehört haben, ist die Tendenz in Europa gegen Atomkraft eine nicht selbstverständliche. Bei der Roadmap 2050, Energieausbau, spielt die Atomkraft eine große Rolle. Für uns ist das keine Option. Auch in den internationalen Klimaschutzverhandlungen kommt immer wieder, dass die Atomkraft ein Beitrag wäre, sozusagen Klima zu schützen, weil es keine CO2-Emissionen hat. Österreich hat dort mit ein paar wenigen Staaten verhindert, dass die Atomkraft in die internationalen Klimaschutzprogramme, in den Ausbau hinein­gekommen ist. Das nur dazu, was internationale Bemühungen angeht.

National ist es ganz klar. Das Thema ist, dass Fukushima etwas aus den Schlagzeilen gekommen ist und es daher nicht mehr so ein Thema in der Bevölkerung zu sein scheint. Nichtsdestotrotz bleiben wir drauf. Ich habe im Mai des Vorjahrs jene EU-Staaten nach Wien eingeladen, die keine Atomkraft haben; das sind 13 von 27 Mit-


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gliedsländern. Acht waren bereit, in einem ersten Schritt bei einer Anti-Atom-Allianz, nicht von NGOs, sondern von Staaten, mitzutun, und wir werden weiter an dem Thema arbeiten. Das kann ich Ihnen zusagen: Österreich bleibt da drauf.

Der zweite Punkt: Stresstests. Andreas Molin, den Sie hier zitieren, ist der inter­national anerkannte Experte. Er ist der Vizepräsident der ENSREG, der europäischen Atomaufsichtsbehörden, und er ist jener unabhängige europäische Experte – ein Österreicher! –, der im Leitungsgremium der Stresstests ist – darauf sind wir stolz, dass es gelungen ist, ihn dort zu verankern! – und der auch federführend war bei den Verhandlungen. Die Stresstests sind von uns ausgegangen, die Idee nämlich, dass nicht jeder Nationalstaat seine Atomkraftwerke kontrolliert und vielleicht sagt: Die sind eh in Ordnung!, sondern dass wir jetzt eine europaweit einheitliche Methode haben – erstmals haben wir das! –, wo natürlich in einem ersten Schritt die nationalen Behörden Daten übermitteln. Das ist jetzt erfolgt.

Der zweite Schritt, der entscheidende Schritt ist, dass unabhängige Experten kon­trollieren. Ich weiß, Ihre Fraktion hat gesagt, die Stresstests sind nichts, es werden keine unabhängigen Leute dabei sein, und so weiter. – Mittlerweile sind vier öster­reichische Experten mit dabei und andere unabhängige Experten von Nicht-AKW-Staaten, die Peer-Review-Teams bilden und in den jeweiligen Staat fahren und dort kontrollieren, ob das denn wirklich so ist, wie der Mitgliedstaat gemeldet hat.

Ich setze sehr große Stücke drauf, und Österreich, wir waren der Staat in der EU, der am längsten gekämpft hat für ordentliche Stresstests. Und alles wird überprüft – das ist ja der Sinn der Sache! –, auch was Terroranschläge, Flugzeugabstürze betrifft. Da hat sich natürlich die Atomlobby dagegen gewehrt, ganz klar.

Zum Thema Transparenz: Die Daten, die jetzt von den unabhängigen Teams erhoben werden, werden veröffentlicht und sind öffentlich zugängig seitens der Europäischen Kommission. Da können Sie dann mit teilnehmen, und das war auch unserer Meinung nach ein wichtiger Schritt. Und die Konsequenz: Wenn in einem Mitgliedstaat nach­gewiesen wird, dass die Atomkraftwerke dort unsicher sind – na was wird denn die Bevölkerung dort sagen? Die werden doch da nicht einfach zusehen! Und diese europäische Bewegung brauchen wir.

Zu Temelín. – Bei Mochovce, Slowakei, habe ich erreicht, dass es in Österreich eine Anhörung gegeben hat. Ich bin auch mit dem deutschen Umweltminister in Kontakt, um das auch bei Temelín zu erreichen. Die Deutschen sehen das etwas anders, aber wir sind in Kontakt, weil ganz klar ist – und damit schließe ich –: maximale Sicherheit für die österreichische Bevölkerung! Wenn andere Staaten auf Atomkraft setzen, arbeiten wir in Allianzen, um die davon wegzubringen, und wir haben erstmals ein Umwelt­ministertreffen in Österreich gehabt mit Deutschland, Schweiz und Liechtenstein, wo alle vier Staaten sich aus der Atomkraft hinausbewegen, und diese Allianz stärken wir, um in Europa erfolgreicher bei einem Anti-Atomkurs vorzugehen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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19.57


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.57.46Einlauf und Zuweisung

 


Präsident Gregor Hammerl: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 13 Anfragen, 2865/J-BR/2011 bis 2877/J-BR/2012, eingebracht wurden.

Darüber hinaus gebe ich bekannt, dass die Petition 31/PET-BR/2012 betreffend „Kin­derlärm ist Zukunftsmusik“, überreicht von Bundesrätin Inge Posch-Gruska, dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zur Vorberatung zugewiesen wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 15. März 2012, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Ein­spruchs- beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 13. März 2012, ab 14 Uhr vorgesehen.

Meine Damen und Herren, kommen Sie gut nach Hause!

Die Sitzung ist geschlossen.

19.58.56Schluss der Sitzung: 19.59 Uhr

 

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